KAPITEL XIII. Ackerbau, Gewerbe und Verkehr

Ackerbau und Verkehr sind so innig verwachsen mit der Verfassung und der aeusseren Geschichte der Staaten, dass schon bei deren Schilderung vielfach auf dieselben Ruecksicht genommen werden musste. Hier soll es versucht werden, anknuepfend an jene einzelnen Betrachtungen, die italische, namentlich die roemische Oekonomie zusammenfassend und ergaenzend zu schildern.

Dass der Uebergang von der Weide- zur Ackerwirtschaft jenseits der Einwanderung der Italiker in die Halbinsel faellt, ward schon bemerkt. Der Feldbau blieb der Grundpfeiler aller italischen Gemeinden, der sabellischen und der etruskischen nicht minder als der latinischen; eigentliche Hirtenstaemme hat es in Italien in geschichtlicher Zeit nicht gegeben, obwohl natuerlich die Staemme ueberall, je nach der Art der Oertlichkeit in geringerem oder staerkerem Masse, neben dem Ackerbau die Weidewirtschaft betrieben. Wie innig man es empfand, dass jedes Gemeinwesen auf dem Ackerbau beruhe, zeigt die schoene Sitte, die Anlage neuer Staedte damit zu beginnen, dass man dort, wo der kuenftige Mauerring sich erheben sollte, mit dem Pflug eine Furche vorzeichnete. Dass namentlich in Rom, ueber dessen agrarische Verhaeltnisse sich allein mit einiger Bestimmtheit sprechen laesst, nicht bloss der Schwerpunkt des Staates urspruenglich in der Bauernschaft lag, sondern auch dahin gearbeitet ward, die Gesamtheit der Ansaessigen immer festzuhalten als den Kern der Gemeinde, zeigt am klarsten die Servianische Reform. Nachdem im Laufe der Zeit ein grosser Teil des roemischen Grundbesitzes in die Haende von Nichtbuergern gelangt war und also die Rechte und Pflichten der Buergerschaft nicht mehr auf der Ansaessigkeit ruhten, beseitigte die reformierte Verfassung dies Missverhaeltnis und die daraus drohenden Gefahren nicht bloss fuer einmal, sondern fuer alle Folgezeit, indem sie die Gemeindeglieder ohne Ruecksicht auf ihre politische Stellung ein fuer allemal nach der Ansaessigkeit heranzog und die gemeine Last der Wehrpflicht auf die Ansaessigen legte, denen die gemeinen Rechte im natuerlichen Lauf der Entwicklung nachfolgen mussten. Auch die ganze Kriegs- und Eroberungspolitik der Roemer war ebenso wie die Verfassung basiert auf die Ansaessigkeit; wie im Staat der ansaessige Mann allein galt, so hatte der Krieg den Zweck, die Zahl der ansaessigen Gemeindeglieder zu vermehren. Die ueberwundene Gemeinde ward entweder genoetigt, ganz in der roemischen Bauernschaft aufzugehen, oder, wenn es zu diesem Aeussersten nicht kam, wurde ihr doch nicht Kriegskontribution oder fester Zins auferlegt, sondern die Abtretung eines Teils, gewoehnlich eines Drittels ihrer Feldmark, wo dann regelmaessig roemische Bauernhoefe entstanden. Viele Voelker haben gesiegt und erobert wie die Roemer; aber keines hat gleich dem roemischen den erkaempften Boden also im Schweisse seines Angesichts sich zu eigen gemacht und was die Lanze gewonnen hatte, mit der Pflugschar zum zweitenmal erworben. Was der Krieg gewinnt, kann der Krieg wieder entreissen, aber nicht also die Eroberung, die der Pflueger macht; wenn die Roemer viele Schlachten verloren, aber kaum je bei dem Frieden roemischen Boden abgetreten haben, so verdanken sie dies dem zaehen Festhalten der Bauern an ihrem Acker und Eigen. In der Beherrschung der Erde liegt die Kraft des Mannes und des Staates; die Groesse Roms ist gebaut auf die ausgedehnteste und unmittelbarste Herrschaft der Buerger ueber den Boden und auf die geschlossene Einheit dieser also festgegruendeten Bauernschaft.

Dass in aeltester Zeit das Ackerland gemeinschaftlich, wahrscheinlich nach den einzelnen Geschlechtsgenossenschaften, bestellt und erst der Ertrag unter die einzelnen, dem Geschlecht angehoerigen Haeuser verteilt ward, ist bereits angedeutet worden; wie denn Feldgemeinschaft und Geschlechtergemeinde innerlich zusammenhaengen und auch spaeterhin in Rom noch das Zusammenwohnen und Wirtschaften der Mitbesitzer sehr haeufig vorkam ^1. Selbst die roemische Rechtsueberlieferung weiss noch zu berichten, dass das Vermoegen anfaenglich in Vieh und Bodenbenutzung bestand und erst spaeter das Land unter die Buerger zu Sondereigentum aufgeteilt ward ^2. Besseres Zeugnis dafuer gewaehrt die aelteste Bezeichnung des Vermoegens als “Viehstand” (pecunia) oder “Sklaven- und Viehstand” (familia pecuniaque) und des Sonderguts der Hauskinder und Sklaven als “Schaefchen” (peculium); ferner die aelteste Form des Eigentumserwerbs durch Handangreifen (mancipatio), was nur fuer bewegliche Sachen angemessen ist, und vor allem das aelteste Mass des “Eigenlandes” (heredium von herus, Herr) von zwei Jugeren oder preussischen Morgen, das nur Gartenland, nicht Hufe, gewesen sein kann ^3. Wann und wie die Aufteilung des Ackerlandes stattgefunden hat, laesst sich nicht mehr bestimmen. Geschichtlich steht nur so viel fest, dass die aelteste Verfassung die Ansaessigkeit nicht, sondern als Surrogat dafuer die Geschlechtsgenossenschaft, dagegen schon die Servianische den aufgeteilten Acker voraussetzt. Aus derselben Verfassung geht hervor, dass die grosse Masse des Grundbesitzes aus mittleren Bauernstellen bestand, welche einer Familie zu tun und zu leben gaben und das Halten von Ackervieh sowie die Anwendung des Pfluges gestatteten; das gewoehnliche Flaechenmass dieser roemischen Vollhufe ist nicht mit Sicherheit ermittelt, kann aber, wie schon gesagt ward, schwerlich geringer als zu 20 Morgen angenommen werden.

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^1 Die bei der deutschen Feldgemeinschaft vorkommende Verbindung geteilten Eigentums der Genossen und gemeinschaftlicher Bestellung durch die Genossenschaft hat in Italien schwerlich je bestanden. Waere hier, wie bei den Deutschen, jeder Genosse als Eigentuemer eines Einzelfleckes in jedem wirtschaftlich abgegrenzten Teile der Gesamtmark betrachtet worden, so wuerde doch wohl die spaetere Sonderwirtschaft von zerstueckelten Hufen ausgehen. Allein es ist vielmehr das Gegenteil der Fall; die Individualnamen der roemischen Hufen (fundus Cornelianus) zeigen deutlich, dass der aelteste roemische Individualgrundbesitz faktisch geschlossen war.

^2 Cicero (rep. 2, 9, 14; vgl. Plut. q. Rom. 15) berichtet: Tunc (zur Zeit des Romulus) erat res in pecore et locorum possessionibus, ex quo pecuniosi et locupletes vocabantur. - (Numa) primum agros, quos bello Romulus ceperat, divisit viritim civibus. Ebenso laesst Dionys den Romulus das Land in dreissig Kuriendistrikte teilen, den Numa die Grenzsteine setzen und das Terminalienfest einfuehren (1, 7; 2, 74; daraus Plut. Num. 16).

