XIV. Das Huhn.

Zweifellos ist von allen Vögeln das Huhn von der weitaus größten wirtschaftlichen Bedeutung für den Menschen geworden. Heute ist es in zahlreichen Rassen über die ganze Welt verbreitet und findet sich in dem elendesten Negerdörfchen Zentralafrikas ebensogut wie in den entlegensten Eingeborenenniederlassungen Amerikas und Indonesiens. Das war aber nicht von jeher so. Der vorgeschichtliche Europäer kannte dieses Haustier so wenig als die alten Ägypter, Inder und Morgenländer überhaupt. Nirgends treffen wir bei ihnen irgend welche Spuren von der Anwesenheit dieses Vogels, der sich sonst sehr wohl bemerkbar gemacht haben würde. Im Alten Testament wird er nirgends erwähnt; erst im Neuen tritt er uns beispielsweise bei Petri Verleugnung des Herrn entgegen.

Das Huhn ist jedenfalls schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. irgendwo in Südasien vermutlich von einem Malaienstamme durch Zähmung des dort einheimischen Bankivahuhns (Gallus ferrugineus) als Haustier gewonnen worden. Von seinem ältesten Domestikationsherd Südasien breitete es sich langsam nach allen Seiten hin aus und wurde schon ums Jahr 1400 v. Chr. nach China eingeführt. Nach Westasien gelangte es erst viel später. So hat es Layard zuerst auf einem altbabylonischen Siegelzylinder aus dem 6. bis 7. Jahrhundert v. Chr. abgebildet gefunden. Auf diesem steht ein Priester in Opferkleidung vor einem größeren und einem kleineren Altar, auf welch letzterem sich ein Hahn befindet. Auf einer ebenfalls aus derselben Zeit stammenden babylonischen Gemme sehen wir eine geflügelte Gottheit in betender Stellung vor einem Hahne auf einem Altar. Beide Male erscheint der Hahn von Osten, und über beiden Abbildungen schwebt ein Halbmond, wahrscheinlich als Zeichen der schwindenden Nacht. Im alten Ägypten ist jedenfalls das Hühnchen, das die Hieroglyphe u darstellt, nicht das Junge eines Haushuhns, sondern dasjenige eines Wildhuhns, und zwar vermutlich eines Steinhuhns.

Homer kannte das Huhn noch nicht, denn er erwähnt es nirgends in seinen Epen. Zum erstenmal spricht von ihm der griechische Dichter Theognis in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. Aber erst um die Zeit der Perserkriege finden wir bei den Dichtern Epicharmos, Simonides, Äschylos und Pindar den Hahn unter dem stolzen Namen aléktōr, d. h. Abwehrer, Kämpfer, als bekannten Genossen des Menschen. Die griechischen Dichter vergleichen den Kampf der Hähne desselben Hofes untereinander mit dem Streite der Menschen. In den Eumeniden des Äschylos warnt Athene vor dem Bürgerkrieg, als dem zwecklosen Kampf zwischen zwei Hähnen gleichend. Ebenso vergleicht Pindar in seinem 12. olympischen Liede den ruhmlosen Sieg in der Vaterstadt mit demjenigen des Hahnes auf dem Hofe.

Bei den griechischen Komikern heißt der Hahn stets der „persische Vogel“, weil er durch die Vermittlung der Perser nach Griechenland kam. Seine hohe Wertschätzung bei den alten Persern erfuhren wir bereits bei der Besprechung des Hundes. Dort wurde gesagt, daß der Hahn, wie der Hund, der Feind der Dämonen und Zauberer sei. Er solle Wache halten über die Welt, als sei kein Hund zum Beschützen der Herden und der Häuser vorhanden. Wenn der Hund mit dem Hahn gegen den bösen Feind kämpfen, so entkräften sie ihn, der sonst Menschen und Vieh plage. Daher heiße es, durch ihn werden alle Feinde des Guten überwunden, seine Stimme zerstöre das Böse. Wo sich nun ein Perser niederließ, sorgte er so sicher für einen Hahn, als er die Frühgebete und Reinigungen beim Sonnenaufgang, die ihm seine Religion gebot, vornahm. Soweit also die Grenzen der persischen Herrschaft sich erstreckten, ward auch der Hahn, als leicht übertragbares Fetischtier, das durch seine Stimme die bösen Geister vertrieb, mitgenommen. So kam das Tier auch nach Kleinasien und zu den Griechen an den Küsten des Ägäischen Meeres, die ihn mehrmals auch auf ihren Münzen abbildeten. Seine vormalige Heiligkeit erhielt sich auch bei ihnen insofern, als sie sich zunächst scheuten, ihn oder die Eier des Huhnes zu essen. Bald aber ward der Hahn ein Opfertier, das man besonders dem Heilgotte Asklepios nach erlangter Genesung opferte. So befahl auch der Philosoph Sokrates, bevor er den Schierlingsbecher trank, man solle dem Asklepios einen Hahn opfern; er sei dann durch den Tod genesen. Auch zu mannigfaltigem Zauberspuk benutzte man in Griechenland den Hahn. So schreibt Pausanias: „Wenn bei Mehtana im Gebiet von Trözen der Südwestwind aus dem Saronischen Meerbusen auf die ausschlagenden Weinstöcke weht, so vertrocknen diese leicht. Um diesem Übel vorzubeugen, packen zwei Männer einen Hahn, der ganz weiße Flügel hat, reißen ihn entzwei und jeder läuft mit seiner Hälfte um den Weinberg herum. Da, wo sie dann zusammentreffen, vergraben sie die Stücke.“ Hier ist also schon von partiellem Leucismus beim Hahne als einem Zeichen weitgehender Beeinflussung durch Domestikation die Rede.

