XII. Kaninchen und Meerschweinchen.

Eine ebenfalls junge Erwerbung wie das Renntier ist das Kaninchen (Lepus cuniculus), das sich durch weit geringere Größe, schlankeren Bau, kürzeren Kopf, kürzere Ohren und kürzere Hinterbeine vom eigentlichen Hasen unterscheidet. Es ist gegenwärtig über ganz Süd- und Mitteleuropa verbreitet und an manchen Orten recht gemein. Am zahlreichsten trifft man es in den Mittelmeergegenden, obgleich man dort keine Schonzeit kennt und es das ganze Jahr hindurch verfolgt. Besonders zahlreich muß es im östlichen Teil des Mittelmeergebiets gelebt haben, da die alten Schriftsteller Spanien als seine Heimat bezeichnen. In England und in manchen von dessen Kolonien wurde es der Jagdlust zuliebe in verschiedene Gegenden verpflanzt und anfangs sehr hochgehalten. Noch im Jahre 1309 war es dort so selten, daß ein wildes Kaninchen ebensoviel als ein Ferkel kostete. In Nordeuropa ist es ihm schon zu kalt; so hat man bis jetzt vergeblich versucht, es in Rußland und Schweden einzubürgern.

Das wilde Kaninchen verlangt hügelige, sandige Gegenden, die von niederem Gebüsch bedeckt sind, in dem es sich verstecken kann. In den lockern Boden gräbt es sich am liebsten an sonnigen Stellen und in Gesellschaft einen einfachen Bau, bestehend aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in einem Winkel dazu gebogenen Röhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Jedes Paar hat seine eigene Wohnung und duldet kein anderes Tier darin. Mit scharfen Sinnen ausgestattet, ist das Kaninchen äußerst vorsichtig, lebt fast den ganzen Tag in seiner Höhle und rückt erst gegen Abend auf Äsung aus, indem es lange sichert, bevor es den Bau verläßt. Bemerkt es Gefahr, so warnt es seine Gefährten durch starkes Aufschlagen der Hinterfüße auf die Erde, und alle eilen so rasch als möglich in ihren Bau zurück oder suchen sonst ein Schlupfloch zu finden. Wie die Häsin geht das Kaninchen 30 Tage schwanger und setzt bis zum Oktober alle 5 Wochen 4–12 Junge in einer besonderen Kammer, die es vorher mit der Wolle von seinem Bauche reichlich ausgefüttert hat. Einige Tage hindurch sind die Kleinen blind, doch rasch entwickeln sich ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten, so daß sie schon nach dem nächsten Satze der Pflege der um sie sehr besorgten Mutter entraten können. Sie erreichen erst im 12. Monat ihr völliges Wachstum, sind aber in warmen Ländern schon im fünften, in kalten im achten Monate fortpflanzungsfähig.

Durch diese ihre ungeheure Fruchtbarkeit sind die Kaninchen noch schädlicher als die Hasen, indem sie mit Vorliebe Baumrinden abnagen, wodurch oft ganze Pflanzungen eingehen. Wo sie sich vor Verfolgungen sicher wissen, werden sie ungemein frech und vertreiben durch ihr unruhiges Wesen das andere Wild, vor allem Hasen und Rehe. In Gegenden, die zu ihrer Entwicklung günstig sind, können sie zu einer wirklichen Landplage werden und die Bewirtschaftung des Bodens außerordentlich benachteiligen. Wenn sie einmal die Oberhand gewonnen haben, sind sie kaum mehr zu beseitigen. So haben sie sich in manchen Gegenden, so namentlich in Spanien und auf den Balearen, schon im Altertum so stark vermehrt, daß man auf Maßnahmen zu ihrer Zurückdrängung sann. Der griechische Geschichtschreiber Strabon im 2. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „In Spanien gibt es wenige schädliche Tiere mit Ausnahme der den Boden durchwühlenden Häschen, welche von einigen Kaninchen genannt werden. Sie zerstören die Pflanzungen und Saaten und sind bis Massalia (dem heutigen Marseille) und auch über die Inseln verbreitet. Die Bewohner der gymnesischen Inseln (Balearen) sollen einmal eine Gesandtschaft nach Rom geschickt und um eine andere Insel gebeten haben, weil sie über die Menge der Kaninchen nicht mehr Herr werden konnten.“ An einer anderen Stelle sagt dieser Autor: „Auf den gymnesischen Inseln sollen die Kaninchen nicht ursprünglich heimisch sein, sondern von einem Pärchen stammen, das von der Küste dahin gebracht wurde. Sie haben in der Folge Bäume und Häuser so unterwühlt, daß sie umstürzten. Jetzt weiß man ihre Zahl so weit zu beschränken, daß die Felder bebaut werden können. Übrigens verfolgt man sie mit Frettchen, die man in ihre Höhlen schickt.“

