IV.

In der Stimmung, welche die Unterredung mit dem jüdischen Unterhändler im jungen Waldfels angeregt, glaubte er seinen Oheim aufsuchen zu müssen. Er fand ihn in seinem Zimmer, bat ihn nach bescheidenem Gruß herzlich, den Auftritt von letzthin vergessen und ihm wegen eines Anerbietens, das ihm gemacht sey, den Rath der Erfahrung ertheilen zu wollen. Der Oberst, durch dieses Entgegenkommen einigermaßen begütigt, brummte etwas von Pflicht und erklärte sich dazu bereit. Als Arthur in seinem Bericht Herrn von Pranger als Käufer nannte, machte der Kriegsmann ein erzürntes Gesicht. „Dieser Sohn eines Käsekrämers,“ rief er aus, „will Waldfels haben? Das ist ja schamlos!“ — Arthur stellte dem Oheim vor, daß er eben bei Herrn von Pranger Aussicht habe, das Gut vortheilhaft zu verkaufen. „Und was den Umstand betrifft,“ fuhr er lächelnd fort, „daß der Sohn eines Krämers in den Besitz von Waldfels kommen würde, so erlaube ich mir, Sie daran zu erinnern, daß Sie selber einen Vorschlag gemacht haben, nach dem er der Schwiegervater und nach Umständen der Großvater eines Herrn von Waldfels werden sollte.“ — Der Oberst schnitt eine Grimasse des Verdrusses und versetzte: „Ja, das hab’ ich gesagt! — Hol’s der Henker! Das Geld ist heutzutag Alles!“ — Er ging unmuthig im Zimmer auf und ab und stieß abwechselnd Flüche und Seufzer aus. Endlich stellte er sich vor den Neffen hin und sagte mit einem grimmigen Humor: „Nun, wenn der Kerl durchaus unser Stammgut haben will und du nicht davon zurückzubringen bist, es abzugeben, so laß dir’s wenigstens so gut als möglich bezahlen!“ — Arthur, erfreut über die Willfährigkeit, die sich hierin kund gab, versetzte: „Dafür, lieber Oheim, lassen Sie mich sorgen. Bezahlen soll er es!“

In dem erleichterten Gefühl, das wir immer haben, wenn wir jemanden tractabler finden, als wir zu hoffen gewagt, begab sich Arthur zu Frau von Holdingen. Er sprach hier aus Gründen zuerst von der Absicht des Bankiers. Die Baronin konnte ebenfalls ihre Betrübniß nicht verbergen, daß ein Gut, welches die Familie Waldfels Jahrhunderte hindurch besessen hatte, in die Hände eines solchen Mannes kommen solle. Sie mußte indeß gestehen, daß man es am Ende noch für ein Glück halten müsse, wenn Arthur dadurch in den Besitz einer Summe Geldes gelange, die er zu seinem Fortkommen gar sehr würde brauchen können. „Um so mehr,“ fiel Arthur ein, „als unser edler Verwandter, der Herr Graf, die Hoffnungen, die wir auf ihn gesetzt haben, vor der Hand nicht erfüllen zu wollen scheint.“ Er überreichte der Baronin das Schreiben, das sie begierig las. Als sie es geendet, zuckte sie die Achseln und sagte: „Ich habe ihn immer für einen Menschen gehalten, der nur an sich denkt.“ Sie schwieg bekümmert und Arthur wandte sich zu Anna, die ihn schon vorher mit einem Blick angesehen hatte, der zu sagen schien: „In Gottes Namen, das macht es nicht aus!“ Nun lenkte sie das Gespräch auf einen andern Gegenstand und zog auch die Mutter in dasselbe, so daß sich nach einiger Zeit alle drei wieder in gefaßter Stimmung befanden. Arthur sagte beim Abschied zur Baronin: „Wir wollen uns jetzt an das Nächste halten und einen vortheilhaften Verkauf zu bewerkstelligen suchen. Ich hoffe Ihnen bald gute Nachrichten geben zu können.“

Die Verhandlungen zwischen dem jungen Waldfels und Herrn von Pranger begannen. Jener, durch seinen Oheim unterstützt, benahm sich dabei so klug, daß die Begierde des Bankiers, die freiherrliche Besitzung in seine Hände zu bekommen, immer mehr gestachelt wurde. Es kam Arthur zu gute, daß die übrigen Gläubiger in seine Redlichkeit volles Vertrauen setzten und in das Geschäft keine Störung brachten. Nützlich wurde es ihm, daß der Oberst auf seine Faust das Gerücht unter die Leute gehen ließ, er sey im Stande einem Gewissen einen schlimmen Streich zu spielen, indem er das Geld zu seiner Bezahlung herbeischaffe. Endlich — und das war die Hauptsache — hatte Arthur noch das Glück, den jüdischen Unterhändler, Herrn Samuel Rosenheimer, auf seine Seite zu bekommen.

