16. Die Braut.

»Ehe ein Mädchen verlobt oder gar verheirathet ist, kann man nicht wissen was in ihr steckt!« hatte Tante Ulrike manchmal gesagt, und wie wahr und sinnig ihre Worte immer waren, das erfuhr ich jetzt wieder. Auch Eugenie, dieses bunt schillernde Wesen, entwickelte als Braut ganz neue, nie gekannte Eigenschaften, welche ihr unsere aufrichtige Bewunderung verschafften. Sie war oft wirklich rührend in dem Streben nach größerer Vollendung. Bisher hatte sie nie daran gedacht, auf irgend jemand viel Rücksicht zu nehmen; alles war ihr entgegengekommen, ihr abgenommen oder zugetragen worden, sie fragte bei ihrem Thun und Lassen nicht danach, paßt es auch meiner Umgebung, oder störe und verletze ich jemanden. Jetzt aber war sie fortwährend auf alles bedacht, was den Baron erfreuen und ihm angenehm sein konnte, und mit reizender Zartheit suchte sie alles aus dem Wege zu räumen, was ihn bei seiner Schüchternheit belästigen mußte. Dahin gehörten vor allem die Besuche, welche das junge Brautpaar zu machen hatte, um sich dem Bekanntenkreise vorzustellen. Diese konnte sie dem armen Baron freilich nicht ersparen, und da ich denselben nicht beiwohnte, so kann ich auch nicht wissen, wie steif und befangen er sicher dabei gewesen; aber bei Erwiederung dieser Besuche sah ich, wie Eugenie mit feiner Gewandtheit immer da einzutreten wußte, wo er fehlte, wie sie es verstand ihn stets in das Gespräch zu ziehen, im rechten Augenblicke seinen Arm zu ergreifen, geschickt alle Hindernisse zu beseitigen, die ihn bei seinen eckigen Bewegungen störten, wie Sessel, leichte Tischchen, Blumenvasen und alle dergleichen leicht stürzende Dinge, welche ungraziöse Menschen nur gar zu oft in Verlegenheit setzen. Dabei war sie so unbefangen, so heiter und liebenswürdig, daß ich es gar wohl begriff, warum ihres Bräutigams Augen nur an ihr hafteten, und die ganze übrige Welt eigentlich für ihn nicht existirte. Eugenie war alles, was er dachte und fühlte, ihr Glück und ihre Freude der einzige Zweck seines Lebens. O wie dankte ich Gott aus tiefstem Herzen, daß er meinen sehnlichen Wunsch nun erfüllt, und dem braven Manne das Glück zugeführt hatte, das er so sehr verdiente, und welches ich ihm zu geben doch nie fähig gewesen wäre.

Eugenie war trotz der unglaublichen Verschiedenheit, die zwischen ihr und dem Baron herrschte, doch wie für ihn geschaffen, denn ihre Schwächen entzückten ihn ebenso sehr wie ihre guten Eigenschaften. Er verzog sie so viel er nur konnte, und je muthwilliger sie ihn umgaukelte, je glücklicher strahlten seine Augen. All ihre kleinen lustigen Streiche bewunderte er, als wären es die fabelhaftesten Heldenthaten, und nie wurde er verstimmt oder ärgerlich, selbst wenn er, wie nur gar zu häufig, die Zielscheibe ihrer Neckereien war.

Daß Eugenie bei all ihrer Schelmerei tiefes Gefühl besaß und ihn innig liebte, wie er sich nie geträumt, das wußte er wohl, und es war wunderbar, mit welcher Innigkeit der so scheue, verschlossene Mann nun der Geliebten sein Gemüth eröffnete. Und Eugenie, welche bisher allem, was Gefühlsäußerungen ähnlich sah, den Krieg erklärt hatte, sie lauschte jetzt mit feuchtem Auge den Worten der hingebendsten Liebe.

