14. Begegnung.

Diesem ersten Balle folgten im Laufe des Winters noch mehrere andere, so daß ich nach und nach meine Schüchternheit überwand, und die Tante mir das Lob ertheilte, mein Benehmen sei freier und leichter, als sie je erwartet habe. Neben Eugenien freilich kam ich mir noch immer wie eine Holzpuppe vor, doch ihre Anmuth war eben unerreichbar.

Ehe ich jedoch von unserem Zusammenleben weiter erzähle, muß ich eines Ereignisses gedenken, das in seinen Folgen sehr bedeutend wurde, so wenig es anfangs den Anschein hatte.

In das Haus Tante Ulrike's kam häufig ein armes Weib, das Eier, Gemüse oder Obst verkaufte, welche Produkte ihr kleines ländliches Besitzthum lieferte, und die von der Tante gut bezahlt wurden. Das arme Weib war aber krank geworden, und da die Tante sich selbst gern einmal überzeugen wollte, wie es bei ihr aussah, so benutzte sie einen der schönen Tage des Spätherbstes und fuhr mit uns nach dem Dorfe, in welchem die Frau wohnte. Es war alles wie uns beschrieben worden, Noth und Sorge in Menge, und die gute Tante machte sich mit den Kindern gleich allerlei zu schaffen, uns aber trieb sie hinaus, wohl wissend, daß Eugenie nicht lange hier aushalten würde.

So gingen wir Beiden denn auf den Wiesen und Feldern spazieren und freuten uns der einzelnen Blumen, welche der Frost noch nicht gewelkt hatte, sowie der wunderschönen duftig blauen Färbung, die Wald und Ferne bedeckte.

Am Saum des Waldes erblickten wir ein schönes, schloßartiges Gebäude, von stattlichen Wirthschaftsräumen umgeben, und um diesen Herrenhof genauer zu betrachten, schritten wir über eine Wiese, auf der eine Menge Kühe die letzten Reste an Gras und Kräutern abweideten. Ich hatte mich von Kind auf so viel unter den Thieren umher getrieben, daß ich keine Furcht vor ihnen kannte, Eugenie aber blickte sich ängstlich um, so daß heute einmal die Neckerei auf meiner Seite war. Plötzlich aber wurde auch ich aufmerksam, denn ein dumpfes Brummen sagte mir, daß der Stier bei der Heerde sei, und daß mit dem nicht zu spaßen, wußte ich wohl. Ich spähte nach dem Hirten, doch dieser war nirgends zu erblicken, und so ging ich schnell vorwärts, Eugenien nichts von meiner Besorgniß zu verrathen, denn von Weitem sah ich den gefürchteten Gesellen mit gesenktem Haupte sich uns nähern. Aber jetzt bemerkte auch Eugenie den Feind und erschrocken rief sie: »Der Stier! Der Stier!« und stürzte unaufhaltsam davon. Nun erst sah ich, daß ein rothes Tuch Eugeniens das Thier wahrscheinlich gereizt hatte, aber ich konnte sie nicht mehr erreichen und eilte ihr athemlos nach. Jetzt aber setzte sich auch unser Verfolger in Trab, und bald war er Eugenien so nah, daß diese voll Verzweiflung um Hülfe rief, und ich angstvoll zu ihrem Beistande hinzustürzte, obwohl ich wußte, daß meine Kräfte doch zu schwach waren, ihr zu helfen.

Da im letzten schrecklichsten Augenblicke, als das furchtbare Thier schon den Kopf neigt, um Eugenien mit seinen Hörnern zu fassen, trifft ein furchtbarer Schlag seine breite Stirn, so daß es betäubt zur Seite fährt. Taumelnd schlägt es seine Hörner so wüthend in einen dicken Baumstumpf, daß es wie gefesselt zusammenbricht und sich laut brüllend am Boden wälzt.

Eine hohe männliche Gestalt eilte nun von dem machtlosen Thiere fort zu Eugenie, welche kraftlos zur Erde sank, sobald sie sich von ihrem wüthenden Verfolger befreit sah. Auch ich war endlich an ihrer Seite und umschlang sie mit meinen beiden Armen, da Angst und Schrecken ihr alle Kraft geraubt hatten. Dankend blickte ich nun auf zu dem Retter, der im letzten Augenblicke uns so kräftig befreit hatte; aber schnell war derselbe, sobald er Eugenien durch mich versorgt sah, zu dem Stiere zurückgekehrt, dem er mit Hülfe des jetzt herbeikommenden Hirten die Hörner aus dem Blocke frei machte, und ihm den Kopf mit einem der Vorderfüße zusammenband, so daß er keinen Schaden mehr thun konnte.

