II. Rind und Büffel.

Wie der Hund, so ist auch das Rind zunächst nicht aus Nutzungsgründen, sondern infolge abergläubiger Vorstellungen vom Menschen unterjocht und in seinen Dienst genommen worden, um dann, als man später seinen Nutzwert erkannte und auszubeuten begann, vorbildlich für die Zähmung der übrigen Haustiere zu werden. Die Gewinnung eines so großen, starken Tieres, wie es das Rind ist, war durchaus nichts Einfaches und sich von selbst Verstehendes. Alte, entwickelte Individuen dieser Tierart gefangen zu halten und gar zur Fortpflanzung zu bringen, ist schon für uns unmöglich, wie viel mehr für den in seinen Vorstellungen, Erfahrungen und Hilfsmitteln so sehr beschränkten vorgeschichtlichen Menschen der jüngeren Steinzeit!

Ohne Zweifel haben sich die meisten alt, etwa in Fanggruben gefangenen Tiere, wenn sie ausnahmsweise nicht sofort als willkommene Beute zur Fleischgewinnung getötet und verspeist wurden, einfach totgerast. An eine Fortzucht wäre bei Tieren solcher Art, die am Leben blieben, in keiner Weise zu denken gewesen. Junge Tiere dagegen, die am leichtesten lebend zu bekommen und zu zähmen gewesen wären, konnte man ohne fremde Milch nicht am Leben erhalten. Da es nun an dieser völlig gebrach und die weiblichen Tiere, abgesehen von ihrer selbstverständlichen Unfruchtbarkeit in der Gefangenschaft und der dadurch bedingten Milchlosigkeit, auch nicht zum Melken oder zum Zulassen fremder Kälber an ihr Euter zu bringen waren, so konnte auch nicht durch solche in jugendlichem Alter gefangene Kälber an eine Zähmung dieses starken Wiederkäuers gedacht werden.

Für die erste Gefangenhaltung, Eingewöhnung und Züchtung des Rindes waren andere Gründe maßgebend als diejenigen der Nutzung für sich selbst. Solche der allertriftigsten Art waren aber religiöse, auf die der verstorbene Alfred Nehring in Berlin vom Katheder aus und Eduard Hahn in seinem Haustierbuche vollständig überzeugend hinwiesen, so daß wir jedenfalls hierin das tatsächliche Motiv der Gewinnung des Rindes als Haustier zu erblicken haben. Ihr Gedankengang ist folgender: Eine uralte, hier nicht näher zu verknüpfende Anschauung, die ich bei Besprechung des Mondkultus in meinem Werke: Der Mensch zur Eiszeit in Europa und seine Kulturentwicklung bis zum Ende der Steinzeit eingehend gewürdigt habe, schreibt bei allen Völkern auf niedriger Kulturstufe, so auch bei denjenigen des südasiatischen und westasiatisch-europäischen Kulturkreises, dem die hier in Betracht kommenden Stämme angehörten, dem Mond einen weitgehenden Einfluß auf Wachstum und Gedeihen aller Lebewesen aus Pflanzen- und Tierwelt mit Einschluß des Menschen zu. Von jeher hat er durch seinen schwankenden Lauf in Verbindung mit seinem den Primitiven unerklärlichen Gestaltwechsel von der feinsten Sichel bis zum glänzenden Vollmond die Aufmerksamkeit des Menschen viel eher auf sich gezogen und sie zu Grübeleien aller Art veranlaßt, als die täglich in derselben Gestalt ihre Bahn am Himmel zurücklegende Sonne. War diese ihm in ihrer machtvollen, Hitze bis zur Dürre erzeugenden Erscheinung das männliche Prinzip, so war ihm der in sanftem Lichte strahlende Mond, der mit dem Tau und dem Regen der Erde und allem auf ihr Lebenden Fruchtbarkeit spendete und ein für den Ackerbauer wichtiger Zeitmesser war, das weibliche Prinzip — auch bei den alten Germanen trotz des später vertauschten Geschlechts. Schon auf niedriger Kulturstufe mußte es dem Menschen auffallen, daß die Menstruation des Weibes, die wir im Deutschen als monatliche Reinigung bezeichnen, wie die Schwangerschaft und Fruchtbarkeit überhaupt völlig in Verbindung mit dem Mondlaufe stand, von jenem geheimnisvollen Gestirn geregelt und also auch — nach primitiver Anschauung — bedingt wurde.

Bild 3. Idol in Mondgestalt mit einfachen geradlinigen Ornamenten, sogenanntes „Mondhorn“, vom Ebersberg, aus einer Station der Bronzezeit am Irchel im Kanton Zürich.

Was nun die Darstellung dieses vergöttlichten Wesens der Fruchtbarkeit anbetrifft, so hat man von jeher den Mond als Sichel im Gegensatz zur als Scheibe und später als scheibenförmiges Rad dargestellten Sonne abgebildet. Diese Sichelgestalt des Mondes wiesen in auffallender Form die gerade abstehenden Hörner des Wildrindes auf. Aus diesem Grunde war es naheliegend, ja nach der Denkweise aller Menschen auf niedriger Kulturstufe geradezu selbstverständlich, daß eine engere Beziehung zwischen dem Wildrinde und der Mondgöttin bestand und ersteres zum heiligen Tiere der letzteren erklärt wurde. Heischte nun die Göttin Opfer, damit sie dem Hackbauern und seiner Frau Fruchtbarkeit spende und seine Feldfrüchte gedeihen lasse, so war offenbar dasjenige des ihr durch die Sichelgestalt der Hörner engverbundenen und ihr heiligen Tieres ihr weitaus das liebste. Deshalb brachte man es dar, um sich ihr Wohlgefallen und ihren Schutz zu erringen. Am allernotwendigsten waren diese Opfer zur Zeit der schreckhaften Mondfinsternisse, wenn die so überaus wichtige, ja unersetzliche Göttin der Fruchtbarkeit von irgend welchen bösen Dämonen verschlungen zu werden drohte. Wie nun heute noch die Chinesen bei solchen Fällen mit allen ihnen überhaupt zur Verfügung stehenden Instrumenten einen gewaltigen Lärm verursachen, um diese vermeintlichen bösen Dämonen zu vertreiben, so glaubten die Stämme des südasiatischen Kulturkreises dieses Ziel der Befreiung der Fruchtbarkeitsgöttin aus der Gewalt böser Mächte, die sich durch die sonst ganz unerklärliche Verfinsterung dokumentierte, noch besser durch schleuniges Opfer eines Exemplars der ihr heiligen Tiere zu erreichen. Da aber lag die Schwierigkeit! Man wußte nicht von vornherein, wann solche Zustände des Überfalls, der Schwäche und Krankheit der Mondgöttin eintraten. Es war dies nur in ganz ungleichen, unbestimmten Zwischenräumen der Fall, und dann, wenn es am nötigsten war, hatte man just kein frischerbeutetes Wildrind zum Opfer bereit, konnte somit der bedrängten Göttin nicht beistehen, ihr nicht helfen und verscherzte damit ihr Wohlwollen. In der Urzeit war überhaupt kein Gebot für den bequemen und arbeitsscheuen Menschen so dringend als eine Kultpflicht, der er sich durchaus nicht entziehen konnte, wenn ihm überhaupt an seiner und der Seinigen Existenz gelegen war. Es galt also, da die Mondfinsternisse ganz plötzlich eintraten, sich nicht auf den Ertrag der Jagd zu verlassen, sondern die Opfertiere für alle Fälle vorrätig zu halten, um im Falle der Not sie zum unerläßlichen Opfer bei der Hand zu haben. Das erreichte man am einfachsten dadurch, daß man kleine Herden des Wildrindes in durch in den Boden geschlagene Holzpfähle eingezäunte Reviere trieb und sie dort in halber Gefangenschaft hielt, in der sie sich innerhalb des gewohnten Familienverbandes ruhig fortpflanzten.

Auf diese Weise war der schwierige Übergang des Wildlings vom Freileben zur Knechtschaft des Menschen ein unmerklicher geworden und konnte allmählich zur Gewinnung des Rindes als Haustier führen. Von frühester Jugend an häufiger mit dem Menschen in Berührung kommend, gewöhnte es sich nach und nach an diesen und seinen Geruch, der ihm im wilden Zustande Schrecken einflößte. Als der Gottheit geweihtem, heiligem Tiere ließ man ihm innerhalb der Umhegung volle Freiheit und suchte es nicht nur vor allfälligen Feinden, sondern auch, wenn nötig, vor Futtermangel zu schützen. Solcher Dienst von seiten des ihm wohlwollenden Menschen wurde von ihm bald dankbar empfunden. An den Verkehr mit dem Menschen immer mehr gewöhnt, ließ es sich schließlich mit zunehmendem Zahmwerden berühren, ja schließlich sogar melken; doch wurde die Milch als Produkt des ihr heiligen Tieres der Mondgöttin geopfert und erst sehr viel später riskierte der Mensch das zunächst wohl als strafbaren Frevel empfundene Wagnis, dieses geheiligte Produkt selbst zu genießen. Er trotzte kühn dem Zorne der Gottheit, um sich vielleicht mit dem Genusse dieses heiligen Kultobjektes direkt, ohne Vermittlung jener, einen Vorteil irgend welcher Art, besonders aber die Fruchtbarkeit betreffend, zu erringen. So wurde die Milch, indem der Mensch die Scheu vor diesem heiligen Produkt immer mehr ablegte, von einem Opfertranke schließlich ein geschätzter Haustrank, den man sich auch zu nichtrituellen Zwecken zu verschaffen versuchte.

Durch gegenseitige Gewöhnung aneinander zog sich das Band der Freundschaft zwischen Rind und Mensch immer enger, bis schließlich das von der Mutter entwöhnte Kalb, durch Anbieten von Salz zum Lecken angezogen, in engere Verbindung mit seinem Herrn trat und langsam der eigentlichen Zähmung unterworfen wurde. Solch heiliges Tier wurde selbstverständlich nur als Opfer an die bedrängte oder um Hilfe angerufene Mondgottheit geschlachtet und dessen Fleisch nur als Opferspeise auch vom Menschen gegessen. Je mehr aber die Domestikation dieses Tieres fortschritt und sich sein Nützlichkeitsverhältnis dem Menschen gegenüber offenbarte, um so schwerer entschloß sich letzterer, solch nützliches Tier der Gottheit zu opfern. Es konnte ihr anderweitig im Leben noch mehr als mit seinem Tode dienen, indem es beispielsweise das heilige Kultgerät der Fruchtbarkeit spendenden Göttin, ihr Idol in Kuhhorngestalt, auf dem mit massiven Rädern versehenen Wagen bei dem zu ihren Ehren abgehaltenen festlichen Umzuge zog. Dazu wurden zunächst die größeren Kälber und später von den geschlechtsreifen Tieren nur die fügsameren Kühe verwendet. Der unbotmäßige starke Stier konnte dazu nicht in Betracht kommen, schon weil man zu schwach war, ihn bei solcher Dienstleistung zu bändigen und in seiner Gewalt zu behalten. Zudem konnte er nach weitverbreitetem Glauben primitiver Völker nur als Kastrat Diener einer weiblichen Gottheit werden. So wurde das Tier, um zum Gottesdiener gemacht und als solcher bei den Umzügen bei Gelegenheit der Feste der Mondgöttin zum Ziehen von deren heiligem Wagen mit dem Kultbild verwendet werden zu können, durch Abschneiden der Hoden — was sich ja sehr leicht bewerkstelligen ließ — entmannt. Die Folgen dieses Eingriffs machten sich bald bemerkbar durch Verleihung einer sanfteren Gemütsart und Neigung zu Fettwerden, was die Mastfähigkeit erleichterte, alles Eigenschaften, deren Auftreten der Mensch als Nachwirkungen jener Operation nicht voraussehen und so zielbewußt herbeiführen konnte.

Als Kastrat, d. h. geschlechtslos gemachtes Wesen, war nun der Ochse der vorzugsweise, ja später ausschließlich der Göttin geweihte Diener, während ihm gegenüber auch die Kuh als Geschlechtstier zurücktrat. Ein grausam-wollüstiger Zug haftet nun einmal dem Dienste der Fruchtbarkeitsgöttin an und verlangte wie vom menschlichen Diener, der sich ihr völlig geweiht hatte, auch von dem von jenem ihr geweihten Tiere die freiwillige beziehungsweise erzwungene Geschlechtslosigkeit, von ihren Dienerinnen aber, die nicht kastriert zu werden vermochten, wenigstens das Zölibat, wenn nicht die Prostitution, d. h. das sich anderen Preisgeben im Dienste der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, wie dies in den semitischen Kulten Vorderasiens allgemein üblich war und in Südasien, speziell Indien, heute noch üblich ist. Bis in die Gegenwart haftet den Kastraten ein Beigeschmack von Heiligkeit an. So sind es Eunuchen, die seit der ältesten Zeit den zum Fetisch erhobenen Meteorstein der Kaaba in Mekka und das Grab des Propheten Mohammed in Medina hüten. Eunuchen sind es, die nicht nur den Harems der mohammedanischen Großen vorstehen, sondern auch den Dienst in den Gemächern des „Sohnes des Himmels“ in Peking besorgen und in der Privatkapelle des „Heiligen Vaters“ in Rom singen.

Eine noch viel größere Bedeutung als der Wagen mit dem heiligen Kultbild der Göttin der Fruchtbarkeit erlangte als heiliges Gerät im Dienste der Mondgottheit der Pflug. Viel ausgiebiger als mit der von beiden Händen geführten Hacke ließ sich mit dem hakenförmig gekrümmten Holze mit später erz- beziehungsweise eisenbewehrter Spitze der Boden zur Aufnahme der Ackerfrucht aufreißen. Dieser Pflug wurde zunächst von kriegsgefangenen Knechten, dann aber noch erfolgreicher durch den zum Diener der Fruchtbarkeitsgöttin gemachten Ochsen gezogen. Er war ein heiliges Werkzeug, mit dem man den Schoß der Allmutter Erde aufriß, um sie zur Fruchtbarkeit zu zwingen, wie das Pflügen eine heilige Handlung, die wie vor vielen Jahrtausenden, so heute noch vom Kaiser von China, vom feierlichsten Zeremoniell umgeben, zur Eröffnung des Ackerbaues seiner Untertanen vor allem Volke vollzogen wird. Wie die Heiligkeit des Gerätes, so zieht sich die Heiligkeit des Gottesdieners durch die ganze menschliche Kulturgeschichte. Bei vielen Völkern, so in den meisten Gebieten Asiens, ist heute noch der den Pflug ziehende Ochse ein Tier, dessen Fleisch nicht gegessen wird. Wie die Chinesen, Inder und Westasiaten, hatte noch der gebildete Römer Cicero die Anschauung, das Rind sei zum Pflügen und nicht zum Gegessenwerden da; und Die Chrysostomus berichtet, daß in Cypern derjenige, der einen Pflugochsen getötet hatte, als Mörder mit dem Tode bestraft wurde. Wie bei den Juden, so wurde auch bei den alten Griechen ursprünglich die Tötung eines Ochsen bestraft. Gleicherweise war sie bei den nüchternen Römern verpönt, weil der Ochse ein Genosse des Mannes und ein Diener der Ceres sei. Der Grieche Plutarch bekennt, daß er es nicht über sich bringe, einen im Dienst alt gewordenen Ochsen auch nur zu verkaufen. Erst nach und nach schwand wenigstens bei einem Teil der Menschen das Vorurteil der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Gottesdieners und wurde der Ochse als Mastvieh ebensogut in Benutzung von Seite des Menschen gezogen wie die milchende Kuh, deren Milch nicht mehr Opfer, sondern profanes Genußmittel war.

