KAPITEL XII. Boden- und Geldwirtschaft

Wie mit dem sechsten Jahrhundert der Stadt zuerst eine einigermassen pragmatisch zusammenhaengende Geschichte derselben moeglich wird, so treten auch in dieser Zeit zuerst die oekonomischen Zustaende mit groesserer Bestimmtheit und Anschaulichkeit hervor. Zugleich stellt die Grosswirtschaft im Ackerbau wie im Geldwesen in ihrer spaeteren Weise und Ausdehnung jetzt zuerst sich fest, ohne dass sich genau scheiden liesse, was darin auf aelteres Herkommen, was auf Nachahmung der Boden- und Geldwirtschaft der frueher zivilisierten Nationen, namentlich der Phoeniker, was auf die steigende Kapitalmasse und die steigende Intelligenz der Nation zurueckgeht. Zur richtigen Einsicht in die innere Geschichte Roms wird es beitragen, diese wirtschaftlichen Verhaeltnisse hier zusammenfassend zu schildern.

Die Bodenwirtschaft ^1 war entweder Guts- oder Weide- oder Kleinwirtschaft, wovon die erste in der von Cato entworfenen Schilderung uns mit grosser Anschaulichkeit entgegentritt.

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^1 Um uebrigens von dem alten Italien ein richtiges Bild zu gewinnen, ist es notwendig, sich zu erinnern, welche grossen Veraenderungen auch hier durch die neuere Kultur entstanden sind. Von den Getreidearten ward im Altertum Roggen nicht gebaut und des als Unkraut wohlbekannten Hafers sah man in der Kaiserzeit mit Verwunderung die Deutschen sich zum Brei bedienen. Der Reis ward in Italien zuerst am Ende des fuenfzehnten, der Mais daselbst zuerst am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts kultiviert. Die Kartoffeln und Tomaten stammen aus Amerika; die Artischocken scheinen nichts als eine durch Kultur entstandene Varietaet der den Roemern bekannten Cardonen, aber doch in ihrer Eigentuemlichkeit neueren Ursprungs zu sein. Die Mandel dagegen oder die “griechische Nuss”, der Pfirsich oder die “persische”, auch die “weiche Nuss” (nux mollusca) sind zwar Italien urspruenglich fremd, aber begegnen wenigstens schon hundertfuenfzig Jahre vor Christus. Die Dattelpalme, in Italien aus Griechenland, wie in Griechenland aus dem Orient eingefuehrt und ein lebendiger Zeuge des uralten kommerziell-religioesen Verkehrs des Okzidents mit den Orientalen, ward in Italien bereits dreihundert Jahre vor Christus gezogen (Liv. 10, 47; Pallad. 5, 5, 2; 11, 12, 1), nicht der Fruechte wegen (Plin. nat. 13, 4, 26), sondern eben wie heutzutage, als Prachtgewaechs und um der Blaetter bei oeffentlichen Festlichkeiten sich zu bedienen. Juenger ist die Kirsche oder die Frucht von Kerasus am Schwarzen Meer, die erst in der ciceronischen Zeit in Italien gepflanzt zu werden anfing, obwohl der wilde Kirschbaum daselbst einheimisch ist; noch juenger vielleicht die Aprikose oder die “armenische Pflaume”. Der Zitronenbaum ward erst in der spaeteren Kaiserzeit in Italien kultiviert; die Orange kam gar erst durch die Mauren im zwoelften oder dreizehnten Jahrhundert dahin, ebenso erst im sechzehnten von Amerika die Aloe (Agave americana). Die Baumwolle ist in Europa zuerst von Arabern gebaut worden. Auch der Bueffel und der Seidenwurm sind nur dem neuen, nicht dem alten Italien eigen.

Wie man sieht, sind die mangelnden grossenteils eben diejenigen Produkte, die uns recht “italienisch” scheinen; und wenn das heutige Deutschland, verglichen mit demjenigen, welches Caesar betrat, ein suedliches Land genannt werden kann, so ist auch Italien in nicht minderem Grade seitdem “suedlicher” geworden.

Die roemischen Landgueter waren, als groesserer Grundbesitz betrachtet, durchgaengig von beschraenktem Umfang. Das von Cato beschriebene hatte ein Areal von 240 Morgen; ein sehr gewoehnliches Mass war die sogenannte Centuria von 200 Morgen. Wo die muehsame Rebenzucht betrieben ward, wurde die Wirtschaftseinheit noch kleiner gemacht; Cato setzt fuer diesen Fall einen Flaecheninhalt von 100 Morgen voraus. Wer mehr Kapital in die Landwirtschaft stecken wollte, vergroesserte nicht sein Gut, sondern erwarb mehrere Gueter; wie denn wohl schon der Maximalsatz des Okkupationsbesitzes von 500 Morgen als Inbegriff von zwei oder drei Landguetern gedacht worden ist.

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Vererbpachtung ist der italischen Privat- wie der roemischen Gemeindewirtschaft fremd; nur bei den abhaengigen Gemeinden kam sie vor. Verpachtung auf kuerzere Zeit, sowohl gegen eine feste Geldsumme als auch in der Art, dass der Paechter alle Betriebskosten trug und dafuer einen Anteil, in der Regel wohl die Haelfte der Fruechte, empfing ^2, war nicht unbekannt, aber Ausnahme und Notbehelf; ein eigener Paechterstand hat sich deshalb in Italien nicht gebildet ^3. Regelmaessig leitete also der Eigentuemer selber den Betrieb seiner Gueter; indes wirtschaftete er nicht eigentlich selbst, sondern erschien nur von Zeit zu Zeit auf dem Gute, um den Wirtschaftsplan festzustellen, die Ausfuehrung zu beaufsichtigen und seinen Leuten die Rechnung abzunehmen, wodurch es ihm moeglich ward, teils eine Anzahl Gueter gleichzeitig zu nutzen, teils sich nach Umstaenden den Staatsgeschaeften zu widmen.

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^2 Nach Cato (agr. 137, vgl. 16) wird bei der Teilpacht der Bruttoertrag des Gutes, nach Abzug des fuer die Pflugstiere benoetigten Futters, zwischen Verpaechter und Paechter (colonus partiarius) zu den zwischen ihnen ausgemachten Teilen geteilt. Dass die Teile in der Regel gleich waren, laesst die Analogie des franzoesischen bail à cheptel und der aehnlichen italienischen Pachtung auf halb und halb sowie die Abwesenheit jeder Spur anderer Quotenteilung vermuten. Denn unrichtig hat man den politor, der das fuenfte Korn, oder, wenn vor dem Dreschen geteilt wird, den sechsten bis neunten Aehrenkorb erhaelt (Cato agr. 136, vgl. 5), hierher gezogen; er ist nicht Teilpaechter, sondern ein in der Erntezeit angenommener Arbeiter, der seinen Tagelohn durch jenen Gesellschaftsvertrag erhaelt.

^3 Eigentliche Bedeutung hat die Pacht erst gewonnen, als die roemischen Kapitalisten anfingen, ueberseeische Besitzungen in grossem Umfang zu erwerben; wo man es denn auch zu schaetzen wusste, wenn eine Zeitpacht durch mehrere Generationen fortging (Colum. 1, 7, 3).

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Von Getreide wurden namentlich Spelt und Weizen, auch Gerste und Hirse gebaut; daneben Rueben, Rettiche, Knoblauch, Mohn und, besonders zum Viehfutter, Lupinen, Bohnen, Erbsen, Wicken und andere Futterkraeuter. In der Regel ward im Herbst, nur ausnahmsweise im Fruehjahr gesaet. Fuer die Bewaesserung und Entwaesserung war man sehr taetig und zum Beispiel die Drainage durch geblendete Graeben frueh im Gebrauch. Auch Wiesen zur Heugewinnung fehlten nicht und schon zu Catos Zeit wurden sie haeufig kuenstlich berieselt. Von gleicher, wo nicht von groesserer wirtschaftlicher Bedeutung als Korn und Kraut waren der Oelbaum und der Rebstock, von denen jener zwischen die Saaten, dieser fuer sich auf eigenen Weinbergen gepflanzt ward ^4. Auch Feigen-, Apfel-, Birn- und andere Fruchtbaeume wurden gezogen und ebenso, teils zum Holzschlag, teils wegen des zur Streu und zum Viehfutter nuetzlichen Laubes, Ulmen, Pappeln und andere Laubbaeume und Buesche. Dagegen hat bei den Italikern, bei denen durchgaengig Vegetabilien, Fleischspeisen nur ausnahmsweise und dann fast nur Schweine- und Lammfleisch auf den Tisch kamen, die Viehzucht eine weit geringere Rolle gespielt als in der heutigen Oekonomie. Obwohl man den oekonomischen Zusammenhang des Ackerbaus und der Viehzucht und namentlich die Wichtigkeit der Duengerproduktion nicht verkannte, so war doch die heutige Verbindung von Acker- und Viehwirtschaft dem Altertum fremd. An Grossvieh ward nur gehalten, was zur Bestellung des Ackers erforderlich war, und dasselbe nicht auf eigenem Weideland, sondern im Sommer durchaus und meistens auch im Winter im Stall gefuettert. Dagegen wurden auf die Stoppelweide Schafe aufgetrieben, von denen Cato 100 Stueck auf 240 Morgen rechnet; haeufig indes zog der Eigentuemer es vor, die Winterweide an einen grossen Herdenbesitzer in Pacht zu geben oder auch seine Schafherde einem Teilpaechter gegen Ablieferung einer bestimmten Anzahl von Laemmern und eines gewissen Masses von Kaese und Milch zu ueberlassen. Schweine - Cato rechnet auf das groessere Landgut zehn Staelle -, Huehner, Tauben wurden auf dem Hofe gehalten und nach Beduerfnis gemaestet, auch, wo Gelegenheit dazu war, eine kleine Hasenschonung und ein Fischkasten eingerichtet - die bescheidenen Anfaenge der spaeter so unermesslich sich ausdehnenden Wild- und Fischhegung und Zuechtung.

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^4 Dass zwischen den Rebstoecken kein Getreide gebaut ward, sondern hoechstens leicht im Schatten fortkommende Futterkraeuter, geht aus Cato (agr. 33, vgl. 137) hervor; und darum rechnet auch Columella (3, 3) bei dem Weinberg keinen anderen Nebengewinn als den Ertrag der verkauften Ableger. Dagegen die Baumpflanzung (arbustum) wird wie jedes Getreidefeld besaet (Colum. 2, 9, 6). Nur wo der Wein an lebendigen Baeumen gezogen wird, baut man auch zwischen diesen Getreide.

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Die Feldarbeit ward beschafft mit Ochsen, die zum Pfluegen, und Eseln, die besonders zum Duengerschleppen und zum Treiben der Muehle verwandt wurden; auch ward wohl noch, wie es scheint fuer den Herrn, ein Pferd gehalten. Man zog diese Tiere nicht auf dem Gut, sondern kaufte sie; durchgaengig waren wenigstens Ochsen und Pferde verschnitten. Auf das Gut von 100 Morgen rechnet Cato ein, auf das von 240 drei Joch Ochsen, ein juengerer Landwirt Saserna auf 200 Morgen zwei Joch; Esel wurden nach Catos Anschlag fuer das kleinere Grundstueck drei, fuer das groessere vier erfordert.

