2. DURCHFÜHRUNG DES LEHRPLANES IN DEN ZWEI UNTERKLASSEN

a) Anschauungsunterricht mit Zeichnen und Handarbeit. Der Anschauungsunterricht mit Zeichnen und Handarbeit in Klasse I und II machte die eigenen Erfahrungen der Kinder zum Mittel- und Ausgangspunkt seiner Tätigkeit. Gemäß dem Münchner Lehrplan hat er die Aufgabe, auf Grund der Schärfung und Übung der Sinnestätigkeit das denkende Beobachten zu wecken und zu fördern, die vorhandenen Vorstellungen zu klären, zu ergänzen und zu ordnen und neue, grundlegende Vorstellungen und Begriffe zu bilden. Diese Erfahrungen wurden teils aus der praktischen Tätigkeit der Schule, teils aus dem häuslichen Leben der Familie entnommen. Zum Beginn des Schuljahres gingen der eigentlichen manuellen Arbeit Übungen voraus, die auf Schärfung der Sinne abzielten. Diese Übungen wurden zum Teil dem Werke von M. Montessori »Il Metodo della Pedagogia Scientifica« entnommen und verliefen für gewöhnlich unter dem Charakter des eigentlichen Kinderspieles. Selbstverständlich wurden sie auch während des ganzen Jahres nicht außer acht gelassen und [132] zu geeigneter Zeit mit geeigneten Tätigkeiten verbunden. Sie erstreckten sich auf das Erkennen von Farben und Formen, von Klängen nach Höhe und Stärke des Tones, auf Schätzungen des Gewichtes verschiedener Stoffe, auf Erwerbung von Tastvorstellungen für die verschiedenartigsten Materialien, auf Ausbildung von Geruchs- und Geschmacksvorstellungen einfacher wohl unterscheidbarer Art, und endlich auch auf die Regulierung und Orientierung von Bewegungsempfindungen. Eine Reihe von Materialien diente diesem Zwecke. Der Arbeitsunterricht, der mit dem Anschauungsunterricht aufs engste verbunden wurde, erstreckte sich in der ersten Klasse auf Nähen, Stricken, Flechten, Holzarbeit, Gartenarbeit und sogenannte häusliche Beschäftigungen. Knaben wie Mädchen hatten den gleichen Arbeitsunterricht, so daß also einesteils die Knaben sowohl am Unterricht im Nähen und Stricken teilnahmen als auch die Mädchen am Unterricht in der Holzarbeit. In den zweiten Klassen trat bei Knaben wie Mädchen die Holzarbeit in den Vordergrund. Daneben wurden die Knaben in einer besonderen Stunde mit Zeichnen und Ausschneiden, die Mädchen mit Flechten, Stricken, Nähen beschäftigt. Gartenarbeit und häusliche Beschäftigungen [133] fanden neben der Schulzeit systematische Berücksichtigung. Anderweitige einwandfreie (vgl. Seite 81) Beschäftigungen, wie Papierfalten für bestimmte Zwecke, Papparbeiten, Weben auf Handwebestühlen wären zulässig gewesen. Sie wurden aber nicht berücksichtigt, um die Arten der Beschäftigung nicht zu zahlreich zu machen und so eine gründlichere Schulung in der einzelnen Beschäftigungsart zu ermöglichen. Auch wurden die erstgenannten Beschäftigungen vorgezogen, weil sie dem häuslichen Leben des Kindes wesentlich näher liegen.

Sobald es möglich war, wurden die praktischen Arbeiten vom Gesichtspunkt der Arbeitsgemeinschaft aus organisiert, d. h. vom Standpunkt der Dienst- und Hilfsbereitschaft der Kinder gegeneinander und der gemeinsamen Unterordnung unter eine gesteckte Aufgabe. Die Art der Durchführung mußte sich natürlich über den Kindergartenstandpunkt erheben. Es handelt sich in der Volksschule nicht mehr bloß darum, die Kinder vernünftig zu beschäftigen, sondern auch darum, die manuelle Geschicklichkeit systematisch zu steigern, den Willen zu immer sorgfältigerer Arbeit zu erziehen und so den Spieltrieb mehr und mehr in den Arbeitstrieb umzuwandeln, d. h. die [134] Tätigkeit des Kindes mehr und mehr einem gewollten Zwecke und gewissen für die Zweckerreichung notwendigen Regeln zu unterwerfen. Gewisse Arbeitsgebiete werden immer lehrplanmäßig bevorzugt werden müssen, wie mannigfaltig auch die Art der Beschäftigung nach der Neigung des Lehrers und der Kinder, nach den Anlagen der Kinder und den Unterrichtseinrichtungen sein mag. Auch innerhalb bestimmter Arbeitsgebiete ist noch eine weise Beschränkung auf wenige manuelle Fertigkeiten geboten, damit sie im Laufe der ersten Schuljahre zu entsprechender Sicherheit entwickelt werden können. Ob die wenigen ausgewählten Arbeitsgebiete den physischen und geistigen Kräften des Kindes entsprechen, das dürfte wohl daraus am besten zu ersehen sein, ob die Mehrzahl der Schüler auch ohne Zutun der Schule in reiner Verfolgung ihres Nachahmungstriebes ähnliche Beschäftigungen bei ihren häuslichen Tätigkeiten und Spielen aufsuchen und anwenden.

In welcher Weise die manuelle Tätigkeit mit den lehrplanmäßigen Themata des Anschauungsunterrichts in Verbindung stand, ergibt sich aus folgender Übersicht. Der ersten Klasse fielen lehrplanmäßig folgende Aufgaben zu: [135]

1. Aufgabe (Turnsaal und auf dem Spielhofe): Herstellung von Holzstäben mit angefeilten Kuppen, von Leitern, von Griffen für Sprungseile. – Herstellung eines Sprungseiles durch Stricken über die Spule. 2. Aufgabe (Auf der Straße): Herstellung von Holzwürfeln, einer Holzschranke und eines einfachen Lastwagens aus Fadenspulen und Brettchen. 3. Aufgabe (Der Garten im Herbst): Herstellung von Blumenstäben aus Holz, Nähen von Samensäckchen aus Gaze. 4. Aufgabe (Das Weihnachtsfest): Herstellung eines Täschchens für den Weihnachtstisch, einer Serviettentasche; Herstellung eines Holzbaukastens aus rechteckigen und dreieckigen Säulen. 5. Aufgabe (Schnee und Eis): Flechten eines Untersatzes; Herstellung eines Schlittens aus Holz. 6. Aufgabe (Bei der Näherin): Herstellung eines Lineals mit Zentimetermaß, einer Reißschiene für Rechentabellen. Anfertigung von Schnitten für Puppenhemd, -unterrock und -kleid. Nähen von Puppenwäsche nach gefertigten Schnitten. 7. Aufgabe (In der Kirche zur Osterzeit): Färben von Ostereiern. 8. Aufgabe (Der Schulgarten im Frühling): Herstellung von Blumenkisten, eines Holzzaunes für die Blumenkisten, Ansäen und Anpflanzen in den Blumenkisten; [136] Flechten eines Blumenkorbes, Flechten eines Obstkorbes aus Raffia. 9. Aufgabe (Bei der Obstlerin): Modellieren von Früchten (versuchsweise).