Viel länger bewahrte das Huhn seinen sakralen Charakter bei den Römern, die es durch Vermittlung der süditalischen Griechen kennen gelernt hatten. Diese betrachteten es als einen Vogel, der von einem göttlichen Geiste beseelt war, mit der Fähigkeit, die Zukunft vorauszuschauen. So wandte man denn überall da, wo ein einzelner die Verantwortung nicht zu tragen wünschte und ein „Augurium“, eine Weissagung aus dem Fluge gewisser wilder Vögel nicht gerade zu haben war, die Sache aber doch zur Entscheidung drängte, ein künstliches „Auspicium“ an, das man auspicium ex tripudiis nannte. So stellte denn, so oft man dessen bedurfte, der pullarius oder Hühnerwärter die Vögel durch Vorstreuen von Futter auf die Probe. Fraßen sie gierig, so war das ein günstiges Zeichen für die geplante Unternehmung. Unlust dagegen würde, so müssen wir ergänzen, auf eine Beängstigung des weiter in die Zukunft schauenden Geistes in den Fetischtieren schließen lassen.

Zahllos sind die Beispiele, in welchen die Annahme oder Ablehnung einer Schlacht von seiten der Römer auf das Verhalten der mitgeführten heiligen Hühner abgestellt wurde. Dabei ist der Standpunkt, den die verschiedenen römischen Schriftsteller dieser Tatsache gegenüber einnehmen, ein sehr verschiedener. Die jüngeren, freier denkenden sind erstaunt darüber, daß die wichtigsten Staatsgeschäfte, die entscheidendsten Schlachten von Hühnern geleitet und entschieden, die Weltbeherrscher von Hühnern beherrscht würden. Die älteren, konservativer denkenden Naturen aber stoßen sich durchaus nicht daran, sondern meinen, wie Cicero in seinem Werke de divinatione schreibt: „Bei der Beobachtung der von den heiligen Hühnern ausgehenden Prophezeiungen (auspicium) verfuhren unsere Vorfahren gewissenhafter als wir. Der Hühnerprophet (auspex) wählte zum Gehilfen einen Mann, der selbst ein vollkommener Vogelprophet (augur) war und demnach genau wußte, was ‚heilige Stille‘ bedeutet. In unserer Zeit kann jeder ohne weiteres bei der heiligen Handlung als Gehilfe dienen.“ Dann berichtet er ausführlich in Rede und Gegenrede, wie bei der Handlung verfahren wird. Er meint, daß dabei nicht mehr mit der Aufmerksamkeit wie früher vorgegangen werde und das Fressen oder Nichtfressen der Hühner in die Hand des Hühnerwärters (pullarius) gegeben sei. Er sagt nämlich: „Übrigens ist es nicht zu leugnen, daß bei einer solchen Art zu prophezeien die Vögel doch nicht so ohne weiteres als Diener und Propheten Jupiters betrachtet werden sollten, da sie ja beim Fressen nicht nach dem Willen Jupiters, sondern nach dem Willen des Hühnerwärters handeln, der sie vorher nach Belieben in ihrem Käfige längere oder kürzere Zeit fasten läßt.“

