Auf die treibende Kraft kommt es an. Und was ist diese Kraft? Die Judennot.
Wir haben ohne Gewinsel die Judennot vor aller Welt ausgebreitet und zugleich den Vorschlag gemacht, im allgemeinen Interesse eine Abhilfe aus unserer eigenen Kraft heraus zu schaffen. Sind wir in unserer Narretei sehr verbohrt, wenn wir annehmen, daß eine Sprache von solcher Offenheit die Teilnahme aller anständigen Menschen erregen muß?
(Ergebnisse des Kongresses.)
Leben wollen diese Aermsten, und sie wollen ihre verhärmten Weiber, ihre kranken, schwachen Kinder nicht Hungers verenden lassen. Wer wagt es, einen Stein auf sie zu werfen, wenn sie im Hausier- und Wirtshandel nicht die moralischen Eleganzen eines tadellosen Gentleman haben? Wenn sie sich gegen das Gesetz vergehen, nimmt es sie schon gehörig beim [pg 53] Kragen. Und die moralischen Eleganzen, wer hat sie denn? Etwa die hochmütigen Emporkömmlinge, die von diesen galizischen Unglücksfällen als von etwas Fernem, außerhalb ihrer Sphäre Spielendem kühl reden und die sich zu einer großen solidarischen Hilfsaktion für die leiblich und sittlich Verkommenen ihres Stammes nicht verpflichtet halten?
(Feuer in Galizien.)
Das Judentum ist eine Massenherberge des Elends mit Filialen in der ganzen Welt.
(III. Kongreßrede.)
Es gibt heutzutage vielleicht in der ganzen weiten Welt keine verzweifelteren Menschen als die armen galizischen Juden.
(Feuer in Galizien.)
Sie alle kennen den schauerlichen Anlaß, diese rumänische Judenwanderung, die wie eine Blutspur durch Europa gezogen ist. Wo war da das bisherige offizielle Judentum, wo waren die protokollierten Großen Israels, die Stützen der Gemeinschaft? An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Ein paar tausend Flüchtlinge wurden mit Ach und Weh weitergeschoben — und dann erklärt man sich unfähig, noch etwas zu tun. Die Nachfolgenden wurden zu Hunderten unter Anwendung von Waffengewalt zusammengestoßen und in Extrazügen wieder an die Grenze zurückgeworfen, der sie unter Weherufen entkommen waren. Diese Extrazüge waren die letzte Anstrengung der Barmherzigkeit.
(IV. Kongreßrede.)
[pg 54] Seit den Zeiten des Altertums gibt es kein Beispiel von Heloten, aber die Juden in Rußland sind tatsächlich Heloten oder Parias.
(Herzl vor der Londoner Fremdenkommission.)
Ist es zu verwundern, wenn das namenlose Elend sie auf Abwege bringt? Manche Erscheinung in diesen gequälten Massen spricht erschütternd zu uns. Man hat unter anderem beobachtet, daß galizische Jüdinnen in den letzten Jahren auffallend zahlreich der Prostitution zufallen. Sie kommen als Ware nach allen Weltgegenden in den schrecklichsten Handel. Bedenkt man die alte Reinheit des jüdischen Familienlebens, so schnürt einem eine solche Tatsache das Herz zu.
(Feuer in Galizien.)
Ich glaube der Druck des Antisemitismus ist überall vorhanden. In den wirtschaftlich obersten Schichten der Juden bewirkt er ein Unbehagen. In den mittleren Schichten ist es eine dumpfe Beklommenheit. In den unteren ist es die nackte Verzweiflung.
( Der Judenstaat. )
Im mittelalterlichen Deutsch bedeutete das Wort „Elend“ sowohl Misere als auch Exil, und seit jeher waren die Ausdrücke für die Judenheit gleichbedeutend.
(Herzl vor der Londoner Fremdenkommission.)
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