13. Der Ball.

»Nun Kinder, heute bringe ich euch eine Einladung, die euch Freude machen wird,« sagte Tante Ulrike eines Morgens, indem sie ein Briefchen hervorzog, das uns für den nächsten Montag zu einem Ball aufforderte, welcher zur Feier von des Königs Geburtstag in einem öffentlichen Locale gegeben wurde.

»Gott sei Dank, also tanzt man doch auch hier! Ich dachte, ich würde es ganz verlernen,« rief Eugenie vergnügt und schlug eine zierliche Pirouette. »Meine Ballkleider sind gewiß halb vermodert, so lange haben sie kein Lampenlicht gesehen. Gänseblümchen, was machen wir für Toilette? Ich lasse dir die Wahl und spreche wie Abraham zu Loth: »Willst du zur Rechten, so will ich zur Linken!« Willst du weiß oder blau oder rosa, oder was sonst? Egal wie Zwillinge oder Inseparables kleiden wir uns nicht, das ist mir zu zärtlich.«

Ich saß ganz still und fühlte nur, welch' heiße Gluth mehr und mehr durch meine Adern flog. Eugeniens Fragen hörte ich kaum. Ein Ball! Ich sollte auf einen Ball gehen! In größeren Gesellschaften war ich wohl schon einige Mal mit Tante Ulrike gewesen, aber auf einem Balle? Das war doch ganz etwas anderes! Einen Ballsaal hatte ich noch nie in meinem Leben betreten, und mein Herz zitterte und bebte vor Angst, Freude und Erwartung. Die Tante bemerkte endlich meine Aufregung und strich mir lachend über das Haar.

»Ich glaube gar, du hast jetzt schon das Ballfieber, Kleine!« sagte sie. »Nun warte, wenn nur erst dein Ballstaat fertig ist, so werden dir die Flügel schon wachsen. Ans Leben geht es nicht, beruhige dich nur!«

Eugenie war unerschöpflich in Neckereien über meinen Kleinmuth, denn da sie schon als Kind sich in den glänzendsten Gesellschaften bewegte, war ihr der Ballsaal ein so bekannter Ort, daß er ihr niemals Scheu oder Bangigkeit erregt hatte. Ich fand sie jetzt häufig in Berathungen mit Lisette, welche so vergraben unter Flor, Blumen und Bändern war, daß nur ihr Kopf über all' den Herrlichkeiten schwamm wie ein Schiff auf den Wellen. Eugenie litt aber nie, daß ich ihr bei diesen Conferenzen Gesellschaft leistete, denn kaum betrat ich ihr Zimmer, als sie mich mit den kostbarsten Blumen und Schmucksachen bombardirte, oder mich in dichte Wolken von Crêpe und Flor hüllte und mich zur Thür wieder hinaus schob.

Meine eigene Balltoilette gab mir auch allerlei zu thun; wenn mich auch Tante Ulrike höchst freigebig mit schönen luftigen Stoffen beschenkt hatte, so mußte ich doch bei Anfertigung meines Staates fleißig selbst mit Hand anlegen, denn die Tante sagte, was man selbst macht, hat doppelten Werth.

Das Kleid lag endlich zu meinem höchsten Entzücken fertig da, aber noch wußte ich nicht, welche Blumen ich in das Haar nehmen würde. Die Tante hatte mir selbst die Wahl überlassen, aber – Wahl macht Qual, ich konnte mich schwer bestimmen, und Marie, die ich um Rath und Hülfe bat, war nicht wohl und konnte mich beim Einkauf nicht begleiten.