Nach allem scheinen die Griechen das Kaninchen ursprünglich nicht gekannt zu haben, sonst hätten sie einen besonderen Namen zu seiner Bezeichnung gehabt. Sie lernten es erst von Westen her kennen und nannten es nach dem lateinischen cuniculus kóniklos oder nach dem lateinischen lepus lebērís. Über diese Kaninchen, die den Römern sehr wohl bekannt waren, schreibt der ältere Plinius: „In Spanien und auf den balearischen Inseln, wo die Kaninchen ungeheuren Schaden anrichten, so daß man sich von dort aus einst vom Kaiser Augustus militärische Hilfe gegen diese Tiere erbat, bereitet man deren aus dem Nest genommene Junge als Leckerbissen zu. Der Kaninchenjagd wegen schätzt man dort die Frettchen sehr hoch. Man läßt sie in den unterirdischen, mit vielen Röhren versehenen Bau; die Bewohner fliehen dann eilig heraus und werden gefangen.“ Auf den Pityusen, damals Ebuso genannt, gab es im Gegensatz zu den Balearen, wo sie also nach Strabon in einem einzigen Pärchen von der spanischen Küste eingeführt wurden, keine Kaninchen, wie uns Plinius berichtet, dagegen waren sie nach dem griechischen Geschichtschreiber Polybios auf Korsika vorhanden; er nennt sie kýniklos.

Im Gegensatz zum Hasen, der bei den Römern häufig auf den Tisch kam — nach Lampridius soll Kaiser Alexander Severus täglich Hasenbraten gegessen haben — war das Kaninchen, wenigstens in Italien nur wenig als Speise gebräuchlich. Einzig Martial, freilich ein Spanier von Geburt, führt es mit einigen charakteristischen Versen unter den Küchenartikeln auf. Von einem Halten des Kaninchens als Haustier ist selbst in Spanien, das dieses Tier als für das Land charakteristisch auf einigen Münzen der römischen Kaiserzeit abbildete, im Altertum nirgends die Rede. Sie mag frühestens zu Beginn des Mittelalters in Südwesteuropa ihren Anfang genommen haben und nahm erst im späteren Mittelalter einen größeren Aufschwung, der hauptsächlich den Klöstern zu verdanken ist. So ließ sich der Abt Wibald von Corvey 1149 zwei männliche und zwei weibliche Kaninchen aus Frankreich kommen. Später begann man auch an den weltlichen Höfen Kaninchen in Gehegen zu halten, um den Damen ein müheloses Jagdvergnügen zu gewähren. Da man dabei die Schädlichkeit des Kaninchens kennen lernte, das das andere Wild verjagte, hörte man mit diesem Sport bald auf und begnügte sich, das genügsame Tier auf Inseln anzusiedeln, wo seiner unbegrenzten Vermehrung einigermaßen gesteuert werden konnte. So waren Kaninchen überall auf den Italien umgebenden Inseln vorhanden. Zur Zeit der fränkischen Herrschaft wurden sie auch auf den Kykladen, d. h. den Inseln des Ägäischen Meeres, angesiedelt, wo sie heute noch auf den Inseln vorkommen, auf denen es keine Hasen gibt. Nur auf der größeren Insel Andros hat es sich so mit seinem Vetter in das Gebiet geteilt, daß die Kaninchen den einen und die Hasen den anderen Teil der Insel bewohnen. Nach Olivier gibt es auch bei Konstantinopel im Marmarameer eine Kanincheninsel. Im Jahre 1407 hielt man schon Kaninchen auf der nach ihnen genannten Insel im Schwerinersee. 1684 erfahren wir, daß sie ein Rostocker Ratsherr auf den Dünen Warnemündes ausgesetzt hatte, aber erst nachträglich an den von ihnen angerichteten Verwüstungen sah, welche Dummheit er damit gemacht hatte. Noch im 16. Jahrhundert kannte man weder im Rheinland, noch in Mitteldeutschland wilde Kaninchen, dagegen kannte sie Schwenckfeld 1603 zahm und in den Häusern gehalten. 1612 sah sie der Nürnberger Paul Hetzner auf einem Kaninchenwerder der Königin Elisabeth von England als Merkwürdigkeit. Seit 1596 leben sie auf Helgoland und seit 1699 auf den ostfriesischen Inseln.