In der hier angegebenen Weise muß das Rind schon vor etwa 10000 Jahren als Genosse des Menschen gewonnen worden sein, und zwar zuerst in Südasien, das überhaupt die meisten Wildrinder beherbergt, die für die Domestikation von Seite des Menschen in Frage kommen. Zuerst hat der Baseler Zoologe Ludwig Rütimeyer, auf genaue vergleichend anatomische Untersuchungen des ihm zur Verfügung gestellten Materials gestützt, nachgewiesen, daß das älteste Hausrind der Neolithiker Mitteleuropas, die Torfkuh der Pfahlbauern — wie der bereits besprochene Torfhund so genannt, weil ihre Überreste in den inzwischen meist vertorften Kulturschichten jener vorgeschichtlichen Periode der Pfahlbaubewohner gefunden werden —, nicht von einem einheimischen Wildrinde gezähmt wurde, sondern als fremder Import von Süden her zu den Stämmen Mitteleuropas in der jüngeren Steinzeit gelangte. Afrika kommt wegen Mangel an entsprechenden Wildrindern nicht in Betracht, sondern nur Südasien. Von den hier lebenden Wildrindern fällt der Yak (Bos gruniens) als Stammvater des ältesten Hausrindes wegen allzustarken Abweichungen im anatomischen Bau, wie auch wegen der 14 Rippenpaare, die er im Gegensatz zu den 13 des Hausrindes besitzt, außer Betracht. Zudem ist dieses Tier ein ausgesprochener Bewohner des Hochgebirges, dessen kaltem Klima und eisigen Stürmen entsprechend, er das zottige Pelzkleid trägt. Als solches vermag es sich dem heißen Tieflande durchaus nicht anzupassen. Gegen einen Zusammenhang mit dem indischen Gayal oder Stirnrind (Bos frontalis) spricht außer den ebenfalls 14 Rippenpaaren die gewaltige Ausdehnung der Stirnfläche des letzteren und die abweichende Gestalt und Richtung des Gehörns. Auch dieses ist übrigens ein Bergtier, das im Gebirge östlich vom Brahmaputra bis nach Birma hinein in Herden lebt, fast so geschickt wie der Yak klettert, gern das Wasser aufsucht und sich vor der drückenden Mittagshitze in die dichtesten Wälder zurückzieht, wo es wiederkäuend im Schatten ruht.

Bild 4. Ein aus der Elle einer Torfkuh gespitzter, sehr gut in die Hand passender Dolch aus einem neolithischen Pfahlbau der Schweiz. (1⁄3 nat. Größe.)

Auch der Gaur oder das Dschungelrind (Bos gaurus), das den undurchdringlichen Buschwald ganz Südasiens vom Himalaja bis in die indonesische Inselwelt bewohnt, kommt, obschon es 13 Rippenpaare besitzt, aus anatomischen Gründen als Stammvater des Hausrindes nicht in Betracht. Sein Schädel verbreitert sich nach oben zu, statt sich wie bei diesem in dieser Richtung zu verschmälern; auch ist er im Stirnteil auffallend konkav. Hinter dieser Konkavität erhebt sich ein mächtiger Stirnwulst, der beim Stier einer schiefen Wand vergleichbar ist, beim weiblichen Tier allerdings etwas niedriger, aber immer noch recht hoch ist.

Der Banteng der Malaien oder das Sundarind (Bos sondaicus) dagegen erfüllt nach den eingehenden Untersuchungen von Prof. Konrad Keller in Zürich und anderen Zoologen alle Bedingungen dazu, so daß wir ihn mit Sicherheit als Stammvater des ältesten Hausrindes ansprechen können. Der ganze Schädelbau, die eigentümliche Beschaffenheit der Hornzapfen, die bei beiden wie wurmstichiges Holz aussehen, die Gestaltung und Richtung des Gehörnes, die 13 Rippen usw. deuten mit aller Bestimmtheit darauf, daß irgendwo im südlichsten Asien der Banteng gezähmt und aus ihm die ältesten Hausrinder gewonnen wurden, bei denen sich der Gesichtsteil mit der Zeit etwas verkürzte.

Dem scheuen, am liebsten in wasserreichen bis moorigen Waldesteilen seinen Stand nehmenden und deshalb vorzugsweise flache Bergtäler mit langsam strömenden Flüssen bewohnenden Banteng steht in allen körperlichen Merkmalen von allen Hausrindern das indische Zeburind am nächsten. Dieses ist offenkundig ein domestizierter Banteng. Die anatomische Übereinstimmung beider ist auffallend. Beim Zeburind wie bei der Bantengkuh ist der Schädel lang und schmal, das Gehörn nach hinten ausgelegt, die Stirn seitlich abfallend, die Schläfengrube breit und flach, sind die Augenhöhlen fast gar nicht hervortretend, ist der Nasenast des Zwischenkiefers kurz und sind die Backenzähne schief gestellt. Brehm sagt in seinem Tierleben, „daß erwachsene Bantengs sich nicht zähmen lassen, Kälber desselben hingegen sich in der Gefangenschaft leicht an den Menschen gewöhnen und völlig zu Haustieren werden, da das Wesen des Tieres sanfter und milder zu sein scheint als das aller übrigen bekannten Wildrinder.“

Der wilde Banteng ist ein verhältnismäßig leicht gebautes Rind von braunroter bis kastanienbrauner Farbe bei den Kühen und jungen Stieren, dagegen schwarz bei alten Stieren. Weiß dagegen sind bei beiden Geschlechtern die untern Enden der Beine bis oberhalb der Knie- und Hackengelenke, ein großer ovaler Bezirk auf der Hinterseite der Schenkel, ein Streifen an der Innenseite der Beine, die Lippen und die Innenseite der Ohren. Bei den Kälbern, deren Beine in ihrer ganzen Ausdehnung außen kastanienbraun gefärbt sind, trägt der Rücken einen dunkeln Längsstreifen. Die Schulterhöhe eines ausgewachsenen Stieres beträgt 1,6–1,7 m, die Körperlänge etwa 2,6 m und die Schwanzlänge 0,9 m. Die bei jungen Tieren walzigen, bei ausgewachsenen an der Wurzel abgeflachten Hörner richten sich zuerst nach außen und oben, aber gegen die Spitze zu etwas nach rückwärts und innen. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus Gras. Gewöhnlich frißt es von vormittags 9 bis nachmittags 4 Uhr und geht dann trinken. Nachts legt es sich zum Ruhen nieder. Es meidet angebaute Gegenden so viel als möglich, stellt sich aber gelegentlich auf Äckern mit junger Saat zum Weiden ein. Es lebt meist in kleinen Herden von 5 oder 6 bis 20 Stück, die von einem großen Bullen geführt werden. Alte Stiere sollen sich gerne von der Herde trennen und einsiedlerisch leben. Werden diese verwundet, so greifen sie den Menschen, den sie sonst fliehen, ohne Zaudern an.

In diesem Banteng oder Sundarind hat nun der Südasiate nicht bloß das gefügigste, sondern auch das schönste Wildrind zum bildsamen Haustier herangezogen und damit alle weitere Haustiergewinnung vorbereitet. Dieser südasiatische Stamm der Hausrinder hat sich dann, weil sein großer Nutzen einleuchtete, sehr bald über weite Gebiete ausgedehnt. In der ostasiatischen Inselwelt reicht es bis Bali und Lombok, weiter nördlich bis China und Japan; hier überall macht ihm heute der später domestizierte Hausbüffel starke Konkurrenz. Nach Westen zu treffen wir ihn zuerst in Persien und Mesopotamien, dann auch sehr früh schon im Niltal an, wo uns auf einer der noch der neolithischen Negadazeit angehörenden skulptierten Schieferplatte von Giseh (s. Tafel), und noch deutlicher auf einer gleichzeitigen Platte im Louvre das charakteristische bantengähnliche Hausrind der ältesten nachweisbaren Zeit Ägyptens entgegentritt. Als Büffelfigur, sagt Keller, könne dieses Bild schon der Kopfbildung wegen nicht aufgefaßt werden. „Der Stier auf der Platte des Louvre zeigt vielmehr im Verlauf des Gehörns, in der auffallenden Stirnbreite und in der Kürze der Schnauze die typischen Kennzeichen eines alten Bantengstiers. Wir sind daher zu der Annahme gezwungen, daß das Hausrind der frühägyptischen, vorpharaonischen Zeit der Bantengstammform noch sehr nahe stand.“

Vom Niltal aus hat sich dieses Hausrind südasiatischer Herkunft weiter südlich zu den Hamiten verbreitet, die lange Zeit allein von den außerägyptischen Afrikanern in seinem Besitze waren. Erst später haben es dann die intelligenteren Stämme der Negerbevölkerung in Süd- und Westafrika übernommen. Madagaskar mit seiner starken Rinderzucht hat das Tier von Ostafrika her erhalten. Von Äthiopien gelangte schon vor der Zeit des alten Reiches im 4. Jahrtausend v. Chr. ein großgehörnter Rinderschlag von Bantengabstammung, der heute nur noch in Zentralafrika gefunden wird, nach Ägypten, wo er bald mit Vorliebe gezüchtet wurde. Dieser buckellose Schlag, aus dem meist der heilige Apis (altägyptisch hapi) genommen wurde, besaß ein ungewöhnlich langes, leier- oder halbmondförmiges oder auch gerade nach oben außen gerichtetes Gehörn und war von weißer, schwarz- oder rotbunter Färbung. Der nach Älian dem Mondgotte heilige Apis war nach Herodot schwarz, trug auf der Stirne ein weißes Viereck, auf dem Rücken das Bild eines Adlers, am Schwanz zweierlei Haare und auf der Zunge einen Käfer. Diese Färbung wird noch häufig beim Duxerschlag, namentlich aber bei den Eringerschlägen des südlichen Wallis angetroffen.

Bild 5. Einfangen eines wild gewordenen Rindes mit einem bolaartigen Wurfseil im alten Ägypten. (Nach Wilkinson.)

Tafel 7.

Banteng (Bos sondaicus).
(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)

Guzerat-Zebubulle, von Karl Hagenbeck in Stellingen importiert.

Tafel 8.

Herde von Guzerat-Zeburindern aus dem Besitz eines indischen Fürsten. (Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 9.

Luxusgespann von Guzerat-Zebuochsen eines indischen Fürsten mit reicher Ausstattung.
(Nach einer Photographie von Karl Hagenbeck.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 10.

Hissar-Zebubulle, von Karl Hagenbecks Tierpark importiert.

Stier. Griechische Marmorfigur im britischen Museum zu London.

Neben Langhornrindern wurde schon im alten Reiche (2980 bis 2475 v. Chr) eine hornlose Rasse gehalten. Daß diese nicht gerade selten war, geht nach Erman aus der Angabe hervor, daß auf dem Gute des Chefre noch neben 835 Langhornrindern 220 hornlose Rinder vorhanden waren. Gleicherweise sind uns Darstellungen von Höckerrindern, wie sie uns in typischer Gestalt im indischen Zebu entgegentreten, schon in Abbildungen des alten Reiches erhalten geblieben. Diese Zeburasse, die sich am deutlichsten in Südasien ausprägte, hat einen Fettbuckel entwickelt und eine lang herabhängende dünne Wamme am Hals. Das meist kurze, höchstens mittellange Gehörn verläuft in der Flucht der Stirn nach hinten. Das Ohr hängt meist stark herab. Die Farbe ist weiß, grau, gelb, rotbraun oder gescheckt. Neben gewaltigen Schlägen kommen auch zwergartige vor. Diesem indischen Zebu steht das ostafrikanische Buckelrind am nächsten, das am reinsten im Sangarind Abessiniens vertreten ist. Es hat sich heute vom abessinischen Hochland aus bis zum oberen Nil und zum Tschadsee ausgebreitet. Das Gehörn ist bei ihm größer als beim nahe verwandten indischen Zebu, im allgemeinen leierförmig und nicht mehr so stark nach hinten ausgelegt, sondern aufgerichtet. Der schlanke, hochgestellte Körper weist dieselben Farben wie das indische Zebu auf. Es spielt als Zug- und Fleischtier eine große Rolle, doch ist sein Milchertrag ein geringer. Aus ihm ist offenbar als besondere Zuchtrasse das Langhornrind hervorgegangen, das schon im alten Ägypten eine wichtige Rolle spielte, aber, weil wirtschaftlich nicht hervorragend, im Laufe der Zeit stark zurückging, in Ägypten ganz ausstarb und heute nach dem Innern Afrikas zurückgedrängt wurde. Es findet sich heute im Seengebiet bei den ackerbauenden Kolonien abessinischer Abstammung als Watussirind; doch gibt es Bestände von ihm auch in Südabessinien. Es ist mittelgroß, einfarbig kastanienbraun oder dunkelbraunfleckig und hat ein über meterlang werdendes Gehörn von der Gestalt desjenigen des Sanga. Im neuen Reich Ägyptens (1580–1205 v. Chr.) tritt dieses Langhornrind zurück und dafür tritt ein kurzhörniges, meist buckelloses Rind offenkundig südasiatischer Bantengabstammung in den Vordergrund. Auf einem in Wasserfarben ausgeführten Wandgemälde in Theben aus der Zeit der 18. Dynastie (1580–1350 v. Chr.) bemerkt man einzelne gefleckte Exemplare mit Kennzeichen, die nur dem Zebu eigentümlich sind.

Bild 6. Äthiopische Prinzessin in einem von Ochsen einer hornlosen Rasse gezogenen Wagen. (Nach Wilkinson.)

Auch in Mesopotamien ist das älteste Hausrind ein unverkennbarer Bantengabkömmling. Das auf einem sehr alten chaldäischen Siegelzylinder bereits vor den Pflug gespannt dargestellte Rind gleicht vollkommen einem kleinen indischen Hausrind. Aus der assyrischen Zeit treffen wir häufigere und bessere Darstellungen des Hausrindes. Auf einem Quarzzylinder, dessen Reproduktion Layard gibt, ist ein typisches, langhörniges Zeburind mit umfangreichem Fettbuckel und starker Wamme säugend dargestellt. Das auf den Skulpturen der Königspaläste häufig abgebildete Beutevieh wird stets mit gewölbtem Rücken oder mit eigentlichem Fettbuckel wiedergegeben, so daß auch dessen Abstammung von indischem Blute außer Zweifel steht. Nirgends begegnet uns eine Rinderart, die auf Abstammung des jedenfalls auch in Vorderasien einst lebenden Urs (Bos primigenius) hindeutet.

Bild 7. Altägyptische Darstellung zweier miteinander kämpfender Stiere, die von Hirten getrennt werden. (Nach Wilkinson.)

An der Peripherie des Areals, das die ältesten Hausrinder von Bantengabstammung bewohnen, d. h. im äußersten Osten Asiens, wie auf Bali und Lombok, dann in Westasien, Nordafrika und vor allem in Europa, begegnen wir einem kleinen, zierlich gebauten Rinderschlage von meist dunkler Färbung, mit kleinem, nach außen und aufwärts gebogenem Gehörn, zwischen den vortretenden Augenhöhlen eingesenkter Stirn und feiner Schnauze. Das Hinterhaupt erhebt sich bei ihm in einen deutlichen, steil abfallenden Höcker und seine Ecken sind nur ganz ausnahmsweise wie beim Zebu — so beim sardinischen Hausrind — zu Hornstielen ausgezogen. Das ist der Schlag, den wir überall in den Kulturschichten der neolithischen und späteren Bewohner Europas, so auch in den Pfahlbauten in den Seen und Torfmooren um die Alpen herum begegnen, wie er sich auch in der Urzeit in Mesopotamien und Ägypten nachweisen läßt. Es ist dies das bereits erwähnte Torfrind der Pfahlbauern, das in der Vorzeit überall in Europa als Haustier gehalten wurde und wahrscheinlich teils schon der Milchgewinnung diente, teils auch den Pflug zog, wie uns verschiedene Felsenzeichnungen von Nordafrika bis Skandinavien aus der Metallzeit zeigen. Rütimeyer nannte diese Rasse, die er aus den Überresten der Pfahlbauten der Schweiz kennen lernte, Kurzhornrind (Bos brachyceros), während der englische vergleichende Anatom Richard Owen sie als Langstirnrind (Bos longifrons) bezeichnete.

