VIII. Das Kamel.

Die Kameliden sind der älteste Zweig der Wiederkäuer, der sich schon im Miozän von der Gesamtfamilie trennte, bevor sich bei ihren Vertretern Hörner oder Geweihe ausgebildet hatten. Sie sind die einzigen Wiederkäuer, die noch im Oberkiefer Schneidezähne — im ganzen vier — besitzen. Mit den ältesten Pferden entwickelten sie sich in Nordamerika, wo während der jüngeren Tertiärzeit die reichste Entfaltung derselben nachweisbar ist. Doch erlosch dort die Gruppe mit dem Eintritt der Eiszeit, während die Kamele nach Asien und die Schafkamele oder Lamas nach Südamerika auswanderten, wo sie sich auf den Höhen der Anden erhielten.

Noch heute lebt ein winziger Überrest der Kamele in ihrer ursprünglichen Wildheit in der innerasiatischen Wüste in der Dsungarei, ebendort, wo auch die letzten Wildpferde zu finden sind. Schon der russische Reisende Przewalski hatte von ihrem Vorkommen im Gebiet des Lob Nor, d. h. im westlichen Teil der Wüste Gobi, berichtet. Doch erhob man damals dagegen den Einwand, es möchten dies einzelne entlaufene und verwilderte Kamele gewesen sein. Indessen hat dann später der schwedische Reisende Sven Hedin auf Grund eigener Beobachtung das Vorkommen von eigentlichen Wildkamelen in jenen menschenleeren Einöden festgestellt. In einem Brief aus Obdal vom Juni 1900 schreibt dieser Autor in der Umschau: „In der Gegend, die wir durchwanderten, kamen wilde Kamele in großer Anzahl vor, und wir sahen und beobachteten sie täglich durch unsere Ferngläser. Sie halten sich längs des Fußes der Berge und in der Wüste auf, begeben sich aber von Zeit zu Zeit zu den schirmenden Quellen, um zu trinken und zu grasen. Es gewährt einen herrlichen Anblick, wenn man eine solche Herde, nachdem man ihr den Wind abgefangen, unvermutet überrascht. Die Karawane mußte, während unsere Jäger sich an die Tiere heranschlichen, in solchen Fällen immer Halt machen. Einige der Kamele standen gewöhnlich aufgerichtet als Späher da, während die andern sich in liegender Stellung ausruhten. Bei Jardang Bulak schoß der Kosake Tjernoff ein prächtiges Kamel, bei Altimisch Bulak unser Führer Abdu Rehim ein anderes. Ich meinerseits zog es vor, mit einem starken Fernrohr bewaffnet, ihre Bewegungen zu beobachten. Es liegt ein märchenhafter Glanz über diesen gewaltigen, stattlichen Tieren, an deren Existenz die Gelehrten bis in die neueste Zeit hinein gezweifelt haben. Es erweckte mein Staunen, daß wir diese Tiere immer nur in den unwirtlichsten, sterilsten und wasserärmsten Wüsten antrafen, wo wir mit unsern zahmen Kamelen Gefahr liefen, vor Durst umzukommen; und doch finden sie nur in solcher Umgebung ihr Fortkommen und sind so scheu, daß sie, wenn sie in meilenweiter Entfernung eine Karawane wittern, tage- und nächtelang fliehen und man nur aus den frischen Spuren ersehen kann, daß sie erst ganz kürzlich aufgebrochen waren.

Wunderschön ist auch der Anblick einer durch unsere Annäherung oder vielmehr durch einen Büchsenschuß erschreckten fliehenden Herde. Sie sehen sich nicht um, sie fliehen bloß und sie fliegen über die Wüste dahin wie der Wind und verschwinden in einigen Minuten am Horizonte, um erst wieder Halt zu machen, wenn sie sich ganz sicher fühlen, weit, weit hinten im Sande.