Die Menschenarbeit ward regelmaessig durch Sklaven beschafft. An der Spitze der Gutssklavenschaft (familia rustica) stand der Wirtschafter (vilicus, von villa), der einnimmt und ausgibt, kauft und verkauft, die Instruktionen des Herrn entgegennimmt und in dessen Abwesenheit anordnet und straft. Unter ihm stehen die Wirtschafterin (vilica), die Haus, Kueche und Speisekammer, Huehnerhof und Taubenschlag besorgt; eine Anzahl Pflueger (bubulci) und gemeiner Knechte, ein Eseltreiber, ein Schweine- und, wo es eine Schafherde gab, ein Schafhirt. Die Zahl schwankte natuerlich je nach der Bewirtschaftungsweise. Auf ein Ackergut von 200 Morgen ohne Baumpflanzungen werden zwei Pflueger und sechs Knechte, auf ein gleiches mit Baumpflanzungen zwei Pflueger und neun Knechte, auf ein Gut von 240 Morgen mit Olivenpflanzungen und Schafherde drei Pflueger, fuenf Knechte und drei Hirten gerechnet. Fuer den Weinberg brauchte man natuerlich mehr Arbeitskraefte: auf ein Gut von 100 Morgen mit Rebpflanzungen kommen ein Pflueger, elf Knechte und zwei Hirten. Der Wirtschafter stand natuerlich freier als die uebrigen Knechte; die Magonischen Buecher rieten, ihm Ehe, Kinderzeugung und eigene Kasse zu gestatten, und Cato, ihn mit der Wirtschafterin zu verheiraten; er allein wird auch Aussicht gehabt haben, im Fall des Wohlverhaltens von dem Herrn die Freiheit zu erlangen. Im uebrigen bildeten alle einen gemeinschaftlichen Hausstand. Die Knechte wurden eben wie das Grossvieh nicht auf dem Gut gezogen, sondern in arbeitsfaehigem Alter auf dem Sklavenmarkt gekauft, auch wohl, wenn sie durch Alter oder Krankheit arbeitsunfaehig geworden waren, mit anderem Ausschuss wieder auf den Markt geschickt ^5. Das Wirtschaftsgebaeude (villa rustica) war zugleich Stallung fuer das Vieh, Speicher fuer die Fruechte und Wohnung des Wirtschafters wie der Knechte; wogegen fuer den Herrn haeufig auf dem Gut ein abgesondertes Landhaus (villa urbana) eingerichtet war. Ein jeder Sklave, auch der Wirtschafter selbst, erhielt seine Beduerfnisse auf Rechnung des Herrn in gewissen Fristen nach festen Saetzen geliefert, womit er dann auszukommen hatte; so Kleider und Schuhzeug, die auf dem Markte gekauft wurden und von denen die Empfaenger nur die Instandhaltung selber beschafften; so monatlich eine Quantitaet Weizen, die jeder selbst zu mahlen hatte, ferner Salz, Zukost - Oliven oder Salzfisch -, Wein und Oel. Die Quantitaet richtete sich nach der Arbeit, weshalb zum Beispiel der Wirtschafter, der leichtere Arbeit hat als die Knechte, knapperes Mass als diese empfing. Alles Backen und Kochen besorgte die Wirtschafterin und alle assen gemeinschaftlich dieselbe Kost. Es war nicht Regel, die Sklaven zu fesseln; wer aber Strafe verwirkt hatte oder einen Entweichungsversuch befuerchten liess, ward angeschlossen auf die Arbeit geschickt und des Nachts in den Sklavenkerker gesperrt ^6. Regelmaessig reichten diese Gutssklaven hin; im Notfall halfen, wie sich von selbst versteht, die Nachbarn mit ihren Sklaven gegen Tagelohn einer dem andern aus. Fremde Arbeiter wurden sonst fuer gewoehnlich nicht verwandt, ausser in besonders ungesunden Gegenden, wo man es vorteilhaft fand, den Sklavenstand zu beschraenken und dafuer gemietete Leute zu verwenden, und zur Einbringung der Ernte, fuer welche die stehenden Arbeitskraefte nirgend genuegten. Bei der Korn- und Heuernte nahm man gedungene Schnitter hinzu, die oft an Lohnes Statt von ihrem Eingebrachten die sechste bis neunte Garbe oder, wenn sie auch droschen, das fuenfte Korn empfingen - so zum Beispiel gingen jaehrlich umbrische Arbeiter in grosser Zahl in das Tal von Rieti, um hier die Ernte einbringen zu helfen. Die Trauben- und Olivenernte ward in der Regel einem Unternehmer in Akkord gegeben, welcher durch seine Mannschaften, gedungene Freie oder auch fremde oder eigene Sklaven, unter Aufsicht einiger vom Gutsbesitzer dazu angestellter Leute das Lesen und Pressen besorgte und den Ertrag an den Herrn ablieferte ^7; sehr haeufig verkaufte auch der Gutsbesitzer die Ernte auf dem Stock oder Zweig und liess den Kaeufer die Einbringung besorgen.

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^5 Mago oder sein Uebersetzer (bei Varro tust. 1, 17, 3) raet, die Sklaven nicht zu zuechten, sondern nicht juenger als zweiundzwanzigjaehrig zu kaufen; und ein aehnliches Verfahren muss auch Cato im Sinn gehabt haben, wie der Personalbestand seiner Musterwirtschaft deutlich beweist, obwohl er es nicht geradezu sagt. Den Verkauf der alten und kranken Sklaven raet Cato (agr. 2) ausdruecklich an. Die Sklavenzuechtung, wie sie Columella (1, 8) beschreibt, wobei die Sklavinnen, welche drei Soehne haben, von der Arbeit befreit, die Muetter von vier Soehnen sogar freigelassen werden, ist wohl mehr eine selbstaendige Spekulation als ein Teil des regelmaessigen Gutsbetriebes, aehnlich wie das von Cato selbst betriebene Geschaeft, Sklaven zur Abrichtung und zum Wiederverkauf aufzukaufen (Plut. Cato mai. 21). Die ebendaselbst erwaehnte charakteristische Besteuerung bezieht sich wohl auf die eigentliche Dienerschaft (familia urbana).

^6 In dieser Beschraenkung ist die Fesselung der Sklaven und selbst der Haussoehne (Dion. Hal. 2, 26) uralt; und also als Ausnahme erscheinen auch bei Cato die gefesselten Feldarbeiter, denen, da sie nicht selbst mahlen koennen, statt des Kornes Brot verabreicht werden muss (56). Sogar in der Kaiserzeit tritt die Fesselung der Sklaven durchgaengig noch auf als eine definitiv von dem Herrn, provisorisch von dem Wirtschafter zuerkannte Bestrafung (Colum. 1, 8; Gaius inst. 1, 13; Ulp. reg. 1, 11). Wenn dennoch die Bestellung der Felder durch gefesselte Sklaven in spaeterer Zeit als eigenes Wirtschaftssystem vorkommt und der Arbeiterzwinger (ergastulum), ein Kellergeschoss mit vielen aber schmalen und nicht vom Boden aus mit der Hand zu erreichenden Fensteroeffnungen (Colum. 1, 6), ein notwendiges Stueck des Wirtschaftsgebaeudes wird, so vermittelt sich dies dadurch, dass die Lage der Gutssklaven haerter war als die der uebrigen Knechte und darum vorwiegend diejenigen Sklaven dazu genommen wurden, welche sich vergangen hatten oder zu haben schienen. Dass grausame Herren uebrigens auch ohne jeden Anlass die Fesselung eintreten liessen, soll damit nicht geleugnet werden und liegt auch klar darin angedeutet, dass die Rechtsbuecher die den Verbrechersklaven treffenden Nachteile nicht ueber die Gefesselten, sondern die Strafe halber Gefesselten verhaengen. Ganz ebenso stand es mit der Brandmarkung; sie sollte eigentlich Strafe sein; aber es wurde auch wohl die ganze Herde gezeichnet (Diod. 35, 5; J. Bernays, Ueber das Phokylideische Gedicht. Berlin 1856, S. XXXI).

^7 Von der Weinlese sagt dies Cato nicht ausdruecklich wohl aber Varro (rust. 1, 17), und es liegt auch in der Sache. Es waere oekonomisch fehlerhaft gewesen, den Stand der Gutssklavenschaft nach dem Mass der Erntearbeiten einzurichten, und am wenigsten wuerde man, wenn es dennoch geschehen waere, die Trauben auf dem Stock verkauft haben, was doch haeufig vorkam (Cato agr. 147).

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Die ganze Wirtschaft ist durchdrungen von der unbedingten Ruecksichtslosigkeit der Kapitalmacht. Knecht und Vieh stehen auf einer Linie; ein guter Kettenhund, heisst es bei einem roemischen Landwirt, muss nicht zu freundlich gegen seine “Mitsklaven” sein. Man naehrt gehoerig den Knecht wie den Stier, solange sie arbeiten koennen, weil es nicht wirtschaftlich waere, sie hungern zu lassen; und man verkauft sie wie die abgaengige Pflugschar, wenn sie arbeitsunfaehig geworden sind, weil es ebenfalls nicht wirtschaftlich waere, sie laenger zu behalten. In aelterer Zeit hatten religioese Ruecksichten auch hier mildernd eingegriffen und den Knecht wie den Pflugstier an den gebotenen Fest- und Rasttagen ^8 von der Arbeit entbunden; nichts ist bezeichnender fuer den Geist Catos und seiner Gesinnungsgenossen als die Art, wie sie die Heiligung des Feiertags dem Buchstaben nach einschaerften und der Sache nach umgingen, naemlich anrieten, den Pflug an jenen Tagen allerdings ruhen zu lassen, aber mit anderen nicht ausdruecklich verpoenten Arbeiten auch an diesen Tagen die Sklavenschaft rastlos zu beschaeftigen. Grundsaetzlich ward ihr keinerlei freie Regung gestattet - der Sklave, lautet einer von Catos Wahrspruechen, muss entweder arbeiten oder schlafen -, und durch menschliche Beziehungen die Knechte an das Gut oder an den Herrn zu knuepfen, ward nicht einmal versucht. Der Rechtsbuchstabe waltete in unverhuellter Scheusslichkeit, und man machte sich keine Illusionen ueber die Folgen. “Soviel Sklaven, soviel Feinde”, sagt ein roemisches Sprichwort. Es war ein oekonomischer Grundsatz, Spaltungen innerhalb der Sklavenschaft eher zu hegen als zu unterdruecken; in demselben Sinne warnten schon Platon und Aristoteles und nicht minder das Orakel der Ackerwirte, der Karthager Mago, davor, Sklaven gleicher Nationalitaet zusammenzubringen, um nicht landsmannschaftliche Verbindungen und vielleicht Komplotte herbeizufuehren. Es ward, wie schon gesagt, die Sklavenschaft von den Gutsherren ganz ebenso regiert, wie die roemische Gemeinde die Untertanenschaften regierte in den “Landguetern des roemischen Volkes”, den Provinzen; und die Welt hat es empfunden, dass der herrschende Staat sein neues Regierungs- nach dem Sklavenhaltersystem entwickelte. Wenn man uebrigens sich zu jener wenig beneidenswerten Hoehe des Denkens emporgeschwungen hat, wo in der Wirtschaft durchaus nichts gilt als das darin steckende Kapital, so kann man der roemischen Gutswirtschaft das Lob der Folgerichtigkeit, Taetigkeit, Puenktlichkeit, Sparsamkeit und Soliditaet nicht versagen. Der kernige, praktische Landmann spiegelt sich in der Catonischen Schilderung des Wirtschafters, wie er sein soll, der zuerst im Hofe auf und zuletzt im Bette ist, der streng gegen sich ist wie gegen seine Leute und vor allem die Wirtschafterin in Respekt zu halten weiss, aber auch die Arbeiter und das Vieh, insbesondere den Pflugstier wohl versorgt, der oft und bei jeder Arbeit mit anfasst, aber sich nie wie ein Knecht muede arbeitet, der stets zu Hause ist, nicht borgt noch verborgt, keine Gastereien gibt, um keinen anderen Gottesdienst als um den der eignen Haus- und Feldgoetter sich kuemmert und als rechter Sklave allen Verkehr mit den Goettern wie mit den Menschen dem Herrn anheimstellt, der endlich vor allen Dingen demselben bescheiden begegnet und den von ihm empfangenen Instruktionen, ohne zu wenig und ohne zu viel zu denken, getreulich und einfach nachlebt. Der ist ein schlechter Landmann, heisst es anderswo, der das kauft, was er auf seinem Gute erzeugen kann; ein schlechter Hausvater, welcher bei Tage vornimmt, was bei Licht sich beschaffen laesst, es sei denn, dass das Wetter schlecht ist; ein noch schlechterer, welcher am Werkeltag tut, was am Feiertag getan werden kann; der schlechteste von allen aber der, welcher bei gutem Wetter zu Hause statt im Freien arbeiten laesst. Auch die charakteristische Duengerbegeisterung mangelt nicht; und wohl sind es goldene Regeln, dass fuer den Landmann der Boden nicht da ist zum Scheuern und Fegen, sondern zum Saeen und Ernten, dass man also zuvor Reben und Oelbaeume pflanzen und erst nachher und nicht in allzu frueher Jugend ein Landhaus sich einrichten soll. Eine gewisse Bauernhaftigkeit ist der Wirtschaft freilich eigen und anstatt der rationellen Ermittlung der Ursachen und Wirkungen treten durchgaengig die bekannten baeurischen Erfahrungssaetze auf; doch ist man sichtbar bestrebt, sich fremde Erfahrungen und auslaendische Produkte anzueignen, wie denn schon in Catos Verzeichnis der Fruchtbaumsorten griechische, afrikanische und spanische erscheinen.

