II.

Der Morgen und ein tiefer Schlaf brachten die Beruhigung, welche die Trostworte nicht gebracht hatten. Im Köpfchen der zärtlichen Phyllis tauchten heiterere Gedanken und Pläne auf. Sie erklärte Nektanebes genau, wie er zum Hause des grausamen Pankratius gehen und die täuschende Nachricht erfinden solle, dass ihr Tod bereits eingetreten sei; dabei sollte er beobachten, um es ihr mitzuteilen, wie dessen schönes Gesicht mit dem unwandelbaren Hauche von Langeweile sich verändern werde, wenn er ihm zur Bestätigung seines Berichtes den angeblich in den Falten der Gewänder der Ertrunkenen gefundenen Zettel und den gestreiften Schleier übergeben werde. Sie klatschte in die Hände, als sie den Abschiedsbrief beendet hatte, und drängte voll Erregung und Freude den Alten zu Eile. Der Bote musste nicht wenig Strassen durchwandern, ehe er das kleine, aber wohleingerichtete Landhaus des Pankratius erreichte. Als man den alten Fischer zu ihm hineinführte, war der junge Herr des Hauses damit beschäftigt mit einem hochgewachsenen Knaben in himmelblauem leichtem Gewande Ball zu spielen. Als er hörte, dass der Brief von Phyllis komme, deren Garten sich zum Flusse hinabzieht, fragte er, ohne das Siegel zu erbrechen und seine dunklen eingelegten Locken ordnend: „Hat dich die Herrin selbst gesandt?“

„Nein, aber es war ihr Wunsch diesen Brief in deinen Händen zu sehen.“

„Es ist ohne Zweifel ihre Handschrift, lasset sehen, was dieses liebe Schreiben uns bringt.“

Ein Lächeln umspielte noch die Lippen des Jünglings, als er den letzten Brief des Mädchens zu lesen begann, aber allmählich verfinsterte sich seine Stirn, die Brauen hoben sich, die Lippen pressten sich zusammen und seine Stimme klang erregt und rauh, als er, den Brief in sein Gewand bergend, fragte: „Ist es Wahrheit was in diesem Briefe steht?“

„Ich weiss nicht, was die arme Herrin geschrieben hat, aber dieses, das habe ich mit eigenen Augen gesehen“ — und er liess jetzt den geschickt erfundenen, übrigens zur Hälfte der Wahrheit entsprechenden Bericht vom angeblichen Tode der Phyllis folgen. Der Schleier, von dem Pankratius bestimmt wusste, dass er dem Mädchen gehöre, überzeugte ihn vollends von der Wahrheit der traurigen Erfindung, und nachdem er den Fischer, reich belohnt, entlassen hatte, kehrte er zerstreut zum Ballspiel mit dem hochgewachsenen Knaben zurück, das ihn täglich zwischen Bad und Mahl zu beschäftigen pflegte.

Phyllis hatte sich hinter der niederen Tür versteckt und wartete lange auf die Rückkehr ihres Wirtes, während sie den Arbeiten in den Gemüsegärten zusah, bis die Sonne schon begann unterzugehen und die Schwalben schreiend ganz niedrig dahinschossen, dass sie mit den Flügeln fast das stille Wasser streiften. Endlich hörte sie das Geräusch der Kiesel, die unter den Füssen des bergansteigenden Alten hinunterrollten.

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