Jetzt kam unser Befreier wieder auf uns zu, aber wie groß war meine Ueberraschung, als ich in ihm Baron Senft erkannte! Ich wurde blutroth und wußte vor Verlegenheit kaum einige Dankesworte hervorzubringen, und auch er war sichtlich überrascht und betroffen. Eugenie jedoch, welche sich schnell wieder erholt hatte, befreite uns aus der peinlichen Situation; denn mit warmen, feurigen Dankesworten reichte sie dem Baron die Hand und bat dringend, er möge uns zu Tante Ulrike begleiten, damit auch diese den edlen Mann kennen lerne, der ihr das Leben gerettet.

Der Baron wußte nicht recht, was er thun oder sagen sollte. Er blickte mich schnell an, und all' meine Verlegenheit niederkämpfend vereinte auch ich jetzt meine Bitten mit denen Eugeniens, und so begleitete uns der Baron denn zu dem Bauernhause, vor dem die Tante schon wartend stand, und nun eben so sehr durch unsere Erzählung überrascht wurde, als durch das Zusammentreffen mit unserem alten Bekannten. Aber hier in der freien Natur, nur umgeben von wenig heiteren Menschen, war der Baron ein ganz anderer. Seine steifen, verlegenen Manieren, welche im glänzenden Salon und unter so viel fremden, eleganten Menschen als so lächerlich auffielen, bemerkten wir jetzt kaum; die Jägerkleidung, welche er trug, stand ihm sehr vortheilhaft, und die Kühnheit und Stärke, mit der er Eugeniens Verfolger zu Boden geworfen, hatten ihn in all' seiner männlichen Kraft und Bedeutung hervortreten lassen. Er bat sich nun die Ehre aus, uns in sein Schloß führen zu dürfen, und mit Vergnügen folgten wir dieser Einladung. Ein schönes, altes Gebäude, umgeben von prächtigem Park und großartigen Wirthschaftshäusern, lag vor uns; das Innere des Schlosses war einfach, aber schön und gediegen eingerichtet, und Adel und Wohlstand ruhte auf dem ganzen Besitzthum.

Mir war sehr sonderbar zu Muthe, als ich diese Räume durchschritt. Dies alles hätte ich mein nennen, von all' diesem reichen, stattlichen Besitzthum hätte ich Herrin werden können! Dieser Gedanke drängte sich mir immer und immer wieder auf, ich sah ihn auch auf der Stirn Tante Ulrikes geschrieben, und hätte ihn auch wohl in des Barons Augen lesen können, hätte ich den Muth gehabt, ihn anzusehen, oder er mich. Aber sonderbar, statt daß mich dieser Gedanke niedergeschlagen, oder mir Bedauern und Reue über meine Thorheit erweckt hätte, fühlte ich im Gegentheil jetzt erst doppelt, wie ganz unmöglich es mir gewesen wäre, die Wünsche des Barons zu erfüllen, und wäre sein Schloß noch zehnmal schöner und kostbarer gewesen.

Unserem Wirthe machte es viel Freude, uns alles recht genau zu zeigen, und unsere aufrichtige Bewunderung der vielen köstlichen kleinen Alterthümer, woran das alte Schloß so reich war, regte ihn so an, daß er ganz lebendig und heiter wurde. Eugenie war in vollem Enthusiasmus über all' die herrlichen altmodischen Dinge, und ihr feiner Schönheitssinn fand reichlich Stoff zu aufrichtiger Bewunderung. Sie huschte und kletterte überall herum, untersuchte alle geheimen Thüren, Treppen und Winkelchen, wovon das alte Schloß einen ganzen Schatz barg, und war reizend und fröhlich wie ein ausgelassenes Kind. Der Schrecken, welcher sie zuerst bleich und erschöpft gemacht hatte, war jetzt ziemlich überwunden, und das zarte Roth ihres Gesichts machte sie nun schöner als je. Der Baron verfolgte sie unablässig, und sie war mit ihren Blicken so herzlich und unbefangen zu dem steifen Herrn, daß dieser alle Zurückhaltung abstreifte und mit ihr umher lief und kletterte, wohin sie wollte, so daß die Tante nicht so schnell nachkommen konnte, und ich mit ihr langsamer folgte. Eugenie gelangte endlich auch in ein kleines Zimmer oben im Thurm, und voll Staunen erblickte sie hier allerlei musikalische Instrumente und hohe Stöße von Noten. Besonders schön war ein Cello, doch auch ein kostbarer Flügel erregte ihre volle Bewunderung.