Wenn die heiligen Hühner (pulli) so gierig fraßen, daß das schon im Schnabel befindliche Futter auf die Erde zurückfiel, so wurde das als eine besonders gute Vorbedeutung aufgefaßt. Es hieß dies bei den Römern tripudium und sollte nach Cicero von terripudium = terripavium, quia terram pavit abzuleiten sein. Dann schreibt dieser Autor: „Im zweiten punischen Kriege (218–201 v. Chr.) hat der römische Staat dadurch entsetzlichen Schaden gelitten, daß Gajus Flaminius nicht auf Warnungszeichen achten wollte. Einstmals fütterte der Priester, der die der Armee beigegebenen heiligen Hühner besorgte, diese Tiere, um durch die Art und Weise, wie sie fräßen, die Zukunft zu erforschen, und tat dann den Ausspruch, die Schlacht müsse verschoben werden. Darauf fragte Flaminius (der Oberfeldherr), was dann geschehen sollte, wenn die Tiere wieder nicht fressen wollten? Der Priester antwortete: Dann müsse man eben wieder zuwarten. Hierauf antwortete Flaminius: Das wäre doch eine schöne Geschichte, wenn ich nur dann auf den Feind losgehen dürfte, wenn meine Hühner hungrig sind, aber mich ruhig verhalten müßte, wenn meine Hühner satt sind.“

Allerdings waren nicht alle Feldherren so nachgiebig, daß sie eine ihnen günstig scheinende Schlacht vom Fressen oder Nichtfressen der im Heere mitgeführten heiligen Hühner abhängig machen wollten. So ging einer einmal radikal vor, hatte es aber schwer zu büßen, als die gegen den Willen der heiligen Hühner unternommene Schlacht ungünstig verlief. Es war dies Publius Claudius. Über jenen Fall schreibt Valerius Maximus: „Als Publius Claudius im ersten punischen Kriege eine Seeschlacht liefern wollte, verkündete ihm der Hühnerwärter, die heiligen Hühner wollten nicht aus dem Käfig heraus und nicht fressen. Da gab Claudius den Befehl, sie ins Meer zu werfen und sagte: Wollen sie nicht fressen, so sollen sie saufen! Er verlor aber die Schlacht und ward vom Volke verurteilt.“ Derselbe Autor berichtet in einem anderen Falle: „Als der Konsul Gajus Hostilius Mancinus im Begriffe war, nach Spanien abzugehen und in Lavinium opfern wollte, huschten die heiligen Hühner aus ihrem Käfig in den Wald und verschwanden daselbst spurlos. Infolgedessen verlor er dann eine Schlacht.“

Der römische Geschichtschreiber Livius weiß allerlei solche Hühnergeschichten vom Diktator Lucius Papirius Cursor zu erzählen. Als er gegen die Samniten zog, machte ihn der Hühnerwärter darauf aufmerksam, daß die Hühner kein Glück prophezeit hätten. Da eilte er nach Rom, um die Hühner abermals zu befragen, befahl aber seinem Reiteroberst (magister equitum) Quintus Fabius Maximus Rullianus, während seiner Abwesenheit keine Schlacht zu liefern. Dieser benutzte aber doch eine Gelegenheit, erfocht einen glänzenden Sieg, geriet aber darüber mit dem Diktator in einen Streit, der fast zu offenem Aufruhr Veranlassung gab. „Diese letztere dem römischen Staate drohende Gefahr war also eigentlich von den Hühnern gemeint und prophezeit worden,“ meint dazu Livius. Also sollten die Hühner in jedem Falle recht behalten.

An einer anderen Stelle schreibt dieser Autor: „Als später Papirius den Samniten bei Luceria gegenüberstand, kamen Gesandte von Tarent, wollten beiden Parteien befehlen, die Waffen niederzulegen, und drohten auch noch gar, sie wollten derjenigen Partei, die ihrem Willen nicht gehorche, entgegentreten. Wie nun die Gesandten den Papirius verlassen hatten, rüstete sich dieser sogleich zur Schlacht, versäumte aber auch nicht, seine Hühner zu befragen. Gerade wie er damit beschäftigt war, kamen die Tarentiner zu ihm und Papirius verkündigte ihnen: Ihr Tarentiner, die Hühner meines Hühnerwärters verkünden mir den Sieg, und so werde ich mit Hilfe der Götter sofort den Feind angreifen! Er tat das wirklich, siegte mit Leichtigkeit und machte große Beute.“

