Achter Abschnitt Mein Reich ist nicht von dieser Welt

So sagte Christus. Das Papsttum sagte es auch, war aber klug genug, anders zu handeln. Mochte es auch die sicherste Anwartschaft auf das Himmelreich in der Tasche haben, darum auf Erden leer auszugehen, fiel ihm nicht ein. Und man muß es vor allen den Päpsten in Avignon lassen: das Scheren der Lämmer hatten sie los.

Da gab es zunächst das Servitium commune. Jeder Bischof oder Abt war zu dessen Zahlung bei Androhung schwerster Kirchenstrafen verpflichtet, ehe seine Bestätigungsurkunde ausgehändigt wurde. Diese Abgabe betrug den dritten Teil des Jahreseinkommens der Pfründe. Während die eine Hälfte in die päpstliche Kasse floß, gehörte die andere denjenigen Kardinälen, welche an dem Promotionskonsistorium teilgenommen hatten.

Außerdem hatte jeder promovierte Bischof oder Abt noch fünf servitia communia zu zahlen, von denen jedes von derselben Höhe war, wie der Betrag, welcher den einzelnen Kardinälen von der zweiten Hälfte des Servitium commune gebührte. Dieses belief sich im 14. Jahrhundert für Köln auf 10000, für Trier auf 7000 Kammergoldgulden. Die Gesamtsumme der für Köln zu zahlenden Servitia betrug etwa 11000, für Trier 7700 Kammergoldgulden.

Diese Servitia betrugen aber noch nicht einmal den größten Teil der für die Einholung der päpstlichen Bestätigung aufzuwendenden Gelder. Dazu kam das Geld für das Pallium in der Höhe von mehreren hundert Dukaten, ferner für die Hin- und Rückreise des zu Bestätigenden oder seines Bevollmächtigten, für den Aufenthalt an der Kurie bis zur Bestätigung, für die Ausfertigung der Ernennungsbullen in den verschiedenen Ämtern der Kurie und für die Schenkung von Geldsummen oder Wertsachen an niedere und höhere Kurialbeamte bis hinauf zu den Kardinälen. So konnte die Erwirkung der päpstlichen Ernennung des jungen Walram zum Erzbischof von Köln 40000 Goldgulden, über eine Million Mark, kosten. Die Folge dieses Ausbeutungssystems der Kurie war natürlich, daß die deutschen Bischöfe des 13. und 14. Jahrhunderts mit seltenen Ausnahmen in ständiger Geldnot sich befanden. Denn meist starb der Bischof, bevor die Schulden für seine Bestätigung abgetragen waren, so daß die Diözese neben der Tilgung der alten Schulden neue für den neuen Herrn aufnehmen mußte.

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Was für Bischöfe und reguläre Äbte die Servizien waren, das waren für den übrigen Klerus die Annaten. Sie bestanden darin, daß die Hälfte des Einkommens des ersten Jahres der Kurie abgeführt wurde. Am 8. Dezember 1316 wurde diese Steuer zum ersten Male auf drei Jahre der Trierer und Kölner Diözese auferlegt, ohne dort viel Gegenliebe zu finden. Man drückte sich um sie wo man nur konnte und so war der Ertrag recht minimal. Deshalb wurden am 13. August 1327 noch durch neue Verfügung die sogenannten Interkalalfrüchte von der Kurie beansprucht. D. h. die während einer Vakanz fälligen Einkünfte aller an der Kurie vakant werdenden kirchlichen Benefizien werden der päpstlichen Kammer vorbehalten.

Das genügte aber alles noch nicht der Geldgier des angeblichen Nachfolgers des armen Fischers Petri. So erklärte Klemens VI. auch die Spolien, d. h. den beweglichen Nachlaß der Bischöfe und Äbte in einzelnen Fällen, wenn er nämlich vermutlich sehr groß war, für eine gute Beute der päpstlichen Kammer.

