KAPITEL V. Die Unterwerfung der Latiner und Kampaner unter Rom

Das grosse Werk der Koenigszeit war Roms Herrschaft ueber Latium in der Form der Hegemonie. Dass die Umwandlung der roemischen Verfassung sowohl auf das Verhaeltnis der roemischen Gemeinde zu Latium wie auf die innere Ordnung der latinischen Gemeinden selbst nicht ohne maechtige Rueckwirkung bleiben konnte, leuchtet an sich ein und geht auch aus der Ueberlieferung hervor; von den Schwankungen, in welche durch die Revolution in Rom die roemisch-latinische Eidgenossenschaft geriet, zeugt die in ungewoehnlich lebhaften Farben schillernde Sage von dem Siege am Regiller See, den der Diktator oder Konsul Aulus Postumius (255? 258? 499 496) mit Hilfe der Dioskuren ueber die Latiner gewonnen haben soll, und bestimmter die Erneuerung des ewigen Bundes zwischen Rom und Latium durch Spurius Cassius in seinem zweiten Konsulat (261 493). Indes geben diese Erzaehlungen eben ueber die Hauptsache, das Rechtsverhaeltnis der neuen roemischen Republik zu der latinischen Eidgenossenschaft, am wenigsten Aufschluss; und was wir sonst ueber dasselbe wissen, ist zeitlos ueberliefert und kann nur nach ungefaehrer Wahrscheinlichkeit hier eingereiht werden.

Es liegt im Wesen der Hegemonie, dass sie durch das blosse innere Schwergewicht der Verhaeltnisse allmaehlich in die Herrschaft uebergeht; auch die roemische ueber Latium hat davon keine Ausnahme gemacht. Sie war begruendet auf die wesentliche Rechtsgleichheit des roemischen Staates und der latinischen Eidgenossenschaft; aber wenigstens im Kriegswesen und in der Behandlung der gemachten Eroberungen trug dies Verhaeltnis des Einheitsstaates einer- und des Staatenbundes anderseits die Hegemonie der Sache nach in sich. Nach der urspruenglichen Bundesverfassung war wahrscheinlich das Recht zu Krieg und Vertrag mit auswaertigen Staaten, also die volle staatliche Selbstbestimmung sowohl Rom wie den einzelnen Staedten des latinischen Bundes gewahrt, und es stellte auch wohl bei gemeinschaftlicher Kriegfuehrung Rom wie Latium das gleiche Kontingent, in der Regel jedes ein “Heer” von 8400 Mann ^1; aber den Oberbefehl fuehrte der roemische Feldherr, welcher dann die Stabsoffiziere, also die Teilfuehrer (tribuni militum), nach eigener Wahl ernannte. Im Falle des Sieges wurden die bewegliche Beute wie das eroberte Land zwischen Rom und der Eidgenossenschaft geteilt, und wenn man in dem eroberten Gebiet Festungen anzulegen beschloss, so wurde nicht bloss deren Besatzung und Bevoelkerung teils aus roemischen, teils aus eidgenoessischen Aussendlingen gebildet, sondern auch die neugegruendete Gemeinde als souveraener Bundesstaat in die latinische Eidgenossenschaft aufgenommen und mit Sitz und Stimme auf der latinischen Tagsatzung ausgestattet.

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^1 Die urspruengliche Gleichheit der beiden Armeen geht schon aus Liv. 1, 52; 8, 8, 14 und Dion. Hal. 8, 15, am deutlichsten aber aus Polyb. 6, 26 hervor.

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Diese Bestimmungen werden wahrscheinlich schon in der Koenigszeit, sicher in der republikanischen Epoche sich mehr und mehr zu Ungunsten der Eidgenossenschaft verschoben und Roms Hegemonie weiter entwickelt haben. Am fruehesten fiel ohne Zweifel weg das Kriegs- und Vertragsrecht der Eidgenossenschaft gegenueber dem Ausland ^2; Krieg und Vertrag kam ein fuer allemal an Rom. Die Stabsoffiziere fuer die latinischen Truppen muessen in aelterer Zeit wohl ebenfalls Latiner gewesen sein; spaeter wurden dazu wo nicht ausschliesslich, doch vorwiegend roemische Buerger genommen ^3. Dagegen wurde nach wie vor der latinischen Eidgenossenschaft insgesamt kein staerkeres Kontingent zugemutet als das von der roemischen Gemeinde gestellte war; und ebenso war der roemische Oberfeldherr gehalten, die latinischen Kontingente nicht zu zersplittern, sondern den von jeder Gemeinde gesandten Zuzug als besondere Heerabteilung unter dem von der Gemeinde bestellten Anfuehrer ^4 zusammenzuhalten. Das Anrecht der latinischen Eidgenossenschaft auf einen Anteil an der beweglichen Beute wie an dem eroberten Lande blieb formell bestehen; aber der Sache nach ist der wesentliche Kriegsertrag ohne Zweifel schon in frueher Zeit an den fuehrenden Staat gekommen. Selbst bei der Anlegung der Bundesfestungen oder der sogenannten latinischen Kolonien waren in der Regel vermutlich die meisten und nicht selten alle Ansiedler Roemer; und wenn auch dieselben durch die Uebersiedelung aus roemischen Buergern Buerger einer eidgenoessischen Gemeinde wurden, so blieb doch wohl der neugepflanzten Ortschaft haeufig eine ueberwiegende und fuer die Eidgenossenschaft gefaehrliche Anhaenglichkeit an die wirkliche Mutterstadt.

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^2 Dass in den spaeteren Bundesvertraegen zwischen Rom und Latium es den latinischen Gemeinden untersagt war ihre Kontingente von sich aus zu mobilisieren und allein ins Feld zu senden, sagt ausdruecklich Dionysios (8, 15).

^3 Diese latinischen Stabsoffiziere sind die zwoelf praefecti sociorum, welche spaeterhin, als die alte Phalanx sich in die spaeteren Legionen und alae aufgeloest hatte, ebenso je sechs und sechs den beiden alae der Bundesgenossenkontingente vorstehen, wie die zwoelf Kriegstribunen des roemischen Heeres je sechs und sechs den beiden Legionen. Dass der Konsul jene wie urspruenglich auch diese ernennt, sagt Polyb. 6 26, 5. Da nun nach dem alten Rechtssatz, dass jeder Heerespflichtige Offizier werden kann, es gesetzlich dem Heerfuehrer gestattet war, einen Latiner zum Fuehrer einer roemischen wie umgekehrt einen Roemer zum Fuehrer einer latinischen Legion zu bestellen, so fuehrte dies praktisch dazu, dass die tribuni militum durchaus und die praefecti sociorum wenigstens in der Regel Roemer waren.

^4 Dies sind die decuriones turmarum und praefecti cohortium (Polyb. 6, 21, 5; Liv. 25, 14; Sall. Iug. 69 und sonst). Natuerlich wurden, wie die roemischen Konsuln von Rechts wegen, in der Regel auch tatsaechlich Oberfeldherren waren, vielleicht durchaus, mindestens sehr haeufig auch in den abhaengigen Staedten die Gemeindevorsteher an die Spitze der Gemeindekontingente gestellt (Liv. 23, 19; Orelli 7022); wie denn selbst der gewoehnliche Name der latinischen Obrigkeiten (praetores) sie als Offiziere bezeichnet.

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Die Rechte dagegen, welche die Bundesvertraege dem einzelnen Buerger einer der verbuendeten Gemeinden in jeder Bundesstadt zusicherten, wurden nicht beschraenkt. Es gehoerten dahin namentlich die volle Rechtsgleichheit in Erwerb von Grundbesitz und beweglicher Habe, in Handel und Wandel, Ehe und Testament, und die unbeschraenkte Freizuegigkeit, sodass der in einer Bundesstadt verbuergerte Mann nicht bloss in jeder andern sich niederzulassen rechtlich befugt war, sondern auch daselbst als Rechtsgenosse (municeps) mit Ausnahme der passiven Wahlfaehigkeit an allen privaten und politischen Rechten und Pflichten teilnahm, sogar wenigstens in der nach Distrikten berufenen Gemeindeversammlung in einer freilich beschraenkten Weise zu stimmen befugt war ^5.

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^5 Es wurde ein solcher Insasse nicht wie der wirkliche Mitbuerger einem ein fuer allemal bestimmten Stimmbezirk zugeteilt, sondern vor jeder einzelnen Abstimmung nach Stimmbezirken der, in dem die Insassen diesmal zu stimmen hatten, durch das Los festgestellt. Der Sache nach kam dies wohl darauf hinaus, dass in der roemischen Tribusversammlung den Latinern eine Stimme eingeraeumt ward. Da der Platz in irgendeiner Tribus die Vorbedingung des ordentlichen Zenturiatstimmrechts war, so muss, wenn die Insassen auch in der Zenturienversammlung mitgestimmt haben, was wir nicht wissen, fuer diese eine aehnliche Losung festgesetzt gewesen sein. An den Kurien werden sie gleich den Plebejern teilgenommen haben.