Neben diesen Handarbeiten gingen außerdem häusliche Beschäftigungen her. Sie umfaßten die Ordnung und Sauberkeit im Schulzimmer und im Arbeitsraum, also Kehren, Abstauben, Putzen, Waschen, Beihilfe der Kinder zur Herstellung von Weihnachtsgebäck und Ostereiern. Die Gartenarbeit beschränkte sich im Herbst wegen vielfach ungünstiger Witterung auf Einsammeln von Samen, Einschlagen von Blumen und Zwiebeln in Töpfe und in freiem Gartenland unter Sicherung gegen Frost durch Bedecken mit Erde. Die Töpfe wurden im Frühjahr der Erde entnommen und die Zwiebelpflanzen bildeten wochenlang in blühendem Zustande eine Zierde des Schulzimmers. Im Sommer pflegten die Kinder außer den neu angepflanzten Blumen unter Anleitung der Schülerinnen der achten Klasse den Schulgarten der achten Klasse der Schule an der Hohenzollernstraße. Die Klassenlehrerin machte dabei über den Verkehr der größeren Mädchen mit den Kindern der Versuchsklasse die besten Erfahrungen. Auch die Erziehungsarbeit [137] der Schülerinnen der achten Klasse erfuhr bei dieser Arbeitsgemeinschaft, an der Große wie Kleine mit gleichem Eifer und sichtlicher Freude beteiligt waren, eine nicht unwesentliche Vertiefung.

Die zweite Klasse hatte folgende Aufgaben zu behandeln:

1. Aufgabe (Schulhaus): Faustskizzen auf der Tafel. Herstellung eines Tafellappens im Strickunterricht. Zeichnen von Tafel, Federhalter, Griffel. 2. Aufgabe (Am Neubau): Herstellung eines Holzhauses durch Arbeitsgemeinschaft in der Werkstatt. Zeichnen und Ausschneiden von Häusern. 3. Aufgabe (Schulgarten im Herbst): die im ersten Schuljahre gefertigten Blumenkisten (vgl. S. 135 Aufg. 8) wurden mit Blumenzwiebeln bepflanzt. Zeichnen von Blumenformen, Ausschneiden und Zusammenstellen zu einem Bukett als Klebearbeit. 4. Aufgabe (Die Uhr): Anfertigung von Zifferblättern aus Karton mit beweglichen Zeigern. Herstellung eines Zifferblattes aus Holz mit Anbringung von gekauften Metallzeigern. Herstellung einer Sonnenuhr; Anlegung eines Wetterkalenders. Die Mädchen stricken Pulswärmer. 5. Aufgabe (Die Küche): [138] In der Holzwerkstätte Herstellung eines Nudelbrettes mit Nudelwalker. Die Mädchen stricken einen Topflappen; die Knaben zeichnen und schneiden Küchenherde aus. 6. Aufgabe (Beim Schreiner): In der Holzwerkstätte Herstellung eines Stuhles mit Geflecht. Besuch einer unserer großen Schülerwerkstätten für die obersten Klassen. Zeichnen und Ausschneiden von Werkzeugen. 7. Aufgabe (Waschhaus): Waschen und Aufhängen, Flechten eines Nähkorbes. 8. Aufgabe (Die fünf Sinne): Gab zu besonderen praktischen Tätigkeiten keine Veranlassung, außer eben zur Betätigung der Sinne selbst in Sinnesübungen aller Art. (Vgl. dazu auch die Übungen in der ersten Klasse.) 9. Aufgabe (Am Aquarium und Terrarium der Schule): Vor den Augen der Schüler wird ein Aquarium angelegt. Die Kinder bauen in der Werkstätte Raupenkästen. Beobachtung der Entwicklung von Raupen. Zeichnen von Schmetterlingen. 10. Aufgabe (An der Isar): In der Werkstätte wird in Arbeitsgemeinschaft eine Holzbrücke hergestellt. Knaben und Mädchen nähen Fahnen zum Ausflug in das Isartal. 11. Aufgabe (In den Anlagen): Praktische Arbeiten im Schulgarten. Pflege der aus Samen gezogenen Balsaminen, Sonnenblumen, [139] Begonien, Tannen, Fichten, Zirbelkiefern. Zeichnen von beobachteten Blättern, Blumen, Früchten. Zeichnen eines Starenkobels; Ausschneiden.

Das ganze Jahr über wurde auch den Aufgaben der häuslichen Beschäftigungen Aufmerksamkeit zugewendet. Sie bezogen sich wie im Vorjahre auf Ordnung und Sauberkeit im Schulzimmer, Gang und in der Garderobe. Die Arbeiten wurden von Knaben wie Mädchen mit gleichem Eifer betrieben. Die Kinder stellten im Wechsel selbst ihre Wächter und Ordner auf: einen Knaben für die Garderobe, einen Knaben und ein Mädchen für die Überwachung des Eintrittes in das Schulzimmer, drei Mädchen für die Reinhaltung der Tafelwände, je einen Knaben und ein Mädchen für die Überwachung der Fensterbretter, der auf ihnen aufgestellten Gegenstände und der Pflege der dort befindlichen Blumen. Dabei wurden Untergruppen gebildet. Ein Knabe sorgte für die Verwahrung und Ausgabe verschiedener Schlüssel, ein Mädchen für die Kalenderaufzeichnungen. – Zur Pflege des Aquariums wurde ein Mädchen aus der siebenten Volksschulklasse herangezogen, welches die kleineren Mädchen der zweiten Klasse auch zu belehren und anzuweisen hatte. Zur Beobachtung [140] stand auch ein Geflügelhof (mit Hühnern, Hahn, Ente, Gans, Puter) zur Verfügung, dessen Pflege der Schulhausmeister hatte. Der sonstige Beobachtungsunterricht vollzog sich teils im Werkraum (experimenteller Teil), teils im Schulzimmer, teils im Freien. In das Schulzimmer wurden jene Beobachtungsübungen verlegt, die keine wagerechten Tische und wenig Werkzeuge erforderten. – Das Zeichnen beschränkte sich auf gedächtnismäßige Darstellung einzelner Gegenstände, die Gegenstand des Anschauungsunterrichtes waren und die jeder Schüler beim Anschauungsunterricht in der Hand hatte oder mit denen er im Beobachtungsunterricht arbeitete (Spielsachen, Werkzeuge, kleine Hausgeräte).

b) Rechnen. Für die erste Klasse kam lehrplanmäßig der Zahlenraum 1-20 in Betracht. Es war Bedacht darauf genommen, daß jedem Kinde Veranschaulichungsobjekte zur Verfügung standen, an deren Hand es die Veranschaulichung in selbständiger Weise vornehmen konnte. Selbstverständlich wurde von Anfang an ein großes Gewicht darauf gelegt, die Kinder nicht bloß zum Abschätzen, sondern auch zum genaueren Messen anzuhalten und damit schon die einfachsten Zahlenbegriffe [141] zu entwickeln. Pappscheiben, Knöpfe, Stäbchen, Fadenspulen, Perlenketten, gestanzte Kupfer- und Nickelmünzen in selbstgefertigten Geldbörsen und vor allem die gesamte manuelle Tätigkeit in der Holzbearbeitung, die mit einem beständigen Schätzen, Messen und Vergleichen verbunden ist, dienten der Durchführung des Arbeitsprinzips im Rechenunterricht.