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^8 Columella (2, 12, 9) rechnet auf das Jahr durchschnittlich 45 Regen- und Feiertage; und damit stimmt ueberein, dass nach Tertullian (idol. 14) die Zahl der heidnischen Festtage noch nicht die fuenfzig Tage der christlichen Freudenzeit von Ostern bis Pfingsten erreicht. Dazu kommt dann die Rastzeit des Mittwinters nach vollbrachter Herbstsaat, welche Columella auf dreissig Tage anschlaegt. In diese fiel ohne Zweifel durchgaengig das wandelbare “Saatfest” (feriae sementivae; vgl. 1, 201 und Ov. fast. 1, 661). Mit den Gerichtsferien in der Ernte (Plin. epist. 8, 21, 2 und sonst) und Weinlesezeit darf dieser Rastmonat nicht verwechselt werden.

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Die Bauernwirtschaft war von der des Gutsbesitzers hauptsaechlich nur verschieden durch den kleineren Massstab. Der Eigentuemer selbst und seine Kinder arbeiteten hier mit den Sklaven oder auch an deren Statt. Der Viehstand zog sich zusammen, und wo das Gut nicht laenger die Kosten des Pfluges und seiner Bespannung deckte, trat dafuer die Hacke ein. Oel- und Weinbau traten zurueck oder fielen ganz weg. In der Naehe Roms oder eines anderen groesseren Absatzplatzes bestanden auch sorgfaeltig berieselte Blumen- und Gemuesegaerten, aehnlich etwa wie man sie jetzt um Neapel sieht, und gaben sehr reichlichen Ertrag.

Die Weidewirtschaft ward bei weitem mehr ins Grosse getrieben als der Feldbau. Das Weidelandgut (saltus) musste auf jeden Fall betraechtlich mehr Flaechenraum haben als das Ackergut - man rechnete mindestens 800 Morgen - und konnte mit Vorteil fuer das Geschaeft fast ins Unendliche ausgedehnt werden. Nach den klimatischen Verhaeltnissen Italiens ergaenzen sich daselbst gegenseitig die Sommerweide in den Bergen und die Winterweide in den Ebenen; schon in jener Zeit wurden, eben wie jetzt noch und grossenteils wohl auf denselben Pfaden, die Herden im Fruehjahr von Apulien nach Samnium und im Herbst wieder zurueck von da nach Apulien getrieben. Die Winterweide indes fand, wie schon bemerkt ist, nicht durchaus auf besonderem Weideland statt, sondern war zum Teil Stoppelweide. Man zog Pferde, Rinder, Esel Maulesel, hauptsaechlich um den Gutsbesitzern, Frachtfuehrern, Soldaten und so weiter die benoetigten Tiere zu liefern; auch Schweine- und Ziegenherden fehlten nicht. Weit selbstaendiger aber und weit hoeher entwickelt war infolge des fast durchgaengigen Tragens von Wollstoffen die Schafzucht. Der Betrieb ward durch Sklaven beschafft und war im ganzen dem Gutsbetrieb aehnlich, so dass der Viehmeister (magister pecoris) an die Stelle des Wirtschafters trat. Den Sommer ueber kamen die Hirtensklaven meistenteils nicht unter Dach, sondern hausten, oft meilenweit von menschlichen Wohnungen entfernt, unter Schuppen und Huerden; es lag also in den Verhaeltnissen, dass man die kraeftigsten Maenner dazu auslas, ihnen Pferde und Waffen gab und ihnen eine bei weitem freiere Bewegung gestattete, als dies bei der Gutsmannschaft geschah.

Um die oekonomischen Resultate dieser Bodenwirtschaft einigermassen zu wuerdigen, sind die Preisverhaeltnisse und namentlich die Kornpreise dieser Zeit zu erwaegen. Durchschnittlich sind dieselben zum Erschrecken gering, und zum guten Teil durch Schuld der roemischen Regierung, welche in dieser wichtigen Frage, nicht so sehr durch ihre Kurzsichtigkeit, als durch eine unverzeihliche Beguenstigung des hauptstaedtischen Proletariats auf Kosten der italischen Bauernschaft, zu den furchtbarsten Fehlgriffen gefuehrt worden ist. Es handelt sich hier vor allem um den Konflikt des ueberseeischen und des italischen Korns. Das Getreide, das von den Provinzialen teils unentgeltlich, teils gegen eine maessige Verguetigung der roemischen Regierung geliefert ward, wurde von dieser teils an Ort und Stelle zur Verpflegung des roemischen Beamtenpersonals und der roemischen Heere verwandt, teils an die Zehntpaechter in der Art abgetreten, dass diese dafuer entweder Geldzahlung leisteten oder auch es uebernahmen, gewisse Quantitaeten Getreide nach Rom oder wohin es sonst erforderlich war zu liefern. Seit dem Zweiten Makedonischen Kriege wurden die roemischen Heere durchgaengig mit ueberseeischem Korne unterhalten, und wenn dies auch der roemischen Staatskasse zum Vorteil gereichte, so verschloss sich doch damit eine wichtige Absatzquelle fuer den italischen Landmann. Indes dies war das geringste. Der Regierung, welche laengst wie billig auf die Kornpreise ein wachsames Auge gehabt hatte und bei drohenden Teuerungen durch rechtzeitigen Einkauf im Ausland eingeschritten war, lag es nahe, seit die Kornlieferungen der Untertanen ihr alljaehrlich grosse Getreidemassen und wahrscheinlich groessere, als man in Friedenszeiten brauchte, in die Haende fuehrten, und seit ihr ueberdies die Gelegenheit geboten war, auslaendisches Getreide in fast unbegrenzter Quantitaet zu maessigen Preisen zu erwerben, mit solchem Getreide die hauptstaedtischen Maerkte zu ueberfuehren und dasselbe zu Saetzen abzugeben, die entweder an sich oder doch verglichen mit den italischen Schleuderpreise waren. Schon in den Jahren 551-554 (203-200) und, wie es scheint, zunaechst auf Veranstaltung Scipios, wurde in Rom der preussische Scheffel (sechs Modii) spanischen und afrikanischen Weizens von Gemeinde wegen an die Buerger zu 24, ja zu 12 Assen (17-8½ Groschen) abgegeben; einige Jahre nachher (558 196) kamen ueber 160000 Scheffel sizilischen Getreides zu dem letzteren Spottpreis in der Hauptstadt zur Verteilung. Umsonst eiferte Cato gegen diese kurzsichtige Politik; die beginnende Demagogie mischte sich hinein, und diese ausserordentlichen, aber vermutlich sehr haeufigen Austeilungen von Korn unter dem Marktpreis durch die Regierung oder einzelne Beamte, sind der Keim der spaeteren Getreidegesetze geworden. Aber auch wenn das ueberseeische Korn nicht auf diesem ausserordentlichen Wege an die Konsumenten gelangte, drueckte es auf den italischen Ackerbau. Nicht bloss wurden die Getreidemassen, die der Staat an die Zehntpaechter losschlug, ohne Zweifel in der Regel von diesen so billig erworben, dass sie beim Wiederverkauf unter dem Produktionspreis weggegeben werden konnten; sondern wahrscheinlich war auch in den. Provinzen, namentlich in Sizilien, teils infolge der guenstigen Bodenverhaeltnisse, teils der ausgedehnten Gross- und Sklavenwirtschaft nach karthagischem System der Produktionspreis ueberhaupt betraechtlich niedriger als in Italien, der Transport aber des sizilischen und sardinischen Getreides nach Latium wenigstens ebenso billig, wenn nicht billiger wie der Transport dahin aus Etrurien, Kampanien oder gar Norditalien. Es musste also schon im natuerlichen Laufe der Dinge das ueberseeische Korn nach der Halbinsel stroemen und das dort erzeugte im Preise herabdruecken. Unter diesen durch die leidige Sklavenwirtschaft unnatuerlich verschobenen Verhaeltnissen waere es vielleicht gerechtfertigt gewesen, zu Gunsten des italischen Getreides auf das ueberseeische einen Schutzzoll zu legen; aber es scheint vielmehr das Umgekehrte geschehen und zu Gunsten der Einfuhr des ueberseeischen Korns nach Italien in den Provinzen ein Prohibitivsystem in Anwendung gebracht zu sein - denn wenn die Ausfuhr einer Quantitaet Getreide aus Sizilien den Rhodiern als besondere Verguenstigung gestattet ward, so muss wohl der Regel nach die Kornausfuhr aus den Provinzen nur nach Italien hin frei gewesen und also das ueberseeische Korn fuer das Mutterland monopolisiert worden sein. Die Wirkungen dieser Wirtschaft liegen deutlich vor. Ein Jahr ausserordentlicher Fruchtbarkeit wie 504 (250), wo man in der Hauptstadt fuer 6 roemische Modii (= 1 preuss. Scheffel) Spelt nicht mehr als 3/5 Denar (4 Groschen) zahlte und zu demselben Preise 180 roemische Pfund (zu 22 Lot preussisch) trockene Feigen, 60 Pfund Oel, 72 Pfund Fleisch und 6 Congii (= 17 preuss. Quart) Wein verkauft wurden, kommt freilich eben seiner Ausserordentlichkeit wegen wenig in Betracht; aber bestimmter sprechen andere Tatsachen. Schon zu Catos Zeit heisst Sizilien die Kornkammer Roms. In fruchtbaren Jahren wurde in den italischen Haefen das sizilische und sardinische Korn um die Fracht losgeschlagen. In den reichsten Kornlandschaften der Halbinsel, in der heutigen Romagna und Lombardei zahlte man zu Polybios’ Zeit fuer Kost und Nachtquartier im Wirtshaus durchschnittlich den Tag einen halben As (1/3 Groschen); der preussische Scheffel Weizen galt hier einen halben Denar (3½ Groschen). Der letztere Durchschnittspreis, etwa der zwoelfte Teil des sonstigen Normalpreises ^9, zeigt mit unwidersprechlicher Deutlichkeit, dass es der italischen Getreideproduktion an Absatzquellen voellig mangelte und infolgedessen das Korn wie das Kornland daselbst so gut wie entwertet war.

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^9 Als hauptstaedtischer Mittelpreis des Getreides kann wenigstens fuer das siebente und achte Jahrhundert Roms angenommen werden 1 Denar fuer den roemischen Modius oder 1/3 Taler fuer den preussischen Scheffel Weizen, wofuer heutzutage (nach dem Durchschnitt der Preise in den Provinzen Brandenburg und Pommern von 1816- 1841) ungefaehr 1 Taler 24 Silbergroschen gezahlt wird. Ob diese nicht sehr bedeutende Differenz der roemischen und der heutigen Preise auf dem Steigen des Korn- oder dem Sinken des Silberwertes beruht, laesst sich schwerlich entscheiden.