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So etwa mag in der ersten republikanischen Zeit das Verhaeltnis der roemischen Gemeinde zu der latinischen Eidgenossenschaft beschaffen gewesen sein, ohne dass sich ausmachen liesse, was darin auf aeltere Satzungen und was auf die Buendnisrevision von 261 (493) zurueckgeht.

Mit etwas groesserer Sicherheit darf die Umgestaltung der Ordnungen der einzelnen zu der latinischen Eidgenossenschaft gehoerigen Gemeinden nach dem Muster der roemischen Konsularverfassung als Neuerung bezeichnet und in diesen Zusammenhang gestellt werden. Denn obgleich die verschiedenen Gemeinden zu der Abschaffung des Koenigtums an sich recht wohl voneinander unabhaengig gelangt sein koennen, so verraet doch die gleichartige Benennung der neuen Jahreskoenige in der roemischen und den uebrigen Gemeindeverfassungen von Latium sowie die weitgreifende Anwendung des so eigentuemlichen Kollegialitaetsprinzips ^6 augenscheinlich einen aeusseren Zusammenhang; irgend einmal nach der Vertreibung der Tarquinier aus Rom muessen durchaus die latinischen Gemeindeordnungen nach dem Schema der Konsularverfassung revidiert worden sein. Es kann nun freilich diese Ausgleichung der latinischen Verfassungen mit derjenigen der fuehrenden Stadt moeglicherweise erst einer spaeteren Epoche angehoeren; indes spricht die innere Wahrscheinlichkeit vielmehr dafuer, dass der roemische Adel, nachdem er bei sich die Abschaffung des lebenslaenglichen Koenigtums bewirkt hatte, dieselbe Verfassungsaenderung auch den Gemeinden der latinischen Eidgenossenschaft angesonnen und, trotz des ernsten und den Bestand des roemisch-latinischen Bundes selbst in Frage stellenden Widerstandes, welchen teils die vertriebenen Tarquinier, teils die koeniglichen Geschlechter und koeniglich gesinnten Parteien der uebrigen Gemeinden Latiums geleistet zu haben scheinen, schliesslich in ganz Latium die Adelsherrschaft eingefuehrt hat. Die eben in diese Zeit fallende gewaltige Machtentwicklung Etruriens, die stetigen Angriffe der Veienter, der Heereszug des Porsena moegen wesentlich dazu beigetragen haben, die latinische Nation bei der einmal festgestellten Form der Einigung, das heisst bei der fortwaehrenden Anerkennung der Oberherrlichkeit Roms festzuhalten und dem zuliebe eine ohne Zweifel auch im Schosse der latinischen Gemeinden vielfach vorbereitete Verfassungsaenderung, ja vielleicht selbst eine Steigerung der hegemonischen Rechte sich gefallen zu lassen.

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^6 Regelmaessig stehen bekanntlich die latinischen Gemeinden unter zwei Praetoren. Daneben kommen in einer Reihe von Gemeinden auch Einzelbeamte vor, welche dann den Diktatortitel fuehren - so in Alba (Orelli-Henzen 2293), Tusculum, Lanuvium (Cic. Mil. 10, 27;17, 45; Ascon. Mil. p. 32 Orelli, Orelli 2786, 5157, 6086), Compitum (Orelli 3324), Nomentum (Orelli 208, 6138, 7032; vgl. W. Henzen in Bullettino dell’ Istituto 1858, S. 169) und Aricia (Orelli 1455). Dazu kommt der aehnliche Diktator in der civitas sine suffragio Caere (Orelli 3787, 5772; auch Garrucci, Diss. arch. Bd. 1, S. 31, obwohl irrig nach Sutrium gesetzt); ferner die gleichnamigen Beamten von Fidenae (Orelli 112). Alle diese Aemter oder aus Aemtern hervorgegangenen Priestertuemer (der Diktator von Caere ist zu erklaeren nach Liv. 9, 43: Anagninis - magistratibus praeter quam sacrorum curatione interdictum) sind jaehrig (Orelli 208). Auch der Bericht Macers und der aus ihm schoepfenden Annalisten, dass Alba schon zur Zeit seines Falls nicht mehr unter Koenigen, sondern unter Jahresdiktatoren gestanden habe (Dion. Hal. 5, 74; Plut. Rom. 27; Liv. 1, 23), ist vermutlich bloss eine Folgerung aus der ihm bekannten Institution der ohne Zweifel gleich der nomentanischen jaehrigen sacerdotalen albanischen Diktatur, bei welcher Darstellung ueberdies die demokratische Parteistellung ihres Urhebers mit im Spiel gewesen sein wird. Es steht dahin, ob der Schluss gueltig ist und nicht, auch wenn Alba zur Zeit seiner Aufloesung unter lebenslaenglichen Herrschern stand, die Abschaffung des Koenigtums in Rom nachtraeglich die Verwandlung der albanischen Diktatur in ein Jahramt herbeifuehren konnte.

All diese latinischen Magistraturen kommen in der Sache wie besonders auch in den Namen wesentlich mit der in Rom durch die Revolution festgestellten Ordnung in einer Weise ueberein, die durch die blosse Gleichartigkeit der politischen Grundverhaeltnisse nicht genuegend erklaert wird.

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Die dauernd geeinigte Nation vermochte es, ihre Machtstellung nach allen Seiten hin nicht bloss zu behaupten, sondern auch zu erweitern. Dass die Etrusker nur kurze Zeit im Besitze der Suprematie ueber Latium blieben und die Verhaeltnisse hier bald wieder in die Lage zurueckkamen, welche sie in der Koenigszeit gehabt hatten, wurde schon dargestellt; zu einer eigentlichen Erweiterung der roemischen Grenzen kam es aber nach dieser Seite hin erst mehr als ein Jahrhundert nach der Vertreibung der Koenige aus Rom.

Mit den Sabinern, die das Mittelgebirge von den Grenzen der Umbrer bis hinab zu der Gegend zwischen Tiber und Anio einnahmen und die in der Epoche, in welche die Anfaenge Roms fallen, bis nach Latium selbst kaempfend und erobernd vordrangen, haben spaeterhin die Roemer trotz der unmittelbaren Nachbarschaft sich verhaeltnismaessig wenig beruehrt. Die schwache Teilnahme derselben an dem verzweifelten Widerstand der oestlichen und suedlichen Nachbarvoelker geht selbst aus den Berichten der Jahrbuecher noch hervor und, was wichtiger ist, es begegnen hier keine Zwingburgen, wie sie namentlich in dem volskischen Gebiet so zahlreich angelegt worden sind. Vielleicht haengt dies damit zusammen, dass die sabinischen Scharen wahrscheinlich eben um diese Zeit sich ueber Unteritalien ergossen; gelockt von den anmutigen Sitzen am Tifernus und Volturnus scheinen sie wenig in die Kaempfe eingegriffen zu haben, deren Schauplatz das Gebiet suedlich vom Tiber war.

