Dieses Princip, zugleich die Definition derselben, heißt: Ein organisirtes Product der Natur ist das, in welchem alles 296 Zweck und wechselseitig auch Mittel ist. Nichts in ihm ist umsonst, zwecklos, oder einem blinden Naturmechanism zuzuschreiben.
Dieses Princip ist zwar seiner Veranlassung nach von Erfahrung 15 abzuleiten, nämlich derjenigen, welche methodisch angestellt wird und Beobachtung heißt; der Allgemeinheit und Nothwendigkeit wegen aber, die es von einer solchen Zweckmäßigkeit aussagt, kann es nicht bloß auf Erfahrungsgründen beruhen, sondern muß irgend ein Princip a priori, wenn es gleich bloß regulativ wäre, und jene Zwecke allein in der Idee des Beurtheilenden 20 und nirgend in einer wirkenden Ursache lägen, zum Grunde haben. Man kann daher obgenanntes Princip eine Maxime der Beurtheilung der innern Zweckmäßigkeit organisirter Wesen nennen.
Daß die Zergliederer der Gewächse und Thiere, um ihre Structur zu erforschen und die Gründe einsehen zu können, warum und zu welchem 25 Ende solche Theile, warum eine solche Lage und Verbindung der Theile und gerade diese innere Form ihnen gegeben worden, jene Maxime: daß nichts in einem solchen Geschöpf umsonst sei, als unumgänglich nothwendig annehmen und sie eben so, als den Grundsatz der allgemeinen Naturlehre: daß nichts von ungefähr geschehe, geltend machen, ist 30 bekannt. In der That können sie sich auch von diesem teleologischen Grundsatze eben so wenig lossagen, als von dem allgemeinen physischen, weil, so wie bei Verlassung des letzteren gar keine Erfahrung überhaupt, 297 so bei der des ersteren Grundsatzes kein Leitfaden für die Beobachtung einer Art von Naturdingen, die wir einmal teleologisch unter dem Begriffe 35 der Naturzwecke gedacht haben, übrig bleiben würde.
Denn dieser Begriff führt die Vernunft in eine ganz andere Ordnung der Dinge, als die eines bloßen Mechanisms der Natur, der uns hier nicht mehr genug thun will. Eine Idee soll der Möglichkeit des Naturproducts zum Grunde liegen. Weil diese aber eine absolute Einheit der Vorstellung ist, statt daß die Materie eine Vielheit der Dinge ist, die für sich 5 keine bestimmte Einheit der Zusammensetzung an die Hand geben kann: so muß, wenn jene Einheit der Idee sogar als Bestimmungsgrund a priori eines Naturgesetzes der Causalität einer solchen Form des Zusammengesetzten dienen soll, der Zweck der Natur auf Alles, was in ihrem Producte liegt, erstreckt werden. Denn wenn wir einmal dergleichen Wirkung 10 im Ganzen auf einen übersinnlichen Bestimmungsgrund über den blinden Mechanism der Natur hinaus beziehen, müssen wir sie auch ganz nach diesem Princip beurtheilen; und es ist kein Grund da, die Form eines solchen Dinges noch zum Theil vom letzteren als abhängig anzunehmen, da alsdann bei der Vermischung ungleichartiger Principien gar 15 keine sichere Regel der Beurtheilung übrig bleiben würde.
Es mag immer sein, daß z. B. in einem thierischen Körper manche 298 Theile als Concretionen nach bloß mechanischen Gesetzen begriffen werden könnten (als Häute, Knochen, Haare). Doch muß die Ursache, welche die dazu schickliche Materie herbeischafft, diese so modificirt, formt und an 20 ihren gehörigen Stellen absetzt, immer teleologisch beurtheilt werden, so daß alles in ihm als organisirt betrachtet werden muß, und alles auch in gewisser Beziehung auf das Ding selbst wiederum Organ ist.