Erst längere Zeit nach dem ostafrikanischen Wildesel ist irgendwo in Zentralasien das flüchtige Wildpferd (Equus caballus) vom Menschen gezähmt und zunächst als ausschließliches Werkzeug des Krieges benützt worden. Einst hat es nicht nur in Asien, sondern überall auch in Europa Wildpferde gegeben. Wie der nordamerikanische Bison die ausgedehnten Prärien und der europäische Wisent den Wald bewohnte, so war offenbar auch das europäische Wildpferd in frühgeschichtlicher Zeit mehr ein Waldtier, während es von Rußland an ein ausgesprochenes Steppentier wie einst in der Diluvialzeit geblieben war. In verschiedenen Epochen der Eiszeit hat neben dem Wildbüffel das Wildpferd das wichtigste Nahrungstier des Menschen gebildet, dessen Knochen sich an manchen einstigen Lagerplätzen des Diluvialmenschen zu mächtigen Abfallhaufen auftürmten. So findet sich an der Fundstelle von Solutré bei Mâcon nördlich von Lyon im Rhonetal eine gegen 4000 qm bedeckende Schicht von 0,5–2,3 m Mächtigkeit, bestehend fast ausschließlich aus Knochen des diluvialen Wildpferdes, das damals in zahlreichen Herden das Rhonetal bewohnt haben muß und trotz seiner Flüchtigkeit dem primitiven Jäger zahlreich zur Beute fiel. Die Gesamtzahl der auf jenem einzigen Platze einst vom Eiszeitmenschen verspeisten Wildpferde schätzt Toussaint auf wenigstens 40000, andere auf etwa 100000, meist vier- bis siebenjährige, also im besten Fleischzustand erbeutete Tiere. Dieses heute in Europa ausgestorbene diluviale Wildpferd, von dem sich auch mehrfach treffliche Zeichnungen von der Hand des Eiszeitjägers der jüngsten Phase der älteren Steinzeit an den Höhlenwänden, auf Steinplatten und auf allerlei Knochenstücken erhielten, besaß einen größeren Kopf, stärkere Zähne und kräftigere Kiefer als das heute lebende Pferd, war aber, wie man an einem aus Bruchstücken zusammengesetzten Skelett im Naturhistorischen Museum in Lyon sehen kann, ziemlich groß und schlank gebaut. Auch die Fundstelle von La Micoque im Vézèretal unweit von Laugerie haute birgt eine gewaltige Menge von Knochen dieses Tieres, dessen Röhrenknochen stets aufgeschlagen wurden, um das Markfett, nach dem jene Leute sehr lüstern waren, noch lebenswarm auszusaugen.
Bild 24. Darstellung von Wildpferden auf einem Zierstab der Magdalénienjäger Südfrankreichs aus Renntierhorn.
Bild 25. Darstellung eines Wildpferdes — meist als Steppenesel aufgefaßt — mit übertrieben langem Körper und allzu kleinem Kopf aus dem Keßlerloch bei Thaingen. (Nach Photogramm von Dr. Nüesch.)
In späterer Zeit ist das Wildpferd infolge der fortgesetzten Verfolgungen zunächst in Süd- und Mitteleuropa immer seltener geworden, wenn auch noch der Römer Varro aus der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts schreibt: „In mehreren Gegenden des westlichen Spanien gibt es wilde Pferde.“ Im Speisezettel der Neolithiker hat es keine nennenswerte Rolle mehr gespielt, wenn es auch noch hier und da erlegt wurde. Nur in Nordeuropa gab es noch lange Zeit in entlegenen Waldgebieten, wo sie vor Ausrottung von seiten des Menschen geschützt waren, solche. Dies war auch in Schweden der Fall, wo Sjörgren im November 1900 bei Ingelstad einen Pferdeschädel aus der jüngeren Steinzeit fand, in dem noch, wie auf den Abbildungen 28 und 29 zu sehen ist, die abgebrochene Klinge eines Steinmessers steckte. Das Alter des Pferdes dürfte auf zwei Jahre anzuschlagen sein, und, da man ein so junges Tier, wäre es gezähmt gewesen, gewiß nicht als Opfer vermutlich an den Kriegsgott geschlachtet hätte, so läßt dies auf eine Wildform schließen. Von Schriftstellern des Altertums schreibt der ältere Plinius, wohl auf verbürgte Nachrichten gestützt: „Im Norden findet man Herden von wilden Pferden.“ Auch Strabon berichtet, daß in den Alpen, wie wilde Stiere, so auch wilde Pferde lebten. Vermutlich stammten die 30 wilden Pferde, die nach Julius Capitolinus der Kaiser Gordianus für die Jagdspiele im Circus maximus nach Rom schaffen ließ, von dort oder aus Spanien. Später meldet Venantius Fortunatus, daß in den Ardennen oder Vogesen neben dem Bären, Hirsch und Eber auch wilde Pferde gejagt wurden. Der langobardische Geschichtschreiber Paulus Diaconus im 9. Jahrhundert v. Chr. sagt, daß es den Bewohnern Italiens ein Wunder gewesen sei, als sie unter dem Könige Agilulf dorthin gebrachte „Waldpferde“ und Wisente sahen. Am längsten gab es diese Tiere weiter nördlich in Deutschland, das noch von ausgedehnten Waldungen bedeckt war, in denen diese Tiere eine Zuflucht fanden. So aßen nach Hieronymus die deutschen Volksstämme der Quaden und Vandalen, wie auch die weiter östlich wohnenden Sarmaten das Fleisch wilder Pferde, das ihnen dann die christlichen Priester bei der Einführung des Christentums strengstens untersagten. Der Apostel der Deutschen, der heilige Winfried oder Bonifacius, der den 5. Juni 755 bei Dokkum in Friesland den Märtyrertod starb, scheint dies in manchen Fällen noch gestattet zu haben; da aber solche Mahlzeiten stets mit heidnischen Opfern an den Gott Wodan verbunden waren, so verbot der Papst in Rom bald solche Abgötterei. Schon Papst Gregor III. schrieb um 732 an Bonifacius: „Du hast einigen erlaubt, das Fleisch von wilden Pferden zu essen, den meisten auch das von zahmen. Von nun an, heiligster Bruder, gestatte dies auf keine Weise mehr.“
Bild 26. Darstellung eines Wildpferdes aus diluvialer Zeit in der Höhle von La Mouthe in der Dordogne. (Nach Emile Rivière.)
In den Benediktionen oder Segenssprüchen zu den beim gemeinsamen Mahle aufgetragenen Speisen des Mönches Ekkehard IV., magister scholarum ums Jahr 1000, ist auch von wilden Pferden die Rede, die gelegentlich im waldigen Gürtel um die Einöde des Klosters St. Gallen erlegt wurden und deren ausdrücklich als „süß“ bezeichnetes Fleisch dann auf die Klostertafel gelangte. Vielleicht ist der „grimme Schelch“ des Nibelungenliedes, den Siegfried im Wasgenwald erlegte, ein Wildpferdhengst (mit beschälen zusammenhängend) gewesen. In der Weingartner Liederhandschrift spricht Winsbeke in Strophe 46 die Erfahrung aus: „Ein Füllen in einer wilden Herde Pferde wird, eingefangen, eher zahm, als daß ein ungeratener Mensch in seinem Innern Scham empfinden lerne.“ Im Sachsenspiegel bestimmt eine Glosse, daß bei der Zuweisung der fahrenden Habe einer Frau wilde Pferde, die man nicht immer in Hut behalte, nicht zu rechnen seien. In einer westfälischen Urkunde vom Jahre 1316 wird einem gewissen Hermann die Fischerei im ganzen Walde und die wilden Pferde samt der Jagd in jenem Wildforst zugeteilt. 1316 kamen im Münsterschen wilde Pferde vor, die dem zustanden, der den Wildbann inne hatte. Noch ums Jahr 1593 lebten im entlegenen Gebirgsteile der Vogesen wilde Pferde, wie der Elsässer Helisäus Rößlin schreibt. „Diese Wildpferde sind in ihrer Art viel wilder und scheuer, dann in vielen Landen die Hirsch, auch viel schwerer und mühsamlicher zu fangen, ebensowohl in Garnen als die Hirsch, so sie aber zahm gemachet, das doch mit viel Müh und Arbeit geschehen muß, sind es die allerbesten Pferde, spanischen und türkischen Pferden gleich, in vielen Stücken ihnen aber fürgehen und härter seind, dieweil sie sonderlich der Kälte gewohnet und rauhes Futter, im Gang aber und in den Füßen fest, sicher und gewiß seind, weil der Berg und Felsen, gleich wie die Gemsen, gewohnet.“ Diese Wildpferde der Vogesen müssen noch bis ins 17. Jahrhundert gelebt haben; denn wir erfahren, daß 1616 drei Wildpferdschützen von der Stadt Kaiserslautern angestellt wurden, um die Felder der Bürgerschaft vor Schaden durch jene zu bewahren.
Noch viel länger als hier hielt sich das Wildpferd in den ausgedehnten Waldgebieten von Norddeutschland, Polen und Rußland. So kamen nach Erasmus Stella noch im Anfang des 16. Jahrhunderts wilde Pferde in Preußen vor. Das Land der Pommern wird zur Zeit des Bischofs Otto von Bamberg in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts als reich an Wild aller Art, auch Wildpferden und Wisenten, angegeben. Im Jahre 1132 brachte der Herzog Sobieslaus von Böhmen von einem Feldzuge nach Schlesien eine Anzahl wilder Pferde heim. Nach Töppen jagte man zur Zeit der Deutschordensritter wilde Pferde wie anderes Wild vornehmlich um ihrer Häute willen. Noch Herzog Albrecht erließ um 1543 ein Mandat an den Hauptmann zu Lyck, in welchem er ihm befahl, für die Erhaltung der „wilden Rosse“ zu sorgen. Auch für Polen und Litauen gehen die Hinweisungen auf das Pferd als Jagdtier bis tief ins 17. Jahrhundert hinauf. Für Rußland haben wir einen Bericht von Wladimir Monomach, dem von 1053–1125 lebenden Fürsten von Tschernigow, der in seiner für die Söhne verfaßten Lebensbeschreibung von sich selbst erzählt: „Aber in Tschernigow tat ich dies: ich fing und fesselte eigenhändig 10–20 wilde Pferde lebendig, und als ich längs des Flusses Roßj ritt, fing ich mit den Händen ebensolche wilde Pferde.“
Diese herrenlosen wilden Pferde sind nicht mit den noch lange in Europa gehaltenen „wilden Gestüten“ zu verwechseln, die ihre Besitzer hatten und nicht abgeschossen werden durften. Diese halbwilden Pferde lebten das ganze Jahr über im Freien, ohne daß sie sich einer irgend nennenswerten Fürsorge zu erfreuen gehabt hätten. Das letzte dieser wilden Gestüte bestand in Deutschland im Duisburger Walde und wurde erst von Napoleon I. aufgelöst.