In ihrer liebenswürdigen Offenheit theilte sie uns vieles von dem mit, was der Baron ihr gestanden; denn sie wußte, daß sie an Tante und mir innig theilnehmende Herzen besaß, voll Discretion und Verständniß, denen sie wohl mittheilen durfte, was ihr das Liebste und Heiligste war. Wie sehr der Baron sie vom ersten Augenblick an geliebt, seit er sie kannte, das zeigten einige seiner früheren Gedichte, und eben so warm sprach er jetzt die Wonne und das Glück seines Herzens aus, seit er die Geliebte gewonnen. So z. B. klagte er in jenen Tagen der Trauer voll Sehnsucht:

O wär' ich doch ein Edelstein

Von wunderbarem Feuer,

Du faßtest wohl in Gold mich ein,

Trügst gern mich an dem Finger dein,

Ich wär' dir lieb und theuer!

Wär ich am weiten Himmelszelt

Der schönste aller Sterne,

Es würde einzig deine Welt

Von meinem lichten Strahl erhellt,

Dir glänzt' ich nah und ferne.

Wär ich ein Ton, so süß und rein,

Ich wollt' dein Herz erquicken;

Und läg' der Schönheit Himmelsschein

Doch still auf Haupt und Seele mein,

Dich innig zu entzücken!

Doch nichts von allem wurde mir,

Dich, Liebste, zu erwerben!

Drum, armes Herz, was bleibet dir,

Als einsam leben für und für,

Und einsam auch zu sterben!

Dann wieder sucht sein banges Herz Trost und Ruhe im Liede, denn still ergeben singt er:

Wenn ich's länger nicht kann tragen,

Und das Herz mir brechen will,

Schließ' ich meine bangen Klagen

In ein Lied, und es wird still!

Es wird still wie Meereswogen,

Die der wilde Sturm gejagt.

Friede Gottes kommt gezogen,

Tröstet, wo ich fast verzagt.

O daß mir doch nimmer fehle

Solch' ein Lied im Herzen mein,

Ihr Gebete meiner Seele

Tragt den Himmel mir herein!

Dann kommt der Frühling und mit ihm die Erfüllung seiner theuersten Wünsche, und voll Entzücken singt er nun, der Geliebten alles zu Füßen legend:

Neues Leben.

Ich hab' es selber ja nicht gewußt,

Wie reich an Klängen die eigne Brust!

Es singet und tönet, es wehet und rauscht,

Daß still und wonnig die Seele lauscht.

Als einsam ich stand im dunklen Thal,

Da brach mir herein der Sonne Strahl,

Nun schau' ich voll Wonne den Wunderglanz,

Und sammle die Blumen zu duftigem Kranz.

Dir werf' ich sie all' in den Schoos hinein,

O möchte ihr Blühen zuweilen dich freu'n!

Du wecktest den Frühling, nun ist er erwacht,

Nun hat er dir all' seine Blüthen gebracht!

Aehnlich lautet das folgende Gedicht, das ich zum Schluß noch mittheilen möchte, da es von dem Glück seines Herzens die beste Kunde giebt:

Frühling.

Du wundervoller Wonnemond,

Du Mai voll Lust und Leben,

Wie hast du meinem Herzen auch

Den Frühling neu gegeben!

Des kalten Winters bange Nacht

Umhüllte meine Seele,

Und duldend beugt' ich still das Haupt,

Wohl ahnend, was mir fehle.

Weit draußen sah ich glänzend hell

Die schönste Blume sprießen,

Und warme Lüfte, weich und mild,

Sie schienen mich zu grüßen.

Ich streckte weit die Arme aus,

Dies Paradies zu fassen, –

Umsonst, in kalter Winterluft

Blieb ich allein, – verlassen!

O Blüthenmonat, Frühlingszeit,

Nun bist du doch gekommen,

Nun hast du in dein Zauberschloß

Auch mich mit aufgenommen.

Wie blüht und sproßt es um mich her

Mit frischem, reichem Leben!

O Wonnemond, wie hast du mir

Den Mai in's Herz gegeben!

Doch nun genug der kleinen Lieder, welche uns in ihrer sinnigen Einfachheit einen tiefen Blick in die Gemüthswelt unseres Freundes gaben, in dessen Innerem so viel Schönes schlummerte, das nun jetzt an das Licht trat. Daß auch Eugenie ihrem Herzen in vielen kleinen Gedichten Luft machte, bemerkte ich wohl, aber auf alles, was sie selbst schuf, legte sie keinen Werth und liebte es nicht, davon zu sprechen. Wir wußten das längst und ließen sie deshalb in Ruhe, da sie uns von selbst nichts davon mittheilte.

