Der Aristokrat

Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkel kennt,
das unentrinnbar und leise
von Allen ihn trennt.

Hermann Hesse.

Auch unter den Philosophen gibt es solche, die ihr Bild gleichsam als Maler von einem gegebenen Standpunkt aus auf die Fläche projizieren, und solche, die gleich dem Bildhauer ihr Problem von den verschiedensten Seiten prüfen und auf diese Weise ihr Werk gestalten. Wer sich hier wie dort auf eine Plastik so einstellt, wie es nur dem Gemälde gegenüber angebracht ist, wird notgedrungen zu einem verurteilenden Mißverstehen gelangen.

Was alles ist nicht schon über die »Widersprüche« bei Nietzsche geschrieben worden! Wohlwollende halfen sich damit, sie aus seiner Entwicklung zu erklären. Sie betonten die Gegensätzlichkeit seiner verschiedenen Schaffensperioden, um günstigenfalls einen geheimen Zusammenhang, dank seiner Persönlichkeit zu entdecken. Aber auch innerhalb der einzelnen Schaffensperioden ergibt sich keine Einheitlichkeit, wenn wir seine Werke nach der Art eines Gemäldes und nicht nach der Art einer Plastik beurteilen. Nietzsches Lehre aber muß mit den Augen eines Plastikers gesehen werden; denn er anerkennt keine unbedingten Wahrheiten, die von vornherein nur einen Standpunkt zulassen. Nicht der Hinweis auf Metamorphosen, wie sie jeder Mensch schon in seiner Wandlung vom Jüngling zum Mann erlebt, genügt, um das Beharrende in Nietzsches Schaffen zu erkennen, sondern es gilt, ihm auf den geheimen Wegen seines inneren Erlebens zu folgen, um die Einheit in der Vielfältigkeit zu erschauen.

Man muß verstehen, daß bei dem Trieb, alles unentwegt zu Ende zu denken, bei jedem Wort »immer[166] auf den extremsten Ausdruck« bedacht zu sein, so mancher Superlativ in Bejahung und Verneinung die Gegenüberstellung eines ausgleichenden Gegenwerts erforderte, man muß verstehen, daß Nietzsche trotz seiner Einseitigkeit als Kämpfer die verschiedensten Probleme umschließt. Er erklärt die Lust aus dem Leid und das Leid aus der Lust, den Pessimismus als Weltschmerz aus der Schwäche und den Pessimismus als tragische Erkenntnis aus der Stärke; denn Sprache und Begriffe sind nicht eindeutig. Er verherrlicht den Positivismus als Beschränkung auf das erfahrungsmäßig Gegebene und verurteilt ihn wiederum als einseitige Kritik der Spezialisten; er sieht im Zweifel bald eine blutaussaugende Spinne und verherrlicht wiederum die Skepsis als verwegene Männlichkeit. Nicht aus Mangel an Konsequenz, sondern aus der Folgerichtigkeit der notgedrungen wechselnden Anschauung und Beleuchtung. Darum sei es noch einmal gesagt: wir müssen Nietzsches Lehre so besehen, wie wir eine Plastik besehen.

Ein Philosoph, der nicht an absolute Wahrheiten glaubt, die unabhängig von der wirklichen Welt bestehen, sondern dessen Problem das vielgestaltige Leben selbst ist unter Einschluß seiner notwendigen Widersprüche, kann nur zu einer Einheit gelangen, indem er wie der Musiker Kontrapunkte setzt, wie der Architekt Horizontale und Vertikale sich ausbalancieren läßt. Nietzsche regt als Dichter die Phantasie an, daß sie zusammenschaut, was für den nüchternen Verstand getrennt besteht, Nietzsche als Denker erhebt den Widerspruch selbst zum Prinzip des Lebens.