Wie wir unsern jungen Freund kennen gelernt, war er von Herzen freundlich gegen jedermann. An Samuel Rosenheimer ergötzte ihn das mit der Sicherheit eines Künstlers durchgeführte Spiel, welches er durchschaute; er verkehrte gern mit ihm und erwies ihm dabei mit Vergnügen die Höflichkeiten, auf die ein so geschickter Mann Anspruch machen konnte. Herr von Pranger dagegen kehrte gegen seinen Unterhändler bald die unangenehme Seite des Auftraggebers hervor. Er ward ärgerlich, daß die Sache nicht von der Stelle rücken wollte; einmal in übler Laune, setzte er sich hin und schrieb einen Brief, in welchem er Herrn Rosenheimer kränkende Vorwürfe machte und ihm erklärte, daß er sich in die Nothwendigkeit versetzt sehen könnte, einen andern Unterhändler zu wählen. Nun kann der Israelit in der Regel gar vieles vertragen, wenn es seyn muß; gewisse Beleidigungen verletzen ihn aber um so tiefer und eine stille Wuth bleibt um so länger in seinem Gemüthe. Als Samuel Rosenheimer diesen Brief gelesen hatte, verzog er seinen Mund verächtlich und sagte für sich: „Der Herr Baron von Waldfels, der Abkömmling einer so alten und so angesehenen Familie, ist höflich gegen mich, und dieser Mensch, dessen Großvater im Spittel gestorben ist, belohnt meine Mühe mit Undank und Geringschätzung! — Nu, wir wollen sehen!“

Am andern Tag kam er zu Arthur und konnte oder wollte eine gewisse Aufregung nicht verbergen. Er faßte den jungen Mann bei der Hand und sagte: „Herr Baron, erlauben Sie, daß ich heute ernsthaft mit Ihnen rede. Ich mein’s gut mit Ihnen — glauben Sie mir! Sie sind ein braver und liebenswürdiger Herr und unverdient — das weiß der liebe Gott! — in eine schlimme Lage gekommen. Der Herr Vater — Gott hab’ ihn selig! — er war auch ein braver Herr; aber er trieb’s ein bischen zu hoch, er war auch zu gut — und wie’s so geht wenn man einmal anfängt Schulden zu machen, ist’s oft nicht mehr möglich aufzuhören. Und nun steht’s so — unter uns, Herr Baron, können wir das schon sagen — daß Sie möglicherweise um Ihr ganzes Vermögen kommen können. Das thut mir weh, ich versichere Sie, weh thut’s mir! Ich weiß ja auch, warum Sie jetzt wünschen müßten, das ganze große Vermögen zu haben, das an Ihren Herrn Vater gekommen ist. So wahr ich hier stehe, ’s freut mich allemal, wenn ich Sie sehe mit Fräulein von Holdingen — zwanzig Meilen in der Runde gibt es kein so liebes und so schönes Paar! — Herr Baron — nichts für ungut! — ich hab’ auch ein Herz!“

Dem Juden waren bei diesen Worten die Augen feucht geworden und Arthur wußte nicht, was er von ihm halten sollte. Seine Gedanken errathend fuhr jener fort: „Sie wünschen zu erfahren, was ich eigentlich will, das will ich Ihnen sagen. — Ihnen, Herr Baron, muß geholfen werden! — und ich, Samuel Rosenheimer, der ich hier vor Ihnen stehe — ich will Ihnen helfen!“ — Arthur sah ihn verwundert an. Es kam ihm vor, als ob er dießmal kein Spiel vor sich sähe, und er sagte freundlich: „Wie wollen Sie das machen, lieber Herr Rosenheimer?“ — „Fragen Sie mich nicht,“ erwiederte jener, „ich werd’s machen! — Wissen Sie was? Ich kehre auf eine Stunde in’s Wirthshaus zurück. Gehen Sie unterdeß zum Herrn Onkel, berathen Sie sich mit ihm und schreiben Sie die Bedingungen, unter denen Sie das Gut ablassen wollen, auf einen Bogen Papier; weiter nichts. — Herr Baron, ich empfehle mich Ihnen.“

Nach einer Stunde kam der Jude wieder. Arthur übergab ihm lächelnd das gewünschte Papier. Rosenheimer las es und sagte bedenklich: „Sie fordern viel, Herr Baron.“ — „Nicht mehr,“ erwiederte Arthur, „als die Besitzung für einen Liebhaber werth ist. Ich selbst würde sie um diesen Preis nicht abgeben, wenn ich nicht dazu gezwungen wäre.“ — Der Jude versetzte: „Nu, wir wollen sehen! — Für jetzt muß ich Sie aber bitten, in dieser Sache nichts weiter zu thun und mit niemand darüber zu reden. Vertrauen Sie dem Samuel Rosenheimer und warten Sie, bis er wieder kommt.“