Eine besondere Bedeutung erlangten die Kaninchen als leicht zu transportierende Nahrung für den Menschen im Zeitalter der Entdeckungen. Um allfälligen Schiffbrüchigen ihre Existenz zu erleichtern, setzten die schiffahrenden Portugiesen auf kleineren und größeren Inseln, die sie ohne Tiere antrafen, außer Ziegen auch Kaninchen aus. Schon Perestrello, der erste Besiedler der Insel Porto Santo in der Nähe von Madeira, brachte 1418 hierher Kaninchen mit, die sich aber, da Feinde fehlten, in wenigen Jahrzehnten derart vermehrt hatten und solche Verwüstungen auf der Insel anrichteten, daß die Ansiedler zum Aufgeben ihrer Niederlassungen gezwungen wurden. Im Laufe der Zeit bildete sich hier eine Lokalrasse aus, die um die Hälfte kleiner und im Pelz oben rötlich und unten blaßgrau wurde. Sonst kehren die wilden Kaninchen meist zur ursprünglichen grauen Färbung ihrer Ahnen zurück. Auch auf Teneriffe kommen wilde Kaninchen vor; sie sind gleichfalls klein und sehr scheu, graben keine Löcher, was im vulkanischen Boden auch nicht möglich wäre, sondern wohnen in den Spalten zwischen den Lavablöcken. Weiterhin leben welche auf St. Helena, Ascension, dann auf Jamaika und den Falklandinseln.

In der Äquatorialprovinz Afrikas suchte Emin Pascha vor einem Menschenalter Kaninchen einzuführen. In Südafrika haben die vorsichtigen Holländer ihre Einführung auf dem Festland durch strenge Strafbestimmungen zu verhindern gewußt. Nur auf den kleinen Inseln in der Hafenbucht der Kapstadt wurden sie angesiedelt. In Batavia wollten sie 1726 nicht recht gedeihen, da es ihnen wohl zu warm war. Dagegen haben sie neuerdings in den Kulturrassen als Haustier in Japan großen Beifall gefunden. Ganz schlimme Erfahrungen machte man mit den wilden Kaninchen in Australien und Neuseeland, wo sie unbedachterweise zur Frönung der Jagdlust ausgesetzt wurden. Bald wurden sie hier zu einer fürchterlichen Landplage, indem sie die Weideplätze der Kühe und Schafe kahl fraßen. Schon im Jahre 1885 gab die Regierung von Neusüdwales etwa 15 Millionen Mark aus, um dem Übel zu wehren; doch vergebens. Gift, Schlingen, Frettchen, Hermeline, Mangusten und andere Raubtiere, die eingeführt wurden, nützten nichts. Diese Tiere vermehrten sich zwar, hielten sich aber nicht an Kaninchen, sondern an das Hausgeflügel der Ansiedler, so daß sie selbst eine fast ebenso schlimme Plage als die Kaninchen wurden. Selbst der Versuch, eine ansteckende Krankheit unter den Kaninchen zu verbreiten, nützte nichts. Deshalb bleibt die Vertilgung der Kaninchen nach wie vor besonderen Kaninchenfängern vorbehalten, die das Land in Gesellschaften durchziehen und bald hier, bald dort ihr Lager aufschlagen. Um neue Einwanderungen von Kaninchen in die von ihnen gesäuberten Gegenden zu verhindern und bis jetzt kaninchenfreie Ländereien vor ihrer Einwanderung zu verschonen, hat man meilenweite Einfriedigungen aus Drahtnetzen gezogen, unter denen eine im Auftrage der Regierung der Kolonie Viktoria errichtete über 1120 km lang ist. Bis jetzt ist es freilich noch in keiner australischen Kolonie gelungen, der Plage Herr zu werden. An vielen Orten ist der Boden ganz unterwühlt von den Nagern, an andern ist der Wald durch sie eingegangen.

