Der Yoga-Schlaf.

Die zu allen Zeiten und bei allen Völkern, ehedem noch allgemeiner als gegenwärtig verbreitete Meinung, dass der Mensch nicht Herr seiner unwillkürlichen Muskeln werden und sein könne, gewährte einzelnen, besonders veranlagten und listigen Individuen die Möglichkeit, als Vermittler der Geisterwelt, als Propheten und Zauberer nämlich, die Einfalt der Mitlebenden auszubeuten. Die Frage, ob ein Mensch auch die quergestreiften Herzmuskeln, die in der Regel der Willkür des Individuums nicht unterstehen, durch seinen freien Willen in ihrer Tätigkeit zeitweilig einstellen, d. h. ob er einen totähnlichen Zustand bei sich herbeiführen kann, muss als Ausnahmeerscheinung wissenschaftlich bekräftigt werden. Man hat zuzugeben, dass man im engeren Sinne des Wortes bei manchen Menschen eine derartige allgemeine oder nur auf Muskelbündel beschränkte Machtübung beobachtet, die die Meinung von einer Unwillkürlichkeit vollkommen widerlegt. Anlage und Schulung bringen es hierin zu einer Bewunderung erweckenden Kunst, und mit dem Wunder geht auch der Wunderglaube Hand in Hand, und gerade aus solchen Wundererscheinungen schöpfen die Volkreligionen vielfach die Kraft über die Gemüter ihrer Gläubigen.

Die moderne Ethnologie und mit ihr auch die junge Disziplin, die sich unter dem vielverheissenden Titel einer Religionwissenschaft einführt, leidet nur zu sehr an der unbegründeten Annahme, dass man gewisse Erscheinungen nur bei den sogenannten primitiven aussereuropäischen Völkern erheben könne. Die Volkkunde, als die Detailforschung der Völkerkunde, erfüllt damit einen hohen Zweck, wenn sie Schritt für Schritt den Nachweis erbringt, wie haltlos die Herstellung der Grenzen zwischen Kultur- und Unkulturvölkern nach üblicher Rassen- und Gruppeneinteilung sei. Es gibt Abstufungen in der Bildung und Bildungfähigkeit unter Individuen, es gibt an Bildung und Besitz reichere und ärmere Menschengruppen oder Völker, aber die Menschen als Menschen bleiben sich auf der ganzen Oikumene gleich. Das ist ein Gesetz, das in Sitte, Brauch und Glauben der Menschheit überall nachweisbar ist. Einen Beitrag hiezu soll auch diese Betrachtung über den Yoga-Schlaf liefern.

Ich hatte einen Jugendgespielen — er war lange Zeit königlich chrowotischer Oberförster — der zwar in der Schule das Muster eines Stierkopfes war, aber bei alledem die Begeisterung und zum Teil den Neid seiner Mitschüler durch eine eigene Kunst hervorrief: er war Herr seiner Ohrenmuskeln. Er konnte die Ohren bewegen trotz einem grauen Gauch oder einem von Stechfliegen geplagten Ross. Durch sein Ohrenspiel deutete er seine Empfindungen an. Wir rufen jemand mit einwärts gekrümmtem Zeigefinger herbei, er besorgt dies mit Ohrenwackeln. Einer meiner Freunde in Slavonien — er ist praktischer Arzt — gebietet über seine Augenmuskeln derart, dass er nach Belieben zu jeder Zeit auf alle denkbare Weise zu schielen und dadurch seinen Gesichtausdruck merkwürdig zu verändern vermag. In den sechziger Jahren hielten sich zu Požega in Slavonien abwechselnd im Kriminal zwei Bauern auf, die Virtuosen in der Beherrschung ihrer Darmmuskeln waren. Als siebenjähriger Knabe hatte ich das Vergnügen als Gratisblitzer der Vorstellung des einen von ihnen beizuwohnen1.

Einer meiner Mitschüler namens Pero Agjić, ein Bauernsohn aus dem Dörfchen Mihaljevci (er war nachmals katholischer Pfarrer zu Svisveti), legte einen Stolz darein, bei allen schauerlichen Misshandlungen, denen ihn unser chrowotische »Lehrer«, ihn, wie jeden anderen Armerleutesohn zu unterziehen pflegte, keinen Schmerzlaut auszustossen. Er sagte nach der Marter gewöhnlich zu uns: »Dieser verfluchte Galgenstrick kann mich töten, aber ich ergebe mich ihm nicht!«, d. h. er wollte ihm die Freude am Gewinsel und Geheul nicht bereiten. Mein »Perica« ist für seinen »Heroismus« ebenso sehr oder wenig anzustaunen, wie die Kitchi-Gami-Jungen, von denen J. G. Kohl berichtet2, oder die anderen Indianer, deren Brinton gedenkt. Der Unterschied besteht nur darin, dass die Indianer aus religiösen Motiven eine Schmerzunempfindlichkeit heucheln.

Grosse, fast an Verehrung streifende Bewunderung erregen in Europa Leute, die über ihre Muskel, genannt Magen, scheinbar unumschränkt gebieten, d. h. lange Zeit der Nahrungzufuhr entraten können. Man übersieht dabei gänzlich, dass diese Kunst einem ansehnlichen Bruchteil der Menschheit, in den ältesten Zeiten unbedingt mehr als heutzutage, von der lieben Not aufgezwungen ward und man sie gewohnheitmässig ausüben musste. Unter den »Wilden« vermögen daher nur die tüchtigsten Hungerkünstler zu Bedeutung und in den Geruch der Heiligkeit zu gelangen. Die Herren Tanner, Succi, Merlatti und tutti quanti würden sich wahrscheinlich unter James Mooney’s Indianern oder unter den indischen Fakiren, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, auch noch in den Dienst des Geisterglaubens stellen und zugleich eine andere Seite ihrer Begabung ausbilden müssen, vor allem nämlich auch die Muskel Herz bezwingen lernen. Sie müssten sich auch in den Yoga-Schlaf versetzen können.

Diese, schon etwas kompliziertere Kunst hat mit dem Mesmerismus, Somnambulismus, Spiritismus, der Autosuggestion u. drgl. unmittelbar gar nichts zu schaffen. Hier in Wien steigt eine 43jährige, nach Vradiš in Oberungarn zuständige, arme Frau H. F. herum (ihren vollen Namen und ihre Adresse kann ich jederzeit bekannt geben3), die sich ohne weiteres tot zu stellen und über ihren Zustand erfahrene Spitalwärterinnen und alte Ärzte irrezuführen versteht. Ich kannte einen mit seinem Wägelchen und seiner Familie halb Ungarn brandschatzenden Landstreicher (sein Winterquartier hatte er jahrelang im Dorfe Jakšić im Požegaer Komitate), der sich damit durchbrachte, dass seine Gattin, nebenbei bemerkt, eine gut genährte, lebensfrohe Person, in jedem Orte plötzlich verstarb und für sie die Leichenkosten, sowie für die armen Waisen des untröstlichen Witwers Unterstützungen schleunig aufgebracht werden mussten.