^3 Da dieser Behauptung fortwaehrend noch widersprochen wird, so moegen die Zahlen reden. Die roemischen Landwirte der spaeteren Republik und der Kaiserzeit rechnen durchschnittlich fuer das Iugerum als Aussaat fuenf roemische Scheffel Weizen, als Ertrag das fuenffache Korn; der Ertrag eines Heredium ist demnach, selbst wenn man, von dem Haus- und Hofraum absehend, es lediglich als Ackerland betrachtet und auf Brachjahre keine Ruecksicht nimmt, 50 oder nach Abzug des Saatkorns 40 Scheffel. Auf den erwachsenen, schwer arbeitenden Sklaven rechnet Cato (agr. c. 56) fuer das Jahr 51 Scheffel Weizen. Die Frage, ob eine roemische Familie von dem Heredium leben konnte oder nicht, mag danach sich jeder selber beantworten. Der versuchte Gegenbeweis stuetzt sich darauf, dass der Sklave der spaeteren Zeit ausschliesslicher als der freie Bauer der aelteren von Getreide gelebt hat und dass fuer die aeltere Zeit die Annahme des fuenffachen Kornes eine zu niedrige ist; beides ist wohl richtig, aber fuer beides gibt es eine Grenze. Ohne Zweifel sind die Nebennutzungen, welche das Ackerland selbst und die Gemeinweide an Feigen, Gemuese, Milch, Fleisch (besonders durch die alte und intensive Schweinezucht) und dergleichen abwirft, besonders fuer die aeltere Zeit in Anschlag zu bringen; aber die aeltere roemische Weidewirtschaft war, wenn auch nicht unbedeutend, so doch von untergeordneter Bedeutung und die Hauptnahrung des Volkes immer notorisch das Getreide. Man mag ferner wegen der Intensitaet der aelteren Kultur zu einer sehr ansehnlichen Steigerung besonders des Bruttoertrags gelangen - und ohne Frage haben die Bauern dieser Zeit ihren Ackern einen groesseren Ertrag abgewonnen, als die Plantagenbesitzer der spaeteren Republik und der Kaiserzeit ihn erzielten; aber Mass wird auch hier zu halten sein, da es ja um Durchschnittssaetze sich handelt und um eine weder rationell noch mit grossem Kapital betriebene Bauernbewirtschaftung. Die Annahme des zehnten Korns statt des fuenften wird die aeusserste Grenze sein, und sie genuegt doch weitaus nicht. Auf keinen Fall laesst das enorme Defizit, welches auch nach diesen Ansaetzen zwischen dem Ertrag des Heredium und dem Bedarf des Hauswesens bleibt, durch blosse Kultursteigerung sich decken. In der Tat wird der Gegenbeweis erst dann als gefuehrt zu betrachten sein, wenn eine rationelle landwirtschaftliche Berechnung aufgestellt sein wird, wonach bei einer ueberwiegend von Vegetabilien sich naehrenden Bevoelkerung der Ertrag eines Grundstueckes von zwei Morgen sich als durchschnittlich fuer die Ernaehrung einer Familie ausreichend herausstellt.

Man behauptet nun zwar, dass selbst in geschichtlicher Zeit Koloniegruendungen mit Ackerlosen von zwei Morgen vorkommen; aber das einzige Beispiel der Art (Liv. 4, 47), die Kolonie Labici vom Jahr 336, wird von denjenigen Gelehrten, gegen welche es ueberhaupt der Muehe sich verlohnt, Argumente zu gebrauchen, sicherlich nicht zu der im geschichtlichen Detail zuverlaessigen Ueberlieferung gezaehlt werden und unterliegt auch noch anderen sehr ernsten Bedenken. Das allerdings ist richtig, dass bei der nichtkolonialen Ackeranweisung an die gesamte Buergerschaft (adsignatio viritana) zuweilen nur wenige Morgen gegeben worden sind (so z. B. Liv. 8, 11, 21); aber hier sollten auch keineswegs in den Losen neue Bauernwesen geschaffen, sondern vielmehr in der Regel zu den bestehenden vom eroberten Lande neue Parzellen hinzugefuegt werden (vgl. CIL I, p. 88). Auf alle Faelle wird jede andere Annahme besser sein als eine Hypothese, welche mit den fuenf Broten und zwei Fischen des Evangeliums ziemlich auf einer Linie steht. Die roemischen Bauern waren bei weitem weniger bescheiden als ihre Historiographen; sie meinten selbst auf Grundstuecken von sieben Morgen oder 140 roemischen Scheffeln Ertrag nicht auskommen zu koennen.

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Die Landwirtschaft ging wesentlich auf den Getreidebau, das gewoehnliche Korn war der Spelt (far) ^4; doch wurden auch Huelsenfruechte, Rueben und Gemuese fleissig gezogen.

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^4 Vielleicht der juengste, obwohl schwerlich der letzte Versuch, den Nachweis zu fuehren, dass die latinische Bauernfamilie von zwei Morgen Landes hat leben koennen, ist hauptsaechlich darauf gestuetzt worden, dass Varro (tust. 1, 44, 1) als Aussaat auf den Morgen fuenf Scheffel Weizen, dagegen zehn Scheffel Spelt rechnet und diesem entsprechend den Ertrag ansetzt, woraus denn gefolgert wird, dass der Speltbau wo nicht den doppelten, doch einen betraechtlich hoeheren Ertrag liefert als der Weizenbau. Es ist aber vielmehr das Umgekehrte richtig und jene nominell hoehere Aussaat und Ernte einfach zu erklaeren aus dem Umstand, dass die Roemer den Weizen ausgehuelst lagerten und saeten, den Spelt aber in den Huelsen (Plin. nat. 18, 7, 61), die sich hier durch das Dreschen nicht von der Frucht trennen. Aus demselben Grunde wird der Spelt auch heutzutage noch doppelt so stark gesaet als der Weizen und liefert nach Scheffelmass doppelt hoeheren Ertrag, nach Abzug der Huelsen aber geringeren. Nach wuerttembergischen Angaben, die mir G. Hanssen mitteilt, rechnet man dort als Durchschnittsertrag fuer den wuerttembergischen Morgen an Weizen (bei einer Aussaat von ¼-½ Scheffel) drei Scheffel zum mittleren Gewicht von 275 Pfund (= 825 Pfund), an Spelt (bei einer Aussaat von ½-1½ Scheffel) mindestens sieben Scheffel zum mittleren Gewicht von 150 Pfund (= 1050 Pfund), welche durch die Schaelung sich auf etwa vier Scheffel reduzieren. Also liefert der Spelt, verglichen mit dem Weizen, im Bruttoertrag mehr als doppelte, bei gleich gutem Boden vielleicht dreifache Ernte, dem spezifischen Gewicht nach aber vor der Enthuelsung nicht viel ueber, nach der Enthuelsung (als Kern”) weniger als die Haelfte. Nicht aus Versehen, wie behauptet worden ist, sondern weil es zweckmaessig ist, bei Ueberschlaegen dieser Art von ueberlieferten und gleichartigen Ansetzungen auszugehen, ist die oben aufgestellte Berechnung auf Weizen gestellt worden; sie durfte es, weil sie, auf Spelt uebertragen, nicht wesentlich abweicht und der Ertrag eher faellt als steigt. Der Spelt ist genuegsamer in bezug auf Boden und Klima und weniger Gefahren ausgesetzt als der Weizen; aber der letztere liefert im ganzen, namentlich wenn man die nicht unbetraechtlichen Enthuelsungskosten in Anschlag bringt, einen hoeheren Reinertrag (nach fuenfzigjaehrigem Durchschnitt stellt in der Gegend von Frankenthal in Rheinbayern sich der Malter Weizen auf 11 Gulden 3 Kreuzer, der Malter Spelt auf 4 Gulden 30 Kreuzer), und wie in Sueddeutschland, wo der Boden ihn zulaesst, der Weizenbau vorgezogen wird, und ueberhaupt bei vorschreitender Kultur dieser den Speltbau zu verdraengen pflegt, so ist auch der gleichartige Uebergang der italischen Landwirtschaft vom Spelt- zum Weizenbau unleugbar ein Fortschritt gewesen.