Einen besonderen Weg schlug im Schuljahre 1915/16 Fräulein Merxmüller ein. Sie berichtet:

»Wenn auch infolge der starken Beschränkung der Unterrichtszeit von einer weitgehenden sachlichen Beschäftigung heuer keine Rede sein konnte, wurde doch versucht, auch den Rechenunterricht so gut als möglich im Sinne der Arbeitsschule zu gestalten. Da durfte im Vordergrunde nicht die von außen diktierte, einem unfaßbaren Lehrzwecke dienende Rechenaufgabe stehen, nicht der streng geregelte methodische Aufbau, der von außen festgelegte Fortschritt von einem Rechenvorgang zum andern und von einer Stufe zur andern – sondern Gelegenheiten zum Beobachten und Entdecken mußte das Kind haben, damit es seine Kraft erprobe und einem inneren Zwange gemäß darangehe, an den grobsinnlichen Erscheinungen rechnerischen Problemen nachzuspüren.« [142]

»Bei den Beschränkungen des Schulbetriebes war es eine dringende Angelegenheit, das ganze Schulleben und alle Unterrichtsstunden auch für diese Zwecke auszubeuten. Besonders wertvoll erwiesen sich folgende besondere Einrichtungen:

1. Das Illusionsspiel der ersten Schultage mit Stäbchen und Würfeln vorne vor aller Augen auf einem großen, schräggestellten Rechenbrett.

2. Die rhythmischen Verzierungen zeitweilig angebracht an den Überschriften der Tafellesestücke. Die Bewunderung von Form, Farbe, Regelmäßigkeit führte zur genauen Beobachtung für die Zwecke der Nachahmung, zur Klarstellung rechnerischer Verhältnisse und zur ganz selbständigen Bildung von Rechenaufgaben.

3. Rechenkarten, welche nach ähnlichen Gesichtspunkten ausgestaltet waren und uns wochenlang interessierten und auf das fruchtbarste beschäftigten.

4. Das Einkaufen vorne auf dem großen Rechenbrett mit Münzen aus Papier geschnitten, eine Arbeit, die völlig nach den Einfällen und Angaben der Kinder geleitet war und eine unglaubliche [143] Gewandtheit und Sicherheit im Rechnen erzeugte.«

»Unter Verzicht auf alle methodischen Kunststücke, die ja den Kindern nur das Denken ersparen, gab es keine vorausschauenden Erklärungen und Entwicklungen von Rechenvorgängen, wie sie etwa im Rechenbuch beim Überschreiten des Zehners angedeutet sind, keine typischen Zahlbilder, kein geregeltes Finger- und Zählmaschinenrechnen.« (Ich gestatte mir einzufügen: Quod licet Jovi; non licet bovi.)

»Mit der größten Selbständigkeit ohne Aufgabenstellung und aufdringliche Hinweise erarbeiteten sich die Kinder am Wechsel der auftretenden Erscheinungen des Schullebens einen Rechenvorgang um den andern. Jede Stunde brachte Neues an Inhalt und Form. Das einzelne Kind eignete sich immer zuerst das an, was es seinen inneren, in Entwicklung begriffenen Spannkräften gemäß aufzunehmen imstande war. Die andern folgten, jedes zu seiner Zeit, es war kaum ein halbes Jahr vergangen, als die ganze Schar über das Ziel der 1. Klasse hinausdrängte, um in der Folge auch weit darüber hinauszuwachsen.«

Für die zweite Klasse war der Zahlenraum 1 bis [144] 100 vorgeschrieben. Eine so mannigfaltige Veranschaulichung der Rechenvorgänge, wie in der ersten Klasse, war nicht mehr nötig. Große und kleine Zählmaschinen, Schätzen bei allen Beobachtungen, Messen und Zählen in der Werkstätte und im Klassenraum, vor allem aber auch Kaufen und Abwägen von Waren an dem in der Schule aufgestellten Kaufladen boten eine Fülle von konkreten Übungen. Zum Messen konnten bereits Maßbänder und Meßapparate für Flüssigkeitsmaße verwendet werden. Die Einrichtung des Kaufladens bestand aus Tüten, die von den Kindern selbst hergestellt und mit verschiedenen Waren gefüllt waren, aus einer zweischaligen Krämerwage mit entsprechendem Gewichtsatz. Unter allergrößter Anteilnahme der Kinder vollzogen sich die Rechenoperationen am Kaufladen. Sie wurden von allen gemeinsam in der Bank mitgemacht mit Hilfe der im Vorjahre gefertigten und mit gestanzten Kupfer- und Nickelmünzen gefüllten Geldbörsen. Während nämlich draußen vor den Bankreihen das Abwägen und die Auszahlung von zwei Kindern ausgeführt wurde, hatten alle Kinder in den Bankreihen mit Gewichtschablonen den Vorgang des Wägens nachzumachen und ebenso mit Hilfe der zur Verfügung [145] stehenden Münzen, die um einige Fünfzigpfennig- und Markstücke in diesem Jahre vermehrt worden waren, alle Rechenoperationen anschaulich nachzubilden. So entwickelten sich leicht die grundlegenden Operationen des praktischen kaufmännischen Lebens, wie es sich im Kleinhandel abspielt. Vorstellungen, wie das Kilogramm als eine Einheit von 10×100 g, als eine Einheit von 2 Pfund oder 4 halben Pfunden bildete allmählich jedes Kind ohne die geringste Schwierigkeit. Auch die Zusammensetzung solcher Untereinheiten wie Pfund oder Halbpfund aus Grammen wurde gut aufgefaßt und angewendet. (Im dritten und vierten Schuljahre wurden alle Kinder mit Handwagen ausgerüstet, um selbständige Wägungen, insbesondere von würfelförmig geformten Stoffen aller Art und damit auch Materialvergleichungen vornehmen zu lassen.)

c) Schreiblesen, Lesen, Rechtschreiben, Erzählen. In der ersten Klasse kamen als Vorübung für das Schreiben in Anlehnung an M. Montessori geometrische Formen zur Verwendung, deren Umrisse von den Kindern mit Bleistift zunächst umzogen wurden. Die so umgrenzte Papierfläche war dann mit Farbstiften immer sorgfältiger auszufüllen. Die Kinder wurden [146] dadurch gewöhnt, den Umriß zu beobachten, bestimmte Grenzen einzuhalten, verschiedene Formen des Umrisses aufzufassen und so langsam die Schreibbewegungen der Hand beherrschen zu lernen, ohne daß zunächst die Arbeit durch die Auffassung von schwierigeren Buchstabenformen kompliziert wurde. Die Einführung in die einzelnen Buchstaben erfolgte in früheren Jahren in der Weise, daß der Buchstabe zunächst langsam und unter Beobachtung aller Bewegungen vorgeschrieben wurde. Darauf hatten ihn die Kinder in dem von Stadtschuleninspektor Schmied entworfenen Setzkasten auszusuchen, auf unliniertem Papier oder unlinierten Schiefertafeln möglichst groß nachzuzeichnen, zu betasten und mit den Fingern nachzufahren bis zur Geläufigkeit. Diesen Vorübungen folgte die Darstellung der Buchstaben auf den großen Wandtafeln, welche die drei Wandflächen des Schulzimmers bedecken, dann gemeinsame Korrektur der auf den zehn Wandtafeln von den Kindern gleichzeitig geschriebenen Buchstaben und endlich erst die Darstellung und Einübung der Buchstaben auf der Schiefertafel; Hand in Hand mit diesen Übungen gingen die Lese- und Rechtschreibübungen. Die letzteren hielten gewöhnlich folgenden Gang ein: [147] Auf einer der großen Schultafeln wurden von der Lehrerin in Druckbuchstaben neue Sätze zusammengestellt, die Kinder übersetzten die Druckbuchstaben zunächst in Schreibschrift mittels Setzkasten und schrieben dann erst auswendig die Sätze auf die Schiefertafel oder ins Heft. Die Fibel war Mitte Mai vollständig ausgelesen, so daß die Kinder die letzten zwei Monate bereits das Lesebuch: »Blaue Blumen«, ein Buch für Mütter und Kinder, mit großem Vergnügen benützten. Schwierigkeiten bereiteten hier im Anfang nur die in kleinen Lettern gedruckten Erzählungen.