Der glückselige Bräutigam hätte seine Eugenie am liebsten noch in demselben Monat, seinem wirklichen Wonnemond, als Gattin in das alte Schloß seiner Ahnen eingeführt; aber dagegen erhob sich Tante Ulrike's Stimme, welche ihr Pflegekind nicht sogleich von sich lassen und erst einigermaßen in die Geheimnisse eines Hauswesens einweihen wollte. Der Baron meinte zwar, das sei ganz unnütz, seine Frau solle gar keine Mühe von der Wirthschaft haben, das ginge alles seinen Gang weiter, wie es bisher gegangen. Dazu machte aber auch Eugenie ein bedenkliches Gesicht und sagte: »Nun ehrlich gestanden, ganz so dumm wie ein Gänschen möchte ich der Wirthschafterin doch nicht gegenüber stehen, ich blamirte mich am Ende wie jener Backfisch (bitte um Verzeihung, Gänseblümchen!), der weiche Eier kochen sollte und nach einer Stunde trostlos der Mama klagte, die Eier wollten absolut nicht weich werden, sie möchten kochen, so lange sie wollten. Nein, nein, Tante Ulrike hat Recht, wie immer! Erst will ich ein Bischen wirthschaften lernen, und dann mag der Baron seinen Willen haben, wenn er es durchaus nicht erwarten kann, das Hauskreuz auf den Rücken zu nehmen.«

Bei diesem Ausspruche blieb es denn auch für's Erste, neugierig aber war ich, wie viel Eugenie vom Wirthschaften lernen würde, denn bis jetzt hatte sie nie etwas davon wissen mögen. »Bah, laß mich mit dem Zeug in Ruhe!« sagte sie immer, wenn ich sie mit mir in die Küche nehmen wollte, in der ich mir sehr gern zu thun machte.

»Aber diese Dinge gehören ja doch zum Leben der Frauen, willst du dich nie darum bekümmern?« fragte ich dann wohl vorwurfsvoll.

»Kommt Zeit, kommt Rath, laß mich zufrieden und sei nicht so unerträglich weise, heilige Margarethe!« entgegnete sie in gewohnter Weise und fuhr in raschen Läufen über das Clavier, oder warf sich nachlässig in den Lehnstuhl und drehte ihre Locken über die Finger.

Das also sollte nun anders werden. Eugeniens Ehrgefühl kam jetzt mit in's Spiel, und alle Energie ihres Charakters trieb sie zur schleunigen Ausfüllung dieser Lücke in ihren Kenntnissen.

Aber es war eine schwere Aufgabe für Tante Ulrike, welche es übernommen hatte, ihre wirthschaftlichen Talente zu wecken, denn Eugenie nahm bei allem Eifer die Sache doch nicht ernst und hatte ewig Schelmereien im Sinne. Sie bewaffnete sich zu ihrem neuen Unternehmen mit einem Dutzend der schönsten weißen Küchenschürzen, und Baron Senft schenkte ihr eine ganze Bibliothek der vortrefflichsten Kochbücher. Aus diesen lernte sie täglich drei Recepte auswendig, und diese sagte sie dann wie ein kleines Schulmädchen ihrem künftigen Hausherrn auf, indem sie sich mit sittig gefalteten Händen vor ihn hinstellte; es war unsäglich lächerlich, und der Baron schwamm in Entzücken. Aber was von diesen Studien in ihrem Kopfe hängen blieb, war wenig brauchbar und gab ihr nur Stoff zu neuen Tollheiten; denn sie bereitete zuweilen heimlich die fabelhaftesten Gerichte und berief sich dabei stets auf ihre Kochbücher. Sobald sie nur wollte und aufmerksam war, begriff sie schnell und leicht und zeigte Geschick zu allem, aber bald fuhr ihr der Schelm wieder durch den Sinn, und dann war's mit der Achtsamkeit vorüber.

