KAPITEL VI. Die Italiker gegen Rom

Waehrend die Roemer am Liris und Volturnus fochten, bewegten den Suedosten der Halbinsel andere Kaempfe. Die reiche tarentinische Kaufmannsrepublik, immer ernstlicher bedroht von den lucanischen und messapischen Haufen und ihren eigenen Schwertern mit Recht misstrauend, gewann fuer gute Worte und besseres Geld die Bandenfuehrer der Heimat. Der Spartanerkoenig Archidamos, der mit einem starken Haufen den Stammgenossen zu Hilfe gekommen war, erlag an demselben Tage, wo Philipp bei Chaeroneia siegte, den Lucanern (416 338); wie die frommen Griechen meinten, zur Strafe dafuer, dass er und seine Leute neunzehn Jahre frueher teilgenommen hatten an der Pluenderung des delphischen Heiligtums. Seinen Platz nahm ein maechtigerer Feldhauptmann ein, Alexander der Molosser, Bruder der Olympias, der Mutter Alexanders des Grossen. Mit den mitgebrachten Scharen vereinigte er unter seinen Fahnen die Zuzuege der Griechenstaedte, namentlich der Tarentiner und Metapontiner; ferner die Poediculer (um Rubi, jetzt Ruvo), die gleich den Griechen sich von der sabellischen Nation bedroht sahen; endlich sogar die lucanischen Verbannten selbst, deren betraechtliche Zahl auf heftige innere Unruhen in dieser Eidgenossenschaft schliessen laesst. So sah er sich bald dem Feinde ueberlegen. Consentia (Cosenza), der Bundessitz, wie es scheint, der in Grossgriechenland angesiedelten Sabeller, fiel in seine Haende. Umsonst kommen die Samniten den Lucanern zu Hilfe; Alexander schlaegt ihre vereinigte Streitmacht bei Paestum, er bezwingt die Daunier um Sipontum, die Messapier auf der suedoestlichen Halbinsel; schon gebietet er von Meer zu Meer und ist im Begriff, den Roemern die Hand zu reichen und mit ihnen gemeinschaftlich die Samniten in ihren Stammsitzen anzugreifen. Aber so unerwartete Erfolge waren den Tarentiner Kaufleuten unerwuenscht und erschreckend; es kam zum Kriege zwischen ihnen und ihrem Feldhauptmann, der als gedungener Soeldner erschienen war und nun sich anliess, als wolle er im Westen ein hellenisches Reich begruenden gleichwie sein Neffe im Osten. Alexander war anfangs im Vorteil: er entriss den Tarentinern Herakleia, stellte Thurii wieder her und scheint die uebrigen italischen Griechen aufgerufen zu haben, sich unter seinem Schutz gegen die Tarentiner zu vereinigen, indem er zugleich es versuchte, zwischen ihnen und den sabellischen Voelkerschaften den Frieden zu vermitteln. Allein seine grossartigen Entwuerfe fanden nur schwache Unterstuetzung bei den entarteten und entmutigten Griechen und der notgedrungene Parteiwechsel entfremdete ihm seinen bisherigen lucanischen Anhang; bei Pandosia fiel er von der Hand eines lucanischen Emigrierten (422 332) ^1. Mit seinem Tode kehrten im wesentlichen die alten Zustaende wieder zurueck. Die griechischen Staedte sahen sich wiederum vereinzelt und wiederum lediglich darauf angewiesen, sich jede, so gut es gehen mochte, zu schuetzen durch Vertrag oder Tributzahlung oder auch durch auswaertige Hilfe, wie zum Beispiel Kroton um 430 (324) mit Hilfe von Syrakus die Brettier zurueckschlug. Die samnitischen Staemme erhielten aufs neue das Uebergewicht und konnten, unbekuemmert um die Griechen, wieder ihre Blicke nach Kampanien und Latium wenden.

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^1 Es wird nicht ueberfluessig sein, daran zu erinnern, dass, was ueber Archidamos und Alexander bekannt ist, aus griechischen Jahrbuechern herruehrt und der Synchronismus dieser und der roemischen fuer die gegenwaertige Epoche noch bloss approximativ festgestellt ist. Man huete sich daher, den im allgemeinen unverkennbaren Zusammenhang der west- und der ostitalischen Ereignisse zu sehr ins einzelne verfolgen zu wollen.

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Hier aber war in der kurzen Zwischenzeit ein ungeheurer Umschwung eingetreten. Die latinische Eidgenossenschaft war gesprengt und zertruemmert, der letzte Widerstand der Volsker gebrochen, die kampanische Landschaft, die reichste und schoenste der Halbinsel, im unbestrittenen und wohlbefestigten Besitz der Roemer, die zweite Stadt Italiens in roemischer Klientel. Waehrend die Griechen und Samniten miteinander rangen, hatte Rom fast unbestritten sich zu einer Machtstellung emporgeschwungen, die zu erschuettern kein einzelnes Volk der Halbinsel die Mittel mehr besass und die alle zugleich mit roemischer Unterjochung bedrohte. Eine gemeinsame Anstrengung der jedes fuer sich Rom nicht gewachsenen Voelker konnte vielleicht die Ketten noch sprengen, ehe sie voellig sich befestigten; aber die Klarheit, der Mut, die Hingebung, wie eine solche Koalition unzaehliger, bisher grossenteils feindlich oder doch fremd sich gegenueberstehender Volks- und Stadtgemeinden sie erforderte, fanden sich nicht oder doch erst, als es bereits zu spaet war.

Nach dem Sturz der etruskischen Macht, nach der Schwaechung der griechischen Republiken war naechst Rom unzweifelhaft die bedeutendste Macht in Italien die samnitische Eidgenossenschaft und zugleich diejenige, die von den roemischen Uebergriffen am naechsten und unmittelbarsten bedroht war. Ihr also kam es zu, in dem Kampf um die Freiheit und die Nationalitaet, den die Italiker gegen Rom zu fuehren hatten, die erste Stelle und die schwerste Last zu uebernehmen. Sie durfte rechnen auf den Beistand der kleinen sabellischen Voelkerschaften, der Vestiner, Frentaner, Marruciner und anderer kleinerer Gaue, die in baeuerlicher Abgeschiedenheit zwischen ihren Bergen wohnten, aber nicht taub waren, wenn der Aufruf eines verwandten Stammes sie mahnte, zur Verteidigung der gemeinsamen Gueter die Waffen zu ergreifen. Wichtiger waere der Beistand der kampanischen und grossgriechischen Hellenen, namentlich der Tarentiner, und der maechtigen Lucaner und Brettier gewesen; allein teils die Schlaffheit und Fahrigkeit der in Tarent herrschenden Demagogen und die Verwicklung der Stadt in die sizilischen Angelegenheiten, teils die innere Zerrissenheit der lucanischen Eidgenossenschaft, teils und vor allem die seit Jahrhunderten bestehende tiefe Verfehdung der unteritalischen Hellenen mit ihren lucanischen Bedraengern liessen kaum hoffen, dass Tarent und Lucanien gemeinschaftlich sich den Samniten anschliessen wuerden. Von den Sabinern und den Marsern als den naechsten und seit langem in friedlichem Verhaeltnis mit Rom lebenden Nachbarn der Roemer war wenig mehr zu erwarten als schlaffe Teilnahme oder Neutralitaet; die Apuler, die alten und erbitterten Gegner der Sabeller, waren die natuerlichen Verbuendeten der Roemer. Dass dagegen die fernen Etrusker, wenn ein erster Erfolg errungen war, dem Bunde sich anschliessen wuerden, liess sich erwarten, und selbst ein Aufstand in Latium und dem Volsker- und Hernikerland lag nicht ausser der Berechnung. Vor allen Dingen aber mussten die Samniten, die italischen Aetoler, in denen die nationale Kraft noch ungebrochen lebte, vertrauen auf die eigene Kraft, auf die Ausdauer im ungleichen Kampf, welche den uebrigen Voelkern Zeit gab zu edler Scham, zu gefasster Ueberlegung, zum Sammeln der Kraefte; ein einziger gluecklicher Erfolg konnte alsdann die Kriegs- und Aufruhrsflammen rings um Rom entzuenden. Die Geschichte darf dem edlen Volke das Zeugnis nicht versagen, dass es seine Pflicht begriffen und getan hat.