Dazu kam noch der Zehnte, stellenweise durch den Zwanzigsten ersetzt oder das sogenannte Subsidium, d. i. eine bestimmte abgerundete Geldsumme, die der Bischof auf den Klerus innerhalb seiner Diözese zu verteilen, zu erheben und dann an die päpstliche Kammer oder an den betreffenden Kollektor der päpstlichen Kammer abzuführen hatte.

Am 1. Dezember 1343 schrieb Klemens VI. einen dreijährigen und dann nochmals einen zweijährigen Zehnten aus, um das Geld angeblich zu einem Kriege gegen die Türken zu verwenden. Zur Ausführung kam dieser zwar nicht, aber das von Klemens aus dem Klerus erpreßte Geld setzte ihn in die angenehme Lage, dem französischen König über 700000 und seinen Verwandten über 100000 Kammergoldgulden, also zusammen über zwanzig Millionen Mark, leihen zu können. Allerdings kam es auch vor, daß der Klerus sich weigerte, sich diesem Ausbeutungssystem zu fügen. Schon 1265 hatte Klemens IV. die Verleihung aller am Sitze der Kurie erledigten kirchlichen Benefizien dem päpstlichen Stuhle vorbehalten. Diese Zahl schwillt während des zehnjährigen Pontifikats Klemens VI. zu tausenden an. Außerdem gab es noch Exspektanzen, entstanden aus Bitten und Empfehlungen von Päpsten des 12. Jahrhunderts für einzelne Personen zum Zwecke ihrer Versorgung mit einer Pfründe an die ordentlichen Kirchenoberen als deren Verleiher. Schließlich wurden aus den Bitten Befehle mit Strafandrohungen. Häufig ernannte der Papst einen Nachfolger zugleich mit den betreffenden Kollegien, so daß die Gegenkandidaten jahrelang prozessieren mußten. Die Sporteln beider vereinnahmte natürlich die Kurie, ohne sich weiter viel darum zu kümmern, wer in den Besitz der Pfründe kam.[178]

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In welcher Weise das Avignonische Papsttum, der »strenge« und »ausgezeichnete« Innozenz VI., der »heiligmäßige« Urban V. und der »durch Klugheit ausgezeichnete« Gregor IX., Nachfolger des Mannes, der morgens nicht wußte, wo er abends sein müdes Haupt niederlegen sollte, mit dem Gelde schalteten, werden wir gleich sehen. Die Dummheit der Völker, die sich von einer prasserischen Geistlichkeit aussaugen ließen, war aber gewiß nicht geringer, als die Habsucht der Kurie.

Am 3. Mai 1372 verlieh Gregor XI. dem von ihm ein Jahr vorher zum Kardinal ernannten Jakob Orsini eine Massenexspektanz für künftig erledigte Pfründen in den Patriarchaten Aquileja und Grado und in der Mainzer Kirchenprovinz bis zu einem taxmäßigen Jahresertrage von 4000 Kammergoldgulden, deren Kaufkraft nach heutigem Gelde über 100000 M. entsprechen.

Welche Pfründenmassen vier Kardinäle beim Ausbruch des Schismas 1378 lediglich in England besessen haben, erfahren wir von einem von ihnen, Wilhelm d’Aigrefeuille. Sie bezogen jährlich nämlich 12000 Kammergoldgulden, denen eine heutige Summe von rund 350000 M. an Kaufkraft gleichkommt. Allerdings war England ein besonders beliebtes Ausbeutungsobjekt, da hier, wie in Frankreich, die Geldwirtschaft völlig die Naturalwirtschaft verdrängt hatte, während in Deutschland im 14. Jahrhundert noch vorwiegend die Steuern etc. in Natura gezahlt wurden.[179]

Außer dem Ertrage ihrer in verschiedenen Ländern der abendländischen Christenheit gelegenen Pfründen hatten die Kardinäle noch die Einkünfte ihrer römischen Titelkirchen, ferner die Hälfte der aus verschiedenen Ländern an den päpstlichen Stuhl zu zahlenden Zensusabgaben, die Hälfte der servitia communia und Einnahmen aus dem Ertrage der visitationes reales mancher Prälaten, sowie Anteile an mehreren anderen Einkünften des päpstlichen Stuhles.