Uebrigens duerfte es sehr zweifelhaft sein, ob in dem Rom dieser und der spaeteren Zeit die Kornpreise wirklich staerker geschwankt haben, als dies heutzutage der Fall ist. Vergleicht man Preise wie die oben angefuehrten von 4 und 7 Groschen den preussischen Scheffel mit denen der aergsten Kriegsteuerung und Hungersnot, wo zum Beispiel im Hannibalischen Kriege der preussische Scheffel auf 99 (1 Medimnos = 15 Drachmen: Polyb. 9, 44), im Buergerkriege auf 198 (1 Modius = 5 Denare: Cic. Verr. E, 92; 214), in der grossen Teuerung unter Augustus gar auf 218 Groschen (5 Modii = 27; Denare: Euseb. chron. p. Chr. 7 Scal.) stieg, so ist der Abstand freilich ungeheuer; allein solche Extreme sind wenig belehrend und koennten nach beiden Seiten hin unter gleichen Bedingungen auch heute noch sich wiederholen.

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In einem grossen Industriestaat, dessen Ackerbau die Bevoelkerung nicht zu ernaehren vermag, haette ein solches Ergebnis als nuetzlich oder doch nicht unbedingt als nachteilig betrachtet werden moegen; ein Land wie Italien, wo die Industrie unbedeutend, die Landwirtschaft durchaus Hauptsache war, ward auf diesem Wege systematisch ruiniert und den Interessen der wesentlich unproduktiven hauptstaedtischen Bevoelkerung, der freilich das Brot nicht billig genug werden konnte, das Wohl des Ganzen auf die schmaehlichste Weise geopfert. Nirgend vielleicht liegt es so deutlich wie hier zutage, wie schlecht die Verfassung und wie unfaehig die Verwaltung dieser sogenannten goldenen Zeit der Republik war. Das duerftigste Repraesentativsystem haette wenigstens zu ernstlichen Beschwerden und zur Einsicht in den Sitz des Uebels gefuehrt; aber in jenen Urversammlungen der Buergerschaft machte alles andere eher sich geltend als die warnende Stimme des vorahnenden Patrioten. Jede Regierung, die diesen Namen verdiente, wuerde von selber eingeschritten sein; aber die Masse des roemischen Senats mag in gutem Koehlerglauben in den niedrigen Kornpreisen das wahre Glueck des Volkes gesehen haben, und die Scipionen und Flaminine hatten ja wichtigere Dinge zu tun, die Griechen zu emanzipieren und die republikanische Koenigskontrolle zu besorgen - so trieb das Schiff ungehindert in die Brandung hinein.

Seit der kleine Grundbesitz keinen wesentlichen Reinertrag mehr lieferte, war die Bauernschaft rettungslos verloren, und um so mehr, als allmaehlich auch aus ihr, wenngleich langsamer als aus den uebrigen Staenden, die sittliche Haltung und sparsame Wirtschaft der frueheren republikanischen Zeit entwich. Es war nur noch eine Zeitfrage, wie rasch die italischen Bauernhufen durch Aufkaufen und Niederlegen in den groesseren Grundbesitz aufgehen wuerden.

Eher als der Bauer war der Gutsbesitzer imstande, sich zu behaupten. Derselbe produzierte an sich schon billiger als jener, wenn er sein Land nicht nach dem aelteren System an kleinere Zeitpaechter abgab, sondern es nach dem neueren durch seine Knechte bewirtschaften liess; wo dies also nicht schon frueher geschehen war, zwang die Konkurrenz des sizilischen Sklavenkorns den italischen Gutsherrn, zu folgen und anstatt mit freien Arbeiterfamilien mit Sklaven ohne Weib und Kind zu wirtschaften. Es konnte der Gutsbesitzer ferner sich eher durch Steigerung oder auch durch Aenderung der Kultur den Konkurrenten gegenueber halten und eher auch mit einer geringeren Bodenrente sich begnuegen als der Bauer, dem Kapital wie Intelligenz mangelten und der nur eben hatte, was er brauchte, um zu leben. Hierauf beruht in der roemischen Gutswirtschaft das Zuruecktreten des Getreidebaus, der vielfach sich auf die Gewinnung der fuer das Arbeiterpersonal erforderlichen Quantitaet beschraenkt zu haben scheint ^10, und die Steigerung der Oel- und Weinproduktion sowie der Viehzucht. Diese hatten bei den guenstigen klimatischen Verhaeltnissen Italiens die auslaendische Konkurrenz nicht zu fuerchten: der italische Wein, das italische Oel, die italische Wolle beherrschten nicht bloss die eigenen Maerkte, sondern gingen bald auch ins Ausland; das Potal, das sein Getreide nicht abzusetzen vermochte, versorgte halb Italien mit Schweinen und Schinken. Dazu stimmt recht wohl, was uns ueber die oekonomischen Resultate der roemischen Bodenwirtschaft berichtet wird. Es ist einiger Grund zu der Annahme vorhanden, dass das in Grundstuecken angelegte Kapital mit sechs Prozent sich gut zu verzinsen schien; was auch der damaligen, um das Doppelte hoeheren durchschnittlichen Kapitalrente angemessen erscheint. Die Viehzucht lieferte im ganzen bessere Ergebnisse als die Feldwirtschaft; in dieser rentierte am besten der Weinberg, demnaechst der Gemuesegarten und die Olivenpflanzung, am wenigsten Wiese und Kornfeld ^11. Natuerlich wird die Betreibung einer jeden Wirtschaftsgattung unter den ihr angemessenen Verhaeltnissen und auf ihrem naturgemaessen Boden vorausgesetzt. Diese Verhaeltnisse reichten an sich schon aus, um allmaehlich an die Stelle der Bauernwirtschaft ueberall die Grosswirtschaft zu setzen; und auf dem Wege der Gesetzgebung ihnen entgegenzuwirken war schwer. Aber arg war es, dass man durch das spaeter noch zu erwaehnende Claudische Gesetz (kurz vor 536 218) die senatorischen Haeuser von der Spekulation ausschloss und dadurch deren ungeheure Kapitalien kuenstlich zwang, vorzugsweise in Grund und Boden sich anzulegen, das heisst die alten Bauernstellen durch Meierhoefe und Viehweiden zu ersetzen. Es kamen ferner der dem Staat weit nachteiligeren Viehwirtschaft, gegenueber dem Gutsbetrieb, noch besondere Foerderungen zustatten. Einmal entsprach sie als die einzige Art der Bodennutzung, welche in der Tat den Betrieb im grossen erheischte und lohnte, allein der Kapitalienmasse und dem Kapitalistensinn dieser Zeit. Die Gutswirtschaft forderte zwar nicht die dauernde Anwesenheit des Herrn auf dem Gut, aber doch sein haeufiges Erscheinen daselbst und gestattete die Erweiterung der Gueter nicht wohl und die Vervielfaeltigung des Besitzes nur in beschraenkten Grenzen; wogegen das Weidegut sich unbegrenzt ausdehnen liess und den Eigentuemer wenig in Anspruch nahm. Aus diesem Grunde fing man schon an, gutes Ackerland selbst mit oekonomischem Verlust in Weide zu verwandeln - was die Gesetzgebung freilich, wir wissen nicht wann, vielleicht um diese Zeit, aber schwerlich mit Erfolg, untersagte. Dazu kamen die Folgen der Domaenenokkupation. Durch dieselbe entstanden nicht bloss, da regelmaessig in groesseren Stuecken okkupiert ward, ausschliesslich grosse Gueter, sondern es scheuten sich auch die Besitzer, in diesen auf beliebigen Widerruf stehenden und rechtlich immer unsicheren Besitz bedeutende Bestellungskosten zu stecken, namentlich Reben und Oelbaeume zu pflanzen; wovon denn die Folge war, dass man diese Laendereien vorwiegend als Viehweide nutzte.

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^10 Darum nennt Cato die beiden Gueter, die er schildert, kurzweg Olivenpflanzung (olivetum) und Weinberg (vinea), obwohl darauf keineswegs bloss Wein und Oel, sondern auch Getreide und anderes mehr gebaut ward. Waeren freilich die 800 culei, auf die der Besitzer des Weinbergs angewiesen wird, sich mit Faessern zu versehen (11), das Maximum einer Jahresernte, so muessten alle 100 Morgen mit Reben bepflanzt gewesen sein, da der Ertrag von 8 culei fuer den Morgen schon ein fast unerhoerter war (Colum. 3, 3); allein Varro (rust. 1, 22) verstand, und offenbar mit Recht, die Angabe, dass der Weinbergbesitzer in den Fall kommen kann, die neue Lese eintun zu muessen, bevor die alte verkauft ist.

^11 Dass der roemische Landwirt von seinem Kapital durchschnittlich sechs Prozent machte, laesst Columella (3, 3, 9) schliessen. Einen genaueren Anschlag fuer Kosten und Ertrag haben wir nur fuer den Weinberg, wofuer Columella auf den Morgen folgende Kostenberechnung aufstellt:

Kaufpreis des Bodens 1000 Sesterzen

Kaufpreis der Arbeitssklaven

auf den Morgen repartiert 1143 Sesterzen

Reben und Pfaehle 2000 Sesterzen

Verlorene Zinsen waehrend

der ersten zwei Jahre 497 Sesterzen

Zusammen 4640 Sesterzen

                                             = 336 Taler.

Den Ertrag berechnet er auf wenigstens 60 Amphoren von mindestens 900 Sesterzen (65 Taler) Wert, was also eine Rente von 17 Prozent darstellen wuerde. Indes ist dieselbe zum Teil illusorisch, da, auch von Missernten abgesehen, die Kosten der Einbringung und die fuer Instandhaltung der Reben, Pfaehle und Sklaven. aus dem Ansatz gelassen worden sind.

Den Bruttoertrag von Wiese, Weide und Wald berechnet derselbe Landwirt auf hoechstens 100 Sesterzen den Morgen und den des Getreidefeldes eher auf weniger als auf mehr; wie denn ja auch der Durchschnittsertrag von 25 roemischen Scheffeln Weizen auf den Morgen schon nach dem hauptstaedtischen Durchschnittspreis von 1 Denar den Scheffel nicht mehr als 100 Sesterzen Bruttoertrag gibt und am Produktionsplatz der Preis noch niedriger gestanden haben muss. Varro (3, 2) rechnet als gewoehnlichen guten Bruttoertrag eines groesseren Gutes 150 Sesterzen vom Morgen. Entsprechende Kostenanschlaege sind hierfuer nicht ueberliefert; dass die Bewirtschaftung hier bei weitem weniger Kosten machte als bei dem Weinberg, versteht sich von selbst.

Alle diese Angaben fallen uebrigens ein Jahrhundert und laenger nach Catos Tod. Von ihm haben wir nur die allgemeine Angabe, dass sich Viehwirtschaft besser rentiere als Ackerbau (bei Cic. off. 2,25; 89; Colum. 6 praef. 4, vgl. 2, 16, 2; Plin. nat. 18, 5, 30; Plut. Cato mai. 21); was natuerlich nicht heissen soll, dass es ueberall raetlich ist, Ackerland in Weide zu verwandeln, sondern relativ zu verstehen ist dahin, dass das fuer die Herdenwirtschaft auf Bergweiden und sonst geeignetem Weideland angelegte Kapital, verglichen mit dem in die Feldwirtschaft auf geeignetem Kornland gesteckten, hoehere Zinsen trage. Vielleicht ist dabei auch noch darauf Ruecksicht genommen, dass die mangelnde Taetigkeit und Intelligenz des Grundherrn bei Weideland weniger nachteilig wirkt als bei der hoch gesteigerten Reben- und Olivenkultur. Innerhalb des Ackergutes stellt sich nach Cato die Bodenrente folgendermassen in absteigender Reihe: 1. Weinberg; 2. Gemuesegarten; 3. Weidenbusch, der infolge der Rebenkultur hohen Ertrag abwarf; 4. Olivenpflanzung; 5. Wiese zur Heugewinnung; 6. Kornfeld; 7. Busch; 8. Schlagforst; 9. Eichenwald zur Viehfuetterung - welche neun Bestandteile in dem Wirtschaftsplan der catonischen Mustergueter saemtlich wiederkehren.