Mehrere Jahre schon waehrte der Hader zwischen Rom und Samnium infolge der bestaendigen Uebergriffe, die die Roemer sich am Liris erlaubten und unter denen die Gruendung von Fregellae 426 (328) der letzte und wichtigste war. Zum Ausbruch des Kampfes aber gaben die Veranlassung die kampanischen Griechen. Seitdem Cumae und Capua roemisch geworden waren, lag den Roemern nichts so nahe wie die Unterwerfung der Griechenstadt Neapolis, die auch die griechischen Inseln im Golf beherrschte, innerhalb des roemischen Machtgebiets die einzige noch nicht unterworfene Stadt. Die Tarentiner und Samniten, unterrichtet von dem Plane der Roemer, sich der Stadt zu bemaechtigen, beschlossen, ihnen zuvorzukommen; und wenn die Tarentiner nicht sowohl zu fern als zu schlaff waren, um diesen Plan auszufuehren, so warfen die Samniten in der Tat eine starke Besatzung hinein. Sofort erklaerten die Roemer dem Namen nach den Neapoliten, in der Tat den Samniten den Krieg (427 327) und begannen die Belagerung von Neapolis. Nachdem dieselbe eine Weile gewaehrt hatte, wurden die kampanischen Griechen des gestoerten Handels und der fremden Besatzung muede; und die Roemer, deren ganzes Bestreben darauf gerichtet war, von der Koalition, deren Bildung bevorstand, die Staaten zweiten und dritten Ranges durch Sondervertraege fernzuhalten, beeilten sich, sowie sich die Griechen auf Unterhandlungen einliessen, ihnen die guenstigsten Bedingungen zu bieten: volle Rechtsgleichheit und Befreiung vom Landdienst, gleiches Buendnis und ewigen Frieden. Daraufhin ward, nachdem die Neapoliten sich der Besatzung durch List entledigt hatten, der Vertrag abgeschlossen (428 326).

Im Anfang dieses Krieges hielten die sabellischen Staedte suedlich vom Volturnus, Nola, Nuceria, Herculaneum, Pompeii, es mit Samnium; allein teils ihre sehr ausgesetzte Lage, teils die Machinationen der Roemer, welche die optimatische Partei in diesen Staedten durch alle Hebel der List und des Eigennutzes auf ihre Seite zu ziehen versuchten und dabei an Capuas Vorgang einen maechtigen Fuersprecher fanden, bewirkten, dass diese Staedte nicht lange nach dem Fall von Neapolis sich entweder fuer Rom oder doch neutral erklaerten.

Ein noch wichtigerer Erfolg gelang den Roemern in Lucanien. Das Volk war auch hier mit richtigem Instinkt fuer den Anschluss an die Samniten; da aber das Buendnis mit den Samniten auch Frieden mit Tarent nach sich zog und ein grosser Teil der regierenden Herren Lucaniens nicht gemeint war, die eintraeglichen Pluenderzuege einzustellen, so gelang es den Roemern, mit Lucanien ein Buendnis abzuschliessen, das unschaetzbar war, weil dadurch den Tarentinern zu schaffen gemacht wurde und also die ganze Macht Roms gegen Samnium verwendbar blieb.

So stand Samnium nach allen Seiten hin allein; kaum dass einige der oestlichen Bergdistrikte ihm Zuzug sandten. Mit dem Jahre 428 (326) begann der Krieg im samnitischen Lande selbst; einige Staedte an der kampanischen Grenze, Rufrae (zwischen Venafrum und Teanum) und Allifae, wurden von den Roemern besetzt. In den folgenden Jahren durchzogen die roemischen Heere fechtend und pluendernd Samnium bis in das vestinische Gebiet hinein, ja bis nach Apulien, wo man sie mit offenen Armen empfing, ueberall im entschiedensten Vorteil. Der Mut der Samniten war gebrochen; sie sandten die roemischen Gefangenen zurueck und mit ihnen die Leiche des Fuehrers der Kriegspartei, Brutulus Papius, welcher den roemischen Henkern zuvorgekommen war, nachdem die samnitische Volksgemeinde beschlossen hatte, den Frieden von dem Feinde zu erbitten und durch die Auslieferung ihres tapfersten Feldherrn sich leidlichere Bedingungen zu erwirken. Aber als die demuetige, fast flehentliche Bitte bei der roemischen Volksgemeinde keine Erhoerung fand (432 322), ruesteten sich die Samniten unter ihrem neuen Feldherrn Gavius Pontius zur aeussersten und verzweifelten Gegenwehr. Das roemische Heer, das unter den beiden Konsuln des folgenden Jahres (433 321), Spurius Postumius und Titus Veturius, bei Calatia (zwischen Caserta und Maddaloni) gelagert war, erhielt die durch die Aussage zahlreicher Gefangenen bestaetigte Nachricht, dass die Samniten Luceria eng eingeschlossen haetten und die wichtige Stadt, an der der Besitz Apuliens hing, in grosser Gefahr schwebe. Eilig brach man auf. Wollte man zu rechter Zeit anlangen, so konnte kein anderer Weg eingeschlagen werden als mitten durch das feindliche Gebiet, da wo spaeter als Fortsetzung der Appischen Strasse die roemische Chaussee von Capua ueber Benevent nach Apulien angelegt ward. Dieser Weg fuehrte zwischen den heutigen Orten Arpaja und Montesarchio (Caudium) durch einen feuchten Wiesengrund, der rings von hohen und steilen Waldhuegeln umschlossen und nur durch tiefe Einschnitte beim Ein- und Austritt zugaenglich war. Hier hatten die Samniten verdeckt sich aufgestellt. Die Roemer, ohne Hindernis in das Tal eingetreten, fanden den Ausweg durch Verhaue gesperrt und stark besetzt; zurueckmarschierend erblickten sie den Eingang in aehnlicher Weise geschlossen und gleichzeitig kroenten die Bergraender rings im Kreise sich mit den samnitischen Kohorten. Zu spaet begriffen sie, dass sie sich durch eine Kriegslist hatten taeuschen lassen und dass die Samniten nicht bei Luceria sie erwarteten, sondern in dem verhaengnisvollen Pass von Caudium. Man schlug sich, aber ohne Hoffnung auf Erfolg und ohne ernstliches Ziel; das roemische Heer war gaenzlich unfaehig zu manoevrieren und ohne Kampf vollstaendig ueberwunden. Die roemischen Generale Boten die Kapitulation an. Nur toerichte Rhetorik laesst dem samnitischen Feldherrn die Wahl bloss zwischen Entlassung und Niedermetzelung der roemischen Armee; er konnte nichts Besseres tun als die angebotene Kapitulation annehmen und das feindliche Heer, die gesamte augenblicklich aktive Streitmacht der roemischen Gemeinde mit beiden hoechstkommandierenden Feldherren, gefangen machen; worauf ihm dann der Weg nach Kampanien und Latium offenstand und unter den damaligen Verhaeltnissen, wo die Volsker und Herniker und der groesste Teil der Latiner ihn mit offenen Armen empfangen haben wuerden, Roms politische Existenz ernstlich gefaehrdet war. Allein statt diesen Weg einzuschlagen und eine Militaerkonvention zu schliessen, dachte Gavius Pontius durch einen billigen Frieden gleich den ganzen Hader beendigen zu koennen; sei es, dass er die unverstaendige Friedenssehnsucht der Eidgenossen teilte, der das Jahr zuvor Brutulus Papius zum Opfer gefallen war, sei es, dass er nicht imstande war, der kriegsmueden Partei zu wehren, dass sie den beispiellosen Sieg ihm verdarb. Die gestellten Bedingungen waren maessig genug: Rom solle die vertragswidrig angelegten Festungen - Cales und Fregellae - schleifen und den gleichen Bund mit Samnium erneuern. Nachdem die roemischen Feldherren dieselben eingegangen waren und fuer die getreuliche Ausfuehrung sechshundert aus der Reiterei erlesene Geiseln gestellt, ueberdies ihr und ihrer saemtlichen Stabsoffiziere Eideswort dafuer verpfaendet hatten, wurde das roemische Heer entlassen, unverletzt, aber entehrt; denn das siegestrunkene samnitische Heer gewann es nicht ueber sich, den gehassten Feinden die schimpfliche Form der Waffenstreckung und des Abzuges unter dem Galgen durch zu erlassen.

