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Spät abends kam er an und fand Marianne im Wagen vor dem Bahnhof halten.

»Der Minister hat zweimal heute nach dir fragen lassen.«

Er wollte eine Entschuldigung sagen, aber ein klingendes Wort lief ihm durch den Kopf, und er mußte hinterher und es greifen und es nochmals zum Klingen bringen.

»Der Minister? Und Marburger Frühling? Das reimt sich schlecht zusammen.«

»Lieber Freund, rede, bitte, keine Torheiten. Der Minister will dich in sein Ministerium ziehen, und es müßte doch seltsam zugehen, wenn bei einem Wechsel Majestät –«

»Ich pfeife auf den ganzen bureaukratischen Quark. Ich will zwischen meiner Jugend sitzen, zu der ich gehöre, und die zerquälten Burschen zu frischen Männern erziehen.«

»Lieber Freund, mäßige dich, bitte, ein wenig. Ich glaube wahrhaftig, dir spukt der Maitrank noch im Kopf.«

»Der Maitrank.« Er lachte: »Ja, ja, da magst du wohl recht haben, Marianne. Übrigens läßt dich der Junge grüßen.«

»Danke. Sieht er gut aus?«

»Äußerlich oder innerlich?«

»Ach, laß uns doch lieber morgen miteinander reden, wenn deine Marburger Stimmung verflogen ist.« –

Dann hatte ihn das tägliche Leben wieder, aber die Stimmung hielt an und wuchs insgeheim wie ein Garten voll blühender Bäume, die der Reife entgegenharren. Und seine Studenten merkten es am hinreißenden Ton, der Quellen erschloß und sie hinströmen ließ über lauter sonniges Land, als er sein neues Kolleg begann: »Über die Lebensbejahung in der deutschen Literatur.« Donnerndes Getrampel begrüßte ihn beim Aufstieg zum Katheder, und donnerndes Getrampel gab ihm beim Abstieg das Geleit. Da wußte er, daß er den rechten Weg beschritten hatte, und fuhr kraftvoll fort, seinen Studenten die fremde Schminke quälerischer Lebensbetrachtungen aus dem Gesicht zu wischen und ihnen die Frische und Kraft zur Lebensfreude in die aufhorchenden Seelen zu tragen. »Nur eins ist not. Nur dies eine. Und Tod ist Wahn, wenn wir für die Nachfolgenden goldene Spuren hinterlassen. Auf, ins Leben!«

Und eines Abends, als Marianne ohne ihn zu einer ihr wichtig scheinenden Gesellschaft gefahren war und er sich mit dringenden Kollegarbeiten entschuldigt hatte, saß er vor seinen Kollegheften und schrieb. Und als er fertig geschrieben hatte, sah er, daß es ein Gedicht geworden war. Und er nahm es und schickte es ihr, der es gehörte.

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