Da für Nietzsche nicht die begriffliche Erkenntnis allein, nicht die logische Ableitung mittels Vernunftgründen, nicht die Vereinheitlichung in einem System das Ziel seiner Weltanschauung bildet, sondern die Lehre ihm aus dem Erlebnis erwächst, so ist eine gleichzeitige Betrachtung von Leben und Lehre unumgänglich notwendig,[167] damit wir den organischen Zusammenhang von Wesen und Wille bei ihm erkennen. Von Wille: denn für Nietzsche ist der Philosoph letzten Endes nicht zum beschaulichen Weisen, sondern zum schöpferischen Gesetzgeber der Menschheit berufen. Wie Goethe als Dichter nicht bestrebt war, Poesien aus der Wirklichkeit zu schöpfen, sondern Wirklichkeit selbst zu poetisieren, so will Nietzsche nicht Wertlehren aus dem Leben abstrahieren, sondern das Leben selbst in Werte umsetzen.

Jede Philosophie läßt sich als Bekenntnis ihres Urhebers deuten, und zwar sowohl hinsichtlich Start als Ziel. Sein Wesen, aber auch die Sehnsüchte seines Werdens, das instinktive Wollen in Tun und Lassen verrät sich in philosophischen Wertungen. Aber während uns die Geschichte der Philosophen hierfür sonst nur Beispiele bietet, die es erst analytisch aufzudecken gilt, war Nietzsche sich dieser Tatsache voll bewußt. »Die Wertschätzungen eines Menschen verraten etwas vom Aufbau seiner Seele und worin sie ihre Lebensbedingungen, ihre eigentliche Not sieht«, sagt Nietzsche. Auch Goethe hat erklärt: »Alles was von mir bekannt geworden, sind nur Bruchstücke einer großen Konfession.«

Wir erleichtern uns das Verständnis für Nietzsches Entwicklungsgang und das Sprießen, Blühen und Reifen seiner Lehre, wenn wir nach einem charakteristischen Zug forschen, der von Ursprung an in seinem Wesen lag. Nur auf einen bedeutsamen Zug kommt es uns dabei an; weder interessiert es uns, was ein Bernoulli auch an Nietzsche Menschliches-Allzumenschliches entdeckt, noch kommen für diesen Zweck die zahlreichen sympathischen Einzelzüge in Betracht, welche uns die Biographie der Schwester anführt. Als einen solchen bedeutsamen Zug bei Nietzsche dürfen wir seine aristokratische Veranlagung und Gesinnung hervorheben. Aristokratie bedeutete für die Griechen zunächst die Herrschaft der Besten, Fähigsten, Wackersten. Diese Abkunft des Wortes[168] erhält sich in Nietzsches Anwendung lebendig, wobei er immer wieder betont, daß die Züchtung von vornehmen Instinkten erst durch den Verlauf von Generationen erreicht wird.

Schon in der Betrachtung seiner Jugend begegnen wir bei Nietzsche einer Gesinnung, die ihn von den »Viel zu Vielen« absonderte, und je weiter wir seine Entwicklung verfolgen, desto mehr erkennen wir, daß er nur unter seinesgleichen frei zu atmen vermochte. »Er hatte eine geräuschlose Art zu sprechen, einen vorsichtigen, nachdenklichen Gang, ruhige Züge und nach innen gekehrte, nach innen wie in die weite Ferne blickende Augen. Man konnte ihn leicht übersehen, so wenig Auffallendes bot seine Erscheinung. Er war im gewöhnlichen Leben von großer Höflichkeit, einer fast weiblichen Milde, einem stetigen wohlwollenden Gleichmut; er hatte Freude an vornehmen Formen im Umgang, und bei erster Begegnung fiel das gesucht Formvolle an ihm auf.« So schildert ihn Alois Riehl, allerdings nicht nach eigener Anschauung, sondern nach den Mitteilungen seiner Freunde.