Allein der roemische Senat, unbekuemmert um den Eid der Offiziere und um das Schicksal der Geiseln, kassierte den Vertrag und begnuegte sich diejenigen, die ihn abgeschlossen hatten, als persoenlich fuer dessen Erfuellung verantwortlich dem Feinde auszuliefern. Es kann der unparteiischen Geschichte wenig darauf ankommen, ob die roemische Advokaten- und Pfaffenkasuistik hierbei den Buchstaben des Rechts gewahrt oder der Beschluss des roemischen Senats denselben verletzt hat; menschlich und politisch betrachtet trifft die Roemer hier kein Tadel. Es ist ziemlich gleichgueltig, ob nach formellem roemischen Staatsrecht der kommandierende General befugt oder nicht befugt war, ohne vorbehaltene Ratifikation der Buergerschaft Frieden zu schliessen; dem Geiste und der Uebung der Verfassung nach stand es vollkommen Fest, dass in Rom jeder nicht rein militaerische Staatsvertrag zur Kompetenz der buergerlichen Gewalten gehoerte und ein Feldherr, der ohne Auftrag von Rat und Buergerschaft Frieden schloss, mehr tat, als er tun durfte. Es war ein groesserer Fehler des samnitischen Feldherrn, den roemischen die Wahl zu stellen zwischen Rettung ihres Heeres und Ueberschreitung ihrer Vollmacht, als der roemischen, dass sie nicht die Seelengroesse hatten, die letztere Anmutung unbedingt zurueckzuweisen; und dass der roemische Senat einen solchen Vertrag verwarf, war recht und notwendig. Kein grosses Volk gibt, was es besitzt, anders hin als unter dem Druck der aeussersten Notwendigkeit; alle Abtretungsvertraege sind Anerkenntnisse einer solchen, nicht sittliche Verpflichtungen. Wenn jede Nation mit Recht ihre Ehre darein setzt, schimpfliche Vertraege mit den Waffen zu zerreissen, wie kann ihr dann die Ehre gebieten, an einem Vertrage gleich dem Caudinischen, zu dem ein ungluecklicher Feldherr moralisch genoetigt worden ist, geduldig festzuhalten, wenn die frische Schande brennt und die Kraft ungebrochen dasteht?

So brachte der Friedensvertrag von Caudium nicht die Ruhe, die die Friedensenthusiasten in Samnium toerichterweise davon erhofft hatten, sondern nur Krieg und wieder Krieg, mit gesteigerter Erbitterung auf beiden Seiten durch die verscherzte Gelegenheit, das gebrochene feierliche Wort, die geschaendete Waffenehre, die preisgegebenen Kameraden. Die ausgelieferten roemischen Offiziere wurden von den Samniten nicht angenommen, teils weil sie zu gross dachten, um an diesen Ungluecklichen ihre Rache zu ueben, teils weil sie damit den Roemern wuerden zugestanden haben, dass das Buendnis nur die Schwoerenden verpflichtet habe, nicht den roemischen Staat. Hochherzig verschonten sie sogar die Geiseln, deren Leben nach Kriegsrecht verwirkt war, und wandten sich vielmehr sogleich zum Waffenkampf. Luceria ward von ihnen besetzt, Fregellae ueberfallen und erstuermt (434 320), bevor die Roemer die aufgeloeste Armee wieder reorganisiert hatten; was man haette erreichen koennen, wenn man den Vorteil nicht haette aus den Haenden fahren lassen, zeigt der Uebertritt der Satricaner ^2 zu den Samniten. Aber Rom war nur augenblicklich gelaehmt, nicht geschwaecht; voll Scham und Erbitterung bot man dort auf, was man an Mannschaft und Mitteln vermochte und stellte den erprobtesten, als Soldat wie als Feldherr gleich ausgezeichneten Fuehrer Lucius Papirius Cursor an die Spitze des neugebildeten Heeres. Dasselbe teilte sich; die eine Haelfte zog durch die Sabina und das adriatische Litoral vor Luceria, die andere ebendahin durch Samnium selbst, indem die letztere das samnitische Heer unter gluecklichen Gefechten vor sich her trieb. Man traf wieder zusammen unter den Mauern von Luceria, dessen Belagerung um so eifriger betrieben ward, als dort die roemischen Reiter gefangen sassen; die Apuler, namentlich die Arpaner, leisteten dabei den Roemern wichtigen Beistand, vorzueglich durch Beschaffung der Zufuhr. Nachdem die Samniten zum Entsatz der Stadt eine Schlacht geliefert und verloren hatten, ergab sich Luceria den Roemern (435 319): Papirius genoss die doppelte Freude, die verlorengegebenen Kameraden zu befreien und der samnitischen Besatzung von Luceria die Galgen von Caudium zu vergelten. In den folgenden Jahren (435-437 319-317) ward der Krieg nicht so sehr in Samnium gefuehrt ^3 als in den benachbarten Landschaften. Zuerst zuechtigten die Roemer die samnitischen Verbuendeten in dem apulischen und frentanischen Gebiet und schlossen mit den apulischen Teanensern und den Canusinern neue Bundesvertraege ab. Gleichzeitig ward Satricum zur Botmaessigkeit zurueckgebracht und schwer fuer seinen Abfall bestraft. Alsdann zog der Krieg sich nach Kampanien, wo die Roemer die Grenzstadt gegen Samnium Saticula (vielleicht S. Agata de’ Goti) eroberten (438 316). Jetzt aber schien hier das Kriegsglueck sich wieder gegen sie wenden zu wollen. Die Samniten zogen die Nuceriner (438 316) und bald darauf die Nolaner auf ihre Seite; am oberen Liris vertrieben die Soraner selbst die roemische Besatzung (439 315); eine Erhebung der Ausonen bereitete sich vor und bedrohte das wichtige Cales; selbst in Capua regten sich lebhaft die antiroemisch Gesinnten. Ein samnitisches Heer rueckte in Kampanien ein und lagerte vor der Stadt, in der Hoffnung, durch seine Naehe der Nationalpartei das Uebergewicht zu geben (440 314). Allein Sora ward von den Roemern sofort angegriffen und, nachdem die samnitische Entsatzarmee geschlagen war (440 314), wieder genommen. Die Bewegungen unter den Ausonen wurden mit grausamer Strenge unterdrueckt, ehe der Aufstand recht zum Ausbruch kam, und gleichzeitig ein eigener Diktator ernannt, um die politischen Prozesse gegen die Fuehrer der samnitischen Partei in Capua einzuleiten und abzuurteilen, so dass die namhaftesten derselben, um dem roemischen Henker zu entgehen, freiwillig den Tod nahmen (440 314). Das samnitische Heer vor Capua ward geschlagen und zum Abzug aus Kampanien gezwungen; die Roemer, dem Feinde auf den Fersen folgend, ueberschritten den Matese und lagerten im Winter 440 (314) vor der Hauptstadt Samniums Bovianum. Nola war von den Verbuendeten preisgegeben; die Roemer waren einsichtig genug, durch den guenstigsten, dem neapolitanischen aehnlichen Bundesvertrag die Stadt fuer immer von der samnitischen Partei zu trennen (441 313). Fregellae, das seit der caudinischen Katastrophe in den Haenden der antiroemischen Partei und deren Hauptburg in der Landschaft am Liris gewesen war, fiel endlich auch, im achten Jahre nach der Einnahme durch die Samniten (441 313); zweihundert der Buerger, die vornehmsten der nationalen Partei, wurden nach Rom gefuehrt und dort zum warnenden Beispiel fuer die ueberall sich regenden Patrioten auf offenem Markte enthauptet.

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^2 Es sind dies nicht die Einwohner von Satricum bei Antium, sondern die einer anderen volskischen, damals als roemische Buergergemeinde ohne Stimmrecht konstituierten Stadt bei Arpinum.

^3 Dass zwischen den Roemern und Samniten 436, 437 (318, 317) ein foermlicher zweijaehriger Waffenstillstand bestanden habe, ist mehr als unwahrscheinlich.