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Dass die Pflege des Weinstocks nicht erst durch die griechischen Ansiedler nach Italien kam, beweist das in die vorgriechische Zeit hinaufreichende Festverzeichnis der roemischen Gemeinde, das drei Weinfeste kennt und diese dem Vater Iovis, nicht dem juengeren, erst von den Griechen entlehnten Weingott, dem Vater Befreier, feiern heisst. Wenn nach einer recht alten Sage der Koenig Mezentius von Caere von den Latinern oder den Rutulern einen Weinzins fordert, wenn als die Ursache, welche die Kelten veranlasste, die Alpen zu ueberschreiten, in einer weit verbreiteten und sehr verschiedenartig gewendeten italischen Erzaehlung die Bekanntschaft mit den edlen Fruechten Italiens und vor allem mit der Traube und dem Wein genannt wird, so spricht daraus der Stolz der Latiner auf ihre herrliche, von den Nachbarn vielbeneidete Rebe. Frueh und allgemein wurde von den latinischen Priestern auf eine sorgfaeltige Rebenzucht hingewirkt. In Rom begann die Lese erst, wenn der hoechste Priester der Gemeinde, der Flamen des Jupiter sie gestattet und selbst damit begonnen hatte; in gleicher Weise verbot eine tusculanische Ordnung das Feilbieten des neuen Weines, bevor der Priester das Fest der Fassoeffnung abgerufen hatte. Ebenso gehoert hierher nicht bloss die allgemeine Aufnahme der Weinspende in das Opferritual, sondern auch die als Gesetz des Koenigs Numa bekannt gemachte Vorschrift der roemischen Priester, den Goettern keinen von unbeschnittenen Reben gewonnenen Wein zum Trankopfer auszugiessen; eben wie sie, um das nuetzliche Doerren des Getreides einzufuehren, die Opferung ungedoerrten Getreides untersagten.

Juenger ist der Oelbau und sicher erst durch die Griechen nach Italien gekommen ^5. Die Olive soll zuerst gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts der Stadt am westlichen Mittelmeer gepflanzt worden sein; es stimmt dazu, dass der Oelzweig und die Olive im roemischen Ritual eine weit untergeordnetere Rolle spielen als der Saft der Rebe. Wie wert uebrigens der Roemer beide edle Baeume hielt, beweisen der Rebstock und Oelbaum, die mitten auf dem Markte der Stadt unweit des Curtischen Teiches gepflanzt wurden.

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^5 Oleum, oliva sind aus έλαιον, έλαια, amurca (Φlhefe) aus αμόργη entstanden.

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Von den Fruchtbaeumen ward vor allem die nahrhafte und wahrscheinlich in Italien einheimische Feige gepflanzt; um die alten Feigenbaeume, deren ebenfalls mehrere auf und an dem roemischen Markte standen ^6, hat die roemische Ursprungssage ihre dichtesten Faeden gesponnen.

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^6 Aber dass der vor dem Saturnustempel stehende im Jahr 260 (494) umgehauen ward (Plin. nat. 15, 18, 77), ist nicht ueberliefert; die Ziffer CCLX fehlt in allen guten Handschriften und ist, wohl mit Anlehnung an Liv. 2, 21, interpoliert.

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Es waren der Bauer und dessen Soehne, welche den Pflug fuehrten und ueberhaupt die landwirtschaftlichen Arbeiten verrichteten; dass auf den gewoehnlichen Bauernwirtschaften Sklaven oder freie Tageloehner regelmaessig mit verwandt worden sind, ist nicht wahrscheinlich. Den Pflug zog der Stier, auch die Kuh; zum Tragen der Lasten dienten Pferde, Esel und Maultiere. Eine selbstaendige Viehwirtschaft zur Gewinnung des Fleisches oder der Milch bestand wenigstens auf dem in Geschlechtseigentum stehenden Land nicht oder nur in sehr beschraenktem Umfang; wohl aber wurden ausser dem Kleinvieh, das man auf die gemeine Weide mit auftrieb, auf dem Bauernhof Schweine und Gefluegel, besonders Gaense gehalten. Im allgemeinen ward man nicht muede zu pfluegen und wieder zu pfluegen - der Acker galt als mangelhaft bestellt, bei dem die Furchen nicht so dicht gezogen waren, dass das Eggen entbehrt werden konnte; aber der Betrieb war mehr intensiv als intelligent, und der mangelhafte Pflug, das unvollkommene Ernte- und Dreschverfahren, blieben unveraendert. Mehr als das hartnaeckige Festhalten der Bauern an dem Hergebrachten wirkte hierzu wahrscheinlich die geringe Entwicklung der rationellen Mechanik; denn dem praktischen Italiener war die gemuetliche Anhaenglichkeit an die mit der ererbten Scholle ueberkommene Bestellungsweise fremd, und einleuchtende Verbesserungen der Landwirtschaft, wie zum Beispiel der Anbau von Futterkraeutern und das Berieselungssystem der Wiesen, moegen schon frueh von den Nachbarvoelkern uebernommen oder selbstaendig entwickelt worden sein; begann doch die roemische Literatur selbst mit der theoretischen Behandlung des Ackerbaus. Der fleissigen und verstaendigen Arbeit folgte die erfreuliche Rast; und auch hier machte die Religion ihr Recht geltend, die Muehsal des Lebens auch dem Niedrigen durch Pausen der Erholung und der freieren menschlichen Bewegung zu mildern. Jeden achten Tag (nonae), also durchschnittlich viermal im Monat, geht der Bauer in die Stadt, um zu verkaufen und zu kaufen und seine uebrigen Geschaefte zu besorgen. Eigentliche Arbeitsruhe bringen aber nur die einzelnen Festtage und vor allem der Feiermonat nach vollbrachter Wintersaat (feriae sementivae); waehrend dieser Fristen rastete nach dem Gebote der Goetter der Pflug und es ruhten in Feiertagsmusse nicht bloss der Bauer, sondern auch der Knecht und der Stier.