Von dem hoeheren Reinertrag des Weinbaues gegenueber dem Kornbau zeugt auch, dass nach dem im Jahre 637 (117) zwischen der Stadt Genua und den ihr zinspflichtigen Doerfern ausgefaellten Schiedsspruch die Stadt von dem Wein den Sechsten, von dem Getreide den Zwanzigsten als Erbzins empfaengt.

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Von der roemischen Geldwirtschaft in aehnlicher Weise eine zusammenfassende Darstellung zu geben, verbietet teils der Mangel von Fachschriften aus dem roemischen Altertum ueber dieselbe, teils ihre Natur selbst, die bei weitem mannigfaltiger und vielseitiger ist als die Bodennutzung. Was sich ermitteln laesst, gehoert seinen Grundzuegen nach vielleicht weniger noch als die Bodenwirtschaft den Roemern eigentuemlich an, sondern ist vielmehr Gemeingut der gesamten antiken Zivilisation, deren Grosswirtschaft begreiflicherweise eben wie die heutige ueberall zusammenfiel. Im Geldwesen namentlich scheint das kaufmaennische Schema zunaechst von den Griechen festgestellt und von den Roemern nur aufgenommen worden zu sein. Dennoch sind die Schaerfe der Durchfuehrung und die Weite des Massstabes eben hier so eigentuemlich roemisch, dass der Geist der roemischen Oekonomie und ihre Grossartigkeit im Guten wie im Schlimmen vor allem in der Geldwirtschaft sich offenbart.

Der Ausgangspunkt der roemischen Geldwirtschaft war natuerlich das Leihgeschaeft, und kein Zweig der kommerziellen Industrie ist von den Roemern eifriger gepflegt worden als das Geschaeft des gewerbmaessigen Geldverleihers (fenerator) und des Geldhaendlers oder des Bankiers (argentarius). Das Kennzeichen einer entwickelten Geldwirtschaft, der Uebergang der groesseren Kassefuehrung von den einzelnen Kapitalisten auf den vermittelnden Bankier, der fuer seine Kunden Zahlung empfaengt und leistet, Gelder belegt und aufnimmt und im In- und Ausland ihre Geldgeschaefte vermittelt, ist schon in der catonischen Zeit vollstaendig entwickelt. Aber die Bankiers machten nicht bloss die Kassierer der Reichen in Rom, sondern drangen schon ueberall in die kleinen Geschaefte ein und liessen immer haeufiger in den Provinzen und Klientelstaaten sich nieder. Den Geldsuchenden vorzuschiessen fing schon im ganzen Umfange des Reiches an sozusagen Monopol der Roemer zu werden.

Eng damit verwandt war das unermessliche Gebiet der Entreprise. Das System der mittelbaren Geschaeftsfuehrung durchdrang den ganzen roemischen Verkehr. Der Staat ging voran, indem er all seine komplizierteren Hebungen, alle Lieferungen, Leistungen und Bauten gegen eine feste zu empfangende oder zu zahlende Summe an Kapitalisten oder Kapitalistengesellschaften abgab. Aber auch Private gaben durchgaengig in Akkord, was irgend in Akkord sich geben liess: die Bauten und die Einbringung der Ernte und sogar die Regulierung der Erbschafts- und der Konkursmasse, wobei der Unternehmer - gewoehnlich ein Bankier - die saemtlichen Aktiva erhielt und dagegen sich verpflichtete, die Passiva vollstaendig oder bis zu einem gewissen Prozentsatz zu berichtigen und nach Umstaenden noch daraufzuzahlen.

Welche hervorragende Rolle in der roemischen Volkswirtschaft der ueberseeische Handel bereits frueh gespielt hatte, ist seinerzeit gezeigt worden; von dem weiteren Aufschwung, den derselbe in dieser Periode nahm, zeugt die steigende Bedeutung der italischen Hafenzoelle in der roemischen Finanzwirtschaft. Ausser den keiner weiteren Auseinandersetzung beduerfenden Ursachen, durch die die Bedeutung des ueberseeischen Handels stieg, ward derselbe noch kuenstlich gesteigert durch die bevorrechtete Stellung, die die herrschende italische Nation in den Provinzen einnahm, und durch die wohl jetzt schon in vielen Klientelstaaten den Roemern und Latinern vertragsmaessig zustehende Zollfreiheit.

Dagegen blieb die Industrie verhaeltnismaessig zurueck. Die Gewerke waren freilich unentbehrlich, und es zeigen sich wohl auch Spuren, dass sie bis zu einem gewissen Grade in Rom sich konzentrierten, wie denn Cato dem kampanischen Landwirt anraet, seinen Bedarf an Sklavenkleidung und Schuhzeug, an Pfluegen, Faessern und Schloessern in Rom zu kaufen. Auch kann bei dem starken Verbrauch von Wollstoffen die Ausdehnung und Eintraeglichkeit der Tuchfabrikation nicht bezweifelt werden ^12. Doch zeigen sich keine Versuche, die gewerbsmaessige Industrie, wie sie in Aegypten und Syrien bestand, nach Italien zu verpflanzen oder auch nur sie im Auslande mit italischem Kapital zu betreiben. Zwar wurde auch in Italien Flachs gebaut und Purpur bereitet, aber wenigstens die letztere Industrie gehoerte wesentlich dem griechischen Tarent an, und ueberall ueberwog hier wohl schon jetzt die Einfuhr von aegyptischem Linnen und milesischem oder tyrischem Purpur die einheimische Fabrikation.

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^12 Die industrielle Bedeutung des roemischen Tuchgewerks ergibt sich schon aus der merkwuerdigen Rolle, die die Walker in der roemischen Komoedie spielen. Die Eintraeglichkeit der Walkergruben bezeugt Cato (bei Plut. Cato mai. 21).

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Dagegen gehoert gewissermassen hierher die Pachtung oder der Kauf ausseritalischer Laendereien durch roemische Kapitalisten, um daselbst den Kornbau und die Viehzucht im grossen zu betreiben. Die Anfaenge dieser spaeterhin in so enormen Verhaeltnissen sich entwickelnden Spekulation fallen, namentlich auf Sizilien, wahrscheinlich schon in diese Zeit; zumal da die den Sikelioten auferlegten Verkehrsbeschraenkungen, wenn sie nicht dazu eingefuehrt waren, doch wenigstens dahin wirken mussten, den davon befreiten roemischen Spekulanten eine Art von Monopol fuer den Grundbesitzerwerb in die Haende zu geben.

Der Geschaeftsbetrieb in all diesen verschiedenen Zweigen erfolgte durchgaengig durch Sklaven. Der Geldverleiher und der Bankier richteten, soweit ihr Geschaeftskreis reichte, Nebenkontore und Zweigbanken unter Direktion ihrer Sklaven und Freigelassenen ein. Die Gesellschaft, die vom Staate Hafenzoelle gepachtet hatte, stellte fuer das Hebegeschaeft in jedem Bureau hauptsaechlich ihre Sklaven und Freigelassenen an. Wer in Bauunternehmungen machte, kaufte sich Architektensklaven; wer sich damit abgab, die Schauspiele oder Fechterspiele fuer Rechnung der Beikommenden zu besorgen, erhandelte oder erzog sich eine spielkundige Sklaventruppe oder eine Bande zum Fechthandwerk abgerichteter Knechte. Der Kaufmann liess sich seine Waren auf eigenen Schiffen unter der Fuehrung von Sklaven oder Freigelassenen kommen und vertrieb sie wieder in derselben Weise im Gross- oder Kleinverkehr. Dass der Betrieb der Bergwerke und der Fabriken lediglich durch Sklaven erfolgte, braucht danach kaum gesagt zu werden. Die Lage dieser Sklaven war freilich auch nicht beneidenswert und durchgaengig unguenstiger als die der griechischen; dennoch befanden, wenn von den letzten Klassen abgesehen wird, die Industriesklaven sich im ganzen ertraeglicher als die Gutsknechte. Sie hatten haeufiger Familie und faktisch selbstaendige Wirtschaft und die Moeglichkeit, Freiheit und eigenes Vermoegen zu erwerben, lag ihnen nicht fern. Daher waren diese Verhaeltnisse die rechte Pflanzschule der Emporkoemmlinge aus dem Sklavenstand, welche durch Bediententugend und oft durch Bedientenlaster in die Reihen der roemischen Buerger und nicht selten zu grossem Wohlstand gelangten und sittlich, oekonomisch und politisch wenigstens ebensoviel wie die Sklaven selbst zum Ruin des roemischen Gemeinwesens beigetragen haben.

Der roemische Geschaeftsverkehr dieser Epoche ist der gleichzeitigen politischen Machtentwicklung vollkommen ebenbuertig und in seiner Art nicht minder grossartig. Wer ein anschauliches Bild von der Lebendigkeit des Verkehrs mit dem Ausland zu haben wuenscht, braucht nur die Literatur, namentlich die Lustspiele dieser Zeit aufzuschlagen, in denen der phoenikische Handelsmann phoenikisch redend auf die Buehne gebracht wird und der Dialog von griechischen und halbgriechischen Worten und Phrasen wimmelt. Am bestimmtesten aber laesst sich die Ausdehnung und Intensitaet des roemischen Geschaeftsverkehrs in den Muenz- und Geldverhaeltnissen verfolgen. Der roemische Denar hielt voellig Schritt mit den roemischen Legionen. Dass die sizilischen Muenzstaetten, zuletzt im Jahre 542 (212) die syrakusanische, infolge der roemischen Eroberung geschlossen oder doch auf Kleinmuenze beschraenkt wurden und in Sizilien und Sardinien der Denar wenigstens neben dem aelteren Silbercourant und wahrscheinlich sehr bald ausschliesslich gesetzlichen Kurs erhielt, wurde schon gesagt. Ebenso rasch, wo nicht noch rascher, drang die roemische Silbermuenze in Spanien ein, wo die grossen Silbergruben bestanden und eine aeltere Landesmuenze so gut wie nicht vorhanden war; sehr frueh haben die spanischen Staedte sogar angefangen, auf roemischen Fuss zu muenzen. Ueberhaupt bestand, da Karthago nur in beschraenktem Umfang muenzte, ausser der roemischen keine einzige bedeutende Muenzstaette im westlichen Mittelmeergebiet mit Ausnahme derjenigen von Massalia und etwa noch der Muenzstaetten der illyrischen Griechen in Apollonia und Dyrrhachion. Diese wurden demnach, als die Roemer anfingen sich im Pogebiet festzusetzen, um 525 (229) dem roemischen Fuss in der Art unterworfen, dass ihnen zwar die Silberpraegung blieb, sie aber durchgaengig, namentlich die Massalioten, veranlasst wurden, ihre Drachme auf das Gewicht des roemischen Dreivierteldenars zu regulieren, den denn auch die roemische Regierung ihrerseits unter dem Namen der Victoriamuenze (victoriatus) zunaechst fuer Oberitalien zu praegen begann. Dieses neue von dem roemischen abhaengige System beherrschte nicht bloss das massaliotische, oberitalische und illyrische Gebiet, sondern es gingen auch diese Muenzen in die noerdlichen Barbarenlandschaften, namentlich die massaliotischen in die Alpengegenden das ganze Rhonegebiet hinauf und die illyrischen bis hinein in das heutige Siebenbuergen. Auf die oestliche Haelfte des Mittelmeergebiets erstreckte in dieser Epoche wie die unmittelbare roemische Herrschaft so auch die roemische Muenze sich noch nicht; dafuer aber trat hier der rechte und naturgemaesse Vermittler des internationalen und ueberseeischen Handels, das Gold, ein. Zwar die roemische Regierung hielt in ihrer streng konservativen Art, abgesehen von einer voruebergehenden, durch die Finanzbedraengnis waehrend des Hannibalischen Krieges veranlassten Goldpraegung, unwandelbar daran fest, ausser dem national-italischen Kupfer nichts als Silber zu schlagen; aber der Verkehr hatte bereits solche Verhaeltnisse angenommen, dass er auch ohne Muenze mit dem Golde nach dem Gewicht auszukommen vermochte. Von dem Barbestande, der im Jahre 597 (157) in der roemischen Staatskasse lag, war kaum ein Sechstel gepraegtes oder ungepraegtes Silber, fuenf Sechstel Gold in Barren ^13, und ohne Zweifel fanden sich in allen Kassen der groesseren roemischen Kapitalisten die edlen Metalle wesentlich in dem gleichen Verhaeltnisse. Bereits damals also nahm das Gold im Grossverkehr die erste Stelle ein und ueberwog, wie hieraus weiter geschlossen werden darf, im allgemeinen Verkehr derjenige mit dem Ausland und namentlich mit dem seit Philipp und Alexander dem Grossen zum Goldcourant uebergegangenen Osten.