Zur Budapester Milleniumausstellung (1895) verschrieben sich die Unternehmer, um in Oes-Budavár (Alt-Ofen) besondere Zugkräfte für die Gafflust zu besitzen, zwei Originalfakire aus Indien, damit die während der Ausstellungdauer als lebendige Tote öffentlich hungern und schlafen sollen. Im guten Glauben und Vertrauen, sich unter anständigen Menschen längere Zeit ausschlafen zu dürfen, legten sich die Inder auf die Bahren zur Ruhe hin. Indes machten sich einzelne Besucher den Jux, mit Nadeln die Schläfer zu stechen, mit Zangen zu kneipen und mit brennenden Streichhölzern zu kitzeln. Bei Tag ertrugen es die Fakire, doch betrachteten sie diese Behandlung als einen Vertragbruch und hielten sich demzufolge der Verpflichtung enthoben, unausgesetzt regunglos dahinzuliegen. Nachts erhoben sie sich, gaben ihrer Meinung über die europäische Höflichkeit Ausdruck und beschlossen, sich zumindest mit Speise und Trank regelmässig allnächtlich zu stärken. Man erwischte sie einmal dabei, und erklärte sie für Schwindler und Betrüger. Die Yogi waren über diese ihnen bis dahin ungewohnte Betitelung tief gekränkt und einer von ihnen, Bherma Sena Pratapa erhob in einem an die Neue freie Presse in Wien gerichteten Brief (veröffentlicht teilweise in der Nummer vom 8. August 1895) entschiedenen Einspruch gegen die Verunglimpfung und sagte ganz zutreffend und sachlich: »Der Yoga-Schlaf ist eine Wissenschaft, wie alle andern, die von Leuten, welche die nötige Begabung dafür haben, theoretisch und praktisch erlernt werden kann.«4

Hier ist nur der Ausdruck »Wissenschaft« volksprachlich im Sinne von einer vollendeten Fertigkeit aufzufassen und man muss dem Fakir beipflichten. Minder einwandfrei ist die daran geknüpfte Erörterung des Berichterstatters der Zeitung, der dem Inder, weil er sich wegen Wiederherstellung seiner Geschäftehre nach München an den dazumal daselbst tagenden Psychologenkongress wandte, unlautere Beweggründe unterstellt5. Der Kongress wies den Fakir ab, vielleicht aus Scheu vor dem Spotte der sogenannten Öffentlichkeit. Der Fakir hat wahrscheinlich von uns Europäern eine geringe Meinung gewonnen, aber ich will ihm nachträglich hier eine gewisse Ehrenrettung verschaffen, indem ich Beweise beibringe, dass seine Kunst auch bei uns in Europa ihre würdigen Vertreter in junger und in einer nicht zu lang entschwundenen Vergangenheit besass und dass man solcher Meister wegen bedeutender Leistungen noch immer gerne gedenkt.

So erwerbtüchtig, wie der indische Yoga, ist auch unser serbische Landmann, nur stört ihn im Fortkommen eine der Kunstübung abholde Behörde. Im Jahre 1845 gleich in den ersten Monaten tauchte im Dorfe Bare (Sümpfe) im Požarevacer Bezirke der Prophet (prorok) Milija Krajinac auf, der aus dem Dorfe Popovica in der Krajina gebürtig war6. Durch seine unbeugsame Selbstbeherrschung riss er das leichtgläubige Volk mit sich und gab damit der Regierungbehörde zu schaffen. Schliesslich wurde er zum Gegenstand eines ausführlichen Berichtes, den der damalige Minister für innere Angelegenheiten dem Fürsten (unterm 15. Sept. 1845, Geschäftzahl 1628) überreichte.

Milija pflegte sich in eine Verzückung (zanos) zu versetzen und in diesem Zustande 5 bis 6, 8, 12, ja bis zu 17 Tagen zu verharren. Während dieser Zeit enthielt er sich sowohl der Speise als des Trankes, als auch jeder sonstigen Befriedigung eines leiblichen Bedürfnisses. Der im Archiv des königl. serbischen Ministeriums für innere Angelegenheiten sub »G. Z. 483 ex 1845« erliegende Befundbericht des Dr. A. Medović über das Verhalten Milija’s während seines Verzückungzustandes, über die an seinem Leibe beobachteten Erscheinungen und über die Peinigungen, die er ertragen, ohne mit der Wimper zu zucken, ist darum für uns äusserst belangreich, weil er nomine mutato ebenso von einem Fakir handeln könnte. Als Milija einmal in »Trans« lag, brachte man ihn ins Bezirkamt, legte ihn in einer Stube auf ein Leilach, und da blieb er volle sechs Tage lang liegen. Im Laufe dieser Zeit steckte man ihm unter die Nase die kräftigsten Riechstoffe, sie erweckten ihn nicht; man heftete ihm Senfpflaster an, er blieb unempfindlich; man riss ihm einzeln die Haare aus der heikelsten Leibgegend aus, er muckste sich nicht; man strich ihm auf die Fusssohlen dreissig Rutenhiebe auf, er zuckte nicht; man legte ihm brennende Glutkohlen auf den Leib, er liess sie auf seiner Haut ruhig verglimmen, ohne zu zeigen, dass es ihn juckt. Schliesslich goss man ihm mit Gewalt ein Brech- und Abführmittel in den Mund, und als es ihn zu quälen anfing, bat er letzlich um einen Trunk Wasser. Man holte wohl Wasser, verweigerte ihm jedoch die Labung, bis er nicht die Wahrheit über sich aussage. Da endlich bequemte er sich zum Geständnis, dass er sich immer bloss verstellt (pretvarao) habe, um vom gemeinen Volke ein paar Paras herauszulocken. Hunger und Durst habe er allmählich zu ertragen gelernt, erzählte er, so dass er zu guterletzt 24–30 Tage sein konnte, ohne das Geringste zu geniessen, ebenso habe er sich gewöhnt, den Stuhlgang zurückzuhalten, bis seine Natur an diese Qual angepasst war; und bezüglich der ihm mit den Glutkohlen zugefügten Schmerzen sagte er: »Ihr mögt mir das Fleisch vom lebendigen Leib stückweise abhacken, ich zucke dabei nicht einmal mit der Wimper; so sehr kann ich Schmerzen ertragen.«