Es gibt sowohl Mongolen als Muhammedaner, welche nur von der Jagd auf wilde Kamele im Kurruktag und den weiter östlich davon gelegenen Gegenden leben. Diese Jäger sind mit den Gewohnheiten und dem Leben der wilden Kamele durch und durch vertraut. Sie jagen die Weibchen nur während der Brunstzeit, wo die Männchen mörderische Gefechte um ihre Gunst ausfechten. Der Stärkste ist der Herrscher und kann mitunter mit 5–6 Weibchen umherwandern, während die Besiegten, die fürchterliche Wunden davontragen und denen oft große Stücke Fleisch an den Seiten herausgerissen sind, einsam und verschmäht in der Wüste leben und sich den Familienherden nicht zu nahen wagen, wahrscheinlich aber doch der Hoffnung auf Glück das nächste Mal leben. Die Wüste gewinnt durch ihr Erscheinen bedeutend an Leben, und die Männer werden ganz wild, sobald der Ruf erschallt: „java tuga“ (wilde Kamele)!

Einer unserer Jäger verfolgte einmal ein großes schwarzes Männchen, das einen Schuß in das Bein erhalten hatte, aber in südlicher Richtung weiterhinkte, volle zwanzig Stunden lang und kam müde und durstig zurück, ohne daß es ihm gelungen war, das Tier wieder in Schußweite zu bekommen. Wie sonderbar ist doch die Welt, in der diese Tiere leben, und doch müssen sie das Gefühl haben, daß außerhalb ihrer friedlichen Fluren der Feind lauert, denn sonst würden sie nicht eine so stark ausgeprägte Furcht vor den Menschen hegen. Ihre einzige Gesellschaft ist der Buran, der schwarze Sturm, der in dieser Gegend unumschränkt herrscht und mit dem auch wir in intime Beziehung gerieten.“

Diese von der südlichen Dsungarei durch Ostturkestan und Nordtibet verbreiteten wilden Kamele schützen sich wie ihre gezähmten Abkömmlinge vor diesen fürchterlichen Sandstürmen, indem sie ihre Nasenlöcher hermetisch verschließen. Sie besitzen zwei Höcker, wie die von ihnen in direkter Linie abstammenden, in Ost- und Mittelasien als Haustiere lebenden baktrischen Kamele oder Trampeltiere, nur sind sie kleiner als die vom Menschen gezüchteten Höcker. Diese sind, wie der Buckel des Zebus, Ansammlungen von Reservefett, die bei den gezähmten Formen ein Gewicht von 2–5 kg erlangen. Diese Höcker lassen sich durch Mästung wie beim Höckerrind zu extremen Dimensionen steigern, können aber durch längere Zeit fortgesetzte Anstrengung bei knapper Nahrung in wenigen Wochen zum Verschwinden gebracht werden. Das weiter durch Kultur veränderte einhöckerige Kamel oder Dromedar, das sich von seinem Ursprungslande Zentralasien am weitesten westlich nach Afrika hinein entfernte, ist artlich durchaus nicht von diesem zweihöckerigen Kamel oder Trampeltier verschieden. So hat es, wie Lombardini in Pisa 1879 nachwies, während des Fötallebens ebenfalls die Anlage zu zwei Höckern, die sich aber noch im Mutterleibe zu einem einzigen vereinigen. Für die Abstammungsgeschichte ist diese Tatsache von größter Wichtigkeit, indem wir so mit einer einzigen wilden Stammform auskommen, das zweihöckerige Kamel als die ursprünglichere zahme Rasse und davon das Dromedar als jüngere Zuchtrasse ableiten können.

Auch physiologische Gründe sprechen für die Zusammengehörigkeit beider Hauptrassen, indem sich das zwei- und einhöckerige Kamel leicht kreuzen lassen und fruchtbare Bastarde liefern, bei denen sich die Zweihöckerigkeit in ausgesprochener Weise geltend macht. Gleicherweise stimmen die geistigen Eigenschaften bei den Tierarten auffallend miteinander überein. Beide Formen sind wenig begabt, wie es die tiefe Stellung der Familie im Stammbaum der Wiederkäuer mit sich bringt; beide zeigen neben Indifferenz, Dummheit und störrischem Wesen eine auffallend geringe Anhänglichkeit an den Menschen. Immerhin ist das Trampeltier als die ursprünglichere Form gutartiger als das Dromedar, läßt sich leichter einfangen und gehorcht seinem Herrn williger.