In solcher Weise etwa ward die gewoehnliche roemische Bauernstelle in aeltester Zeit bewirtschaftet. Gegen schlechte Verwaltung gab es fuer die Anerben keinen anderen Schutz, als das Recht, den leichtsinnigen Verschleuderer ererbten Vermoegens gleichsam als einen Wahnsinnigen unter Vormundschaft stellen zu lassen. Den Frauen war ueberdies das eigene Verfuegungsrecht wesentlich entzogen, und wenn sie sich verheirateten, gab man ihnen regelmaessig einen Geschlechtsgenossen zum Mann, um das Gut in dem Geschlecht zusammenzuhalten. Der Ueberschuldung des Grundbesitzes suchte das Recht zu steuern teils dadurch, dass es bei der Hypothekenschuld den vorlaeufigen Uebergang des Eigentums an der verpfaendeten Liegenschaft vom Schuldner auf den Glaeubiger verordnete, teils durch das strenge und rasch zum faktischen Konkurs fuehrende Exekutivverfahren bei dem einfachen Darlehen; doch erreichte, wie die Folge zeigt, das letztere Mittel seinen Zweck sehr unvollkommen. Die freie Teilbarkeit des Eigentums blieb gesetzlich unbeschraenkt. So wuenschenswert es auch sein mochte, dass die Miterben im ungeteilten Besitz des Erbguts blieben, so sorgte doch schon das aelteste Recht dafuer die Aufloesung einer solchen Gemeinschaft zu jeder Zeit jedem Teilnehmer offenzuhalten; es ist gut, wenn Brueder friedlich zusammenwohnen, aber sie dazu zu noetigen, ist dem liberalen Geiste des roemischen Rechts fremd. Die Servianische Verfassung zeigt denn auch, dass es schon in der Koenigszeit in Rom an Insten und Gartenbesitzern nicht gefehlt hat, bei denen an die Stelle des Pfluges der Karst trat. Die Verhinderung der uebermaessigen Zerstueckelung des Bodens blieb der Gewohnheit und dem gesunden Sinn der Bevoelkerung ueberlassen; und dass man sich hierin nicht getaeuscht hat und die Landgueter in der Regel zusammengeblieben sind, beweist schon die allgemeine roemische Sitte, sie mit feststehenden Individualnamen zu bezeichnen. Die Gemeinde griff nur indirekt hier ein durch die Ausfuehrung von Kolonien, welche regelmaessig die Gruendung einer Anzahl neuer Vollhufen, und haeufig wohl auch, indem man kleine Grundbesitzer als Kolonisten ausfuehrte, die Einziehung einer Anzahl Instenstellen herbeifuehrte. Bei weitem schwieriger ist es, die Verhaeltnisse des groesseren Grundbesitzes zu erkennen. Dass es einen solchen in nicht unbedeutender Ausdehnung gab, ist nach der fruehen Entwicklung der Ritterschaft nicht zu bezweifeln und erklaert sich auch leicht teils aus der Aufteilung der Geschlechtsmarken, welche bei der notwendig ungleichen Kopfzahl der in den einzelnen Geschlechtern daran Teilnehmenden von selbst einen Stand von groesseren Grundbesitzern ins Leben rufen musste, teils aus der Menge der in Rom zusammenstroemenden kaufmaennischen Kapitalien. Aber eine eigentliche Grosswirtschaft, gestuetzt auf einen ansehnlichen Sklavenstand, wie wir sie spaeter in Rom finden, kann fuer diese Zeit nicht angenommen werden; vielmehr ist die alte Definition, wonach die Senatoren Vaeter genannt worden sind von den Aeckern, die sie an geringe Leute austeilen wie der Vater an die Kinder, hierher zu ziehen und wird urspruenglich der Gutsbesitzer den Teil seines Grundstueckes, den er nicht selber zu bewirtschaften vermochte, oder auch das ganze Gut in kleinen Parzellen unter abhaengige Leute zur Bestellung verteilt haben, wie dies noch jetzt in Italien allgemein geschieht. Der Empfaenger konnte Hauskind oder Sklave des Verleihers sein; wenn er ein freier Mann war, so war sein Verhaeltnis dasjenige, welches spaeter unter dem Namen des “Bittbesitzes” (precarium) erscheint. Der Empfaenger behielt diesen, solange es dem Verleiher beliebte, und hatte kein gesetzliches Mittel, um sich gegen denselben im Besitz zu schuetzen; vielmehr konnte dieser ihn jederzeit nach Gefallen ausweisen. Eine Gegenleistung des Bodennutzers an den Bodeneigentuemer lag in dem Verhaeltnis nicht notwendig; ohne Zweifel aber fand sie haeufig statt und mag wohl in der Regel in der Abgabe eines Teils vom Fruchtertrag bestanden haben, wo dann das Verhaeltnis der spaeteren Pacht sich naehert, immer aber von ihr unterschieden bleibt teils durch den Mangel eines festen Endtermins, teils durch den Mangel an Klagbarkeit auf beiden Seiten und den lediglich durch das Ausweisungsrecht des Verpaechters vermittelten Rechtsschutz der Pachtforderung. Offenbar war dies wesentlich ein Treueverhaeltnis und konnte ohne das Hinzutreten eines maechtigen, religioes geheiligten Herkommens nicht bestehen; aber dieses fehlte auch nicht. Das durchaus sittlich-religioese Institut der Klientel ruhte ohne Zweifel im letzten Grunde auf dieser Zuweisung der Bodennutzungen. Dieselbe wurde auch keineswegs erst durch die Aufhebung der Feldgemeinschaft moeglich; denn wie nach dieser der einzelne, konnte vorher das Geschlecht die Mitnutzung seiner Mark abhaengigen Leuten gestatten, und eben damit haengt ohne Zweifel zusammen, dass die roemische Klientel nicht persoenlich war, sondern von Haus aus der Klient mit seinem Geschlecht sich dem Patron und seinem Geschlecht zu Schutz und Treue anbefahl. Aus dieser aeltesten Gestalt der roemischen Gutswirtschaft erklaert es sich, weshalb aus den grossen Grundbesitzern in Rom ein Land-, kein Stadtadel hervorging. Da die verderbliche Institution der Mittelmaenner den Roemern fremd blieb, fand sich der roemische Gutsherr nicht viel weniger an den Grundbesitz gefesselt als der Paechter und der Bauer; er sah ueberall selbst zu und griff selber ein, und auch dem reichen Roemer galt es als das hoechste Lob, ein guter Landwirt zu heissen. Sein Haus war auf dem Lande; in der Stadt hatte er nur ein Quartier, um seine Geschaefte dort zu besorgen und etwa waehrend der heissen Zeit dort die reinere Luft zu atmen. Vor allem aber wurde durch diese Ordnungen eine sittliche Grundlage fuer das Verhaeltnis der Vornehmen zu den Geringen hergestellt und dadurch dessen Gefaehrlichkeit wesentlich gemindert. Die freien Bittpaechter, hervorgegangen aus heruntergekommenen Bauernfamilien, zugewandten Leuten und Freigelassenen, machten die grosse Masse des Proletariats aus und waren von dem Grundherrn nicht viel abhaengiger, als es der kleine Zeitpaechter dem grossen Gutsbesitzer gegenueber unvermeidlich ist. Die fuer den Herrn den Acker bauenden Knechte waren ohne Zweifel bei weitem weniger zahlreich als die freien Paechter. Ueberall wo die einwandernde Nation nicht sogleich eine Bevoelkerung in Masse geknechtet hat, scheinen Sklaven anfaenglich nur in sehr beschraenktem Umfang vorhanden gewesen zu sein und infolgedessen die freien Arbeiter eine ganz andere Rolle im Staate gehabt zu haben, als in der wir spaeter sie finden. Auch in Griechenland erscheinen in der aelteren Epoche die “Tageloehner” (θήτες) vielfach an der Stelle der spaeteren Sklaven und hat in einzelnen Gemeinden, zum Beispiel bei den Lokrern, es bis in die historische Zeit keine Sklaverei gegeben. Selbst der Knecht aber war doch regelmaessig italischer Abkunft; der volskische, sabinische, etruskische Kriegsgefangene musste seinem Herrn anders gegenueberstehen als in spaeterer Zeit der Syrer und der Kelte. Dazu hatte er als Parzelleninhaber zwar nicht rechtlich, aber doch tatsaechlich Land und Vieh, Weib und Kind wie der Gutsherr, und seit es eine Freilassung gab, lag die Moeglichkeit, sich frei zu arbeiten, ihm nicht fern. Wenn es mit dem grossen Grundbesitz der aeltesten Zeit sich also verhielt, so war er keineswegs eine offene Wunde des Gemeinwesens, sondern fuer dasselbe vom wesentlichsten Nutzen. Nicht bloss verschaffte er nach Verhaeltnis ebenso vielen Familien eine wenn auch im ganzen geringere Existenz wie der mittlere und kleine; sondern es erwuchsen auch in den verhaeltnismaessig hoch und frei gestellten Grundherren die natuerlichen Leiter und Regierer der Gemeinde, in den ackerbauenden und eigentumslosen Bittpaechtern aber das rechte Material fuer die roemische Kolonisationspolitik, welche ohne ein solches nimmermehr gelingen konnte; denn der Staat kann wohl dem Vermoegenlosen Land, aber nicht demjenigen, der kein Ackerbauer ist, den Mut und die Kraft geben, um die Pflugschar zu fuehren.

Das Weideland ward von der Landaufteilung nicht betroffen. Es ist der Staat, nicht die Geschlechtsgenossenschaft, der als Eigentuemer der Gemeinweide betrachtet wird, und teils dieselbe fuer seine eigenen, fuer die Opfer und zu anderen Zwecken bestimmten und durch die Viehbussen stets in ansehnlichem Stande gehaltenen Herden benutzt, teils den Viehbesitzern das Auftreiben auf dieselbe gegen eine maessige Abgabe (scriptura) gestattet. Das Triftrecht am Gemeindeanger mag urspruenglich tatsaechlich in einem gewissen Verhaeltnis zum Grundbesitz gestanden haben. Allein eine rechtliche Verknuepfung der einzelnen Ackerhufe mit einer bestimmten Teilnutzung der Gemeinweide kann in Rom schon deshalb nie stattgefunden haben, weil das Eigentum auch von dem Insassen erworben werden konnte, das Nutzungsrecht aber dem Insassen wohl nur ausnahmsweise durch koenigliche Gnade gewaehrt ward. In dieser Epoche indes scheint das Gemeindeland in der Volkswirtschaft ueberhaupt nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben, da die urspruengliche Gemeinweide wohl nicht sehr ausgedehnt war, das eroberte Land aber wohl groesstenteils sogleich unter die Geschlechter oder spaeter unter die einzelnen als Ackerland verteilt ward.