Ebenso wie in Australien spielt unter den in Neuseeland eingeführten Tieren das dort vor etwa 45 Jahren eingeführte Kaninchen eine äußerst verhängnisvolle Rolle. Es hat sich in manchen Gegenden Neuseelands so stark vermehrt, daß man sogar gedacht hat, ihm diese Gegenden ganz preiszugeben. Auch in verschiedenen Gegenden Südamerikas wurden sie eingeführt, doch vermehrten sie sich hier nirgends im Übermaß, da sie die natürlichen Feinde in Schranken hielten. In Mexiko und Peru scheinen sie ziemlich häufig zu sein.

Das Wildbret des Kaninchens ist weiß und wohlschmeckend. Die feinen Haare des Pelzes werden wie diejenigen des Hasen zur Herstellung von Filzhüten verwendet. In der römischen Kaiserzeit stopfte man damit Kissen, bis man von den als Barbaren verachteten Germanen die Verwendung der Daunenfedern der Gans zu diesem Zwecke kennen lernte.

Die Domestikation hat beim Kaninchen eine Reihe von Veränderungen hervorgerufen, auf die schon Darwin aufmerksam machte. Vor allem haben die Hauskaninchen bedeutend an Gewicht zugenommen; während das wilde Kaninchen ein Gewicht von höchstens 2 kg besitzt, gibt es zahme Rassen, deren Vertreter 5–6 kg schwer werden. Dies wurde erzielt durch Zufuhr reichlicher, nahrhafter Kost in Verbindung mit wenig Körperbewegung und infolge der fortgesetzten Zuchtwahl der schwersten Individuen. Dann hat die Länge und Breite der Ohren durch künstliche Züchtung enorm zugenommen, so daß sie infolge ihres erheblichen Gewichtes nicht mehr aufrecht getragen werden können, sondern hängend geworden sind. Bei den größeren Rassen hat der Schädel an Länge zugenommen, aber nicht im richtigen Verhältnis zur Längenzunahme des Körpers. Auch manche Schädelteile weisen erhebliche Veränderungen auf gegenüber denjenigen der wildlebenden Vertreter. Im richtigen Verhältnis zum vergrößerten Körpergewicht sind die Extremitäten kräftiger geworden, haben aber durch Mangel an gehöriger Körperbewegung nicht im richtigen Verhältnis an Länge zugenommen. Die ursprünglich graue Färbung ist verschieden geworden, teils ist sie in Braun, Schwarz, Weiß oder Scheckfärbung übergegangen.

Beim Angora- oder Seidenkaninchen ist ein sehr reichlicher, weicher Pelz von seidenartigem Glanze erzielt worden, der hoch im Preise steht. Es soll ursprünglich in Kleinasien gezüchtet worden sein und kam am Ende des 18. Jahrhunderts nach Europa. Es ist sehr zart und verlangt eine sorgfältige Pflege. Meist wird es einfärbig weiß gezüchtet; doch gibt es auch schwarze, gelbe und graue Sorten.

Das Silberkaninchen gehört zu den kleineren Schlägen. Sein Gewicht beträgt 2,5 bis 3,5 kg. Auf dem rundlichen Kopfe sitzen die aufrechtstehenden Ohren an der Wurzel nahe bei einander. Die Färbung ist gewöhnlich grau mit einem silberähnlichen Anflug; auch blaue, braune und gelbe Nuancen kommen vor. Das Fell spielt als Handelsartikel eine nicht unerhebliche Rolle und wird von den Kürschnern zu Pelzwerk verarbeitet. Ihm nahe steht das graue bis schneeweiße russische Kaninchen, dessen Nasen, Ohren, Pfoten und Schwanz allein schwarz sind. Es besitzt eine herabhängende Wamme am Hals. Aus seinem Pelz werden Hermelinpelzimitationen hergestellt.