Beide Tierarten gedeihen nicht auf üppiger Weide, sondern verlangen im Gegenteil dürre Steppenpflanzen, welche anderen Tieren kaum genügen würden, besonders aber Salzpflanzen. Dabei ist das Trampeltier noch bedürfnisloser als das Dromedar und frißt die bittersten und salzigsten Wüstenkräuter, die von den übrigen Steppentieren durchaus verschmäht werden. Dazu saufen sie selbst das äußerst salzhaltige Wasser der Steppe, das kein anderes Tier anrührt, und sind überhaupt auch darin höchst bedürfnislos. Aristoteles schreibt sogar von ihnen: „Die Kamele saufen lieber trübes als reines Wasser, und trüben es, wenn sie es rein vorfinden, erst absichtlich, wenn sie saufen wollen. Übrigens können sie recht gut vier Tage ohne Getränk aushalten, nehmen aber auch nachher desto mehr zu sich. Sie leben meist 30 Jahre, zuweilen auch bis hundert.“

Irgendwo in seiner zentralasiatischen Heimat ist das zweihöckerige Kamel, das Trampeltier (Camelus bactrianus) in vorgeschichtlicher Zeit vom Menschen gezähmt und in den Haustierstand übergeführt worden. Bis auf den heutigen Tag ist es ausschließlich auf Innerasien beschränkt und ist zu den Mongolen Ostasiens und nach dem südlichen Sibirien vorgedrungen. Hier überall bis tief nach China hinein ist es dem Menschen eines der nützlichsten Haustiere, das vorzugsweise als Lasttier, seltener zum Ziehen des Wagens und des Pfluges verwendet wird. Außer seiner Arbeitskraft verwendet man Fleisch und Fell und nutzt seine Milch und seine Haare aus. Mit ihm durchzieht man die wasserlosen Wüstenstrecken, in denen Pferde nicht zu gebrauchen sind und ihre Dienste versagen würden. Mit ihm erklimmt man Gebirge bis über 4000 m Höhe, in denen nur noch der Yak aushält. Brehm sagt von ihm: „Das Pferd ist der Genosse, das Trampeltier der Diener des Steppenbewohners.“

Derselbe Autor bemerkt: „Ein kräftiges Trampeltier legt mit 220 kg, ein sehr starkes mit noch 50 kg mehr täglich 30–40 km, mit der Hälfte der Last aber im Trabe fast das Doppelte zurück, vermag im Sommer 2 oder 3, im Winter 5–8 Tage zu dursten, halb so lange ohne Beschwerde zu hungern und beansprucht bei längeren Reisen nur alle 6–8 Tage eine Rast von 24 Stunden Dauer. In der Kirgisensteppe wird es übrigens nicht ausschließlich als Lasttier, sondern einzeln wie paarweise auch als Zugtier verwendet und tritt auf Flugsandstrecken sogar an Stelle der Postpferde.“ Doch geht es nur im Schritt und stößt dabei vielfach unwillige Laute aus, die einem auf die Dauer unangenehm werden.

Auf der Oberseite des Nackens haben die Trampeltiere, wie die von ihnen abstammenden Kamele, zwei Paar dichtstehender Drüsen, die beim Männchen in der Brunstzeit eine dunkle Schmiere absondern und dann die ganze Nackenmähne besudeln. Die Begattung wird vollzogen, indem sich das Weibchen, durch einige derb kneifende Bisse von seiten des Männchens in Hals, Höcker und Beine veranlaßt, wie sonst zur Belastung niederkniet. Das nach 12 Monate währender Tragzeit im Frühling geborene Junge von 30 cm Höhe entwickelt sich, von der Mutter an ihrem vierzitzigen Euter ein volles Jahr lang ernährt, rasch. Schon im zweiten Jahre beginnt man mit seiner Abrichtung, indem man dem Füllen die Nase durchsticht und ihm durch die so entstandene Öffnung den Zaumpflock durchsteckt. Im dritten Jahre wird es zu kurzen Ritten, im vierten zum Tragen leichter Lasten benutzt. Im fünften Jahre gilt es als erwachsen und arbeitsfähig und kann bei guter Behandlung bis zum 25. Jahre Dienste tun.