Ein weibliches Seitenstück zu Milija, eine Chrowotin, lernte ich persönlich kennen. Am ersten Sonntag des Monats August 1877 sagte der Leibelschneider Mika Gavrić in Pleternica zu mir: »Komm mit mir ins Gebirge nach Zagragje. Dort ist eine neue Vračara (Zauberin) erstanden, die den Leuten alles bis aufs Haar richtig voraussagt.« Wir gingen über Ferkljevci und Kadanovci einen Querpfad und langten erst in drei Stunden an. Es war eine Witwe, deren Eidam zu ihr ins Haus eingeheiratet hatte. Ihr Wohnhaus bestand aus zwei Stuben, die durch einen Küchenraum voneinander geschieden waren. In der grösseren Stube lag die Bäuerin auf einem hohen, städtischen Bette ausgestreckt. An den Zimmerbalken hingen mehrere geräucherte Schweineschinken, eine mächtige Speckseite, an Stangen eine Menge gestickter Handtücher und auf einem Tischgestelle befanden sich drei grössere, aus Stroh gewundene Brotkörbe (Simperl), der eine mit Kreuzern, der andere mit Silbersechserln und der dritte mit grösseren Silbermünzen gefüllt; lauter Weihegaben frommer Besucher. Die Luft in dem Raume war unglaublich schlecht. Die Bäuerin selber sah sehr angegriffen aus. Sie mochte damals fünfzig Jahre zählen. Zufällig war sie zur Zeit nicht im Dauerschlafe befangen. Sie phantasierte den Leuten auf gestellte Fragen allerlei wirres Zeug zur Antwort vor. Als sie mich erblickte, befahl sie den Besuchern hinaus zu gehen und mich mit ihr allein zu lassen. »Ei, mein lieber Frica«, sagte sie »erweist auch du mir die Liebe eines Besuches! Schau, so arm war ich, dass ich hungern und weinen musste und die letzte im Dorfe war. Jetzt hat mir der liebe Gott und die hl. Mutter Gottes so schön geholfen, dass ich für mein Hungern und Schlafen Liebegaben im Überfluss bekomme. Mach dich vor deinen Eltern über mich nicht lustig. Nimm dir von den Geschenken, welches dir behagt und rühme mich vor den Leuten!« Um sie nicht zu beleidigen, nahm ich ein Handtuch und sagte dann draussen zu den Besuchern: »Wahrhaftig, sie hat mir die lautere Wahrheit mitgeteilt!« (Ein Bericht über diesen Besuch war meine erste literarische Arbeit, die ich deutsch verfasste, nur lehnten ihn die Zeitungen als »nichtaktuell« ab.)

Die Gläubigen werden von meinen Nachrichten kaum erbaut sein, vielmehr mich für einen Spötter betrachten; denn ihnen ist der Glaube an die dämonische Macht solcher Individuen eine Herzenbedürfnis und sie sind auch mit der Erklärung bei der Hand, das Medium habe nur infolge des sozialen Druckes seine wahrhafte Mediumschaft in Abrede gestellt. Rationalistische Köpfe helfen sich ihrerseits mit dem Schlagworte: hysterische Zustände und Erscheinungen aus, und damit ist für sie die Sache abgetan. Wie aber, wenn es Menschen gibt, die die Kunst des Sichtotstellens trotz jedem Fakir verstehen und dabei weder eine Spur von Hysterie besitzen, noch im allerentferntesten je aus ihrer Fertigkeit ein Glaubengeschäft auf Kosten der Verstandschwäche ihrer Nebenmenschen betreiben? Hoch erhaben über eine derartige Zumutung stand Radovan, der herrliche Junker, Sohn Ritter Georgs und Schwestersohn des venezischen Provveditore von Zengg Elias Smiljanić da, der in der Vollkraft seiner Jünglingjahre bei strotzender Gesundheit den Todschlaf heucheln konnte. Er machte aus seiner Kunst kein Hehl und erwarb als Simulant einen gewissen Ruf, so dass man ihm den Tod auch dann nicht mehr glaubte, als einmal vom Glauben daran sein Leben abhing.

Radovan lebte vor beiläufig 260 Jahren. Er war eine ebenso historische Persönlichkeit, wie irgend jemand seiner Zeitgenossen. In der Überlieferung der Serben führt er die Namen Rade mali (R. der Kleine, wegen seiner Gestalt), uskok Rade (der Überläufer R., weil er sich zu den Moslimen geschlagen), Rade konjokradica (R. der Pferdedieb, weil er in Dalmatien Pferde zu stehlen und sie in Bosnien zu verkaufen pflegte. Mustapha Schmerbauch’s von Kladuša berühmter Schimmel stammt auch aus Rade’s Rennstall) und Kaica (aus Missverständnis daraus Kaić): Stirnschmuck. Rade war als Kind sehr schön, und weil seiner Mutter vor Beschreiung und bösem Blick bangte, wand sie ihm als kluge Frau um die Stirne ein Bändchen mit phallischen Amuleten. Darnach bekam er den Übernamen.

Rade ist mehr noch bei den Moslimen als bei den Christen wegen seiner an edlen Heldengestalten beliebten Eigenschaften: der Mordlust, Verlogenheit, Tücke und Gaunerei, hochberühmt7. Das nachfolgende Lied, das von ihm handelt, war ursprünglich moslimisch, gefiel aber auch Christen, die es sich zurechtlegten, doch nicht so geschickt, dass die Entlehnung nicht auffällig bliebe.

Das Lied sang mir am 13. Oktober 1885 mein Guslar Milovan Ilija Crljić Martinović, dessen ich schon wiederholt gedacht habe. Er erlernte es um das Jahr 1855 von seinem Mutterbruder Marijan aus Dolnji Rgovi.