Wenn nun auch Europa keine wilden Pferde mehr besitzt, so leben doch in den weiten Steppen Südrußlands verwilderte Pferde, die alle Eigenschaften wilder Tiere aufweisen und von Tataren und Kosaken auch als solche angesehen werden. Es sind dies die Tarpane, kleine Pferde mit dünnen, aber kräftigen Beinen, ziemlich langem und dünnem Halse, verhältnismäßig dickem Kopfe, spitzigen, nach vorwärts geneigten Ohren und kleinen, lebhaften Augen. Ihre Behaarung ist im Sommer kurz, gelbbraun, im Winter lang, heller bis fast weiß, wobei sich am Kinn eine Art Bart bildet. Die kurze, dichte, gekräuselte Mähne und der mittellange Schwanz sehen dunkler aus als der Körper. Schecken kommen niemals, Rappen nur sehr selten vor. Sie bewohnen in größeren Herden die ungeheure Steppe und wandern von Ort zu Ort, indem sie außerordentlich aufmerksam mit weit geöffneten Nüstern und gespitzten Ohren sichern und so beizeiten jeder Gefahr zu entgehen wissen. Die Herde zerfällt in kleinere Gesellschaften von Stuten und Fohlen, die von einem Hengste beherrscht und geführt werden. Er sorgt für deren Sicherheit und treibt sie bei der geringsten Gefahr zu wilder Flucht an. Gegen hungrig umherschleichende Wölfe geht er mutig wiehernd vor und schlägt sie mit seinen Vorderhufen zu Boden. Der Tarpan ist schwer zu zähmen. Seine Wildheit und Stärke spotten sogar der Künste der pferdekundigen Mongolen. Er schadet den pferdehaltenden Völkern durch Wegführen der freiweidenden Stuten und wird deshalb mit Eifer verfolgt.
Tafel 35.
Assyrische Darstellung einer Jagd auf Onager (nach Keller auf Przewalskis Wildpferd) am Palast des Assurbanipal in Kujundschik, etwa 668 v. Chr.
(Nach Keller, Die Abstammung der ältesten Haustiere.)
(Copyright by M. Koch, Berlin.)
Przewalskis Wildpferd.
Tafel 36.
Der Assyrerkönig Assurbanipal (668–626 v. Chr.) in einem von drei Pferden gezogenen Streitwagen auf der Löwenjagd. (Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)
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Dieselben Charaktereigenschaften zeigen auch die anderswo, namentlich in Argentinien verwilderten Pferde, die als Cimarrones in großen Herden die Pampas bewohnen. Nach Azara sollen sie von fünf bis acht bei der Aufgabe der 1535 gegründeten Stadt Buenos Aires zurückgebliebenen und sich selbst überlassenen Hauspferden stammen. Als im Jahre 1580 derselbe Platz wieder besiedelt wurde, fand man bereits eine Menge verwilderter Pferde vor, die aus diesen zurückgelassenen hervorgegangen waren. Dies ist der Ursprung der unzählbaren Pferdescharen, die sich in der Folge am Rio de la Plata (dem Silberstrom) herrenlos umhertrieben und von denen jeder nach Belieben einfangen und für sich gebrauchen konnte. Die Indianer der Pampas machen Jagd auf sie, um ihr Fleisch zu essen. Sie fangen auch manche, um sie zu zähmen und als Reittiere zu gebrauchen, wie sie es den Weißen absahen. Die Spanier jedoch machen kaum mehr Gebrauch von ihnen. Höchst selten fängt man einen Wildling, um ihn zu zähmen. Die in Paraguay vorkommenden Pferde sind zwar nicht herrenlos, leben aber beinahe so frei wie diese, indem sie ebenfalls das ganze Jahr unter freiem Himmel zubringen. Alle acht Tage treibt man sie zusammen, damit sie sich nicht versprengen, untersucht ihre Wunden, bestreicht sie mit Lehm und schneidet ihnen alle drei Jahre die Mähne und den Schwanz ab, um das Roßhaar zu verkaufen. An Veredelung derselben denkt niemand.
Rengger schreibt über sie: „Gewöhnlich leben die Pferde truppweise in einem bestimmten Gebiet, an welches sie von Jugend auf gewöhnt worden sind. Jedem Hengste gibt man 12–18 Stuten, welche er zusammenhält und gegen fremde Hengste verteidigt. Die Füllen leben mit ihren Müttern bis ins dritte oder vierte Jahr. Diese zeigen für jene, solange sie noch saugen, große Anhänglichkeit und verteidigen sie zuweilen sogar gegen den Jaguar. Wenn die Pferde etwas über zwei oder drei Jahre alt sind, wählt man unter den jungen Hengsten einen aus, teilt ihm junge Stuten zu und gewöhnt ihn mit denselben in einem besonderen Gebiete zu weiden. Alle Pferde, die zu einem Trupp gehören, mischen sich nie unter andere und halten so fest zusammen, daß es schwer hält, ein weidendes Tier von den übrigen zu trennen. Werden sie miteinander vermengt, z. B. beim Zusammentreiben aller Pferde einer Meierei, so finden sie sich nachher gleich wieder auf. Die Tiere zeigen übrigens nicht allein für ihre Gefährten, sondern auch für ihre Weiden große Anhänglichkeit. Ich habe welche gesehen, die aus einer Entfernung von 80 Stunden auf die altgewohnten Plätze zurückgekehrt waren. Um so sonderbarer ist die Erscheinung, daß zuweilen die Pferde ganzer Gegenden aufbrechen und entweder einzeln oder haufenweise davonrennen. Dies geschieht hauptsächlich, wenn nach trockener Witterung plötzlich starker Regen fällt, und wahrscheinlich aus Furcht vor dem Hagel, welcher nicht selten das erste Gewitter begleitet.
Die Sinne dieser fast wild lebenden Tiere scheinen schärfer zu sein als die europäischer Pferde. Ihr Gehör ist äußerst fein; bei Nacht verraten sie durch Bewegungen der Ohren, daß sie das leiseste, dem Reiter vollkommen unhörbare Geräusch vernommen haben. Ihr Gesicht ist, wie bei allen Pferden, ziemlich schwach; aber sie erlangen durch ihr Freileben große Übung, die Gegenstände aus bedeutender Entfernung zu unterscheiden. Vermittelst ihres Geruchsinnes machen sie sich mit ihrer Umgebung bekannt. Sie beriechen alles, was ihnen fremd erscheint. Durch diesen Sinn lernen sie ihren Reiter, das Reitzeug, den Schuppen, in dem sie gesattelt werden, usw. kennen, durch ihn wissen sie in sumpfigen Gegenden die bodenlosen Stellen auszumitteln, durch ihn finden sie in dunkler Nacht oder bei dichtem Nebel den Weg nach ihrem Wohnorte oder nach ihrer Weide. Gute Pferde beriechen ihren Reiter im Augenblicke, wenn er aufsteigt, und ich habe solche gesehen, welche denselben gar nicht aufsteigen ließen oder sich seiner Leitung widersetzten, wenn er nicht einen Poncho oder Mantel mit sich führte, wie ihn die Landleute, welche die Pferde bändigen und zureiten, immer tragen. Auf größere Entfernung hin wittern sie freilich nicht. Ich habe selten ein Pferd gesehen, welches einen Jaguar auf 50 Schritte gewittert hätte. Sie machen daher in den bewohnten Gegenden von Paraguay die häufigste Beute dieses Raubtieres aus.“
Das Leben der verwilderten Pferde in den weiter nach Norden hin gelegenen Llanos hat Alexander von Humboldt aus eigener Anschauung meisterhaft geschildert. Diese Herden werden viel von den Indianern nicht nur des Fleisches und der Häute wegen verfolgt, sondern auch um sie zu fangen und als Reittiere zu verwenden. Dabei quälen sie die mit dem Lasso eingefangenen jungen Tiere so lange, bis sie durch Hunger und Durst klein beigeben und den Menschen aufsitzen lassen. Überall ist bei den Rothäuten der Pferdediebstahl ein für ehrenvoll angesehener Beruf, dem sie sich mit Eifer hingeben.
Bau und Eigenart des Pferdes weisen auf die weite Steppe als die ursprüngliche Heimat dieses Schnelläufers hin. Und zwar hat nicht sowohl das Fluchtvermögen vor etwaigen Feinden, als die Notwendigkeit, in Trockenzeiten weite Strecken von einem nicht ausgetrockneten Tümpel zum andern zurücklegen zu müssen, wie bei den Wildeseln auch beim Wildpferd aus der ursprünglich vorhandenen Fünfzehigkeit die Stelzenfüßigkeit eines einzigen, des mittleren Zehens bewirkt. Diese Einhufer sind die Endglieder einer einseitigen Entwicklung zur Erlangung möglichst großer Schnelligkeit. So ist auch das einzige heute noch lebende Wildpferd im eigentlichen Sinne des Wortes — und nicht nur ein verwildertes Pferd — das von dem russischen Reisenden Przewalski 1879 in Innerasien entdeckte Przewalskische Pferd. Während seines Aufenthaltes im Militärposten von Saisan erhielt er das Fell und den Schädel eines wilden Pferdes, das die Kirgisen in der Sandwüste Kanabo erlegt hatten. Das Exemplar gelangte in den Besitz des Museums der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg und wurde von Poljakow unter dem Namen Equus przewalski als neue Art beschrieben. Alles deutet mit Sicherheit darauf hin, daß wir es hier mit einer echten Wildform und nicht wie beim Tarpan mit einem verwilderten Hauspferd zu tun haben. Dieses Wildpferd haben seither auch andere europäische Reisende in der Dsungarei, d. h. den Wüsten zwischen Altai und Tianschangebirge, beobachtet und teilweise in lebenden jungen Exemplaren nach Europa gebracht. So vermochte Büchner 1899 zehn Fohlen, die von säugenden zahmen Mongolenstuten genährt wurden, mit ihren Pflegemüttern nach Südrußland zu bringen, wo sie im großen Wildpark von Falz-Fein in Askania nova akklimatisiert wurden. Später hat dann der unternehmende Tierhändler Karl Hagenbeck in Stellingen bei Hamburg ebenfalls durch eine eigene, sehr kostspielige Expedition über ein Dutzend Wildpferdfohlen aus der Dsungarei zu holen vermocht, um damit in Deutschland vielversprechende Zuchtversuche zu machen.