Tafel 41.

Kamele und Pferde in einem Hochzeitszug der Teke-Turkmenen.


GRÖSSERES BILD

Tafel 42.

Zweihöckeriges Kamel, sog. Trampeltier, aus Turkestan, von Karl Hagenbeck in Stellingen importiert.


GRÖSSERES BILD

Tafel 43.

Mit Kamelen pflügende Teke-Turkmenen in Merw.


GRÖSSERES BILD

Tafel 44.

Kamelkarawane in Biskra. (Nach einer Photographie von Dr. H. von Baeyer.)

Kirgisen auf dem Marsch; rechts dahinter eine Jurte.

Wie in Zentalasien und der Mongolei spielt das Trampeltier auch in China eine wichtige Rolle im Karawanenverkehr. Im südwestlichen Sibirien wird dasselbe seit der raschen Entwicklung der Landwirtschaft häufig vor den Pflug gespannt. Über den Ostrand Asiens vermochte es nicht vorzudringen, weil für die Küsten- und Inselgebiete der Büffel besser paßt. Während des chinesisch-japanischen Krieges wurde es zahlreich in China angekauft und nach Japan eingeführt; da man aber nichts mit ihm anzufangen wußte, verschwand es wieder von dort. Nach Westen ist das Trampeltier über Persien nach Mesopotamien und bis zum Kaukasus vorgedrungen, kommt auch sporadisch in Südrußland vor. In einer Grenzzone, die vom nördlichen Kleinasien durch Persien, Afghanistan und Beludschistan bis nach Indien reicht, findet sich das Trampeltier mit dem Dromedar zusammen. Südlich von dieser Mischzone findet sich überall ausschließlich das einhöckerige Kamel oder Dromedar (Camelus dromedarius), das als südliche, mehr wärmeliebende Abart von Syrien und Arabien aus in ganz Nordafrika die ausschließliche Herrschaft erlangte. In Arabien, Ägypten und Nubien wird seine Zucht stark betrieben, ebenso bei den Somalis und Gallas. Nach Süden ist es bis Sansibar, in Nordafrika bis Marokko und die Kanarischen Inseln vorgedrungen. Es ist das Gimel der alten Juden oder das Djemmel der Araber, aus welch letzterem die Griechen kámēlos machten, das dann als camelus zu den Römern gelangte. Der aus Sizilien gebürtige griechische Geschichtschreiber Diodoros sagt: „Arabien besitzt viele und vorzügliche Kamele, auch von der zweihöckerigen Rasse. Die Kamele sind den Einwohnern sehr nützlich, indem sie durch Milch und Fleisch treffliche Nahrung bieten und Menschen und Lasten tragen. Die leicht und schlankgebauten sind schnell und können durch wasserlose Wüsten große Tagesmärsche machen. Sie tragen auch im Kriege zwei Bogenschützen, wovon der eine nach vorn, der andere nach hinten gewendet sitzt. — Dromedare (vom griechischen dromeín, laufen) nennt man die schnellen Kamele, die in einem Tage beinahe 1500 Stadien (= 277 km) zurücklegen können.“ Und sein Volksgenosse Strabon schreibt: „Die in Zelten wohnenden Araber der dürren Wüste zwischen Mesopotamien und Coelesyrien bauen wenig Land oder gar keins an, haben aber Herden von allerlei Vieh, besonders von Kamelen“, und an einer andern Stelle: „Alexander der Große sandte Leute auf Dromedaren nach Ekbatana, welche in 11 Tagen den 30–40 gewöhnliche Tagereisen betragenden Weg zurücklegten.“