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^13 Es lagen in der Kasse 17410 roemische Pfund Gold, 22070 Pfund ungepraegten, 18230 Pfund gepraegten Silbers. Das Legalverhaeltnis des Goldes zum Silber war 1 Pfund Gold = 4000 Sesterzen oder 1:11,91.

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Der Gesamtgewinn aus diesem ungeheuren Geschaeftsverkehr der roemischen Kapitalisten floss ueber kurz oder lang in Rom zusammen; denn soviel dieselben auch ins Ausland gingen, siedelten sie doch sich dort nicht leicht dauernd an, sondern kehrten frueher oder spaeter zurueck nach Rom, indem sie ihr gewonnenes Vermoegen entweder realisierten und in Italien anlegten oder auch mit den erworbenen Kapitalien und Verbindungen den Geschaeftsbetrieb von Rom aus fortsetzten. Die Gelduebermacht Roms gegen die uebrige zivilisierte Welt war denn auch vollkommen ebenso entschieden wie seine politische und militaerische. Rom stand in dieser Beziehung den uebrigen Laendern aehnlich gegenueber wie heutzutage England dem Kontinent - wie denn ein Grieche von dem juengeren Scipio Africanus sagt, dass er “fuer einen Roemer” nicht reich gewesen sei. Was man in dem damaligen Rom unter Reichtum verstand, kann man ungefaehr danach abnehmen, dass Lucius Paullus bei einem Vermoegen von 100000 Talern (60 Talente) nicht fuer einen reichen Senator galt, und dass eine Mitgift, wie jede der Toechter des aelteren Scipio Africanus sie erhielt, von 90000 Talern (50 Talente) als angemessene Aussteuer eines vornehmen Maedchens angesehen ward, waehrend der reichste Grieche dieses Jahrhunderts nicht mehr als eine halbe Million Taler (300 Talente) im Vermoegen hatte.

Es war denn auch kein Wunder, dass der kaufmaennische Geist sich der Nation bemaechtigte, oder vielmehr - denn er war nicht neu in Rom -, dass daselbst das Kapitalistentum jetzt alle uebrigen Richtungen und Stellungen des Lebens durchdrang und verschlang und der Ackerbau wie das Staatsregiment anfingen, Kapitalistenentreprisen zu werden. Die Erhaltung und Mehrung des Vermoegens war durchaus ein Teil der oeffentlichen und der Privatmoral. “Einer Witwe Habe mag sich mindern”, schrieb Cato in dem fuer seinen Sohn aufgesetzten Lebenskatechismus, “der Mann muss sein Vermoegen mehren, und derjenige ist ruhmwuerdig und goettlichen Geistes voll, dessen Rechnungsbuecher bei seinem Tode nachweisen, dass er mehr hinzuerworben als ererbt hat”. Wo darum Leistung und Gegenleistung sich gegenueberstehen, wird jedes auch ohne irgendwelche Foermlichkeit abgeschlossene Geschaeft respektiert, und wenn nicht durch das Gesetz, doch durch kaufmaennische Gewohnheit und Gerichtsgebrauch erforderlichenfalls dem verletzten Teil das Klagerecht zugestanden ^14; aber das formlose Schenkungsversprechen ist nichtig in der rechtlichen Theorie wie in der Praxis. In Rom, sagt Polybios, schenkt keiner keinem, wenn er nicht muss, und niemand zahlt einen Pfennig vor dem Verfalltag, auch unter nahen Angehoerigen nicht. Sogar die Gesetzgebung ging ein auf diese kaufmaennische Moral, die in allem Weggeben ohne Entgelt eine Verschleuderung findet; das Geben von Geschenken und Vermaechtnissen, die Uebernahme von Buergschaften wurden in dieser Zeit durch Buergerschaftsschluss beschraenkt, die Erbschaften, wenn sie nicht an die naechsten Verwandten fielen, wenigstens besteuert. Im engsten Zusammenhang damit durchdrang die kaufmaennische Puenktlichkeit, Ehrlichkeit und Respektabilitaet das ganze roemische Leben. Buch ueber seine Ausgabe und Einnahme zu fuehren, ist jeder ordentliche Mann sittlich verpflichtet - wie es denn auch in jedem wohleingerichteten Hause ein besonderes Rechnungszimmer (tablinum) gab -, und jeder traegt Sorge, dass er nicht ohne letzten Willen aus der Welt scheide; es gehoerte zu den drei Dingen, die Cato in seinem Leben bereut zu haben bekennt, dass er einen Tag ohne Testament gewesen sei. Die gerichtliche Beweiskraft, ungefaehr wie wir sie den kaufmaennischen Buechern beizulegen pflegen, kam nach roemischer Uebung jenen Hausbuechern durchgaengig zu. Das Wort des unbescholtenen Mannes galt nicht bloss gegen ihn, sondern auch zu seinen eigenen Gunsten: bei Differenzen unter rechtschaffenen Leuten war nichts gewoehnlicher als sie durch einen, von der einen Partei geforderten und von der anderen geleisteten Eid zu schlichten, womit sie sogar rechtlich als erledigt galten; und den Geschworenen schrieb eine traditionelle Regel vor, in Ermangelung von Beweisen zunaechst fuer den unbescholtenen gegen den bescholtenen Mann und nur bei gleicher Reputierlichkeit beider Parteien fuer den Beklagten zu sprechen ^15. Die konventionelle Respektabilitaet tritt namentlich in der scharfen und immer schaerferen Auspraegung des Satzes hervor, dass kein anstaendiger Mann sich fuer persoenliche Dienstleistungen bezahlen lassen duerfe. Darum erhielten denn nicht bloss Beamte, Offiziere, Geschworene, Vormuender und ueberhaupt alle mit oeffentlichen Verrichtungen beauftragten anstaendigen Maenner keine andere Verguetung fuer ihre Dienstleistungen als hoechstens den Ersatz ihrer Auslagen, sondern es wurden auch die Dienste, welche Bekannte (amici) sich untereinander leisten: Verbuergung, Vertretung im Prozess, Aufbewahrung (depositum), Gebrauchsueberlassung der nicht zum Vermieten bestimmten Gegenstaende (commodatum), ueberhaupt Geschaeftsverwaltung und Besorgung (procuratio) nach demselben Grundsatz behandelt, so dass es unschicklich war, dafuer eine Verguetung zu empfangen, und eine Klage selbst auf die versprochene nicht gestattet ward. Wie vollstaendig der Mensch im Kaufmann aufging, zeigt wohl am schaerfsten die Ersetzung des Duells, auch des politischen, in dem roemischen Leben dieser Zeit durch die Geldwette und den Prozess. Die gewoehnliche Form, um persoenliche Ehrenfragen zu erledigen, war die, dass zwischen dem Beleidiger und dem Beleidigten um die Wahrheit oder Falschheit der beleidigenden Behauptung gewettet und im Wege der Einklagung der Wettsumme die Tatfrage in aller Form rechtens vor die Geschworenen gebracht ward; die Annahme einer solchen, von dem Beleidigten oder dem Beleidiger angebotenen Wette war, ganz wie heutzutage die der Ausforderung zum Zweikampf rechtlich freigestellt, aber ehrenhafterweise oft nicht zu vermeiden.

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^14 Darauf beruht die Klagbarkeit des Kauf-, Miet-, Gesellschaftsvertrags und ueberhaupt die ganze Lehre von den nicht formalen klagbaren Vertraegen.

^15 Die Hauptstelle darueber ist das Fragment Catos bei Gell. 14, 2. Auch fuer den Literalkontrakt, das heisst die lediglich auf die Eintragung des Schuldpostens in das Rechnungsbuch des Glaeubigers basierte Forderung, gibt diese rechtliche Beruecksichtigung der persoenlichen Glaubwuerdigkeit der Partei, selbst wo es sich um ihr Zeugnis in eigener Sache handelt, den Schluessel; und daher ist auch, als spaeter diese kaufmaennische Reputierlichkeit aus dem roemischen Leben entwich, der Literalkontrakt nicht gerade abgeschafft worden, aber von selber verschwunden.

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Eine der wichtigsten Folgen dieses mit einer dem Nichtgeschaeftsmann schwer fasslichen Intensitaet auftretenden Kaufmannstums war die ungemeine Steigerung des Assoziationswesens. In Rom erhielt dasselbe noch besondere Nahrung durch das schon oft erwaehnte System der Regierung, ihre Geschaefte durch Mittelsmaenner beschaffen zu lassen; denn bei dem Umfang dieser Verrichtungen war es natuerlich und wohl auch der groesseren Sicherheit wegen oft vom Staate vorgeschrieben, dass nicht einzelne Kapitalisten, sondern Kapitalistengesellschaften diese Pachtungen und Lieferungen uebernahmen. Nach dem Muster dieser Unternehmungen organisierte sich der gesamte Grossverkehr. Es finden sogar sich Spuren, dass fuer das Assoziationswesen so charakteristische Zusammentreten der konkurrierenden Gesellschaften zur gemeinschaftlichen Aufstellung von Monopolpreisen auch bei den Roemern vorgekommen ist ^16. Namentlich in den ueberseeischen und den sonst mit bedeutendem Risiko verbundenen Geschaeften nahm das Assoziationswesen eine solche Ausdehnung an, dass es praktisch an die Stelle der dem Altertum unbekannten Assekuranzen trat. Nichts war gewoehnlicher als das sogenannte Seedarlehen, das heutige Grossaventurgeschaeft, wodurch Gefahr und Gewinn des ueberseeischen Handels sich auf die Eigentuemer von Schiff und Ladung und die saemtlichen fuer diese Fahrt kreditierenden Kapitalisten verhaeltnismaessig verteilt. Es war aber ueberhaupt roemische Wirtschaftsregel, sich lieber bei vielen Spekulationen mit kleinen Parten zu beteiligen, als selbstaendig zu spekulieren; Cato riet dem Kapitalisten, nicht ein einzelnes Schiff mit seinem Gelde auszuruesten, sondern mit neunundvierzig andern Kapitalisten zusammen fuenfzig Schiffe auszusenden und an jedem zum fuenfzigsten Teil sich zu interessieren. Die hierdurch herbeigefuehrte groessere Verwicklung der Geschaeftsfuehrung uebertrug der roemische Kaufmann durch seine puenktliche Arbeitsamkeit und seine - vom reinen Kapitalistenstandpunkt aus freilich unserem Kontorwesen bei weitem vorzuziehende - Sklaven- und Freigelassenenwirtschaft. So griffen diese kaufmaennischen Assoziationen mit hundertfachen Faeden in die Oekonomie eines jeden angesehenen Roemers ein. Es gab nach Polybios’ Zeugnis kaum einen vermoegenden Mann in Rom, der nicht als offener oder stiller Gesellschafter bei den Staatspachtungen beteiligt gewesen waere; und um soviel mehr wird ein jeder durchschnittlich einen ansehnlichen Teil seines Kapitals in den kaufmaennischen Assoziationen ueberhaupt stecken gehabt haben.