Das Przewalskische Pferd — von den Kirgisen Kertag, von den Mongolen Taki genannt — lebt in Herden von 5–15 Stück unter Anführung eines alten Hengstes. Seine Statur ist klein, fast ponyartig; es ist mit einem zottigen Haarpelz von hellgraubrauner Farbe bedeckt, das an den Beinen vom Knie an bis zu den Hufen dunkler wird. Die Ohren sind kurz, die dunkle Mähne ist im Gegensatz zu demjenigen des domestizierten Pferdes aufgerichtet, ferner fehlt ein Stirnschopf und die Schweifwurzel ist kürzer behaart. Übrigens besteht die kurze Mähne aus zweierlei Haar, einem äußeren paarigen Streifen von graubrauner Farbe an jeder Seite und einem mittleren schwarzen, der sich als sogenannter Aalstreifen über den Rücken fortsetzt. Ebenso ist der Schweif zweifarbig. Der kürzer behaarte Teil, die Schweifwurzel, ist graubraun wie der Körper, der übrige Teil des Schweifes aber schwarz gefärbt. Eine solche Färbungsverschiedenheit von Mähne und Schweif findet sich als Rückschlag in einen früheren Zustand nur ganz selten bei Hauspferden.
Dieses Wildpferd hat offenbar schon der durch Sibirien reisende Deutsch-Russe Pallas gekannt. Er beschrieb es unter dem Namen Equus equiferus. Der Russe Tscherski, der neuerdings eine genaue Untersuchung des von Przewalski aufgebrachten Originalschädels vornahm, betonte, daß man es hier mit einem den echten Pferden zugehörenden Tier zu tun hat. Der Hirnteil erreicht eine Breite, die über dem Mittel der Vertreter orientalischer Pferde steht, die Stirnknochen erscheinen flach und die Nasenbeine verschmälern sich langsam nach vorn, also nicht plötzlich wie beim Esel. Der Schädel steht seinem ganzen Bau nach demjenigen des russischen Pferdes am nächsten. Seither hat auch Tichomiroff durch erneuerte Untersuchungen festgestellt, daß dieses zweifellos wilde und nicht nur verwilderte Pferd, das früher wohl weit über Innerasien verbreitet war, tatsächlich dem Hauspferd sehr nahesteht. Wir haben in ihm die Stammquelle der zuerst domestizierten asiatischen Pferde zu erblicken.
Zweifellos ist irgendwo in Zentralasien, vermutlich von einem turanischen Volke, ein dem Przewalskischen nahestehendes Wildpferd, jung eingefangen und gezähmt, zum Gehilfen des Menschen erhoben und an seine Gegenwart gewöhnt worden. Von den weiten Ebenen Turans kam es zu Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends nach dem Berglande Iran und von da nach Mesopotamien, wo es kennzeichnenderweise den Namen „Esel des Ostens“ oder „Esel des Berglandes“ erhielt. Da dort der Onager als Wildling heimisch und zudem der Esel als Haustier bekannt war, benannte man diesen Verwandten einfach nach ihm mit einem unterscheidenden Beinamen. Wie in Babylonien war es um 2000 v. Chr. auch in Indien bekannt. Auch in China ist seine Einfuhr eine sehr alte; wenigstens verwendete man es nach den Angaben des Schuking schon etwa 2000 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung.
Als vornehmstes Werkzeug des Krieges wurde es im Zweistromland bei den kriegerischen Assyriern, nach der Fülle der auf uns gekommenen Pferdedarstellungen zu schließen, in großer Menge gezogen. Meist begegnet uns auf den altassyrischen Monumenten ein langschweifiges Pferd, daneben eine andere Rasse mit kurzem Schweif und nackter Rübe. Außer zum Reiten diente es vornehmlich zum Ziehen des zweiräderigen Kriegswagens, auf welchem fechtend die Schwerbewaffneten in den Kampf zogen. Außer dem mächtigen König von Assur benutzten auch seine Generale und Unterführer den von einem Wagenlenker geleiteten Kriegswagen bei ihren Feldzügen. Offenbar war der zweiräderige Wagen bei den Assyriern viel populärer als das Reiten auf dem Pferde, ohne Bügel, nur auf einer Decke sitzend.
Im alten Reiche Ägyptens war das Pferd völlig unbekannt; als Last- und Arbeitstier wurde damals ausschließlich der Esel gehalten. Nicht anders war es noch im Mittleren Reich (2160–1788 v. Chr.). Erst im 17. Jahrhundert, um 1680 v. Chr., scheinen die Hyksos — oder Schasu(beduinen), wie sie von den Ägyptern genannt werden — das Pferd aus Westasien, wo es überall Eingang gefunden hatte, nach dem bis dahin ziemlich abgeschlossenen Niltal gebracht zu haben. Hier bürgerte es sich rasch ein und erscheint dann von der 18. Dynastie an (1580–1350 v. Chr.) unter den Tutmosis und Amenophis, dann namentlich in der 19. Dynastie (1350–1205 v. Chr.) unter den Ramses und Sethos als hochgeschätztes Haustier, dem von den Großen sorgfältige Pflege angediehen lassen wurde. Mit dem asiatischen Kriegswagen wurde das Tier, nach asiatischer Weise daran angespannt, zum Ziehen desselben verwendet. Die ägyptische Bezeichnung sus für Pferd ist ein semitisches Wort und die ägyptische Benennung des Streitwagens ist ebensosehr semitisch und dem Hebräischen fast vollständig gleich. Nach den spärlichen Stellen im Alten Testament, da vom Pferde und von dem von ihm gezogenen Kriegswagen die Rede ist, sind dies Attribute der kriegerischen Nachbarn und Feinde des Volkes Israel, an denen es keinen Teil hat. Als Haus- und Herdentier der altjüdischen Patriarchen erscheint es durchaus nicht und nimmt auch an den Wanderungen und Kämpfen der Juden keinen Anteil. Bei ihnen wie bei den Ismaeliten oder Arabern ist es zuerst der Esel und später das Kamel, auf dem sie reiten. In Übereinstimmung damit berichtet Herodot von den im Heere des Xerxes weilenden Arabern: „Die Araber waren alle auf Kamelen beritten, die den Pferden an Schnelligkeit nicht nachgaben.“ Auch nach Strabor gab es im Glücklichen Arabien keine Pferde, noch Maultiere; denn er schreibt: „An Haus- und Herdetieren ist dort Überfluß, wenn man Pferde, Maultiere und Schweine ausnimmt.“ Ähnlich sagt er vom Lande der Nabatäer: „Pferde sind in dem Lande keine; deren Stelle in der Dienstleistung vertreten die Kamele.“ Dabei war dieser Autor, der Freund und Genosse des Älius Gallus, des Feldherrn, der die große mißlungene Expedition nach Arabien gemacht hatte, über diese Halbinsel so genau wie nur sonst jemand in damaliger Zeit unterrichtet. Noch in der Schlacht bei Magnesia, in der er 190 v. Chr. zum zweitenmal den Römern erlag, führte Antiochus der Große, wie einst Xerxes, auf Dromedaren berittene Araber ins Gefecht.
Anders war es in Ägypten zur Zeit des Neuen Reiches (1580 bis 1205 v. Chr.). Hier diente das Pferd nur ganz ausnahmsweise zum Reiten, ganz gewöhnlich aber, schön aufgezäumt und mit einem wallenden Busche von Straußenfedern geziert, zum Ziehen des leichten Kriegswagens, auf dem der Pharao mit seinen Offizieren in die Schlacht zog. Da kämpfte man in den in Westasien geführten Schlachten Wagen gegen Wagen, Mann gegen Mann. Offenbar wurde auf die Pflege der Pferde große Sorgfalt verwendet und viel Gewicht auf gute Rasse gelegt. Der Kutscher war eine wichtige Person im vornehmen Hause, und selbst Prinzen leiteten am Hofe das Gespann, das zwei Pferde zählte. Die Leibpferde erhielten schöne Namen. So wird uns auf den Darstellungen der Feldzüge der verschiedenen Pharaonen an den Tempelwänden jeweilen genau angegeben, wie die Pferde hießen, die in dieser oder jener Schlacht das reich ausgestattete Gespann des Königs zogen. Auf diese Weise wissen wir vom Tempel in Theben, daß das Lieblingsgespann Ramses II. (1292–1225 v. Chr.) „Sieg zu Theben“ und „Zufriedene Nura“ hieß. Es waren dies die beiden Pferde, die eben jenen König im Jahre 1280 aus der großen Gefahr retteten, als er mit geringer Begleitung dem Gros seines Heeres vorauseilend bei der Stadt Kadesch am Orontes in einen Hinterhalt der Chetiter unter ihrem König Mutallu gefallen war und jede Hoffnung, heil aus der mißlichen Lage zu entrinnen, vergebens schien. Zum Dank ließ dann der König, wie uns im Schlachtenbericht des Pentaur erzählt wird, diesem seinem Gespann künftighin ganz ausnahmsweise sorgsame Behandlung zuteil werden. Das Kriegsgespann Ramses III. (1198 bis 1167 v. Chr.) trug die Namen: „Ammon siegt mit Macht“ und „Geliebt von Ammon“. Nach den bildlichen Darstellungen sind es außerordentlich edle, feurige Tiere von feinem Gliederbau und ziemlicher Größe mit langer, flatternder Mähne und prächtigem Schweif, der vielfach in der Mitte geknotet wurde, damit er nicht am Boden schleife. Als bevorzugte Nahrung erhielten sie statt Hafer, wie bei uns, Gerste, die bis auf den heutigen Tag in den Mittelmeerländern ihre alte Bedeutung als Pferdekraftmittel behielt.
Bild 27. König Sethos I. von Ägypten (regierte von 1313–1292 v. Chr.) auf dem Kriegswagen gegen die Cheta in Vorderasien kämpfend dargestellt. (Nach Wilkinson.)
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Während die Ägypter neben den auf Kriegswagen kämpfenden Elitetruppen keine auf Pferden berittene Mannschaft besaßen, ist es interessant zu sehen, daß auf den zahlreichen Schlachtenbildern des 16. und 15. Jahrhunderts v. Chr., als Ägypten seine Macht weit nach Westasien ausdehnte, die Chetiter zwar auch vorzugsweise auf Kriegswagen kämpften, daneben aber auch, im Gegensatz zu den Ägyptern, teilweise auf Pferden ritten. So scheint in der Schlacht von Kadesch, in der Ramses II. das ägyptische Heer befehligte, ein berittener Chetiter mit einem Bogen bewaffnet und ein anderer, ebenfalls zu Pferd, eine Infanterieabteilung anzuführen. An einer Wand des großen Reichstempels von Karnak in Theben sehen wir mitten unter den Kanaanitern, die gegen die Stadt Askalon (im Text Askalunu genannt) flüchten, noch einen auf einem Pferde sitzend dargestellt. Auch die Assyrier (Rotennu) machen auf diesen Darstellungen neben dem Kriegswagen vielfach vom Pferde auch zum Reiten Gebrauch. In zwei Darstellungen aus der Zeit der 18. Dynastie, unter Tutmes III. (1480–1447 v. Chr.) und Tutankhamen, sehen wir Assyrier dem Pharao als Tribut wertvolle Rassepferde überbringen. Auch die Einwohner des Libanon (Lemenu genannt) kennen neben den Kriegswagen Reiter.