Ein kurzhaariger Schlag mit langgestrecktem Körper und kurzen, aufrechtstehenden Ohren, von Farbe schwarz und weiß gescheckt, ist das englische Scheckenkaninchen. Ein noch bunter geschecktes Kaninchen, dessen Fell außer Schwarz und Weiß auch Gelb in buntester Mischung aufweist, ist neuerdings als „japanisches Kaninchen“ importiert worden, ohne indessen bisher eine weitere Verbreitung gefunden zu haben. In Frankreich und England wird besonders das Widderkaninchen (lapin bélier) gezüchtet. Es verdankt seinen Namen dem stark geramsten Kopf, der ungemein lange und schlaff herabhängende Ohren besitzt. Es erreicht ein Gewicht von 5–6 kg und besitzt ein wohlschmeckendes, zartes Fleisch, weshalb es viel gezüchtet wird. Sein Fell ist kurzhaarig und schwarz, grau, weiß, gelb oder blau, auch gescheckt.

Das Kaninchen hat man auch schon mit dem Feldhasen zu kreuzen vermocht. Die so erhaltenen Bastarde nennt man Leporiden. Sie haben nach W. Hochstetter eine große Ähnlichkeit mit dem Feldhasen, sind hasengrau mit rostgelbem Nacken, tragen schwärzlich geränderte Ohren und sind fruchtbarer als alle reinen Kaninchenrassen. Ihr Fleisch ist sehr wohlschmeckend, und bereits nach sechs Monaten erreichen sie ein Gewicht von 3–4 kg.

Die Kaninchen sind die einzigen Nagetiere, die wirtschaftlich für uns von Bedeutung geworden sind. Als leicht zu erlangende Warmblüter dienen sie mit Meerschweinchen, Ratten und Mäusen sehr oft zu Einimpfungs- und Vivisektionsversuchen, können deshalb mit Recht auch als „Märtyrer der Wissenschaft“ bezeichnet werden. Unter diesen spielt jedoch das Meerschweinchen (Cavia cobaya) als Versuchstier der Physiologen und Bakteriologen die weitaus erste Rolle, da es sehr fruchtbar und leicht zu halten ist. Wenn es auch vielfach bei uns zum Vergnügen gehalten wird, so hat es doch bei uns keinen praktischen Nutzen gefunden. Allerdings in seiner alten Heimat Südamerika ist es von den alten Peruanern, wie seinerzeit das Kaninchen in Europa, der Fleischnutzung wegen gezüchtet und zum Haustier erhoben worden. Im altperuanischen Gräberfeld von Ancon fand man nicht selten Überreste von offenbar einst als Haustier gehaltenen Meerschweinchen, die nach Nehring sowohl äußerlich in der Färbung, wie auch durch ihren anatomischen Bau in der Mitte stehen zwischen der wilden Art Südamerikas und dem zahmen Meerschweinchen der Gegenwart. Die altperuanischen Hausmeerschweinchen besaßen, wenn auch schon als offenkundiges Haustiermerkmal Weiß auftrat, im allgemeinen noch immer die dunkelbraune, fein gesprenkelte „Wildfarbe“, die durch verschiedenfarbige Ringelung der einzelnen Haare entsteht. Daneben hatten sie die schlankere, schärfer umrissene Schnauze und das festere Gefüge des Schädels, das sich besonders in dem keilförmigen Einspringen der Nasenbeine in die Stirnbeine ausspricht. Diese Unterschiede mögen wohl auf veränderte Lebensbedingungen zurückzuführen sein. Jedenfalls waren sie bei den alten Peruanern noch nicht in so strenger Haft gehalten wie die heutigen Nachkommen und lebten wohl noch ziemlich frei in und um die Hütten der Eingeborenen herum.