Da brachte mir eines Morgens die Dienerin eine Schachtel mit der Meldung, hier sei der von mir bestellte Kranz. Ich wollte die Sendung nicht annehmen, da ich nichts bestellt hatte, doch mein Name stand auf dem Umschlag und voll Verwunderung öffnete ich den Kasten. Aber was fand ich darin? Einen dicken Kranz von frischen blühenden Gänseblümchen, wie ihn die Kinder auf der Wiese zusammen binden, und daran hing ein Zettel, auf welchem mit verstellter Hand die Worte aus Fanchon geschrieben standen,

»Ich gebe mit Entzücken

Dir selbst dich selbst zurück.«

Das war nun sicher wieder einmal ein loser Streich Eugeniens! Wo sie diese frischen Wiesenblümchen im Spätherbst aufgetrieben hatte, begriff ich nicht; doch das war mir gleich, der Scherz sah ihr ähnlich, verdroß mich aber doch gewaltig. Ich warf den Kranz ärgerlich wieder in den Kasten, da verschob sich aber das Papier, das unter den Blumen gelegen, und einige grüne Blättchen kamen darunter zum Vorschein. Ich nahm das steife Papier fort und vor mir lag nun der reizendste, duftigste Blumenkranz, der je den Laden einer Putzmacherin geschmückt hatte. Zarte Apfelblüthe, deren Blätter röthlich angehaucht waren, und zwischen deren Blüthen sich rothe Knospen und frische grüne Zweige hervor drängten, schlangen sich zum reizendsten Kranze.

Das also war des Pudels Kern! Eugenie wieder wie immer der Kobold, der sticht, um dann desto freundlicher zu schmeicheln! Denn daß Eugenie mir diesen Kranz ausgesucht, war jetzt vollends zweifellos. Voll Jubel wollte ich mit meinen Blumen zur Tante eilen, da trat Eugenie in das Zimmer, und dankend flog ich ihr an den Hals. Sie aber hielt sich schnell das Taschentuch vor das Gesicht und rief: »Puh! ich wittere sentimentalen Wiesenduft, gerade wie lauter Gänseblümchen!« und schnell eilte sie wieder zur Thür hinaus.

Auf diese Weise war ich also zum schönsten Blumenkranz gekommen, ohne daß ich mich weiter mit Zweifeln zu plagen hatte. Die Blumen und mein weißes Tüllkleid lachten mich an so reizend und duftig, als sollte Schneewittchen in dem Staate tanzen, Schärpe und weiße Atlasschuhe fehlten auch nicht, und was der zarten, zierlichen Dinge mehr waren.

Tante Ulrike hatte selbst die Leitung und Beaufsichtigung meines Anzugs versprochen, und so sah ich dem verhängnißvollen Montage etwas ruhiger entgegen, denn die schöne Toilette hatte mir wirklich etwas Muth eingehaucht.

»Alles sauber und rein, liebes Gretchen,« sagte die Tante, als sie kam, die kleine Balldame anzukleiden, und so mußte denn alles was ich anlegte, vom kleinsten Stück Wäsche an, frisch gewaschen und rein sein, und vor allem verbannte meine liebe Kammerfrau jedes farbige, dunkle Unterkleid als eines Ballsaales unwürdig. Als ich endlich vor den Spiegel trat, und mich in dem feinen weißen Kleide und dem duftigen Kranze erblickte, erschrak ich fast vor mir selbst, reicher und schöner konnte doch keine der Damen auf dem ganzen Balle gekleidet sein.

Aber siehe, da öffnete sich die Thür, und herein schwebte eine Fee – so wenigstens dachte ich im ersten Augenblicke, bis ich unsere schöne Eugenie erkannte. Von zartem rosa Flor umwebt, der mit frischen weißen Camellien über einem rosa Seidenkleide festgehalten wurde, einen Kranz weißer Camellien, zwischen denen einzelne Diamanten blitzten, in den braunen Locken, so schwebte die schlanke, zierliche Gestalt zu uns herein, und ich war ganz bezaubert von ihrer Schönheit.