Damals besaß aber kein anderes Volk Afrikas außer den Ägyptern das Pferd. Auf allen kriegerischen Darstellungen kämpfen sowohl die Neger Äthiopiens, als auch die blonden Libyer (Lebu) stets zu Fuß und besitzen außer Rindern und Schafen, die man durch die siegreichen Ägypter fortgeführt werden sieht, keine Pferde. Das war allerdings um die Mitte des letzten Jahrtausends v. Chr. anders; denn Herodot berichtet uns, daß die Libyer von den Ufern des Tritonsees gewöhnlich auf von vier Pferden gezogenen Kriegswagen kämpften. Es wäre merkwürdig gewesen, wenn nicht mit der Zeit auch die Nachbarvölker dieses edle Tier und das zu ihm gehörende Gerät, den leichten, zweiräderigen Streitwagen, von den Ägyptern übernommen hätten. Erfahren wir doch, daß das libysche Volk der Maschuasch schon zur Zeit Ramses III. (1198–1167 v. Chr.) neben dem Esel auch schon das Pferd als Haustier besaß, da dieser König nach einer ihm beigebrachten Niederlage laut einer auf uns gekommenen Inschrift 183 Pferde und Esel von ihm erbeutete.
In der zweiten Hälfte des vorletzten vorchristlichen Jahrtausends hatte die Pferdezucht in Ägypten größere Ausdehnung erlangt, so daß die westasiatischen Kulturvölker ihr edelstes Pferdematerial von dort importierten. Zur Zeit des Königs Salomo, der von 993–953 v. Chr. regierte, bezog der König von Israel viele Pferde seines prunkvollen Hofhaltes und seiner Armee aus Ägypten und machte nebenbei noch ein gutes Geschäft damit, indem er dieses vielbegehrte Material an die Könige der Aramäer und Chetiter weiterverkaufte.
Damals waren in Ägypten die Gestüte königliches Eigentum, dem die Könige große Aufmerksamkeit schenkten. In Dschebel Barkal (dem alten Nepata) fand Mariette eine merkwürdige Stele, auf der erzählt wird, wie ums Jahr 745 v. Chr. der äthiopische König Pianki Meriamen das damals von zahlreichen, aufeinander eifersüchtigen kleinen Fürsten beherrschte Ägypten eroberte. Aus der Schilderung erfahren wir unter anderem, daß die Aufzucht des Pferdes für den Export damals eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes war. Jeder der zahlreichen Teilkönige besaß einen Marstall und ein Gestüt, dessen beste Pferde er dem damals siegreich vordringenden Könige der Äthiopier anzubieten sich beeilte. Letzterer nahm diese Geschenke stets wohlwollend in Empfang. Seine erste Sorge, wenn er wiederum ein neues Teilreich erobert hatte, war, in höchst eigener Person die königlichen Marställe und Gestüte zu besichtigen. In einer Stadt, Hermopolis in Mittelägypten, fand er diese Etablissemente vernachlässigt und die Pferde schlecht gehalten. Da geriet er in großen Zorn und rief aus: Bei meinem Leben, bei der Liebe des Gottes Re, der den Atem meiner Nase erneuert, es gibt in meinen Augen keinen größeren Fehler, als meine Pferde hungern zu lassen!
Bei solcher Wertschätzung der ägyptischen Pferdezucht kann es uns nicht wundern, daß 80 Jahre später, im Jahre 665, als der assyrische König Asurbanipal die ägyptische Residenzstadt Theben einnahm und plündern ließ, er vor allem in dem uns noch erhaltenen Beuteverzeichnis in Keilinschrift, das das Britische Museum besitzt, „große Pferde“ erwähnt. Diese Bezeichnung verdient besonders gewürdigt zu werden, denn sie schließt sich an die dieselbe Tatsache bezeugenden Darstellungen an den Tempelwänden zur Zeit der jüngeren Dynastien Ägyptens an, woraus hervorgeht, daß sich mit der Zeit in Ägypten eine besondere Pferderasse gebildet hatte, die größer und stärker war als die in Syrien und Babylonien gezüchtete. Es ist zweifellos diejenige Rasse, die sich unverändert in Dongolah, im Innern, erhielt und den mit Wattepanzern aus Baumwolle für Pferde und Mensch umgebenen Reitern als hochgeschätztes Kriegsmittel dient.
Durch die Handelsbeziehungen mit Ägypten und Vorderasien hat auch das alte Kulturvolk der Mykenäer auf Kreta und den Ländern am Ägäischen Meer schon vor der Mitte des vorletzten Jahrtausends v. Chr. das Pferd und den von ihm gezogenen zweiräderigen Kriegswagen kennen gelernt und übernommen. So treffen wir schon in den ältesten Partien der Ilias, die teilweise noch Erinnerungen an jene älteste Kulturblüte Griechenlands wach erhält, das Pferd und den Kriegswagen als geschätzte Artikel erwähnt. Sie erwähnt auch in erster Linie der Held Achilleus, wenn er von der ägyptischen Hauptstadt spricht:
„Theben, die hunderttorige Stadt, es fahren aus jedem
Tor zweihundert Männer heraus mit Rossen und Wagen.“ —
Unter diesen Wagen sind natürlich ausschließlich Kriegswagen gemeint. Auf einer frühmykenischen Grabstele aus Agamemnons einstiger Residenz, dem „goldreichen Mykene“, sehen wir in ungeschickter, roher Darstellung einen Mann auf einem von zwei Pferden bespannten leichten Streitwagen dahinfahren. Und überall in der Ilias ist bei den Kämpfen zwischen den Griechen und Troern vor Ilions Veste vom feurigen Renner und dem von ihm gezogenen Streitwagen die Rede, auf dem die Helden in die „männermordende Feldschlacht“ zogen, nachdem sie sich „zum Kampfe gegürtet“, d. h. das bis zu den Knien reichende Hemd mit ganz kurzen Ärmeln, den Chiton, damit er nicht die Bewegungen hindere, hinaufgenommen und mit einem Ledergürtel in dieser Stellung fixiert hatten. Dann hatten sie die ledernen Beinschienen angezogen, die zum Schutze der Schienbeine vor dem Anschlagen des gewaltigen, den ganzen Mann bis zum Kinn vor den feindlichen Geschossen deckenden Lederschildes dagegen dienten. Dieser ursprünglich von einer ganzen, bis 50 kg wiegenden Rindshaut, später aus mehreren solchen hergestellte Schild war in der Mitte zum besseren Schutze eingezogen und daran waren zwei Querspreizen befestigt, an denen man ihn halten konnte. Für gewöhnlich geschah dies aber nicht, wie es mit dem erst später aufgekommenen kleinen Rundschild geschah, sondern der Schild wurde an einem Tragriemen getragen, der auf der nackten rechten Schulter auflag. Auf der Brust und auf dem Rücken kreuzte sich der letztere mit dem Riemen, der auf der linken Schulter auflag und an welchem auf der rechten Seite das Schwert getragen wurde. Beim Gehen trug man den Riesenschild auf dem Rücken, im Kampfe dagegen vor sich; beim Rückzuge nahm man ihn wieder auf den Rücken. Welches Gewicht diese Riesenschilde gelegentlich gehabt haben müssen, kann man sich vorstellen, wenn man in der Ilias vom siebenhäutigen Schilde des starken Priamossohnes Hektor liest.
Bei solcher schweren Bürde waren die Helden gezwungen, in einem zweiräderigen Streitwagen, in welchem sie den gewaltigen Schild vor sich hinstellen konnten, in die Schlacht zu fahren. Dort angekommen, kämpften sie stets zu Fuß, Mann gegen Mann, und nicht vom Wagen herab wie die Vorderasiaten und Ägypter. In der Ilias sind nur fünf, und zwar alles nachweisbar späte Stellen, in welchen auch von den Griechen von dem mit zwei flinken Pferden bespannten Wagen herab gekämpft wird. Auch zum Fliehen bediente man sich wiederum des Wagens, indem der außer Schußweite auf den Ausgang des Einzelkampfes wartende Wagenlenker bei Bedrängnis seines Herrn rasch herbeieilte, um ihn aufzunehmen und in Sicherheit zu bringen. Bei Homer haben nur die Bogenschützen keine Schilde und fahren deshalb nie. Ja, ein Held, der zwölf Wagen und die dazu gehörenden prächtigen Doppelgespanne sein Eigen nannte, ließ diese seine Habe vorsichtigerweise zu Hause und kämpfte zu Fuß als Bogenschütze.
Der Panzer ist dem homerischen Epos durchaus fremd und war bei dem vorhin beschriebenen gewaltigen Schilde durchaus unnötig, ganz abgesehen davon, daß er den Mann, der am schweren Schilde genug zu schleppen hatte, noch unnötig beschwert hätte. Selbst der Kriegsgott Ares trug nach der Schilderung in der Ilias keinen Panzer. Die einzige Bewaffnung der Helden wie auch ihres Anführers ist außer dem Helm von Leder, vielfach mit Eberzähnen überstickt, wie solche in einem Volksgrabe von Mykenä gefunden wurden, und dem vorgenannten großen Schild der mäßig lange Wurfspeer und das kurze Schwert an der rechten Seite. Wer unbeschildet war, trug Pfeil und Bogen. Wer aber als „Schwerbewaffneter“ in den Kampf zog, ließ sich, wenn er es irgendwie vermochte, auf dem Streitwagen dahin führen. So begreifen wir die Notwendigkeit der homerischen Helden, einen Streitwagen zu führen, und fühlen mit dem Dichter, der das edle Pferd als Liebling und Begleiter der Krieger in prächtigen Schilderungen verherrlicht, wie etwa in der folgenden:
„Gleich wie das Roß, das lang im Stall sich genährt an der Krippe,
Seine Fessel zerreißt und stampfenden Hufs durch die Ebne
Rennt, sich zu baden gewohnt in dem schön hinwallenden Strome,
Strotzend von Kraft; hoch trägt es das Haupt und umher an den Schultern
Flattern die Mähnen empor. Im Gefühl der eigenen Schönheit
Tragen die Schenkel es leicht zur gewohnten Weide der Stuten, —
So schritt Priamos Sohn von Pergamons Veste hernieder,
Paris im leuchtenden Waffenglanz, der Sonne vergleichbar,
Freudig und stolz, rasch trugen die Schenkel ihn —“
In der klassischen Zeit Griechenlands waren die großen, schweren Schilde, wie auch die Streitwagen zum Transporte der „schwerbewaffneten“ Helden außer Gebrauch gekommen; dafür führte man am linken Arm getragene kleine Rundschilde und einen Panzer, wenn man zu Fuß ging, keinen Panzer dagegen, wenn man zu Pferde kämpfte. In letzterem Falle ritt man ohne Sattel und Bügel auf dem Pferderücken, dem man höchstens etwa eine Decke auflegte. Jeder von uns kennt ja die Art des Reitens der Griechen und später auch der Römer an den mancherlei auf uns gekommenen antiken Darstellungen von Reitern, in erster Linie von der herrlichen Darstellung reitender junger Athener am Panathenäenzuge auf dem berühmten Friese des Parthenon und an den mancherlei Grabdenkmälern in Germanien verstorbener römischer Soldaten. Schon der griechische Feldherr und Staatsmann Xenophon schrieb zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. ein Werk über die Reitkunst. Darin ist von den Regeln die Rede, nach welchen man die Güte eines Pferdes beurteilen, es dressieren und reiten soll, fernerhin ist angegeben, wie Roß und Mann angetan sein und wie Speer und Schwert gebraucht werden sollen.