Ašikova Kaić Radovane Ein Buhle traut war Kaić Radovane
sa Ljepunom kaurina bana, zu Euphemie, zum Kafir-Grafenfräulein;
ašikova godinicu dana; ein lieblich Jahr an Tagen pflag er Buhlschaft,
nitko njega potpazit ne može. und keiner ihn dabei gewahren konnte.
5 Potpazi ga kaurine bane, Dennoch der Kafir-Burggraf ihn gewahrte
postavio pê stotin katana; und stellte auf fünfhundert reisige Mannen;
čekaju ga ot sunca do sunca. die harren sein von Sonne bis zur Sonne.
Sunce prijgje a mljesec izijgje, Zur Rüste ging die Sonn’ und auf der Mond,
al eto ti Kaić Radovana. ei sieh, da naht dir Kaić Radovane;
10 On Jefune na pendžeru viknu: er ruft ans Fenster Euphemie herbei:
— Janje moje, otvori mi vrata! — O Lämmchen mein, eröffne mir das Pförtchen!
— A moj Rade, da mi te ne bilo! — Ach Rade mein, o wärst du nicht erschaffen!
Ašikuješ godinicu dana, Ein lieblich Jahr an Tagen pflagst du Buhlschaft,
nitko tebe potpazit ne može und keiner konnte dich dabei gewahren;
15 a moj te je babo potpazio, doch hat dennoch mein Vater dich gewahrt
postavio pê stotin katana, und aufgestellt fünfhundert reisige Mannen,
čekaju te ot sunca do sunca; die harren dein von Sonne bis zur Sonne;
oćeš noćas izgubiti glavu! du wirst dein Haupt zu Nachten heut verlieren.
— Janje moje, otvori mi vrata! — O Lämmchen mein, eröffne mir das Pförtchen!
20 noć prolazi, ne ašikujemo, Die Nacht entweicht, wir kommen ums Gekose;
pa nek igju banove katane! Von mir aus mögen nahn des Burgherrn Reisige!
Skoči cura, otvori mi vrata! Aufsprang das Fräulein, schloss ihm auf das Pförtchen.
Kada tamo blizu zori bilo Als dann herum es war ums Morgengrauen,
pojgje Rado iz bijela dvora. aufbrach vom weissen Burggehöfte Rade.
25 Dočekaše banove katane, Des Grafen reisige Mannen ihn empfingen,
okoliše Kaić Radovana, umringten Junker Kaić Radovane,
okoliše pa ga ujitiše. umringten ihn und nahmen ihn gefangen.
Dokle Radi ruke savezaše, Bis sie die Hände Raden festgebunden,
četverici prilomio ruke, vier Mannen er entzwei die Hände brach,
30 petericu rukam udavio, erwürgte noch mit blosser Hand fünf andre
sedmerici oči izvadio. und riss heraus die Augen sieben Kämpen.
Dadoše ga svome gospodaru Ihrem Gebieter sie ihn übergaben.
a bane ga u tavnicu baci. In das Verliess hinab ihn warf der Burggraf;
U tavnici tridese sužanja, in dem Verliesse dreissig Mann Gefangener,
35 što sužnjuju deve godin dana. die neun der Jahre schon gefangen schmachten.
Kad zapade Rade u tavnicu, Als Rade ins Verliess hinab verfiel,
stade Rade mislit i primišljat, zu sinnen hub er an und nachzusinnen,
ne bi li se kako izbavio. ob irgendwie er sich erlösen könnte.
Pa sve misli, dok na jednu smisli Er sinnt und sinnt und fasst auf eins den Sinn —
40 pâ priminu u tavnici Rade. und Junker Rade im Verliess verstarb;
Ni se miče, nit on dušom diše; er rührt sich nicht, nicht atmet seine Seele;
mrtav leži za tri bila dana. so liegt er tot drei weisse Tage lang.
Zacvililo tridese sužanja: Aufjammerten die dreissig Mann Gefangenen:
— Aman bane mili gospodare! — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter!
45 ja nas miči, ja nas priprodaji, Gib weg uns oder weiter uns verkaufe,
ja nam jamljaj sužnja is tamnice! wo nicht befrei vom Häftling das Verliess!
Evo ima tri bijela dana, Drei weisse Tage sind annun verflogen,
priminuo Rade u tamnici! dass Rade im Verliess sein Leben liess.
Bane pojgje da izbaci Rade, Der Burggraf ging, hinauszuwerfen Raden,
50 da ga nose u debela luga, auf dass man in den dicken Hain ihn trage,
nek ga jedu tice gavranovi. dahin zur Äsung für die Rabenvögel,
A banica na zlo naskočila: jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes:
— Aman bane mili gospodare! — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter!
bjela brado, budalasta glavo! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt,
55 ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! dem toten Rade nicht einmal du traue!
Već izbaci is tavnice Radu Erst wirf heraus aus dem Verliesse Raden
pa mu loži vatru na prsašcu. und mach ihm auf dem Busen an ein Feuer;
Ako bude u životu Rade wofern in Raden Leben weilen sollte,
on će svoje oči rasklopiti, aufschlagen wird er sicherlich die Augen,
60 ne će dati tilo napatiti. anheim nicht geben seinen Leib den Qualen!
Ban mu loži vatru na prsašcu. Anfacht der Burggraf auf der Brust ihm Feuer.
Opet Rade dobar junak bješe, Doch Rade war bewährt als wackerer Wehrmann,
ne tje Rade oka rasklopiti. aufschliessen mochte Rade nicht die Lider.
Tjede bane da izbaci Rade, Hinaus der Burggraf wollte Raden werfen,
65 da ga nose u debela luga, dass in den dicken Hain man fort ihn schaffe,
da ga jedu tice gavranovi. dahin zur Äsung für die Rabenvögel,
A banica na zlo naskočila: jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes:
— Aman bane mili gospodare! — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter!
bjela brado, budalasta glavo! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt,
70 ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! dem toten Rade nicht einmal du traue!
Već dovedi dva kovača mlada, Führ lieber her zwei junge Eisenschmiede,
nek donesu po šaku klinaca, herbring’ ein jeder eine handvoll Nägel,
nek zagone Radi pod noktašca. sie sollen sie ins Nagelfleisch ihm rammen.
Ako bude u životu Rade Wofern in Raden Leben weilen sollte,
75 on će svoje oči rasklopiti, aufschlagen wird er sicherlich die Augen,
ne će dati tila napatiti. anheim nicht geben seinen Leib den Qualen.
Ban dovede dva kovača mlada, Der Burggraf führt herbei zwei junge Schmiede,
donesoše po šaku klinaca die brachten her je eine handvoll Nägel
pa zagone Radi pod noktašca. und rammten Raden sie ins Nagelfleisch.
80 Opet Rade dobar junak bješe Doch Rade war bewährt als wackerer Wehrmann,
pa ne tjede oka rasklopiti. aufschlagen mochte Rade nicht die Lider.
Pojgje bane da izbaci Rade Hinaus der Burggraf wollte Raden werfen,
a banica na zlo naskočila: jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes:
— Aman bane mili gospodare! — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter!
85 bjela brado, budalasta glavo! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt,
ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! dem toten Rade nicht einmal du traue!
Već izvedi trides djevojaka Heraus du führe lieber dreissig Jungfraun,
i izvedi našu Ljefijanu, und führ auch unsre Euphemie heraus;
neka kolo oko njega ujte, im Reigen mögen sie um ihn sich fangen,
90 kolo vode a pjesne izvode. im Reigenfang anstimmen Liedersang.
Nek djevojke gaće poskidaju, Die Mädchen mögen ab die Höschen legen,
priskakuju priko mrtva Rade; hinüber übern toten Rade hüpfen.
ako bude u životu Rade Wofern in Raden Leben weilen sollte,
on će svoje oči rasklopiti. aufschlagen wird er sicherlich die Augen.
95 Ban dovede trides djevojaka Herbei der Burggraf dreissig Jungfraun führte,
i izvede Ljefijanu mladu; Jung Euphemie dazu heraus er führte,
pa ujtiše kolo oko Rade, sie hingen ein um Raden sich zum Reigen,
kolo vode a pjesne izvode: im Reigenfang erklang ihr Liedgesang:
— A naš Rade, da bi te ne bilo! — O unser Rade, wärst nur nicht erschaffen!
100 šta si lego, mrtav se otego? was liegst gestreckt, als Toter ausgereckt?
A to Rade aje pa ne aje. Drauf Rade lost und lost auch nicht darauf;
Sve djevojke gaće poskidaše und all die Mädchen legten ab die Höschen,
a to Rade aje pa ne aje. doch Rade lost und lost auch nicht darauf;
Kat priskoči Ljefijana mlada nur wie Jung Euphemie hinüberhüpfte,
105 oba oka rasklopilo Rade. aufschloss es Raden alle beide Augen.
Od djevojak nitko ne vidio; Von all den Jungfraun keine wahr es nahm,
ona baci vezenu maramu sie warf zu Boden ihr gesticktes Tüchlein,
pa mu oba oka poklopila. und beide Augen sie ihm rasch bedeckte.
Ondar stade bjeśjediti banu: Alsdann zum Burgherrn hub sie an zu reden:
110 — A moj babo, da bi te ne bilo! — O Vater mein, o wärst du nicht erschaffen!
šta ti od nas sramotu učini! Mit was für Schande hast du uns geschändet!
Priko mrtva leša priskakasmo, wir hüpften übern toten Leib hinüber;
upade mi vezena marama. mir fiel zu Boden mein gesticktes Tüchlein,
Nek uzima, kome god je drago, aufheben mag’s, wem immer es gelüstet,
115 ja je uzet š njega mrtva ne ću! ich heb es nimmer auf von diesem Leichnam!
Pojgje bane da izbaci Rade, Dran ging der Burggraf, Raden fortzuschaffen,
da ga nose u debela luga, dass in den dicken Hain man fort ihn trage,
da ga jedu tice gavranovi. dahin zur Äsung für die Rabenvögel,
A banica na zlo naskočila: jedoch die Burgfrau plante lauter Schlimmes:
120 — Aman bane mili gospodare! — O Gnade, Burggraf, teuerster Gebieter!
bjela brado, budalasta glavo! Du weisser Bart, du Haupt voll Kindereinfalt,
ni mrtvu se ne vjeruj ti Radi! dem toten Rade nicht einmal du traue!
Već istjeraj čekrkli kočije, Jag du vielmehr heraus die Federkutsche,
u kočije ti ubaci Radu hinein du in die Kutsche schleudre Raden
125 pa pošalji dvije vjerne sluge, und dann betraue zwei getreue Knechte,
nek ga gone debelome moru, die mögen ihn zur dicken Meerflut fahren,
nek iśjeku Rade na komade, zerhacken sollen Raden sie zu Stücken
podijele po moru ribama! und Fischen ihn im Meer zum Frass verteilen!
Pa istjera čekrkli kočije, Er jagt heraus die Kutsche, die gefedert,
130 ubaciše u kočije Rade, hinein sie schmissen in die Kutsche Raden,
otjeraše banove ga sluge. von dannen fuhren ihn des Burgherrn Knechte.
Kada blizu moru dolazili, Als nahe sie ans Meer gekommen waren,
mregju sobom sluge beśjediše: untereinander sprachen so die Knechte:
— Ništa nije nama učinio, — Der hat ja uns zu Leide nichts getan!
135 šta ćemo ga śjeći na komade? was sollen wir zu Stücken ihn zerhacken?
Da čitava u more bacimo! Lasst uns den Ganzen schleudern in die Meerflut,
Pa ić ćemo i slagati banu, dann gehn wir hin und lügen an den Burgherrn,
da sm iśjekli Rade na komade dass wir zerhackt zu Stücken hätten Raden
i bacili u debelo more. und ihn ins dicke Meer hinausgeschleudert.
140 Pa čitava u more baciše Und warfen ihn, den Ganzen in die Meerflut
pâ odoše i slagaše banu, und zogen heim und logen an den Burgherrn,
da s iśjekli Rade na komade dass Raden sie zerhackt zu lauter Stücken