Zwei Tage nachher gelangte an Herrn von Pranger durch einen Geschäftsfreund die Nachricht, der Fürst von N. habe geäußert, er wolle das Gut Waldfels kaufen. Einige Stunden nachher trat Rosenheimer mit geheimnißvoller Miene in’s Comptoir. Der Bankier nahm ihn sogleich mit in sein Zimmer und fragte ihn hastig: „Ist’s wahr, daß der Fürst von N. die Absicht hat, Waldfels an sich zu bringen?“ — „Haben Sie auch schon davon gehört?“ versetzte der Jude ruhig. „Ich kann Ihnen nur sagen, was mir mein Schwager aus der Residenz des Fürsten geschrieben hat: daß dieser Herr beabsichtigt, schon in den nächsten Tagen einen seiner Beamten nach Waldfels zu schicken.“ — Dem Bankier stieg das Blut in’s Gesicht und er rief unwillig aus: „Das wäre ja schändlich, wenn mir ein Gut, auf das ich schon Jahre lang spekulire, vor der Nase weggeschnappt würde?“ — „Können Sie sich wundern,“ versetzte Rosenheimer, „daß eine so schöne Besitzung noch mehr Liebhaber findet? Uebrigens dürfen Sie sich gratuliren: noch weiß der junge Herr nichts von dieser Absicht des reichen Fürsten, noch steht Ihnen Waldfels zu Gebot. Aber wie? Bezahlen müssen Sie’s! Der junge Baron ist zäh, grausam zäh; er kennt den Werth seines Gutes genau — nu, was red’ ich viel? Hier sind die Bedingungen!“

Er hatte unterdessen die Brieftasche gezogen und übergab ihm das Papier. Der Bankier las rasch und rief unmuthig aus: „Wie, das ist —“ — „Das Ultimatum von dem Herrn Baron,“ fiel Rosenheimer ein. — „Ist der junge Mann klug?“ versetzte Herr von Pranger; „diese Summe!“ — „Die Summe ist schön,“ bemerkte Rosenheimer, „aber Waldfels ist noch schöner.“ — „Und die Bedingungen?“ fuhr der Bankier fort. „Sechs Jahre das Gut nicht verkaufen, an den Gebäuden keine wesentlichen Aenderungen vornehmen zu dürfen! Was soll das?“ — „Herr von Pranger,“ erwiederte Rosenheimer, „Sie wissen, solche Herren hängen mit einer ganz sonderbaren Zärtlichkeit an dem Stammsitz ihrer Familie. Es thut dem armen jungen Mann weh, daß er Waldfels nicht behaupten kann. Da es aber nicht möglich ist, so will er wenigstens dafür sorgen, daß es noch einige Jahre so besteht, wie er es gefunden hat. Eine Grille, wenn Sie wollen! Aber was kümmert das Sie? Wenn Sie Waldfels einmal haben, geben Sie’s doch nicht wieder her, und Veränderungen an den Gebäulichkeiten wären nicht nöthig, wenn ein Fürst — was sag’ ich? — wenn ein König es beziehen wollte.“

Der Bankier zuckte die Achseln und ging im Zimmer auf und ab. Der Jude las in seinem Gesicht, daß ihm der Gedanke, Waldfels an einen Andern kommen zu lassen, unerträglich fiel; er näherte sich ihm und sagte: „Herr von Pranger, Sie sind ein reicher Mann, — keine Widerrede! — Sie sind ein reicher Mann! Was macht es Ihnen, wenn Sie ein paar tausend Gulden weniger haben? Wenn Sie’s nicht wissen, spüren Sie’s nicht, aber dem jungen Mann thun sie gut. Und wenn es wird bekannt werden, was Sie gegeben haben, so wird man sagen: der Bankier von Pranger ist ein großmüthiger Charakter; — er hat dem jungen Mann in seiner Verlegenheit das Gut nicht abgedrückt — er hat gehandelt als ein wahrer Edelmann — er verdient den Edelmannssitz zu haben.“ — Das hieß seinen Mann bei der schwächsten Seite fassen. Herr von Pranger wurde um vieles freundlicher und vermochte seinen Worten kaum den Schein eines Vorwurfs zu geben, als er sagte: „Was sind Sie für ein Unterhändler! Sie nehmen die Partie des Barons!“ — „Ich nehme nicht die Partie des Barons,“ entgegnete Rosenheimer. „Ich habe gethan, was ich konnte. Kann ich dafür, daß der junge Baron so hartnäckig, und daß der Fürst auf den Einfall gekommen ist, das Gut zu kaufen?“ Die letzten Worte gaben dem Bankier wieder einen Stich in’s Herz. „Nun, wollen Sie?“ fragte Rosenheimer und sah ihn scharf an. Der Andere schwieg, aber der Jude sah, woran er war. „Herr von Pranger,“ sagte er, seinen Hut ergreifend, „ich habe meine Schuldigkeit gethan und will Sie nicht weiter belästigen. Aber um eins bitt’ ich Sie: wenn das Gut in drei oder vier Tagen gekauft ist, machen Sie mir keine Vorwürfe.“

Er ging gegen die Thüre. „Warten Sie,“ rief Herr von Pranger. — „Haben Sie sich entschlossen?“ entgegnete der Jude. — „Ja,“ versetzte der Bankier mit heroischer Anstrengung, „in’s Teufels Namen! Melden Sie dem jungen Mann, daß ich morgen nach * * kommen werde, um den Kauf mit ihm abzuschließen.“ — „Wollen Sie mir nicht eine schriftliche Einladung an den Baron mitgeben? Es macht einen besseren Effekt.“ Herr von Pranger schrieb ein Billet, siegelte und gab es Rosenheimer, indem er sagte: „So eilen Sie!“ — „Ich werde eilen,“ sagte der Jude und empfahl sich.