Bei weitem heftiger und dauernder war der Widerstand der Aequer, die, oestlich von Rom bis in die Taeler des Turano und Salto und am Nordrande des Fuciner Sees sitzend, mit den Sabinern und Marsern grenzten ^7, und der Volsker, welche suedlich von den um Ardea sesshaften Rutulern und den suedwaerts bis Cora sich erstreckenden Latinern die Kueste bis nahe an die Muendung des Lirisflusses nebst den vorliegenden Inseln und im Innern das ganze Stromgebiet des Liris besassen. Die mit diesen beiden Voelkern sich jaehrlich erneuernden Fehden, die in der roemischen Chronik so berichtet werden, dass der unbedeutendste Streifzug von dem folgenreichen Kriege kaum unterschieden und der historische Zusammenhang gaenzlich beiseite gelassen wird, sollen hier nicht erzaehlt werden; es genuegt hinzuweisen auf die dauernden Erfolge. Deutlich erkennen wir, dass es den Roemern und Latinern vor allem darauf ankam, die Aequer von den Volskern zu trennen und der Kommunikationen Herr zu werden; in der Gegend zwischen dem Suedabhang des Albaner Gebirges, den volskischen Bergen und den Pomptinischen Suempfen scheinen ueberdies die Latiner und die Volsker zunaechst sich beruehrt und selbst gemischt durcheinander gesessen zu haben ^8. In dieser Gegend haben die Latiner die ersten Schritte getan ueber ihre Landesgrenze hinaus und sind Bundesfestungen im Fremdland, sogenannte latinische Kolonien zuerst angelegt worden, in der Ebene Velitrae (angeblich um 260 494) unter dem Albaner Gebirge selbst und Suessa in der pomptinischen Niederung, in den Bergen Norba (angeblich 262 492) und Signia (angeblich verstaerkt 259 495), welche beide auf den Verbindungspunkten zwischen der aequischen und volskischen Landschaft liegen. Vollstaendiger noch ward der Zweck erreicht durch den Beitritt der Herniker zu dem Bunde der Latiner und Roemer (268 486), welcher die Volsker vollstaendig isolierte und dem Bunde eine Vormauer gewaehrte gegen die suedlich und oestlich wohnenden sabellischen Staemme; man begreift es, weshalb dem kleinen Volk volle Gleichheit mit den beiden anderen in Rat und Beuteanteil zugestanden ward. Die schwaecheren Aequer waren seitdem wenig gefaehrlich; es genuegte, von Zeit zu Zeit einen Pluenderzug gegen sie zu unternehmen. Auch die Rutuler, welche in der Kuestenebene suedlich mit Latium grenzten, unterlagen frueh; ihre Stadt Ardea wurde schon im Jahre 312 (442) in eine latinische Kolonie umgewandelt ^9. Ernstlicher widerstanden die Volsker. Der erste namhafte Erfolg, den nach den oben erwaehnten die Roemer ihnen abgewannen, ist, merkwuerdig genug, die Gruendung von Circeii im Jahre 361 (393), das, solange Antium und Tarracina noch frei waren, nur zu Wasser mit Latium in Verbindung gestanden haben kann. Antium zu besetzen, ward oft versucht und gelang auch voruebergehend 287 (467); aber 295 (459) machte die Stadt sich wieder frei, und erst nach dem gallischen Brande erhielten infolge eines heftigen dreizehnjaehrigen Krieges (365-377 389-377) die Roemer die entschiedene Oberhand im antiatischen und pomptinischen Gebiet. Satricum, unweit Antium, wurde im Jahre 369 (385) mit einer latinischen Kolonie belegt, nicht lange nachher wahrscheinlich Antium selbst sowie Tarracina ^10, das pomptinische Gebiet ward durch die Anlage der Festung Setia (372 382, verstaerkt 375 379) gesichert und in den Jahren 371 f. (383) in Ackerlose und Buergerbezirke verteilt. Seitdem haben die Volsker wohl noch sich empoert, aber keine Kriege mehr gegen Rom gefuehrt.

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^7 Die Landschaft der Aequer umfasst nicht bloss das Tal des Anio oberhalb von Tibur und das Gebiet der spaeteren latinischen Kolonien Carsioli (am oberen Turano) und Alba (am Fuciner See), sondern auch den Bezirk des spaeteren Municipiums der Aequiculi welche nichts sind als derjenige Rest der Aequer, welchem nach der Unterwerfung durch die Roemer und nach der Assignierung des groessten Teils des Gebiets an roemische oder latinische Kolonisten die munizipale Selbstaendigkeit verblieb.

^8 Allem Anschein nach ist Velitrae, obwohl in der Ebene gelegen, urspruenglich volskisch und also latinische Kolonie, Cora dagegen auf dem Volskergebirge urspruenglich latinisch.

^9 Nicht lange nachher muss die Gruendung des Dianahains im Walde von Aricia erfolgt sein, welche nach Catos Bericht (orig. p. 12 Jordan) ein tusculanischer Diktator vollzog fuer die Stadtgemeinden des alten Latiums Tusculum, Aricia, Lanuvium, Laurentum, Cora und Tibur und die beiden latinischen Kolonien (welche deshalb an der letzten Stelle stehen) Suessa Pometia und Ardea (populus Ardeatis Rutulus). Das Fehlen Praenestes und der kleineren Gemeinden des alten Latium zeigt, wie es auch in der Sache liegt, dass nicht saemtliche Gemeinden des damaligen Latinischen Bundes sich an der Weihung beteiligten. Dass sie vor 372 (382) faellt, beweist das Auftreten von Pometia und das Verzeichnis stimmt voellig zu dem, was anderweitig ueber den Bestand des Bundes kurz nach dem Zutritt von Ardea sich ermitteln laesst.

Den ueberlieferten Jahreszahlen der Gruendungen darf mehr als den meisten der aeltesten Ueberlieferungen Glauben beigemessen werden, da die den italischen Staedten gemeinsame Jahreszaehlung ab urbe condita allem Anschein nach das Gruendungsjahr der Kolonien durch unmittelbare Ueberlieferung bewahrt hat.

^10 Als latinische Gemeinden erscheinen beide in dem sogenannten Cassischen Verzeichnis um 372 (382) nicht, wohl aber in dem karthagischen Vertrag vom Jahre 406 (348); in der Zwischenzeit also sind die Staedte latinische Kolonien geworden.

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Aber je entschiedenere Erfolge der Bund der Roemer, Latiner und Herniker gegen die Etrusker, Aequer, Volsker und Rutuler davontrug, desto mehr entwich aus ihm die Eintracht. Die Ursache lag zum Teil wohl in der frueher dargestellten, aus den bestehenden Verhaeltnissen mit innerer Notwendigkeit sich entwickelnden, aber darum nicht weniger schwer auf Latium lastenden Steigerung der hegemonischen Gewalt Roms, zum Teil in einzelnen gehaessigen Ungerechtigkeiten der fuehrenden Gemeinde. Dahin gehoeren vornehmlich der schmaehliche Schiedsspruch zwischen den Aricinern und den Rutulern in Ardea 308 (446), wo die Roemer, angerufen zu kompromissarischer Entscheidung ueber ein zwischen den beiden Gemeinden streitiges Grenzgebiet, dasselbe fuer sich nahmen, und als ueber diesen Spruch in Ardea innere Streitigkeiten entstanden, das Volk zu den Volskern sich schlagen wollte, waehrend der Adel an Rom festhielt, die noch schaendlichere Ausnutzung dieses Haders zu der schon erwaehnten Aussendung roemischer Kolonisten in die reiche Stadt, unter die die Laendereien der Anhaenger der antiroemischen Partei ausgeteilt wurden (312 442). Hauptsaechlich indes war die Ursache, weshalb der Bund sich innerlich aufloeste, eben die Niederwerfung der gemeinschaftlichen Feinde; die Schonung von der einen, die Hingebung von der anderen Seite hatte ein Ende, seitdem man gegenseitig des anderen nicht mehr meinte zu beduerfen. Zum offenen Bruche zwischen den Latinern und Hernikern einer- und den Roemern anderseits gab die naechste Veranlassung teils die Einnahme Roms durch die Kelten und dessen dadurch herbeigefuehrte augenblickliche Schwaeche, teils die definitive Besetzung und Aufteilung des pomptinischen Gebiets; bald standen die bisherigen Verbuendeten gegeneinander im Felde. Schon hatten latinische Freiwillige in grosser Anzahl an dem letzten Verzweiflungskampf der Antiaten teilgenommen; jetzt mussten die namhaftesten latinischen Staedte: Lanuvium (371 383), Praeneste (372-374, 400 382-380, 354), Tusculum (373 381), Tibur (394, 400 360, 354) und selbst einzelne der im Volskerland von dem roemisch-latinischen Bunde angelegten Festungen wie Velitrae und Circeii mit den Waffen bezwungen werden, ja die Tiburtiner scheuten sich sogar nicht, mit den eben einmal wieder einrueckenden gallischen Scharen gemeinschaftliche Sache gegen Rom zu machen. Zum gemeinschaftlichen Aufstand kam es indes nicht und ohne viel Muehe bemeisterte Rom die einzelnen Staedte; Tusculum ward sogar (373 381) genoetigt, seine politische Selbstaendigkeit aufzugeben und in den roemischen Buergerverband als untertaenige Gemeinde (civitas sine suffragio) einzutreten, so dass die Stadt ihre Mauern und eine wenn auch beschraenkte Selbstverwaltung, darum auch eigene Beamten und eine eigene Buergerversammlung behielt, dagegen aber ihre Buerger als roemische das aktive und passive Wahlrecht entbehrten - der erste Fall, dass eine ganze Buergerschaft dem roemischen Gemeinwesen als abhaengige Gemeinde einverleibt wurde.