Diese Zensusabgaben, die allerdings gerade zur Avignonischen Zeit oftmals nicht eingeliefert wurden, waren sehr bedeutend. Die Beherrscher Neapels schuldeten einen Jahreszensus von 8000 Unzen Gold = 40000 Kammergoldgulden (ca. 1200000 M.) jährlich dem päpstlichen Stuhle, die Beherrscher der Insel Sizilien jährlich 3000 Unzen Gold.

Was die servitia communia betrifft, zu deren Zahlung die neuernannten oder neu bestätigten Bischöfe und Äbte verpflichtet waren, so betrug 1336 die von der päpstlichen Kammer vereinnahmte Hälfte – die andere fiel ja an die Kardinäle – über 30792 Kammergoldgulden. Im zweiten Pontifikatsjahre Klemens VI. waren es gar 59904 Kammergoldgulden, also ca. 1700000 M.! Das Durchschnittseinkommen der päpstlichen Kammer in den neun Jahren von 1336–1345 belief sich auf 48000 Kammergoldgulden jährlich und das war, wie gesagt, nur die Hälfte der servitia communia.

Diese Summe verringert sich unter Innocenz VI. im Durchschnitt seines neunjährigen Pontifikates auf rund 33450 Kammergoldgulden jährlich. Da nun das Kardinalkollegium, wie gesagt, auf die gleiche Summe Anspruch hatte, die Zahl der am Sitze der Kurie weilenden Kardinäle unter diesem Papste aber im Durchschnitt 22 betrug, so kam im Jahresdurchschnitt auf jeden Kardinal allein an Servitiengeldern die Summe von etwa 1500 Kammergoldgulden oder 45000 M. nach heutigem Gelde.

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Das Gesamteinkommen eines Kardinals betrug während der Regierung Klemens VI. und Innozenz VI. nach der aktenmäßig fundierten Berechnung Sauerlands mindestens 4000–5000 Kammergoldgulden jährlich. Das Hirtenamt war also recht einträglich, denn nach unserem Gelde entspricht diese Summe einer Kaufkraft von 120000–150000 M. Mancher von ihnen wird aber jährlich eine doppelt oder dreifach so große Summe vereinnahmt haben. Das läßt sich beispielsweise aus dem Nachlaßinventar Hugo Rogers, des Bruders Klemens VI. erweisen. Am 20. September 1342 zum Kardinal ernannt, starb er am 21. Oktober 1363. Er war also 21 Jahre Kardinal. In seinem Nachlaß fand man 179186 Goldmünzen und über 8000 Silbermünzen, also eine Geldmasse, deren damalige Kaufkraft einer heutigen Summe von etwa 6000000 M. gleichkommt.

Diesem Oheim Hugo hatte dessen Neffe Peter, der mit 17 Jahren Kardinal und mit 39 Jahren Papst war (Gregor XI.) erfolgreich nachgeeifert. Sein Nachlaß enthielt außer dem Gold- und Silbergerät in barem Gelde 140503 Goldgulden, die aber natürlich nicht der Christenheit oder den Armen, sondern seinem nahen Verwandten Reymond von Turenne als Haupterben zufielen.[180]

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Sauerland hat festgestellt, daß im 14. Jahrhundert im Rheinland nicht weniger als 94 Nichtpriester im Besitz von Pfarreien waren. Das schlug natürlich auch damals dem Kirchenrecht ins Gesicht. Während es häufig in den Urkunden heißt, daß dieser Zustand »viele Jahre« gedauert hat, gelang es dem Gelehrten, 38 Fälle genau festzustellen. Unter diesen findet sich in fünf Fällen die Dauer von 10 Jahren, in einem Fall 11 Jahre, in zwei Fällen 12 Jahre, in drei Fällen 13 Jahre, in einem Fall 14 Jahre, in zwei Fällen 16 Jahre, in einem Fall 19 Jahre, in einem Falle aber sogar 26 Jahre!! Es kam vor, daß ein Nichtpriester einem ebensolchen folgte!