Als er das Haus verlassen hatte, zuckte er die Achseln und sagte mit der Miene tiefer Geringschätzung: „Wie dieser Mensch zu seinem Reichthum gekommen ist, möcht’ ich wissen! Ist das ein Geschäftsmann? Gott soll helfen!“ — Samuel Rosenheimer bedachte in diesem Augenblick nicht, daß eine übermäßige Begierde nach einem zu erlangenden Gegenstand auch verständige Männer zuweilen toll und blind machen kann.

Den andern Tag feierte man zu Waldfels ein bescheidenes Fest. Es war der 31. März, der Tag, an welchem Arthur vor einundzwanzig Jahren das Licht der Welt erblickt hatte und der ihn heute mündig machte. Er, der Oberst, Frau von Holdingen und Anna hatten gemeinschaftlich gespeist und saßen eben beim Kaffee, als der alte Diener hereintrat und zu Arthur sagte: „Herr Samuel Rosenheimer bittet um einige Augenblicke, er habe Ihnen etwas Interessantes und Angenehmes zu melden.“ — „Ah,“ rief Arthur, „er soll hier hereinkommen.“ — Herr Rosenheimer trat ein, begrüßte die Gesellschaft und stellte sich mit glänzenden Augen vor Arthur. „Herr Baron,“ sagte er, das Billet des Bankiers emporhaltend, „was hab’ ich hier? was meinen Sie?“ — Arthur erwiederte lächelnd: „Wie kann ich das wissen?“ — „Haben Sie die Güte zu lesen,“ sagte Rosenheimer, übergab ihm das Schreiben und erklärte den andern: „Es ist eine Einladung vom Bankier Pranger nach * *, wo morgen auf die von dem Herrn Baron gestellten Bedingungen hin das Geschäft wegen Waldfels vor sich gehen soll.“ — „Ist es wahr?“ fragte der Oberst den Neffen, der das Billet gelesen hatte. Arthur übergab es ihm, der Oberst las und rief in der ersten Ueberraschung: „Was doch so ein“ — er wollte sagen: „verdammter Jude nicht alles durchsetzen kann!“ Aber er besann sich, nahm einen Armstuhl, rückte ihn zurecht und sagte freundlich: „Herr Rosenheimer, setzen Sie sich!“ Dieser hatte indeß noch keine Ohren für ihn und dankte nur leichthin. Er sah den jungen Waldfels an und sagte: „Nun, Herr Baron, verdien’ ich Lob? Hab’ ich mein Wort gehalten? Wie?“ Arthur reichte ihm die Hand und erwiederte mit Herzlichkeit: „Ich bin Ihnen sehr verpflichtet, Sie haben sich um mich und uns alle verdient gemacht. Nehmen Sie meinen besten Dank und rechnen Sie auf meine ganze Erkenntlichkeit.“ — „O ich bitte!“ rief Rosenheimer und setzte sich. — Nachdem Arthur den Damen die Kaufbedingungen mitgetheilt, welche der Jude dem Bankier annehmlich zu machen gewußt hatte, bemerkte Frau von Holdingen mit graziöser Kopfbewegung: „Dieser Erfolg macht Ihnen in der That alle Ehre, Herr Rosenheimer. Trinken Sie mit uns eine Tasse Kaffee?“ — Das Gesicht des Unterhändlers zerschmolz in das süßeste Lächeln. „Gnädige Frau Baronin,“ rief er, „diese Ehre! Sie beschämen mich wahrhaftig!“ Unterdessen hatte die Dame eine Tasse eingeschenkt und präsentirte sie ihm; Herr Rosenheimer nahm sie mit Würde und trank.

Das menschliche Herz ist seltsamer Regungen fähig. Obwohl der Gedanke, das alte Familiengut einem Andern überlassen zu müssen, für Arthur und die Seinen schmerzlich war, so freuten sich jetzt doch alle sehr, es so vortheilhaft angebracht zu sehen. Arthur erblickte in diesem Ausgang der Unterhandlungen ein günstiges Vorzeichen, einen Anfang des Glücks, das sich jetzt auch wieder einfinden müsse. Als er dieß gegen Anna bemerkte, sah ihm das schöne Mädchen mit dem liebevollsten Vertrauen in’s Gesicht. Rosenheimer weidete sich an dem Anblick des Paares und seine Augen füllten sich mit Wasser bei dem Gedanken, daß er es sey, der dieses schöne Vergnügen gestiftet.