Dieses zierliche Hausrind mit zarten Gliedern und langem, schmalem Schädel mit breiter Stirne, die über die Hälfte der Schädellänge mißt, tritt uns von Anfang an in Europa in ihren charakteristischen, alle Zebumerkmale außer dem Fetthöcker aufweisenden anatomischen Merkmalen und Eigenschaften entgegen, so daß wir mit Bestimmtheit von ihm sagen können, daß es vollkommen domestiziert hier eingeführt wurde, und zwar nach Konrad Keller vorzugsweise aus Nordafrika. Er stützt sich dabei nicht bloß auf die Tatsache, daß sich eine dem alten Torfrind ganz nahe stehende Rasse hier bis nach Marokko hinein auffallend rein erhielt, sondern besonders darauf, daß die Annäherung des afrikanischen Zeburindes an unsere europäischen Braunviehschläge um so größer ist, je mehr man in Afrika nach Norden hin vorschreitet. Schon Nubien besitzt eine feinköpfige und kurzhornige Rasse, die dem algerischen und marokkanischen Rind auffallend nahe steht. Außerdem haben die kleinen beweglichen Zeburinder noch eine zweite direktere Wanderstraße aus ihrer Heimat Südasien nach Europa eingeschlagen, die über Mesopotamien, Kleinasien und durch die Donauländer ins Herz unseres Kontinentes führte. Keller hielt diesen direkten Import aus Asien für sekundär und nicht sehr ausgiebig, was wir nicht ganz unterschreiben möchten, da alle übrigen Kulturerrungenschaften der europäischen Neolithiker viel mehr nach Westasien als nach Nordafrika hinweisen. Jedenfalls hat der rege Handelsverkehr der Mittelmeerländer schon frühe wichtige Erzeugnisse Nordafrikas, zumal Ägyptens, nach Norden gebracht. Der bevorzugte Weg wird dabei aus dem Niltal über die ägäische Inselwelt nach dem Schwarzen Meer und von da donauaufwärts gegangen sein.

Überreste dieses Torfrindes von Bantengabstammung haben sich in den Braunviehschlägen der Zentralalpen ziemlich rein, am reinsten um das Gotthardmassiv herum beim sogenannten Schwyzervieh, erhalten. Die Haarfärbung wechselt vom dunkeln Braun bis zum hellen Mäusegrau. Als Rassekennzeichen gilt das dunkle Flotz- oder Rehmaul mit heller Umrahmung und ein heller, als Aalstrich bezeichneter Rückenstreifen. Diese Merkmale finden sich auch bei ostasiatischen und indischen Rindern. Auch ist der als Spiegel bezeichnete umfangreiche weiße Fleck am Hinterteil des Banteng als ein Rückschlag in Gestalt einer heller gefärbten Stelle am Hinterbacken nicht selten bei den einfarbigen braunen Kühen um das Gotthardmassiv herum zu sehen. In Südeuropa gehört dazu das dunkle sardinische, illyrische und albanesische Rind, im Osten das weitverbreitete polnische Rotvieh, das sich auch über das nördliche Rußland ausdehnt und im Nordwesten das hochgezüchtete und seiner Milchergiebigkeit wegen berühmte Jersey- oder Kanalrind.

Bild 8. Rinder im alten Ägypten werden mit einem eingebrannten Eigentumsstempel versehen.
1. Das Eisen wird glühend gemacht, 2. u. 4. die gefesselten Rinder werden gebrannt. (Nach Wilkinson.)

Diese kleinen Rinder haben, wie auch das Zebu, von dem sie sich ableiten — man denke nur an das hornlose altägyptische, das heutige Somalirind, die Rinder von Unjoro und Berta — schon sehr frühe auch hornlose Formen hervorgebracht, die sich bereits in der neolithischen Pfahlbauzeit nachweisen lassen. Hornlose Rinder sollen auch die Skythen besessen haben. Jetzt sind sie außer in Zentralafrika, wo die meisten Rinder hornlos und ohne Fettbuckel sind, hauptsächlich über Nordeuropa verbreitet, so in Nordrußland, Skandinavien, Island, Schottland, England, Wales und sporadisch in Oldenburg. Auch in Irland scheint diese Rasse früher sehr verbreitet gewesen zu sein, da man in alten Ansiedelungen viele ungehörnte Schädel derselben fand. Die Haarfarbe dieses hornlosen Viehs ist vorzugsweise weiß, doch kommen auch gelbrote, braunrote und schwarze Nuancen vor.

Mit der Kurzhornrasse von Zebuabstammung, dem Torfrind, eng verwandt und durch künstliche Züchtung offenbar auf europäischem Boden entstanden, ist das durch auffallende Kürze des Kopfes ausgezeichnete Kurzkopfrind (Bos brachycephalus). Bei ihm ist die Stirne zwischen den Augen sehr breit und unten stark eingezogen, das drehrunde Gehörn ist stark, oft sehr groß und leierförmig, meist weiß mit schwarzer Spitze. Die Haarfarbe ist braun bis gelb, selbst weiß und rot bis schwarz, häufig mit weißem Abzeichen. Wie beim Braunvieh läßt sich bei dunkeln Varietäten häufig eine weiße Einfassung des Flotzmaules, eine weiße Innenseite des Ohres und ein ebenso gefärbter Aalstrich auf dem Rücken erkennen.

Bild 9. Pflügen mit einem Ochsengespann im alten Ägypten. (Nach Wilkinson.)

Nach Keller tauchen die Kurzkopfrinder zuerst auf dem Boden Italiens auf und wurden dann vermutlich durch römische Kolonisten nach Norden gebracht. Er glaubt, sie ließen sich ihrer Abstammung nach auf das altägyptische Langhornrind zurückführen und seien wahrscheinlich schon in vorgeschichtlicher Zeit nach Europa gelangt und hier umgezüchtet worden. Diese Ansicht kann nach den bisher bekannt gewordenen Tatsachen nicht aufrecht erhalten werden. Das Kurzkopfrind war schon in vorgeschichtlicher Zeit, nämlich zu Ende des 3. Jahrtausends v. Chr., nördlich der Alpen an den Schweizerseen zu finden. Dürst glaubt es bereits auf babylonischen Siegelzylindern aus dem Beginne des 3. vorchristlichen Jahrtausends nachweisen zu können. Auch im alten Ägypten wurde es bereits gehalten, ebenso in Arabien und Nordafrika, wo man teilweise Knochenüberreste von ihm fand. In Südeuropa muß es im letzten Jahrtausend v. Chr. allgemein verbreitet gewesen sein. Die Reste desselben aus der helvetisch-römischen Zeit in Vindonissa und Aquae weisen auf ein sehr stattliches Tier hin, wie es sich heute noch im Südwesten von Europa auf der iberischen Halbinsel in stärkster Entwicklung vorfindet. In Deutschland gehört dazu das ebenfalls stattliche Rind des bayerischen Allgäu. Kleiner ist das gleicherweise hierher gehörende Eringerrind aus dem südlichen Wallis, das meist einfarbig, schwarz oder dunkelbraun mit rötlichem Anflug gezüchtet wird. Verwandt damit ist der Zillertaler, der Pustertaler und der Duxer Schlag, dann der Voigtländer und der Egerländer Schlag, das Devonrind in den englischen Grafschaften Devonshire, Sussex und Hereford, wie auch das Rind der Kanalinseln (Jersey u. a.). Noch näher scheint der Urrasse das Albanesenrind zu stehen. Jedenfalls hat sich diese uralte Rinderrasse am besten in den entlegenen Gebirgstälern erhalten und stellt so gewissermaßen die Gebirgsform des Rindes dar.

Zu diesen Rindern von südasiatischer Abstammung kommen meist großgehörnte Formen von schwerem Körperbau, die anatomisch durchaus nicht auf den Banteng, sondern auf den Ur (Bos primigenius) zurückzuführen sind. Dieses neben dem Wisent (Bison europaeus) seit der diluvialen Zeit bei uns lebende Wildrind war teilweise größer als unsere Hausrinder und besaß einen Schädel von auffallend geradlinigem Umriß, mit schief nach vorn gerichteten Augenhöhlen und schief aufsteigendem Unterkieferast. Der Gesichtsschädel zeigt eine verhältnismäßig starke Entwicklung; die Stirnbeine sind flach und stoßen in rechtem Winkel mit der Hinterhauptsfläche zusammen. Das mächtige Gehörn besaß im ganzen Leierform, wandte sich zuerst nach außen, dann nach innen oben mit aufwärts gerichteten Spitzen. Während sich also bei ihm das ziemlich lange Gehörn gegeneinander krümmte, war es beim Wisent nicht nur kürzer, sondern auch nach einwärts und rückwärts gekrümmt. Dabei besaß letzteres einen dreieckigen Kopf, starke Mähne und abfallenden Rücken, während der Ur, dem Hausrinde ähnlich, einen länglichen Kopf, keine Mähne und einen geraden Rücken besaß. Außerdem war es schwarz und nicht dunkelbraun wie jenes gefärbt.

Das Verbreitungsgebiet des Ur erstreckte sich außer durch ganz Europa, wo er sich am längsten im nördlichen Rußland erhielt, auch über ganz Nordasien bis zum Altaigebirge und reichte nach Süden bis zum Bergland von Armenien und Nordbabylonien. Die Assyrier kannten ihn sehr wohl unter dem Namen rimu, was identisch mit dem biblischen reem ist. Nach einem Relief des um 884 v. Chr. durch Asurnasirpal erbauten Nordwestpalastes in Nimrud, auf welchem dieser König einem Ur das Messer ins Genick stößt, bildete dieses gewaltige Tier damals noch ein geschätztes Jagdobjekt für die Fürsten von Assur. Auf dieser Darstellung hat der Künstler, der dieses Tier genau gekannt haben muß, nicht nur das starke Gehörn, sondern auch den schief aufsteigenden Unterkieferast in sehr naturgetreuer Weise dargestellt, so daß wir unverkennbar einen Ur — früher auch Auerochse genannt — vor uns haben. Daß diese Tiere damals noch in größerer Menge in Nordbabylonien vorkamen, beweist die Tatsache, daß dieser König nach einer Inschrift auf einer Jagd deren nicht weniger als fünfzig erlegte und acht gefangen nahm. Diese letzteren werden im Wildparke des Königs Aufnahme gefunden haben. Auch anderweitig berichten uns assyrische Texte, daß junge Ure gefangengenommen und in der Gefangenschaft weitergezüchtet wurden. So scheint in Nordbabylonien der Ur zuerst gezähmt und für den Haustierstand in der Obhut des Menschen vorbereitet worden zu sein. Dies geschah zweifellos schon weit früher als zu Beginn des letzten Jahrtausends v. Chr., da wir urähnlichen Rindern schon auf den ältesten babylonischen Siegelzylindern und in Form prächtig modellierter Köpfe aus Bronze, die noch in die sumerische Zeit ins dritte Jahrtausend v. Chr. zurückreichen, begegnen. Dabei scheinen die Assyrier offenkundig diese gezähmten Rinder von Urabstammung zu opfern bevorzugt zu haben. Wenigstens werden sie in ihrer charakteristischen Erscheinung bei assyrischen Opferszenen, z. B. am Palast von Balawat, dargestellt, während wir unter den ebendort abgebildeten Rindern als Tribut fremder Völker ganz anders gekrümmte Hörner finden, die stark an ägyptische Darstellungen erinnern. Letztere waren zweifellos Hausrinder von Bantengabstammung.

Aus geschichtlicher Zeit haben wir mehrfache Zeugnisse über das Vorhandensein dieses mächtigen Wildrindes in Europa, so von Julius Cäsar, der in seinem Buche über den gallischen Krieg schreibt, daß im hercynischen Wald — worunter jener römische Autor das Waldgebirge Mitteldeutschlands vom Rhein bis zu den Karpaten verstand — ein urus genanntes Wildrind lebe, das äußerlich einem Stier gleiche, aber an Größe nur wenig hinter dem Elefanten zurückstehe. Mit letzterer Angabe hatten ihm seine germanischen Gewährsmänner einen „Bären aufgebunden“, wie sie ihm auch sagten, die Beine des Elches (alces) seien stocksteif und hätten keine Gelenke. „Deshalb legen sich die Tiere, wenn sie ruhen wollen, nicht nieder, können auch nicht wieder aufstehen, wenn sie zufällig hinfallen. Um zu schlafen, lehnen sie sich also an Bäume. Solche Plätze merken sich die Jäger, machen heimlich einen Einschnitt in jeden Baum, so daß er an sich stehen bleibt, aber umfällt, wenn sich das Tier daranlehnt.“ Noch manch anderes solch altdeutsches Jägerlatein hat der große römische Stratege und kluge Staatsmann als baare Münze entgegengenommen.

Nach Cäsar spricht dessen Zeitgenosse Vergil im zweiten Gesang seiner Verherrlichung des Landbaues vom Ur, indem er sagt, man solle die Weinberge einzäunen, damit das Vieh (pecus) ihnen nicht schädlich werde. Darunter zählt er außer den Schafen und dem Jungvieh die Rehe und die wilden Ure aus den Wäldern (silvestres uri). Das Landgut, das dieser Darstellung zugrunde liegt, war höchst wahrscheinlich des Dichters eigenes, das väterliche Gut in Andes bei Mantua, in welchem er am 15. Oktober 70 v. Chr. geboren wurde. Also müssen noch im letzten vorchristlichen Jahrhundert die Ure von den dichten Wäldern an den Vorbergen der Alpen weit in die lombardische Ebene hinein gewechselt sein. Im dritten Gesang wird von Vergil eine schwere Seuche, anscheinend Milzbrand, geschildert, die den ganzen Viehstand der Krainer Alpen vernichtet hatte. Als danach das Fest der Göttermutter herankam, hatte man keine Ochsen (boves), um mit ihnen den Prozessionswagen der Göttin zu bespannen, und mußte statt ihrer (kastrierte) Ure nehmen (Vers 531). Also muß es damals neben den wilden auch zahme Ure gegeben haben, die man als eine besondere Tiergattung vom Rindvieh unterschied. Allem nach scheinen auch diese zahmen Ure seuchenfester als die echten Rinder gewesen zu sein. Das mag mit ein Grund gewesen sein, daß in der Folge in manchen Gegenden Südosteuropas das Vieh vom Primigeniusstamme, also vom Ur abgeleitet, die Oberhand über die älteren, gegen Seuchen empfindlicheren Rassen von Bantengabstammung gewann.

Tafel 11.

Der Assyrerkönig Assurnasirpal auf der Urjagd.
Ein Ur ist mit Pfeilen erlegt, ein anderer, wohl in Netzen gefangen, wird vom König lebend eingebracht.
(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 12.

Zuchtstier „Walo“, der Schwyzerrasse angehörig, auf der Gutswirtschaft der Maggi-Gesellschaft in Kempttal.


GRÖSSERES BILD

Tafel 13.

Mehrfach prämiierte Kuh der Schwyzerrasse auf der Gutswirtschaft der Maggi-Gesellschaft in Kempttal.


GRÖSSERES BILD

Tafel 14.

Wisent aus dem Kaukasus im Zoologischen Garten von Berlin.

Amerikanischer Bison im Zoologischen Garten von Berlin.
(Beide nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in Steglitz.)