Ernster war der Kampf gegen die Herniker (392-396 362-358), in dem der erste der Plebs angehoerige konsularische Oberfeldherr Lucius Genucius fiel; allein auch hier siegten die Roemer. Die Krise endigte damit, dass die Vertraege zwischen Rom und der latinischen wie der hernikischen Eidgenossenschaft im Jahre 396 (358) erneuert wurden. Der genauere Inhalt derselben ist nicht bekannt, aber offenbar fuegten beide Eidgenossenschaften abermals und wahrscheinlich unter haerteren Bedingungen sich der roemischen Hegemonie. Die in demselben Jahr erfolgte Einrichtung zweier neuer Buergerbezirke im pomptinischen Gebiet zeigt deutlich die gewaltig vordringende roemische Macht.

In offenbarem Zusammenhang mit dieser Krise in dem Verhaeltnis zwischen Rom und Latium steht die um das Jahr 370 (384) erfolgte Schliessung der latinischen Eidgenossenschaft ^11, obwohl es nicht sicher zu bestimmen ist, ob sie Folge oder, wie wahrscheinlicher, Ursache der eben geschilderten Auflehnung Latiums gegen Rom war. Nach dem bisherigen Recht war jede von Rom und Latium gegruendete souveraene Stadt unter die am Bundesfest und Bundestag teilberechtigten Kommunen eingetreten, wogegen umgekehrt jede einer anderen Stadt inkorporierte und also staatlich vernichtete Gemeinde aus der Reihe der Bundesglieder gestrichen ward. Dabei ward indes nach latinischer Art die einmal feststehende Zahl von dreissig foederierten Gemeinden in der Art festgehalten, dass von den teilnehmenden Staedten nie mehr und nie weniger als dreissig stimmberechtigt waren und eine Anzahl spaeter eingetretener oder auch ihrer Geringfuegigkeit oder begangener Vergehen wegen zurueckgesetzter Gemeinden des Stimmrechts entbehrten. Hiernach war der Bestand der Eidgenossenschaft um das Jahr 370 (384) folgender Art. Von altlatinischen Ortschaften waren, ausser einigen jetzt verschollenen oder doch der Lage nach unbekannten, noch autonom und stimmberechtigt zwischen Tiber und Anio Nomentum, zwischen dem Anio und dem Albaner Gebirg Tibur, Gabii, Scaptia, Labici ^12, Pedum und Praeneste, am Albaner Gebirg Corbio, Tusculum, Bovillae, Aricia, Corioli und Lanuvium, in den volskischen Bergen Cora, endlich in der Kuestenebene Laurentum. Dazu kamen die von Rom und dem latinischen Bunde angelegten Kolonien: Ardea im ehemaligen Rutulergebiet und in dem der Volsker Satricum, Velitrae, Norba, Signia, Setia und Circeii. Ausserdem hatten siebzehn andere Ortschaften, deren Namen nicht sicher bekannt sind, das Recht der Teilnahme am Latinerfest ohne Stimmrecht. Auf diesem Bestande von siebenundvierzig teil- und dreissig stimmberechtigten Orten blieb die latinische Eidgenossenschaft seitdem unabaenderlich stehen; weder sind die spaeter gegruendeten latinischen Gemeinden, wie Sutrium, Nepete, Antium, Tarracina, Cales, unter dieselben eingereiht, noch die spaeter der Autonomie entkleideten latinischen Gemeinden, wie Tusculum und Lanuvium, aus dem Verzeichnis gestrichen.

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^11 In dem von Dionysios (5, 61) mitgeteilten Verzeichnis der dreissig latinischen Bundesstaedte, dem einzigen, das wir besitzen, werden genannt die Ardeaten, Ariciner, Bovillaner, Bubentaner (unbekannter Lage), Corner (vielmehr Coraner), Carventaner (unbekannter Lage), Circeienser, Coriolaner, Corbinter, Cabaner (vielleicht die Cabenser am Albaner Berg, Bullettino dell’ Istituto 1861, S. 205), Fortineer (unbekannt), Gabiner, Laurenter, Lanuviner, Lavinaten, Labicaner, Nomentaner, Norbaner, Praenestiner, Pedaner, Querquetulaner (unbekannter Lage), Satricaner, Scaptiner, Senner, Tiburtiner, Tusculaner, Tellenier (unbekannter Lage), Toleriner (unbekannter Lage) und Veliterner. Die gelegentlichen Erwaehnungen teilnahmeberechtigter Gemeinden, wie von Ardea (Liv. 32, 1), Laurentum (Liv. 37, 3), Lanuvium (Liv. 41, 16), Bovillae, Gabii, Labici (Cic. Planc. 9, 23) stimmen mit diesem Verzeichnis. Dionysios teilt es bei Gelegenheit der Kriegserklaerung Latiums gegen Rom im Jahre 256 (498) mit, und es lag darum nahe, wie dies Niebuhr getan, dies Verzeichnis als der bekannten Bundeserneuerung vom Jahre 261 (493) entlehnt zu betrachten. Allein da in diesem nach dem latinischen Alphabet geordneten Verzeichnis der Buchstabe g an der Stelle erscheint, die er zur Zeit der Zwoelf Tafeln sicher noch nicht hatte und schwerlich vor dem fuenften Jahrhundert bekommen hat (mein Die unteritalischen Dialekte. Leipzig 1850, S. 33), so muss dasselbe einer viel juengeren Quelle entnommen sein; und es ist bei weitem die einfachste Annahme, darin das Verzeichnis derjenigen Orte zu erkennen die spaeterhin als die ordentlichen Glieder der latinischen Eidgenossenschaft betrachtet wurden und die Dionysios, seiner pragmatisierenden Gewohnheit gemaess, als deren urspruenglichen Bestand auffuehrt. Es erscheint in dem Verzeichnis, wie es zu erwarten war, keine einzige nichtlatinische Gemeinde; dasselbe zaehlt lediglich urspruenglich latinische oder mit latinischen Kolonien belegte Orte auf - Corbio und Corioli wird niemand als Ausnahme geltend machen. Vergleicht man nun mit diesem Register das der latinischen Kolonien so sind bis zum Jahre 372 (382) gegruendet worden Suessa Pometia, Velitrae, Norba, Signia, Ardea, Circeii (361 393), Satricum (369 385), Sutrium (371 383), Nepete (371), Setia (372 382). Von den letzten drei ungefaehr gleichzeitigen koennen sehr wohl die beiden etruskischen etwas spaeter datieren als Setia, da ja die Gruendung jeder Stadt eine gewisse Zeitdauer in Anspruch nahm und unsere Liste von kleineren Ungenauigkeiten nicht frei sein kann. Nimmt man dies an, so enthaelt das Verzeichnis saemtliche bis zum Jahre 372 (382) ausgefuehrte Kolonien einschliesslich der beiden bald nachher aus dem Verzeichnis gestrichenen Satricum, zerstoert 377 (377), und Velitrae, des latinischen Rechts entkleidet 416 (338); es fehlen nur Suessa Pometia, ohne Zweifel als vor dem Jahre 372 (382) zerstoert, und Signia, wahrscheinlich weil im Text des Dionysios, der nur neunundzwanzig Namen nennt, hinter ΣΗΤΙΝΩΝ ausgefallen ist ΣΙΓΝΙΝΩΝ. Im vollkommenen Einklang hiermit mangeln in diesem Verzeichnis ebenso alle nach dem Jahre 372 (382) gegruendeten latinischen Kolonien wie alle Orte, die wie Ostia, Antemnae, Alba vor dem Jahre 370 (384) der roemischen Gemeinde inkorporiert wurden, wogegen die spaeter einverleibten, wie Tusculum, Lanuvium, Velitrae, in demselben stehen geblieben sind.

Was das von Plinius mitgeteilte Verzeichnis von zweiunddreissig zu Plinius’ Zeit untergegangenen, ehemals am Albanischen Fest beteiligten Ortschaften betrifft, so bleiben nach Abzug von sieben, die auch bei Dionysios stehen (denn die Cusuetaner des Plinius scheinen die Dionysischen Carventaner zu sein) noch fuenfundzwanzig, meistenteils ganz unbekannte Ortschaften ohne Zweifel teils jene siebzehn nicht stimmenden Gemeinden, groesstenteils wohl eben die aeltesten, spaeter zurueckgestellten Glieder der albanischen Festgenossenschaft, teils eine Anzahl anderer untergegangener oder ausgestossener Bundesglieder, zu welchen letzteren vor allem der alte, auch von Plinius genannte Vorort Alba gehoert.

^12 Allerdings berichtet Livius (4, 47), dass Labici im Jahre 336 (418) Kolonie geworden sei. Allein abgesehen davon, dass Diodor (13, 6) hierueber schweigt, kann Labici weder eine Buergerkolonie geworden sein, da die Stadt teils nicht an der Kueste lag, teils auch spaeter noch im Besitz der Autonomie erscheint, noch eine latinische, da es kein einziges zweites Beispiel einer im urspruenglichen Latium angelegten latinischen Kolonie gibt noch nach dem Wesen dieser Gruendungen geben kann. Hoechst wahrscheinlich ist hier wie anderswo, da zumal als verteiltes Ackermass zwei Iugera genannt werden, die gemeine Buerger- mit der kolonialen Assignation verwechselt worden.