Während die andern einen Spaziergang in den Park machten, fragte Arthur den Juden, wie er zu dem glücklichen Resultat gekommen sey. Rosenheimer hatte den Takt, die kleine Kriegslist, die angebliche Absicht des Fürsten von N. betreffend, zu verschweigen und nur im Allgemeinen zu bekennen, daß er Herrn von Pranger bei zwei schwachen Seiten, bei der Furcht, das Gut durch einen Andern gekauft zu sehen, und bei der Ehre angefaßt habe. Nachdem er dem jungen Waldfels nochmal eingeschärft, zur bestimmten Stunde sich an dem bezeichneten Ort einzufinden, empfahl er sich. — Auf dem Heimwege empfand dieser Mann eine so vollkommene Genugthuung, wie nie vorher. Er hatte sich gerächt; er hatte Gutes gethan und Lob und Ehre dafür empfangen; er hatte die Aussicht, den Lohn, den ihm Herr von Pranger für seine Mühe entrichten mußte, durch einen sicherlich glänzenden Beweis der Erkenntlichkeit des Herrn Barons gemehrt zu sehen. Bei dieser Erwägung sagte er zu sich selber: „Der junge Herr hat Ursache, mich gut zu bezahlen. Er ist zum Glück gekommen, er weiß nicht wie. Lieber Gott, wenn so ein Mann auch Verstand hat, was hilft das? Man muß die Mittel und Wege kennen — ein Geschäft ist ein Geschäft! — Aber ’s freut mich von ganzer Seele, daß ich diesen braven Leuten geholfen habe. Um viel Geld ließ’ ich mir das nicht abkaufen!“

Der Abschluß des Geschäfts ging den andern Tag rasch vor sich. Herr von Pranger machte keine Schwierigkeiten; er dachte jetzt nicht mehr an die Summe, die er zahlen mußte, sondern nur an das Glück, Eigenthümer des Edelmannsgutes in der Nähe seiner Vaterstadt zu werden, und trieb selber zur Erledigung. Als Arthur und der Oberst ihm gratulirten, fühlte er sich so groß, daß er den Wunsch des erstern, er möchte einige seiner Diener behalten, ohne weiteres zu erfüllen gelobte. Nach einem kleinen Gelag fuhren beide Theile vergnügt nach Hause.

Als Rosenheimer einige Tage später zum Bankier kam, sagte er: „Wissen Sie was Neues, Herr von Pranger? Der Fürst von N. ärgert sich schwer, daß Sie ihm das schöne Gut weggekauft haben. Er schämt sich, und denken Sie, jetzt soll niemand sagen, daß er die Absicht gehabt hat, es zu acquiriren!“ — „Mag er sich ärgern,“ versetzte Herr von Pranger; „ich hab’ es jetzt und werd’s behalten.“

Die Geldsummen, die nach und nach flüssig wurden, setzten Arthur in den Stand, alle Forderungen an ihn ohne Ausnahme zu tilgen, Herrn Rosenheimer, nach dessen eigenem Ausdruck „wahrhaft edelmännisch“ zu bedenken und noch etliche Tausend Gulden in der Hand zu behalten. Die unversicherten Gläubiger priesen ihn laut und meinten, eine so rechtschaffene Handlungsweise könne nicht ohne Lohn bleiben; aber auch Herr von Pranger, wie Rosenheimer vorausgesagt, wurde allgemein gerühmt, daß er die mißlichen Umstände des jungen Waldfels nicht mißbraucht, sondern die Besitzung als reicher Mann großherzig bezahlt habe.

Die letzte Zeit im Hause seiner Väter war für Arthur, trotz des glücklichen Verkaufs, eine trübe und melancholische. Der Oberst, den keine Pflicht mehr in Waldfels hielt und der den Einzug des Herrn von Pranger nicht mit ansehen mochte, war in seinen Wohnort, zu seiner gewöhnlichen Lebensweise zurückgekehrt. Einige Tage vor seiner Abreise, wo der Gedanke des guten Verkaufs nicht mehr den Reiz der Neuheit besaß, hatte er wieder angefangen, den Neffen mit der Bemerkung zu quälen, daß er doch am Ende besser gethan hätte, seinem ersten Rath zu folgen und das Gut für sich zu erhalten. Er hatte ihm das Prekäre seiner Lage vorgestellt, ihn ermahnt, jetzt nur rasch und mit allen Kräften nach einem sichern Unterkommen zu trachten, und was dergleichen lästige Bemerkungen mehr waren, so daß Arthur eine wahre Erleichterung fühlte, als er sich verabschiedete. In der nun folgenden Einsamkeit wurde der junge Mann aber für die Wehmuth des Scheidens und Meidens um so empfänglicher, als der launische April sich eben in einer lenzlich milden Heiterkeit gefiel, die in zarten Gemüthern eine stille Trauer so sehr begünstigt. Arthur machte die letzten Besuche im Dorfe und kehrte weich gestimmt zurück. Er wandelte allein in all den geliebten Räumen der Besitzung umher und konnte nicht verhindern, daß heiße Thränen seine Wangen herabliefen. Am Ende fand er Trost in dem Gedanken, daß er sein Stammgut wenigstens für die nächsten sechs Jahre vor Zertrümmerung gesichert habe. Was dachte er sich wohl dabei? Schmeichelte er sich mit der Hoffnung, die Besitzung jemals wieder zu erwerben? Konnte er es irgend für möglich halten, daß der neue Eigenthümer sie wieder abgeben, daß er selber in den Stand kommen werde, sie zu bezahlen? — Sollen wir die Wahrheit sagen, so folgte er einer instinktmäßigen Regung, über deren Vernünftigkeit er sich keine Rechenschaft gab. Genug, daß dieser Gedanke ihm wirklich wohl that und den Schmerz der Trennung linderte.