Auch Meta von Salis-Marschlins, mit der Nietzsche zwischen 1884 und 1887 wiederholt in Zürich und Sils-Maria persönlich verkehrte, erwähnt seine ruhige Sprechweise mit leiser Stimme voll Weichheit und Melodie und den nach innen gewandten Blick. Sie betont das vorsichtige Zögern, mit dem er alle ins Auge faßte, die sich ihm näherten. Er zeigte sich zuweilen sehr heiter und zu harmlosen Scherzen aufgelegt. Erhellte ein Lächeln sein wettergebräuntes Gesicht, so gewann es einen rührend kindlichen, Teilnahme heischenden Ausdruck. Sie sagt: Mitfreude hat Nietzsche wie wenige empfunden und an den Tag gelegt. Ungemein sympathisch wurde sie berührt von seiner angeborenen Höflichkeit, dem Takt des Herzens und den feinen Umgangsformen. Zu weit getriebene Gebundenheit sagte ihm immer noch eher zu[169] als rohes Wesen und Formlosigkeit. Bezeichnend ist der im Gespräche mit ihr gefallene Ausspruch: »Alles Illegitime ist mir eigentlich entsetzlich.« Sie überschrieb ihre Erinnerungen »Philosoph und Edelmensch« und nannte ihn den »Philosophen des Aristokratismus«.

Freiherr von Seydlitz, mit dem Nietzsche in Sorrent längere Zeit in persönlichem Verkehr stand, sagt: »Seines innersten Wesens kristallheller Kern war der höchste Adel, den der Geist erringen kann: wahre Urbanität.« Er erklärt keinen – keinen! – vornehmeren Menschen je gekannt zu haben als ihn. »Das wahrhaft Neue an Nietzsche ist, daß er zwischen allen Zeilen seiner Werke eine zukünftige Aristokratie verkündet – nicht nur des Geistes, sondern, was weit mehr ist, des Charakters.« Rücksichtslos war er nur den Ideen gegenüber, nicht den Menschen als Trägern dieser Ideen.

Als Georg Brandes 1887 als erster, der aus der Ferne sich ernstlich mit Nietzsche beschäftigte, an der Universität zu Kopenhagen Vorlesungen über seine Philosophie hielt, da begrüßte es Nietzsche ganz besonders freudig, daß Brandes seiner aristokratischen Gesinnung gerecht wurde. »Aristokratischer Radikalismus, das gescheiteste Wort, das ich bisher über mich gelesen.«

Brandes war auf seine tiefere Bedeutung aufmerksam geworden durch den Empfang von »Jenseits von Gut und Böse« und die »Genealogie der Moral«. Ehe wir aus diesen Werken die Berechtigung Nietzsches erlesen, sich einen »Immoralisten« zu nennen, wollen wir die Voraussetzungen hierfür in »Jenseits von Gut und Böse« verfolgen.

In der prähistorischen Zeit wurde der Wert oder Unwert einer Handlung nur aus ihren Folgen abgeleitet. Nietzsche nennt sie daher die vormoralische Periode der Menschheit. Erst aus der unbewußten Nachwirkung von der Herrschaft aristokratischer Werte und des Glaubens an die »Herkunft« erstand die moralische[170] Periode. Nun erst wurde in der Beurteilung einer Handlung der Ton nicht mehr auf die Folgen, sondern mit moralischem Nachdruck auf die Motive gelegt. Gegen diese Wertung, die Ungleichheit voraussetzt, kämpften die Nivellierer an als beredte Verfechter des demokratischen Geschmacks und seiner »modernen Ideen«. Wer sklavisch gesinnt ist, will Unbedingtes. Er versteht nur die Tyrannei. Auch in der Moral. Am typischsten tritt dies in der Französischen Revolution zutage, die Nietzsche, wo immer er sie erwähnt, auf das schärfste verurteilt. Daß sich die Französische Revolution gegen die Religion wandte, und zwar um der Demokratie willen, darf uns nicht verwundern. Denn für die Starken, Unabhängigen, zum Befehlen Vorbereiteten und Vorherbestimmten ist Religion ein Mittel mehr, um Widerstände zu überwinden, um herrschen zu können. Religion gilt ihnen als ein Band, das Herrscher und Untertanen gemeinsam bindet. Ihnen ist sie ein Ausweg von der Mühsal gröberen Regierens. Den gewöhnlichen Menschen vermag sie zugleich eine unschätzbare Genügsamkeit mit ihrer Lage und Art zu bieten, vielfachen Frieden des Herzens, eine Veredelung des Gehorsams, etwas von Verklärung und Verschönerung. Aber der demokratische Fortschritt widerstrebt dieser Verklärung.