»Sie sind musikalisch, Herr Baron?« rief Eugenie lebhaft und deutete auf ein Notenheft, das aufgeschlagen neben dem Cello lag.

»Ein wenig, gnädiges Fräulein. Aber lassen wir das!« entgegnete unser Wirth verlegen und wollte Eugenien wieder herausführen, denn ihr Eindringen war ihm sichtbar unangenehm. Eugenie aber hüpfte vergnügt nach dem Flügel, und indem ihre Finger über die Tasten flogen, nickte sie dem Baron lächelnd zu.

»Hier werden Sie mich nicht wieder los!« rief sie fröhlich. »Kommen Sie nur, liebster Baron, begleiten Sie mich. Sie spielen Cello, das ist herrlich, wie lange Zeit habe ich dies liebe theure Instrument nicht mehr gehört! Wir werden unter Ihren Noten sicher etwas finden, das wir zusammen spielen können.«

Dem Baron half kein Sträuben. Hier in seinem Thurmstübchen, wohin er seine Kunst als in ein verborgenes Heiligthum geflüchtet hatte, von dem niemand etwas wußte, hier war der lustige, neckische Kobold Eugenie eingedrungen, und mit ihr fanden wir unseren guten Baron in der eifrigsten musikalischen Unterhaltung, als wir den Klängen folgend wieder mit ihnen zusammen trafen. Er spielte sein Cello meisterhaft, und es war ein großer Genuß, dem trefflichen Spiel der Beiden zuzuhören. Wir hielten uns in einiger Entfernung, um nicht zu stören, aber der Baron war bald so mit voller Seele bei seinem Spiel, daß die ganze Welt hätte zuhören können, es würde ihn nicht mehr genirt haben.

Nur ungern verließen wir das kleine Gemach, aber die Sonne neigte sich zum Untergange und mahnte an die Heimfahrt. Der Abschied von unserem guten Baron war so herzlich, als wären wir schon längst die besten Freunde gewesen, und wir erhielten von ihm sogar das Versprechen seines Besuches, sobald er nach der Stadt kommen würde. Oft mochte er aber wohl die Stadt nicht besuchen, denn in seiner schönen Besitzung fühlte er sich unendlich viel wohler, als unter den gewandten Stadtleuten, auch hatte ich ihn seit jenen verhängnißvollen Tagen nicht wieder in Gesellschaft getroffen, was mir natürlich nur lieb sein konnte.

Sehr verwundert war ich, mit wie viel Achtung, ja selbst Bewunderung Eugenie von dem Baron sprach. Sie schien ganz ausgetauscht, denn ihr kecker Muthwille, der sonst nichts schonte, hätte immerhin reichen Stoff zu Spöttereien finden können, so vortheilhaft sich der Baron ihr auch gezeigt hatte. Mir kamen deshalb so allerlei wunderliche Gedanken in den Sinn, die ich aber weislich für mich selbst behielt, und über meine einstigen Beziehungen zu unserem Retter schwieg ich nun gar erst sorgfältig. Nur gegen Marie sprach ich mir Herz und Seele frei, sie war ja meine Vertraute in allen Dingen.

Wenige Tage nach diesem unseren Abenteuer erschreckte uns die Nachricht, daß in dem Dorfe, in welchem Baron Senfts Besitzungen lagen, eine Feuersbrunst ausgebrochen und außer vielen Bauerhäusern auch Pfarr- und Schulhaus, sowie ein Theil der Kirche abgebrannt sei. Wir bedauerten das Unglück um so lebhafter, da wir so eben selbst noch in jenem Orte gewesen waren, und der Sammlung zum Besten der Abgebrannten steuerten wir reichlich bei. Glücklicherweise war unsere arme kranke Bäuerin von dem Unglück verschont geblieben, aber Schrecken und Angst hatten ihr Leiden arg verschlimmert. Durch sie erfuhren wir nun, mit welcher Aufopferung Baron Senft sich der armen Abgebrannten angenommen, wie thätig er selbst beim Löschen des Feuers gewesen, und wie er die Zuflucht sei für alle Bedrängten.