Das berühmteste aller Pferde von Griechen, die nebenbei bemerkt ausnahmslos von edler asiatischer Zucht waren, war das Leibroß Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.), Bukephalos, d. h. Stierkopf, mit Namen. Nach den Angaben in der Naturgeschichte des älteren Plinius soll Alexanders Vater Philippos es ihm, als er noch ganz jung war, aus der Herde des Pharsaliers Philonikos um den Preis von 13 Talenten, d. h. 45000 Mark, gekauft haben, weil es ihm so wohl gefiel. „Obgleich dieses Pferd für gewöhnlich jeden Reiter aufnahm, so litt es doch, wenn es mit dem königlichen Schmucke geziert war, keinen als Alexander. Vorzügliche Dienste leistete es in Schlachten: bei der Belagerung von Theben (im Jahre 335) ließ es, obgleich schwer verwundet, den König doch nicht auf ein anderes steigen.“ Später gab es noch andere Beweise seiner Klugheit und Anhänglichkeit, begleitete seinen Herrn bis nach Indien und als es einige Zeit nach der Schlacht gegen König Porus „entweder an seinen Wunden oder an Altersschwäche starb,“ wie sich der Geschichtschreiber Plutarch ausdrückt, „betrauerte Alexander dasselbe wie einen Freund und baute ihm zu Ehren am Hydaspes die Stadt Bukephaleia. — Er soll auch einem seiner Hunde, welcher Peritas hieß, zu Ehren eine Stadt gebaut haben.“
Nach demselben Plinius soll wie Alexanders, so auch Julius Cäsars Pferd keinen andern Reiter auf sich gelitten haben. Dieses Pferd soll Menschenfüßen ähnliche Vorderfüße besessen haben, „was auch an seiner vor dem Venustempel aufgestellten Bildsäule ausgedrückt ist“. Er meint damit wohl die unschönen langen Hufe, die lange im Stall stehende Pferde bekommen. Daß nun der stolze Diktator Cäsar einen solchen minderwertigen Gaul gehabt haben soll, ist kaum anzunehmen, noch weniger, daß er sich mit einem solchen Klepper auf einer Bildsäule verewigt habe.
Noch vieles sonst weiß dieser Autor von Pferden zu sagen, von dem wir Einiges hier mitteilen möchten. Er schreibt: „Als vorzüglich werden die skythischen Pferde gerühmt. Als ein Anführer der Skythen in einem Zweikampfe getötet worden war, wurde sein Feind, da er ihm die Waffen abnehmen wollte, von dessen Pferd durch Biß und Hufschlag niedergemacht. Die Gelehrigkeit der Pferde ist so groß, daß alle Pferde der sybaritischen Reiterei nach dem Takte der Musik zu tanzen gewöhnt waren. — Die Pferde haben ein Vorgefühl von bevorstehenden Schlachten, trauern über ihren verlorenen Herrn und vergießen zuweilen Tränen der Sehnsucht. Als König Nikomedes getötet worden war, hungerte sich sein Pferd zu Tode. Phylarchus erzählt, daß, als der Galater Centaretus das Pferd des in der Schlacht gefallenen Antiochus siegestrunken bestiegen hatte, das edle Tier sich unwillig in die Zügel gelegt und in einen Abgrund gestürzt habe, so daß beide zerschmetterten. Philistus schreibt, das Pferd des Dionysius sei von diesem im Schlamme steckend verlassen worden, habe sich wieder herausgearbeitet, sei den Spuren seines Herrn nachgezogen, unterwegs habe sich ein Bienenschwarm an seine Mähne gehängt. Durch diese gute Vorbedeutung ermutigt, habe sich Dionysius dann der Herrschaft bemächtigt.
Die unbeschreibliche Klugheit der Pferde lernen diejenigen schätzen, welche reitend den Speer werfen, denn sie unterstützen des Reiters Anstrengung durch die Stellung ihres Körpers. Die auf der Erde liegenden Speere heben sie auf und reichen sie dem Reiter. (Plinius, ein tüchtiger Reitergeneral, schrieb ein besonderes Buch „über die Kunst des Kavalleristen, den Speer zu werfen“.) — Die in der Rennbahn zum Wettlauf Angeschirrten zeigen deutlich, daß sie die Mahnungen verstehen und den Ruhm zu schätzen wissen. Bei den Säkularspielen des Kaisers Claudius wurde beim Wettlauf ein Wagenlenker namens Corax (Rabe) vom Wagen geschleudert; aber seine Pferde kamen allen zuvor, versperrten den einen den Weg, warfen andere um, kurz taten alles, was sie unter der Leitung eines geschickten Wagenlenkers hätten tun können, und standen zur Beschämung der Menschen zuerst am Ziele. — Für eine wichtige Vorbedeutung galt es bei unsern Voreltern, daß Pferde von einem Wagen, von welchem der Fuhrmann herabgestürzt war, als ob er noch daraufstände, aufs Kapitol und dreimal um den Tempel liefen; aber noch wichtiger schien es, als Pferde mit Kränzen und Palmzweigen von Veji aufs Kapitol gerannt kamen. nachdem Ratumenna, der dort im Wettlaufe gesiegt hatte, vom Wagen gestürzt war. Das Tor, durch das sie hereinkamen, heißt seitdem das Ratumennische. Wenn die Sarmaten (ein Nomadenvolk im Norden des Schwarzen Meeres) eine weite Reise unternehmen wollen, so bereiten sie die Pferde tags zuvor durch Fasten darauf vor, geben ihnen auch nur wenig zu saufen und reiten dann ohne auszuruhen 150000 Schritte weit. — Hengste können 50 Jahre alt werden; Stuten aber sterben früher. Hengste wachsen bis ins 6., Stuten bis ins 5. Jahr.“ Umgekehrt wie Plinius schreibt Aristoteles: „Der Hengst wird 35, die Stute über 40 Jahre; ja, es ist schon einmal ein Pferd 75 Jahre alt geworden.“
Welche Bedeutung die Pferde schon bei den Griechen, besonders aber bei den Römern bei den Rennen zu Wagen und unter dem Reiter erlangt hatten, ist aus mancherlei Angaben von Schriftstellern zu ersehen. So berichtet Pausanias (der Bädeker des Altertums, dem wir wertvolle Nachrichten über verschiedene Kultstätten und der darin aufgestellten Weihgeschenke verdanken, er lebte im 2. Jahrhundert n. Chr.): „In der 66. Olympiade gewann Kleosthenes zu Olympia den Preis im Wagenrennen und stellte dann in Olympia den betreffenden Wagen nebst seiner eigenen Bildsäule und der seines Wagenlenkers und seiner Pferde auf. Es sind auch die Namen der Pferde (bei den Wettrennen mit Wagen in der Rennbahn fuhr man stets mit einem Viergespann): Phönix, Korax, Knacias und Samos, angemerkt. Auf dem Wagen steht die Aufschrift: „Kleosthenes aus Epidamnos hat mit Rossen im schönen Wettkampfe des Zeus gesiegt.“ — Der Korinthier Phidolas hatte nach Olympia einen Wettrenner mit Namen Aura gebracht. Dieser warf gleich beim Beginn des Laufes seinen Reiter ab, lief aber doch ganz regelmäßig weiter und gewann den Preis. Phidolas bekam die Erlaubnis, die Bildsäule seines Pferdes zu Olympia aufzustellen“.
Bei den Griechen wurden berühmte Pferde nicht nur im Leben, sondern auch nach dem Tode ausgezeichnet und mit Denkmälern geehrt. So schreibt Herodot: „Der Athener Kimon, Vater des Miltiades, siegte zu Olympia dreimal mit dem Viergespann. Das Grab Kimons steht vor Athen an der Hohlen Straße, ihm gegenüber das Grabmal seiner vier siegreichen Rosse. Nur die Rosse des Lakoniers Euagoras haben es jenen gleichgetan.“ Aber erst zur römischen Kaiserzeit wurde die Pferdeverehrung auf die Spitze getrieben. So berichtet uns der Geschichtschreiber Dio Cassius: „Kaiser Caligula hatte ein Pferd namens Incitatus (d. h. der Angespornte), das mit ihm speiste, die Gerste aus einer goldenen Schüssel fraß, den Wein aus goldenen Pokalen trank. Bei diesem Pferd pflegte der Kaiser zu schwören; auch wollte er es zum Konsul ernennen, aber der Tod vereitelte dieses Plänchen. — Der Kaiser baute sich auch selbst einen Tempel, bestellte seine Gemahlin, sein Pferd und mehrere reiche Leute zu Priestern und ließ sich täglich Vögel von delikatem Geschmack und teurem Preise opfern. — Kaiser Nero hatte eine merkwürdige Liebhaberei für Wettrennen. Waren ausgezeichnete Renner da, so ließ er sie einen prachtvollen Staatsrock anziehen und ihnen regelmäßigen Gehalt bezahlen. Dadurch kam es bald dahin, daß die Besitzer solcher Pferde und deren Stallknechte so übermütig wurden, daß sie sich sogar gegen Generäle und Konsuln flegelhaft benahmen. Der General Aulus Fabricius wußte sich aber zu helfen und rächte sich damit, daß er Wagen mit Hunden bespannte. — Kaiser Hadrian war ein sehr eifriger Jäger, brach einmal auf der Jagd das Schlüsselbein und ward lahm, ließ aber seinem Jagdpferde namens Borysthenes, als es gestorben war, eine Denksäule mit einer Aufschrift setzen. — Kaiser Commodus hatte einen Wettrenner gern, der Pertinax hieß. Als dieser einmal gesiegt hatte, schrieen die Leute: ‚Pertinax ist Sieger!‘ Als das Pferd alt wurde, ließ ihm Commodus die Hufe vergolden, eine vergoldete Schabracke auflegen und befahl, es in den Zirkus zu führen. Als es da erschien, schrieen die Leute: ‚Da kommt Pertinax!‘ Dies waren die Vorbedeutungen, die anzeigten, daß der Ligurier Pertinax nach der Ermordung des Commodus Kaiser werden mußte“. Julius Capitolinus berichtet: „Kaiser Verus trug stets das goldene Bild seines Pferdes namens Volucer bei sich. Er fütterte das Tier mit Rosinen, Nuß- und Mandelkernen, er schmückte es mit purpurfarbigen Schabracken und errichtete ihm, als es gestorben war, auf dem Vatikan ein Grabmal“ und Älius Lampridius meldet: „Kaiser Heliogabalus fütterte seine Pferde mit Rosinen, die er aus Apamea in Phrygien bezog“.