»Sei so gut, Eugenie, und putze diese Rübe,« sagte z. B. Tante Ulrike, und eifrig ging Eugenie an's Werk. Bald war sie fertig und überreichte ihre Arbeit. Aber die Rübe hatte sich unter ihren Händen in eine kleine Puppe verwandelt; unter dem grünen Blätterbüschel war ein Gesicht ausgeschnitten, das der Büschel wie eine Mütze deckte, ein Krautblatt bildete das Röckchen, und zwei auf Hölzchen gespießte lange Kartoffeln saßen als Aermchen zu beiden Seiten.

»Was soll das, Eugenie?« lachte Tante Ulrike.

»Nun, ich sollte die Rübe ja putzen, da hast du sie, ist sie noch nicht schön genug?« sagte Eugenie ernsthaft. »Es ist ihr Sonntagsputz, versichere ich dir.«

Dann wieder sollte Obst geschmort werden.

»Aber wasche es erst, liebes Kind!« sagte die Tante.

Eilig sprang Eugenie fort und kam mit Seife und wollenem Lappen zurück.

»Was willst du machen, Eugenie?« fragte die Tante mit großen Augen.

»Die Beeren abwaschen, liebe Tante,« rief diese schelmisch und lachte dann wie ein Kobold.

Ein ander Mal stand Eugenie sinnend am Feuer und blickte auf das lustige Spiel der Flamme unter dem Kessel.

»Gieb doch Acht auf das Wasser und sage mir, wenn es kocht, Eugenie!« rief Tante Ulrike, indem sie die Küche verließ.

Gleich darauf kam unser hoffnungsvoller Zögling der Kochkunst zu mir in das anstoßende Zimmer, wo ich mit Plätten feiner Wäsche beschäftigt war, und indem sie mir eine Schöpfkelle voll dampfenden Wassers unter die Nase hielt, sagte sie ganz ernsthaft:

»Du, Gänseblümchen, sag' mal, kocht das Wasser?«

Und so kamen täglich Schelmereien vor, man war ihrer nie sicher. Manchmal bat sie, Tante sollte sie allein kochen lassen, und dann ließ sie ihrer Laune die Zügel schießen, brachte schließlich aber doch immer etwas Ordentliches auf den Tisch.

»Heute giebt's nur Wassersuppe, ihr müßt genügsam sein,« sagte sie z. B., und in der Suppenschüssel befand sich dann nichts als helles, klares Wasser, das wir verblüfft ansahen. Dann lachte sie, sprang hinaus und brachte irgend eine gute Suppe zum Ersatz, denn sie hatte nur unsre langen Gesichter sehen wollen.

Auch kam fast kein Gericht durch ihre Hände auf den Tisch, mit dem sie sich nicht irgend einen Scherz gemacht hätte. Bald trug die gebratene Gans einen Blumenstrauß auf dem Busen, bald schmückte jedes Kotelett oder Hühnchen eine Guirlande von Petersilie oder eine gekniffte Papierkrause; die Fische trugen stets irgend etwas im Maule, bald ein Klagelied über frühen Tod, bald ein Geldstück oder dergleichen, das sie im Wasser verschluckt, wie die Erläuterung sagte, ja eines Tages hatte sie eine gebratene Gans sogar mit einem Kranze von rothen Radieschen umschlungen, und die so Geschmückte bat in zierlichen Versen, sie doch mit auf den nächsten Ball zu nehmen, sie sehne sich nach Gesellschaft und dort tanzten gewöhnlich gar viele ihrer jungen Schwestern.

Auch der Baron bekam zu seinem höchsten Entzücken in dieser Weise sein Theilchen Neckerei. Natürlich fand er Eugenien reizend in der netten weißen Küchenschürze, und wenn ihre niedlichen kleinen Finger von Mehl umhüllt sich in ihrer ganzen Zierlichkeit muthwillig auf seinem schwarzen Rockärmel abdrückten, so freute er sich wie ein Kind und drückte die Händchen an seine Lippen, es mochte Mehl oder Teig oder sonst etwas daran kleben. Mit Wonne aß er alles, was Eugeniens Kunst bereitet, es mochte schmecken, wie es wollte, ihm ging nichts darüber, und eine Kartoffel oder einen Apfel, den sie ihm geschält, hätte er am liebsten als wundervolle Reliquie aufgehoben, statt ihn in den Mund zu stecken.