Ein gänzlich anderer Weg wurde im Schuljahre 1913/14 eingeschlagen. Die in Deutschland übliche Schreiblesemethode geht, selbst wenn sie die Normalwörtermethode zugrunde legt, von den einzelnen Buchstaben aus, gibt diese in ihrer schwierigsten Form, der deutschen Fraktur, und in vier verschiedenen Alphabeten (große und kleine Druckschrift, große und kleine Schreibschrift) und übt dann allmählich das für viele Schüler schwierige Zusammenlesen der Buchstaben zu Wörtern.

Mein fast dreimonatiger Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, währenddessen ich gegen 100 Volksschulklassen in den [148] verschiedenen Staaten des Nordens und Südens besichtigte, hat mich zu meiner großen Überraschung belehrt, daß ein völlig anderer Weg zum mindesten für die Einführung in die englische Sprache mit ihren ungemein zahlreichen ein- und zweisilbigen Wörtern gleich fruchtbar sein kann. Obwohl das amerikanische Schulwesen alle seine früheren Anregungen aus Europa bekam, so hat es unsere europäische Schreiblesemethode vollständig abgelehnt, und obwohl jeder der 48 Staaten Nordamerikas völlig autonom ist in der Gestaltung seines Schulwesens, so hat sich doch die von mir beobachtete Methode in allen Staaten allgemein und ohne jeden äußeren Zwang eingebürgert.

Die Methode gründet sich auf das Wortbild. Einzelne aus der praktischen Tätigkeit der Schule entsprungene Sätze von 5 bis 6 Wörtern bilden den Ausgangspunkt. Die Wortbilder werden als Ganzes, durch sinnreiche Übungen und Spiele aller Art, eingeprägt. Dieser Einprägung kommt die lateinische Blockschrift mit dem Mangel an Majuskeln innerhalb des Satzes ungemein zustatten. Man betrachte nur einmal etwa daraufhin den Satz:

I lost my pen to-day

[149]mit der Darstellung in deutscher Fraktur und Sprache:

Das Wortbild der lateinischen Blockschrift ist sehr viel formenärmer und kann schon am ersten Tage des Unterrichts von den Kindern nachgemalt werden, was der Einprägung sehr zustatten kommt. Sobald auf diese Weise 50 bis 60 Wortbilder im Gedächtnis des Kindes liegen, werden dem Kinde bereits ganze Erzählungen aus diesen Wörtern in Blockschrift vorgelegt, in die nur da und dort ein neues unbekanntes Wort eingestreut ist, dessen Bedeutung das Kind aber aus dem ganzen Zusammenhang erschließen kann. Zu den so selbst erarbeiteten Wortbildern werden dann wieder durch neue Mustersätze aus dem Schulleben andere Wörter hinzugefügt, sehr oft gleichlautende Reimwörter, und so vermehrt sich der Wortbildschatz immer mehr. Allmählich, namentlich unter dem Einfluß der Reimwörter, vollzieht sich automatisch die Analyse des Wortbildes in Lautbilder von selbst, und nach einem halben Jahre sind alle Kinder auch im Besitze sämtlicher Lautbilder. [150]

Inzwischen sind aber die Kinder an drei wesentliche Dinge gewöhnt worden: a) beim Lesen vor allem auf den Sinn des Satzes zu achten, ohne welche Achtsamkeit ja neue Wortbilder nicht erfaßt werden konnten; b) sich stets nur Wortbilder einzuprägen, anstatt sich gedächtnismäßig die Orthographie des Wortes durch die Reihenfolge des Buchstabens zu merken; c) das Wortbild mit einem Schlage aufzufassen und nicht mühsam aus der Buchstabenfolge zusammenzulesen. Vor allem aber sind sie schon sehr viel früher als unsere Kinder in den Stand gesetzt, ganze Geschichten zu lesen und so aus der Lesefreudigkeit heraus die Schwierigkeiten des Lesens überwinden zu lernen. Die Einführung in die Schreibschrift erfolgt ganz unabhängig von der Einführung ins Lesen, das möglichst beschleunigt wird; nur das Nachmalen der höchst einfachen Druckbuchstaben der lateinischen Blockschrift geht parallel.

Die Methode ist bereits äußerst sorgfältig ausgebaut, und eine sehr interessante ausgedehnte Literatur von »first reading-books«, von ersten Lesebüchern, unterstützt sie. Weiter darauf einzugehen, ist hier nicht möglich. Ob die Methode auch für die deutsche Sprache gleich fruchtbar [151] ausgenutzt werden kann, muß ausprobiert werden. Zwei der Lehrkräfte der Versuchsschule, Herr Brückl und Frl. Merxmüller, haben sie mit großer Wärme und Begeisterung und mit tiefem Verständnis versucht. Ich möchte den Bericht von Fräulein Bertha Merxmüller hier zur weiteren Anregung zum Abdruck bringen. Die reichen Erfahrungen, die Herr Brückl gemacht hat, wird er wohl in einer eigenen Arbeit veröffentlichen. Zum Bericht des Fräulein Bertha Merxmüller, die im Schuljahre 1915/16 freiwillig die erste Klasse übernahm, bemerke ich, daß der Mangel an Räumen, der durch die Ablassung von mehr als der Hälfte aller Schulgebäude an die Militärverwaltung herbeigeführt war, uns genötigt hat, in den meisten ersten Klassen und auch in der Versuchsklasse die Unterrichtszeit auf wöchentlich 12 Stunden festzusetzen. Der Bericht gibt auch deutlich ein Bild davon, was Arbeitsunterricht im Schreiblesen heißt. Ich gebe zuerst die Erfahrungen im Leseunterricht.

a) Meine Bilderbogen. »Es waren einfache kindertümliche Darstellungen mit klaren Texten in Antiqua für die Stufe des scheinbaren Lesens als Ausgang und Grundlage für die erste Lesetätigkeit. Auf dem Wege des Vergleichens [152] werden die Übungswörter des Textes wiedererkannt, wenn sie auf der Tafel in anderer Reihe auftreten, bis sie, zur lebendigen Rede gefügt, als Ausdruck für kleine gemeinsame Erlebnisse gelten und als solche erfaßt werden können.«

»In der unterhaltsamen Beschäftigung mit diesen Bilderbogen sah ich die Erfahrung der Kinderstube bestätigt, daß sich Kinder gerne und leicht einprägen, was in ihren Bilderbüchern bei den geliebten Bildern steht. Das von der Spielwelt herübergenommene Interesse verstärkte sich durch die Wichtigkeit der ersten Schularbeit, und es entstand jene Vertrautheit mit den Lautzeichen, die den Sinn immer eindringlicher auf die Elemente und ihre Beziehungen lenkt, das Lautbewußtsein schafft und später ein Kind nach dem andern, jedes zu seiner Zeit, ohne aufdringliche Hinweise, nur einem inneren Zwange gemäß, zur Lautanalyse führt und zum synthetischen Lesen.«

b) Meine selbstgeschaffenen Lesestoffe. »Sie wollten sowohl sprachlich wie inhaltlich der kindlichen Entwicklung so viel als möglich Rechnung tragen und die Tatsache berücksichtigen, daß fremde Sprachinhalte und [153] fremde Sprachformen den Leselernprozeß benachteiligen müssen, weil er doch die ganze Aufmerksamkeitsenergie für sich beansprucht.«

»Abgelauscht den sprachlichen Äußerungen der Kleinen, wirkten die meisten meiner selbstgeschaffenen Lesestoffe durch die persönlichen Beziehungen ihres tatsächlich und meist gemeinsam erlebten Inhaltes, eines Inhaltes, der unbedingte Teilnahme oft bis zum jubelnden Beifall erzeugte und die ganze Lese-Lernarbeit natürlich und anregend gestaltete.«