Bild 28. Ein im Jahre 1900 in Schonen, Südschweden, an einem vorgeschichtlichen Opferplatz ausgegrabener Pferdeschädel mit noch in der Stirne steckendem abgebrochenem Steindolch in Seitenansicht. (Nach Gunnar Andersson.)
Nach Älian sollen die Oreïten und Adraster (indische Völker) ihre Pferde mit Fischen gefüttert haben, ebenso die Kelten. Wir sahen bereits bei der Besprechung des Rindes, daß man tatsächlich in grasarmen Gegenden, so z. B. auf der Insel Island, zu einem solchen Hilfsmittel griff und es an manchen Orten heute noch tut. Auch scheinen die indogermanischen Stämme bis in die historische Zeit das Pferdefleisch als besonderen Leckerbissen geliebt zu haben. Bei den alten Germanen galt es als vornehmstes Opfer, ein Pferd zu schlachten und dessen Fleisch beim Göttermahle zu verspeisen. Daß sich die Gottheit besser des Opfers erinnere, wurde der abgefleischte und des Gehirns entleerte Schädel gern am Dachfirst befestigt. Da nun das Pferdefleischessen stets mit heidnischen Opfern verbunden war, wurde dasselbe als minderwertig und unrein erklärt. Als alles dies nichts fruchtete, wurde von Rom aus die Todesstrafe darauf gesetzt. So vermochte man mit vieler Mühe den alten Deutschen die Freude am Pferdefleischgenusse zu verleiden, so daß heute, da die Gründe, die zu dessen Verbot führten, hinfällig geworden sind, die Tierschutzvereine die größte Mühe haben, das damals dem Volke beigebrachte Vorurteil zu beseitigen. Auch die Römer opferten jährlich im Oktober auf dem Marsfelde dem Mars ein Pferd. Dieses hieß beim Volke das Oktoberpferd. Ferner opferten die Massageten, Parther und Skythen ihrer obersten Gottheit Pferde, ebenso die Perser. Strabon berichtet, daß Alexander der Große in Pasargadä, der alten Residenzstadt der Perserkönige, das Grabmal des Cyrus von Magiern bewacht fand, denen täglich ein Schaf und monatlich ein Pferd zur Nahrung verabreicht wurde. Neben dem Fleisch haben nur die Steppenvölker Südrußlands und Asiens auch die Milch der Pferde genossen, und zwar stellten sie mit Vorliebe daraus ein von den Kirgisen als Kumis bezeichnetes berauschendes Getränk her. Bei den Germanen war dies nicht der Brauch, wohl aber bei den Litauern und Esten, die solche Sitte von den südöstlichen Nachbarn angenommen hatten.
Bild 29. Der in der vorhergehenden Abbildung dargestellte Pferdeschädel mit Steindolch in Rückansicht. Die ganze Form und Bearbeitung des Dolches beweist, daß er der jüngeren schwedischen Steinzeit angehört. Die Art und Weise, wie der Dolch in den Schädel hineingetrieben ist, zeigt, daß dies von geübter Hand und mit großer Kraft zu Lebzeiten des bei irgend welchem Götterfeste geopferten Tieres geschah; denn er ist, ohne den Schädelknochen auch nur im geringsten zu splittern, 4,7 cm tief ins Gehirn gedrungen und muß augenblicklich tödlich gewirkt haben.
Bei den Germanen und den mit ihnen verwandten Wenden hatte das Pferd eine besondere sakrale Bedeutung, indem es, besonders in weißgefärbten Exemplaren, als dem Kriegsgott heiliges Tier galt, das man ihm zu Ehren in dessen heiligen Hainen in halber Freiheit hielt, in der Annahme, daß sich der Gott ebensosehr als der Mensch an solchem Besitz erfreuen werde. Überreste von dieser uralten Sitte lassen sich mehrfach in Ortsbezeichnungen nachweisen. So rührt das Mecklenburgische Schwerin vom wendischen Worte Zuarin, das Tiergarten bedeutet, her. Gemeint damit ist aber nicht ein Wildpark für das Jagdvergnügen der Vornehmen, sondern ein heiliger Hain, in welchem das dem slavischen Kriegsgotte Swantewit geheiligte Tier, das Pferd, gezüchtet wurde. Solche Pferdezucht in eingehegten heiligen Bezirken läßt sich auch für Deutschland nachweisen und hielt sich auch nach der Einführung des Christentums für profane Zwecke im Gebrauch. So hat Stuttgart, d. h. Stutengarten, seinen Namen von dem Gestüt, das Kaiser Ottos I. Sohn Liutolf im Jahre 949 in den dortigen Waldungen anlegte.
Die Pferde der Germanen, die von den aus dem Süden und Osten eingeführten orientalischen Pferden abstammten, waren nach den Schilderungen der Römer nur unscheinbare, aber äußerst leistungsfähige und gut dressierte Tiere. So berichtet Julius Cäsar darüber: „Die Pferde der Germanen sind häßlich, jedoch durch die tägliche Übung sehr ausdauernd. In der Schlacht springen die germanischen Reiter oft vom Pferde, kämpfen zu Fuß und ziehen sich, wenn es sein muß, wieder zu ihren Pferden zurück; denn diese sind gewohnt, die bestimmte Stelle nicht zu verlassen. Sie reiten ohne Decke auf dem bloßen Pferde.“ Vielfach war den Reitern als willkommener Kampfgenosse auch ein Unberittener beigegeben, der sich beim Traben oder Galoppieren an der Pferdemähne hielt, um folgen zu können. Solchermaßen schildert uns Cäsar das Heer des germanischen Fürsten Ariovist, das aus 6000 Reitern und ebensoviel Fußkämpfern bestand. Nach Dio Cassius galten die Bataver, am Unterlaufe des Rheins, als die besten Reiter unter den Germanen, die bewaffnet mit ihren Pferden sogar über den Rhein schwammen, was den Römern einigermaßen imponiert haben muß.
Am berühmtesten von allen Pferden Deutschlands waren im frühen Mittelalter die thüringischen. König Hermanfried schenkte dem Frankenfürsten Theoderich, aus dessen Familie er die Amelberg freite, nach Landessitte mehrere weiße Pferde, wie Hochzeitspferde sein sollen. Diese sollen besonders angenehm zum Reiten gewesen sein, „man schien auf denselben zu ruhen,“ so sanft gingen sie. Sie wurden natürlich von ihren Herrn mit besonderen Namen benannt, die uns teilweise erhalten sind. So nannte Attila sein Lieblingspferd Löwe, ein anderes Leibpferd Dunkelbraun. Ihr Preis war ein verhältnismäßig hoher, so daß als Zugtier für die Landwirtschaft das Rind vorgezogen wurde. Galt doch in einer Urkunde von 884 ein Pferd 10 Solidi, d. h. so viel als 10 Kühe. Karl der Große verbesserte die Stutereien seiner Güter. Eine solche hieß stuot und stand unter einem mareskalk, d. h. Pferdeknecht. Dieser gehörte an den fürstlichen und bischöflichen Hofhaltungen zu den vornehmsten Ministerialen oder hörigen Dienstmannen, denen stets ein eigenes Pferd für ihren Dienst zustand. Die Pferde wurden zur Arbeit stets beschlagen, und die Hengste, damit sie ihr feuriges Temperament mäßigen sollten, verschnitten. Im 12. Jahrhundert erhielt das Stift Fulda noch 20 ungelernte Pferde geschenkt. Wenn ein einzelner Mann so viel Pferde wegschenken kann, so läßt dies vermuten, daß er eine ziemlich ausgedehnte Zucht gehabt haben muß. Im Laufe des Mittelalters hat dann die Pferdezucht eine stetige Verbesserung erfahren, bis sie sehr leistungsfähige Tiere lieferte.
Das Hauspferd asiatischer Abstammung erschien nach den Funden in Pfahlbauten schon zu Ende der jüngeren Steinzeit in Mitteleuropa in einzelnen, allerdings noch seltenen Exemplaren, die jedenfalls als wichtige Kriegsgehilfen sehr geschätzt waren. Erst in den Stationen der Bronzezeit erscheint es häufiger, um erst in der Römerzeit in Helvetien größere Verbreitung zu finden, wie wir aus den Überresten beispielsweise der römisch-helvetischen Kolonie Vindonissa ersehen. Es war wie alle orientalischen Pferde, von denen bis jetzt die Rede war, leicht gebaut und besaß zierliche Gliedmaßen mit hohen zylindrischen Hufen und einem feingezeichneten, im Profil mehr oder weniger konkaven Kopf. Das trockene, d. h. wenig fleischige Gesicht trat bei ihm gegenüber dem Hirnschädel zurück. Die Kruppe fiel nach hinten wenig ab und die Schweifwurzel lag in der Verlängerung der Rückenlinie. Nun finden wir zur Römerzeit in Helvetien neben dieser graziösen, auch eine plumpere Rasse mit massigen Formen, einem schwergebauten Kopf und kräftigen Gliedmaßen, mit flachen Hufen und starker Haarbildung darüber. Das fleischige Gesicht ist im Verhältnis zum Hinterteil des Schädels stark in die Länge gezogen. Das Schädelprofil erscheint bei ihm, statt konvex wie beim vorigen, deutlich konkav, d. h. geramst. Die Kruppe fällt steil ab und die Schweifwurzel springt aus der Rückenlinie heraus. Zu diesen anatomischen Merkmalen kommen noch Unterschiede der Bezahnung. So besteht bei diesem plumper gebauten Pferd ein durch die ungewöhnlich starke Entwicklung des Gesichtsteils bedingtes mehr in die Längegezogensein der Backenzähne. Dabei zeigen sie eine kompliziertere Faltung des Schmelzüberzuges als die zierlichere orientalische Rasse.