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Mit dieser Schliessung der Eidgenossenschaft haengt auch die geographische Fixierung des Umfanges von Latium zusammen. Solange die latinische Eidgenossenschaft noch offen war, hatte auch die Grenze von Latium mit der Anlage neuer Bundesstaedte sich vorgeschoben; aber wie die juengeren latinischen Kolonien keinen Anteil am Albaner Fest erhielten, galten sie auch geographisch nicht als Teil von Latium - darum werden wohl Ardea und Circeii, nicht aber Sutrium und Tarracina zur Landschaft Latium gerechnet.

Aber nicht bloss wurden die nach 370 (384) mit latinischem Recht ausgestatteten Orte von der eidgenoessischen Gemeinschaft ferngehalten, sondern es wurden dieselben auch privatrechtlich insofern voneinander isoliert, als die Verkehrs- und wahrscheinlich auch die Ehegemeinschaft (commercium et conubium) einer jeden von diesen Gemeinden zwar mit der roemischen, nicht aber mit den uebrigen latinischen gestattet ward, so dass also zum Beispiel der Buerger von Sutrium wohl in Rom, aber nicht in Praeneste einen Acker zu vollem Eigentum besitzen und wohl von einer Roemerin, nicht aber von einer Tiburtinerin rechte Kinder gewinnen konnte ^13.

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^13 Diese Beschraenkung der alten vollen latinischen Rechtsgemeinschaft begegnet zwar zuerst in der Vertragserneuerung von 416 (338) (Liv. 8, 14); da indes das Isolierungssystem, von dem dieselbe ein wesentlicher Teil ist, zuerst fuer die nach 370 (384) ausgefuehrten latinischen Kolonien begann und 416 (338) nur generalisiert ward, so war diese Neuerung hier zu erwaehnen.

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Wenn ferner bisher innerhalb der Eidgenossenschaft eine ziemlich freie Bewegung gestattet worden war und zum Beispiel die sechs altlatinischen Gemeinden Aricia, Tusculum, Tibur, Lanuvium, Cora und Laurentum und die zwei neulatinischen Ardea und Suessa Pometia der aricinischen Diana ein Heiligtum gemeinschaftlich hatten stiften duerfen, so findet von aehnlichen der roemischen Hegemonie Gefahr drohenden Sonderkonfoederationen, ohne Zweifel nicht zufaellig, in spaeterer Zeit sich kein weiteres Beispiel.

Ebenso wird man die weitere Umgestaltung der latinischen Gemeindeverfassungen und ihre voellige Ausgleichung mit der Verfassung Roms dieser Epoche zuschreiben duerfen; denn wenn als notwendiger Bestandteil der latinischen Magistratur neben den beiden Praetoren spaeterhin die beiden mit der Markt- und Strassenpolizei und der dazu gehoerigen Rechtspflege betrauten Aedilen erscheinen, so hat diese offenbar gleichzeitig und auf Anregung der fuehrenden Macht in allen Bundesgemeinden erfolgte Einsetzung staedtischer Polizeibehoerden sicher nicht vor der in das Jahr 387 (367) fallenden Einrichtung der kurulischen Aedilitaet in Rom, aber wahrscheinlich auch eben um diese Zeit stattgefunden. Ohne Zweifel war diese Anordnung nur das Glied einer Kette von bevormundenden und die bundesgenoessischen Gemeindeordnungen im polizeilich-aristokratischen Sinne umgestaltenden Massregeln.

Offenbar fuehlte Rom nach dem Fall von Veii und der Eroberung des pomptinischen Gebietes sich maechtig genug, um die Zuegel der Hegemonie straffer anzuziehen und die saemtlichen latinischen Staedte in eine so abhaengige Stellung zu bringen, dass sie faktisch vollstaendig untertaenig wurden. In dieser Zeit (406 348) verpflichteten sich die Karthager in dem mit Rom abgeschlossenen Handelsvertrag, den Latinern, die Rom botmaessig seien, namentlich den Seestaedten Ardea, Antium, Circeii, Tarracina, keinen Schaden zuzufuegen; wuerde aber eine der latinischen Staedte vom roemischen Buendnis abgefallen sein, so sollten die Phoeniker dieselbe angreifen duerfen, indes, wenn sie sie etwa erobern wuerden, gehalten sein, sie nicht zu schleifen, sondern sie den Roemern zu ueberliefern. Hier liegt es vor, durch welche Ketten die roemische Gemeinde ihre Schutzstaedte an sich band und was eine Stadt, die der einheimischen Schutzherrschaft sich entzog, dadurch einbuesste und wagte.

Zwar blieb auch jetzt noch wenn nicht der hernikischen, doch wenigstens der latinischen Eidgenossenschaft ihr formelles Anrecht auf den dritten Teil von Kriegsgewinn und wohl noch mancher andere Ueberrest der ehemaligen Rechtsgleichheit; aber was nachweislich verloren ging, war wichtig genug, um die Erbitterung begreiflich zu machen, welche in dieser Zeit unter den Latinern gegen Rom herrschte. Nicht bloss fochten ueberall, wo Heere gegen Rom im Felde standen, latinische Reislaeufer zahlreich unter der fremden Fahne gegen ihre fuehrende Gemeinde; sondern im Jahre 405 (349) beschloss sogar die latinische Bundesversammlung, den Roemern den Zuzug zu verweigern. Allen Anzeichen nach stand eine abermalige Schilderhebung der gesamten latinischen Bundesgenossenschaft in nicht ferner Zeit bevor; und eben jetzt drohte ein Zusammenstoss mit einer anderen italischen Nation, die wohl imstande war, der vereinigten Macht des latinischen Stammes ebenbuertig zu begegnen. Nach der Niederwerfung der noerdlichen Volsker stand den Roemern im Sueden zunaechst kein bedeutender Gegner gegenueber; unaufhaltsam naeherten ihre Legionen sich dem Liris. Im Jahre 397 (357) ward gluecklich gekaempft mit den Privernaten, 409 (345) Sora am oberen Liris besetzt. Schon standen also die roemischen Heere an der Grenze der Samniten, und das Freundschaftsbuendnis, das im Jahre 400 (354) die beiden tapfersten und maechtigsten italischen Nationen miteinander schlossen, war das sichere Vorzeichen des herannahenden und mit der Krise innerhalb der latinischen Nation in drohender Weise sich verschlingenden Kampfes um die Oberherrschaft Italiens.

Die samnitische Nation, die, als man in Rom die Tarquinier austrieb, ohne Zweifel schon seit laengerer Zeit im Besitz des zwischen der apulischen und der kampanischen Ebene aufsteigenden und beide beherrschenden Huegellandes gewesen war, war bisher auf der einen Seite durch die Daunier - Arpis Macht und Bluete faellt in diese Zeit -, auf der andern durch die Griechen und Etrusker an weiterem Vordringen gehindert worden. Aber der Sturz der etruskischen Macht um das Ende des dritten (450), das Sinken der griechischen Kolonien im Laufe des vierten Jahrhunderts (450-350) machten gegen Westen und Sueden ihnen Luft und ein samnitischer Schwarm nach dem andern zog jetzt bis an, ja ueber die sueditalischen Meere. Zuerst erschienen sie in der Ebene am Golf, wo der Name der Kampaner seit dem Anfang des vierten Jahrhunderts vernommen wird; die Etrusker wurden hier erdrueckt, die Griechen beschraenkt, jenen Capua (330 424), diesen Kyme (334 420) entrissen. Um dieselbe Zeit, vielleicht schon frueher, zeigen sich in Grossgriechenland die Lucaner, die im Anfang des vierten Jahrhunderts mit Terinaeern und Thurinern im Kampf liegen und geraume Zeit vor 364 (390) in dem griechischen Laos sich festsetzten. Um diese Zeit betrug ihr Aufgebot 30000 Mann zu Fuss und 4000 Reiter. Gegen das Ende des vierten Jahrhunderts ist zuerst die Rede von der gesonderten Eidgenossenschaft der Brettier ^14, die, ungleich den andern sabellischen Staemmen, nicht als Kolonie, sondern im Kampf von den Lucanern sich losgemacht und mit vielen fremdartigen Elementen sich gemischt hatten. Wohl suchten die unteritalischen Griechen sich des Andranges der Barbaren zu erwehren; der Achaeische Staedtebund ward 361 (393) rekonstituiert und festgesetzt, dass, wenn eine der verbuendeten Staedte von Lucanern angegriffen werde, alle Zuzug leisten und die Fuehrer der ausbleibenden Heerhaufen Todesstrafe leiden sollten. Aber selbst die Einigung Grossgriechenlands half nicht mehr, da der Herr von Syrakus, der aeltere Dionysios, mit den Italikern gegen seine Landsleute gemeinschaftliche Sache machte. Waehrend Dionysios den grossgriechischen Flotten die Herrschaft ueber die italischen Meere entriss, ward von den Italikern eine Griechenstadt nach der andern besetzt oder vernichtet; in unglaublich kurzer Zeit war der bluehende Staedtering zerstoert oder veroedet. Nur wenigen griechischen Orten, wie zum Beispiel Neapel, gelang es muehsam und mehr durch Vertraege als durch Waffengewalt, wenigstens ihr Dasein und ihre Nationalitaet zu bewahren; durchaus unabhaengig und maechtig blieb allein Tarent, das durch seine entferntere Lage und durch seine in steten Kaempfen mit den Messapiern unterhaltene Schlagfertigkeit sich aufrecht hielt, wenngleich auch diese Stadt bestaendig mit den Lucanern um ihre Existenz zu fechten hatte und genoetigt war, in oder griechischen Heimat Buendnisse und Soeldner zu suchen.