Dass der Ackerbau in Rom wohl das erste und ausgedehnteste Gewerbe war, daneben aber andere Zweige der Industrie nicht gefehlt haben, folgt schon aus der fruehen Entwicklung des staedtischen Lebens in diesem Emporium der Latiner, und in der Tat werden unter den Institutionen des Koenigs Numa, das heisst unter den seit unvordenklicher Zeit in Rom bestehenden Einrichtungen, acht Handwerkerzuenfte aufgezaehlt: der Floetenblaeser, der Goldschmiede, der Kupferschmiede, der Zimmerleute, der Walker, der Faerber, der Toepfer, der Schuster - womit fuer die aelteste Zeit, wo man das Brotbacken und die gewerbmaessige Arzneikunst noch nicht kannte und die Frauen des Hauses die Wolle zu den Kleidern selber spannen, der Kreis der auf Bestellung fuer fremde Rechnung arbeitenden Gewerke wohl im wesentlichen erschoepft sein wird. Merkwuerdig ist es, dass keine eigene Zunft der Eisenarbeiter erscheint. Es bestaetigt dies aufs neue, dass man in Latium erst verhaeltnismaessig spaet mit der Bearbeitung des Eisens begonnen hat; weshalb denn auch im Ritual zum Beispiel fuer den heiligen Pflug und das priesterliche Schermesser bis in die spaeteste Zeit durchgaengig nur Kupfer verwandt werden durfte. Fuer das staedtische Leben Roms und seine Stellung zu der latinischen Landschaft muessen diese Gewerkschaften in der aeltesten Periode von grosser Bedeutung gewesen sein, die nicht abgemessen werden darf nach den spaeteren, durch die Masse der fuer den Herrn oder auf seine Rechnung arbeitenden Handwerkersklaven und die steigende Einfuhr von Luxuswaren gedrueckten Verhaeltnissen des roemischen Handwerks. Die aeltesten Lieder Roms feierten nicht bloss den gewaltigen Streitgott Mamers, sondern auch den kundigen Waffenschmied Mamurius, der nach dem goettlichen vom Himmel gefallenen Musterschild seinen Mitbuergern gleiche Schilde zu schmieden verstanden hatte; der Gott des Feuers und der Esse Volcanus erscheint bereits in dem uralten roemischen Festverzeichnis. Auch in dem aeltesten Rom sind also wie allerorten die Kunst, die Pflugschar und das Schwert zu schmieden und sie zu fuehren, Hand in Hand gegangen und fand sich nichts von jener hoffaertigen Verachtung der Gewerke, die spaeter daselbst begegnet. Seit indes die Servianische Ordnung den Heerdienst ausschliesslich auf die Ansaessigen legte, waren die Industriellen zwar nicht gesetzlich, aber doch wohl infolge ihrer durchgaengigen Nichtansaessigkeit tatsaechlich vom Waffenrecht ausgeschlossen, ausser insofern aus den Zimmerleuten, den Kupferschmieden und gewissen Klassen der Spielleute eigene militaerisch organisierte Abteilungen dem Heer beigegeben wurden; und es mag dies wohl der Anfang sein zu der spaeteren sittlichen Geringschaetzung und politischen Zuruecksetzung der Gewerke. Die Einrichtung der Zuenfte hatte ohne Zweifel denselben Zweck wie die der auch im Namen ihnen gleichenden Priestergemeinschaften: die Sachverstaendigen taten sich zusammen, um die Tradition fester und sicherer zu bewahren. Dass unkundige Leute in irgendeiner Weise ferngehalten wurden, ist wahrscheinlich; doch finden sich keine Spuren weder von Monopoltendenzen noch von Schutzmitteln gegen schlechte Fabrikation - freilich sind auch ueber keine Seite des roemischen Volkslebens die Nachrichten so voellig versiegt wie ueber die Gewerke.

Dass der italische Handel sich in der aeltesten Epoche auf den Verkehr der Italiker untereinander beschraenkt hat, versteht sich von selbst. Die Messen (mercatus), die wohl zu unterscheiden sind von den gewoehnlichen Wochenmaerkten (nundinae), sind in Latium sehr alt. Sie moegen sich zunaechst an die internationalen Zusammenkuenfte und Feste angereiht, vielleicht also in Rom mit der Festfeier in dem Bundestempel auf dem Aventin in Verbindung gestanden haben; die Latiner, die hierzu jedes Jahr am 13. August nach Rom kamen, mochten diese Gelegenheit zugleich benutzen, um ihre Angelegenheiten in Rom zu erledigen und ihren Bedarf daselbst einzukaufen. Aehnliche und vielleicht noch groessere Bedeutung hatte fuer Etrurien die jaehrliche Landesversammlung am Tempel der Voltumna (vielleicht bei Montefiascone) im Gebiet von Volsinii, welche zugleich als Messe diente und auch von roemischen Kaufleuten regelmaessig besucht ward. Aber die bedeutendste unter allen italischen Messen war die, welche am Soracte im Hain der Feronia abgehalten ward, in einer Lage, wie sie nicht guenstiger zu finden war fuer den Warentausch unter den drei grossen Nationen. Der hohe, einzeln stehende Berg, der mitten in die Tiberebene wie von der Natur selbst den Wanderern zum Ziel hingestellt erscheint, liegt an der Grenzscheide der etruskischen und sabinischen Landschaft, zu welcher letzteren er meistens gehoert zu haben scheint, und ist auch von Latium und Umbrien aus mit Leichtigkeit zu erreichen; regelmaessig erschienen hier die roemischen Kaufleute, und Verletzungen derselben fuehrten manchen Hader mit den Sabinern herbei.

Ohne Zweifel handelte und tauschte man auf diesen Messen, lange bevor das erste griechische oder phoenikische Schiff in die Westsee eingefahren war. Hier halfen bei vorkommenden Missernten die Landschaften einander mit Getreide aus; hier tauschte man ferner Vieh, Sklaven, Metalle und was sonst in jenen aeltesten Zeiten notwendig oder wuenschenswert erschien. Das aelteste Tauschmittel waren Rinder und Schafe, so dass auf ein Rind zehn Schafe gingen; sowohl die Feststellung dieser Gegenstaende als gesetzlich allgemein stellvertretender oder als Geld, als auch der Verhaeltnissatz zwischen Gross- und Kleinvieh reichen, wie die Wiederkehr von beiden besonders bei den Deutschen zeigt, nicht bloss in die graecoitalische, sondern noch darueber hinaus in die Zeit der reinen Herdenwirtschaft zurueck ^7. Daneben kam in Italien, wo man besonders fuer die Ackerbestellung und die Ruestung allgemein des Metalls in ansehnlicher Menge bedurfte, nur wenige Landschaften aber selbst die noetigen Metalle erzeugten, sehr frueh als zweites Tauschmittel das Kupfer (aes) auf, wie denn den kupferarmen Latinern die Schaetzung selbst die “Kupferung” (aestimatio) hiess. In dieser Feststellung des Kupfers als allgemeinen, auf der ganzen Halbinsel gueltigen Aequivalents, sowie in den spaeter noch genauer zu erwaegenden einfachsten Zahlzeichen italischer Erfindung und in dem italischen Duodezimalsystem duerften Spuren dieses aeltesten sich noch selbst ueberlassenen Internationalverkehrs der italischen Voelker vorliegen.