Im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt dann der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei Arten wilder Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne geschmückten Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und Schnelligkeit auszeichnet.“ Tacitus weiß in seinen Annalen von einem römischen Steuerbeamten zu berichten, der die Friesen dadurch zum Aufstand trieb, daß er ihnen für die Entrichtung ihres in Ochsenfellen bestehenden Tributs Urfelle als Muster vorschrieb. Solche in größerer Menge zu beschaffen mochte ihnen schwer fallen. Wie Plinius spricht auch das Nibelungenlied von zwei in Germanien hausenden Wildrindern, dem Wisent und dem Ur. Letzterer wurde noch im 10. Jahrhundert in der Umgebung des Klosters St. Gallen gejagt und sein Fleisch an der Klostertafel nebst dem des Bibers und anderer dort heute längst ausgerotteter Tiere verspeist, wie wir den Benediktionen oder Tischgebeten des dort lebenden und 973 verstorbenen Mönches Ekkehard I. entnehmen können. Nach Alfred Nehring wurde in Bromberg ein aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammender Urstierschädel aufgefunden, der auf der Stirne noch Spuren von drei Lanzenstichen aufweist, als Beweis dafür, daß er um jene Zeit dort noch gejagt wurde. Noch ums Jahr 1550 erhielt der österreichische Gesandte und Freiherr von Heberstain auf einer diplomatischen Reise nach dem Königreiche Polen in Masovien vom König Sigismund August von Polen einen dort getöteten Ur als Geschenk. Das Tier war damals freilich nicht mehr zahlreich, sondern auf einen kleinen Bestand in Masovien zusammengeschmolzen. Später erhielt der Züricher Zoologe Konrad Geßner von einem seiner Schüler, Schneeberger, und von Johann Bonar zuverlässige Nachrichten über den in Polen lebenden und dort Thur genannten Ur und berichtete darüber 1560. Zuletzt hat August Wrzesniowski in einer 1878 in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie veröffentlichten Arbeit an Hand der polnischen Quellen nachgewiesen, daß schon im 13. Jahrhundert die Jagd auf den „Thur“ ein ausschließliches Vorrecht der Herzoge von Masovien war, er bereits im 16. Jahrhundert selten zu werden begann und nur noch in den Forsten von Jaktorowka (etwa 55 km westlich von Warschau) vorkam. Hier wurde er zuletzt, wie heute der Wisent im urwaldähnlichen Riesenforste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke Grodno, förmlich gehegt und über die noch vorhandenen Exemplare Buch geführt. 1564 zählte man nur noch 30 und 1599 24 Stück. 1602 ging der Bestand auf 4 Thure zurück und 1627 starb die letzte Urkuh.

Bild 10. Zeichnung eines Urstiers aus der Höhle von Combarelles. Breite der Originalzeichnung 90 cm.
(Nach Capitan und Breuil.)

Außer verschiedenem Skelettmaterial aus Torfmooren — so einem nahezu vollständigen Skelett, das 1887 am Schwielochsee im Kreise Lübben in der Niederlausitz aufgefunden wurde und sich jetzt im Museum der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin befindet — besitzen wir auch noch leidliche Bilder von diesem gewaltigen Wildrinde Europas. Heberstain, der letzte Zeuge, der den Ur noch sah, ließ eine Abbildung herstellen, die durch Konrad Geßner in weiteren Kreisen bekannt wurde. Daneben existiert noch ein vom Engländer Hamilton Smith bei einem Augsburger Kunst- und Antiquitätenhändler entdecktes Urstierbild, das im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts in Öl auf Holz gemalt wurde, 1827 in Griffiths „Animal Kingdom“ zur Veröffentlichung gelangte und seither im Original verschollen ist. Eine weit bessere Darstellung gibt das bereits erwähnte alte Jagdbild vom Palaste des assyrischen Königs Asurnasirpal aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr., besonders aber die aus bester mykenischer Zeit Griechenlands, aus der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Chr. stammenden Rinderfiguren auf den Goldbechern von Vaphio, dem alten Amyklai. Es sind dies die weitaus besten Urbilder, die wir besitzen. Diese in einem prähistorischen Kuppelgrab 1888 gefundenen beiden Goldbecher, die offenbar aus der gleichen Werkstätte hervorgingen, zeigen in einem Basrelief den Fang und die Zähmung des wilden Urs. Der eine Becher (I) stellt dar, wie ein Ur sich in einem von starken Stricken verfertigten Netze fängt und dabei überkugelt, während zwei andere in gestrecktem Galopp aus dem Bereiche des Netzes flüchten, wobei der eine zwei sich ihm entgegenstellende, mit Wams und Hosen bekleidete Männer über den Haufen rennt, den einen derselben auf die Hörner nimmt und davonschleudert. Der andere (auf Tafel II) stellt vier gezähmte Ure, drei Männchen und ein Weibchen dar, welch letzteres sein Haupt in Profilstellung dem ihm zunächst stehenden Stier zuwendet. Davor steht ein mit Wams und Hosen bekleideter Mann, der einen laut aufbrüllenden Urstier mit einem dicken Strick am linken Hinterbein gefesselt hält.

Bild 11 u. 12. Darstellungen in getriebener Arbeit auf den beiden massiv goldenen Bechern aus dem Kuppelgrabe von Vaphio, dem alten Amyklai, aus bester mykenischer Zeit (Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends) aufgerollt, um das Einfangen und die Zähmung des Wildrindes der Primigeniusrasse zu zeigen.

Diese unschätzbar wichtigen Darstellungen von überaus hohem künstlerischem Wert zeigen uns, wie in vorgeschichtlicher Zeit neben dem von Südasien gezähmt eingeführten Torfrind das stärkere einheimische Wildrind gefangen und unter des Menschen Botmäßigkeit gebracht wurde, um aus ihm ein nützliches Haustier zu machen. Wie dies noch nach der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends in Griechenland geschah, was uns der Becher von Vaphio beweist, dessen Darstellung nur von einem Manne geschaffen worden sein kann, der persönlich beim Fange dieses Wildrindes mit Hilfe von starken Jagdnetzen zugegen war und den Vorgang aus eigener Anschauung, nicht nur vom Hörensagen schildert, so ist dies wahrscheinlich schon mehr als tausend Jahre früher in Nordeuropa, außerdem auch in Westasien, speziell Nordbabylonien, und vielleicht an anderen Orten gemacht worden und hat zur Gewinnung eines sehr kräftigen Rinderschlages geführt, das uns, dem Wildrinde noch recht nahestehend, bereits in den jüngeren Pfahlbauten entgegentritt. Diesem gezähmten Primigeniusrind des vorgeschichtlichen Europa, das uns weder in Asien östlich von Mesopotamien, noch in Afrika entgegentritt, steht von heute lebenden das großhörnige schottische Hochlandrind von schwärzlicher bis grauer Haarfärbung am nächsten. Ferner das ebenfalls großhörnige weiße englische Parkrind, das schon bei den alten Kelten in hohem Ansehen stand. Berichten doch die etwa aus dem 11. Jahrhundert stammenden Gedichte des angeblichen gälischen Barden Ossian, des Sohnes König Fingals, aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., daß zwei Häuptlinge wegen eines weißen Stieres in eine erbitterte Fehde gerieten, die erst mit dem Tode des einen beigelegt wurde. Ebenfalls ein Primigenius-Abkömmling ist das in gleicher Weise wie die vorigen einfarbige, großhörnige, überaus wetterharte und genügsame, aber nur geringe Milchergiebigkeit und Mastfähigkeit aufweisende Steppenrind Podoliens und Südrußlands. Als „graues Steppenrind“ finden wir es in Ungarn und in der römischen Campagna. Dieses silbergraue Vieh der römischen Campagna wurde nicht erst, wie man noch vor kurzem annahm, durch die Langobarden in Mittelitalien eingeführt, sondern ist hier schon in vorgeschichtlicher Zeit nachweisbar. So finden wir es deutlich auf der der La Tènezeit angehörenden Situla (Eimer) aus der Certosa von Bologna noch mit vorwärts zeigendem Gehörn dargestellt, als Beweis dafür, daß dieses Rind dem Ur sehr nahestand und nur geringe Veränderungen infolge von Domestikation aufwies. Über die Niederungen Rußlands finden wir das Steppenrind von Primigeniusabstammung durch ganz Sibirien, aber nicht mehr überall in reiner Rasse. So weist beispielsweise das Kirgisenrind eine beträchtliche Beimischung von Zebublut zum Primigeniusblut auf. Solche Kreuzungen wurden jedenfalls bereits in vorgeschichtlicher Zeit in ausgedehntem Maße vorgenommen, wozu die einheimischen Hausrinder genugsam Gelegenheit gaben. Nicht selten werden aber auch die zahmen Ure auf der Weide von wilden Urstieren belegt worden sein, wie es heute noch in Hinterindien häufig genug vorkommt, daß zahme Zebukühe von wilden Bantengstieren befruchtet werden, was die Malaien als eine willkommene Blutauffrischung gerne sehen.

Von Mischungsprodukten zwischen Torfrind und Primigeniusabkömmlingen sind wohl die meisten spurlos untergegangen und andere sind durch künstliche Züchtigung stark umgebildet worden. Eine solche durch Umzüchtung aus der älteren Primigeniusrasse ohne bedeutende Torfrindblutbeimischung hervorgegangene Rinderart ist nach L. Rütimeyer das von Nilsson als Frontosusrasse bezeichnete Großstirnrind (Bos frontosus), das zur Bronzezeit neben dem kleinen, zierlichen Torfrind zuerst in Nordeuropa, und zwar in Südschweden auftritt. Von da drang es erst sehr spät weiter nach Süden vor, um allerdings nur eine sehr lokale Verbreitung zu erlangen. Diese Rasse, die auch noch recht schwer, wie das reine Primigeniusrind, werden kann, zeigt einen Schädel mit unregelmäßigem Umrisse, zwischen den Augen verbreiteter Stirne, dachiger Hinterstirn, gestielten Hornzapfen und gewölbten Augenhöhlen. Die Färbung ist rot- oder schwarzscheckig mit scharf begrenzten Flecken; der Nasenspiegel ist fleischfarben. Noch jetzt wird diese Rasse im südlichen Schweden gehalten und hat die einst in England weitverbreitete, jetzt aber dort verschwundene Langhornrasse aus sich hervorgehen lassen, deren letzte Reste sich in Südschweden in dem Vieh der Insel Gotland erhielten.

Wichtiger als sie ist das durch kurze Hörner und schwarze oder rotscheckige Farbe ausgezeichnete Marschrind der Nordseeküste, zu dem auch das holländische Rind gehört. Es ist durch seine Milchergiebigkeit berühmt und scheint hier bis ins Altertum zurückzugehen. Wir wissen wenigstens, daß schon zur Zeit der Römer am Niederrhein ein ähnlich großes Rind gezogen wurde. Die größte Bedeutung aber erlangte das Großstirnrind in der Westschweiz im hochgezüchteten rotscheckigen Simmentaler- und im schwarzscheckigen, neuerdings stark im Rückgang begriffenen Freiburger Schlag. Dieses ebenfalls überaus milchergiebige schweizerische Fleckvieh, das bis zum Bodensee verbreitet ist, scheint erst zur Zeit der Völkerwanderung in Mitteleuropa eingewandert zu sein und kam nach Keller vermutlich mit den vom Niederrhein gekommenen Burgundern nach der Westschweiz. Nicht nur in den westschweizerischen Pfahlbauten, sondern auch in den helvetisch-römischen Niederlassungen der Schweiz, z. B. in Vindonissa, fehlen alle Spuren von ihm vollständig. Keller meint, diese Tatsache sei sehr schwerwiegend; denn die Römer, die beispielsweise in Vindonissa eine starke Besatzung zu unterhalten hatten, würden ohne Zweifel vorgezogen haben, die milchreichen Fleckviehrinder aus der Westschweiz zu holen, falls solche damals vorhanden gewesen wären, statt die schweren, wenig Milch liefernden Kurzkopfrinder aus dem Süden über die Alpenpässe in Helvetien einzuführen, da das kleine einheimische Torfrind den Bedarf nicht deckte.

Derselbe Autor meint in seinem Werke über die Abstammung der ältesten Haustiere: „Über das Verhältnis der Freiburger Schwarzflecken zum rotbunten Simmentaler Schlag müssen noch eingehendere anatomische Untersuchungen angestellt werden. Sie gehören zwar nach den osteologischen Merkmalen zur Frontosusrasse, dagegen ist das Gehörn steiler aufgerichtet und nach meiner Beobachtung häufig primigeniusähnlich. Daher die Behauptung, daß das Freiburger Vieh Einwirkungen von niederländischem Vieh erhalten habe. Andere vermuten eine Vermischung mit Braunvieh. Leider war es mir bei dem starken Rückgang dieses Schlages bisher nicht möglich, ausreichende Schädelserien zu beschaffen, wie denn überhaupt die Erwerbung von Haustiermaterial auf kaum glaubliche Schwierigkeiten stößt.“

Das ziemlich verwahrloste Rind Sibiriens repräsentiert nach den Untersuchungen von Okulitsch einen unvermischten Primigeniustypus. Die Färbung desselben ist vorwiegend rot; doch gibt es in der Umgebung von Tomsk auch graue Rinder dieses Schlages. Die Milchergiebigkeit der sibirischen Kühe ist gering; dennoch ermöglicht der bedeutende Viehstand eine starke Ausfuhr von Produkten der Milchwirtschaft. So wurden schon im Jahre 1901 27 Millionen kg Tafelbutter von Sibirien nach Europa exportiert und seither hat sich diese Ausfuhr durch bessere Bahntransporte bedeutend erhöht. Der Regierungsbezirk Tomsk allein weist einen Rinderbestand von gegen 2 Millionen Stück auf.

Alle weiter südlich in Asien gehaltenen Rinder sind dagegen Abkömmlinge des gezähmten Banteng, so auch diejenigen Chinas, die oft sehr klein sind und manchmal einen Fetthöcker aufweisen. Sie werden dort vorzugsweise zum Pflügen benutzt, ihre Milch überhaupt nicht und das Fleisch wenig genossen. Ebenso gering ist die wirtschaftliche Rolle des Rindes in Japan, wo es als Reit- und Lasttier dient und die wenigen im Lande verkehrenden Wagen zieht. Einen schönen Rinderschlag besitzt Korea, dessen Bewohner wohl dessen Fleisch, nicht aber die Milch genießen.

Wie die meisten Nutztiere hat Amerika auch das Rind durch die Vermittlung der Europäer erhalten. Auf seiner zweiten Reise brachte es Kolumbus 1493 nach San Domingo, von wo es sich rasch über die Antillen verbreitete. Hier verwilderte es teilweise und lieferte in dem an der Luft und über dem Feuer getrockneten Fleisch, der carne secca, und in den Häuten bald das hauptsächlichste Ausfuhrprodukt dieser Inseln. Von diesen verwilderten Rinderherden lebend bildete sich im 16. Jahrhundert aus Franzosen und Engländern an der Westküste von San Domingo der Freibeuterstaat der Flibustier — entweder aus dem Worte freebooters, d. h. Freibeuter, oder aus fly boaters, d. h. auf rasch fahrenden Schiffen Segelnde entstanden —, die den das Monopol des amerikanischen Handels besitzenden spanischen Schiffen auflauerten und sie ausplünderten. Als diese durch Zuzug von allerlei Abenteurern und der Hefe aller Nationen zu Anfang des 17. Jahrhunderts zu einer furchtbaren Macht in den westindischen Gewässern geworden waren, die, bald von der einen, bald von der andern Regierung begünstigt oder gar in Sold genommen, später nicht nur gegen die Spanier, sondern gegen alle Besitzenden kämpften, sahen sich die europäischen Staaten genötigt, gegen diese bedrohliche Macht einzuschreiten. Vor allem gründete Frankreich, da sich ein großer Teil der Flibustier aus Franzosen zusammensetzte, in diesem westlichen Teil von San Domingo eine Kolonie, die bald durch ausgezeichnete Gouverneure zur Blüte gelangte. Mit dieser Gründung verloren die wilden Rinder der Insel bald ihre Bedeutung; doch exportiert der spanische Teil immer noch stark Fleisch und Häute derselben nach der jetzt dort errichteten Negerrepublik.