»Heute habe ich dir eine Sandtorte gebacken, Arthur, weil du sie so gern ißt!« rief Eugenie eines Tages ihrem Geliebten entgegen.

Dieser war natürlich ganz zerknirscht vor Freude und Dank, und Eugenie sprang fort, das Wunderwerk zu holen. Bald kam sie denn auch mit einer großen Torte zurück, die sauber mit Zucker bestreut und von Blumen umgeben war.

»Du mußt sie selbst anschneiden, da!« sagte sie und überreichte dem Baron ein großes Messer nebst Teller. Dieser schob die Blumen etwas zur Seite und schnitt ein tüchtig Stück aus der Torte heraus, das er dann auf den Teller legte. Es war eine wunderliche Torte, das Stück brach und krümelte merkwürdig, und die Farbe war höchst verdächtig. Aber Eugenie hatte sie gebacken, also mußte sie gut sein. In dieser Ueberzeugung führte der Baron den Bissen zum Munde, und Eugenie konnte eben nur »Halt, halt!« rufen, sonst wäre der Scherz zu weit gegangen; denn nun erst sah der Baron, daß es zwar eine Sandtorte war, die der Schalk ihm vorgesetzt, aber keine gebackene, sondern eine aus wirklichem Sande. Die gebackene und wohl gerathene trat nun schnell an die Stelle der falschen, und der Baron war voller Bewunderung seiner neckisch holden Braut, die immer neu, immer schelmisch und munter, aber immer voll der innigsten Liebe und Aufmerksamkeit für ihn war.

Wie viel Eugenie von der Wirthschaft lernte, dahinter bin ich eigentlich nie gekommen, denn zuweilen war ihr das Einfachste neu und fremd, wenigstens stellte sie sich so, und dann wieder überraschte sie durch allerlei Kenntnisse, die eine praktische Hausfrau kennzeichnen. Tante Ulrike lächelte, als ich ihr diese meine Verwunderung aussprach, und sagte: »Laß sie nur, Gretchen; mir ist nicht bange, Eugenie wird schon ihren Posten ausfüllen, denn sie kann es, wenn's Ernst wird. Das alles hier ist ihr nur Scherz, bei uns wird sie nicht anders. Ein Mädchen, das so viel richtigen Verstand und praktische Anlagen hat als Eugenie, wird eine thätige Hausfrau, sobald sie in ihrem Eigenthum schaltet und waltet. Sie wird zuerst manches Lehrgeld bezahlen, aber das thut nichts, sie wird sich schon hindurcharbeiten, das Zeug dazu hat sie. Gott gebe nur, daß das Leben sie nicht gar zu rauh erfaßt, damit ihr Frohsinn dauernd sei. Kleine Prüfungen werden auch bei ihr nicht ausbleiben, aber ich kenne unseren Liebling jetzt hinreichend und weiß, daß ein guter Kern hinter dieser schillernden Schale steckt, und der wird sich erhalten und bewähren an der Seite ihres braven Gatten. Gott führt uns Menschen weise und wunderbar, das zeigt mir Eugeniens Geschick wieder recht deutlich. In den Verhältnissen des elterlichen Hauses wären die edlen Keime erstickt, welche in dem guten Kinde ruhen; Gott legte mir dasselbe an das Herz, gab ihr in dir, mein Gretchen, eine liebe Schwester, und alles Gute, das in ihr schlummerte, trat deutlich hervor. Er führte ihr den Mann, der für ihren wunderlichen Sinn am besten paßte, in einer Weise zu, daß sie gleich seinen hohen Werth erkannte, und jetzt kann ich ruhig Eugeniens Zukunft entgegen sehen, denn alles wird gut werden.«

Die Briefe, welche Eugenie jetzt von ihrem Vater erhielt, sprachen die innigste Freude aus über das Glück seines Kindes. Zur Hochzeit versprach er zu kommen, obwohl ihn die Geschäfte dann wieder nach Bayern zurück riefen. Eugenie sollte später mit ihrem Gatten eine Reise nach den schönen Gegenden Süddeutschlands machen, in denen der Vater sich aufhielt. Das waren schöne Pläne, und auch für mich leuchtete von fern eine herrliche Aussicht, denn Tante Ulrike hatte ihrem Bruder versprochen, ihn zu begleiten, wenn er nach Bayern zurück kehrte, und ich Glückspilz sollte mit ihnen reisen.