Neben der moralischen und vormoralischen Wertung verweist Nietzsche bei dieser historischen Betrachtung zugleich auf die außermoralische Schätzung. Solange die Nützlichkeit und die Erhaltung der Gemeinde in den Werturteilen allein entscheidet, gibt es noch keine »Moral der Nächstenliebe«. Altruistische Tugenden begegnen noch einer gewissen Geringschätzung. So in der besten Römerzeit. Erst als man die Gefährlichkeit starker Triebe, wie Unternehmungslust und Herrschsucht als verhängnisvoll empfand, kamen gegensätzliche Triebe und Neigungen zu moralischen Ehren. Die Furcht ist die Mutter dieser Moral. Was den Einzelnen über die[171] Masse erhebt, wurde von ihr gebrandmarkt und das Mittelmaß der Begierden verherrlicht.

Diese Betrachtung hat uns bereits den Gegensatz von antiker und christlicher Anschauung erschlossen. Aristokratische Gesinnung bleibt jener verwandt, aber »die demokratische Bewegung macht die Erbschaft der christlichen«. Sehr bezeichnend fragt daher Nietzsche, zur Gegenwart übergehend: »Wir, die wir eines andern Glaubens sind –, wir, denen die demokratische Bewegung nicht bloß eine Verfalls-Form der politischen Organisation, sondern als Verfalls- nämlich Verkleinerungs-Form des Menschen gilt, als eine Vermittelmäßigung und Wert-Erniedrigung: wohin müssen wir mit unseren Hoffnungen greifen?« Die Antwort lautet: Nach neuen Philosophen, nach Geistern, die stark und ursprünglich genug sind, um die Anstöße zu entgegengesetzten Wertschätzungen, zu einer Umwertung der Werte zu geben.

Vernehmen wir so schon bei der historischen Darbietung des Problems der Moral die melodische Führung, welche Nietzsche der aristokratischen Gesinnung zuerteilt, so kommt ihre Bedeutung noch deutlicher zu Gehör, wo seine persönliche Empfindungsweise unmittelbar zum Ausdruck gelangt. Dann erscheint das Problem der Moral als ein Problem des Ranges. »Es gibt einen Instinkt für den Rang, welcher mehr als alles, schon das Anzeichen eines hohen Ranges ist; es gibt eine Lust an den Nuancen der Ehrfurcht, die auf vornehme Abkunft und Gewohnheiten schließen läßt.«

In dieses Problem des Ranges ist zugleich die Frage nach der Möglichkeit der »Größe« eingeschlossen. Wo die »Gleichheit der Rechte« allzu leicht sich in die Gleichheit im Unrechte umzuwandeln droht, wie es heute der Fall ist, da müssen wir mit Nietzsche befürchten, daß diese Bewegung immer mehr anwächst zu gemeinsamer Bekriegung alles Seltenen, Fremden, Bevorrechteten. »Heute gehört das Vornehm-sein, das Für-sich-sein-wollen,[172] das Anders-sein-können, das Allein-stehen und Auf-eigene-Faust-leben-müssen zum Begriff Größe.« Dem Plebejer-Ehrgeiz sind die Türen zu solcher Anschauung verschlossen. Wohl steht ihm der Weg zur Wissenschaftlichkeit, nicht aber zur – Philosophie offen. »Viele Geschlechter müssen der Entstehung des Philosophen vorgearbeitet haben; jede seiner Tugenden muß einzeln erworben, gepflegt, fortgeerbt, einverleibt worden sein, und nicht nur der kühne leichte zarte Gang und Lauf seiner Gedanken, sondern vor allem die Bereitwilligkeit zu großen Verantwortungen …«

