Als ich mich genügend weit vom Hause entfernt hatte, um vor einer Verfolgung sicher zu sein, blieb ich stehen. Vor Erregung, vom Laufen und den doppelten Kleidern floss mir der Schweiss in Strömen den Körper herab. Ich trat in eine dunkle Mauernische, warf mein Kamisol und die Hosen ab und behielt der Sicherheit wegen nur das Frauenkleid an. Darauf band ich mir das Tuch sorgfältiger um den Kopf. Nachdem ich die mir unbekannte Strasse ein Stück entlanggegangen war, bemerkte ich, dass mir ein Mensch folge, der seinem Gang und Äusseren nach, dem geistlichen Stande anzugehören schien. Als er an der Strassenecke stand, pfiff er. Kaum war ich in die Nebenstrasse eingebogen, als ich mich von etwa sechs Männern, mit Larven vor den Gesichtern und ohne Laterne, umringt sah. Sie warfen mir etwas über den Kopf, was mich am Schreien hinderte, hoben mich auf und trugen mich auf ihren Armen davon, trotzdem ich mit meinen Füssen ihre Bäuche bearbeitete. Bald sah ich ein, dass ich mich vergeblich widersetze und hörte, in mein Schicksal ergeben, auf, mich zu wehren. Wir gingen ziemlich lange durch die Strassen, dann, nach dem dumpfen Schall der Schritte zu urteilen, durch lange Korridore, schliesslich stellte man mich auf die Beine und nahm mir die Binde ab. Ich war, wie mir schien, allein in einem stockfinsteren Raum. Ich tastete mich bis zu einem Stuhl, der an der Mauer stand. An der Wand tastete ich mich zu einem Bette, auf dessen Rand ich mich niederliess, ohne zu wissen, was weiter folgen werde. Bald jedoch stellte es sich heraus, dass ich im Zimmer nicht allein sei. Feiste, weiche Hände betasteten mich behutsam, als wollten sie mein Kleid aufnesteln und ich hörte flüstern:
„Fürchtet Euch nicht, holde Jungfrau, fürchtet Euch nicht, Ihr befindet Euch in Sicherheit, Ihr werdet nur Liebe und Ehrerbietung finden.“
Ich wurde fast nackt ausgekleidet; ich war müde und wollte schlafen, deshalb streckte ich mich ohne Umstände auf das Bett an der Wandseite aus. Das Flüstern, unterbrochen von Küssen, hörte nicht auf:
„Wie glücklich bin ich, dass Ihr mein Flehen erhört habet und mit diesem bescheidenen Lager fürliebnehmen wollet.“ Die Hände glitten über meine Schultern, den Rücken, die Lenden . . . Plötzlich schnellte mein Nachbar, wie von der Tarantel gestochen, vom krachenden Bette empor:
„Heilige Jungfrau! Sohn Gottes! Bewahre mich vor Versuchung!“ Da ich mich nicht regte und schwieg, so begab sich mein gottesfürchtiger Partner noch einmal auf Rekognoszierung, die nicht weniger trostlos verlief. Schliesslich unterbrach ich das Schweigen:
„Signor, Ihr täuschet Euch nicht und seid auch nicht in Versuchung geführt worden, ich bin tatsächlich weit davon entfernt eine Jungfrau zu sein. Bin ich nun aber schon einmal hier, so werde ich auch bis zum Morgen dableiben, um nicht Euch und mich selbst einer Gefahr auszusetzen; wenn alle zur Frühmesse gehen werden,“ meinte ich (denn ich hatte bereits begriffen, wo ich mich befand), „werde ich mich unbemerkt entfernen.“ Fassungslos sagte der Bruder, nachdem er einige Zeit geschwiegen hatte:
„Ihr habet recht, mein Sohn, und der Herr, der Wasser in Wein verwandelt hat, er möge Euch morgen helfen hinauszukommen. Jetzt bleibet auf diesem, wenn auch schmalen Lager liegen. Die an Euch geübte Gastfreundschaft wird mir helfen mein Missgeschick zu vergessen.“
„Amen,“ antwortete ich, und kehrte mich zur Wand.