»Die kleinen Lebensausschnitte wurden den Kindern in der Form von Leseblättern und Tafelstücken geboten, wodurch sie der psychologischen Beschaffenheit des Kindes noch weiter durch den Reiz des Neuen und der Abwechslung entgegenkamen und als kleine abgerundete Ganze der leichten Ermüdbarkeit des Kindes gerecht wurden.«

»Ungezwungen bereits geübte Wortbilder immer wieder zur Wiederholung bringend und darin etliche neue versteckt zur vergnüglichen Lösung – bedeutete Stück für Stück eine mühelose, lustvolle Anwendung und Sicherung des Gelernten, wie auch ein wohlerwogenes Maß von Schwierigkeiten, [154] der kindlichen Kraft zur frohen Betätigung zugeteilt.«

»Das bewegte Innehalten, wenn in der Lesearbeit der Sinn aufging, die Situation erfaßt wurde und Selbsterlebtes zum greifbaren Bilde sich gestaltete, war der Beweis, daß die Kleinen im besten Sinne Lesen lernten, trotz technischer Schwierigkeiten und äußerer Ablenkung, Lesen, d. h. Schätze heben. Sie hatten ihre helle Freude, daß sich das alles so schön lesen und schreiben ließ, ergötzten sich staunend an den eigenen Ausdrücken und den Wendungen, die ihnen vom täglichen Leben her so geläufig waren, wollten gleich noch was dazu erzählen, mußten gleich noch was fragen und wollten es dann gleich nochmal lesen, weil es 'gar so schön', 'so echt', 'so nett' war, 'zum Totlachen', 'eine Gaudi', weil es 'ganz wahr' war.«

»Diesen oder jenen Ausdruck möchten sie bei dieser Gelegenheit gleich auch noch geschrieben sehen; einer kann aus dem Wort an der Tafel gleich selbst ein anderes machen, braucht nur was wegtun oder was hinsetzen, gleich heißt es dann anders. Und sie freuen sich alle über die gelungene Veränderung und lassen nicht mehr los und gehen ihre Entdeckerwege weiter und wollen [155] unaufhörlich schaffen und gestalten. Viel Schaffenskraft von lebendigem Interesse geweckt mußte da wegen des beschränkten Kriegsbetriebs oft gewaltsam zurückgedrängt werden. Auf keinen Fall kam in diese Leselernstunden gähnende Langeweile oder qualvolle Mühe. Es waren sehr interessante, höchst vergnügliche Stunden.«

In gleich erfreulicher und belehrender Weise lautet der Bericht über die Erfahrungen im Schreibunterricht.

»Auch hier war ich in allererster Linie bestrebt, nach dem Gesetz von der Isolierung der Schwierigkeiten nicht plötzlich mit allen Schwierigkeiten auf einmal zu beginnen, sondern im allmählichen Fortschreiten ein Hindernis nach dem andern zu überwinden.«

»Dabei ging ich von der Annahme aus, daß die Schriftformen um so mehr Ausdruckskraft werden vermissen lassen, um so gezwungener und gequälter ausfallen müssen, sich um so weniger frei werden entwickeln können, je mehr Vorschriften das Kind beengen und je mehr Gesetze es binden.«

»Als solche Hemmnisse erkannte ich alle Einengungen, die das Gerät, insbesondere die [156] spitze Feder, verursacht, – dann eine für alle gleichmäßig von vornherein vorgeschriebene Handhaltung, – die starre Unabänderlichkeit der Formen und das Verlangen, jede Schriftform auf eine gewisse Art und in einer bestimmten Reihenfolge zur Darstellung zu bringen, – endlich die Liniatur.«

»Wenn auch im Schreibunterricht die Lust am Schaffen Triebkraft werden sollte, Kraftentfaltung und Entwicklung der Eigenart die zu erstrebende Frucht des Unterrichtes, dann durfte die starre, kalte, unverrückbar festgelegte Form nicht im Vordergrund des Unterrichtes stehen bleiben, nicht die äußere technische Seite mit ihrer Qual für die ungeübte, unentwickelte Hand des Kindes –, sondern die freischaffende Tätigkeit des Kindes.«

»Für meinen grundlegenden Schreibunterricht, der in natürlichem Aufbau von der Antiqua ausgehen durfte, galt es also zunächst ein willfähriges Schreibgerät zu finden, das in der ungelenken Hand des Kindes und selbst noch beim falschen Gebrauch seinem Wesen getreu bleibt und die der lateinischen Druckschrift charakteristischen Schnurzüge erzeugt.«

»Ich kam von dicken, weichen, farbigen Ölkreidestiften, [157] 10 Stück 10 Pf., auf dem Papier und vom weichen Buttergriffel auf der Tafel (Papiernot!) zum griffelartig zurecht gespitzten Schreibholz für die Tinte und dann erst zur Feder, und zwar zu einer starken Kugelspitzfeder. Dann sollten meine Kinder gleich vom Anfange an möglichst frei gestalten dürfen, wobei es mir wichtig schien, daß sich ein Gefühl für gute Schriftformen an guten Vorbildern und durch zweckmäßige Besprechung guter und schlechter Beispiele an der Schultafel entwickeln könne und daß jedes Kind die Handhaltung und die Schriftform selbst finde, die seinem Wesen gemäß ist und ihm einen freien Zug ermöglicht.«

»Und siehe, die Schriften entwickelten sich in völlig ungeahnter Weise. Die überraschend schönen Erfolge rechtfertigten am besten die vorausgestellten Annahmen und Grundsätze. An dem Maße aber, wie von Stufe zu Stufe bei jeder neuen Werkzeughemmung die Leistungen immer sofort zurückgingen, um nach kurzer Zeit allmählich wieder zu steigen, sieht man recht klar, welch große Schwierigkeiten die heutige Schule dem Kinde zumutet, wenn sie es gleich am Anfang in die Liniatur zwingt und ihm für das Papier gleich die spitze Feder zur Hand gibt.« [158]

»Bei der weiteren Aufgabe, die Kinder von der lateinischen Druckschrift zur lateinischen Schreibschrift zu führen, sie durch die schreibgemäße Form der Antiqua und ihre natürliche Fortsetzung in die eigentliche Kunst des Schreibens hineinwachsen zu lassen, wurde ich auf die verdienstvolle Anregung des Herrn Prof. Kuhlmann hin zu einem sehr interessanten Versuch geführt. Es war die Frage gestellt:

Können sich die Kleinen in Erfüllung des Arbeitsschulgedankens ihre Handschrift selbsttätig erarbeiten? Daß dieser Versuch in hervorragender Weise als gelungen bezeichnet werden muß, zeigen die Schriften der Kinder, besonders auf ihren einzelnen Entwicklungsstufen.«

»Sie beantworten noch folgende wichtige Teilfragen:

Kann man im Durchschnittskind ein Gefühl für Schriftformen entwickeln und ausbilden? Hat es die Neigung und Begabung, seine Schrift selbständig zu gestalten? Muß die Freiheit eines zwang- und vorschriftlosen Schreibunterrichtes nicht notwendigerweise [159] oder doch mit der Zeit zu einer Schriftverwilderung führen?

Der Versuch hat die beiden ersten Fragen glänzend bejaht, die dritte Frage verneint, sobald nur die Lehrkraft selbst von einem ästhetischen Gefühl für Schrift beherrscht ist.«

In der zweiten Versuchsklasse standen dem Unterricht in der deutschen Sprache 5 Stunden zur Verfügung gegenüber 9 Stunden, die in den übrigen normalen Volksschulklassen Münchens vorgeschrieben waren. Die 5 Stunden waren: 2 Lese-, 2 Rechtschreib- und 1 Schönschreibstunde. Eine Visitation am Schlusse des Jahres ergab, daß das Klassenziel in der gleichen Weise erreicht war, wie in den sonstigen guten Klassen.