„Ein anderes Mal stand Papirius den Samniten bei Aquilonia gegenüber. Sie hatten ein gewaltiges Heer; aber Papirius begeisterte seine Soldaten durch eine Rede so sehr, daß sie laut eine Schlacht forderten. Papirius befahl nun in aller Stille seinem Hühnerwärter, die heiligen Hühner zu befragen. Dieser tat es; doch die Hühner wollten nicht fressen. Aber der Hühnerwärter war so begeistert für die zu schlagende Schlacht, daß es ihm auf eine Lüge nicht ankam und er dem Konsul meldete, die Hühner hätten Heil und Segen prophezeit. Voller Freude gab nun Papirius das Zeichen zum Aufbruch. Aber unterwegs begann unter den Hühnerwärtern ein Zank über die Hühnerprophezeiung. Die Reiter hörten den Disput mit an und meldeten die bedenkliche Sache dem Konsul. Dieser tat den Ausspruch: Wenn ein Vogelprophet lügt, so trifft ihn allein alles aus der Lüge entstehende Unglück. Mir und dem römischen Volke ist nur Glück prophezeit worden, also munter vorwärts! Er befahl nun, die Hühnerwärter in die erste Schlachtlinie zu stellen. Der erste feindliche Speer streckte den lügnerischen Hühnerwärter nieder und der Konsul rief mit lauter Stimme: Die Götter stehen uns bei, das schuldige Haupt ist bestraft! Wie er dies sagte, krächzte ihm ein Rabe laut entgegen. Er begrüßte dieses günstige Zeichen mit Freuden, befahl den Trompetern, das Zeichen zum allgemeinen Angriff zu geben und erfocht einen ruhmvollen Sieg. Er verdankte diesen teils der Klugheit, mit der er das prophezeite Unglück auf das Haupt des Hühnerwärters abwälzte, teils auch dem Umstande, daß er im entscheidenden Augenblick dem Jupiter einen Becher Wein versprach, wenn die Feinde durch seine Hilfe geschlagen würden.“ Diese Erklärung des Plinius kennzeichnet ihn vollkommen in seinen Anschauungen. Er war ebensogut wie Livius ein Kind seiner Zeit. Damals dachten eben alle Römer so wie er.

Eine begeisterte Beschreibung des Hahnes liefert der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte in folgenden Worten: „Ruhmbegierig ist der Vogel, der in der Nacht für uns wacht, der vor Anbruch des Morgens den Menschen weckt und zur Arbeit ruft. Er kennt die Sterne und kräht (canet = singt) am Tage jedesmal, wenn drei Stunden verflossen sind. Mit der Sonne geht er schlafen und ruft gegen Morgen den Menschen zu neuen Sorgen und Arbeiten wach. Ehe er kräht, schlägt er mit den Flügeln. Er ist herrschsüchtig und ein jeder führt auf seinem Hofe das Regiment. Sie kämpfen untereinander um die Herrschaft, als ob sie wüßten, daß sie zu diesem Zwecke die Waffen an den Füßen trügen, und hören nicht eher auf, als bis einer tot auf dem Platze liegt. Der Sieger kräht gleich auf dem Schlachtfelde und verkündet dadurch seine Heldentat. Der Besiegte verkriecht sich stillschweigend und grämt sich über die verlorene Herrschaft. Der gemeinste Hahn schreitet übermütig einher, trägt sein gekröntes Haupt hoch und stolz, schaut oft gen Himmel, was kein anderer Vogel tut, und hebt auch seinen sichelförmigen Schwanz empor. Er flößt daher dem mutigsten Tiere, dem Löwen, Schrecken ein. Manche Hähne werden zu Krieg und Schlacht geboren und bringen selbst ihrem Vaterlande Ruhm und Ehre, so die Hähne von Rhodus und Tanagra. Nach diesen sind die berühmtesten die von Melos und Chalcis. Der Hahn ist der Ehre wert, die ihm selbst die römischen Konsuln erweisen. Sein mehr oder weniger begieriges Fressen gibt die wichtigsten Aufschlüsse über dem römischen Staate bevorstehendes Glück oder Unglück. Täglich regiert er unsere Obrigkeiten oder verschließt und öffnet ihnen ihr eigenes Haus. Er befiehlt den römischen Konsuln vorzurücken oder stehen zu bleiben, befiehlt oder verbietet Schlachten; er hat alle auf Erden erfochtenen Siege im voraus verkündet, beherrscht die Beherrscher der Welt und ist, als Opfer dargebracht, ein herrliches Mittel, die Gunst der Götter zu erhalten. Kräht er zu ungewohnter Zeit oder des Abends, so deutet er auf wichtige Begebenheiten hin. Als die Böotier jenen berühmten Sieg über die Lakedämonier erfochten, hatten es die Hähne dadurch vorausverkündet, daß sie die ganze Nacht krähten. Da der Hahn nicht kräht, wenn er besiegt ist, so war die Deutung zweifelhaft.“ Plinius geht so weit, daß er dem Hühnervolke sogar sonst rein menschliche Eigenschaften, wie den Besitz von Religion und Sprache, beilegt. So sagt er: „Auch die Haushühner (villares gallinae) haben ihre Religion: Sobald sie nämlich ein Ei gelegt haben, schütteln sie sich und nehmen eine Zeremonie vor, indem sie um das Ei ein Grashälmchen herumtragen.“ Es kommt nämlich öfter vor, daß sich die Hühner nach dem Eierlegen schütteln, daß sie dann Hälmchen mit dem Schnabel fassen und sie neben und hinter sich legen, ohne Zweifel, weil sich dann die angeborene Neigung zum Nestbau regt. Plinius betrachtet diese Eigenschaft poetisch als Zeremonie, wie sie damals bei den Menschen gebräuchlich war und purificare und lustrare genannt wurde. Was das Vermögen der Sprache anbetrifft, sagt er: „In den Jahrbüchern ist aufgezeichnet, daß unter dem Konsulat des Marcus Lepidus und Quintus Catulus ein Haushahn auf dem Landsitze des Galerius gesprochen hat; dies ist aber auch, so viel mir bekannt, das einzige Beispiel der Art.“