Ums Jahr 1525 gelangte das Rind nach Mexiko, wo sich seine Zucht an den grasreichen östlichen Abhängen der Anden stark ausbreitete. Neuerdings haben sich dort auch edlere europäische Rassen, wie die Holländer und das hellfarbige, meist rotfleckige, kurzhörnige Vieh der englischen Grafschaft Durham, eingebürgert.

Mittelamerika hatte im 17. Jahrhundert eine starke Viehzucht in Honduras. Auch Kolumbien erhielt im 16. Jahrhundert sein Vieh von den westindischen Inseln. In die Grassteppen von Venezuela brachte es Christobal Rodriguez 1548. Hier gedieh es vortrefflich und verwilderte bald. So begegnete schon der sogenannte Tyrann Aguirre 1560 in der Nähe von Valencia wilden Rinderherden. Um 1800 führte Venezuela ohne die zahlreichen geschmuggelten etwa 170000 Rinderhäute jährlich aus. Von der Kapverdeninsel San Vincente aus brachten die Portugiesen das Rind 1581 nach Brasilien, wo es sich der brasilianischen Indolenz entsprechend recht langsam von der Küste nach dem Innern ausbreitete. Nach den Angaben von Southeys Geschichte von Brasilien kam es erst 1720 nach Goyaz, 1739 nach Matto Grosso und 1788 in das Gebiet des oberen Amazonenstroms. Gegenwärtig besitzen die Provinzen Minas Geraes, Matto Grosso, San Paulo und Rio Grande do Sul eine ausgedehnte Viehwirtschaft. Wiederholt sind Zebus aus Indien als Zuchtmaterial in Matto Grosso eingeführt worden, und Bastarde derselben mit den aus Europa eingeführten Rassen sind stark verbreitet. Durch großes Gehörn ist die ursprünglich in San Paulo heimische Franqueirorasse ausgezeichnet. Nur in Minas Geraes wird Milchwirtschaft getrieben und ein grober, schlechter Käse gewonnen, der nur im Lande selbst gebraucht werden kann. Der Brasilianer ißt diesen Käse gern mit eingedicktem Zuckerrohrsaft zusammen, ähnlich wie die Helden Homers eine Mischung von Honig, Käse und Wein tranken. Sonst wird überall in Brasilien das Vieh bloß zur Gewinnung von Häuten und Hörnern für den Export nach Europa und zur Herstellung von getrocknetem Fleisch für den einheimischen Verbrauch gehalten. Dies war auch in den Pampas Argentiniens der Fall, wo vom 17. Jahrhundert an große halbwilde Viehherden vorhanden waren. Diese nahmen ihren Ursprung von 7 Kühen und einem Stier, die Kapitän Juan de Salazar 1546 von Andalusien nach Südbrasilien brachte, von wo aus sie ein gewisser Gaeta in seinem Auftrage über Land nach Paraguay trieb. Er entledigte sich dieser schwierigen Aufgabe vorzüglich und erhielt als Belohnung eine von den Kühen geschenkt, was für ihn jedenfalls einen sehr wertvollen Besitz darstellte.

Von Paraguay drang das Rind bald südwärts in die Pampas von Argentinien vor, von wo schon 1580 die erste Ladung Häute von dem damals eben gegründeten Buenos Aires nach Spanien ausgeführt wurde. Hier vermochte es in der Steppe überall leicht zu verwildern, während in den mehr waldigen Gebieten Paraguays dies wegen des Vorkommens einer sehr lästigen Aasfliege, die ihre Eier in jede Wunde legt, nicht möglich war. Da für diese Fliegen der Nabelstrang des neugeborenen Kalbes eine sehr willkommene Ablagestelle für die Eier bot, die eine Entzündung und schließlich den Tod des Kalbes herbeiführten, so gingen jeweilen alle Kälber zugrunde, bei denen nicht menschliche Hilfe fürsorgend eintrat. So weit also der Bezirk dieser Fliege reichte, gab es keine wilden Rinder. Im Süden aber, wo sie im offenen Graslande fehlte, vermehrten sich die halbwilden Viehherden dermaßen, daß das einzelne Stück fast wertlos und im 18. Jahrhundert nach Dobrizhoffer für einen Real, d. h. etwa fünf Groschen zu haben war. So wurden sie nur zur Gewinnung der Haut und etwa noch der Zunge als Delikatesse getötet, und nur ausnahmsweise das saftigste Fleisch von den Lenden zur Gewinnung von carne secca verwendet. Um diesen Reichtum wenigstens einigermaßen auszubeuten, wurde im vorigen Jahrhundert an der Küste nördlich von Buenos Aires, in Fray Bentos, die Liebigsche Fleischextraktfabrik eingerichtet, die heute noch das meiste Fleisch auf dieses ihr Spezialprodukt hin verarbeitet, daneben aber auch konserviertes Fleisch, Fett und Knochen gewinnt, die sie mit den Häuten auf den europäischen Markt bringt. Neuerdings suchen die Kulturstaaten Europas mit dem Fleischüberfluß Argentiniens die Fleischnot in ihrem eigenen Lande zu bekämpfen, und dies mit bestem Erfolge. In besonderen Schiffen mit Kühlräumen wird das Fleisch gefroren, wie das schon seit längerer Zeit von Australien nach England gebrachte Schaffleisch, aus Argentinien zu uns gebracht und findet überall willig Absatz. Jedenfalls ist Argentinien mit seinen grasreichen Ebenen vor andern Ländern dazu berufen, in der Viehhaltung eine führende Rolle zu spielen. Auch in Chile hat es einst eine bedeutende Rinderzucht gegeben. So fand v. Tschudi noch 1858 in Santiago das Straßenpflaster aus den Hüftknochen von Rindern gebildet, die man mit den Gelenkköpfen nach oben gesetzt hatte. Auch in Peru und Bolivien ist die wilde oder halbwilde Zucht jedenfalls die wichtigste. Milch geben die Kühe nur wenige Tassen voll, und auch das nur kurze Zeit. Bei den Indianern ist keine Neigung zur Haltung des Rindes vorhanden. Letzteres tritt demnach gegen Patagonien hin, wo die weiße Bevölkerung mehr oder weniger aufhört, zurück. Auf den Falklandinseln ist es verwildert.

In Nordamerika ist das erste Vieh zu Ende des 16. Jahrhunderts von England an die Ostküste nach Virginien gekommen. 1624 brachten es die Puritaner nach Plymouth in Massachusetts und ein Jahr später die Holländer nach dem von ihnen auf der Manhattaninsel an der Mündung des Hudson gegründeten Neu-Amsterdam, dem heutigen New York, mit. Diese guten Rassen wurden später mit dem wegen der bequemen Verbindung billigeren spanischen Vieh aus Westindien gekreuzt. Mit den Weißen verbreitete es sich westwärts, während schon früh vor seiner Ankunft mexikanisches Vieh nach Texas und Kalifornien gelangt war. Kanada besaß ursprünglich das Bretagnerind, das die Franzosen 1608 einführten.

Was die heutige Rinderhaltung in den Vereinigten Staaten anbetrifft, so geht die Züchtungspraxis der Amerikaner darauf aus, einzelne ausschließliche Leistungen der Tiere zu bevorzugen; daher werden die hervorragendsten englischen Fleischrassen und die europäischen Milchrassen stark bevorzugt. Von letzteren wurden außer südenglischen Rindern besonders das friesische, dann das Schweizer Braunvieh eingeführt. Dieses hat nun mehr und mehr das früher ausschließlich gezogene Texasvieh spanischer Abstammung, das seinerseits wiederum sich vom hochbeinigen, langhörnigen iberischen Rinde ableitet, auch in den Südstaaten der Union verdrängt.

Im Jahre 1788 wurde das Rind von den Engländern nach Australien eingeführt, wo jetzt Queensland die stärksten Bestände aufweist. Auch Neuseeland mit seinen weidereichen Alpen hat eine starke Rinderzucht. Dort gibt es über 11⁄2 Millionen Rinder; daher ist die Ausfuhr an Butter und Käse bedeutend. Auch in Ozeanien ist das Rind auf den meisten Inseln eingeführt, spielt aber meist eine sehr untergeordnete Rolle im Haushalte des Menschen. Stellenweise, wie z. B. auf der Insel Tinian, ist es verwildert.

Außer in Syrien und Kleinasien wird das Rind in ausgedehnten Gebieten Afrikas als Last- und Reittier verwendet. Schon Herodot erwähnt Lastochsen aus Nordafrika und Älian hornlose Reitochsen aus Mysien. Wie die Kirgisen, Kalmücken und viele Kurden, so reiten die Gallastämme, die Einwohner von Wadai, von Angola und Südafrika auf besonders dressierten Reitochsen, die in allen Gangarten gehen und in schwierigem Terrain durch kein anderes Tier zu ersetzen sind. Ohne sie könnte man die ausgedehnten Handels- und Jagdzüge durch die streckenweise oft gänzlich wasser- und futterlosen Einöden gar nicht unternehmen.

So sehr sein geistiges Wesen im allgemeinen durch die Knechtschaft und Bevormundung durch den Menschen abgenommen hat, so ist das Rind, besonders wenn es in Freiheit aufwächst, nicht so stumpfsinnig wie unsere in Ställen aufgewachsenen Individuen. Sie lassen sich unschwer zu allerlei Kunststücken abrichten. So berichtet schon der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Ich habe Ochsen gesehen, welche auf Befehl kämpften, auf die Hörner fielen und wieder aufstanden, sich auf die Erde legten und wegtragen ließen, und sogar auf schnellrennenden Wagen wie Kutscher standen. — Zur Zeit unserer Vorfahren kam oft das Wunderzeichen vor, daß Ochsen sprachen; wurde dies angezeigt, so mußte die Senatsversammlung unter freiem Himmel gehalten werden.“ Wie einst der Apis im alten Ägypten, ist heute noch das Rind im allgemeinen dem Hindu ein heiliges Tier, so daß er lieber verhungern würde als auch nur Rindfleisch anrühren. Die Europäer sind ihm geradezu verächtlich, daß sie dieses für ihn unantastbare Tier schlachten und sein Fleisch verzehren. Als nützliches Haustier stand es noch bei den Kulturvölkern des Altertums in hohem Ansehen. So schreibt der gelehrte Römer Varro im letzten Jahrhundert v. Chr.: „Das Rindvieh dient dem Menschen beim Landbau, dient der Göttin Ceres, wurde daher seit Menschengedenken unter den Schutz der Gesetze gestellt und in Attika, wie im Peloponnes, wurde derjenige sogar mit dem Tode bestraft, der ein Stück Rindvieh mutwilligerweise getötet hatte.“ Und Plinius sagt: „Der Ochse ist unser Gefährte bei der Arbeit und beim Ackerbau und stand bei unsern Vorfahren in solchen Ehren, daß man ein Beispiel hat, wo ein Mann aus dem Volke zur Verbannung verurteilt wurde, weil er auf seinem Landgut einen Zugochsen geschlachtet hatte, bloß weil einer seiner Vertrauten, ein frecher Bursche, behauptet hatte, er habe noch keine Kaldaunen gegessen.“

Das Rind ist schon im zweiten Jahre seines Lebens fortpflanzungsfähig. Die Tragzeit währt in der Regel 285 Tage. Das Kalb erhebt sich bald nach seiner Geburt und saugt schon am ersten Tage an seiner Mutter, die es liebevoll beleckt und seine Entfernung durch Brüllen beklagt. Die Lebensdauer scheint 25 Jahre nicht zu übersteigen. Außer grünen Pflanzenteilen werden auch Früchte aller Art nebst Wurzelgemüsen und Knollengewächsen, besonders Möhren und Kartoffeln, sehr gern von ihm gefressen; dabei ist ihm das Lecken von Salz Bedürfnis. Alle seine Teile werden vom Menschen verwendet, so daß es mit Recht als das einträglichste aller Haustiere gilt.

Bei der Besprechung der Rinder dürfte es am Platze sein, einige Bemerkungen über die Viehzucht unserer Vorfahren in der ältesten, geschichtlich nachweisbaren Zeit mitzuteilen. Neben dem Wald und den Äckern gab es bei den Germanen nach der Völkerwanderungszeit ausgedehnte Wiesen, die nach Urkunden des 8. Jahrhunderts bis zu 130 und mehr Fuder Heu lieferten. Die Wiesen wurden im Frühjahr gehegt. Wer zu dieser Zeit sein Vieh darauf trieb und dadurch den Graswuchs verhinderte, der ward nach den Volksgesetzen der Westgoten nach seinem Stande verschieden bestraft. Bei den Langobarden konnte der Eigentümer einer Wiese, der auf derselben ein oder mehrere Schweine antraf, eines ohne Ersatz totschlagen. Wer eines anderen Wiese mähte, verlor nach dem Gesetz der salischen Franken seine Arbeit und bezahlte 15 Solidi Buße. Das war eine sehr strenge Bestrafung, da man damals mit einem Solidus, einem Goldschilling, eine Kuh zu kaufen vermochte. Ebensoviel Buße bezahlte er, wenn er das gemähte Gras nach Hause trug; fuhr er es aber heim, so mußte er 45 Solidi Strafe erlegen.

Damals war die Viehzucht noch nicht so ausgedehnt, daß sie den Wirtschaftsbedürfnissen angemessen gewesen wäre. Im Jahre 755 befanden sich auf einem ziemlich ansehnlichen Hofe 4 Zugstuten, 30 Schafe und 20 Schweine. Doch war das Rindvieh das wichtigste Besitztum des freien Mannes, der Stolz und Reichtum des Bauern, wie schon Tacitus in seiner Germania sagt: es sei der einzige Reichtum des Germanen. Dies hat sich auch in der Sprache ausgeprägt. Wie lateinisch pecunia Geld zu pecus Vieh gehört, so bezeichnet Schatz im Gotischen das Vieh, fê (Vieh) im Altnordischen und Süddeutschen die Habe; aus fê wurde später Fening und schließlich Pfennig. „Habe“ oder „Ware“ bedeutete in den deutschen Mundarten Vieh, wie manchenorts, z. B. im Berngebiet, „Speise“ Käse. Alles Vieh wurde in alter Zeit weit mehr geweidet als heute, da die Stallfütterung sich vollständig eingebürgert hat. Der ältere Plinius lobt die germanischen Weiden, und noch im Mittelalter bot die Allmende Raum genug zum Weidgange des Viehes der Dorfgenossen. Der Gemeindehirt ist in den alten Dorfordnungen eine sehr wichtige Person. Da aber die Menge und die Güte des Futters, sowie die Paarung geeigneter Zuchttiere bei der freien Weide nicht in dem Maße wie heute, vielfach überhaupt gar nicht garantiert werden konnte, so vermochte man in jenen frühen Zeiten keine großen oder sonst wertvollen Schläge zu erzielen. So sagt schon Cäsar von den Germanen: „Sie brauchen keine eingeführten Zugtiere (Pferde), aber die bei ihnen geborenen, die klein und häßlich sind, bringen sie durch tägliche Übungen zu den größten Leistungen“, und Tacitus berichtet: „Auch das Rind hat (bei den Germanen) nicht seinen Stirnschmuck (Hörner), man erfreut sich nur an der Zahl desselben.“ Damals war das Vieh der Germanen durch schlechte Pflege und starke Inzucht unansehnlich, wie noch heute in abgelegenen Riedgegenden kleines Vieh, von kaum mehr als 1 m Höhe gehalten wird. Das Skelett einer zahmen Kuh, das in dem vorgeschichtlichen Torfmoor von Schussenried in Schwaben gefunden wurde, ist nicht größer als ein großer Hund und hat winzige Hörner.