Beim Lesen wurde ein besonderes Gewicht auf das rasche Erfassen des Gesamtinhaltes gelegt und sowohl durch freie Wiedergabe als durch mimische Darstellung des jeweils geschilderten Ereignisses zu erreichen gesucht. Eine Lehrerin der Klasse glaubt, daß die dramatischen Darstellungen der Lesestücke, bei denen die Kinder nicht bloß redend, sondern auch handelnd auftreten und die zunächst immer nur improvisiert sind, ohne nennenswerte Schwierigkeiten schon in den Mittelklassen [160] festgehalten und durch Einübung zu immer größerer Vollkommenheit gebracht werden könnten. Der Vorteil, der hieraus erwachsen würde, läge nicht nur in der Verwendbarkeit solcher Darstellungen für gemeinsame Schülerfeste, sondern auch in der Steigerung der Gefühle für die geschilderte Situation und damit die Steigerung der Auffassung und damit des Interesses für das Gelesene. Als besonders zur mimischen Darstellung geeignet erwiesen sich die Lesestücke des Münchener Lesebuches für die zweite Klasse: Kasperl in der Schule, Das Büblein auf dem Eise, Bub und Bock, Hansel und Gretel, Musik auf dem Hofe, Wolf und Fuchs, Der lügenhafte Hirt, Vom Büblein, das überall hat mitgenommen sein wollen. Vor Trimesterschluß gab jeweils ein Schülerfest den Kindern besondere Gelegenheit, ihr Können im Erzählen, Vortragen, Dramatisieren (natürlich auch im Musizieren, Singen, Zeichnen) in den Dienst der Klassengemeinschaft zu stellen und so zum Gelingen eines Gemeinschaftswerkes beizutragen. Am Ende jeder Woche wurden auch die Schüler veranlaßt, ihre Erlebnisse in der Werkstätte zusammenhängend zu erzählen.

Bei der Behandlung des Rechtschreibstoffes leisteten die neueingeführten Tafelwände (drei Seiten [161] des Schulzimmers waren mit fortlaufenden Tafeln bedeckt) außerordentlich gute Dienste. Alle neuen Wörter, alle Diktate konnten gleichzeitig von 15 Schülern an die Tafelwände geschrieben werden, während die übrigen Kinder ins Heft schrieben. Die gemeinsame Korrektur der auf der Tafelwand von allen Kindern aufzusuchenden Fehler gab eine ausgezeichnete Übung im Fixieren der Wortbilder.

d) Katholischer Religionsunterricht. Der Religionsunterricht war inhaltlich an den offiziellen Lehrplan der ersten Klasse gebunden. Methodisch suchte er innerhalb dieses Rahmens möglichst durch die Beobachtung, Anknüpfung an die Erfahrung, Nachahmung, dramatische Darstellung das religiöse Erlebnis zu vertiefen. Dieses war im weitesten Sinne beim religiös-liturgischen Anschauungsunterricht möglich. Durch wiederholten Besuch in der Josefskirche sowie in der Sakristei derselben wurden die liturgischen Objekte und Handlungen zur unmittelbaren Anschauung gebracht. Die liturgischen Handlungen wurden zum Teil in Spiel und Ernst nachgeahmt. (Verehrung des Christkindes, Betrachtung der Kreuzwegbilder in der Josefskirche, Maiandacht, Messe.) Der religiös-sittliche Anschauungsunterricht [162] wurde im Anschlusse an die Erlebnisse der Kinder (Haus, Straße, Schule, Spielplatz) behandelt. Beim Gebetsunterricht wurde möglichst auf wirkliches Beten aus erlebter Empfindung, nicht bloß auf gedächtnismäßiges Aufsagen gesehen. Die biblischen Erzählungen wurden vielfach dramatisch, mit Rollenverteilung, nacherzählt und so zu möglichster Wirkung gebracht.

In der zweiten Klasse bildete eine Wanderung zur Ursulakirche die Grundlage für den religiös-liturgischen Anschauungsunterricht. Zur Grundlage des religiös-sittlichen Anschauungsunterrichtes wurden die mannigfachen Erlebnisse der Kinder genommen. Im übrigen wurde gemäß den im vorausgehenden geschilderten Grundsätzen des ersten Schuljahres verfahren.

e) Turnen. Für Turnen waren in der ersten Klasse jeden Tag 20 Minuten in Anrechnung gebracht. Diese 20 Minuten waren zweimal (Montag und Donnerstag) auf den Nachmittag, die übrigen Tage auf den Vormittag verlegt. Die Vormittagsübungen bildeten ein willkommenes Gegengewicht gegen eine möglicherweise eintretende geistige Ermüdung. Die Turnzeiten wurden an den Nachmittagen hauptsächlich für jene Übungen verwendet, welche die Willensbegabung [163] der Schüler vor allem fördern, also für Freiübungen zur richtigen Körperhaltung, für Wettspiele und Wettkämpfe.

An den Vormittagen wurden hauptsächlich Lauf-, Nachahmungs- und Singspiele gespielt; unter den Nachahmungsspielen befanden sich von den Kindern selbst erdachte und in irgendeinem Zusammenhang mit dem Unterricht stehende: z. B. »Meine Blümchen haben Durst« (Bild), »Straßenverkehr«, »Rechtsgehen«, »Kriegführen«, »Frau Holle«.

In der zweiten Klasse war der Turnunterricht auf vier halbe Stunden verteilt. Im übrigen wurde wie im Vorjahre verfahren unter steigender Anspannung der Willenskräfte behufs ordnungsgemäßer und genauer Ausführung der Turnbewegungen. Immer wurde auf sorgfältige Pflege der Arbeitsgemeinschaft und der freiwilligen Unterordnung Bedacht genommen.

Mit Beginn dieses Schuljahres wurden in allen Versuchsklassen in eine Unterrichtspause jeden Tages hygienische Körperübungen von fünf bis acht Minuten gelegt, welche als Vorbeugung gegen Tuberkulose und gegen Skoliose eingeführt wurden. (Anleitung durch Schularzt Dr. Ranke.)

f) Singen. Die Liedertexte standen zunächst [164] in Verbindung mit den Aufgaben des Anschauungsunterrichtes, aus dem ihre Inhalte herauswuchsen. Zur klaren Erfassung des Rhythmus wurden die Kinder angeleitet, aus vorgesungenen Liedern den Takt selbst herauszufinden. Im zweiten Schuljahre boten auch die Singspiele und religiöse Lieder, die mit gewissen kirchlichen Festtagen in Beziehung standen, Stoff für den Singunterricht. Die Texte der Lieder standen zur Zeit ihrer Einübung immer zum Schul- oder öffentlichen Leben in enger Beziehung und dienten so der Steigerung des Gefühlslebens.