Unter den 38 Pfarrinhabern finden sich ein Knabe von 6 Jahren, einer von 10 Jahren, vier von 11 Jahren und ein Knabe von 14 Jahren.[181]

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Nicht nur die Söhne von Geistlichen erhielten durch päpstlichen Dispens mit der Priesterwürde die Pfründe, sondern auch ein Nonnensohn wird genannt. An sich ist Vorurteilslosigkeit gegenüber der Herkunft gewiß kein Kulturkuriosum, aber merkwürdig ist, daß die angeblich so sittenstrenge Kirche daran keinen Anstoß nimmt.[182]

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Ein schönes Beispiel für die Dimensionen, die zur Zeit des Avignonischen Papsttumes die Pfründenjagd einnehmen konnte, bietet der Dr. Regum Heinrich Sudermann, Angehöriger einer adeligen Dortmunder Patrizierfamilie. Er war Sekretär des in ständiger Geldnot befindlichen Kölner Erzbischofs Walram und erhielt von ihm für eine Anleihe von 500 Goldgulden die bedeutenden Höfe der Kölnischen Kirche zu Hagen und Schwelm samt der dortigen erzbischöflichen Gerichtsgewalt verpfändet.

Während der Regierung Benedikts XII., zwischen 1337 und 1340, erschien Sudermann viermal als erzbischöflicher Gesandter an der Kurie. Dafür erhielt er nur die Exspektanz für eine Kanonikatspfründe der Kölner Severinskirche, die im nächsten Jahre zu einer Exspektanz für eine höhere Pfründe derselben Kirche erweitert wurde. Das war gewiß nicht zu viel. Aber es sollte nicht alles bleiben.

Unter der sechsjährigen Regierung Klemens VI. erhielt er eine Kanonikatswohnung, eine Kanonikatspfründe und die Scholastrie der Kölner Andreaskirche. Außerdem erwirkte er seinem Bruder Bertram Exspektanzen auf zwei Pfründen und ferner eine priesterliche Kanonikatspfründe der Kölner Domkirche. Für einen außerehelich geborenen Neffen Hermann erwirkte er päpstliche Dispens zum Empfang der Weihen und eine Pfründe oder eine Exspektanz, einem andern Neffen eine Exspektanz für eine Kanonikatspfründe der Soester Patroklikirche. Ferner erwirkte er zwei Angestellten bzw. Bekannten Pfründen.

Später trat Suderman als Notar in päpstliche Dienste und wurde in wichtigen Geschäften viermal nach Deutschland geschickt. Dafür erhielt er für seine eigene Person noch drei Pfründen vom Papste, so daß er am Ende des Pontifikats Innozenz VI. im Besitze der Pfründen von Lüttich, Haslach, Maastricht, Xanten und St. Andreas in Köln sich befand. Sie warfen etwa 120 Mark Silber jährlich ab, die Mark Silber galt etwa fünf Kammergoldgulden, dessen Wert etwa zehn Mark, deren Kaufkraft damals aber zwei bis dreimal so hoch war wie heute, so ergibt sich eine Jahresrente von 12–18000 Mark. Das ist durchaus nicht übertrieben. Aber Suderman wirkte weniger für sich, als für seine Verwandten, Freunde und Diener.