Eugenie nahm ungewöhnlich lebhaftes Interesse an diesem Vorfall, und sie sann ernstlich darüber nach, wie den armen Leuten kräftig zu helfen sei. Eine kleine Lotterie, welche Marie zu diesem Zwecke veranstaltete, behagte ihrem Geschmack wenig, obwohl sie wunderhübsche Geschenke dazu lieferte.

»Wir wollen ein Dilettanten-Concert arrangiren!« rief sie endlich entschlossen. »Das muß mehr abwerfen, als eure Nadelkissen-Lotterie mit den Silbergroschen-Loosen. Oder was meint ihr zu einer kleinen dramatischen Vorstellung? Meiner Ansicht nach würde das den Leuten Spaß machen, natürlich müssen die Billets mit Auswahl vergeben werden.«

Unsere Bedenken, daß solche Gedanken nicht ausführbar seien und gar zu viel Mühe machen würden, verwarf sie alle, und da Tante Ulrike nichts Unpassendes darin fand, indem wir ja für einen guten Zweck mit unseren Leistungen hervortreten wollten, so stand Eugeniens Entschluß fest: die Aufführung einiger kleinen Lustspiele zu arrangiren, denen einige musikalischen Leistungen vorangehen sollten.

Die sonst so bequeme, unthätige Eugenie war jetzt Feuer und Flamme. Theatralische Vorstellungen gehörten zu den Dingen, welche ihre Mutter sehr liebte und häufig veranstaltet hatte, und so wußte Eugenie mit dergleichen gut Bescheid, denn sie war sogar selbst einige Male mit aufgetreten. Von Büchern umgeben, wie ehedem vor dem Balle von Flor und Bändern, fand ich sie jetzt täglich in ihrem Zimmer, denn die Wahl der darzustellenden Stücke war sehr schwierig. Bald jedoch war ihr Entschluß gefaßt, und der Erfolg zeigte, daß sie sehr geschickt gewählt hatte.

Nicht ohne allerlei Qual und Mühe brachten wir unter unseren Bekannten das passende Personal für die Aufführung zusammen, und es bedurfte oft aller Liebenswürdigkeit, deren Eugenie fähig war, um die Herzen zu unsern Gunsten zu stimmen.

Endlich aber waren alle Rollen besetzt, ein passender Saal errungen, in dem eine nette Bühne erbaut wurde, und nun schritten wir rüstig zu dem Einstudieren unserer Rollen und der Herstellung der passenden Costüme. Wie in einem Taubenhause ging es jetzt den Tag über bei uns aus und ein, denn jeder wollte etwas anderes wissen. Eugenie hatte für alles Rath, und ich bewunderte dabei fortwährend, wie geschickt sie alle keimenden Streitigkeiten zu umgehen verstand. Bald fehlte hier ein Mieder, bald dort passender Besatz, bald stritt man, wie die Beleuchtung am Besten anzubringen sei, bald welche Decoration man wählen sollte. Dann wieder kamen Zweifel über die Betonung einzelner Worte, oder über die Art des Auftretens, kurz, Jeder hatte ein anderes Anliegen, und alle dem wußte Eugenie gewöhnlich schnell zu entsprechen, und die Tante half ihr, wo sie konnte. Mein Beistand war mehr untergeordneter Art, indem ich meine Finger in Bewegung setzte und fleißig die Garderobe in Stand brachte. Dabei lernte ich, daß mir der Kopf rauchte, denn trotz furchtbaren Sträubens war auch ich von Eugenien dazu verdammt worden, eine der Rollen zu übernehmen.

»Aber ich bin ja so hölzern, ich blamire euch alle!« jammerte ich vergebens.