Eine Viehherde hieß bei den Franken sonesti; die einzelnen Individuen derselben wurden nebst etwaigen Pferden, Schafen und Schweinen, jedes mit einer Schelle behängt, unter Aufsicht eines Hirten zusammen ausgetrieben. Durch das Klingeln der Glöckchen konnte man im weitläufigen Bruch oder bei der beliebten Waldhütung das Entlaufen der Tiere besser verhindern, entlaufene auch leichter wieder finden und zur Herde zurücktreiben. Die deutschen Volksrechte bestraften das Entwenden dieser Klingeln sehr hart. So bestimmte das Gesetz der salischen Franken für die Entwendung einer Schelle (skella) von einem Pferde wie von einer Sau 15 Solidi Strafe, 3 aber von anderem Vieh. Wer bei den Burgundern von einem Pferd oder Ochsen die Glocke entwendete, der mußte sie durch ein Pferd oder einen Ochsen ersetzen, die von derselben Beschaffenheit waren als jene, an denen er sich verging. Dies war die Strafe des Freien, der Leibeigene dagegen wurde gehörig durchgebläut, so daß er solches sein Lebtag nie mehr tat. Bei den Langobarden wurden 6 Solidi für die entwendete Pferde- oder Rindschelle erlegt; die Westgoten bestraften dasselbe Vergehen mit 1 Solidus.

Zudem war das Vieh damals gezeichnet, damit es sein Eigentümer jederzeit aus der Herde herausfinden und als sein Eigentum in Besitz nehmen konnte. Beim Vieh wurden besondere Hirtenhunde zur Abwehr des Wolfes und anderer Raubtiere gehalten; wer einen solchen tötete, gab nach dem Volksrechte der Friesen 1, bei anderen Stämmen bis 4 Solidi Buße. Die Hirten hatten großes Recht; wer einen solchen erschlug, mußte bei den Alamannen 40 Solidi Strafe entrichten. Wer ihn mißhandelte, indem er ihn schlug, während ihn zwei andere hielten, bezahlte 9 Solidi. Die Hütung geschah entweder privat oder gemeinschaftlich. Es gab Freie, die sich eigene Hirten hielten; sonst stellten die Sippengenossen gewöhnlich einen Unfreien dazu an, ihr Vieh gemeinsam auf der Weide zu hüten. Während der ganzen guten Jahreszeit war das Vieh auf der Weide und wurde nur im Winter, wenn es wegen des hohen Schnees kein Futter mehr fand, im Stalle von dem im Sommer eingebrachten Heu gefüttert.

Die Fürsorge der Karolinger, besonders Karls des Großen, für die Kultur des Landes zeigt sich auch in den Vorschriften für den Viehstand ihrer Güter. So befahl Karl der Große, auf allen seinen Gütern Milchkühe zu halten und von der Milch auch Butter und Käse zu bereiten. So gab es nach einem uns erhaltenen Verzeichnis auf seinem Gute Stefanswerd 20 Kühe, 1 Stier, 61 Stück Jungvieh (animalia minora) und 5 Kälber. Auf seinem Gute Asnapium hatte er 50 Kühe mit Kälbern, 20 Stück Jungvieh (juvencus), 38 jährige Kälber und 3 Stiere, in Grisenwiler dagegen 30 Kühe mit Kälbern, 3 Stiere und 10 Stück Jungvieh stehen; auf einem anderen kleinen Gute hatte er 6 Kühe mit Kälbern und 8 Stück Jungvieh. Aus diesem Verzeichnis und nach allem, was wir sonst noch erfahren, dürfen wir schließen, daß die Kälber damals sehr lange bei ihren Müttern verblieben, wahrscheinlich bis sie die Kuh selbst absetzte. Die Kühe selbst wurden nicht nur zur Milchgewinnung, sondern auch zum Ziehen gebraucht, und zwar nicht bloß von den kleinen Leuten, sondern auch auf den großen Gütern. Daß Kaiser Karl bei der Bereitung von Butter und Käse auf seinen Gütern Reinlichkeit verlangte, beweist, daß man es damit nicht sehr genau nahm. Die Butter hieß damals noch mit einem altdeutschen Worte Schmeer oder Anken. Ein Stück Brot „beschmeeren“ — woraus später allgemein beschmieren wurde — heißt also, es mit Butter bestreichen. Da man schon in jener Zeit begann, den Untertanen, wenn nur irgend möglich, Dienste und Abgaben aufzubürden, so nötigten die Grundherren sie später in einigen Gegenden, herrschaftliche Kühe den Winter über zur Fütterung zu übernehmen. So mußte beispielsweise das Stift Lorch solche Kühe überwintern. Oft wurden die Zehnten in Käse bezahlt. So bekam der Abt von Fulda von drei Alpen, die ihm gehörten und auf die das Vieh zur Sömmerung getrieben wurde, als Entgelt je 3000 Käse, die für die Klosterwirtschaft sehr erwünscht waren. Im Laufe der Jahrhunderte ging dann die Viehwirtschaft hervor, wie wir sie heute noch kennen und auf die einzutreten ganz überflüssig ist.

Außer dem eigentlichen Rind sind aber noch andere Vertreter der Rinderfamilie vom Menschen gezähmt und in Pflege genommen worden. Von diesen soll nun noch die Rede sein. Ein naher Verwandter des Hausrindes ist der schon zu Eingang erwähnte Gayal oder das Stirnrind (Bos frontalis). Dieses Wildrind ist in beiden Geschlechtern bis zu den Knien braun, im untern Teil der Beine weiß oder gelblich, hat kurze Gliedmaßen, einen kurzen Kopf mit außerordentlich breiter Stirn und fast gerade nach auswärts gerichtetem Gehörn. Die Eingeborenenstämme südlich und nördlich vom Tal des Assam in Hinterindien fangen nicht nur Kälber desselben, um sie einzugewöhnen, sondern halten es schon so lange in gezähmtem Zustand als Haustier, daß es als Folge weitgehender Beeinflussung durch Domestikation in ziemlich vielen Exemplaren ganz weiß, andere wenigstens fleckig gefärbt sind. Die Herden zahmer Gayals werden von den Indochinesen des Fleisches wegen gehalten; auch soll teilweise ihre Milch genossen werden. Die Tiere, die weder zur Bearbeitung des Bodens, noch zum Tragen von Lasten verwendet zu werden scheinen, streifen, um zu fressen, während des Tages unbeaufsichtigt im Walde umher und kehren abends ins Gehöft ihres Besitzers zurück. Sie vermischen sich zuzeiten ungehindert mit dem neben ihm gehaltenen indischen Buckelrind, dem Zebu. Merkwürdigerweise sind von den aus dieser Kreuzung hervorgegangenen Bastarden nur die weiblichen Exemplare fruchtbar, nicht aber die männlichen, während bei den anderen Kreuzungsprodukten zwischen verschiedenen Rinderarten die männlichen und weiblichen Bastarde gleicherweise in der Regel unbegrenzt fruchtbar sind.

Auch der Gaur oder das Dschungelrind (Bos gaurus), dessen Verbreitungsgebiet von Vorderindien bis Siam und Cochinchina im Osten und die Halbinsel von Malakka im Süden reicht, ist in etlichen Berggegenden zwischen Assam und Birma gezähmt und wird als Haustier gehalten, obschon alle in Indien zu Züchtungszwecken eingefangenen Gaurkälber eingingen und keines das dritte Lebensjahr erreichte. Dieser Gaur scheint das größte lebende Rind zu sein und erreicht in den Stieren 1,8 m Schulterhöhe bei einer Körperlänge von 2,9 m. Die vordere Rückenhälfte trägt einen hohen Kamm, die Ohren sind klein, die Hörner an der Wurzel ziemlich stark zusammengedrückt, auf ihrer ganzen Länge gebogen und mit der Spitze nach innen und etwas nach rückwärts gerichtet. Beim Stier sind sie 50–60 cm lang. Das kurzbehaarte Fell ist bei jungen Männchen und Weibchen braun, bei alten Männchen dagegen schwarz. Die untern Teile sind ziemlich heller und die Beine vom Knie und vom Hackengelenk an bis zu den verhältnismäßig kleinen Hufen weiß. Die Kälber tragen einen schwarzen Längsstreifen auf dem Rücken. In den Berggegenden, die es bewohnt, hält es sich an den Wald und die hohen Grasbestände. Seine Lebensweise deckt sich fast ganz mit der beim Banteng geschilderten. Es klettert ausgezeichnet und hat hierzu trefflich geeignete kurze Beine.

Viel wichtiger als diese beiden Wildrinder ist eine dritte Art für den Menschen geworden. Es ist dies der in seinen ältesten Vertretern erdgeschichtlich schon im Pliocän auftretende Büffel (Bubalus). Von den beiden heute noch lebenden Arten ist nicht der wilde Schwarz- oder Kaffernbüffel (Bubalus caffer) Afrikas, sondern der südasiatische Büffel (Bubalus arni) vom Menschen in vorgeschichtlicher Zeit gezähmt und zum nützlichen Haustier erhoben worden, das von den Indern Arni, von den Malaien Hinterindiens dagegen Kerabau genannt wird. In Insulindien besonders ist er nachträglich wieder verwildert, da er sich dort der Aufsicht von seiten des Menschen zu entziehen wußte. Die Domestikation dieses weitaus kühnsten und wildesten unter den indischen Wildrindern erfolgte bedeutend später als diejenige des weit gutmütigeren Banteng. Dieser Wildbüffel bewohnt heute noch die sumpfigen Rohrwälder und die dicht mit hohem Gras bewachsenen Ebenen des Brahmaputra und Ganges vom Ostende von Assam bis nach Tirhut im Westen und diejenigen der östlichen Zentralprovinzen Indiens. Er ist ein besonders im Alter dünnbehaartes, am ganzen Körper dunkelgraues, fast schwarzes, an den Beinen jedoch meist heller gefärbtes massig gebautes Rind mit kräftig behörntem Kopf auf gedrungenem Hals, etwas gestrecktem Rumpf, dicken und kurzen Beinen und großen, für die Fortbewegung auf sumpfigem Boden breit ausladenden Hufen. Der niedrig getragene Kopf ist gestreckt und flachstirnig und trägt sehr große, schwarze, im Querschnitt dreieckige, in einer Ebene zuerst auf- und auswärts, dann nach innen und vorn, von der Gesichtsebene aus etwas nach rückwärts gebogene Hörner, die der Krümmung entlang gemessen 2 m lang werden können. In Oberassam findet sich eine nicht bloß durch die fahlere Färbung, sondern auch durch die Form des Schädels abweichende Unterart.

Dem Wildbüffel sagen heiße, sumpfige oder wasserreiche Gegenden am besten zu, denn er ist ein großer Wasserfreund, der vortrefflich schwimmt und sich so gebärdet, als ob das Wasser sein eigentliches Lebenselement sei. Auf dem festen Lande erscheint er in allen seinen Bewegungen schwerfälliger als im Wasser, in dem er sich tagsüber während der größten Hitze mit Vorliebe aufhält und, darin liegend, nur einen Teil des Kopfes herausstreckt. Nachts und am frühen Morgen weidet er, bricht gern in Pflanzungen ein und richtet darin bedeutende Verwüstungen an. Sein Wesen wird als mürrisch und unzuverlässig geschildert; er ist voll Mut und Angriffslust und läßt dann seine tiefdröhnende Stimme erschallen. Die Paarungszeit fällt in den Herbst; dann lösen sich die sonst bis zu 50 Stück zählenden Herden in kleinere Trupps auf, die je ein Stier um sich versammelt. Etwa 10 Monate nach der Paarung, also im Sommer, wirft die Kuh 1–2 Kälber, die sie sorgsam gegen alle Angriffe wilder Tiere behütet. Der Wildbüffel ist keineswegs scheu, scheint auch die Nachbarschaft des Menschen nicht zu meiden. Oft nimmt eine Herde oder ein einzelner Stier von einem Felde Besitz, von dem dessen Eigentümer zurückgetrieben wird. Angegriffen und besonders verwundet, stellen sie den Gegner und suchen ihn mit ihren gewaltigen Hörnern niederzurennen.

Wann und wie der indische Wildbüffel zuerst gezähmt wurde, ist völlig unbekannt. Jedenfalls geschah dies irgendwo in Südasien, wo nach der Domestikation des Banteng die seinige nahe lag. Dabei veränderte sich sein Charakter in einer für den Menschen sehr günstigen Weise. Ist der Wildbüffel sehr kampflustig, weil er sich selbst dem Tiger überlegen fühlt, so ist er im zahmen Zustande seinen Bekannten gegenüber überaus sanftmütig und anhänglich und läßt sich sogar von einem Kinde lenken. Nur fremden Leuten und Tieren gegenüber zeigt er sich feindlich und beweist dann einen großen Mut. Nach wie vor ist ihm das Wasser ein überaus wichtiges Lebenselement, auf das er nur ungern verzichtet und das er immer wieder zur Kühlung aufsucht.

Tafel 15.

Büffel von Singhalesen auf Ceylon zum Pflügen eines Reisfeldes benützt.


GRÖSSERES BILD

Tafel 16.

Hagenbecks Reisender in Indien auf einem Milchbüffel reitend.

Yak oder Grunzochse im Zoologischen Garten von Berlin.
(Nach einer Photographie der Neuen photogr. Gesellschaft in Steglitz.)

Die älteste unzweifelhafte Darstellung des Büffels hat sich uns auf einigen altbabylonischen Siegelzylindern aus dem Anfang des 3. vorchristlichen Jahrhunderts erhalten. Auf dem einen derselben sehen wir einen langbärtigen Mann, offenbar eine Gottheit, der in einer irdenen Schüssel einem Büffel Wasser zum Trinken darreicht. Daß es sich wirklich um einen Büffel und nicht um ein schlecht gezeichnetes Rind handelt, geht sicher aus dem Verlauf der nach hinten gelegten quergerippten Hörner hervor. Dieselben typischen Büffelhörner treffen wir auf einer anderen Darstellung eines altbabylonischen Siegelzylinders, der etwa vom Jahre 2800 v. Chr. stammt. Wir sehen darauf zwei langbärtige Männer, offenbar auch Gottheiten, von denen der eine mit einem aufgerichteten Löwen, der andere mit einem gleichfalls aufgerichteten Büffel mit typischem Gehörn ringt. Dabei wird der Büffel mit der linken Hand am linken Horn und mit der rechten Hand am rechten Vorderfuß gepackt und letzteres umgeknickt, um das Tier zu Fall zu bringen. Daß der Büffel wie auf diesen, so auch auf andern mythologischen Bildern im Kampfe mit Göttern dargestellt wird, beweist zum mindesten, daß er im Kulte gewisser Gottheiten eine Rolle spielte und als solcher vielleicht in halber Zähmung gelegentlich vom Menschen in der Nähe von Tempeln gehalten wurde. Daß er völlig gezähmt war und als Haustier diente, ist ausgeschlossen, denn wir fänden sonst mehr Spuren von seiner Gegenwart. Ebenso wurde der Wildbüffel im ältesten Ägypten nachgewiesen, sowohl in bildlichen Darstellungen, als auch in Knochenresten, aber ein eigentliches Haustier war er hier ebenfalls nicht. Jedenfalls reichte einst sein Verbreitungsgebiet von Südasien über Westasien bis nach Europa hinein. So fand man Überreste eines Wildbüffels (Bubalus pallasi) in Diluvialschichten bei Danzig. Aber in ganz Westasien wie auch im Niltal wurde er vom Menschen ausgerottet, bevor er domestiziert worden war.