An demselben Tag, wo Herr von Pranger mit seinen beiden Söhnen sich zu einem glanzvollen Einzug in Waldfels rüstete, siedelte Arthur mit den wenigen Effekten, die er für sich behielt, nach dem Städtchen über. Im alten gothischen Hause eines wohlhabenden und ihm befreundeten Mannes, der in fremden Landen Geld erworben hatte, um es in seinem Geburtsort zu verzehren, standen zwei Zimmer für ihn bereit. Er hing im größern seine Familienbilder auf und brachte Kisten und Koffer unter, das kleinere richtete er sich zur Wohnung ein. Als er in dem fertigen Nest allein da saß, hatte er ein angenehmes Gefühl. Der Abschied von Waldfels, von seinen Dienern und den Dorfbewohnern, die ihm mit nassen Augen ein herzliches Lebewohl nachriefen, hatte ihn gerührt und erschüttert. Wie wohl ihm die Liebe that, die man ihm bewies, so war er doch froh, die Aufregung überstanden zu haben und sich ungestört den Gedanken widmen zu können, die seine Seele erfüllten.

Sein Leben war sehr einfach. Den größten Theil des Tages verwendete er auf Studien, die Abende brachte er fast ohne Ausnahme bei Frau von Holdingen zu. In der Regel guten Muthes und unterhaltend, saß er hier zuweilen doch auch in tiefen Gedanken und die Schatten der Sorge flogen über seine jugendlichen Züge. Dann setzte sich Anna zum Clavier und spielte eines von ihren Lieblingsstücken, die auch die seinigen waren. Die Regungen des Zweifels und der Bangigkeit gingen unter im süßen Gefühl, das die edeln Töne in ihm hervorriefen, in einem wunderbaren innern Leben, wo die Empfindungen der Ergebung und der Hoffnung sich durchdrangen, wo düstere Bilder an der Seele vorüberzogen, ohne zu erschrecken, glänzende, ohne zu erheitern, und beide nur sanfte Schauer im Herzen erweckten. Wenn Anna die Saiten ausklingen ließ und zu dem Geliebten trat, dann entspann sich wohl ein Gespräch, welches Arthur Gelegenheit gab, Beispiele zu erzählen, wie muthige Herzen kühne Dinge gewagt unter dem Spott der Welt, aber endlich durchgeführt zur Beschämung der Welt. Und die jungen Seelen fühlten sich mit einander gestärkt und erhoben.

Der Baronin fiel es auf, daß Arthur sich niemals über einen Lebensplan aussprach. Sie versuchte es ein paarmal, ihn durch Anspielungen zum Reden zu bringen, aber er lenkte das Gespräch auf einen andern Gegenstand. In ihrer Besorgniß nahm sie sich vor, ihn geradezu um eine Erklärung anzugehen, warum er nicht auf die Universität zurückkehre und was er denn überhaupt vorzunehmen gedenke. Da sie aber sah, daß er nicht gerne sprach, so wurde sie bedenklich und verschob die Ausführung ihres Entschlusses von einem Tag zum andern.

Eines Tages wurde Arthur ein Brief übergeben, auf den er mit Verlangen gewartet haben mußte, denn er wechselte die Farbe, als er das Postzeichen erblickte, schloß sich in sein Zimmer ein und wurde den ganzen Abend nicht wieder sichtbar. Den folgenden Morgen brachte er mit Schreiben zu, hatte dann eine längere Unterredung mit seinem Wirth, machte mehrere Gänge und packte Abends einen Koffer.