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Hiermit waren Apulien und Kampanien in den Haenden der Roemer. Zur endlichen Sicherstellung und bleibenden Beherrschung des eroberten Gebietes wurden in den Jahren 440 bis 442 (314 bis 312) in demselben eine Anzahl neuer Festungen gegruendet: Luceria in Apulien, wohin seiner isolierten und ausgesetzten Lage wegen eine halbe Legion als bleibende Besatzung gesandt ward, ferner Pontiae (die Ponzainseln) zur Sicherung der kampanischen Gewaesser, Saticula an der kampanisch-samnitischen Grenze als Vormauer gegen Samnium, endlich Interamna (bei Monte Cassino) und Suessa Aurunca (Sessa) auf der Strasse von Rom nach Capua. Besatzungen kamen ausserdem nach Caiatia (Cajazzo), Sora und anderen militaerisch wichtigen Plaetzen. Die grosse Militaerstrasse von Rom nach Capua, die der Zensor Appius Claudius 442 (312) chaussieren und den dazu erforderlichen Damm durch die Pontinischen Suempfe ziehen liess, vollendete die Sicherung Kampaniens. Immer vollstaendiger entwickelten sich die Absichten der Roemer; es galt die Unterwerfung Italiens, das durch das roemische Festungs- und Strassennetz von Jahr zu Jahr enger umstrickt ward. Von beiden Seiten schon waren die Samniten von den Roemern umsponnen; schon schnitt die Linie von Rom nach Luceria Nord- und Sueditalien voneinander ab, wie einst die Festungen Norba und Signia die Volsker und Aequer getrennt hatten; und wie damals auf die Herniker, stuetzte Rom sich jetzt auf die Arpaner. Die Italiker mussten erkennen, dass es um ihrer aller Freiheit geschehen war, wenn Samnium unterlag, und dass es die allerhoechste Zeit war, dem tapferen Bergvolk, das nun schon fuenfzehn Jahre allein den ungleichen Kampf gegen die Roemer kaempfte, endlich mit gesamter Kraft zu Hilfe zu kommen.

Die naechsten Bundesgenossen der Samniten waeren die Tarentiner gewesen; allein es gehoert zu dem ueber Samnium und ueber Italien ueberhaupt waltenden Verhaengnis, dass in diesem zukunftbestimmenden Augenblick die Entscheidung in den Haenden dieser italischen Athener lag. Seit die urspruenglich nach alter dorischer Art streng aristokratische Verfassung Tarents in die vollstaendigste Demokratie uebergegangen war, hatte in dieser hauptsaechlich von Schiffern, Fischern und Fabrikanten bewohnten Stadt ein unglaublich reges Leben sich entwickelt; Sinn und Tun der mehr reichen als vornehmen Bevoelkerung wehrte allen Ernst des Lebens in dem witzig und geistreich quirlenden Tagestreiben von sich ab und schwankte zwischen dem grossartigsten Wagemut und der genialsten Erhebung und zwischen schandbarem Leichtsinn und kindischer Schwindelei. Es wird auch in diesem Zusammenhang, wo ueber das Sein oder Nichtsein hochbegabter und altberuehmter Nationen die ernsten Lose fallen, nicht unstatthaft sein, daran zu erinnern, dass Platon, der etwa sechzig Jahre vor dieser Zeit (389) nach Tarent kam, seinem eigenen Zeugnis zufolge am Dionysienfest die ganze Stadt berauscht sah, und dass das parodische Possenspiel, die sogenannte “lustige Tragoedie” eben um die Zeit des grossen samnitischen Krieges in Tarent geschaffen ward. Zu dieser Lotterwirtschaft und Lotterpoesie der Tarentiner Eleganten und Literaten liefert die Ergaenzung die unstete, uebermuetige und kurzsichtige Politik der Tarentiner Demagogen, welche regelmaessig da sich beteiligten, wo sie nichts zu schaffen hatten, und da ausblieben, wo ihr naechstes Interesse sie hinrief. Sie hatten, als nach der caudinischen Katastrophe Roemer und Samniten sich in Apulien gegenueberstanden, Gesandte dorthin geschickt, die beiden Parteien geboten, die Waffen niederzulegen (434 320). Diese diplomatische Intervention in dem italischen Entscheidungskampf konnte verstaendigerweise nichts sein als die Ankuendigung, dass Tarent aus seiner bisherigen Passivitaet jetzt endlich herauszutreten entschlossen sei. Grund genug hatte es wahrlich dazu, wie schwierig und gefaehrlich es auch fuer Tarent selbst war, in diesen Krieg verwickelt zu werden: denn die demokratische Machtentwicklung des Staates hatte sich lediglich auf die Flotte geworfen, und waehrend diese, gestuetzt auf die starke Handelsmarine Tarents, unter den grossgriechischen Seemaechten den ersten Rang einnahm, bestand die Landmacht, auf die es jetzt ankam, wesentlich aus gemieteten Soeldnern und war in tiefem Verfall. Unter diesen Umstaenden war es fuer die tarentinische Republik keine leichte Aufgabe, an dem Kampf zwischen Rom und Samnium sich zu beteiligen, auch abgesehen von der wenigstens beschwerlichen Fehde, in welche die roemische Politik die Tarentiner mit den Lucanern zu verwickeln gewusst hatte. Indes bei kraeftigem Willen waren diese Schwierigkeiten wohl zu ueberwinden; und beide streitende Teile fassten die Aufforderung der tarentinischen Gesandten, mit dem Kampf einzuhalten, in diesem Sinne auf. Die Samniten als die Schwaecheren zeigten sich bereit, derselben nachzukommen; die Roemer antworteten durch die Aufsteckung des Zeichens zur Schlacht. Vernunft und Ehre geboten den Tarentinern, dem herrischen Gebot ihrer Gesandten jetzt die Kriegserklaerung gegen Rom auf dem Fusse folgen zu lassen; allein in Tarent war eben weder diese noch jene am Regimente und man hatte dort bloss mit sehr ernsthaften Dingen sehr kindisch gespielt. Die Kriegserklaerung gegen Rom erfolgte nicht; statt dessen unterstuetzte man lieber gegen Agathokles von Syrakus, der frueher in tarentinischen Diensten gestanden hatte und in Ungnade entlassen worden war, die oligarchische Staedtepartei in Sizilien und sandte, dem Beispiel Spartas folgend, eine Flotte nach der Insel, die in der kampanischen See bessere Dienste getan haben wuerde (440 314).

Energischer handelten die nord- und mittelitalischen Voelker, die namentlich durch die Anlegung der Festung Luceria aufgeruettelt worden zu sein scheinen. Zuerst (443 311) schlugen die Etrusker los, deren Waffenstillstandsvertrag von 403 (351) schon einige Jahre frueher zu Ende gegangen war. Die roemische Grenzfestung Sutrium hatte eine zweijaehrige Belagerung auszuhalten, und in den heftigen Gefechten, die unter ihren Mauern geliefert wurden, zogen die Roemer in der Regel den kuerzeren, bis der Konsul des Jahres 444 (310), Quintus Fabius Rullianus, ein in den Samnitenkriegen erprobter Fuehrer, nicht bloss im roemischen Etrurien das Uebergewicht der roemischen Waffen wiederherstellte, sondern auch kuehn eindrang in das eigentliche, durch die Verschiedenheit der Sprache und die geringen Kommunikationen den Roemern bis dahin fast unbekannt gebliebene etruskische Land. Der Zug ueber den noch von keinem roemischen Heer ueberschrittenen Ciminischen Wald und die Pluenderung des reichen, lange von Kriegsnot verschont gebliebenen Gebiets brachte ganz Etrurien in Waffen; die roemische Regierung, welche die tollkuehne Expedition ernstlich missbilligte und die Ueberschreitung der Grenze dem verwegenen Fuehrer zu spaet untersagt hatte, raffte, um dem erwarteten Ansturm der gesamten etruskischen Macht zu begegnen, in schleunigster Eile neue Legionen zusammen. Allein ein rechtzeitiger und entscheidender Sieg des Rullianus, die lange im Andenken des Volkes fortlebende Schlacht am Vadimonischen See, machte aus dem unvorsichtigen Beginnen eine gefeierte Heldentat und brach den Widerstand der Etrusker. Ungleich den Samniten, die nun schon seit achtzehn Jahren den ungleichen Kampf fochten, bequemten sich schon nach der ersten Niederlage drei der maechtigsten etruskischen Staedte, Perusia, Cortona und Arretium, zu einem Sonderfrieden auf dreihundert (444 310) und, nachdem im folgenden Jahre die Roemer noch einmal bei Perusia die uebrigen Etrusker besiegt hatten, auch die Tarquinienser zu einem Frieden auf vierhundert Monate (446 308); worauf auch die uebrigen Staedte vom Kampfe abstanden und in Etrurien vorlaeufig Waffenruhe eintrat.