In Vorderasien treffen wir in der Folge keine Spur mehr von ihm, bis Alexander und seine Begleiter ihn auf ihrem Siegeszuge als Haustier zuerst in Persien, dann auch in Indien antrafen. Aber auch damals blieb den Kulturvölkern am Mittelmeer die Erwerbung dieses Nutztieres verschlossen. Erst die Muhamedaner brachten ihn nach Palästina und Ägypten. Im Jahre 723 begegnete der heilige Willibald im Jordantal, in dem sie heute noch wichtige Haustiere sind, die ersten Büffel, von deren Vorhandensein man bis dahin im Abendland keine Ahnung gehabt hatte. Dieser Priester, der durch Süditalien und Sizilien gereist war, traf diese dort nirgends, weil man sie damals noch nicht eingeführt hatte, und war nicht wenig erstaunt, sie in Palästina zu finden. In Ägypten, das früher besonders reich an Rindern gewesen sein muß, die später weitgehend durch die aus dem Süden dahin gebrachte Rinderpest dezimiert wurden, vermehrte sich der Büffel stark und gelangte von dort durch die Araber nach Sizilien und Süditalien, von wo aus er sich langsam weiter nördlich in die sumpfige Campagna di Roma verbreitete. Ums Jahr 1200 war er im Kaiserreich Bulgarien, etwa dem heutigen Mazedonien entsprechend, häufig anzutreffen und kam von da nach dem eigentlichen Bulgarien und den Tiefländern der Donau, um sich jenem Strom entlang bis Ungarn und Siebenbürgen auszudehnen, wo sie wie unsere Rinder in erster Linie als Milchvieh gehalten werden. Doch geben sie durchschnittlich nur halb so viel Milch wie unser Alpenrindvieh. Bringt es das Siebenbürger Rind auf 1600–1900 Liter und die sich dort immer mehr einbürgernden Freiburger, Simmentaler und Pinzgauer Kühe auf 2000 Liter im Jahr, so liefert der beste Milchbüffel in dieser Zeit nur 1000 Liter, die allerdings wegen des weit größeren Fettgehaltes von 7–8, bei altmelkenden Tieren sogar 10–12 Prozent gegenüber von 3–5 Prozent der Kuhmilch doppelt so teuer als jene verkauft wird. Auch in die Moldau-Walachei und die Krim gelangte der Hausbüffel und fand dort in den wasserreichen, noch ziemlich warmen Niederungen ihm zusagende Lebensbedingungen. Trotz des heißen Klimas fehlte ihm aber in Nordafrika westlich vom Niltal das für ihn zum Baden nötige Wasser, so daß er hier nicht heimisch werden konnte. Und weil er infolgedessen nicht nach dem südlichen Spanien und nach Portugal gelangte, erreichte er auch Amerika nicht, und die Vorschläge, ihn hier einzuführen, sind bis jetzt unbeachtet geblieben.

Noch größere Bedeutung als im Westen hat er im Osten Asiens erlangt, wo er bis nach Japan und über die Philippinen hinaus gelangte und sich über ganz Indonesien ausbreitete, und zwar in der von Malaien bewohnten ost- und südasiatischen Inselwelt in einer schiefer- bis hellbläulichgrauen, sehr spärlich behaarten Zuchtrasse mit sehr langen, im Bogen nach hinten gerichteten, auf der Oberseite stark abgeflachten Hörnern. Hier überall in den heißen, sumpfigen Niederungen hat er weit größere Bedeutung als das Hausrind von Bantengabstammung erlangt und ist der getreue Gehilfe des Menschen beim Ackerbau geworden. Seine Neigung für das Sumpfleben machte ihn besonders beim Reisbau verwendbar, der in diesen Gegenden eine überaus wichtige Rolle spielt. Nur in den trockenen Gebieten, die seinem Gedeihen nicht besonders zuträglich sind, und im Nordosten von Asien tritt das gegen Kälte weniger empfindliche Rind wieder stärker auf. Im ganzen Gebiet des Reisbaues ist er in seinem ureigenen Element und zieht den primitiven Pflug durch den von dem darauf geleiteten Wasser aufgeweichten schlammigen Boden der Reisfelder. Bei den Bisayern tritt er auch den gesäten Reis in den nassen Schlamm. Seine Milch wird hier kaum je gewonnen, obwohl sie eine vorzügliche Speise bildet, die, wie in Südeuropa, auch in ganz Süd- und Westasien sehr geschätzt wird, obschon sie einen moschusartigen Geruch besitzt. Die aus ihr bereitete Butter ist weiß und schmeckt ganz rein, entbehrt aber des feinen Aromas, das eine gute Kuhbutter auszeichnet. Das Fleisch alter Büffel ist im gekochten Zustande heller als das Rindfleisch, dabei grobfaserig, hart und weniger schmackhaft als jenes. Dagegen schmeckt das Fleisch der Büffelkälber sehr gut und wird von manchen Leuten sogar dem Fleisch der Rindkälber vorgezogen. Sehr geschätzt ist das Fell, das ein vorzügliches Leder liefert.

Wegen seiner ungeheuren Kraft, die bei einem Büffelochsen von 149 cm Höhe und 652 kg Körpergewicht auf 875 kg bestimmt wurde, hat der Büffel überall in seinem Verbreitungsgebiet besonders als Zugtier eine große Bedeutung erlangt. Er zieht tatsächlich auch auf schlechten Wegen Lasten, die man ihm kaum zutrauen dürfte. Nur ein Übelstand ist dabei in Kauf zu nehmen, nämlich seine vom Wildzustande beibehaltene Störrigkeit. Noch mehr als dem ruhigeren Asiaten offenbart er dem lebhaften Europäer gegenüber immer noch einen Rest seiner ursprünglichen Wildheit. Fremde greift er direkt an oder weicht ihnen in blinder Furcht aus und richtet dabei durch sein Ungestüm nicht selten allerlei Unheil an. Man hat also ihm gegenüber stets etwas auf der Hut zu sein. Eine ausgezeichnete Tugend des Büffels ist dagegen seine wirklich beispielslose Genügsamkeit, indem er hartes Schilf und andere Sumpfpflanzen, welche jedes andere Geschöpf verschmäht, mit demselben Behagen frißt, als ob er die leckerste Speise genösse. Unangenehm kann er durch seine Neigung werden, sich im Schlamm der Pfützen zu wälzen und sich dabei mit einer ihm vor der Peinigung durch die Stechfliegen schützenden Schlammschicht zu bedecken.

Der Büffel ist ein schweigsames Geschöpf. Wenn er behaglich im kühlenden Wasserbade ruht, läßt er nie seine Stimme hören. Auch während er weidet oder arbeitet geht er still und ruhig seines Weges. Nur in Wut versetzte Stiere und Kühe, welche säugende Kälber haben, geben Laute von sich, die ein Mittelding zwischen dem Brüllen des Rindes und dem Grunzen des Schweines sind. In den nördlicheren Gegenden paart sich der Büffel, sich selbst überlassen, im April und Mai; 10 Monate nach der Paarung wird das Junge geboren, das von der Mutter zärtlich geliebt und mit Eifer beschützt wird. Im 4. oder 5. Jahr ist der Büffel erwachsen und erreicht dann ein Gewicht von über 700 kg. Sein Alter bringt er auf 18–20 Jahre. Außer zum Ziehen von Lastwagen und zur Feldarbeit dient er vielfach auch, besonders bei den Malaien, zum Reiten, in Birma auch zu Kampfspielen, da dort aus religiösen Gründen die Hahnenkämpfe verboten sind. Jedenfalls gehört er zu den Haustieren, die ihr Verbreitungsgebiet noch bedeutend auszudehnen vermögen. Vor allem verdient er in den heißen, feuchten Niederungen Amerikas und Afrikas eingeführt zu werden. So sollte Deutschland mit dem guten Beispiel vorangehen und ihn in seinen afrikanischen Kolonien einführen, wo er ganz gute Daseinsbedingungen fände. Schon Emin Pascha bemühte sich als Gouverneur der Äquatorialprovinz, freilich vergeblich, Büffel nach seiner Residenz Lado zu bekommen. Es wäre auch zu empfehlen, Kreuzungen mit dem afrikanischen Wildbüffel vorzunehmen und Versuche mit der Zähmung des letzteren zu machen, die sehr wohl auf Erfolg rechnen dürften.

Von weiteren Wildrindern, die einst zur Zähmung durch den Menschen in Frage gekommen wären, sind noch der nordamerikanische Bison und der europäische Wisent zu nennen. Diese sind aber heute bereits durch menschliche Unvernunft bis auf unbedeutende, gehegte Reste ausgerottet. Einst lebte der Bison (Bison americanus), der buffalo der Amerikaner, in ungeheurer Menge auf den Prärien Nordamerikas zwischen dem Alleghany- und dem Felsengebirge. Die Gesamtheit einer Büffelherde zerfiel in zahlreiche Trupps, die unter der Leitung eines eigenen Stieres weideten und mit großer Regelmäßigkeit von den saftigen Weideplätzen zu den Flüssen, an denen sie ihren Durst löschten und badeten, hin und her wechselten, wobei sie ähnlich wie unsere Hausrinder auf den Alpweiden geradlinige Pfade, die „Büffelpfade“, austraten. Alljährlich unternahmen sie oft weite Wanderungen, indem sie in kleineren Herden vom Juli an südwärts zogen, um den grimmigen Schneestürmen des Nordens auszuweichen, mit Beginn des Frühjahrs aber sich wieder nordwärts wandten. Ihr schlimmster Feind war der Mensch. Solange sie es nur mit dem zwar berittenen, aber sonst für sie nicht allzu gefährlichen Indianer zu tun hatten, der nur so viel von ihnen erlegte, als er zu seinem und der Seinen Lebensunterhalte bedurfte, nahm ihre Zahl nicht nennenswert ab. Erst als der Weiße erschien, seine Eisenbahnen durch die Prärie fahren ließ und mit seinem weitreichenden Präzisionsgewehr sinnlos Hunderttausende dieser Wildrinder abschoß, um höchstens das zottige Fell zur Bereitung von Leder oder die Zunge als Delikatesse zu verwenden, waren ihre Tage gezählt. Reißend nahm ihre Zahl ab, und die amerikanische Regierung ließ dies ruhig gewähren, mit der unbegreiflichen Begründung, sie könnten den Betrieb der großen Pazifikbahn stören! Von den ungezählten Millionen, die noch bei der Errichtung dieser Bahn lebten, gab es 1889 nur noch etwas über 1000 amerikanische Büffel, welche inzwischen in der Reservation des Yellowstone-Park bis auf wenige Hunderte, die die starke Inzucht zudem bedeutend degenerieren ließ, zusammenschrumpften. Auch diejenigen in den Reservationen von Wichita und Montana schmolzen bis auf wenige Hunderte zusammen. Neuerdings hat sich indessen wieder eine Vermehrung erzielen lassen, so daß rund 1000 in den Vereinigten Staaten und 600 Stück in Kanada vom Menschen gehegt leben. Sie vermehren sich nur langsam, doch ist das Aussterben dieser interessanten Tierart noch nicht so bald zu erwarten. Immerhin sind durch die Ausrottung des wilden Bisons die davon lebenden Indianer, ihrer Nahrungsquelle beraubt, zu Kostgängern des Staates geworden, statt sich wie früher selbst zu ernähren!

Ein Glück ist es, daß viele zoologische Gärten Europas sich amerikanische Büffel anschafften, so lange sie billig zu haben waren. Sie pflanzen sich glücklicherweise auch in der Gefangenschaft leicht fort, so daß noch auf längere Zeit Exemplare dieses gewaltigsten aller Rinderarten als Schaustücke ersten Ranges in unseren Tiergärten zu sehen sein werden. Bereits sind mehrfach Kreuzungen zwischen Bison und Hausrind mit Erfolg vorgenommen worden, in Europa zu wissenschaftlichen Zwecken, in Amerika dagegen anscheinend auch in der Absicht, ein besonders wetterhartes und dabei milchergiebiges Weiderind zu erzielen. Inwieweit diese Hoffnungen sich erfüllen werden, wird die Zukunft lehren.

Nicht so glücklich, in zahlreichen Tiergärten den auf den Aussterbeetat gesetzten nordamerikanischen Bison zu beherbergen, sind wir mit dem europäischen, dem Wisent (Bison europaeus), daran. Dieser ist etwas kleiner wie jener und hat einen weniger gewaltigen Nackenbuckel, ähnelt ihm aber sonst. Er besitzt nur 14, statt wie der amerikanische Bison 15 Rippenpaare. Dazu sind seine Beine höher und schlanker und die Hörner schöner als bei seinem amerikanischen Verwandten ausgebildet, bei beiden Geschlechtern in ziemlich gleicher Entwicklung nach außen oben und schließlich einwärts gekrümmt. Wenn er auch neuerdings immer mehr durch Inzucht an Größe abgenommen hat, so stellt er ein recht stattliches Tier dar, das bei 1,7 m Schulterhöhe und 3 m Länge bis 700 kg schwer wird. Dagegen war ein im Jahre 1555 in Preußen erlegter Wisentstier 7 Fuß hoch, 13 Fuß lang und dabei 19 Zentner 5 Pfund schwer. Merklich kleiner und zierlicher gebaut, auch mit kleinerer Mähne und schwächerem Gehörn als der Stier ist die Wisentkuh.

Bild 13. Oberes Ende eines an der Durchlochungsstelle abgebrochenen Zierstabes aus Renntierhorn aus dem Lagerplatz der Renntier- und Mammutjäger der frühen Nacheiszeit von Laugerie basse mit Köpfen eines männlichen und weiblichen Büffels (Wisent). 1⁄3 natürl. Größe.

Im Sommer und Herbst lebt der Wisent in kleinen Trupps von 15–20 Stück an feuchten Orten des Waldes, gewöhnlich im Dickicht versteckt, nur im Winter zieht er höher gelegenes und trockenes Gehölz vor. Jede einzelne Herde hat ihren festen Standort und kehrt immer wieder dahin zurück. Nur alte Stiere leben, wie auch bei den übrigen Wildrindern, einsam für sich. Am liebsten weiden die Tiere in den Morgen- und Abendstunden, wobei sie verschiedene Gräser, Blätter, Knospen und Baumrinde fressen. Sie schälen gern die Bäume ab, soweit sie reichen können. Ihr Lieblingsbaum scheint die Esche zu sein, deren saftige Rinde sie jeder anderen bevorzugen. Ihr Gang ist ein rascher Schritt, der Lauf ein schwerer, aber schnell fördernder Galopp, wobei der Kopf zu Boden gesenkt, der Schwanz emporgehoben und ausgestreckt wird. Durch Sumpf und Wasser waten und schwimmen sie mit Leichtigkeit. Während jüngere Tiere muntere, lebhafte und verhältnismäßig gutmütige Tiere sind, erscheinen ältere Tiere, zumal Stiere, als ernste, leicht reizbare und jähzornige Wesen, mit denen nicht gut Streit anzufangen ist. Die Brunst fällt auf den August bis September. Während derselben kämpfen die Stiere untereinander um den Besitz der Weibchen. Neun Monate nach der Paarung, im Mai oder Anfang Juni, kalben die Kühe, nachdem sie sich von der Herde abgesondert und in ungestörter Wildnis einen geeigneten Platz aufgesucht haben, wo sie sich und ihr Kalb während der ersten Tage vor den Genossen verbergen. Jetzt sind sie für jedes Wesen, das sich ihnen nähert, gefährlich, indem sie zum Schutze des Jungen ohne Besinnen jeden Gegner angehen. Die Kälber sind anmutige Tiere, die nur sehr langsam wachsen, wahrscheinlich erst im 8. oder 9. Jahre ihre volle Größe erlangt haben und 30–40 Jahre alt werden.

Die ältesten Darstellungen des Wisent, die wir besitzen, rühren von den dieses Wild mit besonderem Eifer jagenden Eiszeitjägern des Solutréen und Magdalénien her. In großer Zahl finden sie sich nicht nur in Umrissen, sondern teilweise auch in bunten, mit den drei Farben: Rot, Braun und Schwarz gemalten Bildern in den nordspanischen und südfranzösischen Höhlen abgebildet. In großer Menge muß dieses Wildrind in der späteren Diluvialzeit neben dem Wildpferd in Europa gelebt haben und war, nach der Menge der von ihm herrührenden Knochen, eines der wichtigsten Beutetiere des Menschen. Auch die alten Germanen jagten es noch häufig und bereiteten aus seinem Gehörn Trinkgefäße, wie dies bis in unsere Tage im Kaukasus, wo sich dieses Wild in die Gegenwart in einigen Herden erhielt, geschieht. So dienten bei einem Gastmahl, daß ein kaukasischer Fürst dem russischen General Rosen zu Ehren gab, 50–70 mit Silber ausgelegte Wisenthörner als Trinkbecher.