i bacili u debelo more.

*   *   *

und ihn ins dicke Meer hinausgeschleudert.

*   *   *

Radu dalga kraju izbacila Die Wogen Rade warfen ans Gestade,
145 pâ se Rade suva dofatio; und Rade so gewann die trocknen Pfade.
Rade leži kraj debela mora. Da lag nun Rade an dem dicken Meere;
Doletiše dva vrana gavrana, zwei schwarze Raben kamen bald geflogen
a da Radi oči iskopaju. um Raden hier die Augen auszugraben.
Al ga viknu posestrima vila: Doch rief ihn an sein Wahlgeschwister Vila:
150 — A moj Rade, da bi te ne bilo! — O Rade mein, o wärst du nicht erschaffen!
šta si lego, mrtav se otego? was liegst gestreckt, als Toter ausgereckt?
tebi tice oči izvadiše! schon bohren dir die Vögel aus die Augen!
— Vilo moja, moja posestrimo! — O Vila mein, o du mein Wahlgeschwister!
jes otišle baanove sluge? sind schon des Burgherrn Knechte abgezogen?
155 — Jes otišle i slagale banu, — Sie zogen heim und logen an den Burgherrn,
da s išjekle tebe na komade sie hätten dich zu Stücken wohl zerstückelt
i bacili po moru ribama! und auf das Meer zum Fischefrass geschmissen.
Skoči Rade kraj debelog mora Aufsprang am dicken Meere Junker Rade,
pa iz ruku čamlje počupao, riss aus den Händen sich die Eisennägel,
160 ja iz ruku zubma počupavo ja, riss sie mit den Zähnen aus den Händen
a iz nogu rukam povadio. und zog sie mit den Händen aus den Füssen.
Ode Rade pobratimu svome, Begab sich hin zum Herzensbruder Rade,
pobratimu Janjković Nikoli, zum Bruderherzen Niklas Janjković,
sve kazuje, što je i kako je, tat kund ihm alles, was und wie’s gewesen,
165 na kakve je pate udario: in was für Folterqualen er gefallen:
— Već te molim, dragi pobratime, — Doch bitt ich dich, mein teueres Bruderherze,
daj mi svoga debela gjogata gewähr’ jetzund mir deinen feisten Schimmel,
i daj svoje gjuzel odijelo, gewähr’ mir auch dein schmuckes Festgewand,
daj mi svoje svijetlo oružje, gewähr’ dazu mir dein Gewaffen gleissend,
170 (skinuli su moje odijelo, (mir zogen sie vom Leibe mein Gewand,
otpasali svijetlo oružje), entgürteten mich vom Gewaffen gleissend),
da ja igjem u zemlju kaursku. damit ich ins Gebiet der Kafir wandre;
Ban je metro curu na košiju; als Rennpreis setzt der Burggraf aus das Fräulein;
ne bi l Bog do, gjogat utjecao, leicht gibt es Gott, das Ziel erläuft der Schimmel,
175 ne bi li se cure dograbio, vielleicht erraff’ ich mir den Preis, das Fräulein,
ne bi l svoju muku pokajao! vielleicht verschaff’ ich Sühne meiner Qual!
Kada čuo Janjković Nikola, Wie solches Niklas Janjković vernahm,
on opremi njega i gjogata. ausrüsten tat er ihn und seinen Schimmel.
Ode Rade u zemlju kaursku Abzog in das Gebiet der Kafir Rade
180 bjeloj kuli kaurskoga bana. zur weissen Wartburg hin des Kafir-Burgherrn.
Kada bješe u polje zeleno Als er im grünen Blachgefilde eintraf
pod banove pribijele dvore, am Fuss des schneeigweissen Grafenburghofs,
polje bilo pa ga ne stanilo: ein Feld bestand, jedoch es jetzt verschwand,
konj do konja, junak do junaka; hier Ross an Ross, hier Held gedrängt an Helden,
185 tri sta ata tri sta bedevija, dreihundert Berber, gleichviel Beduinen,
paripčadma ni esaba nejma, Mischlinge sind da sonder Zahl vertreten
ni jesaba pješice junacim; und sonder Zahl zu Fuss der Helden Schar.
dva alata od Banata bana, Zwei Füchse des Gebieters vom Banate,
dva vrančića zadranskoga bana, zwei Rappen klein des Herrn der Burg von Zara,
190 dva gjogata od Legjana bana, zwei Schimmel des Beherrschers von Polonien,
dva kulaša od Orašja Tala, zwei Falben Junker Tale’s von Orašje,
bedevija crne arapine. das Beduinenross des Schwarzarabers.
Tude tavnu prinoćiše noćcu. Allhier sie nachteten zur dunklen Nacht.
Kad u jutro jutro osvanulo, Als morgens früh der Morgen angetagt,
195 vjerne sluge gajtan donesoše, getreue Diener brachten her die Schnur,
vjerne sluge gajtan upraviše, getreue Diener zogen straff die Schnur,
zaredaše konje za gajtana. hinter die Schnur sie reihten auf die Renner.
Dok na gradu pukoše topovi, Als die Kanonen auf der Burg erdröhnten,
vjerne sluge gajtan oboriše, die Schnur die treuen Diener niederwarfen
200 od gajtana konji poletiše. und von der Schnur aus flogen hin die Renner.
Rade ne će da puśća gjogata; Nicht mochte lassen aus den Schimmel Rade;
pa daleko konji izmakoše, gar weit die Renner waren schon entwichen,
ne bi duga puška dovrgnula. soweit nicht reicht ein Schuss aus langer Flinte.
Ondar viknu sa gjogata svoga: Allda er rief hinab von seinem Schimmel:
205 — Ne recite, crna njemadijo, — Nun sagt nicht, Ihr da, tückisch deutsches Pack,
ne recite, da je inla bila, nun sagt mal nicht, es wäre List gewesen,
eno kodov ja puśćah gjogata! da schaut mal her, jetzt lass’ ich aus den Schimmel!
Pa poletje gjogat od gajtana. Dahin nun von der Schnur der Schimmel flog —
Bože mili, na svemu ti hfala! Du lieber Gott, für alles sei bedankt! —
210 Kad poletje gjogat od gajtana, Als da der Schimmel von der Schnur dahinflog,
zemlja ječi al u nebu zveči, die Erde stöhnt und hoch der Himmel dröhnt,
bakračlije crnu zemlju gule, die Bügel schinden ab das schwarze Erdreich,
oko njija studen vjetar puše, um sie herum ein kalter Windstrom saust
is kopita oganj vatra sipa! und Feuerflammen sprühen aus den Hufen.
215 Sve prostiže pješce i konjice Er überholt die Läufer all’ und Renner
i sastiže dva konja vrančića, und holte ein zwei kleine Rappenrosse,
oba vranca zadranskoga bana, die beiden Rappen des Zaraër Burgherrn,
kako dojgje e tako i projgje. er holt sie ein, sie sind schon überholt.
Pa sastiže dva konja alata, Dann holt er ein zwei Renner noch, die Füchse,
220 dva alata bana od Banata; zwei Füchse des Gebieters vom Banate;
kako stiže tako i prostiže. er holt sie ein, sie sind schon überholt;
A ne mere dva konja kulaša, doch holt er nicht zwei falbe Renner ein,
jer na njima pogano koljeno, dieweil auf ihnen ein verwünscht Gezüchte,
jer na njima dvoje cigančadi; dieweil auf ihnen zwei Zigeunerrangen,