»Ich werde dich schon zurecht stoßen, Gänseblümchen!« lachte Eugenie. »Du bist hier bei Tante Ulrike auf der Hochschule, und zur rechten Bildung gehört auch, daß man gelegentlich einmal Komödie mitspielen kann, also bin ich nur auf deine Ausbildung bedacht.«

So wenig ich nun auch mit diesem, als zur Erziehung nothwendigen Element einverstanden war, so mußte ich doch endlich nachgeben, wollte ich nicht eigensinnig erscheinen.

Eugeniens Plan, der Aufführung ein kleines Concert vorausgehen zu lassen, machte ihr fast noch mehr Noth, als die Besetzung der Rollen. Sie selbst wollte allerlei spielen und singen, aber einige andere tüchtige Kräfte mußten ihr zur Seite stehen, sonst ging es nicht. Amanda Delius hatte sich endlich bereit erklärt, etwas auf dem Flügel vorzutragen, da sie trefflich spielte, und Dr. Hausmann übte mit Eugenien einige Duette ein, aber noch fehlte eine Art Ouvertüre, welche das Ganze würdig einleitete.

»Ich hab's! Das muß gehen!« rief mir Eugenie eines Morgens entgegen und zeigte mir ein niedliches Briefchen, dessen Aufschrift lautete: »Sr. Hochwohlgeboren dem Herrn Baron von Senft, Erb- und Standesherrn auf und zu Senftenburg.«

»Nun mache nur nicht Augen, als wolltest du mich geradesweges verschlingen!« rief Eugenie und zog die Klingel. »Schnell den Brief in den Briefkasten,« sagte sie dann, Lisetten das Billet übergebend.

»Aber Eugenie, was thust du denn?« rief ich halb versteinert vor Verwunderung.

»Bah, ich bitte nur unseren guten Baron, für seine Abgebrannten einige Striche auf dem Cello als Beitrag zu liefern,« entgegnete Eugenie, sich etwas befangen abwendend.

»Auf dem Cello? Soll er bei unserm Concert mitwirken? Hast du ihn darum gebeten, Eugenie?«

»Nun ja, warum denn nicht? Er spielt ja so gut, warum sollte er nicht ein Trio mit mir und Maries Bruder ausführen? Ich übernehme den Flügel, Eduard die Geige und der Baron das Cello, das leitet die Geschichte prächtig ein.«

Ich schüttelte den Kopf und dachte, sie würde sicher eine ablehnende Antwort vom Baron erhalten. Aber o Wunder! schon am andern Tage erschien, etwas steif und verlegen zwar, aber doch lebendig und angeregt wie ich ihn nie gesehen, unser braver Baron. Welches Opfer es ihm mochte gekostet haben, seine Menschenscheu und Aengstlichkeit zu überwinden, das konnten wir nur ahnen, aber er hatte alles überwunden, und kam nun voll ängstlicher Beflissenheit, Eugeniens weitere Befehle zu vernehmen. Diese strahlte vor Freude und Dankbarkeit, und war ordentlich zärtlich zu ihrem neuen Freunde, der sich nun mit ihr bald so in die Auswahl eines passenden Musikstückes vertiefte, daß Tante und ich uns erstaunlich überflüssig vorkamen, gerade wie damals beim Besuch des Schlosses Senftenburg.

Als der Baron fort war, konnte ich meinen Muthwillen nicht unterdrücken und sagte recht fromm: »Wie gut ist es doch von dem Baron, daß er um des edlen Zweckes willen seine Schüchternheit überwindet und das Opfer bringt, mit dir zu spielen, Eugenie!«

Sie blickte rasch auf, bückte sich aber sogleich wieder und machte sich mit ihren Noten zu schaffen. »Hm, ja, sehr gut!« sagte sie zerstreut. »A propos, Gänseblümchen,« fuhr sie dann in ihrer alten neckischen Weise fort, »ich hätte dich nicht für so hartherzig gehalten, diesen guten Mann so grausam zu behandeln.«

Nun kam die Reihe an mich, roth und verlegen zu werden, denn es war mir gar sehr unangenehm, daß gerade Eugenie um diese Geschichte wußte. Eduard mußte sie ihr verrathen haben, denn Tante und Marie schwiegen darüber, dies Versprechen hatte ich von ihnen. Eugenie setzte ihren Muthwillen aber wunderbarer Weise nicht weiter fort, und ich meinerseits hütete mich nun wohl, sie durch Neckereien wieder zu reizen.

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