g) Holzbearbeitungsunterricht. Unter den praktischen Beschäftigungen, die wir mit der Versuchsschule verbunden haben, bildet die Beschäftigung mit der Holzarbeit neben der Beschäftigung mit weiblichen Handarbeiten, die von der dritten Klasse ab nur mehr für die Mädchen bestimmt ist, die wichtigste. Ich habe mich für die Holzarbeit unter Ausschaltung von Papp- und Metallarbeiten aus einer Reihe von Erwägungen entschieden, die ich in Kap. IV und V des näheren ausgeführt habe. Die wichtigsten dieser Erwägungen sind: a) die mannigfache Verwendbarkeit der so erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht bloß im späteren Leben, sondern auch im [165] Dienst des Volksschulunterrichtes in Rechnen, Zeichnen und Physik; b) die Möglichkeit, die Arbeitsprozesse von Anfang an mit größter Genauigkeit ausführbar zu machen, so daß der Schüler jederzeit Selbstkontrolle über das Gelingen seines Werkes hat; c) damit verbunden die weitere Möglichkeit, in einer Fülle ganz stetig aufeinanderfolgender, immer schwieriger werdender Aufgaben die Gewohnheiten der Genauigkeit, Sorgfalt, Gründlichkeit und Ausdauer zu steigern; d) die leichte und vielseitige Behandlungsmöglichkeit, sowie die Billigkeit des Materials; e) das natürliche, von allen Knaben und – wie wir nun auch durch unsere Versuche erfahren haben – von allen Mädchen in ganz hervorragendem Maße geteilte Interesse an der Holzbearbeitung und den Arbeitsprodukten, die sich aus dieser Beschäftigung ergeben. Schon die Schüler der ersten Klasse ziehen nach unserer Erfahrung den Unterricht in der Holzbearbeitungswerkstätte allem übrigen Unterricht vor, obwohl wir vom ersten Tage an dem Kinde bestimmte Aufgaben nach vorgelegten Mustern stellen und vom ersten Tage an den größten Nachdruck auf durchwegs sorgfältige Arbeit legen.

Die Voraussetzungen für das Gelingen dieses [166] Unterrichtes sind: ein technisch vollkommen durchgebildeter Lehrer, weise Auswahl der Arbeitsprozesse, welche das Kind sorgfältig auszuführen imstande ist, ein besonderer Arbeitsraum mit entsprechenden, dem Alter der Kinder angepaßten Einrichtungen und eine zweckmäßige Vorbereitung des vom Schüler zu behandelnden Materials, damit diesem keine Arbeitsprozesse zugemutet werden müssen, die über die physischen und geistigen Kräfte des Kindes hinausgehen. In den ersten und zweiten Klassen zeigt sich hierbei, daß für das Gelingen der Arbeit unbedingt für jedes Kind ein eigenes Modell nötig ist. Vom dritten Schuljahre ab benötigt das Kind das Modell meist nur als Anschauungsmittel; im übrigen arbeitet es mehr nach Maßangaben, womit für dieses Schuljahr zugleich ein höchst fruchtbares Arbeitsfeld für praktische Rechenübungen gegeben ist, das die Lust zum Rechnen und damit die Fähigkeit zum Rechnen in einer unerwarteten Weise steigert.

Knaben wie Mädchen zeigen für die einfachen Aufgaben der Holzbearbeitung die gleiche Begeisterung; doch stellt sich immer deutlicher die bessere Begabung der Knaben hierzu heraus, sobald es sich um die Auffassung von Konstruktionselementen [167] handelt. Nach den Mitteilungen des Fachlehrers beginnen viele Kinder bereits im ersten Schuljahre die Anregungen der Werkstätte auch in freiwillige häusliche Arbeiten umzusetzen. Die Zahl steigert sich mit jedem Schuljahre, und um die Weihnachtszeit kommen Eltern um Eltern, beim Fachlehrer geeignete Werkzeuge für die häuslichen Arbeiten zu bestellen. Vom dritten Schuljahre ab bringen die Kinder regelmäßig freiwillige Arbeiten mit in die Schule. Sie sind meist gut in der Auffassung, mangelhaft in der Konstruktion. Das letztere ist selbstverständlich. Gerade der Sinn für richtige Konstruktion muß erst in langjähriger Arbeit entwickelt werden. Auch haben die Kinder zu Hause das so gut vorbereitete, passende Material der Schule nicht zur Verfügung. Sie müssen sich ihre Holzstücke ohne Erfahrung erst zurechtrichten. Aber hierbei fehlt vor allem ein Werkzeug, der Hobel, an dessen Einführung wegen der physischen Kraft, die er beansprucht, nicht vor dem Beginn der sechsten Klasse gedacht werden kann. Vielleicht daß man später daran denken kann, Hobel mit sehr schmalen Hobeleisen etwa schon im fünften Schuljahre zu verwenden.

Zur Arbeitsgemeinschaft bieten die Übungen [168] mannigfache Gelegenheit. Viele Objekte können nur in Arbeitsgemeinschaft hergestellt werden; ja die Einfachheit der einzelnen Übungen drängt geradezu dazu, gemeinsame Arbeitsobjekte von Zeit zu Zeit einzuschalten, weil nur ein wirkliches Objekt imstande ist, immer und immer wieder das Interesse des Kindes zu fesseln und ihm so über die Schwierigkeit und Monotonie der einzelnen Übungen hinwegzuhelfen. Es zeigte sich, daß die Arbeitsfreude am stärksten sich einstellte, wenn ein gemeinsamer Zweck die Kinder in ihrer Arbeit zusammenführte.

Der Umstand, daß für jeden Schüler das Material der Aufgabe gemäß erst vorbereitet werden muß, hat es natürlich mit sich gebracht, daß für den Fachlehrer für jede Unterrichtsstunde unbedingt eine Vorbereitungsstunde notwendig wird, namentlich solange er auch noch die Modelle für alle einzelnen Kinder anzufertigen hat. Fällt dies weg, so wird sich die Vorbereitungszeit pro Unterrichtsstunde auf eine halbe Stunde reduzieren lassen. Aus den nachfolgenden Verzeichnissen der Werkzeuge lassen sich sofort die von den Kindern des ersten bis vierten Schuljahres auszuführenden Arbeitsprozesse erkennen. Dabei bemerke ich, daß das Sägen sich nur auf Trennung [169] von Stäben und schmalen, höchstens 5 cm breiten Brettchen beschränkt. Lange Sägestriche exakt mit freier Hand auszuführen, kann von Kindern der ersten vier Schuljahre noch nicht gefordert werden. Alle Sägeübungen bedürfen der Führung durch die Gehrungsschneidlade, damit sie allen Ansprüchen auf Genauigkeit in diesem Alter genügen.

Die Werkzeuge für jeden Schüler, die gemäß der Stärke einer Abteilung 25 mal beschafft wurden, waren folgende:

1 Parallelschraubstock aus Eisen M 2,—
1 Gehrungsschneidlade mit Anschlag " –,75
1 Einstreichsäge mit Messingrücken " –,70
1 kleine halbrunde Raspel " –,50
1 kleine halbrunde Schlichtfeile " –,50
1 kleine rechteckige Schlichtfeile " –,45
1 Hammer (100 g) " –,60
1 kleine Beißzange Nr. 8 " –,45
1 kleine Flachzange " –,70
1 kleiner Nagelbohrer " –,15
1 prismatischer Maßstab (30 cm) " –,50
1 Bleistift " –,05
Summa: M 7,35

Die Ausgaben für die Gesamtausrüstung für 25 Schüler betrugen Mk. 183,75. Dazu kommen zum allgemeinen Gebrauche:

12 Stück Schraubenzwingen aus Eisen,
6 " kleine Bohrer, [170]
1 " Trillbohrer,
2 " amerikanische Schneckenbohrer.

An Materialausgaben fielen an:

für die
erste Klasse

für die
zweite Klasse

Für Holz

M

41,54

M

57,87

Für Stifte und Schrauben

"

2,60

"

2,72

Für sonstige Materialien (Leim, Spiritus, Beize, Papier usw.)

"

5,55

"

7,10

M

49,69

M

67,69

d. h. im ersten Jahre wurde pro Kind 1 Mk. und im zweiten Jahre pro Kind 1 Mk. 40 Pfg. an Materialausgaben nötig.