»Du bist bei mir auf der Hochschule, wie Eugenie es nennt,« sagte die Tante, »da ist es denn auch nöthig, daß du lernst, dich auf Reisen zu benehmen. Alles will gelernt sein, also auch das Reisen, und da sich die Gelegenheit dazu gerade bietet, so wollen wir sie benutzen.«

Nun aber waren wir noch nicht so weit. Da die Hochzeit auf neues Drängen des Barons schon im Juli stattfinden sollte, hatten wir alle Hände voll zu thun, dem jungen Paare Haus und Wirthschaft einzurichten. Eugenie hatte zwar den besten Willen, an ihrer Ausstattung tüchtig zu helfen, aber daß es beim Wollen blieb, wußten wir vorher. Zum Glück kann man in einer großen Stadt alles, was man bedarf, gleich fertig geliefert erhalten, und von dieser Bequemlichkeit machten wir guten Gebrauch. Es war ein Vergnügen, all die schönen Dinge auszusuchen, welche Eugeniens reiche Ausstattung bildeten, und hatten wir unsere Angelegenheiten geordnet, so kam der Baron mit bittender Miene, doch auch ihm in seinen neuen Einrichtungen mit Rath und Urtheil beizustehen; denn sein altes Schloß mußte sich allerlei Neuerungen gefallen lassen, damit der schönsten jungen Frau nichts zu wünschen bliebe, wie er sagte.

»Das wäre eigentlich Arbeit für Mama!« meinte Eugenie lächelnd. »Sie schwärmt für neue Einrichtungen und hat sehr guten Geschmack.«

Tante Ulrike sah Eugenie forschend an und fragte, ob es ihr Ernst sei, und sie ihre Mutter auffordern wolle, uns zu besuchen. Eugenie erröthete und sagte niedergeschlagen: »Nein, Tante, besser sie kommt nicht! Du weißt es ja selbst, es ist besser für uns Alle.«

Tante Ulrike seufzte und küßte Eugenien, der die Thränen im Auge standen. Sie that mir innig leid, denn ich wußte wohl, der Brief, den sie von ihrer Mutter als Antwort auf die Anzeige ihrer Verlobung erhalten, war gar zu wenig mütterlich und hatte Eugenien heiße Thränen gekostet. Sie hatte zwar auch ihre Freude über die Verlobung ausgesprochen, aber es war doch nur Freude über die »gute, glänzende Partie,« wie sie es nannte; das innere Glück ihres Kindes, den hohen sittlichen Werth ihres Schwiegersohnes erwähnte sie mit keiner Silbe. Es leuchtete sogar etwas wie Neid und Mißgunst über die glänzende äußere Lage der künftigen Frau Baronin aus ihren Worten hervor, ja am Schluß des Briefes standen einige bittere Zeilen über ihre eigene unglückliche Ehe und über ihren armen, von ihr so vernachlässigten Gatten, von dessen Unglück sie einzig die Schuld trug, ohne es sich eingestehen zu wollen.

»Da Deine Hochzeit Anfang des Sommers ist, so bedaure ich, dazu nicht kommen zu können,« schrieb sie am Schlusse des Briefes. »Du weißt, ich leide seit einiger Zeit an der Leber, und die Aerzte rathen mir, Carlsbad dafür zu gebrauchen, eine Unterbrechung der Kur würde mir sicher schaden. Aber im Herbst, wo es hier so langweilig ist, ehe die Wintersaison beginnt, hoffe ich Dich auf Deinem Schlosse besuchen zu können.«

Daß dieser Brief Eugenien bitter weh that, begriff ich nur zu wohl, uns Allen aber konnte es nur lieb sein, in unserem glücklichen Beisammenleben durch solch herzlos weltliche Dame nicht gestört zu werden. Daß Eugeniens Vater zur Hochzeit kam, freute uns Alle von Herzen, denn an diesem hing Eugenie mehr und mehr, und mit der größten Ungeduld erwartete sie seine Ankunft.

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