Während nun das im Schädelbau sich mehr dem Esel nähernde orientalische oder warmblütige Pferd den Ahnherrn aller schnellfüßigen Reit- und Wagenpferde darstellt, ist dieses plumpere, aber kräftigere okzidentale oder kaltblütige Pferd der Stammvater des schweren deutschen Karrengauls, dessen Vorfahren die mit schwerer Rüstung für Mensch und Tier bewehrten mittelalterlichen Ritter trugen, dann des flandrischen, normannischen und luxemburgischen Karrengauls, die sämtlich vorzügliche Arbeitspferde sind. Mit ihrer breiten Brust und dem starken Körper repräsentieren sie den herkulischen Pferdetypus. Dieser ging aus dem einheimischen kräftigeren Wildpferde Europas hervor, das zu zähmen und in den menschlichen Dienst zu stellen sehr nahe lag, nachdem man einmal an dem aus dem Morgenlande hier eingeführten leichteren Hauspferde den Nutzen dieses Tieres erkannt hatte.
Bild 30. Darstellung eines Wildpferdhengstes des schwereren Schlages aus der Höhle von Combarelles mit allerlei zeltartigen Figuren beschrieben, die fälschlicherweise manche Forscher annehmen ließen, es liege hier ein halbgezähmtes Tier vor, das mit einer Decke versehen sei.
Breite der Originalzeichnung 1 m.
(Nach Capitan und Breuil.)
Schon unter den diluvialen Wildpferden Europas lassen sich zwei Arten unterscheiden, nämlich eine kleinere, leichte, die mehr im Süden wohnte, und eine größere, derbere, die mehr im Norden lebte. Letztere wurde besonders von Nehring genauer untersucht. Wie in Europa war es sicher auch in Asien. Dort ist nun allerdings das zierlichere, mehr im Süden lebende warmblütige Pferd zuerst gezähmt und in des Menschen Dienst gestellt worden. Es hat sich dann im Laufe der Jahrhunderte in verschiedene Schläge gespalten. Aber neben ihm gab es nach Norden zu auch eine schwere, kaltblütige Art, die unabhängig vom okzidentalen Pferde Europas gezähmt und in den Haustierstand übergeführt wurde. Dieses schwere Pferd mit allen Kennzeichen der kaltblütigen Rassengruppe, nur mit einigen Abweichungen im Schweifansatz, wie sie für das Przewalskische Pferd typisch sind, ist in Mittelasien schon frühe der Zähmung unterworfen und in den menschlichen Dienst gestellt worden. So tritt es uns in typischer Weise, durch seine Kleinheit sich als durch Zucht noch wenig verändertes Przewalski-Wildpferd zu erkennen gebend, auf einem altpersischen Relief von Persepolis entgegen. Dort dient es, reich geschirrt, zwei bärtigen Fürsten in langer Gewandung und mit teils helm-, teils tiaraartiger Kopfbedeckung zum Reiten. Auch die mit dem Przewalski-Pferd trefflich übereinstimmende Kleinheit dieses Tieres tritt auf diesen Reiterbildnissen wie auf anderen Bildern dieser Zeit, in denen die Tiere wie auf unserer Abbildung an einen Kriegswagen angespannt geführt werden, deutlich hervor. In letzterem Falle werden die Tiere in der Weise geführt, daß der Führer den Arm über den Rücken legt und so mit der Hand den Zügel der von ihm abgewandten Seite hält.
Wenn nun Krämer zeigte, daß nach der Schweiz, speziell Vindonissa, erst die Römer schwere Pferde einführten, so können sie diese ganz gut aus Asien bezogen haben; denn damals gab es nicht nur in Persien, sondern auch in Kleinasien solche schwere, kaltblütige Schläge. So findet sich beispielsweise auf einer Münze der kleinasiatischen Stadt Larissa die charakteristische Darstellung eines kaltblütigen Pferdes. Diese Rasse scheinen die Römer zur Berittenmachung ihrer schwerbewaffneten Reiterei bevorzugt zu haben und führten sie deshalb bei sich ein. Durch Kreuzung mit dieser wurde in der Folge das kleinere leichte Pferd, das über alle Mittelmeerländer verbreitet war, etwas größer und stärker.
Bild 31. Altpersischer Kriegswagen von kleinen Pferden eines schweren Schlages gezogen auf einem Relief in Persepolis. (Nach Sir Porter.)
Sicher war das Hauspferd Europas zur Bronzezeit ein Abkömmling der zierlichen warmblütigen asiatischen Rasse, wurde dann aber auch aus dem massenhaft vorkommenden einheimischen Wildmaterial gezogen; denn anders ist es nicht erklärlich, daß die Gallier schon im Jahre 280 v. Chr. bei ihrem Einfall in Griechenland 60000 Reiter ins Feld stellen konnten. Da dieser Volksstamm schon früher eine tüchtige Reiterei bei sich ausgebildet hatte, kann es uns nicht wundern, daß sie in späterer Zeit eine besondere Schutzgöttin der Pferde, namens Epona, verehrten. Aus der ganzen Hinterlassenschaft der keltischen Volksstämme läßt sich ersehen, daß sie schon lange bevor sie mit der römischen Kultur bekannt wurden, eine ausgebildete Pferdezucht trieben. Ihre Zuchtprodukte wurden dann an die Nachbarn verhandelt. So kam das keltische Pferd auch nach Spanien, das ebenfalls schon vor der Einnahme durch die Römer eine blühende Pferdezucht besaß. Von Spanien aus drang dieses Pferd nach Nordafrika vor; denn Publius Vegetius sagt ausdrücklich, daß die Pferde der römischen Provinz Afrika (dem heutigen Algerien) spanischen Blutes seien.
Was die warmblütigen orientalischen Pferde anbetrifft, so ist heute der edelste Vertreter derselben der Araber, der in reinster Rasse vorzugsweise in der Nedjed genannten unwirtlichen Hochebene Mittelarabiens gezogen wird und mit Recht den höchsten Stolz seines Besitzers ausmacht. Die Araber unterscheiden viele Familien ihrer Pferde, über die sie genaue Stammbäume führen, und jeder Stamm rühmt sich im Besitze einer besonders guten Rasse zu sein. Im ganzen unterscheidet man 21 Blutstämme oder Familien, von denen die 5 vornehmsten unter dem Namen „Khamsa“ zusammengefaßt werden. Sie sollen angeblich von den 5 Stuten Salomos abstammen.
Wie überaus hoch der Araber diese hochedeln Tiere, die ja tatsächlich seinen wichtigsten Besitz ausmachen, schätzt, das beweisen die Lobeserhebungen, die er ihnen spendet: „Sage mir nicht, daß dieses Tier mein Pferd ist; sage, daß es mein Sohn ist! Es läuft schneller als der Sturmwind, schneller noch, als der Blick über die Ebene schweift. Es ist rein wie das Gold. Sein Auge ist klar und so scharf, daß es ein Härchen im Dunkeln sieht. Es erreicht die Gazelle im Laufe. Zu dem Adler sagt es: Ich eile wie du dahin! Wenn es das Jauchzen der Mädchen vernimmt, wiehert es vor Freude, und an dem Pfeifen der Kugeln erhebt sich sein Herz. Aus der Hand der Frauen erbettelt es sich Almosen, den Feind dagegen schlägt es mit den Hufen ins Gesicht. Wenn es laufen kann nach Herzenslust, vergießt es Tränen aus seinen Augen. Ihm gilt es gleich, ob der Himmel rein ist oder der Sturmwind das Licht der Sonne mit Staub verhüllt; denn es ist ein edles Roß, das das Wüten des Sturmes verachtet. In dieser Welt gibt es kein zweites, das ihm gleicht. Schnell wie eine Schwalbe eilt es dahin. So leicht ist es, daß es auf der Brust deiner Geliebten tanzen könnte, ohne sie zu belästigen. Sein Schritt ist so sanft, daß du im vollsten Laufe eine Tasse Kaffee auf seinem Rücken trinken kannst, ohne einen Tropfen zu verschütten. Es versteht alles wie ein Sohn Adams, nur daß ihm die Sprache fehlt.“
Dem durch gute Lungen ausgezeichneten arabischen Pferd kommt seine Genügsamkeit sehr zu statten; denn es wird von seinem Herrn, der selber nicht viel besitzt, recht knapp gehalten. Mit 18 Monaten beginnt seine Erziehung, indem ein Knabe es zu reiten versucht. Im dritten Lebensjahre legt man ihm den Sattel auf und sucht nach und nach alle seine Kräfte und Fähigkeiten zu entwickeln. Erst wenn es das 7. Jahr erreicht hat, sieht man es als erzogen an, und deshalb sagt das arabische Sprichwort: „Sieben Jahre für meinen Bruder, sieben Jahre für mich und sieben Jahre für meinen Feind.“ Dieser Araber ging im Laufe des Mittelalters aus dem schon im Altertum berühmten persischen Pferde hervor und steht in näherer Beziehung zum nordafrikanischen Berberpferde, von dem die Mauren in Spanien einst die besten Zuchten hatten. Sein Blut kreist in allen edeln Reit- und Wagenpferden europäischer Rasse, vor allem auch im englischen Vollblut, über das wir hier einiges Authentische mitteilen möchten.
Zunächst ist festzustellen, daß die bis jetzt herrschende, auf die Zeugnisse der klassischen Schriftsteller gestützte Annahme, daß Arabien im Altertum fast nur Kamele und keine Pferde gezogen habe, nicht ganz richtig ist. Schon sehr früh gab es dort auch Pferde, die von den Siegern annektiert und mitgenommen wurden. So zählt Flavius Josephus unter der arabischen Beute des von 668–626 über Assyrien herrschenden Königs Asurbanipal ausdrücklich auch Pferde auf. Außerdem wird auf himjaritischen Inschriften öfter das Pferd erwähnt, auch sind zwei Bronzestatuetten von solchen bekannt. In den Ruinen von Nâ-it im Gebiete der Haschid sind nach dem Bericht des arabischen Schriftstellers Al-Hamdani mehrfach Darstellungen von Pferden gefunden worden. Doch hat die Aufzucht einer edleren Pferderasse erst im Mittelalter durch die Mohammedaner stattgefunden, die auf ihren Feldzügen großes Gewicht auf eine gute Reiterei legten. Zur Zucht verwandten sie das damals am höchsten gezüchtete, nämlich das persische Pferd, das schon im Altertum durch seine Leistungsfähigkeit berühmt war. Die Griechen erstaunten, als sie im persischen Reiche den auf schnellfüßigen Pferden durch Berittene besorgten, trefflich funktionierenden Meldedienst und das auf gut unterhaltenen Straßen vorzüglich eingerichtete Postwesen kennen lernten. Neben den persischen waren auch die vorderasiatischen Pferde hochgeschätzt. So ließ König Salomo Zuchtpferde aus Kilikien und Kappadokien holen, und König Philipp von Makedonien begann seine Stammzucht, der sein Sohn Alexander die treffliche Reiterei verdankte, angeblich mit 20000 skythischen Stuten.