Weiterhin sagt Plinius: „Zu religiösen Zwecken hält man Hähne und Hühner mit gelben Füßen und gelbem Schnabel nicht für rein, zu geheimen Opfern die schwarzen. Es gibt auch Zwerge unter den Hühnern, und zwar fruchtbare, was bei andern Vögeln nicht der Fall ist.“ Natürlich war man in der Kaiserzeit, zu der ja Plinius lebte, nicht mehr so von der Heiligkeit dieses Vogels eingenommen, daß man sich, wie noch zur älteren Zeit der Republik, scheute, sein Fleisch zu profanen Zwecken zu essen; als Opferfleisch war es ja schon früher gegessen worden. Damals kamen gemästete Hühner — richtige Poularden, nur daß zu jener Zeit die Kastration derselben noch nicht geübt wurde — sehr häufig auf den Tisch der reichen Römer. Aber sehr alt kann diese Sitte zu jener Zeit noch nicht gewesen sein. Plinius schreibt nämlich in seiner Naturgeschichte folgendes darüber: „Die Bewohner der Insel Delos haben sich zuerst mit Mästung der Hühner beschäftigt und seitdem sind die Menschen so albern, daß sie Vögel schnabulieren wollen, die in ihrem eigenen Fett gebraten wurden. In den alten Gesetzen über Schmausereien finde ich ein elf Jahre vor dem Beginn des dritten punischen Krieges (also im Jahre 160 v. Chr.) vom Konsul Gajus Fannius gegebenes, daß bei einem Gastmahl kein Vogel außer einer einzigen Henne aufgetragen und diese nicht gemästet sein dürfe. Diese Bestimmung ist später in allen Gesetzen wiederholt worden, aber man hat sie recht listig zu umgehen gewußt, indem man statt der Hühner Hähne mit Speisen mästete, die mit Milch getränkt waren, worauf sie weit besser schmecken. Man darf zur Mast nicht alle Hühner nehmen, sondern nur die, deren Halshaut fett ist.“