Waehrend dieser Ereignisse hatte auch in Samnium der Krieg nicht geruht. Der Feldzug von 443 (311) beschraenkte sich gleich den bisherigen auf die Belagerung und Erstuermung einzelner samnitischer Plaetze; aber im naechsten Jahre nahm der Krieg eine lebhaftere Wendung. Rullianus’ gefaehrliche Lage in Etrurien und die ueber die Vernichtung der roemischen Nordarmee verbreiteten Geruechte ermutigten die Samniten zu neuen Anstrengungen; der roemische Konsul Gaius Marcius Rutilus wurde von ihnen besiegt und selber schwer verwundet. Aber der Umschwung der Dinge in Etrurien zerstoerte die neu aufleuchtenden Hoffnungen. Wieder trat Lucius Papirius Cursor an die Spitze der gegen die Samniten gesandten roemischen Truppen, und wieder blieb er Sieger in einer grossen und entscheidenden Schlacht (445 309), zu der die Eidgenossen ihre letzten Kraefte angestrengt hatten; der Kern ihrer Armee, die Buntroecke mit den Gold-, die Weissroecke mit den Silberschilden wurden hier aufgerieben und die glaenzenden Ruestungen derselben schmueckten seitdem bei festlichen Gelegenheiten die Budenreihen laengs des roemischen Marktes. Immer hoeher stieg die Not, immer hoffnungsloser ward der Kampf. Im folgenden Jahre (446 308) legten die Etrusker die Waffen nieder; in ebendemselben ergab die letzte Stadt Kampaniens, die noch zu den Samniten hielt, Nuceria, zu Wasser und zu Lande gleichzeitig angegriffen, unter guenstigen Bedingungen sich den Roemern. Zwar fanden die Samniten neue Bundesgenossen an den Umbrern im noerdlichen, an den Marsern und Paelignern im mittleren Italien, ja selbst von den Hernikern traten zahlreiche Freiwillige in ihre Reihen; allein was mit entscheidendem Gewicht gegen Rom in die Waagschale haette fallen koennen, wenn die Etrusker noch unter Waffen gestanden haetten, vermehrte jetzt bloss die Erfolge des roemischen Sieges, ohne denselben ernstlich zu erschweren. Den Umbrern, die Miene machten, einen Zug nach Rom zu unternehmen, verlegte Rullianus am oberen Tiber mit der Armee von Samnium den Weg, ohne dass die geschwaechten Samniten es haetten hindern koennen, und dies genuegte, um den umbrischen Landsturm zu zerstreuen. Der Krieg zog sich alsdann wieder nach Mittelitalien. Die Paeligner wurden besiegt, ebenso die Marser; wenngleich die uebrigen sabellischen Staemme noch dem Namen nach Feinde der Roemer blieben, stand doch allmaehlich Samnium von dieser Seite tatsaechlich allein. Aber unerwartet kam ihnen Beistand aus dem Tibergebiet. Die Eidgenossenschaft der Herniker, wegen ihrer unter den samnitischen Gefangenen vorgefundenen Landsleute von den Roemern zur Rede gestellt, erklaerte diesen jetzt den Krieg (448 306) - mehr wohl aus Verzweiflung, als aus Berechnung. Es schlossen auch einige der bedeutendsten hernikischen Gemeinden von vornherein sich von der Kriegfuehrung aus; aber Anagnia, weitaus die ansehnlichste Hernikerstadt, setzte die Kriegserklaerung durch. Militaerisch ward allerdings die augenblickliche Lage der Roemer durch diesen unerwarteten Aufstand im Ruecken der mit der Belagerung der Burgen von Samnium beschaeftigten Armee in hohem Grade bedenklich. Noch einmal war den Samniten das Kriegsglueck guenstig; Sora und Caiatia fielen ihnen in die Haende. Allein die Anagniner unterlagen unerwartet schnell den von Rom ausgesandten Truppen, und rechtzeitig machten diese auch dem in Samnium stehenden Heere Luft; es war eben alles verloren. Die Samniten baten um Frieden, indes vergeblich; noch konnte man sich nicht einigen. Erst der Feldzug von 449 (305) brachte die letzte Entscheidung. Die beiden roemischen Konsularheere drangen, Tiberius Minucius und nach dessen Fall Marcus Fulvius von Kampanien aus durch die Bergpaesse, Lucius Postumius vom Adriatischen Meere her am Biferno hinauf, in Samnium ein, um hier vor der Hauptstadt des Landes, Bovianum, sich die Hand zu reichen; ein entscheidender Sieg ward erfochten, der samnitische Feldherr Statius Gellius gefangengenommen und Bovianum erstuermt. Der Fall des Hauptwaffenplatzes der Landschaft machte dem zweiundzwanzigjaehrigen Krieg ein Ende. Die Samniten zogen aus Sora und Arpinum ihre Besatzungen heraus und schickten Gesandte nach Rom, den Frieden zu erbitten; ihrem Beispiel folgten die sabellischen Staemme, die Marser, Marruciner, Paeligner, Frentaner, Vestiner, Picenter. Die Bedingungen, die Rom gewaehrte, waren leidlich; Gebietsabtretungen wurden zwar einzeln gefordert, zum Beispiel von den Paelignern, allein sehr bedeutend scheinen sie nicht gewesen zu sein. Das gleiche Buendnis zwischen den sabellischen Staaten und den Roemern wurde erneuert (450 304).

Vermutlich um dieselbe Zeit und wohl infolge des samnitischen Friedens ward auch Friede gemacht zwischen Rom und Tarent. Unmittelbar zwar hatten beide Staedte nicht gegeneinander im Felde gestanden; die Tarentiner hatten dem langen Kampfe zwischen Rom und Samnium von Anfang bis zu Ende untaetig zugesehen und nur im Bunde mit den Sallentinern gegen die Bundesgenossen Roms, die Lucaner, die Fehde fortgesetzt. Zwar hatten sie in den letzten Jahren des Samnitischen Krieges noch einmal Miene gemacht nachdruecklicher aufzutreten. Teils die bedraengte Lage, in welche die unaufhoerlichen lucanischen Angriffe sie selbst brachten, teils wohl auch das immer naeher sich ihnen aufdraengende Gefuehl, dass Samniums voellige Unterdrueckung auch ihre eigene Unabhaengigkeit bedrohe, hatten sie bestimmt, trotz der mit Alexander gemachten unerfreulichen Erfahrungen abermals einem Condottiere sich anzuvertrauen. Es kam auf ihren Ruf der spartanische Prinz Kleonymos mit fuenftausend Soeldnern, womit er eine ebenso starke, in Italien angeworbene Schar sowie die Zuzuege der Messapier, der kleineren Griechenstaedte und vor allem das tarentinische Buergerheer, 22 000 Mann stark, vereinigte. An der Spitze dieser ansehnlichen Armee noetigte er die Lucaner, mit Tarent Frieden zu machen und eine samnitisch gesinnte Regierung einzusetzen, wogegen freilich Metapont ihnen aufgeopfert ward. Noch standen die Samniten unter Waffen, als dies geschah; nichts hinderte den Spartaner, ihnen zu Hilfe zu kommen und das Gewicht seines starken Heeres und seiner Kriegskunst fuer die Freiheit der italischen Staedte und Voelker in die Waagschale zu werfen. Allein Tarent handelte nicht, wie Rom im gleichen Falle gehandelt haben wuerde; und Prinz Kleonymos selbst war auch nichts weniger als ein Alexander oder ein Pyrrhos. Er beeilte sich nicht, einen Krieg zu beginnen, bei dem mehr Schlaege zu erwarten standen als Beute, sondern machte lieber mit den Lucanern gemeinschaftliche Sache gegen Metapont und liess es in dieser Stadt sich wohl sein, waehrend er redete von einem Zug gegen Agathokles von Syrakus und von der Befreiung der sizilischen Griechen. Darueber machten denn die Samniten Frieden; und als nach dessen Abschluss Rom anfing, sich um den Suedosten der Halbinsel ernstlicher zu bekuemmern und zum Beispiel im Jahre 447 (307) ein roemischer Heerhaufen das Gebiet der Sallentiner brandschatzte oder vielmehr wohl in hoeherem Auftrag rekognoszierte, ging der spartanische Condottiere mit seinen Soeldnern zu Schiff und ueberrumpelte die Insel Kerkyra, die vortrefflich gelegen war, um von dort aus gegen Griechenland und Italien Piratenzuege zu unternehmen. So von ihrem Feldherrn im Stich gelassen und zugleich ihrer Bundesgenossen im mittleren Italien beraubt, blieb den Tarentinern sowie den mit ihnen verbuendeten Italikern, den Lucanern und Sallentinern, jetzt freilich nichts uebrig, als mit Rom ein Abkommen nachzusuchen, das auf leidliche Bedingungen gewaehrt worden zu sein scheint. Bald nachher (451 303) ward sogar ein Einfall des Kleonymos, der im sallentinischen Gebiet gelandet war und Uria belagerte, von den Einwohnern mit roemischer Hilfe abgeschlagen.