225 oba konja u krv okupata. die beiden Rosse ganz in Blut gebadet.
On prostiže dva konja kulaša, Letzt überholt er die zwei fahlen Renner,
al ne more crne arapine. doch holt er nicht den Schwarzaraber ein.
Dok sastiže crnu arapinu, Letzt holt er ein auch noch den Schwarzaraber,
kako stiže, tako i prostiže. er holt ihn ein, hat schon ihn überholt.
230 Dok opazi čekrkli kočije, Da endlich er gewahrt die Federkutsche,
na njim stala banova djevojka, aufrecht auf ihr des Burgherrn Fräulein steht,
na njeg rukom i maramom maše. es winkt ihm mit der Hand und mit dem Tüchlein.
Dok izletje do kočija Rade Kaum kam zur Kutsche hingeflogen Rade,
a djevojka skoči is kočija, sprang gleich heraus das Fräulein aus der Kutsche,
235 gjogatu se o vratu obljesi, hing stürmisch sich dem Schimmel um den Hals,
sve gjogata mregju oči ljubi. zwischen die Augen küsste sie ihn häufig.
Rade veli glavitoj djevojci: Zum stattlich schmucken Fräulein Rade spricht:
— Ljefijana, od očiju vidu! — O Euphemie, du meiner Augen Licht!
dera vodaj debela gjogata, Ei, führe mal herum den feisten Schimmel,
240 dok ja odem puncu i punici, indes ich geh’ zum Schwieger und zur Schwiegrin,
da darujem punca i punicu! um zu beschenken Schwieger und die Schwiegrin!
Ode Rade do banova dvora Begab sich Rade zum Gehöft des Burgherrn
pa banici u dvore unijgje: und kam ins Burggehöft hinein zur Schwiegrin:
— O banice, baš moja punice! —O Burgfrau, traun, du meine Schwiegermutter!
245 danas sam ti ćercu zadobio, dein Töchterlein ich heut am Tag gewann,
zadobio na oštrom megdanu. gewann sie wohl auf heiss umstrittner Bahn.
Moreš znati, kujo materina, Magst du’s gedenken, mütterliche Zauchtel,
kada dodi Kaić Radovane, wie Kaić Rade herzukommen pflag,
ašikova’ s tvojom Ljefijanom? mit deiner Euphemie geheim zu buhlen,
250 Pa je njega potpazio bane, und wie der Burggraf ihn allda gewahrte
postavio pê stotin katana. und aufgestellt fünf hundert reisige Mannen?
Oni Radu živa ujitiše Die hatten Raden lebend eingefangen;
pa ga bane u tamnicu baci. und ins Verliess hinab ihn warf der Burggraf.
Bijaše se potajalo Rade, Auf seine Heuchelkunst vertraute Rade,
255 u tavnici mrtav načinio, tat sich als Toter im Verliess verstellen,
ne bi li me izbacio bane. verhoffend, dass der Burggraf mich hinauswirft.
Tjede mene da izbaci bane, Hinaus mich werfen wollte schon der Burggraf,
ti ne dade, kujo materina! du wehrtest ihm, du mütterliche Zauchtel!
Ja sam glavom Kaić Radovane! Bin’s eigenhäuptig Kaić Radovane!
260 Ti si mene ljuto napatila Du unterwarfst mich grimmig wilden Qualen
i na svake pate udarala, und unterzogst mich Martern aller Art,
reko b, sam ti dvore popalio! ich dürft’ die Burg dir angezunden haben!
Ja ću tebe gorje napatiti! Ich will dich schlimmren Qualen unterwerfen!
Pâ banicu za ruke ujiti, Und packte bei den Händen an die Burgfrau
265 odreza joj obadvije ruke und schnitt ihr allebeiden Hände weg
pa joj oblje dojke prorezuje und schnitt ihr durch auch allebeiden Brüste
pa kroz dojke progonio ruke. und durch die Brüste schob er durch die Hände.
Starcu banu poklonio glavu. Dem greisen Burgherrn er das Leben schenkte.
Ode Rade do gjogata svoga. Zu seinem Schimmel Rade sich begab.
270 Kad gjogatu i kočijam dojgje, Als er zum Schimmel und zur Kutsche kam,
arap oda, bedeviju voda. antraf er den Araber und sein Vollblut.
Onda arap Radi bjeśjedio: Alsdann zu Raden der Araber sprach:
— Kurvo jedna, Kaić Radovane! — Du Freudendirne, Kaić Radovane!
dobro tebe po imenu znadem, Dich kenn’ ich nur zu gut nach deinem Namen.
275 po redom su konji izletjeli! Zugleich das Ziel erreichten unsre Renner!
— Hajd otalem, crna arapino! — Von hinnen troll dich, Schwarzaraberschuft!
do tebe sam odvodo gjogata Bis du hier eintrafst, ruht ich aus den Schimmel,
i otišo puncu i punici war schon indes beim Schwieger und der Schwiegrin,
i darovo punca i punicu. und hab’ beschenkt den Schwieger und die Schwiegrin!
280 Ator bješe crnoj arapini Das nahm der Schwarzaraber übel auf,
pa on skida bistrog dževrdana zog flugs herab die Damaszenerbüchse
pa gjogatu u prse skresavo. und schoss die Ladung in die Brust dem Schimmel.
Gjogat vrisnu pa pade u travu. Ein schrill Gebrüll, tot rollt das Ross im Rasen!
Ciknu Rade ko šarena guja Aufzischte Rade gleich ’ner Schlange scheckig
285 pa poteže sablju Nikolinu und zückte blank den Säbel Nikolaus’
pa arapu osiječe glavu! und hieb das Haupt vom Rumpf ab dem Araber.
I ujti mu šafku bedeviju, Fing ein den schnellen Beduinenrenner,
bedeviju za kočije sveza band an den Beduinen an die Kutsche
pa z djevojkom śjede u kočije. und setzte mit der Maid sich in die Kutsche.
290 Ode Rade pobratimu svome Abzog zu seinem Herzensbruder Rade.
ka Sibinju bijelome gradu. Als er zur weissen Burg von Sibinj kam,
Kade dojgje Janjković Nikoli: als er zu Niklas Janjković gelangte:
— Dragi brate, Janjković Nikola, — Mein teurer Bruder Niklas Janjković,
jesam ti se brate oženio, ich, Bruder, habe mir ein Weib genommen,
295 teb toveo šafku bedeviju, doch dir gebracht den schnellen Beduinen.
gjogat ti je izgubio glavu, Dein Schimmel, leider, ist ums Haupt gekommen.
more l biti šafka za gjogata? Gilt wohl als Tausch das Vollblut für den Schimmel?
Iśći prida koliko ti drago. Heisch Draufgab nur, soviel dir mag behagen!
Ev banova u kočijam blaga! Des Burgherrn Schätze lagern hier im Wagen.
300 — Bre aferim, dragi pobratime! — Traun, wohlgetan, mein liebster Herzensbruder,
Kat si mi se pobro oženio, dass du, mein Bruderherze, dich beweibt!
pa da si mi dvore popalio, Und brachtest du mein Burggehöft in Brand
još na svake muke udario, und unterwarfst mich Qualen sonder Zahl,
kat si svoje muke pokajavo, nachdem du Sühne schufst für deine Qual,
305 tebi ne ću groša ni dinara, begehr’ ich keinen Groschen noch Denar,
sve ću tebi danas alaliti! all’ dies ich dir am heutigen Tag verwand!