»Ah, da ist ja unser Gänseblümchen, gerade als wäre es frisch von der Wiese gepflückt, weiße Blätter mit röthlichen Spitzen,« rief sie auf mich zueilend. »Wie sie niedlich ist, wahrhaftig, du wirst allen Schmetterlingen die Köpfe verdrehen!«

Lachend gab sie mir mit ihrem kostbaren Fächer einen Schlag auf die Schulter, dann warf sie ein Packet neuer Handschuhe auf den Tisch und fing an, darin zu wühlen und Paar um Paar anzuprobiren. Aber lange dauerte es, ehe sie zufrieden schien, und in ihrer Ungeduld zog sie so heftig an dem feinen weißen Leder herum, daß sie mehr als ein Paar zerrissen zur Seite warf.

Ich sah ihr staunend zu, denn das Paar Handschuhe, das die Tante mir für den Ball gekauft, lag sorgfältig gehütet neben dem feinen Taschentuche und wartete nur darauf, noch viel sorgfältiger über meine Finger gestreift zu werden; sie zu zerreißen war mir ein schrecklicher Gedanke, – ich hatte keinen zweiten Pfeil zu verschießen! Als ich Eugenien meine Gedanken sagte, lachte sie mich aus und schob mir das Packet zur Auswahl hin, denn daß man auch mit solchen Kleinigkeiten ökonomisch sein könne, war ihr eben so neu als unbegreiflich.

Endlich trug denn ein schaukelnder Wagen Tante Ulrike und ihre beiden Pflegekinder nach dem Ziele der Erwartungen. Ich klammerte mich fest an die Hand der Tante, als die Thüren des Ballsaales aufflogen, und wie ein Meer wogten die luftigen hellen Stoffe der Balldamen um mich her. Alles Ballfieber, das ich bis dahin kräftig zurück gedrängt, kam jetzt wieder über mich, und als gar einige strahlende, duftige junge Damen aus unserer Bekanntschaft auf uns zuschritten, wäre ich der Tante am liebsten in die Tasche gekrochen.

Doch o Wonne! jetzt erschloß sich der Himmel, denn in die Farbe des Aethers gehüllt, einen Kranz weißer Rosen in den blonden Locken, flog meine Freundin Marie auf mich zu, und an ihrer Hand athmete ich froh auf, nun war ich geborgen! Die ersten Töne der Tanzmusik brachten zwar wieder einiges Zittern in meine Glieder, aber bald hatte ich auch das überwunden, und die Wonne des Tanzes verdrängte alle anderen Gefühle.

Fröhlich musterte ich meine Tanzkarte, auf welcher ich alle Tänze als vergeben bezeichnen konnte, und so hatte ich doch nicht die traurige Aussicht, als Mauerblümchen an der Wand sitzen zu müssen, während alles um mich her tanzte. Ich begriff bald selbst nicht, welches Entzücken mich beseelte, während mich die Wellen des Tanzes dahin trugen; es war unbeschreiblich angenehm, sich nach dem Rhythmus der Musik zu bewegen, ich tanzte mit wahrer Wonne.

»O du liebe sechzehnjährige Unschuld,« lachte Eugenie mir zu, als ich während einer Pause mit glühenden Wangen zu ihr eilte und ihr mein Entzücken aussprach. »Wahrlich, ich könnte dich beneiden! Das tanzt noch mit voller Seele, während unsereins froh ist, in einer Pause sich verschnaufen zu können.«

Eugenie war die schönste der Damen, das stand außer Frage, sowohl was ihr Aeußeres, als was ihren Anzug betraf. Der Ballsaal war so recht der Ort, ihre Schönheit und Anmuth im vollen Glanze zu zeigen, und ich fand es nur zu begreiflich, daß sie stets von einer Menge junger Herren umlagert war, welche sich darum stritten, ihr die größten Huldigungen zu erweisen. Mir wäre an ihrer Stelle angst und bange geworden, Eugenien schien aber alles das sehr gleichgültig zu sein, denn mit Erstaunen bemerkte ich mehrmals, wie sie all' ihren Verehrern den Rücken kehrte und mit irgend einer der älteren Damen davon ging.