Am zweiten Morgen, in den Strahlen der Maiensonne, wanderte er nach dem Landhaus. Er traf Anna allein im Zimmer und gab ihr die Hand. Sie sah ihn an und sagte: „Wie siehst du heute aus? So feierlich!“ — Arthur erwiederte: „Ich komme auch in einer feierlichen Absicht: ich muß dir eine Prüfung zumuthen.“ — Anna lächelte und sagte: „Eine Prüfung?“ Der Jüngling aber blieb ernst und setzte hinzu: „Ich muß dich verlassen.“ Das Lächeln verlor sich aus dem Gesicht des Mädchens; sie erwiederte mit Ergebung: „Darauf bin ich gefaßt.“ — Arthur schüttelte den Kopf und sagte: „Ich verlasse dich nicht, wie du meinst, ich muß weit hinweg, ich muß außer Landes gehen — und ich kann nicht sagen, wann ich wiederkehre.“ — Anna sah ihn bestürzt an, der nun entschlossen fortfuhr: „Und das ist noch nicht das Schlimmste. Ich kann dir auch nicht sagen, wohin ich gehe, und eben so wenig, was ich unternehmen werde.“ — Das gute Kind wußte nicht was sie denken sollte; sie richtete einen traurigen und vorwurfsvollen Blick auf ihn. Arthur umfaßte sie zärtlich und sagte: „Glaubst du, ich würde vor dir ein Geheimniß haben, wenn ich nicht überzeugt wäre, daß es so besser sey für dich wie für mich? Es gibt Dinge in der Welt, die man zuerst thun muß, ehe man davon reden kann, Vorsätze, die den Gleichgültigen lächerlich erscheinen und theilnehmenden Herzen Sorge einflößen, die aber glücklich durchgeführt den Beifall Aller haben. In meinem Innern lebt ein Trieb, der mich unwiderstehlich zu einem Unternehmen hindrängt, aber zugleich ein siegesmuthiger Glaube, daß ich hier finden werde, was ich suche. Es ist mir, als ob ich nur ausgehen dürfte, um zu nehmen, was für mich bereit liegt. Willst du diesen Glauben mit mir theilen, ohne zu sehen? Willst du mir gestatten, das Geheimniß, das du mitzubesitzen ein Recht hättest, für mich allein zu behalten?“ — Anna konnte diesen aus tiefstem Herzen kommenden Worten nicht widerstehen; sie erhob sich mit einem Aufschwung des Geistes auf die Höhe des Geliebten und erwiederte mit inniger Zuversicht: „Ja, Arthur!“ — „Wirst du mir“, fragte dieser weiter, „vollkommen vertrauen?“ — „Vollkommen,“ erwiederte das Mädchen. — „Und wenn Monate vergehen, ehe ein Brief von mir an dich gelangt, Jahre vergehen, bevor ich wiederkehre, wirst du nie an mir irre werden, nie in deinem Glauben wanken?“ — „Niemals,“ versetzte sie. — „Ich hab’ es ja gewußt,“ rief Arthur freudig, „daß du mir vertrauen würdest, wie ich dir vertraue! — O,“ fuhr er fort, „der Glaube ist etwas so Schönes! Ich begreife jetzt, warum diejenigen, die fähig sind zu glauben, zum Dulden und Harren berufen werden. Glaube mir nur unbedingt. Wir werden uns wiedersehen! Wir werden uns glücklich wiedersehen!“

In diesem Moment trat Frau von Holdingen herein. Arthur hatte den Muth, ihr sogleich seinen Entschluß und seine Forderung mitzutheilen. Die Wangen der guten Frau rötheten sich und unwillig rief sie aus: „Wie, das können Sie von mir verlangen? Sie wollen in die weite Welt gehen, Sie wollen sich Jahre lang entfernt halten, und ich, die Mutter Ihrer Verlobten, soll nicht erfahren, was Sie thun und treiben?“ — „Verehrte Frau,“ entgegnete Arthur mit Ernst, „ich muthe Ihnen nichts zu, als was eine edle Seele gewähren kann. Hier zu Land müßte ich mit geringer Neigung einen Weg einschlagen, der mich nach mehrjähriger Anstrengung und im glücklichen Falle doch nur zu einem sehr bescheidenen Loose führen würde. In der Ferne dagegen winkt mir ein Glück, nach dem ich mit Freuden ausziehe und das ein fröhliches Streben auch viel reicher lohnen wird. Mein Entschluß ist das Ergebniß der gewissenhaftesten Prüfung. Aber an die Ausführung kann ich nur dann mit Muth und Freude gehen, wenn Sie mir ein besonderes Geständniß erlassen, wie es mir Anna erlassen hat.“ — „Das ist ja unerhört!“ rief die Baronin. „Nein, lieber Freund,“ setzte sie hinzu, „ich kann, ich darf es nicht dulden!“ — Nun trat Anna zu ihr, nahm sie beim Arm und sagte: „Schau ihm doch nur in’s Gesicht, Mutter! Sieht so ein Mann aus, dem man nicht vertrauen kann? Wenn er uns nicht sagt, was er beginnen will, so ist das Geheimniß nothwendig, und wir sollten ihn vielmehr bitten, zu schweigen.“ — Die Baronin schüttelte das Haupt und rief: „O Kind, Kind!“ — Anna fuhr fort, indem ein ernstes Lächeln ihren Mund umspielte: „Als ich ein Kind war, da erzähltest du mir Geschichten aus einer Zeit, die du vor allen liebst, aus einer Zeit, wo man sich Treue gelobte und hielt, wo der Liebende auszog auf Abenteuer oder zu heiligen Kämpfen und die Geliebte ihn vertrauensvoll ziehen ließ. Du hast mir damals die Tugenden dieser Zeit zur Nachahmung empfohlen und solltest mir jetzt nicht den Beweis gestatten wollen, daß ich etwas von dir gelernt habe?“ — Das Gesicht der Baronin hellte sich bei dieser Rede ein wenig auf. Sie wendete sich gegen Arthur und rief: „Sollten Sie vielleicht —“ — „Ich bitte Sie, liebe Mutter“ fiel Arthur ein, indem er sie bei der Hand nahm, „fragen Sie mich nicht!“ — Die Baronin, durch einen eigenthümlichen Gedanken getröstet, war schon überwunden. „Ihr macht mich selber thöricht,“ rief sie. „Wahrlich, wir leben in einer neuen und seltsamen Zeit, wo die Kinder die Eltern regieren!“ Nach einem Moment des Schweigens fand sie das ganze Ansehen der Mutter und sagte mit Ernst und Würde: „Ein Trost ist es mir, daß Sie, lieber Sohn, ein Mann von Kopf und Verstand und ein Mann von Ehre sind. Ihrem Verstand und Ihrer Ehre will ich vertrauen. Unternehmen Sie, was Ihr Herz Sie heißt, und möge Gott seinen Segen dazu geben!“ — „Amen,“ riefen die beiden Kinder und hingen an der Mutter in liebender Umarmung.