Das eine Mal erbittet er Pfründen bzw. Pfründenexspektanzen für sechs Neffen und zwei Diener, das andere Mal für drei unehelich geborene Neffen je eine Exspektanz für eine höhere Pfründe, ein drittes Mal Pfründen und Exspektanzen für fünf Verwandte, ein viertes Mal fünf Pfründen und zwei Pfründenexspektanzen für sieben Neffen, ein fünftes Mal Pfründen und Pfründenexspektanzen für sechs Verwandte, Gehilfen und Diener und ein sechstes und letztes Mal elf Pfründenexspektanzen für elf Neffen. Onkels von heute, nehmt euch ein Beispiel an diesem edlen Manne, der während der Regierung Innozenz’ VI. nicht weniger als 56 päpstliche Verleihungen von Pfründen und Exspektanzen für andere erwirkte!

Hier lernten wir ein Musterbild eines vornehmen Kurialen der Avignoner Papstzeit kennen, der für sich wenige, aber fette Pfründen erwirbt, aber möglichst viel für seine Verwandten und Diener zu erwerben trachtet und versteht. Was Nepotismus ist, dürfte nunmehr jeder wissen.[183]

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Doch was will der Nepotismus eines Kurialbeamten des 14. Jahrhunderts bedeuten gegenüber dem des Papstes Sixtus IV. und seiner Nachfolger! Er wurde nie, weder vorher noch nachher, so rücksichtslos betrieben. Er war das Prinzip aller Handlungen dieses Statthalters Christi.

Im Jahre seiner Papstwahl noch, 1471, machte er zwei Neffen, Pietro Riario, den man für seinen Sohn hielt, und Julian Rovere, nachmals Julius II., junge Menschen niederer Abkunft, weder durch Verdienst noch Talent ausgezeichnet, zu Kardinälen. Dessen ungeachtet erhielt Pietro die Würden eines Patriarchen von Konstantinopel, eines Erzbischofs von Sevilla, Florenz und Mende und so viele Benefizien, daß sich sein Einkommen auf 60000 Goldgulden belief. In den zwei Jahren, die dieser Parasit noch zu leben hatte, bis Reichtümer und Leben vergeudet waren, stürzte sich Riario in die sinnloseste Schwelgerei. Seine Feste übertrafen an Verschwendung alles je Dagewesene. Seine Nachttöpfe waren aus vergoldetem Silber! Der erbärmliche Mensch starb, erst 28 Jahre alt, nachdem er 200000 Goldgulden (ca. acht Millionen Mark!) verpraßt hatte, mit Hinterlassung großer Schulden. Er war mächtiger gewesen als der Papst![184]

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Die kirchlichen Zustände im 14. Jahrhundert werden am Beispiel des Erzbischofs Walram von Köln deutlich. Um das Jahr 1315, als zwölfjähriger Knabe, hatte er bereits eine Kölner Domkanonikatspfründe erhalten, noch bevor ihm die Tonsur erteilt worden war. In seinem 23. Lebensjahre erhielt er dazu die Propstei der Maastrichter Stiftskirche S. Servatii, eine Sinekure, sowie die Thesaurarie der Kölner Domkirche, obschon er damals für beide Würden noch nicht das kanonische Alter hatte. Nachdem er dieses erreicht, verlieh der Papst ihm noch die Propstei der Lütticher Domkirche, eine Kuratdignität, samt einer dortigen Domkanonikatspfründe und gestattete ihm den Fortbesitz der Maastrichter Propstei. Weil er aber unterlassen hatte, wegen der beiden erstgenannten Dignitäten den vorgeschriebenen kanonischen Dispens wegen mangelnden Alters einzuholen, war er der kirchlichen Strafe der Infamie und der Unfähigkeit zum Erwerb und Besitz kirchlicher Pfründen verfallen. Doch die päpstliche Lossprechung von diesen Kirchenstrafen und kanonische Wiedereinsetzung in die Kirchenpfründen wurde ihm unterm 30. September 1330 zuteil.