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^16 In dem merkwuerdigen Musterkontrakt Catos (agr. 144) fuer den wegen der Olivenlese abzuschliessenden Akkord findet sich folgender Paragraph: “Es soll [bei der Lizitation von den Unternehmungslustigen] niemand zuruecktreten, um zu bewirken, dass die Olivenlese und Presse teurer verdungen werde; ausser wenn [der Mitbieter den andern Bieter] sofort als seinen Kompagnon namhaft macht. Wenn dagegen gefehlt zu sein scheint, so sollen auf Verlangen des Gutsherrn oder des von ihm bestellten Aufsehers alle Kompagnons [derjenigen Assoziation, mit welcher der Akkord abgeschlossen worden ist,] beschwoeren, [nicht zu jener Beseitigung der Konkurrenz mitgewirkt zu haben]. Wenn sie den Eid nicht schwoeren, wird der Akkordpreis nicht gezahlt.” Dass der Unternehmer eine Gesellschaft, nicht ein einzelner Kapitalist ist, wird stillschweigend vorausgesetzt.

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Auf allem diesem aber beruht die Dauer der roemischen Vermoegen, die vielleicht noch merkwuerdiger ist als deren Groesse. Die frueher hervorgehobene, in dieser Art vielleicht einzige Erscheinung, dass der Bestand der grossen Geschlechter durch mehrere Jahrhunderte sich fast gleich bleibt, findet hier, in den einigermassen engen, aber soliden Grundsaetzen der kaufmaennischen Vermoegensverwaltung ihre Erklaerung.

Bei der einseitigen Hervorhebung des Kapitals in der roemischen Oekonomie konnten die von der reinen Kapitalistenwirtschaft unzertrennlichen Uebelstaende nicht ausbleiben. Die buergerliche Gleichheit, welche bereits durch das Emporkommen des regierenden Herrenstandes eine toedliche Wunde empfangen hatte, erlitt einen gleich schweren Schlag durch die scharf und immer schaerfer sich zeichnende soziale Abgrenzung der Reichen und der Armen. Fuer die Scheidung nach unten hin ist nichts folgenreicher geworden als der schon erwaehnte, anscheinend gleichgueltige, in der Tat einen Abgrund von Kapitalistenuebermut und Kapitalistenfrevel in sich schliessende Satz, dass es schimpflich sei, fuer die Arbeit Geld zu nehmen - es zog sich damit die Scheidewand nicht bloss zwischen dem gemeinen Tageloehner und Handwerker und dem respektablen Guts- und Fabrikbesitzer, sondern ebenso auch zwischen dem Soldaten und Unteroffizier und dem Kriegstribun, zwischen dem Schreiber und Boten und dem Beamten. Nach oben hin zog eine aehnliche Schranke das von Gaius Flaminius veranlasste Claudische Gesetz (kurz vor 536 218), welches Senatoren und Senatorensoehnen untersagte, Seeschiffe ausser zum Transport des Ertrags ihrer Landgueter zu besitzen und wahrscheinlich auch sich bei den oeffentlichen Lizitationen zu beteiligen, ueberhaupt ihnen alles das zu betreiben verbot, was die Roemer unter “Spekulation” (quaestus) verstanden ^17. Zwar ward diese Bestimmung nicht von den Senatoren hervorgerufen, sondern war ein Werk der demokratischen Opposition, welche damit zunaechst wohl nur den Uebelstand beseitigen wollte, dass Regierungsmitglieder mit der Regierung selbst Geschaefte machten; es kann auch sein, dass die Kapitalisten hier schon, wie spaeter so oft, mit der demokratischen Partei gemeinschaftliche Sache gemacht und die Gelegenheit wahrgenommen haben, durch den Ausschluss der Senatoren die Konkurrenz zu vermindern. Jener Zweck ward natuerlich nur sehr unvollkommen erreicht, da das Assoziationswesen den Senatoren Wege genug eroeffnete, im stillen weiter zu spekulieren; aber wohl hat dieser Volksschluss eine gesetzliche Grenze zwischen den nicht oder doch nicht offen spekulierenden und den spekulierenden Vornehmen gezogen und der zunaechst politischen eine reine Finanzaristokratie an die Seite gestellt, den spaeter so genannten Ritterstand, dessen Rivalitaeten mit dem Herrenstand die Geschichte des folgenden Jahrhunderts erfuellen.

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^17 Liv. 21, 63 (vgl. Cic. Verr. 5, 18, 45) spricht nur von der Verordnung ueber die Seeschiffe; aber dass auch die Staatsentreprisen (redemptiones) dem Senator gesetzlich untersagt waren, sagen Asconius (tog. cand. p. 94 Orelli) und Dio Cassius (55, 10, 5), und da nach Livius “jede Spekulation fuer den Senator unschicklich gefunden ward”, so hat das Claudische Gesetz wahrscheinlich weiter gereicht.

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Eine weitere Folge der einseitigen Kapitalmacht war das unverhaeltnismaessige Hervortreten eben der sterilsten und fuer die Volkswirtschaft im ganzen und grossen am wenigsten produktiven Verkehrszweige. Die Industrie, die in erster Stelle haette erscheinen sollen, stand vielmehr an der letzten. Der Handel bluehte; aber er war durchgaengig passiv. Nicht einmal an der Nordgrenze scheint man imstande gewesen zu sein, fuer die Sklaven, welche aus den keltischen und wohl auch schon aus den deutschen Laendern nach Ariminum und den anderen norditalischen Maerkten stroemten, mit Waren Deckung zu geben; wenigstens wurde schon 523 (231) die Ausfuhr des Silbergeldes in das Keltenland von der roemischen Regierung untersagt. In dem Verkehr nun gar mit Griechenland, Syrien, Aegypten, Kyrene, Karthago musste die Bilanz notwendig zum Nachteil Italiens sich stellen. Rom fing an, die Hauptstadt der Mittelmeerstaaten und Italien Roms Weichbild zu werden; mehr wollte man eben auch nicht sein und liess den Passivhandel, wie jede Stadt, die nichts weiter als Hauptstadt ist, notwendig ihn fuehrt, mit opulenter Gleichgueltigkeit sich gefallen - besass man doch Geld genug, um damit alles zu bezahlen, was man brauchte und nicht brauchte. Dagegen die unproduktivsten aller Geschaefte, der Geldhandel und das Hebungswesen, waren der rechte Sitz und die feste Burg der roemischen Oekonomie. Was endlich in dieser noch an Elementen zur Emporbringung eines wohlhabenden Mittel- und auskoemmlichen Kleinstandes enthalten war, verkuemmerte unter dem unseligen Sklavenbetrieb oder steuerte im besten Fall zur Vermehrung des leidigen Freigelassenenstandes bei.

Aber vor allem zehrte die tiefe Unsittlichkeit, welche der reinen Kapitalwirtschaft inwohnt, an dem Marke der Gesellschaft und des Gemeinwesens und ersetzte die Menschen- und die Vaterlandsliebe durch den unbedingten Egoismus. Der bessere Teil der Nation empfand es sehr lebendig, welche Saat des Verderbens in jenem Spekulantentreiben lag; und vor allem richteten sich der instinktmaessige Hass des grossen Haufens wie die Abneigung des wohlgesinnten Staatsmanns gegen das seit langem von den Gesetzen verfolgte und dem Buchstaben des Rechtes nach immer noch verpoente gewerbsmaessige Leihgeschaeft. Es heisst in einem Lustspiel dieser Zeit:

Wahrhaftig gleich eracht’ ich ganz die Kuppler und euch Wuchrer;

Wenn jene feilstehn insgeheim, tut ihr’s auf offnem Markte.

Mit Kneipen die, mit Zinsen ihr, schindet die Leut’ ihr beide.

Gesetze gnug hat eurethalb die Buergerschaft erlassen;

Ihr bracht’ sie, wie man sie erliess; ein Schlupf ist stets gefunden.

Wie heisses Wasser, das verkuehlt, so achtet das Gesetz ihr.

Energischer noch als der Lustspieldichter sprach der Fuehrer der Reformpartei Cato sich aus. “Es hat manches fuer sich”, heisst es in der Vorrede seiner Anweisung zum Ackerbau, “Geld auf Zinsen zu leihen; aber es ist nicht ehrenhaft. Unsere Vorfahren haben also geordnet und in dem Gesetze geschrieben, dass der Dieb zwiefachen, der Zinsnehmer vierfachen Ersatz zu leisten schuldig sei; woraus man abnehmen kann, ein wieviel schlechterer Buerger als der Dieb der Zinsnehmer von ihnen erachtet ward”. Der Unterschied, meint er anderswo, zwischen einem Geldverleiher und einem Moerder sei nicht gross; und man muss es ihm lassen, dass er in seinen Handlungen nicht hinter seinen Reden zurueckblieb - als Statthalter in Sardinien hat er durch seine strenge Rechtspflege die roemischen Bankiers geradezu zum Lande hinausgetrieben. Der regierende Herrenstand betrachtete ueberhaupt seiner ueberwiegenden Majoritaet nach die Wirtschaft der Spekulanten mit Widerwillen und fuehrte sich nicht bloss durchschnittlich rechtschaffener und ehrbarer in den Provinzen als diese Geldleute, sondern tat auch oefter ihnen Einhalt; nur brachen der haeufige Wechsel der roemischen Oberbeamten und die unvermeidliche Ungleichheit ihrer Gesetzhandhabung dem Bemuehen, jenem Treiben zu steuern, notwendig die Spitze ab. Man begriff es auch wohl, was zu begreifen nicht schwer war, dass es weit weniger darauf ankam, die Spekulation polizeilich zu ueberwachen, als der ganzen Volkswirtschaft eine veraenderte Richtung zu geben; hauptsaechlich in diesem Sinne wurde von Maennern, wie Cato war, durch Lehre und Beispiel der Ackerbau gepredigt. “Wenn unsere Vorfahren”, faehrt Cato in der eben angefuehrten Vorrede fort, “einem tuechtigen Mann die Lobrede hielten, so lobten sie ihn als einen tuechtigen Bauern und einen tuechtigen Landwirt; wer also gelobt ward, schien das hoechste Lob erhalten zu haben. Den Kaufmann halte ich fuer wacker und erwerbsfleissig; aber sein Geschaeft ist Gefahren und Ungluecksfaellen allzusehr ausgesetzt. Dagegen die Bauern geben die tapfersten Leute und die tuechtigsten Soldaten; kein Erwerb ist wie dieser ehrbar, sicher und niemandem gehaessig, und die damit sich abgeben, kommen am wenigsten auf boese Gedanken”. Von sich selber pflegte er zu sagen, dass sein Vermoegen lediglich aus zwei Erwerbsquellen herstamme: aus dem Ackerbau und aus der Sparsamkeit; und wenn das auch weder sehr logisch gedacht noch genau der Wahrheit gemaess war ^18, so hat er doch nicht mit Unrecht seinen Zeitgenossen wie der Nachwelt als das Muster eines roemischen Gutsbesitzers gegolten. Leider ist es eine ebenso merkwuerdige wie schmerzliche Wahrheit, dass dieses soviel und sicher im besten Glauben gepriesene Heilmittel der Landwirtschaft selber durchdrungen war von dem Gifte der Kapitalistenwirtschaft. Bei der Weidewirtschaft liegt dies auf der Hand; sie war darum auch bei dem Publikum am meisten beliebt und bei der Partei der sittlichen Reform am wenigsten gut angeschrieben. Aber wie war es denn mit dem Ackerbau selbst? Der Krieg, den vom dritten bis zum fuenften Jahrhundert der Stadt das Kapital gegen die Arbeit in der Art gefuehrt hatte, dass es mittels des Schuldzinses die Bodenrente den arbeitenden Bauern entzog und den muessig zehrenden Rentiers in die Haende fuehrte, war ausgeglichen worden hauptsaechlich durch die Erweiterung der roemischen Oekonomie und das Hinueberwerfen des in Latium vorhandenen Kapitals auf die in dem ganzen Mittelmeergebiet taetige Spekulation. Jetzt vermochte auch das ausgedehnte Geschaeftsgebiet die gesteigerte Kapitalmasse nicht mehr zu fassen; und eine wahnwitzige Gesetzgebung arbeitete zugleich daran, teils die senatorischen Kapitalien auf kuenstlichem Wege zur Anlage in italischem Grundbesitz zu draengen, teils durch die Einwirkung auf die Kornpreise das italische Ackerland systematisch zu entwerten. So begann denn der zweite Feldzug des Kapitals gegen die freie Arbeit oder, was im Altertum wesentlich dasselbe ist, gegen die Bauernwirtschaft; und war der erste arg gewesen, so schien er mit dem zweiten verglichen milde und menschlich. Die Kapitalisten liehen nicht mehr an den Bauern auf Zinsen aus, was an sich schon nicht anging, da der Kleinbesitzer keinen Ueberschuss von Belang mehr erzielte, und auch nicht einfach und nicht radikal genug war, sondern sie kauften die Bauernstellen auf und verwandelten sie im besten Fall in Meierhoefe mit Sklavenwirtschaft. Man nannte das ebenfalls Ackerbau; in der Tat war es wesentlich die Anwendung der Kapitalwirtschaft auf die Erzeugung der Bodenfruechte. Die Schilderung der Ackerbauer, die Cato gibt, ist vortrefflich und vollkommen richtig; aber wie passt sie auf die Wirtschaft selbst, die er schildert und anraet? Wenn ein roemischer Senator, wie das nicht selten gewesen sein kann, solcher Landgueter wie das von Cato beschriebene vier besass, so lebten auf dem gleichen Raum, der zur Zeit der alten Kleinherrschaft hundert bis hundertundfuenfzig Bauernfamilien ernaehrt hatte, jetzt eine Familie freier Leute und etwa fuenfzig groesstenteils unverheiratete Sklaven. Wenn dies das Heilmittel war, um die sinkende Volkswirtschaft zu bessern, so sah es leider der Krankheit selber bis zum Verwechseln aehnlich.