Älian berichtet: „Die Kamele am Kaspischen Meere sind zahllos, tragen viele, sehr weiche Haare, welche der feinsten Schafwolle nicht nachstehen. Priester und reiche Leute tragen daraus gefertigte Kleider.“ Der griechische Geschichtschreiber Herodot erwähnt sie mehrfach; so schreibt er: „Die Araber in der Armee des Xerxes (die 580 v. Chr. nach Griechenland zog) hatten sämtlich Kamele, die an Schnelligkeit den Pferden nicht nachstanden.“ — „Als Xerxes nach Griechenland gegangen war und nach Therma zog, fielen Löwen seine Kamele an.“ Weiter meldet er, wie Cyrus sich listigerweise die Unkenntnis dieser Tierart bei seinen Gegnern zu Nutzen machte: „Als Cyrus vor Sardes rückte, stellte sich ihm Krösus in der Ebene mit einer trefflichen Reiterei entgegen. Cyrus errang jedoch auf folgende Weise den Sieg: Vor seiner Armee stellte er alle Kamele, welche die Bagage des Heeres trugen, auf, nachdem er ihnen die Last abgenommen und bewehrte Männer hatte aufsitzen lassen. Hinter den Kamelen ordnete er die Fußsoldaten und hinter diesen die Reiter. Er sah voraus, daß die Pferde im Heere des Krösus, welche noch keine Kamele gesehen hatten, sich vor diesen Tieren fürchten würden. Die List gelang: denn die lydischen Pferde ergriffen gleich beim Zusammentreffen die Flucht, wodurch sich der Sieg für Cyrus entschied.“

Auch die Bewohner Roms bekamen zur Kaiserzeit gelegentlich morgenländische Kamele zu sehen; so erwähnt Suetonius in seiner Biographie des Kaisers Nero: „Kaiser Nero gab Spiele aller Art und zeigte bei denen im Zirkus auch Wagen, vor die vier Kamele gespannt waren.“ Das war damals noch etwas Neues. Erst der extravagante, in Syrien aufgewachsene Kaiser Heliogabalus (218–222 n. Chr.) ließ dieses in Italien als Wunder angestaunte Tier in größerer Menge dahin bringen, ja sogar als Rarität schlachten. Sein Biograph Älius Lampridius berichtet: „Heliogabalus schaffte sich 600 Wagen mit Kamelen an und sagte, das sei gar nicht viel; der König von Persien halte sich ja zehntausend Kamele. Er ließ sich auch öfter ein Gericht zubereiten, das aus Kamelfersen, aus von lebenden Hühnern abgeschnittenen Kämmen und aus Zungen von Pfauen und Nachtigallen bestand, weil man sagte, solch ein Gericht schütze vor Epilepsie. Überhaupt tischte er nicht selten Kamelbraten auf.“

Aus dem irgendwo in Innerasien schon in vorgeschichtlicher Zeit aus dem wilden Kamel gewonnenen Trampeltier ist durch einseitige Weiterzüchtung das Dromedar gewonnen worden. Beide Kamelrassen gelangten bereits scharf in ihren Sonderheiten ausgeprägt verhältnismäßig spät nach Westasien, wo sie uns erst zu Beginn des letzten Jahrtausends v. Chr. in Assyrien entgegentreten. So finden wir auf dem berühmten schwarzen Obelisken von Nimrud im Britischen Museum in London, wie dem assyrischen Könige Salmanassar II. (860 bis 825 v. Chr.), der den größten Teil Syriens eroberte und in Kalach einen prächtigen Palast erbaute, ein recht naturgetreu dargestelltes zweihöckeriges Kamel als Tribut gebracht wird. Dann ist uns in Kujundschik, wie auch in Nimrud die Darstellung je eines beladenen einhöckerigen Kameles erhalten geblieben. In Niniveh fand Place ein Basrelief aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert, auf dem ein assyrischer Bogenschütze auf einem Dromedar reitend dargestellt ist.