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^7 Der gesetzliche Verhaeltniswert der Schafe und Rinder geht bekanntlich daraus hervor, dass, als man die Vieh- in Geldbussen umsetzte, das Schaf zu zehn, das Rind zu hundert Assen angesetzt wurde (Fest. v. peculatus p. 237, vgl. p. 34, 144; Gell. 11, 1; Plut. Publ. 11). Es ist dieselbe Bestimmung, wenn nach islaendischem Recht der Kuh zwoelf Widder gleich gelten; nur dass hier, wie auch sonst, das deutsche Recht dem aelteren dezimalen das Duodezimalsystem substituiert hat.

Dass die Bezeichnung des Viehs bei den Latinern (pecunia) wie bei den Deutschen (englisch fee) in die des Geldes uebergeht, ist bekannt.

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In welcher Art der ueberseeische Verkehr auf die unabhaengig gebliebenen Italiker einwirkte, wurde im allgemeinen schon frueher bezeichnet. Fast ganz unberuehrt von ihm blieben die sabellischen Staemme, die nur einen geringen und unwirtlichen Kuestensaum innehatten, und was ihnen von den fremden Nationen zukam, wie zum Beispiel das Alphabet, nur durch tuskische oder latinische Vermittlung empfingen; woher denn auch der Mangel staedtischer Entwicklung ruehrt. Auch Tarents Verkehr mit den Apulern und Messapiern scheint in dieser Epoche noch gering gewesen zu sein. Anders an der Westkueste, wo in Kampanien Griechen und Italiker friedlich nebeneinander wohnten, in Latium und mehr noch in Etrurien ein ausgedehnter und regelmaessiger Warentausch stattfand. Was die aeltesten Einfuhrartikel waren, laesst sich teils aus den Fundstuecken schliessen, die uralte, namentlich caeritische Graeber ergeben haben, teils aus Spuren, die in der Sprache und den Institutionen der Roemer bewahrt sind, teils und vorzugsweise aus den Anregungen, die das italische Gewerbe empfing; denn natuerlich kaufte man laengere Zeit die fremden Manufakte, ehe man sie nachzuahmen begann. Wir koennen zwar nicht bestimmen, wie weit die Entwicklung der Handwerke vor der Scheidung der Staemme und dann wieder in derjenigen Periode gediehen ist, wo Italien sich selbst ueberlassen blieb; es mag dahingestellt werden, inwieweit die italischen Walker, Faerber, Gerber und Toepfer von Griechenland oder von Phoenikien aus den Anstoss empfangen oder selbstaendig sich entwickelt haben. Aber sicher kann das Gewerk der Goldschmiede, das seit unvordenklicher Zeit in Rom bestand, erst aufgekommen sein, nachdem der ueberseeische Handel begonnen und in einiger Ausdehnung unter den Bewohnern der Halbinsel Goldschmuck vertrieben hatte. So finden wir denn auch in den aeltesten Grabkammern von Caere und Vulci in Etrurien und Praeneste in Latium Goldplatten mit eingestempelten gefluegelten Loewen und aehnlichen Ornamenten babylonischer Fabrik. Es mag ueber das einzelne Fundstueck gestritten werden, ob es vom Ausland eingefuehrt oder einheimische Nachahmung ist; im ganzen leidet es keinen Zweifel, dass die ganze italische Westkueste in aeltester Zeit Metallwaren aus dem Osten bezogen hat. Es wird sich spaeter, wo von der Kunstuebung die Rede ist, noch deutlicher zeigen, dass die Architektur wie die Plastik in Ton und Metall daselbst in sehr frueher Zeit durch griechischen Einfluss eine maechtige Anregung empfangen haben, das heisst, dass die aeltesten Werkzeuge und die aeltesten Muster aus Griechenland gekommen sind. In die eben erwaehnten Grabkammern waren ausser dem Goldschmuck noch mit eingelegt Gefaesse von blaeulichem Schmelzglas oder gruenlichem Ton, nach Material und Stil wie nach den eingedrueckten Hieroglyphen zu schliessen, aegyptischen Ursprungs ^8; Salbgefaesse von orientalischem Alabaster, darunter mehrere als Isis geformt; Strausseneier mit gemalten oder eingeschnitzten Sphinxen und Greifen; Glas- und Bernsteinperlen. Die letzten koennen aus dem Norden auf dem Landweg gekommen sein; die uebrigen Gegenstaende aber beweisen die Einfuhr von Salben und Schmucksachen aller Art aus dem Orient. Eben daher kamen Linnen und Purpur, Elfenbein und Weihrauch, was ebenso der fruehe Gebrauch der linnenen Binden, des purpurnen Koenigsgewandes, des elfenbeinernen Koenigsszepters und des Weihrauchs beim Opfer beweist wie die uralten Lehnnamen (λίνον līnum; πορφύρα purpura; σκήπτρον σκίπων scipio, auch wohl ελέφας ebur; θύος thus). Eben dahin gehoert die Entlehnung einer Anzahl auf Ess- und Trinkwaren bezueglicher Woerter, namentlich die Benennung des Oels (vgl. 1, 200), der Kruege (αμφορεύς amp[h]ora ampulla; κρατήρ cratera), des Schmausens (κωμάζω comissari), des Leckergerichts (οψώνιον opsonium), des Teiges (μάζα massa) und verschiedener Kuchennamen (γλυκούς lucuns; πλακούς placenta; τυρούς turunda), wogegen umgekehrt die lateinischen Namen der Schuessel (patina πατάνη) und des Specks (arvina αρβίνη) in das sizilische Griechisch Eingang gefunden haben. Die spaetere Sitte, den Toten attisches, kerkyraeisches und kampanisches Luxusgeschirr ins Grab zu stellen, beweist eben wie diese sprachlichen Zeugnisse den fruehen Vertrieb der griechischen Toepferwaren nach Italien. Dass die griechische Lederarbeit in Latium wenigstens bei der Armatur Eingang fand, zeigt die Verwendung des griechischen Wortes fuer Leder (σκύτος) bei den Latinern fuer den Schild (scutum; wie lorica von lorum). Endlich gehoeren hierher die zahlreichen aus dem Griechischen entlehnten Schifferausdruecke, obwohl die Hauptschlagwoerter fuer die Segelschiffahrt: Segel, Mast und Rahe doch merkwuerdigerweise rein lateinisch gebildet sind ^9; ferner die griechische Benennung des Briefes (επιστολή epistula), der Marke (tessera, von τέσσαρα ^10), der Waage (στατήρ statera) und des Aufgeldes (αρραβών arrabo, arra) im Lateinischen und umgekehrt die Aufnahme italischer Rechtsausdruecke in das sizilische Griechisch, sowie der nachher zu erwaehnende Austausch der Muenz-, Mass- und Gewichtsverhaeltnisse und Namen. Namentlich der barbarische Charakter, den alle diese Entlehnungen an der Stirne tragen, vor allem die charakteristische Bildung des Nominativs aus dem Akkusativ (placenta = πλακούντα; ampora = αμφορέα; statera = στατήρα), ist der klarste Beweis ihres hohen Alters. Auch die Verehrung des Handelsgottes (Mercurius) erscheint von Haus aus durch griechische Vorstellungen bedingt und selbst sein Jahrfest darum auf die Iden des Mai gelegt zu sein, weil die hellenischen Dichter ihn feierten als den Sohn der schoenen Maia.

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^8 Vor kurzem ist in Praeneste ein silberner Mischkrug mit einer phoenikischen und einer Hieroglypheninschrift gefunden worden (Mon. Inst. X., Taf. 32), welcher unmittelbar beweist, dass, was Aegyptisches in Italien zum Vorschein kommt, durch phoenikische Vermittlung dorthin gelangt ist.