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^18 Einen Teil seines Vermoegens steckte Cato wie jeder andere Roemer in Viehzucht und Handels- und andere Unternehmungen. Aber es war nicht seine Art, geradezu die Gesetze zu verletzen; er hat weder in Staatspachtungen spekuliert, was er als Senator nicht durfte, noch Zinsgeschaefte betrieben. Man tut ihm Unrecht, wenn man ihm in letzter Beziehung eine von seiner Theorie abweichende Praxis vorwirft: das Seedarlehen, mit dem er allerdings sich abgab, ist vor dem Gesetz kein verbotener Zinsbetrieb und gehoert auch der Sache nach wesentlich zu den Reederei- und Befrachtungsgeschaeften.

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Das Gesamtergebnis dieser Wirtschaft liegt in den veraenderten Bevoelkerungsverhaeltnissen nur zu deutlich vor Augen. Freilich war der Zustand der italischen Landschaften sehr ungleich und zum Teil sogar gut. Die bei der Kolonisation des Gebietes zwischen den Apenninen und dem Po in grosser Anzahl daselbst gegruendeten Bauernstellen verschwanden nicht so schnell. Polybios, der nicht lange nach dem Ende dieser Periode die Gegend bereiste, ruehmt ihre zahlreiche, schoene und kraeftige Bevoelkerung; bei einer richtigen Korngesetzgebung waere es wohl moeglich gewesen, nicht Sizilien, sondern die Polandschaft zur Kornkammer der Hauptstadt zu machen. Aehnlich hatte Picenum und der sogenannte “gallische Acker” durch die Aufteilungen des Domaniallandes in Gemaessheit des Flaminischen Gesetzes 522 (232) eine zahlreiche Bauernschaft erhalten, welche freilich im Hannibalischen Krieg arg mitgenommen ward. In Etrurien und wohl auch in Umbrien waren die inneren Verhaeltnisse der untertaenigen Gemeinden dem Gedeihen eines freien Bauernstandes unguenstig. Besser stand es in Latium, dem die Vorteile des hauptstaedtischen Marktes doch nicht ganz entzogen werden konnten und das der Hannibalische Krieg im ganzen verschont hatte, sowie in den abgeschlossenen Bergtaelern der Marser und Sabeller. Sueditalien dagegen hatte der Hannibalische Krieg furchtbar heimgesucht und ausser einer Menge kleinerer Ortschaften die beiden groessten Staedte, Capua und Tarent, beide einst imstande, Heere von 30000 Mann ins Feld zu stellen, zugrunde gerichtet. Samnium hatte von den schweren Kriegen des fuenften Jahrhunderts sich wieder erholt; nach der Zaehlung von 529 (225) war es imstande, halb soviel Waffenfaehige zu stellen als die saemtlichen latinischen Staedte und wahrscheinlich damals nach dem roemischen Buergerdistrikt die bluehendste Landschaft der Halbinsel. Allein der Hannibalische Krieg hatte das Land aufs neue veroedet und die Ackeranweisungen daselbst an die Soldaten des Scipionischen Heeres, obwohl bedeutend, deckten doch wahrscheinlich nicht den Verlust. Noch uebler waren in demselben Kriege Kampanien und Apulien, beides bis dahin wohlbevoelkerte Landschaften, von Freund und Feind zugerichtet worden. In Apulien fanden spaeter zwar Ackeranweisungen statt, allein die hier angelegten Kolonien wollten nicht gedeihen. Bevoelkerter blieb die schoene kampanische Ebene; doch ward die Mark von Capua und der anderen, im Hannibalischen Kriege aufgeloesten Gemeinden Staatsbesitz und waren die Inhaber derselben durchgaengig nicht Eigentuemer, sondern kleine Zeitpaechter. Endlich in dem weiten lucanischen und brettischen Gebiet ward die schon vor dem Hannibalischen Krieg sehr duenne Bevoelkerung von der ganzen Schwere des Krieges selbst und der daran sich reihenden Strafexekutionen getroffen; und auch von Rom aus geschah nicht viel, um hier den Ackerbau wieder in die Hoehe zu bringen - mit Ausnahme etwa von Valentia (Vibo, jetzt Monteleone) kam keine der dort angelegten Kolonien recht in Aufnahme. Bei aller Ungleichheit der politischen und oekonomischen Verhaeltnisse der verschiedenen Landschaften und dem verhaeltnismaessig bluehenden Zustand einzelner derselben ist im ganzen doch der Rueckgang unverkennbar, und er wird durch die unverwerflichsten Zeugnisse ueber den allgemeinen Zustand Italiens bestaetigt. Cato und Polybios stimmen darin ueberein, dass Italien am Ende des sechsten Jahrhunderts weit schwaecher als am Ende des fuenften bevoelkert und keineswegs mehr imstande war, Heermassen aufzubringen wie im Ersten Punischen Kriege. Die steigende Schwierigkeit der Aushebung, die Notwendigkeit, die Qualifikation zum Dienst in den Legionen herabzusetzen, die Klagen der Bundesgenossen ueber die Hoehe der von ihnen zu stellenden Kontingente bestaetigen diese Angaben; und was die roemische Buergerschaft anlangt, so reden die Zahlen. Sie zaehlte im Jahre 502 (252), kurz nach Regulus’ Zug nach Afrika, 298000 waffenfaehige Maenner; dreissig Jahre spaeter, kurz vor dem Anfang des Hannibalischen Krieges (534 220), war sie auf 270000 Koepfe, also um ein Zehntel, wieder zwanzig Jahre weiter, kurz vor dem Ende desselben Krieges (550 204) auf 214000 Koepfe, also um ein Viertel gesunken; und ein Menschenalter nachher, waehrend dessen keine ausserordentlichen Verluste eingetreten waren, wohl aber die Anlage besonders der grossen Buergerkolonien in der norditalischen Ebene einen fuehlbaren ausserordentlichen Zuwachs gebracht hatte, war dennoch kaum die Ziffer wieder erreicht, auf der die Buergerschaft zu Anfang dieser Periode gestanden hatte. Haetten wir aehnliche Ziffern fuer die italische Bevoelkerung ueberhaupt, so wuerden sie ohne allen Zweifel ein verhaeltnismaessig noch ansehnlicheres Defizit aufweisen. Das Sinken der Volkskraft laesst sich weniger belegen, doch ist es von landwirtschaftlichen Schriftstellern bezeugt, dass Fleisch und Milch aus der Nahrung des gemeinen Mannes mehr und mehr verschwanden. Daneben wuchs die Sklavenbevoelkerung, wie die freie sank. In Apulien, Lucanien und dem Brettierland muss schon zu Catos Zeit die Viehwirtschaft den Ackerbau ueberwogen haben; die halbwilden Hirtensklaven waren hier recht eigentlich die Herren im Hause. Apulien ward durch sie so unsicher gemacht, dass starke Besatzung dorthin gelegt werden musste; im Jahre 569 (185) wurde daselbst eine im groessten Massstab angelegte, auch mit dem Bacchanalienwesen sich verzweigende Sklavenverschwoerung entdeckt und gegen 7000 Menschen kriminell verurteilt. Aber auch in Etrurien mussten roemische Truppen gegen eine Sklavenbande marschieren (558 196, und sogar in Latium kam es vor, dass Staedte wie Setia und Praeneste Gefahr liefen, von einer Bande entlaufener Knechte ueberrumpelt zu werden (556 198). Zusehends schwand die Nation zusammen und loeste die Gemeinschaft der freien Buerger sich auf in eine Herren- und Sklavenschaft; und obwohl es zunaechst die beiden langjaehrigen Kriege mit Karthago waren, welche die Buerger- wie die Bundesgenossenschaft dezimierten und ruinierten, so haben zu dem Sinken der italischen Volkskraft und Volkszahl die roemischen Kapitalisten ohne Zweifel ebensoviel beigetragen wie Hamilkar und Hannibal. Es kann niemand sagen, ob die Regierung haette helfen koennen; aber erschreckend und beschaemend ist es, dass in den doch grossenteils wohlmeinenden und tatkraeftigen Kreisen der roemischen Aristokratie nicht einmal die Einsicht in den ganzen Ernst der Situation und die Ahnung von der ganzen Hoehe der Gefahr sich offenbart. Als eine roemische Dame vom hohen Adel, die Schwester eines der zahlreichen Buergeradmirale, die im Ersten Punischen Krieg die Flotten der Gemeinde zugrunde gerichtet hatten, eines Tages auf dem roemischen Markt ins Gedraenge geriet, sprach sie es laut vor den Umstehenden aus, dass es hohe Zeit sei, ihren Bruder wieder an die Spitze einer Flotte zu stellen und durch einen neuen Aderlass der Buergerschaft auf dem Markte Luft zu machen (508 246). So dachten und sprachen freilich die wenigsten; aber es war diese frevelhafte Rede doch nichts als der schneidende Ausdruck der straeflichen Gleichgueltigkeit, womit die gesamte hohe und reiche Welt auf die gemeine Buerger- und Bauernschaft herabsah. Man wollte nicht gerade ihr Verderben, aber man liess es geschehen; und so kam denn ueber das eben noch in maessiger und verdienter Wohlfahrt unzaehliger freier und froehlicher Menschen bluehende italische Land mit Riesenschnelle die Veroedung.

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