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^14 Der Name selbst ist uralt, ja der aelteste einheimische Name der Bewohner des heutigen Kalabrien (Antiochos fr. 5 Mueller). Die bekannte Ableitung ist ohne Zweifel erfunden.

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Um die Zeit, wo Veii und die pomptinische Ebene roemisch wurden, hatten die samnitischen Scharen bereits ganz Unteritalien inne mit Ausnahme weniger und unter sich nicht zusammenhaengender griechischer Pflanzstaedte und der apulisch-messapischen Kueste. Die um 418 (336) abgefasste griechische Kuestenbeschreibung setzt die eigentlichen Samniten mit ihren “fuenf Zungen” von einem Meer zum andern an und am Tyrrhenischen neben sie in noerdlicher Richtung die Kampaner, in suedlicher die Lucaner, unter denen hier wie oefter die Brettier mitbegriffen sind und denen bereits die ganze Kueste von Paestum am Tyrrhenischen bis nach Thurii am Ionischen Meer zugeteilt wird. In der Tat, wer miteinander vergleicht, was die beiden grossen Nationen Italiens, die latinische und die samnitische, errungen hatten, bevor sie sich beruehrten, dem erscheint die Eroberungsbahn der letzteren bei weitem ausgedehnter und glaenzender als die der Roemer. Aber der Charakter der Eroberungen war ein wesentlich verschiedener. Von dem festen staedtischen Mittelpunkt aus, den Latium im Rom besass, dehnt die Herrschaft dieses Stammes langsam nach allen Seiten sich aus, zwar in verhaeltnismaessig engen Grenzen, aber festen Fuss fassend, wo sie hintritt, teils durch Gruendung von befestigten Staedten roemischer Art mit abhaengigem Bundesrecht, teils durch Romanisierung des eroberten Gebiets. Anders in Samnium. Es gibt hier keine einzelne fuehrende Gemeinde und darum auch keine Eroberungspolitik. Waehrend die Eroberung des veientischen und pomptinischen Gebietes fuer Rom eine wirkliche Machterweiterung war, wurde Samnium durch die Entstehung der kampanischen Staedte, der lucanischen, der brettischen Eidgenossenschaft eher geschwaecht als gestaerkt; denn jeder Schwarm, der neue Sitze gesucht und gefunden hatte, ging fortan fuer sich seine Wege. Die samnitischen Scharen erfuellen einen unverhaeltnismaessig weiten Raum, den sie ganz sich eigen zu machen keineswegs bedacht sind; die groesseren Griechenstaedte, Tarent, Thurii, Kroton, Metapont, Herakleia, Rhegion, Neapel, wenngleich geschwaecht und oefters abhaengig, bestehen fort, ja selbst auf dem platten Lande und in den kleineren Staedten werden die Hellenen geduldet, und Kyme zum Beispiel, Poseidonia, Laos, Hipponion blieben, wie die erwaehnte Kuestenbeschreibung und die Muenzen lehren, auch unter samnitischer Herrschaft noch Griechenstaedte. So entstanden gemischte Bevoelkerungen, wie denn namentlich die zwiesprachigen Brettier ausser samnitischen auch hellenische Elemente und selbst wohl Ueberreste der alten Autochthonen in sich aufnahmen; aber auch in Lucanien und Kampanien muessen in minderem Grade aehnliche Mischungen stattgefunden haben. Dem gefaehrlichen Zauber der hellenischen Kultur konnte auch die samnitische Nation sich nicht entziehen, am wenigsten in Kampanien, wo Neapel frueh mit den Einwanderern sich auf freundlichen Verkehr stellte und wo der Himmel selbst die Barbaren humanisierte. Nola, Nuceria, Teanum, obwohl rein samnitischer Bevoelkerung, nahmen griechische Weise und griechische Stadtverfassung an, wie denn auch die heimische Gauverfassung unter den veraenderten Verhaeltnissen unmoeglich fortbestehen konnte. Die kampanischen Samnitenstaedte begannen Muenzen zu schlagen, zum Teil mit griechischer Aufschrift; Capua ward durch Handel und Ackerbau der Groesse nach die zweite Stadt Italiens, die erste an Ueppigkeit und Reichtum. Die tiefe Entsittlichung, worin den Berichten der Alten zufolge diese Stadt es allen uebrigen italischen zuvorgetan hat, spiegelt sich namentlich in dem Werbewesen und in den Fechterspielen, die beide vor allem in Capua zur Bluete gelangt sind. Nirgends fanden die Werber so zahlreichen Zulauf wie in dieser Metropole der entsittlichten Zivilisation; waehrend Capua selbst sich vor den Angriffen der nachdraengenden Samniten nicht zu bergen wusste, stroemte die streitbare kampanische Jugend unter selbstgewaehlten Condottieren massenweise namentlich nach Sizilien. Wie tief diese Landknechtfahrten in die Geschicke Italiens eingriffen, wird spaeter noch darzustellen sein; fuer die kampanische Weise sind sie ebenso bezeichnend wie die Fechterspiele, die gleichfalls in Capua zwar nicht ihre Entstehung, aber ihre Ausbildung empfingen. Hier traten sogar waehrend des Gastmahls Fechterpaare auf und ward deren Zahl je nach dem Rang der geladenen Gaeste abgemessen. Diese Entartung der bedeutendsten samnitischen Stadt, die wohl ohne Zweifel auch mit dem hier noch nachwirkenden etruskischen Wesen eng zusammenhaengt, musste fuer die ganze Nation verhaengnisvoll werden; wenn auch der kampanische Adel es verstand, mit dem tiefsten Sittenverfall ritterliche Tapferkeit und hohe Geistesbildung zu verbinden, so konnte er doch fuer seine Nation nimmermehr werden, was die roemische Nobilitaet fuer die latinische war. Aehnlich wie auf die Kampaner, wenn auch in minderer Staerke, wirkte der hellenische Einfluss auf die Lucaner und Brettier. Die Graeberfunde in all diesen Gegenden beweisen, wie die griechische Kunst daselbst mit barbarischem Luxus gepflegt ward; der reiche Gold- und Bernsteinschmuck, das prachtvolle gemalte Geschirr, wie wir sie jetzt den Haeusern der Toten entheben, lassen ahnen, wie weit man hier schon sich entfernt hatte von der alten Sitte der Vaeter. Andere Spuren bewahrt die Schrift; die altnationale aus dem Norden mitgebrachte ward von den Lucanern und Brettiern aufgegeben und mit der griechischen vertauscht, waehrend in Kampanien das nationale Alphabet und wohl auch die Sprache unter dem bildenden Einfluss der griechischen sich selbstaendig entwickelte zu groesserer Klarheit und Feinheit. Es begegnen sogar einzelne Spuren des Einflusses griechischer Philosophie.

Nur das eigentliche Samnitenland blieb unberuehrt von diesen Neuerungen, die, so schoen und natuerlich sie teilweise sein mochten, doch maechtig dazu beitrugen, das von Haus aus schon lose Band der nationalen Einheit immer mehr zu lockern. Durch den Einfluss des hellenischen Wesens kam ein tiefer Riss in den samnitischen Stamm. Die gesitteten “Philhellenen” Kampaniens gewoehnten sich, gleich den Hellenen selbst, vor den rauheren Staemmen der Berge zu zittern, die ihrerseits nicht aufhoerten, in Kampanien einzudringen und die entarteten aelteren Ansiedler zu beunruhigen. Rom war ein geschlossener Staat, der ueber die Kraft von ganz Latium verfuegte; die Untertanen mochten murren, aber sie gehorchten. Der samnitische Stamm war zerfahren und zersplittert, und die Eidgenossenschaft im eigentlichen Samnium hatte sich zwar die Sitten und die Tapferkeit der Vaeter ungeschmaelert bewahrt, war aber auch darueber mit den uebrigen samnitischen Voelker- und Buergerschaften voellig zerfallen.