Erkennen wir an, daß Nietzsche damit das Bereich der Gelehrten, der »wissenschaftlichen Arbeiter« scharf abgegrenzt hat, daß er ihnen das Gebiet gewiesen hat, wo sie den Tatbestand ehemaliger Wertsetzungen feststellen und sie ins Formale drängend, handlich machen können, wo sie Segen zu stiften vermögen, aber gestehen wir uns auch ein, daß er damit allen Kärrnern Bescheidenheit auferlegt gegenüber den Großen seiner Art, die mehr zu tun haben als nur zu erkennen, »nämlich etwas Neues zu sein, etwas Neues zu bedeuten, neue Werte darzustellen«. Schauen wir mit Nietzsche hinein in die Kluft, die zwischen Wissen und Können klafft! »Der Könnende im großen Stil, der Schaffende wird möglicherweise ein Unwissender sein müssen.«

Nietzsches aristokratische Gesinnung findet sich ferner in Übereinstimmung mit seinem tapferen Bestreben, der Erde treu zu bleiben und alle Vertröstung auf eine metaphysische Herkunft und Bedeutsamkeit der Moral zu verwerfen. Hatte er es sich im »Zarathustra« zur Aufgabe gesetzt, die Entmenschlichung der Natur zu fordern, das Chaotische in der Natur zu betonen, so trat er in »Jenseits von Gut und Böse« an die Aufgabe heran, »den Menschen zurückzuübersetzen in die Natur«. Er ist damit zum Vater der Psycho-Analyse geworden. Wie er auch die Passion der Liebe aus der Herrschsucht der[173] Wollust erklärte, wie er selbst die Willensart der Erkenntnis aus der geschlechtlichen Veranlagung deutete, wie er im Guten das sublimierte Böse, im Bösen das vergröberte Gute sah, wie er gegenüber Glaubenssätzen dem Verdachte Worte lieh, daß ihnen eine unterirdische Feindschaft zugrunde liege, die »nicht einmal über die Schwelle des Bewußtseins gelangt ist«: so führt er auch alle moralischen Wertungen auf unterbewußte Triebe zurück, um, wo immer er als Seelenforscher in diese Verborgenheiten hinableuchtet, dem Willen zur Macht zu begegnen.

Im Nachlasse Nietzsches haben sich Antworten über die Frage »Was ist vornehm?« gefunden. Sie besagen u. a., vornehm ist: die Sorgfalt im Äußerlichsten in Wort, Kleid, Haltung, insofern diese Sorgfalt abgrenzt, vornehm ist selbst der frivole Anschein, der vor unbescheidener Neugierde schützt, die langsame Gebärde, auch der langsame Blick, der die Dinge an sich herankommen läßt, das Ertragen der Armut und der Dürftigkeit, auch der Krankheit, das Ausweichen vor kleinen Ehren, die Einsamkeit, die Lust an den Formen, das Mißtrauen gegen alle Arten des Sichgehenlassens, eingerechnet alle Preß- und Denkfreiheit, weil unter ihnen der Geist bequem und tölpelhaft wird, der Ekel am Demagogischen, an der pöbelhaften Vertraulichkeit, das Vermeiden jeder Verallgemeinerung. Er schloß diese Niederschriften mit den Worten ab:

»– Wir schätzen die Guten gering als Herdentiere: wir wissen, wie unter den schlimmsten bösartigsten härtesten Menschen oft ein unschätzbarer Goldtropfen von Güte sich verborgen hält, welcher alle bloße Gutartigkeit der Milchseelen überwiegt.

– Wir halten einen Menschen unserer Art nicht widerlegt durch seine Laster, noch durch seine Torheiten. Wir wissen, daß wir schwer erkennbar sind, und daß wir alle Gründe haben, uns Vordergründe zu geben.«

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Welche entscheidende Bedeutung Nietzsche der Frage »Was ist vornehm?« beimaß, das beweist uns ferner der Umstand, daß er diese Frage als Überschrift dem letzten Hauptstück von »Jenseits von Gut und Böse« voranstellte und in nicht mißzuverstehender Weise verkündete: »Jede Erhöhung des Typus ›Mensch‹ war bisher das Werk einer aristokratischen Gesellschaft – und so wird immer wieder sein …«

[175]

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