Zugleich schrieb ihm der Papst vor, bis zum nächsten Osterfest (1331) die für die Lütticher Dompropstei kanonisch erforderliche Subdiakonatsweihe und dann binnen dreier Jahre die dafür ebenfalls erforderliche Diakonats- und Priesterweihen sich erteilen zu lassen. Walram versäumte die erste Pflicht und erfüllte auch die Residenzpflicht nicht. Deshalb verfiel er neuerdings den vorgenannten Kirchenstrafen. Doch erhielt er am Ostermontag 1331 die päpstliche Lossprechung und zugleich die Erlaubnis, den Empfang der Diakonats- und Priesterweihe noch drei Jahre lang aufzuschieben. In der Zwischenzeit hatte Walram am 21. Oktober 1328 Titel und Vorrechte eines päpstlichen Kaplans erhalten.

Diese, wenigstens nach heutigen Begriffen, nicht ganz normale Lebensgeschichte war aber noch lange nicht zu Ende. Am 27. Januar 1332 wurde nämlich Walram zum Erzbischof von Köln ernannt. Da er aber das vom kanonischen Recht für einen Bischof erforderliche Alter noch nicht erreicht hatte, was dem Papste verschwiegen worden war, so war die Ernennungsurkunde ungültig und mußte durch eine neue gültige Ausfertigung, die das Datum des folgenden Tages trägt, ersetzt werden.

Der noch nicht dreißigjährige Erzbischof hatte erst die sogenannten niederen Weihen erhalten. Deshalb bekam er vom Papste die Erlaubnis, binnen dreier Jahre sich die drei höheren Weihen von einem beliebigen Bischof erteilen zu lassen.

Diese ganze abenteuerlich klingende, aber durchaus nicht vereinzelte Geschichte findet ihre Erklärung darin, daß Walram von seinem Bruder, dem Grafen Wilhelm von Jülich, dem Neffen des französischen Königs, protegiert worden war. Dieser hatte dem Papst als Entgeld für seine Bereitwilligkeit in der Ernennungsangelegenheit das eidliche Versprechen gegeben, dem päpstlichen Stuhle zeitlebens treu und ergeben zu bleiben und ein Widersacher Ludwigs des Bayern und anderer Gegner des Papsttums zu sein.

Außerdem war die Sache für Wilhelm auch nicht billig. Sie hatte nämlich 40000 Goldgulden gekostet, also etwa 1200000 Mark nach heutigem Geldwert!

Daß das Erzbistum diese Summe wieder aufbringen mußte, ist selbstverständlich. Aber das ging nicht glatt. Vielmehr sah sich Walram gezwungen, aus Gründen der Sparsamkeit das hochverschuldete Erzstift, dessen wichtigste Besitzungen verpfändet waren, zu verlassen und seine Verwaltung fremden Personen anzuvertrauen. Er wanderte mit wenigen Begleitern nach Frankreich, wo er nach 17jähriger nicht eben glorreicher Verwaltung der hohen Würde am 14. August 1349 in Paris starb.[185]

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Wie wenig Rücksicht die Avignonischen Päpste auf die materielle Wohlfahrt der Kirchenprovinzen legten, geht schon aus der einzigen Tatsache schlagend hervor, daß der Nachfolger Walrams, Wilhelm von Genepe, sich verpflichten mußte, Klemens VI. 30000 Goldgulden zu zahlen.[186]

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Auch heute noch scheint der geistliche Beruf recht einträglich zu sein, wie aus der in »Reynolds Newspaper« (6. Januar 1907) enthaltenen Zusammenstellung von Hinterlassenschaften von Klerikern im Jahre 1906 aus England hervorgeht.

233 testamentarische Hinterlassenschaften mit in Summa 5638073 £, im Durchschnitt pro Person 23933 £ werden hier notiert.

10 überstiegen 2 Millionen Mark: Rev. Sir Richard Fitzherbert, Rektor von Warshop = 530548 £. Rev. J. H. Godber, Kanonikus von Southwell = 218506 £. Jeder dieser 10 hinterließ im Durchschnitt 179121 £.

Die 9 Bischöfe, deren Testament im Jahre 1901 veröffentlicht wurde, hinterließen im Durchschnitt je 24332 £, also etwa eine halbe Million Mark.

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