NB. Es sind keine Druckfehler, sondern dialektische Eigentümlichkeiten im Texte: V. 8 mljesec, V. 37 primišljat usw. (der Itazismus fast durchgehends), V. 133, 234 mregju, V. 154 baanove (Verszwang!); V. 159 ćamlje; V. 173 metro, V.  222 mere, V. 235 obljesi, V. 266 oblje. — Zu V. 163 ursprünglich vielleicht Tanković Osman, der Wahlbruder Rades. — Zu V. 205. »Schwarzes deutsches Pack.« Ja, heisst denn njemac einen Deutschen?! Im modernen Sprachgebrauche wohl, doch nicht hier in der mit Survivals durchsetzten Volksprache. Das Publikum und die Preisrichter waren diesmal Slaven und Italiener; das weiss doch auch der Guslar, aber nijemac (der Stumme, der Sprachunkundige) war dem Bauer jeder Fremde und dann jeder nichteinheimische Mann, etwa so, wie noch im judendeutschen Sprachgebrauche goj für jeden Nichtjuden gebraucht wird, ohne gehässige oder feindselige, konfessionelle oder nationale Nebenbedeutung. — Zu den V. 210–215 setzte weiland Dr. Isidor Kopernicki, der nach meiner Forschungreise einen Teil meiner Niederschriften durchlas, die Randbemerkung hinzu: pyszne! (prächtig). — Zu V. 287 u. 295. Über das dunkle Wort šafka vergl. meinen etymologischen Deutungversuch in: »Novak der Heldengreis«, Anm. zu V. 218. — Zum Schluss sei erwähnt, dass die Begen Pilipović zu Glamoč in Bosnien Rade als den Stammvater ihres Geschlechtes verehren.