In der Tat war es dieser Zwist zwischen den Samniten der Ebene und den Samniten der Gebirge, der die Roemer ueber den Liris fuehrte. Die Sidiciner in Teanum, die Kampaner in Capua suchten gegen die eigenen Landsleute, die mit immer neuen Schwaermen ihr Gebiet brandschatzten und darin sich festzusetzen drohten, Hilfe bei den Roemern (411 343). Als das begehrte Buendnis verweigert ward, bot die kampanische Gesandtschaft die Unterwerfung der Stadt unter die Oberherrlichkeit Roms an, und solcher Lockung vermochten die Roemer nicht zu widerstehen. Roemische Gesandte gingen zu den Samniten, ihnen den neuen Erwerb anzuzeigen und sie aufzufordern, das Gebiet der befreundeten Macht zu respektieren. Wie die Ereignisse weiter verliefen, ist im einzelnen nicht mehr zu ermitteln ^15; wir sehen nur, dass zwischen Rom und Samnium, sei es nach einem Feldzug, sei es ohne vorhergehenden Krieg, ein Abkommen zustande kam, wodurch die Roemer freie Hand erhielten gegen Capua, die Samniten gegen Teanum und die Volsker am oberen Liris. Dass die Samniten sich dazu verstanden, erklaert sich aus den gewaltigen Anstrengungen, die eben um diese Zeit die Tarentiner machten, sich der sabellischen Nachbarn zu entledigen; aber auch die Roemer hatten guten Grund, sich mit den Samniten so schnell wie moeglich abzufinden, denn der bevorstehende Uebergang der suedlich an Latium angrenzenden Landschaft in roemischen Besitz verwandelte die laengst unter den Latinern bestehende Gaerung in offene Empoerung. Alle urspruenglich latinischen Staedte, selbst die in den roemischen Buergerverband aufgenommenen Tusculaner ergriffen die Waffen gegen Rom, mit einziger Ausnahme der Laurenter, waehrend dagegen von den ausserhalb der Grenzen Latiums gegruendeten Kolonien nur die alten Volskerstaedte Velitrae, Antium und Tarracina sich an der Auflehnung beteiligten. Dass die Capuaner, ungeachtet der eben erst freiwillig den Roemern angetragenen Unterwerfung, dennoch die erste Gelegenheit, der roemischen Herrschaft wieder ledig zu werden, bereitwillig ergriffen und, trotz des Widerstandes der an dem Vertrag mit Rom festhaltenden Optimatenpartei, die Gemeinde gemeinschaftliche Sache mit der latinischen Eidgenossenschaft machte, ist erklaerlich; wogegen die noch selbstaendigen Volskerstaedte, wie Fundi und Formiae, und die Herniker sich gleich der kampanischen Aristokratie an diesem Aufstande nicht beteiligten. Die Lage der Roemer war bedenklich; die Legionen, die ueber den Liris gegangen waren und Kampanien besetzt hatten, waren durch den Aufstand der Latiner von der Heimat abgeschnitten und nur ein Sieg konnte sie retten. Bei Trifanum (zwischen Minturnae, Suessa und Sinuessa) ward die entscheidende Schlacht geliefert (414 340): der Konsul Titus Manlius Imperiosus Torquatus erfocht ueber die vereinigten Latiner und Kampaner einen vollstaendigen Sieg. In den beiden folgenden Jahren wurden die einzelnen Staedte, soweit sie noch Widerstand leisteten, durch Kapitulation oder Sturm bezwungen und die ganze Landschaft zur Unterwerfung gebracht.

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^15 Vielleicht kein Abschnitt der roemischen Annalen ist aerger entstellt als die Erzaehlung des ersten samnitisch-latinischen Krieges, wie sie bei Livius, Dionysios, Appian steht oder stand. Sie lautet etwa folgendermassen. Nachdem 411 (343) beide Konsuln in Kampanien eingerueckt waren, erfocht zuerst der Konsul Marcus Valerius Corvus am Berge Gaurus ueber die Samniten einen schweren und blutigen Sieg; alsdann auch der Kollege Aulus Cornelius Cossus, nachdem er der Vernichtung in einem Engpass durch Hingebung einer von dem Kriegstribun Publius Decius gefuehrten Abteilung entgangen war. Die dritte und entscheidende Schlacht ward am Eingang der Caudinischen Paesse bei Suessula von den beiden Konsuln geschlagen; die Samniten wurden vollstaendig ueberwunden - man las vierzigtausend ihrer Schilde auf dem Schlachtfelde auf - und zum Frieden genoetigt, in welchem die Roemer Capua, das sich ihnen zu eigen gegeben, behielten, Teanum dagegen den Samniten ueberliessen (413 341). Glueckwuensche kamen von allen Seiten, selbst von Karthago. Die Latiner, die den Zuzug verweigert hatten und gegen Rom zu ruesten schienen, wandten ihre Waffen statt gegen Rom vielmehr gegen die Paeligner, waehrend die Roemer zunaechst durch eine Militaerverschwoerung der in Kampanien zurueckgelassenen Besatzung (412 342), dann durch die Einnahme von Privernum (413 341) und den Krieg gegen die Antiaten beschaeftigt waren. Nun aber wechseln ploetzlich und seltsam die Parteiverhaeltnisse. Die Latiner, die umsonst das roemische Buergerrecht und Anteil am Konsulat gefordert hatten, erhoben sich gegen Rom in Gemeinschaft mit den Sidicinern, die vergeblich den Roemern die Unterwerfung angetragen hatten und vor den Samniten sich nicht zu retten wussten, und mit den Kampanern, die der roemischen Herrschaft bereits muede waren. Nur die Laurenter in Latium und die kampanischen Ritter hielten zu den Roemern, welche ihrerseits Unterstuetzung fanden bei den Paelignern und den Samniten. Das latinische Heer ueberfiel Samnium; das roemisch-samnitische schlug, nachdem es an den Fuciner See und von da an Latium vorueber in Kampanien einmarschiert war, die Entscheidungsschlacht gegen die vereinigten Latiner und Kampaner am Vesuv, welche der Konsul Titus Manlius Imperiosus, nachdem er selbst durch die Hinrichtung seines eigenen, gegen den Lagerbefehl siegenden Sohnes die schwankende Heereszucht wiederhergestellt und sein Kollege Publius Decius Mus die Goetter versoehnt hatte durch seinen Opfertod, endlich mit Aufbietung der letzten Reserve gewann. Aber erst eine zweite Schlacht, die der Konsul Manlius den Latinern und Kampanern bei Trifanum lieferte, machte dem Krieg ein Ende; Latium und Capua unterwarfen sich und wurden um einen Teil ihres Gebietes gestraft.

Einsichtigen und ehrlichen Lesern wird es nicht entgehen, dass dieser Bericht von Unmoeglichkeiten aller Art wimmelt. Dahin gehoert das Kriegfuehren der Antiaten nach der Dedition von 377 (377) (Liv. 6, 33); der selbstaendige Feldzug der Latiner gegen die Paeligner im schneidenden Widerspruch zu den Bestimmungen der Vertraege zwischen Rom und Latium; der unerhoerte Marsch des roemischen Heeres durch das marsische und samnitische Gebiet nach Capua, waehrend ganz Latium gegen Rom in Waffen stand; um nicht zu reden von dem ebenso verwirrten wie sentimentalen Bericht ueber den Militaeraufstand von 412 (342) und den Geschichtchen von dem gezwungenen Anfuehrer desselben, dem lahmen Titus Quinctius, dem roemischen Goetz von Berlichingen. Vielleicht noch bedenklicher sind die Wiederholungen; so ist die Erzaehlung von dem Kriegstribun Publius Decius nachgebildet der mutigen Tat des Marcus Calpurnius Flamma, oder wie er sonst hiess, im Ersten Punischen Kriege; so kehrt die Eroberung Privernums durch Gaius Plautius wieder im Jahre 425 (329), und nur diese zweite ist in den Triumphalfasten verzeichnet; so der Opfertod des Publius Decius bekanntlich bei dem Sohne desselben 459 (295). Ueberhaupt verraet in diesem Abschnitt die ganze Darstellung eine andere Zeit und eine andere Hand als die sonstigen glaubwuerdigeren annalistischen Berichte; die Erzaehlung ist voll von ausgefuehrten Schlachtgemaelden; von eingewebten Anekdoten, wie zum Beispiel der von dem setinischen Praetor, der auf den Stufen des Rathauses den Hals bricht, weil er dreist genug gewesen war, das Konsulat zu begehren, und den mannigfaltigen aus dem Beinamen des Titus Manlius herausgesponnenen; von ausfuehrlichen und zum Teil bedenklichen archaeologischen Digressionen, wohin zum Beispiel die Geschichte der Legion (von der die hoechst wahrscheinlich apokryphe Notiz ueber die aus Roemern und Latinern gemischten Manipel des zweiten Tarquinius bei Liv. 1, 52 offenbar ein zweites Bruchstueck ist), die verkehrte Auffassung des Vertrages zwischen Capua und Rom (meine Geschichte des roemischen Muenzwesens. Breslau 1860, S. 334, A. 122), die Devotionsformulare, der kampanische Denar, das laurentische Buendnis, die bina iugera bei der Assignation gehoeren. Unter solchen Umstaenden erscheint es von grossem Gewicht, dass Diodoros, der anderen und oft aelteren Berichten folgt, von all diesen Ereignissen schlechterdings nichts kennt als die letzte Schlacht bei Trifanum; welche auch in der Tat schlecht passt zu der uebrigen Erzaehlung, die nach poetischer Gerechtigkeit schliessen sollte mit dem Tode des Decius.