In den jüngeren Epochen der jüdischen Geschichte wird uns mehrfach von südarabischen Karawanenzügen berichtet, die aus Tragkamelen bestanden. Es war dies zu einer Zeit, da die Juden selbst noch keine solchen besaßen, sondern sich ausschließlich der Esel zum Lastentragen bedienten. Nach Ägypten kam das Kamel von Syrien aus erst im 4. Jahrhundert v. Chr., wie Adolf Erman feststellte. Erst von jener Zeit an lassen sich Terrakotten mit Kameldarstellungen und Urkunden über Verkäufe dieser Tiere in Ägypten nachweisen. Plinius berichtet, daß zu seiner Zeit, also um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., eine Karawanenverbindung von Koptos am oberen Nil nach Berenike am Roten Meer mit Kamelen bestand. Später schildert Philostratus einen Touristenverkehr nach den Pyramiden mit Kamelen. Aber erst Ammianus Marcellinus weiß 353 von räuberischen Wüstenbewohnern zu berichten, die mit ihren Kamelen bis zu den Nilkatarakten hin schweiften.

Sehr langsam drang das Kamel im Altertum vom Niltal weiter westlich über Nordafrika vor. Erst im sogenannten afrikanischen Krieg, den Cäsar gegen die Pompejaner und den mit ihnen verbündeten König Juba von Numidien führte, wird berichtet, daß nach der Niederlage von Thapsus im Jahre 48 v. Chr. 24 Kamele mit dem Throne jenes Königs erbeutet wurden. Während der friedlichen Kaiserzeit wird sich das Kamel weiter über Nordafrika verbreitet haben. So wird auf den bildlichen Darstellungen des heiligen Menas, eines Offiziers aus Ägypten, der 296 während der Diocletianischen Christenverfolgung den Märtyrertod erlitt und Gegenstand eines speziellen Kultes in der Oase von Mariût auf der Karawanenstraße zwischen Karthago und Alexandrien wurde, stets das Kamel dargestellt. Erst kürzlich sind dessen Heiligtümer vom Frankfurter Archäologen Karl Kaufmann ausgegraben worden. Jedenfalls fand das germanische Volk der Vandalen, als es 439 unter Geiserich von Spanien nach Afrika übersetzte, ziemliche Herden von Kamelen bei den Nomadenstämmen um das Atlasgebirge. Eine neue Zuwanderung nomadisierender Elemente fand mit den Arabern von Osten her statt, die jedenfalls auch Kamele mitbrachten und der Zucht dieses Tieres in Nordafrika besondere Aufmerksamkeit schenkten.

Ist das Kamel auch ein ausgesprochenes Wüstentier und jetzt das einzige Transportmittel, das für die Wüste Sahara in Betracht kommt, so ist es gleichwohl bei den Stämmen im Innern nicht häufig, sondern wird nur von den Beduinen der Randsteppen in größeren Herden gehalten. Es gedeiht nur in einem heißen, trockenen Klima und wird in den verschiedensten Rassen gezüchtet, in großen, schweren Formen, die mehr zum Tragen schwerer Lasten bis zu 400 kg geeignet sind, und in zierlichen, schlanken, leichten Reitkamelen, den Meharis. Das Heimatszentrum der letzteren ist Arabien, das heute noch die schnellsten Läufer liefert, dasjenige der letzteren dagegen Ägypten.

Südlich vom Wüstengürtel der Sahara hat das Kamel keine größere Verbreitung erlangt. Auch in Südeuropa gedeiht es nur an einigen wenigen Orten, so in der auf einer Ebene bei Pisa gelegenen Kamelstüterei von San Rossore, wo 1810 40, 1841 41 und später etwa 200 Kamele lebten. Von diesen stammt die Mehrzahl der auf den Jahrmärkten bei uns gezeigten Tiere. Dort wurden sie 1622 von Ferdinand II. von Toskana und ein zweites Mal 1738 eingeführt. Der Versuch, das Kamel in Sizilien einzuführen und dort als Lasttier in den Schwefelbergwerken zu gebrauchen, scheiterte an der Feuchtigkeit des Klimas. In Spanien scheint es besser zu gedeihen.