Diese mehr einfarbigen, schlanken, spitzschnauzigen Vorfahren unseres heutigen weißbunten, fettleibigen und dickköpfigen Meerschweinchens stellen also Mittelglieder zwischen letzterem und der noch heute in Peru wildlebenden Stammform Cavia cutleri dar. Außer als Nahrung benutzten die alten Peruaner sie auch als Opfer für die Götter. Nach Rengger zähmen die Indianer in Paraguay noch heute die dem wilden Meerschweinchen Perus entsprechende Form der Ostabhänge der Anden, die Cavia aperea, und diese pflanzt sich auch in der losen Gefangenschaft, in der sie gehalten wird, leicht fort. Im Laufe des 16. Jahrhunderts kam dann das peruanische Hausmeerschweinchen durch die Spanier wohl nur als Spielerei nach Europa. Speziell den Holländern ist dessen Einführung nach Mitteleuropa zu verdanken. In der Schweiz erwähnt es 1554 zuerst der Züricher Naturforscher Konrad Geßner (1516–1565). Doch war es damals in Mitteleuropa noch recht selten. Weil es übers Meer zu ihnen gekommen war und in seiner kurzbeinigen Dickleibigkeit einem Schweinchen glich, nannten es die Deutschen Meerschweinchen, während es die Engländer als guinea-pig bezeichneten. Die Färbung ist sehr verschieden. So berichtet schon der Leibarzt der reichen Fugger in Augsburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Munzinger, von ganz weißen und ganz braunen Meerschweinchen. Jetzt sind die meisten Formen schwarz, rotgelb und weiß gefleckt; ein Teil ist ganz weiß mit roten Augen. Es sind dies also richtige Albinos. Neben diesen kurzhaarigen Rassen gibt es auch eine sehr langhaarige unter der Bezeichnung Angorameerschweinchen. Bildet ihre Behaarung an verschiedenen Körperstellen eigentümliche Wirbel, so spricht man von Struppmeerschweinchen.

In seinem Benehmen ist das Meerschweinchen ein Mittelwesen zwischen Kaninchen und Mäusen. Sein Lauf setzt sich aus einer Reihe kurzer Sprünge zusammen und ist keineswegs sehr schnell. Fühlen sie sich wohl, so lassen sie eine Art sanften Murmelns vernehmen; erschreckt quieken sie wie die Schweine. Bei uns werfen die Weibchen 2 bis 3 mal im Jahre 2–3, auch 4 oder 5, in heißen Ländern sogar 6–7 Junge. Diese werden in einem hochentwickelten Zustand mit offenen Augen geboren und laufen schon nach wenigen Stunden hinter der Mutter her. Sie werden nur etwa 14 Tage lang von der Mutter gesäugt und während dieser Zeit liebevoll behandelt. Vom zweiten Tage an fressen sie neben der Muttermilch auch Grünes und sind vom Ablauf der 4. Woche an selbständig. Nach 5–6 Monaten sind sie fortpflanzungsfähig und haben schon nach 8–9 Monaten ihre vollkommene Größe erreicht. Bei guter Behandlung können sie ihr Leben auf 6–8 Jahre bringen. Sie sind der Wärme bedürftig und müssen an einem trockenen Ort gehalten werden. Gegen rauhe und kalte Witterung sind sie sehr empfindlich und gehen dann leicht zugrunde. Wenn man sich viel mit ihnen abgibt, werden sie ungemein zahm und zutraulich, obwohl sie ihre Furchtsamkeit nie gänzlich ablegen und bei ihren geringen geistigen Fähigkeiten selten dahin gelangen, den Wärter von andern zu unterscheiden. Im ganzen bleiben sie stumpfsinnig und wenig anhänglich. Nur in Oberschlesien ißt man sie wie in ihrer Heimat Peru.