Richard Schmidt und anderen, die vor ihm über Fakire, Dervische und gleichartige Wundermenschen geschrieben, entging es, dass eine der beliebtesten Gestalten der deutschen Nationalliteratur ihren Ruf und Ruhm vor allem Künsten verdankt, die alles überragen, was Fakire je zu leisten vermocht. Wer sich davon überzeugen will, der lese Das alte Faustbuch nach, von dem August Holder auf Grund der alten Ausgaben und anderer Quellen eine vorzügliche neue Bearbeitung geliefert hat (Leipzig 1907, Deutsche Verlagaktiengesellschaft). Erkennen und kennen wir vorerst unser eigenes Volktum, so verliert für uns das anderer Völkergruppen sehr bald vieles von seinen Unverständlichkeiten und Unbegreiflichkeiten. Auch Rade hat in unserer Gesellschaft seinesgleichen.

1 Siehe Anthropophyteia III (1906) S. 402 f.: ‘Von einem der Melodien farzte’ u. S. 404.

2 Zitiert bei Daniel G. Brinton in Religions of primitive peoples, New-York 1897, S. 199.

3 Am besten zu erfragen bei Frau Henriette Fleissig, Wien-Währing XVIII, Anastasius Grüngasse 13.

4 Man vrgl. darüber Richard Schmidt, Fakire und Fakirtum, Yogalehre und Yogapraxis. Mit 87 farb. Illustrationen. Berlin 1908, H. Barsdorf. Dies Werk des um die Erforschung der indischen Erotik hochverdienten Gelehrten erlaubt es mir, mich hier ganz kurz zu fassen.

5 Der Zusatz lautet: »Mit der ‘Wissenschaft’ des Yoga hat es in gewissem Sinne seine Richtigkeit, wie auch die in München zum Kongresse erschienene Flugschrift ‘Yoga’ von Dr. Karl Kellner behauptet. Yoga ist eine sehr alte und lange geheim gehaltene Lehre, die ihren Jünger in Stand setzt, durch gewisse Übungen die Erscheinungen des künstlichen Somnambulismus willkürlich in sich hervorzurufen. Und da die Ekstase bis zur Bewusstlosigkeit dem religiösen Indier als der höchste Zustand menschlicher Seligkeit erscheint, so werden die Yogi als heilige Menschen besonders geachtet. Sich nun aber als ‘Schwindler’, das heisst als Nicht-Schläfer verurteilt zu sehen, nachdem er sich in Budapest, wie Herr Pratapa versichert, ohne die geringste Geldentschädigung von Seite des Impresario zur Schau gestellt hatte, das ist ihm sehr schmerzlich. Der Yoga-Schlaf Pratapa’s hat noch einen anderen Apologeten gefunden, und zwar am Mystiker und Theosophen Dr. Franz Hartmann, der eine eigene Monatschrift für die Propagierung der indischen Religionlehre: ‘Lotusblüte’ herausgab. Als Zweck der Schaustellung Pratapa’s bezeichnet er in einer kleinen Flugschrift ‘Yoga-Schlaf’: ‘Denkfähigen Menschen den Beweis zu liefern, dass es ausser dem äusserlichen Leben des Körpers noch ein innerliches Seelenleben gibt, und dass somit wohl das Leben des Körpers von der Gegenwart des Seelenlebens, nicht aber die Seele vom Körper abhängig ist. Damit ist denn auch die ganze verkehrte sogenannte ‘materielle’ Weltanschauung in ihrer Grundlage erschüttert und umgeworfen.’ Der schlafende Fakir hatte also keinen geringeren Beruf, als die ‘materielle’ Weltanschauung umzuwerfen — und zu diesem Zwecke zog er nach München, wo die Psychologen zu dem ganz entgegengesetzten Zwecke versammelt waren, wo die bedeutendsten Forscher den Nachweis führten, dass ohne körperliche Vorgänge kein Denken geschieht? Eine Weltanschauung durch Schlaf erschüttern zu wollen — das ist grossartig!«

6 M. Gj. Milićević, Kneževina Srbija, p. 1085.

7 Eine Biographie Rade’s (Uskok Radojica) lieferte P. Mirković im Javor, Bd. XIV, S. 705–707, 721–723, 737–739. Er verlegt Rade irrtümlich ins 16. statt ins 17. Jahrhundert. Im übrigen leidet der Aufsatz an allseitig unzureichender Stoffkenntnis und patriotisch-banaler Kritiklosigkeit des Biographen.

Share on Twitter Share on Facebook