Gleich nach der Eroberung Perus suchte man das Kamel auch hier einzuführen. So sah Garcilasso um 1550 kleine Herden, die Juan de Reinaga eingeführt hatte; sie hatten damals wenig oder keine Jungen. 1570 sah dann Acosta neu von den Kanaren eingeführte Tiere. Um 1750 versuchte man sie auf Jamaika einzuführen. Als man sie aber hatte, wußte man nichts mit ihnen anzufangen. 1800 traf A. v. Humboldt Kamele von den Kanaren in Venezuela. Um 1845 gab es Kamele in Bolivien. Doch kamen sie hier überall herunter, weil ihnen der Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu groß war. Auch in Nordamerika konnten sie sich auf die Dauer nicht halten. So führte im Jahre 1856 die Regierung der Vereinigten Staaten 57 aus Smyrna bezogene Dromedare in Texas, Arizona und Neumexiko ein, die während des nordamerikanischen Bürgerkriegs sämtlich in die Hände der Konföderierten fielen. Von ihnen wurden sie zur Beförderung der Post gebraucht und legten im Tag angeblich bis gegen 200 km zurück. Zu den beim Friedensschluß noch lebenden und von der Regierung der Vereinigten Staaten wieder übernommenen Tieren wurden 1866 neu eingeführte gesellt, die mit den alten zu Züchtungszwecken über Arizona und Texas verteilt wurden. Da jedoch viele starben und der Versuch, das Dromedar in Nordamerika zu züchten, mißglückte, ließ man die Überlebenden laufen, und es scheint, daß in den wilden Gegenden von Kalifornien und Arizona noch heute welche leben; diese führen im Laufe des Jahres weite Wanderungen aus. In Australien hat sich das Dromedar besser eingebürgert und bei der Erforschung der inneraustralischen Wüsten sehr große Dienste geleistet. Die erst vor drei Jahrzehnten aus Afghanistan eingeführten Tiere werden gegenwärtig in Westaustralien stark benutzt. Die deutsche Regierung führte sie beim letzten Aufstand der Bastardhottentotten auch in ihrer südwestafrikanischen Kolonie ein, wo sie sich bis heute gut erhielten und trefflich bewährten.

Außer in Arabien und Mesopotamien wird auch in Persien, Afghanistan, Beludschistan und in den Somaliländern die Kamelzucht sehr stark betrieben. Das Reitkamel vermag 16 Stunden lang zu traben und legt dabei bequem eine Entfernung von 140 km zurück. Ordentlich gefüttert und getränkt vermag es ohne Rasttag dazwischen 3–4 Tage solche Anstrengung auszuhalten. Die Lastkamele aber durchmessen mit einer bis 250 kg schweren Last in 12 Stunden bis 50 km. Außer durch ihre Arbeit nützen die Kamele auch durch ihre dicke, fette Milch, die bei den Beduinen besonders an Pferdefüllen verfüttert, sonst auch vom Menschen genossen wird. Die jungen Tiere dienen als Fleischlieferanten. Die ausgehende Wolle dient zur Herstellung von Tuch und Stricken, aus den elfenbeinharten Knochen werden allerlei Drechslerwaren angefertigt. In der Wüste ist ihr Dünger das einzige dem Menschen zur Verfügung stehende Brennmaterial. Nach Denham und Clapperton haben die Kamele der Tibbukuriere kleine Körbe unter dem Schwanze. Mit dem darin angesammelten Dünger kochten dann die Reiter abends ihren Kaffee. Der Schweiß der Kamele ist so salzig, daß die Schafe und Ziegen ihn lecken. Ein junges oder schwaches Kamel kostet manchmal nur 30 Mark, während ein gutes Lastkamel mit 90 und ein Reitdromedar mit 200–300 Mark unseres Geldes bezahlt wird. Die geschätztesten Tiere werden in der Nedjed genannten unwirtlichen Hochebene Mittelarabiens gezüchtet und weithin exportiert.

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