Ein Wunder. Meine Frau Feige und ihre Taten. Man wirft mich hinaus, und wohin ich gehe
Es geschah ein Wunder, daß meine Frau Feige, unberufen, ihren gesunden Menschenverstand behielt.
Als ich den Stecken nahm und schrie, daß ich den Hund umbringen werde, nahm es sich meine Frau Feige gar nicht zu Herzen … Sie weiß ganz gut, daß ich, Gott behüte, kein Mörder bin und nicht eine Fliege an der Wand töten kann; sie weiß, daß ich, wenn ich schon in Zorn gerate, vor allen Dingen zu weinen anfange. Ich habe schon einmal so eine Natur: vor Zorn fließen mir die Tränen wie Wasser.
Meine Frau Feige weiß auch, daß ich selbst meine Schüler nicht so schlage, wie es sich gehört, und daß mir sogar die Väter deswegen Vorwürfe machen; auch ich selbst fürchte zuweilen, daß ich in dieser Hinsicht vor Gott und den Menschen sündige: denn oft ist so ein Hieb notwendig! Besonders seitdem einer meiner Schüler in schlechte Gesellschaft geriet, ist es meine feste Meinung, daß man zuweilen schlagen muß!
Wir wollen aber nicht abschweifen!
Also meine Frau Feige wußte ganz gut, daß ich ihm nichts tun würde, und blieb darum ruhig auf dem Bette sitzen. Doch später, als eine Stunde, zwei Stunden vergingen und ich noch immer nicht zurück war, bekam sie doch Angst und sagte sich, daß ich den Hund gewiß wie einen Fisch in Stücke geschnitten habe und dafür ins Loch gesperrt worden sei!
Da gab es was! Sie vergaß alle ihre Schmerzen, die Kinder in den Betten und das bißchen Hausrat, das wir hatten, sprang aus dem Bette, warf sich etwas um und lief mir nach; vergaß sogar die Tür hinter sich zu schließen.
Ich schau mich um, – sie ist da. Und kaum ist sie da, als sie gleich auf den ersten Blick erkennt, was vorgeht. Vor allen Dingen, als sie mich wie ein Stück Holz dastehen sieht, schreit sie mich an: »Nichtstuer!« Und im gleichen Augenblick reißt sie die Tür auf und ruft: »Hilfe!« Sofort kommen einige Nachbarinnen. Meine Frau Feige übernimmt das Kommando, und die Nachbarinnen folgen ihren Befehlen. Und eines der Weiber wirft mich auf Feiges Befehl tatsächlich zur Tür hinaus.
Wo geht man nun hin? Auf der Straße ist nasser Schnee, der Wind peitscht mir das Gesicht und stiehlt sich durch die Löcher in meine Kleider hinein …
Also gehe ich ins Bethaus. Dort sitzen noch einige Leute, die nach dem Beten ein wenig in den Talmud hineinschauen. Ich nehme mir auch einen Talmudband. Und fertig, mehr brauche ich nicht! Kaum öffne ich den Talmud, ist Broche-Leë vergessen! Vergessen ist ihr Mann, der Bösewicht! Und auch die ganze Welt. Wer ist von ihrem Mann verlassen? Wer ist durchgebrannt? Wer liegt in Kindsnöten? Das gibt es alles nicht!…