Roms Sieg war vollstaendig; und vollstaendig ward er benutzt. Dass den Samniten, den Tarentinern und den ferner wohnenden Voelkerschaften ueberhaupt so maessige Bedingungen gestellt wurden, war nicht Siegergrossmut, die die Roemer nicht kannten, sondern kluge und klare Berechnung. Zunaechst und vor allem kam es darauf an, nicht so sehr das suedliche Italien so rasch wie moeglich zur formellen Anerkennung der roemischen Suprematie zu zwingen als die Unterwerfung Mittelitaliens, zu welcher durch die in Kampanien und Apulien schon waehrend des letzten Krieges angelegten Militaerstrassen und Festungen der Grund gelegt war, zu ergaenzen und zu vollenden und die noerdlichen und suedlichen Italiker dadurch in zwei militaerisch von jeder unmittelbaren Beruehrung miteinander abgeschnittene Massen auseinanderzusprengen. Darauf zielten denn auch die naechsten Unternehmungen der Roemer mit energischer Konsequenz. Vor allen Dingen benutzte oder machte man die Gelegenheit, mit den in der Tiberlandschaft einstmals mit der roemischen Einzelmacht rivalisierenden und noch nicht voellig beseitigten Eidgenossenschaften der Aequer und der Herniker aufzuraeumen. In demselben Jahre, in welchem der Friede mit Samnium zustande kam (450 304), ueberzog der Konsul Publius Sempronius Sophus die Aequer mit Krieg; vierzig Ortschaften unterwarfen sich in fuenfzig Tagen; das gesamte Gebiet mit Ausnahme des engen und rauhen Bergtals, das noch heute den alten Volksnamen traegt (Cicolano), wurde roemischer Besitz und hier am Nordrand des Fuciner Sees im Jahre darauf die Festung Alba mit einer Besatzung von 6000 Mann gegruendet, fortan die Vormauer gegen die streitbaren Marser und die Zwingburg Mittelitaliens; ebenso zwei Jahre darauf am oberen Turano, naeher an Rom, Carsioli, beide als Bundesgemeinden latinischen Rechts.

Dass von den Hernikern wenigstens Anagnia sich an dem letzten Stadium des Samnitischen Krieges beteiligt hatte, gab den erwuenschten Grund, das alte Bundesverhaeltnis zu loesen. Das Schicksal der Anagniner war natuerlicherweise bei weitem haerter als dasjenige, welches ein Menschenalter zuvor den latinischen Gemeinden im gleichen Fall bereitet worden war. Sie mussten nicht bloss wie diese das roemische Passivbuergerrecht sich gefallen lassen, sondern verloren auch gleich den Caeriten die eigene Verwaltung; auf einem Teile ihres Gebiets am oberen Trerus (Sacco) wurde ueberdies ein neuer Buergerbezirk sowie gleichzeitig ein anderer am unteren Anio eingerichtet (455 299). Man bedauerte nur, dass die drei naechst Anagnia bedeutendsten hernikischen Gemeinden Aletrium, Verulae und Ferentinum nicht auch abgefallen waren; denn da sie die Zumutung, freiwillig in den roemischen Buergerverband einzutreten, hoeflich ablehnten und jeder Vorwand, sie dazu zu noetigen, mangelte, musste man ihnen wohl nicht bloss die Autonomie, sondern selbst das Recht der Tagsatzung und der Ehegemeinschaft auch ferner zugestehen und damit noch einen Schatten der alten hernikischen Eidgenossenschaft uebrig lassen.

In dem Teil der volskischen Landschaft, welchen bis dahin die Samniten im Besitz gehabt, banden aehnliche Ruecksichten nicht. Hier wurden Arpinum und Frusino untertaenig und die letztere Stadt eines Drittels ihrer Feldmark beraubt, ferner am oberen Liris neben Fregellae die schon frueher mit Besatzung belegte Volskerstadt Sora jetzt auf die Dauer in eine latinische Festung verwandelt und eine Legion von 4000 Mann dahin gelegt. So war das alte Volskergebiet vollstaendig unterworfen und ging seiner Romanisierung mit raschen Schritten entgegen. In die Landschaft, welche Samnium und Etrurien scheidet, wurden zwei Militaerstrassen hineingefuehrt und beide durch Festungen gesichert. Die noerdliche, aus der spaeter die Flaminische wurde, deckte die Tiberlinie; sie fuehrte durch das mit Rom verbuendete Ocriculum nach Narnia, wie die Roemer die alte umbrische Feste Nequinum umnannten, als sie dort eine Militaerkolonie anlegten (455 299). Die suedliche, die spaetere Valerische, lief an den Fuciner See ueber die eben erwaehnten Festungen Carsioli und Alba. Die kleinen Voelkerschaften, in deren Gebiet diese Anlagen stattfanden, die Umbrer, die Nequinum hartnaeckig verteidigten, die Aequer, die noch einmal Alba, die Marser, die Carsioli ueberfielen, konnten Rom in seinem Gang nicht aufhalten; fast ungehindert schoben jene beiden maechtigen Riegel sich zwischen Samnium und Etrurien. Der grossen Strassen- und Festungsanlagen zur bleibenden Sicherung Apuliens und vor allem Kampaniens wurde schon gedacht; durch sie ward Samnium weiter nach Osten und Westen von dem roemischen Festungsnetz umstrickt. Bezeichnend fuer die verhaeltnismaessige Schwaeche Etruriens ist es, dass man es nicht notwendig fand, die Paesse durch den Ciminischen Wald in gleicher Weise durch eine Chaussee und angemessene Festungen zu sichern. Die bisherige Grenzfestung Sutrium blieb hier auch ferner der Endpunkt der roemischen Militaerlinie und man begnuegte sich damit, die Strasse von dort nach Arretium durch die beikommenden Gemeinden in militaerisch brauchbarem Stande halten zu lassen ^4.

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^4 Die Operationen in dem Feldzug 537 (217) und bestimmter noch die Anlage der Chaussee von Arretium nach Bononia 567 (187) zeigen, dass schon vor dieser Zeit die Strasse von Rom nach Arretium instand gesetzt worden ist. Allein eine roemische Militaerchaussee kann sie in dieser Zeit dennoch nicht gewesen sein, da sie, nach ihrer spaeteren Benennung der “Cassischen Strasse” zu schliessen, als via consularis nicht frueher angelegt sein kann als 583 (171); denn zwischen Spurius Cassius, Konsul 252, 261, 268 (502, 493, 486), an den natuerlich nicht gedacht werden darf, und Gaius Cassius Longinus, Konsul 583 (171), erscheint kein Cassier in den roemischen Konsuln- und Zensorenlisten.