Mancherlei weiß Plinius von den Hühnereiern zu berichten. Er sagt, daß, wenn Hühner keinen Hahn haben, die Eier unfruchtbar, kleiner, von schlechterem Geschmack und flüssiger als die guten (befruchteten) seien. Man nenne sie Windeier, weil manche Leute glauben, sie seien vom Winde (Zephyr) erzeugt. Manche Hühner legen lauter Eier mit doppeltem Dotter „und brüten aus solchen auch manchmal Zwillinge aus, wie Cornelius Celsus schreibt. Andere aber behaupten, es kröchen nie Zwillinge aus. Es ist am besten, die zum Brüten bestimmten Eier nicht über 10 Tage alt werden zu lassen, alte oder gar zu frische sind unfruchtbar. Man muß eine ungleiche Zahl unterlegen. Wenn man sie am vierten Tage nach Beginn des Brütens mit den Fingern (an einem dunklen Orte) gegen das Licht hält und sie rein und durchsichtig sind, so sind sie unfruchtbar und müssen durch andere ersetzt werden. Man kann sie auch im Wasser probieren, denn die leeren schwimmen dann, und man muß die vollen, welche sinken, zum Brüten unterlegen. Schütteln darf man die Eier nicht, denn es kann sich darin kein Junges mehr erzeugen, wenn die Lebensgefäße untereinander geworfen sind. Wenn es während des Brütens donnert, so gehen die Eier zugrunde; dasselbe geschieht auch, wenn ein Falke in der Nähe schreit. — Selbst Menschen können Eier ausbrüten. Als Julia Augusta (die Tochter des Kaisers Augustus) mit Kaiser Tiberius Nero vermählt worden war und wünschte, ihr erstes Kind möchte ein Sohn sein, so brütete sie an ihrem Busen ein Ei aus. Mußte sie es einmal weglegen, so gab sie es ihrer Amme, damit es nicht erkalten könne. Sie glaubte von dem auskriechenden Küchlein eine Vorbedeutung entnehmen zu können, ob ihr Kind ein Sohn oder eine Tochter sein werde. Es soll auch richtig eingetroffen sein. Von daher kommt vielleicht die neulich gemachte Erfindung, daß man Eier an einem warmen Orte auf Spreu legt, durch Feuer mäßig erwärmt und zuweilen wendet, wobei die Küchlein am bestimmten Tage auskriechen. (Also kannten die Römer der Kaiserzeit bereits einen Brutapparat für Hausgeflügel.) — Ein sonderbares Schauspiel hat man, wenn eine Henne Enteneier ausgebrütet hat. Erst bewundert sie die Kleinen und will sie nicht recht anerkennen, bald aber ruft sie dieselben sorgsam zusammen und, wenn sie sich nun, von einem innern Triebe geleitet, ins Wasser stürzen, so läuft sie jammernd am Ufer herum.“

Bei der kampfesfrohen, streitsüchtigen Natur der Hähne ist es kein Wunder, daß schon sehr frühe auch bei den Griechen Hahnenkämpfe als öffentliche Volksbelustigungen aufkamen. So schreibt Plinius: „Zu Pergamum (in Kleinasien) werden jährlich öffentliche Hahnenkämpfe abgehalten.“ Daß er solches in seiner Naturgeschichte erwähnt, beweist, daß diese Sitte um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. bei den Römern noch nicht üblich war. Was für Gründe etwa zur Einrichtung von Hahnenkämpfen bei den Griechen maßgebend waren, darüber schreibt der griechische Geschichtschreiber Älian: „Als die Athener die Perser besiegt hatten, bestimmten sie einen Tag, an welchem im Schauspielhause öffentliche Hahnenkämpfe abgehalten werden sollten. Die Veranlassung dazu war folgende: Als Themistokles mit dem Heere auszog, sah er in der Nähe des Zuges zwei Hähne, die miteinander kämpften. Er ließ sogleich das Heer Halt machen und redete es so an: „Diese Hähne kämpfen nicht für ihr Vaterland, nicht für ihre Götter, für die Gräber ihrer Väter, nicht für Ruhm, für Freiheit, für ihre Kinder, sondern jeder von ihnen kämpft nur, um zu siegen.“ Diese Rede begeisterte die Soldaten, sie fochten mit kühnem Mute und der Feldherr wünschte, durch die Abhaltung jährlicher Hahnenkämpfe das Andenken an den Sieg zu erhalten und den Keim für neue Siege zu legen.“

Nach Varro waren die Hähne von Tanagra, Medien und Chalcis zum Kampfe besonders brauchbar. Er nennt sie sehr schön, aber die betreffenden Hühner weniger fruchtbar als die italienischen. Letztere hatte man gern so gefärbt, daß Schwanz und Flügel schwarz, das übrige Gefieder aber bräunlich war. „Will man auf einem Landhause 200 Stück Haushühner halten, so gibt man ihnen einen besonderen Stall, zäunt den Platz davor, auf dem auch Sand zum Bade liegen muß, ein und hält ihnen einen eigenen Wärter. Will man die Eier für die Küche aufbewahren, so reibt man sie mit gepulvertem Salz oder legt sie drei Stunden in Salzwasser, trocknet sie und bedeckt sie mit Kleie oder Spreu. Sollen Haushühner gemästet werden, so sperrt man sie an einem lauen, dunkeln Orte ein und nudelt sie mit Gerstenabkochung. So oft sie genudelt werden, wird ihnen auch der Kopf, wenn es nötig ist, von Läusen gereinigt. In 25 Tagen müssen sie fett sein. Manche machen sie auch in 20 Tagen fett und erzeugen ein zartes Fleisch, indem sie sie mit Weizenbrot füttern, das in einer Mischung von Wasser und Wein aufgeweicht wurde.“