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Die Folge des Sieges war die Aufloesung des latinischen Bundes. Derselbe wurde aus einer selbstaendigen politischen Konfoederation in eine bloss religioese Festgenossenschaft umgewandelt; die altverbrieften Rechte der Eidgenossenschaft auf ein Maximum der Truppenaushebung und einen Anteil an dem Kriegsgewinn gingen damit als solche zu Grunde, und was derart spaeter noch vorkam, traegt den Charakter der Gnadenbewilligung. An die Stelle des einen Vertrages zwischen Rom einer- und der latinischen Eidgenossenschaft anderseits traten im besten Fall ewige Buendnisse zwischen Rom und den einzelnen eidgenoessischen Orten. Zu diesem Vertragsverhaeltnis wurden von den altlatinischen Orten ausser Laurentum auch Tibur und Praeneste zugelassen, welche indes Stuecke ihres Gebiets an Rom abtreten mussten. Gleiches Recht erhielten die ausserhalb Latium gegruendeten Gemeinden latinischen Rechts, soweit sie sich nicht an dem Kriege beteiligt hatten. Die Isolierung der Gemeinden gegeneinander, welche fuer die nach dem Jahre 370 (384) gegruendeten Orte bereits frueher festgestellt worden war, ward also auf die gesamte Nation erstreckt. Im uebrigen blieben den einzelnen Orten die bisherigen Gerechtsame und ihre Autonomie. Die uebrigen altlatinischen Gemeinden sowie die abgefallenen Kolonien verloren saemtlich die Selbstaendigkeit und traten in einer oder der anderen Form in den roemischen Buergerverband ein. Die beiden wichtigsten Kuestenstaedte Antium (416 338) und Tarracina (425 329) wurden, nach dem Muster von Ostia, mit roemischen Vollbuergern besetzt und auf eine engbegrenzte kommunale Selbstaendigkeit beschraenkt, die bisherigen Buerger zu Gunsten der roemischen Kolonisten ihres Grundeigentums grossenteils beraubt und, soweit sie es behielten, ebenfalls in den Vollbuergerverband aufgenommen. Lanuvium, Aricia, Nomentum, Pedum wurden roemische Buergergemeinden mit beschraenkter Selbstverwaltung nach dem Muster von Tusculum (l, 360). Velitraes Mauern wurden niedergerissen, der Senat in Masse ausgewiesen und im roemischen Etrurien interniert, die Stadt wahrscheinlich als untertaenige Gemeinde nach caeritischem Recht konstituiert. Von dem gewonnenen Acker wurde ein Teil, zum Beispiel die Laendereien der veliternischen Ratsmitglieder, an roemische Buerger verteilt; mit diesen Einzelassignationen haengt die Errichtung zweier neuer Buergerbezirke im Jahre 422 (332) zusammen. Wie tief man in Rom die ungeheure Bedeutung des gewonnenen Erfolges empfand, zeigt die Ehrensaeule, die man dem siegreichen Buergermeister des Jahres 416 (338), Gaius Maenius, auf dem roemischen Markte errichtete, und die Schmueckung der Rednertribuene auf demselben mit den Schnaebeln der unbrauchbar befundenen antiatischen Galeeren.

In gleicher Weise ward in dem suedlichen volskischen und dem kampanischen Gebiet die roemische Herrschaft durchgefuehrt und befestigt. Fundi, Formiae, Capua, Kyme und eine Anzahl kleinerer Staedte wurden abhaengige roemische Gemeinden mit Selbstverwaltung; um das vor allem wichtige Capua zu sichern, erweiterte man kuenstlich die Spaltung zwischen Adel und Gemeinde, revidierte die Gemeindeverfassung im roemischen Interesse und kontrollierte die staedtische Verwaltung durch jaehrlich nach Kampanien gesandte roemische Beamte. Dieselbe Behandlung widerfuhr einige Jahre darauf dem volskischen Privernum, dessen Buerger, unterstuetzt von dem kuehnen fundanischen Parteigaenger Vitruvius Vaccus, die Ehre hatten, fuer die Freiheit dieser Landschaft den letzten Kampf zu kaempfen - er endigte mit der Erstuermung der Stadt (425 329) und der Hinrichtung des Vaccus im roemischen Kerker. Um eine eigene roemische Bevoelkerung in diesen Gegenden emporzubringen, teilte man von den im Krieg gewonnenen Laendereien, namentlich im privernatischen und im falernischen Gebiet, so zahlreiche Ackerlose an roemische Buerger aus, dass wenige Jahre nachher (436 318) auch dort zwei neue Buergerbezirke errichtet werden konnten. Die Anlegung zweier Festungen als Kolonien latinischen Rechts sicherte schliesslich das neu gewonnene Land. Es waren dies Cales (420 334) mitten in der kampanischen Ebene, von wo aus Teanum und Capua beobachtet werden konnten, und Fregellae (426 328), das den Uebergang ueber den Liris beherrschte. Beide Kolonien waren ungewoehnlich stark und gelangten schnell zur Bluete, trotz der Hindernisse, welche die Sidiciner der Gruendung von Cales, die Samniten der von Fregellae in den Weg legten. Auch nach Sora ward eine roemische Besatzung verlegt, worueber die Samniten, denen dieser Bezirk vertragsmaessig ueberlassen worden war, sich mit Grund, aber vergeblich beschwerten. Ungeirrt ging Rom seinem Ziel entgegen, seine energische und grossartige Staatskunst mehr als auf dem Schlachtfelde offenbarend in der Sicherung der gewonnenen Landschaft, die es politisch und militaerisch mit einem unzerreissbaren Netze umflocht.

Dass die Samniten das bedrohliche Vorschreiten der Roemer nicht gern sahen, versteht sich; sie warfen ihnen auch wohl Hindernisse in den Weg, aber versaeumten es doch jetzt, wo es vielleicht noch Zeit war, mit der von den Umstaenden geforderten Energie ihnen die neue Eroberungsbahn zu verlegen. Zwar Teanum scheinen sie nach dem Vertrag mit Rom eingenommen und stark besetzt zu haben; denn waehrend die Stadt frueher Hilfe gegen Samnium in Capua und Rom nachsucht, erscheint sie in den spaeteren Kaempfen als die Vormauer der samnitischen Macht gegen Westen. Aber am oberen Liris breiteten sie wohl erobernd und zerstoerend sich aus, versaeumten es aber, hier auf die Dauer sich festzusetzen. So zerstoerten sie die Volskerstadt Fregellae, wodurch nur die Anlage der eben erwaehnten roemischen Kolonie daselbst erleichtert ward, und schreckten zwei andere Volskerstaedte, Fabrateria (Ceccano) und Luca (unbekannter Lage), so, dass dieselben, Capuas Beispiel folgend, sich (424 330) den Roemern zu eigen gaben. Die samnitische Eidgenossenschaft gestattete, dass die roemische Eroberung Kampaniens eine vollendete Tatsache geworden war, bevor sie sich ernstlich derselben widersetzte; wovon der Grund allerdings zum Teil in den gleichzeitigen Fehden der samnitischen Nation mit den italischen Hellenen, aber zum Teil doch auch in der schlaffen und zerfahrenen Politik der Eidgenossenschaft zu suchen ist.

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