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Die hochherzige samnitische Nation begriff es, dass ein solcher Friede verderblicher war als der verderblichste Krieg, und, was mehr ist, sie handelte danach. Eben fingen in Norditalien die Kelten nach langer Waffenruhe wieder an sich zu regen; noch standen ferner daselbst einzelne etruskische Gemeinden gegen die Roemer unter den Waffen und es wechselten hier kurze Waffenstillstaende mit heftigen, aber erfolglosen Gefechten. Noch war ganz Mittelitalien in Gaerung und zum Teil in offenem Aufstand; noch waren die Festungen in der Anlage begriffen, der Weg zwischen Etrurien und Samnium noch nicht voellig gesperrt. Vielleicht war es noch nicht zu spaet, die Freiheit zu retten; aber man durfte nicht saeumen: die Schwierigkeit des Angriffs stieg, die Macht der Angreifer sank mit jedem Jahre des verlaengerten Friedens. Kaum fuenf Jahre hatten die Waffen geruht und noch mussten all die Wunden bluten, welche der zweiundzwanzigjaehrige Krieg den Bauernschaften Samniums geschlagen hatte, als im Jahre 456 (298) die samnitische Eidgenossenschaft den Kampf erneuerte. Den letzten Krieg hatte wesentlich Lucaniens Verbindung mit Rom und die dadurch mitveranlasste Fernhaltung Tarents zu Gunsten Roms entschieden; dadurch belehrt, warfen die Samniten jetzt sich zuvoerderst mit aller Macht auf die Lucaner und brachten hier in der Tat ihre Partei ans Ruder und ein Buendnis zwischen Samnium und Lucanien zum Abschluss. Natuerlich erklaerten die Roemer sofort den Krieg; in Samnium hatte man es nicht anders erwartet. Es bezeichnet die Stimmung, dass die samnitische Regierung den roemischen Gesandten die Anzeige machte, sie sei nicht imstande, fuer ihre Unverletzlichkeit zu buergen, wenn sie samnitisches Gebiet betraeten.