Einen Überblick über die einzelnen Übungen der ersten Versuchsjahre und die von ihnen in Anspruch genommene Zeit gibt das folgende Verzeichnis. Dazu möchte ich nur bemerken, daß einzelne dieser Arbeiten zu umfangreich angelegt waren. Andere Arbeiten machten zu vielerlei von vornherein geformtes Arbeitsmaterial nötig. Wieder andere Arbeiten waren zu früh eingestellt. Vielfach auch wurde die Auswahl erschwert dadurch, daß schon von Anfang an eine enge Verbindung mit dem Anschauungsunterricht gefordert wurde. Alle diese Mängel waren uns klar bewußt, und wir sind bemüht, sie abzustellen. Vor allem müssen die Arbeiten so aufgestellt werden, [171] daß sie mit einem Minimum von Normalien auskommen, d. h. mit möglichst wenig vorgearbeitetem Holzmaterial. Denn je mannigfaltiger die Normalien sind, desto mehr Vorbereitungsstunden fallen für den Fachlehrer an und desto mehr wachsen dann die Ausgaben.

Arbeiten der ersten Klasse. 1. Absägen von 10-15 kleinen Würfeln von einem 10 mm starken Vierkantstab in Fichtenholz. (2 Std.)

2. Desgleichen von einem 15 mm starken Vierkantstab, wobei auch die Hirnholzkanten mit der Feile gebrochen werden mußten. (2 Std.)

3. Nagelstab 200×18×7 mm aus Erlenholz, in den abwechselnd 10 Stück Pariser- und 4 Stück Messingnägel eingeschlagen wurden. (4 Std.)

4. Zählmaschine für 20 Kugeln, 26 cm lang, 14 cm hoch aus Buchen- und Fichtenstäben von 10 qmm (mit drehbaren, quergestellten Füßen von 20 qmm). (18 Std.) Diese Arbeit wurde in späteren Jahren nicht mehr ausgeführt:

An ihre Stelle trat:

5. Das Rechenstäbchen. Länge 20 cm. Einteilung in 20 gleiche Teile. (2 Std.)

6. Turnstab von 80 cm durch Absägen eines Rundstabes von 20 mm Stärke. Abrunden an beiden [172] Enden, schleifen und mit Politur einlassen. (4 Std.)

7. Leiter von 28 cm Länge, 7 cm Breite, mit 2 Schwingen und 6 Sprossen, die auf die Holme aufgenagelt wurden. (8 Std.)

8. Brückenwagen von 171 cm Länge, 80 cm Breite, 6,5 cm Höhe, Bodenbrettchen und Radscheiben vom Lehrer hergestellt. (12 Std.) Wurde in späteren Jahren weggelassen.

9. Schlitten 100×70×30 mm. Die vier Schwingen wurden auf die Kufen genagelt. (4 Std.)

10. Rechenbaukasten mit 32 Bausteinen (siehe Figur Taf. 1). Die Kästchen, dessen Brettchen vom Lehrer hergestellt sind, wurden von den Kindern zusammengenagelt. (14 Std.)

11. Reißschiene, Zunge aus Fichtenholz, 24 cm lang, Anschlag aus Buchenholz 8 cm lang. (3 Std.)

12. Gartenzaun um ein vom Lehrer hergestelltes Blumenkistchen. Je sechs Schüler arbeiten an einem Zaun. Zaungröße 50 cm im Geviert. (8 Std.)

13. Blumenstäbe dazu. (2 Std.)

Arbeiten der zweiten Klasse, 1. Holzhaus in Arbeitsgemeinschaft. Jede Abteilung von [173] 24 Kindern baut zusammen ein Haus. (24 Std.) Diese Arbeit wurde in späteren Jahren weggelassen. An ihre Stelle traten Aufgabe 2, 3 und 4.

2. Lineal von 50 cm Länge mit Dezimeter- und Zentimeterteilung. (6 Std.)

3. Mörteltruhe zum Tragen mit vier Handhaben, 30×17×3 cm. (8 Std.)

4. Sandwurfgitter. Rahmen 17×15 cm mit Überplattung. Siebgitter geliefert. (8 Std.)

5. Uhrzifferblatt, 17×11 cm. Jeder Schüler fertigt ein Zifferblatt mit Stunden- und Halbstundenteilung. Triebräder für Stunden- und Minutenzeiger geliefert. Arbeitszeit für die vereinfachte Form 8 Stunden.

6. Nudelbrett, 25×17 cm. Bretter vom Lehrer hergerichtet. Die Schüler fertigen die Anschlagleisten und besorgen die Verbindung durch Aufnageln. (4 Std.)

7. Walker dazu aus 35 mm starkem Buchenstab. Walker vom Lehrer gebohrt. Ebenso Griffe. (4 Std.)

8. Hocker mit geflochtenem Sitzrahmen; Höhe 21,5 cm. Sitzfläche 20×20 cm. (8 Std.)

9. Plättchen zum Damspiel. Vom Buchenstab gesägt. Geraspelt, poliert, gebeizt. (4 Std.)

10. Waschkreuz (siehe Figur Tafel II) aus [174] 25 mm starkem Vierkantstab. Kreuzbalken 20 cm lang, Fußhöhe 10 cm. Balkenstumpf auf die Füße genagelt. (6 Std.)

11. Holzsteg 50×15×5 cm. (8 Std.)

Alle Modelle sind in sorgfältiger Arbeit von Gewerbelehrer Hans Rohrer durchgedacht und entworfen. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, jedes Modell 1. den ästhetischen Anforderungen genügen zu lassen; 2. in solche einfache Teile zu zerlegen bzw. so zu konstruieren, daß die Teile sich aus möglichst wenigen und möglichst einfachen Normalien herstellen lassen; 3. möglichst wenig von den im Handwerk gebilligten Holzverbindungen dabei abzuweichen.

Man wird gemerkt haben, daß aus diesen Arbeitsprogrammen die sogenannte freischaffende Phantasie der Kinder ausgeschlossen ist. Das hat auch schon manchen Tadel eingetragen. Ich bin aber der unwandelbaren Anschauung, daß die Schule in allen Fragen des sogenannten produktiven Schaffens zunächst die Pflicht hat, in den Kindern in erster Linie jene mechanischen Fertigkeiten zu entwickeln und sie mit jenen konstruktiven Elementen vertraut zu machen, die jedes produktive Schaffen aus eigener Erfindung heraus davor behüten, in grausamen [175] Dilettantismus auszuarten. Daß dabei, indem das Kind zunächst auf Nachahmung und Vorschrift angewiesen ist, die Arbeitsfreude nicht nur nicht zu verkümmern braucht, sondern im Gegenteil von Jahr zu Jahr auf das lebhafteste wachsen kann, das hat uns heute schon unser vierjähriger Versuch auch auf dem Gebiete der Holzarbeit mit unwiderleglicher Deutlichkeit gezeigt.

h) Weibliche Handarbeit. Die Mädchen der zweiten Klasse nahmen nicht nur am Unterricht in der Holzbearbeitung teil (wie bereits erwähnt), sondern erhielten außerdem auch Unterricht in weiblichen Handarbeiten, und zwar im Stricken, Nähen und Sticken. Angefertigt wurde: 1. ein Topflappen (Stricken mit zwei Nadeln), 2. ein Waschhandschuh (Stricken mit fünf Nadeln), 3. ein Nadelkissen aus Stoffstramin, 4. Fahnen in den Farben Münchens und Bayerns, die zu Reigenspielen im Turnunterricht verwendet wurden.

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