»Ja, sie ist einzig, dieses Mädchen,« sagte Marie. »Mein Bruder macht ihr wie alle Herren den Hof; aber entweder giebt sie ihren Verehrern spitze Antworten und entschlüpft ihnen wie ein Aal der Hand, oder sie spottet und lacht und kehrt ihnen den Rücken. Louise von Mering hat mir eben eine köstliche Geschichte von ihr erzählt, die auch dich ergötzen wird, Gretchen, höre nur! Der Lieutenant Schmettau, den alle Welt wegen seiner Albernheiten verlacht, steht neben Eugenien und sagt derselben so fade Schmeicheleien, daß Eugenie ungeduldig auf ihren Fächer beißt und ihre Blicke zerstreut im Saale umher schweifen läßt. Endlich blickt sie aufmerksam nach jener Nische, in welcher wir Beiden stehen, du und ich, und seelenvergnügt zusammen lachen und schwatzen. Eugenie lächelt auch unwillkürlich, und ihr süßer Galan hält es für seine Pflicht, ebenfalls zu lächeln und nach uns zu schauen. Eugenie wendet ihm ärgerlich den Rücken, und indem sie sich zu Louise Mering neigt, sagt sie auf uns deutend ziemlich leise: »Sehen sie doch, Louise, die Veilchen kichern und kosen!«

– »Und schau'n zu den Sternen empor!« schnarrt es plötzlich neben Eugenie, und mit einer tiefen Verbeugung steht abermals Lieutenant Schmettau lächelnd vor ihr, welcher, seinen rothen Schnurrbart kräuselnd, in dieser Weise das angeführte Lied Heine's ergänzt. – Das überstieg denn doch endlich die Langmuth unserer schönen Eugenie. Unwillig blickt sie sich nach dem unberufenen Schwätzer um, wirft den Kopf in den Nacken und sagt scharf:

»Es hüpfen herbei und lauschen

Die Lieut'nants wie die Gazell'n!«

Dann macht sie eine stolze Verbeugung und hängt sich an den Arm Louises, ein anderes Zimmer aufsuchend.«

Ich war entzückt über die Geschichte, fürchtete aber nicht mit Unrecht, daß die stolze Eugenie sich auf diese Weise allerlei Verdruß zuziehen würde. Was sie an spitzen Gegenreden oder sonstigem Ungemach erfahren mochte, das erzählte sie freilich nie, nur einmal während des Cotillon kam sie zu mir, warf ein wunderschönes Bouquet, das sie während des Tanzes erhalten, verächtlich in den Winkel und gab mir lachend einen kleinen Zettel, der zwischen jenen Blumen gelegen und auf dem die Worte standen:

Dein Zünglein sticht,

Drum Jeder spricht:

Dich mag ich nicht!

Erschrocken blickte ich Eugenien an, denn wie sehr mußte sie dies Spottgedicht ärgern, aber schelmisch lachend sagte sie: »Nicht wahr, den bin ich glücklich los, Gänseblümchen? Aber schaffe du dir angenehmere Verehrer an; es ist nicht gerade schmeichelhaft, sich auf diese Weise besingen zu lassen!«

Dabei schweiften ihre Blicke schalkhaft zu Dr. Hausmann hinüber, welcher sehr viel mit mir tanzte und soeben wieder herbei kam, mir einen der schönen Sträuße zu überreichen, welche im Cotillon unter die Damen vertheilt wurden.

»Er ist ja ein Freund meines guten Papa's,« sagte ich, verlegen Eugeniens Blicken folgend, aber doch fühlte ich, wie ich dunkelroth wurde.

»Ah so, verzeihe, ich meinte der Strauß sei für dich, nicht für deinen Vater. Aber du mußt das freilich besser wissen, Gänseblümchen!« sagte Eugenie lachend und schlug mich mit ihrem Fächer neckend auf die Finger. Dann nickte sie mir freundlich zu und trat mit ihrem herbeieilenden Tänzer wieder in die Reihe des Cotillon.