Auch die Griechen suchten schon früh möglichst rasche und ausdauernde Pferde zu züchten. Dies geschah wie heute auf Grund von Leistungsprüfungen, und zwar in bezug auf Geschwindigkeit und Ausdauer. Dazu dienten in erster Linie die olympischen, pythischen, nemeischen und isthmischen Spiele, bei welchen sowohl Wagenrennen als Rennen unter den Reitern abgehalten wurden. Letztere waren noch wichtiger als die ersteren, und man hatte Jockeis und Herrenreiter, auch Geld- und Ehrenpreise wie heute. Ein Rennen zu gewinnen galt als höchste Ehre und man kann sich deshalb vorstellen, mit welchem Eifer die Zucht rascher Pferde betrieben wurde. Schon damals war das Rennpferd durchaus verschieden vom Pferd der Landeszucht. Es wird mehrfach mit seinen typischen Merkmalen abgebildet, so beispielsweise auch auf einer ums Jahr 450 v. Chr., also um die Zeit der Erbauung des Parthenon, hergestellten griechischen Vase. Auf ihr sehen wir die Pfosten der Rennbahn, den Zielrichter mit der Schärpe, den leichtgewinnenden Sieger, der den noch heute typischen Fehler macht, sich am Ziel umzusehen, während der zweite und dritte ein sog. Finish mit der Peitsche reiten. Die hier dargestellten Rennpferde sind länger im Hals, haben andere Schulter und Kruppe als die gewöhnlichen Reitpferde, die uns auf dem Parthenonfries entgegentreten und waren zweifellos orientalischen Ursprungs.
Tafel 37.
Anschirren eines Rennwagens, darunter ein Tierfries. Von einer jüngeren attischen Vase in Berlin.
(Nach Gerhard, Auserlesene Vasenbilder.)
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GRÖSSERES BILD
Tafel 38.
Griechische Jünglinge zu Pferd am Panathenäenfestzug vom Friese des Parthenon.
(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)
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GRÖSSERES BILD
Tafel 39.
Ausgewachsenes Shetlandpony neben einer gewöhnlichen Hausziege in Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 40.
Ungepflegtes Mongolenpferd, wie es in halbwilden Herden im Westen Chinas lebt. Durch Pflege läßt sich daraus ein zwar kleiner, aber sehr ausdauernder Schlag gewinnen. (Nach Photographie von Buchmann in Tayanfu.)
In Deutschland gezogener Araberhengst von Karl Hagenbecks Tierpark in Stellingen.
Von den Griechen übernahmen dann die Römer die Freude an den Wettrennen und die Hochschätzung der Rennpferde. Letztere brachten sie auch in ihre Kolonien. So hielt beispielsweise Kaiser Severus, der von 206–210 in England weilte, mit von Rom dahin importierten Pferden ein Rennen im York ab. Aber auch an zahlreichen andern Orten Englands gab es damals schon Rennen mit hochgezüchteten Pferden, so z. B. in Chester, wo noch ein Teil der antiken Rennbahn erhalten ist. Seitdem blieben die Rennen in jenem Lande ein nationaler Sport; aber von einer Zucht zu Rennzwecken war damals und das ganze Mittelalter hindurch keine Rede. Wenn auch öfter edle Pferde, namentlich zur Zeit der Kreuzzüge, ins Land gebracht wurden, so blieb man dort im Laufe der Jahrhunderte doch nur bei einem mäßig geschwinden Pferd, dem galloway. Das Bestreben, dieses kleine und nur mäßig leistungsfähige Pferd zu verbessern, war der Anlaß, daß man im 17. Jahrhundert anfing, in erheblichem Maße orientalische Pferde einzuführen. Von besonderer Wichtigkeit war ein Import von 30–40 orientalischen Stuten, den „royal mares“, die Karl II. etwa 1670 einführte. Im Laufe des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts führte man zudem nicht weniger als 26 orientalische Hengste in England ein, um die Zucht aufzufrischen. Von diesen war Darley Arabian nach dem bedeutendsten deutschen Rennstallbesitzer, Arthur von Weinberg, der wichtigste Stammvater, den etwa 90 Prozent aller heutigen Vollblüter zu ihrem Ahnen haben sollen. Nach ihm kommt an Bedeutung der 1728 importierte Godolphin Arabian, den ein Engländer in Paris vor einem Wasserwagen entdeckte und der im Beginn der englischen Vollblutzucht eine große Rolle spielte. Mit dem Import dieser Hengste beginnt das erste Aufzeichnen der Stammbäume im großen Gestütsbuch. Doch war zunächst noch von keiner systematischen Zucht die Rede. Die einzige Richtschnur war damals, daß für die Stuten der Vater, für die Hengste aber die Mutter in erster Linie maßgebend sei. Man wollte Rennen gewinnen und züchtete unbekümmert um Theorien stets von den besten, d. h. raschesten Pferden. So konzentrierte sich im Gegensatz zu den Ratschlägen der Theoretiker die Zucht auf eine immer geringer werdende Zahl von männlichen Linien, bis schließlich fast nur eine einzige Linie übrigblieb. Wie die heutigen Vollblutpferde auf wenige Hengste, so gehen sie, wie zuerst deutsche Forscher feststellten, zum größten Teil auf fünf Stuten zurück. Sie sind trotz der weitgehenden Inzucht außerordentlich leistungsfähig, haben eine Verlängerung von Oberarm- und Oberschenkelknochen zur möglichst raschen Fortbewegung erhalten und sind sehr frühreif. Während die Vollblutpferde schon mit 18 Monaten geritten werden und zweijährig Rennen laufen, kann man das Halbblutpferd, z. B. die Remonten der Kavallerie, meist erst vierjährig überhaupt anreiten.
Das arabische, wie auch das mit ihm nahe verwandte maurisch-berberische Pferd wurde wie in England, so auch auf dem Kontinent mit leichten und schweren einheimischen Schlägen gekreuzt und dadurch die verschiedensten Gebrauchspferde erhalten, die je nachdem zum Reiten, Fahren oder Ziehen besonders geeignet sind. Näher auf die Abstammungsverhältnisse und die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Pferderassen einzugehen, verbietet schon der beschränkte Rahmen dieses Buches. Es sei hier nur bemerkt, daß in Europa die Pferdezucht in den weiten Steppen des Ostens am bedeutendsten ist. So besitzt Rußland zahlreiche starke Gestüte in den Steppen am Don und am rechten Ufer der untern Wolga. Das russische Pferd ist klein, aber äußerst genügsam und ausdauernd. Auch in Ungarn und Siebenbürgen werden viele und gute Pferde für den Export gezüchtet. In Galizien, in der Bukowina und in der südöstlichen Steiermark findet sich gleicherweise ein leichter Schlag, während die weiter nördlich und östlich davon gelegenen Länder kräftigere Arbeitstiere ziehen, in denen reichlich Blut des schweren okzidentalen Pferdes beigemischt ist. In Hannover, Holstein und Mecklenburg werden viele edle Reitpferde gezogen. Dänemark züchtet die besten in Jütland. Skandinavien, Wales, Schottland, die Shettlandsinseln und Island besitzen ponyartige kleine Schläge, die im Winter einen langen, krausen Haarpelz erhalten. Belgien, die Normandie und gewisse Gegenden Englands züchten mit Vorliebe schwere, kaltblütige Arbeitspferde. In Spanien wird vorzugsweise das aus Nordafrika eingeführte Berberpferd gezogen. Die besten Gestüte besitzt Andalusien. Die europäischen Mittelmeerländer sind wenig reich an Pferden, weil Esel und Maultier dort stark verbreitet sind. Besonders in Griechenland ist die im Altertum blühende Pferdezucht in argen Verfall geraten. Italien besitzt nur lokal ein erhebliches Pferdematerial. Die schönste Rasse findet sich in der römischen Campagna, wo die Wagenpferde der Kardinäle und Patrizier gezüchtet werden. Den größten Pferdereichtum trifft man in Sardinien an. Nach Cetti ist dort das Pferd vielfach verwildert, soll angeblich nicht mehr zu bändigen sein und wird vielfach erlegt, hauptsächlich um das Fell zu gewinnen. Es haust hier namentlich in den ausgedehnten Waldungen im Innern.
Bald nach ihrer Entdeckung erhielt die Neue Welt das Pferd durch die Spanier, und zwar waren es Andalusier, die dort, speziell in Mexiko, eingeführt wurden. Doch sind sie nach und nach entartet und vielfach verwildert. Indessen sind heute die verwilderten Herden bis auf einzelne in Patagonien lebende Trupps auf einen 1865 erlassenen Befehl der Regierung hin vernichtet worden, da sie nicht nur die Weiden beeinträchtigten, sondern vielfach auch die zahmen Pferde entführten. Gegenwärtig nehmen die Vereinigten Staaten von Nordamerika den bedeutendsten Rang in der Pferdezucht ein. Berühmt ist die neuerdings aufgekommene Traberzucht, deren Grundstock das amerikanische Vollblut bildet.
In Australien wurde die Pferdezucht ebenfalls erst von den Europäern eingeführt. Das Material stammt aus England, der Kapkolonie und von den Sundainseln. In Indonesien werden mehr kleine Schläge gezüchtet, ebenso in Oberbirma und Südindien. In Nordwestindien wird viel ein dem Afghanenpferde verwandter Schlag gehalten. In China zieht hauptsächlich die Mandschurei Pferde, auf deren Haltung aber wenig Sorgfalt verwendet wird. Japan züchtete früher im Norden der Hauptinsel einen kräftigen Schlag; neuerdings wurden besonders europäische und amerikanische Rassen importiert.
Am zahlreichsten wird das Pferd in Innerasien gezüchtet. In Turkestan ist es das wichtigste, unentbehrlichste Haustier, das von jedermann gehalten wird. Persien hat drei verschiedene edle Schläge, einen kleineren im Gebirge und größere in den Ebenen. Die edelste Zucht von persisch-arabischem Blut trifft man in Schiras. Klein und unansehnlich, aber äußerst leistungsfähig ist das Kirgisenpferd, das auch von den Kalmücken und andern Mongolenstämmen in großen Mengen gehalten und auch zur Milchgewinnung benutzt wird. In Afrika, das einst seinen Pferdebestand Asien entlehnte, werden besonders im Norden und Osten viel Pferde gezogen. Ägypten, Abessinien, die Somaliländer und der Sudan besitzen verdorbene arabische Schläge, die als Reittiere ungemein leistungsfähig sind und Wassermangel vielfach besser als andere Schläge ertragen. Das zähe Gallapferd findet beim abessinischen Heere ausgiebige Verwendung. In Südafrika werden besonders in der Kapkolonie und in Transvaal kleine, sehr ausdauernde Pferde gezüchtet. Überall in den Tropenländern, wo das Klima zu feucht ist, hält es sich schlecht, deshalb haben die Portugiesen in ihren afrikanischen Kolonien den Reitstier eingeführt.