Bild 14. Von Jägern der frühen Nacheiszeit in rotbrauner Farbe gemalter Büffel (Wisent) aus der Höhle von Font-de-Gaume in Südfrankreich. (1⁄12 natürl. Größe.)

Die Schriftsteller des Altertums erwähnen mehrfach den Bison. So schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte, wie bereits erwähnt: „Germanien ist durch das Vorhandensein von zwei Arten wilder Rinder merkwürdig, nämlich durch den mit einer Mähne geschmückten Bison (Wisent) und den Ur, der sich durch Kraft und Schnelligkeit auszeichnet.“ Und der griechische Schriftsteller Oppianos spricht um 200 n. Chr. vom Wisent als einem entsetzlichen, in Thrakien lebenden, einem Ochsen ähnlichen Tiere, das eine Mähne wie der Löwe, und spitzige, krumme Hörner habe, mit denen es Menschen und wilde Tiere hoch emporschleudere. Seine Zunge sei sehr rauh, wie eine Feile, so daß sie die Haut durch Lecken aufreißen könne. Ferner sagt der Grieche Pausanias ums Jahr 150 n. Chr., sie seien von allen Tieren am schwersten zu fangen, denn kein Netz sei stark genug, sie zu halten. „Die Jagd auf sie wird demnach auf folgende Weise angestellt: Die Jäger bedecken eine Höhe, vor der sich ein Graben hinzieht, mit frischabgezogenen oder alten, geölten und dadurch schlüpfrig gemachten Häuten. Auf beiden Seiten davon wird ein starker Zaun errichtet. Dann treiben sie zu Pferd die Bisons an diesen Ort, woselbst sie auf den Häuten ausgleiten, sich überschlagen und in den Graben rollen. Dort werden sie binnen vier oder fünf Tagen vor Hunger matt. Will man sie dann etwa zahm machen, so bringt man ihnen Fichtenzapfen, weil sie anfangs kein anderes Futter nehmen. Endlich können sie gebunden und fortgeführt werden. — Der päonische König Dropion hat einen ehernen Bisonkopf nach Delphi geschickt.“

Bild 15. Jagdbild der frühen Nacheiszeit, worauf ein Mann auf allen Vieren kriechend einen ruhig äsenden Büffelbullen anschleicht und im Begriffe steht, einen Wurfspeer gegen ihn zu schleudern. Der die Waffe werfende Arm ist sehr ungeschickt angebracht, wie auch die menschliche Gestalt recht steif wiedergegeben ist, ein Beweis dafür, daß der Zeichner viel größere Übung in der Darstellung von Tieren als von Menschen besaß. Aus dem abri von Laugerie basse in der Dordogne, Südwestfrankreich. (4⁄9 natürl. Größe.)

Im Nibelungenlied wird neben dem Ur der Wisent als Jagdbeute des Helden Siegfried genannt, als er im Wasgenwalde, den Vogesen westlich von Worms, jagte. Zu Karls des Großen Zeit fand er sich noch häufig im Harze und im Sachsenlande. Nach den Benediktionen des Mönches Ekkehard I. muß er im 10. Jahrhundert noch ziemlich häufig auf den Tisch des Klosters St. Gallen gekommen sein. Noch verschiedene Ortsnamen in der Schweiz zeugen von seiner einstigen Anwesenheit in diesem Lande, so z. B. das Dorf Wiesendangen bei Winterthur, das in den ältesten Berichten der Chroniken als Wisonteswangun, d. h. Wisentanger angeführt wird. Gleicherweise haben wir in Süddeutschland Ortsnamen wie Wiesensteig (in mittelalterlichen Urkunden als Wisontessteiga) und Urach d. h. am Flüßchen des Ur. Ums Jahr 1373 lebte er noch ziemlich häufig in Pommern, im 15. Jahrhundert in Preußen, im 16. in Litauen und Polen, wo sich die Könige und Großen seine Erhaltung angelegen sein ließen, indem sie ihn, dort Zubr genannt, in besondern Wildparks hielten und nur selten einige Stücke einfingen, um sie als Geschenke an fremde Höfe zu benutzen. Eine allgemeine Seuche vernichtete am Anfang des 18. Jahrhunderts den größten Teil dieser Herden. In Ostpreußen wurde das letzte Exemplar zwischen Tilsit und Labiau im Jahre 1755 von einem Wilddieb erlegt. Die letzte Herde von einigen hundert Stück lebt, vom russischen Kaiser sorgfältig gehegt, in dem 200 qkm großen unberührten Forste von Bjelowjesha im russisch-litauischen Bezirke Grodno. Von dort wurden von den früheren Kaisern, zuletzt von Alexander II., einige Paare an zoologische Gärten, meist nach Deutschland, abgegeben, wo sie sich leicht fortpflanzen. So besitzt der Berliner zoologische Garten einige Stück, und auch dem Fürsten Pleß gelang es, in seinem oberschlesischen Reviere Meserzitz einen kleinen Bestand heranzuhegen, so daß sogar auf den deutschen Geweihausstellungen noch ausgestopfte Wisentköpfe und Schädel erscheinen. Außerdem schweifen nach Dr. Heck im Kaukasus noch einige vereinzelte Wisenttrupps umher; doch wandern sie so unstet, daß man sie in den letzten Jahren nicht mehr sah. Das Schicksal dieses Tieres ist auch im Forste von Bjelowjesha besiegelt; denn der Petersburger Säugetierforscher Büchner ist auf Grund eingehender Studien zum fatalen Ergebnisse gekommen, daß diese Tierart langsam, aber sicher, ihrem Erlöschen entgegengeht, nachdem ihr Vorkommen einmal so zerstreut und vereinzelt geworden ist, daß die Entartung infolge der Inzucht (Kleinheit der Tiere, Unfruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts und Schwächlichkeit der Jungen) sich notwendigerweise immer stärker geltend machen muß. Dann wird Europa sein stolzestes Wild verloren haben, ohne daß ihm die Möglichkeit geboten war, der Domestikation durch den Menschen unterworfen worden zu sein.

Vom Menschen dagegen gezähmt und zu einem außerordentlich nützlichen Haustiere erhoben wurde der Yak oder Grunzochse (Bos grunniens), der seiner kalten Heimat gemäß durch eine lange Behaarung, besonders am Bauche, die ihm beim Ruhen gleichsam als wärmendes Bett dient, ausgezeichnet ist. Von allen Rindern unterscheidet er sich auch dadurch, daß er einen vollständig gleichmäßig langbehaarten Schweif wie ein Pferd hat. Er bewohnt die Hochländer Tibets zwischen 4000 und 6000 m und vermag dank seines langen, dichten, schwarzen Haarkleides die rasenden Schneestürme seiner unwirtlichen Heimat zu überstehen. In alten Männchen wird er 4,25 m lang bei einer Höhe von 1,9 m und einem Gewicht von 600 kg, während alte Kühe kaum über 2,8 m Länge bei 1,6 m Höhe erreichen. Die Kühe bilden im Sommer, wenn sie in die grasigen Niederungen steigen, Herden von 10 bis 100 Stück, die von Männchen angeführt werden. Deren Mitglieder fressen zur Nachtzeit und am frühen Morgen, ziehen sich aber am Tage meist auf eine steile, öde Berglehne zurück, wo sie wiederkäuend viele Stunden ruhen. Alte Stiere, die meist einzeln oder nur in kleinen Gesellschaften von 3 bis 4 Stück angetroffen werden, lieben Ruheplätze mit weiter Umschau, um sich beizeiten vor Feinden zurückziehen zu können. Nur alle zwei Jahre bekommt die Kuh, neun Monate nach der Paarung, ein Kalb, das sie über ein Jahr lang säugt. Erst im 6. oder 8. Jahre ist es erwachsen und erreicht ein Alter von 25 Jahren.

Mit außerordentlicher Sicherheit bewegt sich der Yak auf dem schwierigsten Terrain, strauchelt, obschon schwer gebaut, nie und arbeitet sich mit großer Gewandtheit durch tiefe Schneemassen hindurch, wobei er den Kopf gleichsam als Schneepflug benützt. Seine Intelligenz ist nur schwach entwickelt. Verwundet nimmt er ungescheut den Jäger an und wird ihm mit seinen 80–90 cm langen Hörnern sehr gefährlich. Deshalb fürchten ihn die Tibeter gleich einem Ungeheuer, gehen ihm gern aus dem Wege und feuern, wenn sie sich wirklich zur Jagd auf ihn entschließen, nur aus sicherem Verstecke und gemeinschaftlich, ihrer 8–12. Sein Fleisch wird vom Engländer Kinloch als saftig und ausgezeichnet gerühmt; Zunge und Markknochen desselben bezeichnet er geradezu als Leckerbissen. Aber mehr noch als das Wildbret schätzt man in seiner baumlosen Heimat den Mist des Yaks, der getrocknet den einzigen in jenen kahlen Höhen zur Verfügung stehenden Brennstoff darstellt.

Die früheste Erwähnung des Yaks treffen wir bei dem zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebenden Claudius Älianus an, der in seinem Werk über die Tiere sagt, daß die Inder ihren Königen nebst andern Tieren auch wilde Rinder darbringen, welche schwarz sind, aber weiße Schwänze haben, die zu Fliegenwedeln dienen. Tatsächlich bilden die Yakschwänze die von altersher vielberühmten Kriegszeichen der „Roßschweife“, die die Türken bis vor Wien trugen, und heute noch eine kostbare Trophäe sind, mit der sich besonders türkische Würdenträger zieren. Man stellt daraus außer Standarten besonders auch Pferdeschmuck her. Der römische Dichter Martial berichtet, daß die vornehmen römischen Damen unter Kaiser Domitian, dem zweiten Sohne Vespasians, der nach seines Bruders Titus’ Tode von 81 bis 96 n. Chr. regierte, daraus hergestellte äußerst kostbare Fliegenwedel benutzten. Damals wußte man noch, daß diese Haare vom Schwanze einer asiatischen Rinderart stammen, eine Kunde, die sich später völlig verlor.

Wann der Yak gezähmt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Es muß dies aber schon vor längerer Zeit geschehen sein, da wie bei so vielen andern Haustieren sich bei ihm infolge Einwirkung der Domestikation bereits ein weitgehender Leucismus entwickelt hat, so daß rein schwarze zahme Yaks sehr selten geworden sind. Gewöhnlich zeigen auch diejenigen, welche den wilden am meisten ähneln, weiße Stellen. Meist sind sie ganz weiß, vielfach auch hornlos; außerdem trifft man braune, rote und gescheckte an. Der gezähmte Yak ist durchgehends kleiner als der wilde. Man hat schon durch Kreuzung mit andern Rinderarten mehrere Rassen von Bastarden gezüchtet. Hier und da sind die zahmen Yaks wieder verwildert und haben dann ihre schwarze Urfärbung wieder angenommen. Auch die zahmen Herden gedeihen nur in kalten, hochgelegenen Gebirgsteilen und gehen bei großer Wärme zugrunde, ertragen dagegen Kälte mit Gleichmut.

In Tibet und der Mongolei weiden die Yakherden fast ohne jede Aufsicht; den ganzen Tag tummeln sie sich auf den Weideplätzen umher und werden nur über Nacht zu den Zelten ihrer Besitzer getrieben. Selbst gezähmt behält der Yak stets einen gewissen Grad von Wildheit, der sich vornehmlich durch Angriffslust gegen Fremde äußert. Gegen seine Bekannten benimmt er sich ziemlich freundschaftlich, läßt sich berühren, reinigen und vermittelst eines durch seine Nase gezogenen Ringes an einem Stricke leiten. Er dient hauptsächlich als Lasttier, daneben aber auch vielfach als Reittier. Über die unwegsamsten Pässe der Hochgebirge trägt er Lasten von 120–150 kg und vermittelt den Verkehr zwischen Tibet und China, der Mongolei und Nordindien. Nur auf sehr klippenreichen Pfaden ist er als Lasttier nicht zu gebrauchen, da dann seine schwere Last ihn hindert, über höhere Felsen zu springen. Im Westen reicht das Verbreitungsgebiet des gezähmten Yaks bis zur Bucharei, im Nordosten bis in die Mongolei und zu den nordöstlichen Nebenflüssen des Yang-tse-kiang. Auch in Südostsibirien werden vereinzelte Yaks gehalten. Als Gebirgstier fühlt es sich in Höhen unter 2000 m nur wenig behaglich; sonst gedeiht es auch ohne jegliche Pflege und ist äußerst genügsam. Die außerordentlich fette Milch gilt als sehr wohlschmeckend und ist überaus gesucht. Um den Milchertrag zu vermehren, hat man ihn mit dem Hausrind von Zebuabstammung gekreuzt. Solche Kreuzungsprodukte sollen am Südabhange des Himalaja zahlreich vorkommen und fruchtbar sein; dagegen scheinen die aus denselben wirtschaftlichen Gründen gezüchteten Bastarde mit dem Primigeniusrind Sibiriens unfruchtbar zu sein. Außer Milch und Fleisch werden auch die langen Haare verwertet, indem man sie zu groben Geweben verarbeitet. Sehr geschätzt sind die Schwanzhaare wie bei den Türkvölkern, so auch in China, wo sie zu mannigfachem Putz Verwendung finden. Der Yak ist schon so lange domestiziert, daß es bei ihm außer gefleckten und leucistischen sogar hornlose Rassen gibt.

Erst spät ist dieses Haustier der innerasiatischen Hochländer in Europa näher bekannt geworden. Die ersten Yaks, zwölf an der Zahl, die nach Europa gelangten, erhielt im Frühjahr 1854 die Ménagerie du Musée d’histoire naturelle in Paris. Da sie sich gut akklimatisierten und auch Nachkommen erzeugten, erhielten von Paris aus zahlreiche Tiergärten dieses Schaustück, das sich in unserm Klima besser hielt, als man hoffen durfte. Gleichwohl war die einst gehegte Hoffnung aussichtlos, den Yak als wertvolles und leistungsfähiges Haustier in unsern Gebirgsgegenden einzubürgern; denn hier liegen die Verhältnisse anders als in seinem Stammlande. Unsere Alpen und höheren Gebirge werden durch Rinder und Ziegen hinreichend ausgenutzt und der Verkehr mit Saumtieren ist mit der Entwicklung besserer Verkehrsmittel wesentlich eingeschränkt, so daß die Einführung des Yaks vom Standpunkte des Nutzens aus ganz zwecklos ist. Anders verhält es sich, wenn wir ihn als Luxustier in den von Fremden stark besuchten Gegenden einführen wollten, zumal ja die Tierwelt des Gebirges zum Bedauern jedes Freundes der Natur mehr und mehr verarmt. Da wären diese wie Gemsen kletternden Tiere eine prächtige Staffage und könnten noch als Last- und Reittiere Verwendung finden. Gar mancher Fremde fände es wohl ganz nett, einmal einen Yak statt eines prosaischen Maultiers zu besteigen, um sich in verkehrsarmen Gegenden in die hehre Bergwelt hinauftransportieren zu lassen. Wer weiß, vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, da ein unternehmender Hotelier auf den Gedanken verfällt und damit ein neues Zugmittel für das nach allem Neuen begierigen Publikum beschafft, das sich in der Folge weitgehender Beliebtheit erfreuen dürfte. Schon im Jahre 1850 versuchte man ihn in der Auvergne anzusiedeln; doch hielt er sich hier nicht auf die Dauer, weil der betreffende Privatunternehmer bald das Interesse an dieser Zucht verlor.

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