Solch' Cotillon ist ein wunderbarer Tanz. Endlos wie seine Dauer ist die Aufregung, in welche er die Tanzenden versetzt, denn hier kann aller Galanterie, allen warmen Gefühlen, Zu- wie Abneigungen Sprache und Ausdruck gegeben werden. Hier sind es ja nicht nur die Herren, welche, wie überhaupt im Leben, dergleichen Töne anschlagen dürfen, auch den Damen ist Gelegenheit geboten zu zeigen, wen ihr Herz begünstigt oder wem es nicht hold ist. Für die Damen gab es, wie ich schon gesagt, zierliche Blumensträuße, und den Herren wurden von den Tänzerinnen dafür kleine Orden angesteckt. Ich hatte schon mehrere Bouquets erhalten und war ganz stolz und glücklich. Doch nun sollte ich eine Wahl treffen, und wem hätte ich meinen niedlichen Orden lieber gegeben, als dem Freund meines Vaters, dem lieben Dr. Hausmann? Er hatte sich ja ohnehin ein Verdienst um mich erworben, indem er mich so häufig zum Tanz aufforderte, also war es nur ein Zeichen der Dankbarkeit, daß ich ihm den Orden gab. Aber doch klopfte mir das Herz gewaltig dabei, gerade als ob ich etwas Unrechtes thäte. Aengstlich blickte ich nach Eugenien hinüber und war herzlich froh, daß sie nicht bemerkte, wem ich meinen Orden brachte.

Spät erst kehrten wir heim, die arme Tante herzlich müde (denn Ballmutter sein ist keine Kleinigkeit), Eugenie noch immer unerschöpflich in Scherz und Uebermuth, ich aber wie berauscht von Entzücken, denn so vergnügt war ich noch niemals gewesen. Lange Zeit lag ich noch wachend im Bett und rief mir alles Erlebte noch einmal vor die Seele. Mir schien, das Backfischchen hatte sich heute außerordentlich gut benommen, denn keine Mahnung der Tante hatte, wie sonst wohl, gleich einem kalten Bade meine glühende Seele überfluthet. Ich war recht zufrieden mit allem, was ich gesprochen und gethan, süß drückte der Schlaf mir endlich die Augen zu, und im Traume schwebte ich noch immer fröhlich tanzend auf und nieder.

»Hör mal, Gänseblümchen, ich werde dir Tanzstunde geben,« sagte am andern Morgen Eugenie, als ich zu ihr in das Zimmer trat. Ich fand sie noch im Bette, obwohl auch ich der Ballfreuden wegen spät genug aufgestanden war.

»Tanze ich so schlecht, Eugenie?« rief ich erschrocken, denn ich meinte ganz hübsch getanzt zu haben.

»Ungefähr wie Mama's Schooßhund, wenn ich ihn auf die Hinterbeine stelle!« warf Eugenie leicht hin, indem sie sich gähnend streckte und reckte.

Ich ward dunkelroth und biß beleidigt die Lippen zusammen, Eugenie schloß die Augen und schien mich nicht weiter zu beachten, so daß ich ärgerlich wieder meines Weges gehen wollte. Da sang sie plötzlich halblaut:

»Mein Zünglein sticht,

Drum Gretchen spricht:

Dich mag ich nicht!«

»'s ist doch ein nettes Lied, nicht wahr, Gänseblümchen?« fuhr sie munter fort und setzte sich im Bette in die Höhe. »So tiefsinnig, läßt sich so leicht verändern und auf andere Dinge anwenden. Ja, so ein Lieutenant, es ist eine Pracht! Was für eine Fülle von Geist und Humor hinter solchem zweifarbigen Tuche steckt, man sollte es nimmermehr glauben.«

»Aber Alle sind sie ja doch nicht so, Eugenie,« sagte ich etwas versöhnt, denn sie hatte mich sicher nur wieder necken wollen. »Ich habe doch einige sehr angenehme junge Officiere kennen gelernt, fade Gecken giebt es auch unter anderen jungen Leuten genug.«