Der Krieg begann also von neuem (456 298), und waehrend ein zweites Heer in Etrurien focht, durchzog die roemische Hauptarmee Samnium und zwang die Lucaner Frieden zu machen und Geiseln nach Rom zu senden. Das folgende Jahr konnten beide Konsuln nach Samnium sich wenden; Rullianus siegte bei Tifernum, sein treuer Waffengefaehrte Publius Decius Mus bei Maleventum, und fuenf Monate hindurch lagerten zwei roemische Heere in Feindesland. Es war das moeglich, weil die tuskischen Staaten auf eigene Hand mit Rom Friedensverhandlungen angeknuepft hatten. Die Samniten, welche von Haus aus in der Vereinigung ganz Italiens gegen Rom die einzige Moeglichkeit des Sieges gesehen haben muessen, boten das Aeusserste auf, um den drohenden Sonderfrieden zwischen Etrurien und Rom abzuwenden; und als endlich ihr Feldherr Gellius Egnatius den Etruskern in ihrem eigenen Lande Hilfe zu bringen anbot, verstand sich in der Tat der etruskische Bundesrat dazu, auszuharren und noch einmal die Entscheidung der Waffen anzurufen. Samnium machte die gewaltigsten Anstrengungen, um drei Heere zugleich ins Feld zu stellen, das eine bestimmt zur Verteidigung des eigenen Gebiets, das zweite zum Einfall in Kampanien, das dritte und staerkste nach Etrurien; und wirklich gelangte im Jahre 458 (296) das letzte, gefuehrt von Egnatius selbst, durch das marsische und das umbrische Gebiet, deren Bewohner im Einverstaendnis waren, ungefaehrdet nach Etrurien. Die Roemer nahmen waehrend dessen einige feste Plaetze in Samnium und brachen den Einfluss der samnitischen Partei in Lucanien; den Abmarsch der von Egnatius gefuehrten Armee wussten sie nicht zu verhindern. Als man in Rom die Kunde empfing, dass es den Samniten gelungen sei, all die ungeheuren, zur Trennung der suedlichen Italiker von den noerdlichen gemachten Anstrengungen zu vereiteln, dass das Eintreffen der samnitischen Scharen in Etrurien das Signal zu einer fast allgemeinen Schilderhebung gegen Rom geworden sei, dass die etruskischen Gemeinden aufs eifrigste arbeiteten, ihre eigenen Mannschaften kriegsfertig zu machen und gallische Scharen in Sold zu nehmen, da ward auch in Rom jeder Nerv angespannt, Freigelassene und Verheiratete in Kohorten formiert - man fuehlte hueben und drueben, dass die Entscheidung bevorstand. Das Jahr 458 (296) jedoch verging, wie es scheint, mit Ruestungen und Maerschen. Fuer das folgende (459 295) stellten die Roemer ihre beiden besten Generale, Publius Decius Mus und den hochbejahrten Quintus Fabius Rullianus, an die Spitze der Armee in Etrurien, welche mit allen in Kampanien irgend entbehrlichen Truppen verstaerkt ward und wenigstens 60000 Mann, darunter ueber ein Drittel roemische Vollbuerger, zaehlte; ausserdem ward eine zwiefache Reserve gebildet, die erste bei Falerii, die zweite unter den Mauern der Hauptstadt. Der Sammelplatz der Italiker war Umbrien, wo die Strassen aus dem gallischen, etruskischen und sabellischen Gebiet zusammenliefen; nach Umbrien liessen auch die Konsuln teils am linken, teils am rechten Ufer des Tiber hinauf ihre Hauptmacht abruecken, waehrend zugleich die erste Reserve eine Bewegung gegen Etrurien machte, um womoeglich die etruskischen Truppen von dem Platz der Entscheidung zur Verteidigung der Heimat abzurufen. Das erste Gefecht lief nicht gluecklich fuer die Roemer ab; ihre Vorhut ward von den vereinigten Galliern und Samniten in dem Gebiet von Chiusi geschlagen. Aber jene Diversion erreichte ihren Zweck; minder hochherzig als die Samniten, die durch die Truemmer ihrer Staedte hindurchgezogen waren, um auf der rechten Walstatt nicht zu fehlen, entfernte sich auf die Nachricht von dem Einfall der roemischen Reserve in Etrurien ein grosser Teil der etruskischen Kontingente von der Bundesarmee, und die Reihen derselben waren sehr gelichtet, als es am oestlichen Abhang des Apennin bei Sentinum zur entscheidenden Schlacht kam. Dennoch war es ein heisser Tag. Auf dem rechten Fluegel der Roemer, wo Rullianus mit seinen beiden Legionen gegen das samnitische Heer stritt, stand die Schlacht lange ohne Entscheidung. Auf dem linken, den Publius Decius befehligte, wurde die roemische Reiterei durch die gallischen Streitwagen in Verwirrung gebracht, und schon begannen hier auch die Legionen zu weichen. Da rief der Konsul den Priester Marcus Livius heran und hiess ihn zugleich das Haupt des roemischen Feldherrn und das feindliche Heer den unterirdischen Goettern weihen; alsdann in den dichtesten Haufen der Gallier sich stuerzend suchte und fand er den Tod. Diese heldenmuetige Verzweiflung des hohen Mannes, des geliebten Feldherrn, war nicht vergeblich. Die fliehenden Soldaten standen wieder, die Tapfersten warfen dem Fuehrer nach sich in die feindlichen Reihen, um ihn zu raechen oder mit ihm zu sterben; und eben im rechten Augenblicke erschien, von Rullianus gesendet, der Konsular Lucius Scipio mit der roemischen Reserve auf dem gefaehrdeten linken Fluegel. Die vortreffliche kampanische Reiterei, die den Galliern in die Flanke und den Ruecken fiel, gab hier den Ausschlag; die Gallier flohen, und endlich wichen auch die Samniten, deren Feldherr Egnatius am Tore des Lagers fiel. 9000 Roemer bedeckten die Walstatt; aber der teuer erkaufte Sieg war solchen Opfers wert. Das Koalitionsheer loeste sich auf und damit die Koalition selbst; Umbrien blieb in roemischer Gewalt, die Gallier verliefen sich, der Ueberrest der Samniten, noch immer in geschlossener Ordnung, zog durch die Abruzzen ab in die Heimat. Kampanien, das die Samniten waehrend des etruskischen Krieges ueberschwemmt hatten, ward nach dessen Beendigung mit leichter Muehe wieder von den Roemern besetzt. Etrurien bat im folgenden Jahre 460 (294) um Frieden; Volsinii, Perusia, Arretium und wohl ueberhaupt alle dem Bunde gegen Rom beigetretenen Staedte gelobten Waffenruhe auf vierhundert Monate. Aber die Samniten dachten anders: sie ruesteten sich zur hoffnungslosen Gegenwehr mit jenem Mute freier Maenner, der das Glueck zwar nicht zwingen, aber beschaemen kann. Als im Jahre 460 (294) die beiden Konsularheere in Samnium einrueckten, stiessen sie ueberall auf den erbittertsten Widerstand; ja, Marcus Atilius erlitt eine Schlappe bei Luceria, und die Samniten konnten in Kampanien eindringen und das Gebiet der roemischen Kolonie Interamna am Liris verwuesten. Im Jahre darauf lieferten Lucius Papirius Cursor, der Sohn des Helden des ersten Samnitischen Krieges, und Spurius Carvilius bei Aquilonia eine grosse Feldschlacht gegen das samnitische Heer, dessen Kern, die 16 000 Weissroecke, mit heiligem Eide geschworen hatte, den Tod der Flucht vorzuziehen. Indes das unerbittliche Schicksal fragt nicht nach Schwueren und verzweifeltem Flehen; der Roemer siegte und stuermte die Festen, in die die Samniten sich und ihre Habe gefluechtet hatten. Selbst nach dieser grossen Niederlage wehrten sich die Eidgenossen gegen den immer uebermaechtigeren Feind noch jahrelang mit beispielloser Ausdauer in ihren Burgen und Bergen und erfochten noch manchen Vorteil im einzelnen; des alten Rullianus erprobter Arm ward noch einmal (462 292) gegen sie aufgeboten, und Gavius Pontius, vielleicht der Sohn des Siegers von Caudium, erfocht sogar fuer sein Volk einen letzten Sieg, den die Roemer niedrig genug an ihm raechten, indem sie ihn, als er spaeter gefangen ward, im Kerker hinrichten liessen (463 291). Aber nichts regte sich weiter in Italien; denn der Krieg, den Falerii 461 (293) begann, verdient kaum diesen Namen. Wohl mochte man in Samnium sehnsuechtig die Blicke wenden nach Tarent, das allein noch imstande war, Hilfe zu gewaehren; aber sie blieb aus. Es waren dieselben Ursachen wie frueher, welche die Untaetigkeit Tarents herbeifuehrten: das innere Missregiment und der abermalige Uebertritt der Lucaner zur roemischen Partei im Jahre 456 (298); hinzu kam noch die nicht ungegruendete Furcht vor Agathokles von Syrakus, der eben damals auf dem Gipfel seiner Macht stand und anfing, sich gegen Italien zu wenden. Um das Jahr 455 (299) setzte dieser auf Kerkyra sich fest, von wo Kleonymos durch Demetrios den Belagerer vertrieben war und bedrohte nun vom Adriatischen wie vom Ionischen Meere her die Tarentiner. Die Abtretung der Insel an Koenig Pyrrhos von Epeiros im Jahre 459 (295) beseitigte allerdings zum grossen Teil die gehegten Besorgnisse; allein die kerkyraeischen Angelegenheiten fuhren fort, die Tarentiner zu beschaeftigen, wie sie denn im Jahre 464 (290) den Koenig Pyrrhos im Besitz der Insel gegen Demetrios schuetzen halfen, und ebenso hoerte Agathokles nicht auf, durch seine italische Politik die Tarentiner zu beunruhigen. Als er starb (465 289) und mit ihm die Macht der Syrakusaner in Italien zugrunde ging, war es zu spaet; Samnium, des siebenunddreissigjaehrigen Kampfes muede, hatte das Jahr vorher (464 290) mit dem roemischen Konsul Manius Curius Dentatus Friede geschlossen und der Form nach den Bund mit Rom erneuert. Auch diesmal wurden, wie im Frieden von 450 (304) dem tapferen Volke von den Roemern keine schimpflichen oder vernichtenden Bedingungen gestellt; nicht einmal Gebietsabtretungen scheinen stattgefunden zu haben. Die roemische Staatsklugheit zog es vor, auf dem bisher eingehaltenen Wege fortzuschreiten, und ehe man an die unmittelbare Eroberung des Binnenlandes ging, zunaechst das kampanische und adriatische Litoral fest und immer fester an Rom zu knuepfen. Kampanien zwar war laengst untertaenig; allein die weitblickende roemische Politik fand es noetig, zur Sicherung der kampanischen Kueste dort zwei Strandfestungen anzulegen, Minturnae und Sinuessa (459 295), deren neue Buergerschaften nach dem fuer Kuestenkolonien feststehenden Grundsatz in das volle roemische Buergerrecht eintraten. Energischer noch ward die Ausdehnung der roemischen Herrschaft in Mittelitalien gefoerdert. Wie die Unterwerfung der Aequer und Herniker die unmittelbare Folge des Ersten Samnitischen Krieges war, so schloss sich an das Ende des Zweiten diejenige der Sabiner. Derselbe Feldherr, der die Samniten schliesslich bezwang, Manius Curius, brach in demselben Jahre (464 290) den kurzen und ohnmaechtigen Widerstand derselben und zwang die Sabiner zur unbedingten Ergebung. Ein grosser Teil des unterworfenen Gebiets wurde von den Siegern unmittelbar in Besitz genommen und an roemische Buerger ausgeteilt, den uebrigbleibenden Gemeinden Cures, Reate, Amiternum, Nursia das roemische Untertanenrecht (civitas sine suffragio) aufgezwungen. Bundesstaedte gleichen Rechts wurden hier nicht gegruendet; die Landschaft kam vielmehr unter die unmittelbare Herrschaft Roms, die sich also ausdehnte bis zum Apennin und den umbrischen Bergen. Aber schon beschraenkte man sich nicht auf das Gebiet diesseits der Berge; der letzte Krieg hatte allzu deutlich gezeigt, dass die roemische Herrschaft ueber Mittelitalien nur gesichert war, wenn sie von Meer zu Meer reichte. Die Festsetzung der Roemer jenseits des Apennin beginnt mit der Anlegung der starken Festung Hatria (Atri) im Jahre 465 (289), an der noerdlichen Abdachung der Abruzzen gegen die picenische Ebene, nicht unmittelbar an der Kueste und daher latinischen Rechts, aber dem Meere nah und der Schlussstein des gewaltigen, Nord- und Sueditalien trennenden Keils. Aehnlicher Art und von noch groesserer Bedeutung war die Gruendung von Venusia (463 291), wohin die unerhoerte Zahl von 20000 Kolonisten gefuehrt ward; die Stadt, an der Markscheide von Samnium, Apulien und Lucanien, auf der grossen Strasse zwischen Tarent und Samnium in einer ungemein festen Stellung gegruendet, war bestimmt, die Zwingburg der umwohnenden Voelkerschaften zu sein und vor allen Dingen zwischen den beiden maechtigsten Feinden Roms im suedlichen Italien die Verbindung zu unterbrechen. Ohne Zweifel ward zu gleicher Zeit auch die Suedstrasse, die Appius Claudius bis nach Capua gefuehrt hatte, von dort weiter bis nach Venusia verlaengert. So erstreckte sich, als die Samnitischen Kriege zu Ende gingen, das geschlossene, das heisst fast ausschliesslich aus Gemeinden roemischen oder latinischen Rechts bestehende Gebiet Roms nordwaerts bis zum Ciminischen Walde, oestlich bis in die Abruzzen und an das Adriatische Meer, suedlich bis nach Capua, waehrend die beiden vorgeschobenen Posten Luceria und Venusia, gegen Osten und Sueden auf den Verbindungslinien der Gegner angelegt, dieselben nach allen Richtungen hin isolierten. Rom war nicht mehr bloss die erste, sondern bereits die herrschende Macht auf der Halbinsel, als gegen das Ende des fuenften Jahrhunderts der Stadt diejenigen Nationen, welche die Gunst der Goetter und die eigene Tuechtigkeit jede in ihrer Landschaft an die Spitze gerufen hatten, im Rat und auf dem Schlachtfeld sich einander zu naehern begannen und, wie in Olympia die vorlaeufigen Sieger zu dem zweiten und ernsteren Kampf, so auf der groesseren Voelkerringstatt jetzt Karthago, Makedonien und Rom sich anschickten zu dem letzten und entscheidenden Wettgang.

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