^9 Velum ist sicher latinischen Ursprungs; ebenso malus, zumal da dies nicht bloss den Mast-, sondern ueberhaupt den Baum bezeichnet; auch antenna kann von ανά (anhelare, antestari) und tendere = supertensa herkommen. Dagegen sind griechisch gubernare steuern κυβερνάν, ancora Anker άγκυρα, prora Vorderteil πρώρα, aplustre Schiffshinterteil άφλαστον, anquina der die Rahen festhaltende Strick άγκοινα, nausea Seekrankheit ναυσία. Die alten vier Hauptwinde - aquilo der Adlerwind, die nordoestliche Tramontana; volturnus (unsichere Ableitung, vielleicht der Geierwind), der Suedost; auster, der ausdoerrende Suedwestwind, der Scirocco; favonius, der guenstige, vom Tyrrhenischen Meer herwehende Nordwestwind - haben einheimische nicht auf Schiffahrt bezuegliche Namen; alle uebrigen lateinischen Windnamen aber sind griechisch (wie eurus, notus) oder aus griechischen uebersetzt (z. B. solanus = απηλιώτης, Africus = λίψ).

^10 Zunaechst sind die Marken im Lagerdienst gemeint, die ξυλήφια κατά φυλακήν βραχέα τελέως έχοντα χαρακτήρα (Polyb. 6, 35, 7); die vier vigiliae des Nachtdienstes haben den Marken ueberhaupt den Namen gegeben. Die Vierteilung der Nacht fuer den Wachtdienst ist griechisch wie roemisch; die Kriegswissenschaft der Griechen mag wohl, etwa durch Pyrrhos (Liv. 35, 14), auf die Organisation des Sicherheitsdienstes im roemischen Lager eingewirkt haben. Die Verwendung der nicht dorischen Form spricht fuer verhaeltnismaessig spaete Uebernahme des Wortes.

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Sonach bezog das aelteste Italien so gut wie das kaiserliche Rom seine Luxuswaren aus dem Osten, bevor es nach den von dort empfangenen Mustern selbst zu fabrizieren versuchte; zum Austausch aber hatte es nichts zu bieten als seine Rohprodukte, also vor allen Dingen sein Kupfer, Silber und Eisen, dann Sklaven und Schiffsbauholz, den Bernstein von der Ostsee und, wenn etwa im Ausland Missernte eingetreten war, sein Getreide.

Aus diesem Stande des Warenbedarfs und der dagegen anzubietenden Aequivalente ist schon frueher erklaert worden, warum sich der italische Handel in Latium und in Etrurien so verschiedenartig gestaltete. Die Latiner, denen alle hauptsaechlichen Ausfuhrartikel mangelten, konnten nur einen Passivhandel fuehren und mussten schon in aeltester Zeit das Kupfer, dessen sie notwendig bedurften, von den Etruskern gegen Vieh oder Sklaven eintauschen, wie denn der uralte Vertrieb der letzteren auf das rechte Tiberufer schon erwaehnt ward; dagegen musste die tuskische Handelsbilanz in Caere wie in Populonia, in Capua wie in Spina sich notwendig guenstig stellen. Daher der schnell entwickelte Wohlstand dieser Gegenden und ihre maechtige Handelsstellung, waehrend Latium vorwiegend eine ackerbauende Landschaft bleibt. Es wiederholt sich dies in allen einzelnen Beziehungen: die aeltesten nach griechischer Art, nur mit ungriechischer Verschwendung gebauten und ausgestatteten Graeber finden sich in Caere, waehrend mit Ausnahme von Praeneste, das eine Sonderstellung gehabt zu haben und mit Falerii und dem suedlichen Etrurien in besonders enger Verbindung gewesen zu sein scheint, die latinische Landschaft nur geringen Totenschmuck auslaendischer Herkunft und kein einziges eigentliches Luxusgrab aus aelterer Zeit aufweist, vielmehr hier wie bei den Sabellern in der Regel ein einfacher Rasen die Leiche deckte. Die aeltesten Muenzen, den grossgriechischen der Zeit nach wenig nachstehend, gehoeren Etrurien, namentlich Populonia an; Latium hat in der ganzen Koenigszeit mit Kupfer nach dem Gewicht sich beholfen und selbst die fremden Muenzen nicht eingefuehrt, denn nur aeusserst selten haben dergleichen, wie zum Beispiel eine von Poseidonia, dort sich gefunden. In Architektur, Plastik und Toreutik wirkten dieselben Anregungen auf Etrurien und auf Latium, aber nur dort kommt ihnen ueberall das Kapital entgegen und erzeugt ausgedehnten Betrieb und gesteigerte Technik. Es waren wohl im ganzen dieselben Waren, die man in Latium und Etrurien kaufte, verkaufte und fabrizierte; aber in der Intensitaet des Verkehrs stand die suedliche Landschaft weit zurueck hinter den noerdlichen Nachbarn. Eben damit haengt es zusammen, dass die nach griechischem Muster in Etrurien angefertigten Luxuswaren auch in Latium, namentlich in Praeneste, ja in Griechenland selbst Absatz fanden, waehrend Latium schwerlich jemals dergleichen ausgefuehrt hat.

Ein nicht minder bemerkenswerter Unterschied des Verkehrs der Latiner und Etrusker liegt in dem verschiedenen Handelszug. Ueber den aeltesten Handel der Etrusker im Adriatischen Meere koennen wir kaum etwas aussprechen als die Vermutung, dass er von Spina und Hatria vorzugsweise nach Kerkyra gegangen ist. Dass die westlichen Etrusker sich dreist in die oestlichen Meere wagten und nicht bloss mit Sizilien, sondern auch mit dem eigentlichen Griechenland verkehrten, ward schon gesagt. Auf alten Verkehr mit Attika deuten nicht bloss die attischen Tongefaesse, die in den juengeren etruskischen Graebern so zahlreich vorkommen und zu anderen Zwecken als zum Graeberschmuck, wie bemerkt, wohl schon in dieser Epoche eingefuehrt worden sind, waehrend umgekehrt die tyrrhenischen Erzleuchter und Goldschalen frueh in Attika ein gesuchter Artikel wurden, sondern bestimmter noch die Muenzen. Die Silberstuecke von Populonia sind nachgepraegt einem uralten, einerseits mit dem Gorgoneion gestempelten, anderseits bloss mit einem eingeschlagenen Quadrat versehenen Silberstueck, das sich in Athen und an der alten Bernsteinstrasse in der Gegend von Posen gefunden hat und das hoechst wahrscheinlich eben die in Athen auf Solons Geheiss geschlagene Muenze ist. Dass ausserdem, und seit der Entwicklung der karthagisch-etruskischen Seeallianz vielleicht vorzugsweise, die Etrusker mit den Karthagern verkehrten, ward gleichfalls schon erwaehnt; es ist beachtenswert, dass in den aeltesten Graebern von Caere ausser einheimischem Bronze- und Silbergeraet vorwiegend orientalische Waren sich gefunden haben, welche allerdings auch von griechischen Kaufleuten herruehren koennen, wahrscheinlicher aber doch von phoenikischen Handelsmaennern eingefuehrt wurden. Indes darf diesem phoenikischen Verkehr nicht zu viel Bedeutung beigelegt und namentlich nicht uebersehen werden, dass das Alphabet wie alle sonstigen Anregungen und Befruchtungen der einheimischen Kultur von den Griechen, nicht von den Phoenikern nach Etrurien gebracht sind.

