Fünftes Kapitel

Ein glückliches Lächeln hinter affektierter Wichtigkeit verbergend, unterhielt sich Herzog Ernst Johann mit mir über Regierungsgeschäfte, während der Rat dastand und über unsere Vertraulichkeit lächelte, die seinen Einfluss zu verringern drohte. Die Paare gingen im Schritte der Polonaise an der seit kurzem wiederhergestellten Herzogin vorüber, die in einem Lehnstuhl unter einem hohen an der Marmorsäule angebrachten Kandelaber sass; sie war magerer und etwas hübscher geworden, und zum Takte der lauten Musik, die von den Galerien erschallte, machten die Tanzenden ihre Verbeugungen vor ihr. Diener reichten Früchte umher und Philipp Ludwig stand in roter Uniform, hohen Kanonenstiefeln und weissen hirschledernen Hosen, einem Porträt Moritz’ von Sachsen etwas ähnlich, an der gegenüberliegenden Tür und sah, die Arme über der Brust gekreuzt, mit leuchtenden Augen zu uns herüber. Trompetenstösse kündeten im Garten den Beginn des Feuerwerkes an. Die erste Rakete war schon aufgestiegen und zerstäubte in buntfarbigem Regen, als wir mit Philipp Ludwig, nachdem ich das Gespräch mit dem Herzog beendet hatte, den glänzend illuminierten Park betraten. Als wir die Grotte mit dem „Raube der Sabinerinnen“ erreicht hatten, liessen wir uns auf einer Steinbank nieder. Das grüne Licht der Laternen, die man auf die Terrassen des künstlichen Wasserfalles gestellt hatte, beleuchtete uns phantastisch. Eine Zeitlang sassen wir schweigend da und sahen einander bedeutungsvoll an.

„Nun,“ unterbrach Philipp Ludwig das Schweigen, „wir können zufrieden sein, mein teurer Lehrer: wir stehen am Tore zu Grösse, Reichtum, Einfluss!“

In der Stimme des jungen Mannes schienen mir feindselige Noten mitzuklingen, weshalb ich mich beeilte ihn so zu unterbrechen:

„Mein lieber und teurer Freund, Ihr täuschet Euch, wenn Ihr glaubet, dass Einfluss, Reichtum und Ansehen mich so unwiderstehlich anziehen. Nur die Möglichkeit mehr Gutes zu tun freut mich bei der Erhöhung meiner Stellung. Und glaubet mir, ich lege mehr Wert auf Eure Zuneigung zu mir als auf das Aufsteigen meiner Ehrenämter.“

Wie man beim Schein der Laternen hinter dem Wasser sehen konnte, war das Gesicht Philipp Ludwigs traurig. Ich wollte ihn trösten, denn der arme Jüngling tat mir wirklich leid, obgleich ich den Grund seiner Trauer bloss vermutete, ohne ihn genau zu kennen, deshalb begann ich von seinen bevorstehenden wissenschaftlichen Beschäftigungen zu sprechen, aber das Gesicht des herzoglichen Bruders klärte sich kaum auf und nur ein fast nicht bemerkbares Lächeln spielte um seine Lippen. Nachdem er meine Worte angehört hatte, sagte er unerwartet:

„Meister, Ihr seid ein reiner Mensch, Ihr kennet die Liebe nicht, das Weib ist Euch fremd, deshalb liegt die Zukunft offen vor Eurem Blick und Ihr fürchtet Euch nicht Geheimnissen auf den Grund zu sehen. Und darum liebe ich Euch!

Und bevor ich noch Zeit gefunden mich zu besinnen, hatte er sich gebeugt und schnell meine Hand geküsst. Verlegen rief ich aus: „Was ist Euch, Prinz?!“ Und ich küsste seine Stirn.

„Nichts, ich bitte Euch, achtet nicht darauf,“ erwiderte tonlos Philipp Ludwig.

„Und dann könnet Ihr Euch in bezug auf meine Person irren; und wenn Ihr mich dann so erblicken werdet, wie ich wirklich bin, so wird Eure Unzufriedenheit mit mir wegen der Euch bereiteten Enttäuschung eine nur um so grössere sein.“

„Nein, Meister, nein, mein Teurer, redet nicht schlecht von Euch, ich kenne Euch besser, als Ihr selbst,“ sagte der Prinz zärtlich und lehnte, wie in Sehnsucht, seinen Kopf an meine Schulter.

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