»Ich glaubte, du wärest mehr für den Lehr- als für den Wehrstand eingenommen, Kleine,« rief Eugenie blinzelnd. »Dein Ballorden stand dem hübschen Dr. Hausmann allerliebst.«

Mir schoß das Blut in die Wangen, also hatte Eugenie doch gesehen, wem ich meinen Orden gegeben! »Er hatte soviel mit mir getanzt, dafür mußte ich mich doch erkenntlich zeigen,« sagte ich etwas verwirrt.

Eugeniens schallendes Gelächter riß mich aus der verlegenen Situation, denn sie fand es über alle Maßen naiv und spaßhaft, einen Tänzer für die Gnade noch zu belohnen, die man ihm erwiesen, indem man mit ihm tanzte. Sie hatte eben eine so andere Auffassung von allen Dingen, daß ich manchmal ganz verdutzt vor ihr stand. Mit meiner lieben Marie harmonirte ich doch viel besser; sie blickte auch noch, wie ich, demüthig und schüchtern in die Welt hinein; Eugenie war über dergleichen »grüne Albernheiten«, wie sie unsere jugendlichen Ansichten nannte, hinweg, sie forderte viel, und die Natur hatte ihr reiche Mittel gegeben, wodurch sie auch viel erlangte. Aber für mich bescheidenes Backfischchen paßten auch bescheidene Ansprüche an Welt und Menschen, und darum ließ ich mich durch Eugenie nicht irre machen.

Ich hatte mich zwar sehr über Eugeniens Spötterei, meinen Anstand beim Tanzen betreffend, geärgert; aber ich schluckte meine Aufregung hinunter, denn ich wußte, sie meinte es im Grunde sehr gut mit mir, und sagte: »Im Ernste, Eugenie, jetzt gesteh' mir, tanze ich wirklich so schlecht?«

»Nun die Grazie liegt freilich bei dir noch in den Windeln, Kleine,« lachte Eugenie jetzt gutherzig. »Aber beruhige dich nur, selbst Tante Anstand war mit dir und deinem Anstand zufrieden, also raufe dir deine schwarzen Zöpfe noch nicht vor Verzweiflung aus. Aber in die Schule möchte ich dich noch ein Bischen nehmen, das kann dir nicht schaden, dich sowohl wie deine kleine Marie; denn was diese zu viel hinten über tanzt, das neigst du zu viel nach vorn, so daß eure Oberkörper einen richtigen spitzen Winkel bildeten, tanztet ihr neben einander. Und dann macht ihr alle Beide noch so himmlisch schulrechte Pas, gerade als stände Mr. le professeur de danse hinter euch und klopfte euch für jede Nachlässigkeit mit seinem Fidelbogen auf die Fußzehen.«

Mit Freuden unterwarf ich mich den Uebungen, die Eugenie noch an demselben Morgen mit meinen Füßen und Händen vornahm, und voll Jubel wurde auch Marie in Beschlag genommen, als sie kam, von dem gestrigen Balle mit uns zu schwatzen. Freilich war Eugenie eine sonderbare Lehrmeisterin, da sie endlosen Unfug bei unseren Uebungen trieb; aber doch lernten wir, was sie wünschte, nämlich uns etwas sorgloser zu bewegen und uns beim Tanzen hübsch gerade zu halten. Auch ein gutes Compliment zu machen brachte sie mir glücklich bei, und Tante Ulrike fügte dem allen noch die Lehre hinzu, den Gästen möglichst wenig unsere Rücken zukehren zu wollen, besonders solchen, denen wir als den Vornehmsten oder Bedeutendsten die meiste Beachtung und Höflichkeit schulden. Dies zu beachten habe ich aber, ehrlich gestanden, bis auf den heutigen Tag noch immer äußerst schwierig gefunden.

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