In seinem Buche über den Landbau gibt Columella ausführliche Anleitung über die Anlage des Hühnerhofes, die Pflege der Hühner, das Brüten und die Aufzucht der Küchlein. Diese entspricht in ihren Grundzügen vollständig den heutigen; nur daß dabei noch allerlei heute aufgegebene sympathische Mittel angewandt wurden, um sie vor Erkrankung und aller sonstiger Gefährdung zu beschützen. Er rät, den Hühnerstall neben der Küche oder neben dem Backofen anzubringen, so daß der Rauch in ihn hineindringen könne; denn dieser sei den Hühnern sehr gedeihlich. Er hält die dunkeln Hühner für empfehlenswerter als die hellen. „Die weißen Haushühner sind meist weichlich, weniger lebhaft, auch meist nicht sonderlich fruchtbar im Legen. Sie werden auch, weil sie aus großer Ferne in die Augen fallen, leicht von Raubvögeln erbeutet. Die Zwerghühner sind nur für den Liebhaber, der sie wegen ihrer geringen Größe schätzt. Übrigens bringen sie nicht den Gewinn, wie die gemeinen großen Haushühner; auch sind die Zwerghähne entsetzlich zänkisch gegen die großen Hähne, so daß man sich oft genötigt sieht, ihnen einen ledernen Gurt um den Leib zu legen, durch den die Füße gesteckt und die Kampfgelüste gemindert werden.“ Nach den um 200 n. Chr. lebenden Athenäus waren Zwerghühner besonders in Athen beliebt. Pausanias sagt, daß in Tanagra zwei Arten von Hühnern gehalten werden: 1. kampfesstarke, 2. die Amselhühner, so genannt, weil sie (wie die Amseln) rabenschwarz sind und auf der Schnabelspitze kleine, weiße Flecken haben. Kamm und Kammlappen seien bei ihnen rot wie Anemonen. Er meint damit die in Griechenland heimische Anemone pavonina mit scharlachroten Blüten.

Die schönen Rassen des asiatischen Haushuhns bezogen die Römer von den Griechen; so waren besonders die Hühner von Delos, Rhodos und Melos durch ihre Größe und fleißiges Eierlegen berühmt und gesucht. Mit den römischen Kolonisten kamen diese auch in die Gebiete nördlich der Alpen. So fanden sich Reste von Haushühnern mehrfach im Wegwurf der helvetisch-römischen Kolonie Vindonissa und anderwärts. Aus dem römischen pullus Huhn wurde das französische poule. Doch hatten die Kelten und Germanen schon vor der römischen Invasion das Haushuhn besessen und eine besondere Bezeichnung dafür, ganz unabhängig von der römischen. Der Hahn hieß gotisch hana, althochdeutsch hano, angelsächsisch hona, das Huhn gotisch hôn. Das deutsche hana ging dann bei den benachbarten Finnen in kana über. Alles deutet darauf hin, daß das Huhn als Haustier selbständig von Südosten nach Mittel- und Nordeuropa gelangte, soweit es ihm nicht zu kalt war. Und auch hier drang es überall als etwas Fetischhaftes, Heiliges, das zwar nicht selbst, höchstens dessen Eier gegessen werden durften, ein. So sagt Julius Cäsar, der um die Mitte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts an der Südküste Englands landete, von den dortigen keltischen Einwohnern, sie hätten zwar das Haushuhn, aber sie fänden es eine Sünde (nefas), das Tier zu essen, ebenso die Gans und den Hasen. Noch im Mittelalter, als das Huhn längst zum Speise- und Provianttier degradiert war, wohnte dem Hahn im Glauben der Leute noch eine große Zauberkraft inne. So sagt der mittelalterliche Bischof Burchard von Worms, man solle nachts nicht vor dem Hahnenrufe das Haus verlassen, weil die unreinen Geister vor diesem Rufe mehr Macht zu schaden hätten als nachher und weil der Hahn mit seinem Schrei jene besser zu vertreiben und zu bändigen vermöge als selbst das Kreuzeszeichen. Es ist dies die Weiterleitung desselben Fetischgedankens, den wir schon bei den alten Persern antrafen und der uns in der griechischen Benennung des aléktõr, d. h. Abwehrer, Kämpfer, entgegentrat. Noch in Shakespeares Hamlet sagt Horatio: „Ich habe gehört, daß der Hahn, der die Trompete des Morgens ist, mit heller Stimme den Gott des Tages weckt und daß bei seinem warnenden Ruf alle die Geister, die in Wasser und Feuer, in Luft oder Erde schweifen und irren, jeder an seinen Ort zurückschlüpfen.“