Endlich ist noch von der zahmen Hausmaus (Mus musculus domesticus) zu reden, die in Ostasien zum Haustier erhoben wurde und neuerdings auch bei uns in den verschiedensten Zeichnungs- und Färbungsformen gezüchtet wird. Nach ihrer Herkunft werden sie als chinesische und japanische Ziermäuse unterschieden. Die chinesischen Mäuse, die in ihrer Heimat auch vom Menschen gegessen werden, unterscheiden sich von unserer wilden Hausmaus und von der gewöhnlichen weißen Maus nur durch die Färbung und Zeichnung und zerfallen in eine große Anzahl Rassen. Es gibt einfarbig schwarze, dann solche mit ganz kleinen weißen Abzeichen an verschiedenen Körperstellen, ferner schwarz- und weißgescheckte, einfarbig graue, grau- und weißgescheckte, braune, braun- und weißgescheckte, hell- und dunkelgelbe und gelbgescheckte Mäuse. Alle diese haben meist schwarze Augen; nur gelbe Mäuse kommen auch mit roten Augen vor. Sonst finden sich letztere regelmäßig bei den noch nicht aufgezählten Rassen, den fahlen, den fahl- und weißgescheckten und den blauen Mäusen, deren Färbung von Aschgrau bis Mohnblau wechselt. Diese blauen Mäuse unterscheiden sich von den fahlen dadurch, daß ein gelblicher, bräunlicher oder rötlicher Farbenton bei ihnen fehlt. Zu ihnen gesellen sich blaue Mäuse mit wenig bis viel Weiß und endlich die schon seit langer Zeit in Europa gezüchteten einfarbig weißen Mäuse mit roten Augen. Übergänge zwischen den aufgezählten Rassen finden sich nur selten. Als Übergänge zwischen fahlen und gelben Mäusen kann man die gelben Mäuse mit roten Augen betrachten. Sonst kommen nur Übergänge zwischen grauen und gelben Mäusen vor, nämlich graue Mäuse mit Gelb und gelbe Mäuse mit Grau meliert. Andere Übergänge hat man trotz zahlloser Züchtungsversuche nicht erhalten, und vor allem ist es auch nie gelungen, Mäuse zu züchten, die gleich den meisten Meerschweinchen dreifarbig gescheckt sind.

Nicht minder wunderbare Züchtungsprodukte haben die Japaner aus der gemeinen Hausmaus zu machen verstanden. Die japanischen Ziermäuse unterscheiden sich von den chinesischen durch geringere Körpergröße, zierlichere Formen, namentlich spitzen Kopf, vor allem aber durch die merkwürdige Eigenschaft, daß sie, wenn sie irgend ein Ziel erreichen wollen, nicht geradewegs darauf losgehen, sondern schwankenden Ganges hin und her wackeln, wobei sie häufig in eine drehende Bewegung geraten, ja nicht selten auf einem Fleck so schnell herumwirbeln, daß man Kopf- und Schwanzende nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Sie lieben es auch, um die runden Futternäpfe im Kreise herumzulaufen und um Pflöcke, die man auf dem Boden ihres Käfigs befestigt hat, herumzutanzen. Oft führen zwei zusammen einen Wirbeltanz aus. Diese sogenannten japanischen Tanzmäuse zieht man in ihrer Heimat gewöhnlich in zwei Rassen, nämlich in schwarzweißem und blauweißem Kleide. Bei beiden Rassen überwiegt das Weiß, und Schwarz und Blau sind jeweilen am Kopfende angehäuft. Nur selten erhält man auch fahl und weiß gescheckte Tanzmäuse. In Frankfurt a. M. ist es indessen neuerdings gelungen, zahlreiche verschiedenartige Tanzmäuse zu züchten, und nach den dort angestellten Vererbungsversuchen lassen sich die Tanzmäuse in denselben 19 verschiedenen Färbungs- und Zeichnungsformen züchten, wie die chinesischen Mäuse, so daß es im Ganzen 38 verschiedene Hauptrassen von Ziermäusen gibt. Dazu kommen noch einige, allerdings sehr seltene Übergänge zwischen verschiedenen Rassen.

Dieselbe Züchtungsarbeit hat man in Ostasien teilweise auch der Wanderratte angedeihen lassen. Sie kommt weiß, schwarz oder braun gescheckt vor, ist aber viel weniger mannigfaltig gefärbt als die Ziermäuse. Am meisten wird die japanische Tanzratte gehalten, die durch ihr Benehmen an die japanischen Tanzmäuse erinnert. Sie wird gelegentlich auch vom Menschen verspeist, was sehr begreiflich ist, da an ihr gewiß mehr Fleisch enthalten ist als an den Mäusen, die demselben Zwecke dienen.

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