Das Leben sorgt bei gewissen Ereignissen in der Regel für ein Gegenbild, und für Arthur war es kein Verlust, daß er das zu der eben geschilderten Scene nicht zu Gesichte bekam. Arthur hielt es nämlich für seine Pflicht, auch dem Oheim sein Vorhaben zu melden, natürlich in der von ihm beschlossenen Allgemeinheit. Als der Oberst den Brief gelesen, sagte er zu sich selber: „Da haben wir’s! Der Mensch ist verrückt und wird ein Abenteurer! Wenn sein Projekt etwas taugte, hätte er Ursache, es mir zu verschweigen? Es taugt also nichts! Er nimmt das Bischen, was ihm bleibt, in die Tasche und geht auf und davon. So machen’s die Leute, die tugendhafter seyn wollen, als andere!“ — Nachdem er hierauf mit Selbstgefühl seine Tabakspfeife ausgeklopft, setzte er hinzu: „Wär’ es nicht meine Pflicht, die Post zu nehmen und ihm den Kopf zurechtzusetzen?“ Er sah in den Brief und sagte: „Es ist zu spät! — Nun, mag er gehen! Ich sehe nicht ein, warum ich mich wegen eines Menschen kümmern soll, der meinen Rath verschmäht und es für nobel hält, sich zu ruiniren!“

Es war am letzten des schönen Monats, als Arthur mit den Seinigen und einem alten Diener im Posthofe stand. Dieser hatte seine Stelle bei Herrn von Pranger aufgegeben, weil ihm einer der Söhne in einer Weise begegnet war, die er sich, wie er sagte, auch von einem geborenen Baron nicht hätte gefallen lassen. Da er sich ein kleines Vermögen erspart hatte, so fragte er Arthur, ob er ihm nicht unentgeltlich dienen könne, und als dieser es für unmöglich erklärte, machte er seinen Antrag Frau von Holdingen. Auf Arthurs Bitte, dem es tröstlich war, eine vertraute Seele bei den Seinen zu wissen, hatte ihn die Baronin in ihr Haus aufgenommen. Der gute Alte erzählte jetzt, daß im Schlosse große Vorbereitungen zu einem Feste getroffen würden, das alles überbieten solle, was früher dort gesehen worden sey. Aber,“ setzte der treue Diener hinzu, „sie mögen Geld aufwenden so viel sie wollen, so schön wird’s doch nicht werden, wie unser Fest am vorjährigen Pfingstmontag. Wer hätte damals gedacht, daß dieses Schloß und dieser Park in andere Hände kommen und der junge Herr außer Landes gehen würden!“ — Arthur klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Halte dich nur gut, alter Freund, und wir feiern vielleicht noch schönere Feste mit einander, wenn auch nicht in Waldfels.“ — „Gott geb’ es!“ erwiederte der Alte, halb gläubig und halb resignirt.

Ueber die Lippen der Frau von Holdingen war kein Wort gegangen, als hie und da eine Ermahnung, die sich auf die Pflege der Gesundheit und auf die Bequemlichkeit des Abreisenden bezog. Anna war still; an der Bewegung ihrer jugendlichen Brust konnte man sehen, daß sie zu ergriffen war, um reden zu können. Die Postpferde waren endlich an den Wagen gespannt. Arthur trat zu Mutter und Tochter, um den letzten Abschied zu nehmen. Als er die Geliebte sah in der holdesten Vollendung der Jungfrau, so schön in Liebe und Leid, so unendlich Werth, Glück zu genießen, so unendlich fähig, Glück zu bereiten — da verließ ihn die bis dahin behauptete Kraft. Sich trennen zu müssen auf Jahre, vielleicht auf immer, von der Wonne seines Lebens! Zwischen sich und das höchste Ziel seiner Wünsche die Zeit und das Schicksal treten zu lassen! Der Gegenwart zu entsagen für eine ungewisse Zukunft, der liebsten Wirklichkeit für ein Mährchen vielleicht! — Gegen diese Gedanken hielt auch der Glaube und das Vertrauen, die ihn bis dahin erfüllten, nicht mehr Stand; ein unendliches Weh ergriff sein Herz. Er preßte die Verlobte an seine Brust; die Thränen der Unglücklichen vermischten sich und flossen vereint zu Boden. Mit Gewalt riß er sich endlich los und stieg in den Wagen, der nach Norden rollte. Die Zurückgebliebenen sahen ihm weinend nach und das liebende Mädchen wollte in Leid und Wehmuth vergehen, als sie die Töne des Posthorns erschallen und schwächer und schwächer werden hörte.

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