Nach einer anderen Richtung weist der latinische Verkehr. So selten wir auch Gelegenheit haben, Vergleichungen der roemischen und der etruskischen Aufnahme hellenischer Elemente anzustellen, so zeigen sie doch, wo sie moeglich sind, eine vollstaendige Unabhaengigkeit beider Voelkerschaften voneinander. Am deutlichsten tritt dies hervor im Alphabet: das von den chalkidisch-dorischen Kolonien in Sizilien oder Kampanien den Etruskern zugebrachte griechische weicht nicht unwesentlich ab von dem den Latinern ebendaher mitgeteilten, und beide Voelker haben also hier zwar aus derselben Quelle, aber doch jedes zu anderer Zeit und an einem anderen Ort geschoepft. Auch in einzelnen Woertern wiederholt sich dieselbe Erscheinung: der roemische Pollux, der tuskische Pultuke sind jedes eine selbstaendige Korruption des griechischen Polydeukes; der tuskische Utuze oder Uthuze ist aus Odysseus gebildet, der roemische Ulixes gibt genau die in Sizilien uebliche Namensform wieder; ebenso entspricht der tuskische Aivas der altgriechischen Form dieses Namens, der roemische Aiax einer wohl auch sikelischen Nebenform; der roemische Aperta oder Apello, der samnitische Appellun sind entstanden aus dem dorischen Apellon, der tuskische Apulu a us Apollon. So deuten Sprache und Schrift Latiums ausschliesslich auf den Zug des latinischen Handels zu den Kymaeern und Sikelioten; und eben dahin fuehrt jede andere Spur, die aus so ferner Zeit uns geblieben ist: die in Latium gefundene Muenze von Poseidonia; der Getreidekauf bei Missernten in Rom bei den Volskern, Kymaeern und Sikelioten, daneben freilich auch wie begreiflich bei den Etruskern; vor allen Dingen aber das Verhaeltnis des latinischen Geldwesens zu dem sizilischen. Wie die lokale dorisch-chalkidische Bezeichnung der Silbermuenze νόμος, das sizilische Mass ημίνα als nummus und hemina in gleicher Bedeutung nach Latium uebergingen, so waren umgekehrt die italischen Gewichtsbezeichnungen libra, triens, quadrans, sextans, uncia, die zur Abmessung des nach dem Gewichte an Geldes Statt dienenden Kupfers in Latium aufgekommen sind, in den korrupten und hybriden Formen λίτρα, τριάς, τετράς, εζάς, ουγκία schon im dritten Jahrhundert der Stadt in Sizilien in den gemeinen Sprachgebrauch eingedrungen. Ja es ist sogar das sizilische Gewicht- und Geldsystem allein unter allen griechischen zu dem italischen Kupfersystem in ein festes Verhaeltnis gesetzt worden, indem nicht bloss dem Silber der zweihundertfuenfzigfache Wert des Kupfers konventionell und vielleicht gesetzlich beigelegt, sondern auch das hiernach bemessene Aequivalent eines sizilischen Pfundes Kupfer (1/120 des attischen Talents, 1/3 des roemischen Pfundes) als Silbermuenze (λίτρα αργυρίου, das ist “Kupferpfund in Silber”) schon in fruehester Zeit namentlich in Syrakus geschlagen ward. Es kann danach nicht bezweifelt werden, dass die italischen Kupferbarren auch in Sizilien an Geldes Statt umliefen; und es stimmt dies auf das beste damit zusammen, dass der Handel der Latiner nach Sizilien ein Passivhandel war und also das latinische Geld nach Sizilien abfloss. Noch andere Beweise des alten Verkehrs zwischen Sizilien und Italien, namentlich die Aufnahme der italischen Benennungen des Handelsdarlehens, des Gefaengnisses, der Schuessel in den sizilischen Dialekt und umgekehrt, sind bereits frueher erwaehnt worden. Auch von dem alten Verkehr der Latiner mit den chalkidischen Staedten in Unteritalien, Kyme und Neapolis, und mit den Phokaeern in Elea und Massalia begegnen einzelne, wenn auch minder bestimmte Spuren. Dass er indes bei weitem weniger intensiv war als der mit den Sikelioten, beweist schon die bekannte Tatsache, dass alle in aelterer Zeit nach Latium gelangten griechischen Woerter - es genuegt an Aesculapius, Latona, Aperta, machina zu erinnern - dorische Formen zeigen. Wenn der Verkehr mit den urspruenglich ionischen Staedten, wie Kyme und die phokaeischen Ansiedlungen waren, dem mit den sikelischen Dorern auch nur gleichgestanden haette, so wuerden ionische Formen wenigstens daneben erscheinen; obwohl allerdings auch in diese ionischen Kolonien selbst der Dorismus frueh eingedrungen ist und der Dialekt hier sehr geschwankt hat. Waehrend also alles sich vereinigt, um den regen Handel der Latiner mit den Griechen der Westsee ueberhaupt und vor allem mit den sizilischen zu belegen, hat mit den asiatischen Phoenikern schwerlich ein unmittelbarer Verkehr stattgefunden und kann der Verkehr mit den afrikanischen, den Schriftstellen und Fundstuecke hinreichend belegen, in seiner Einwirkung auf den Kulturstand Latiums doch nur in zweiter Reihe gestanden haben; namentlich ist dafuer beweisend, dass - von einigen Lokalnamen abgesehen - es fuer den alten Verkehr der Latiner mit den Voelkerschaften aramaeischer Zunge an jedem sprachlichen Zeugnis gebricht ^11.

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^11 Das Latein scheint, abgesehen von Sarranus, Afer und anderen oertlichen Benennungen, nicht ein einziges, in aelterer Zeit unmittelbar aus dem Phoenikischen entlehntes Wort zu besitzen. Die sehr wenigen in demselben vorkommenden, wurzelhaft phoenikischen Woerter, wie namentlich arrabo oder arra und etwa noch murra, nardus und dergleichen mehr, sind offenbar zunaechst Lehnwoerter aus dem Griechischen, das in solchen orientalischen Lehnwoertern eine ziemliche Anzahl von Zeugnissen seines aeltesten Verkehrs mit den Aramaeern aufzuweisen hat. Dass ελέφας und ebur von dem gleichen phoenikischen Original mit oder ohne Hinzufuegung des Artikels, also jedes selbstaendig gebildet seien, ist sprachlich unmoeglich, da der phoenikische Artikel vielmehr ha ist, auch so nicht verwendet wird; ueberdies ist das orientalische Urwort bis jetzt noch nicht gefunden. Dasselbe gilt von dem raetselhaften Worte thesaurus; mag dasselbe nun urspruenglich griechisch oder von den Griechen aus dem Phoenikischen oder Persischen entlehnt sein, im Lateinischen ist es, wie schon die Festhaltung der Aspiration beweist, auf jeden Fall griechisches Lehnwort.

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Fragen wir weiter, wie dieser Handel vorzugsweise gefuehrt ward, ob von italischen Kaufleuten in der Fremde oder von fremden Kaufleuten in Italien, so hat, wenigstens was Latium anlangt, die erstere Annahme alle Wahrscheinlichkeit fuer sich: es ist kaum denkbar, dass jene latinischen Bezeichnungen des Geldsurrogats und des Handelsdarlehens in den gemeinen Sprachgebrauch der Bewohner der sizilischen Insel dadurch haetten eindringen koennen, dass sizilische Kaufleute nach Ostia gingen und Kupfer gegen Schmuck einhandelten.

Was endlich die Personen und Staende anlangt, durch die dieser Handel in Italien gefuehrt ward, so hat sich in Rom kein eigener, dem Gutsbesitzerstand selbstaendig gegenueberstehender hoeherer Kaufmannsstand entwickelt. Der Grund dieser auffallenden Erscheinung ist, dass der Grosshandel von Latium von Anfang an sich in den Haenden der grossen Grundbesitzer befunden hat - eine Annahme, die nicht so seltsam ist, wie sie scheint. Dass in einer von mehreren schiffbaren Fluessen durchschnittenen Landschaft der grosse Grundbesitzer, der von seinen Paechtern in Fruchtquoten bezahlt wird, frueh zu dem Besitz von Barken gelangte, ist natuerlich und beglaubigt; der ueberseeische Eigenhandel musste also um so mehr dem Gutsbesitzer zufallen, als er allein die Schiffe und in den Fruechten die Ausfuhrartikel besass. In der Tat ist der Gegensatz zwischen Land- und Geldaristokratie den Roemern der aelteren Zeit nicht bekannt; die grossen Grundbesitzer sind immer zugleich die Spekulanten und die Kapitalisten. Bei einem sehr intensiven Handel waere allerdings diese Vereinigung nicht durchzufuehren gewesen; allein wie die bisherige Darstellung zeigt, fand ein solcher in Rom wohl relativ statt, insofern der Handel der latinischen Landschaft sich hier konzentrierte, allein im wesentlichen ward Rom keineswegs eine Handelsstadt wie Caere oder Tarent, sondern war und blieb der Mittelpunkt einer ackerbauenden Gemeinde.

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