Auch die slavischen Pommern verehrten den Hahn und fielen anbetend vor ihm nieder; bei den Litauern wurde bei der Beziehung eines neuen Hauses Hahn und Henne zuerst ins Haus gelassen. Diese Exemplare galten dann als unantastbar, wurden gehegt und niemals geschlachtet und gegessen. In diesem Falle sehen wir, wie sich mit der Zeit das praktische Moment mit dem religiösen abfand. Als man sich erlaubte, das Huhn zu essen, haftete die Beschränkung des Nichtessendürfens nur noch an einzelnen auserlesenen Individuen. Bei den verschiedensten Völkern begegnet uns noch später in gewissen, am Althergebrachten hängenden Kreisen solche Enthaltung vom Genusse von Hühnerfleisch. Wie im altindischen Gesetzbuch war auch den Teilnehmern an den Mysterien in Eleusis das Essen von Hühnerfleisch verboten, weil diese Tiere den Erdgottheiten, der Persephone und Demeter, geweiht waren. Bei den Römern wurde der Vogel der Lichtgottheit, der dessen Kommen verkündet, bei Nacht der Nachtgöttin geopfert. Im Mittelalter begegnen uns bei den verschiedensten Völkern Hahnenopfer. Bei den Wenden in der Altmark war es noch in christlicher Zeit Sitte, einen Hahn auf ihr Malzeichen zu setzen, wie A. Kuhn uns in den märkischen Sagen berichtet. Gleicherweise haben es die Deutschen aus der Heidenzeit übernommen, das Bild des Hahnes über dem Kreuze auf Dächern und Kirchtürmen anzubringen. Jenes ist älter als dieses; beider Zweck aber ist, die bösen Geister, die ja auch das Christentum nicht leugnet, sondern nur in ihrem Ursprunge anders erklärt, aus dem Kreise der menschlichen Ansiedelungen fernzuhalten.

Im Mittelalter, als die Scheu vor dem Essen dieses altheiligen Tieres gewichen war, war die Hühnerzucht durch ganz Mitteleuropa ein sehr wichtiger Kulturfaktor, dem besonders die Klöster Vorschub leisteten. So war es vornehmlich ein fürsorglicher Bischof namens Martinus, der im Eierlegen leistungsfähige Hühnerrassen aus Italien nach Deutschland und Frankreich sandte, wo sie in den Klöstern Verbreitung fanden und von da an deren Hörige und Zinsbauern abgegeben wurden. Wie wir aus den mittelalterlichen Zinsregistern der Gutsherrschaften entnehmen können, bildeten Hühner und Eier für die Herrschaften das Haupterträgnis ganzer Güter und oft den einzigen Wirtschaftsbestand der ärmeren Klasse, lebende Hühner in großen Käfigen aus Holz zugleich den beliebtesten Proviant für Heereszüge und größere Menschenansammlungen. Schon der vorsorgliche Kaiser Karl der Große hatte befohlen, daß auf seinen größeren Gütern 100 Hühner und 30 Gänse, auf seinen kleineren wenigstens 50 Hühner und 12 Gänse gehalten und im Herbst, soweit sie geschlachtet wurden, gemästet werden sollten. Auch späterhin traf man sie überall auf den Bauernhöfen, wo sie frei herumliefen und sie sich vom Abfall der Körner, Samen aller Art und kleinem Gewürm und Insekten ernährten. Als einst Bischof Meinward von Hildesheim auf einen solchen Hof kam, wo er keine Hühner bemerkte, tadelte er die Wirtin darob. Als sie sich mit Futtermangel entschuldigte, gab er ihr den Rat, sie solle sie ihr Futter selbst suchen lassen. Das befolgte sie nun und hatte beim nächsten Besuche des Bischofs eine ordentliche Hühnerschar, so daß er sie belobte und beschenkte.

Bis auf den heutigen Tag spielt das Huhn überall in der Kleinwirtschaft eine wichtige Rolle, besonders in den Ländern, in denen sich die Bodenwirtschaft dem Gartenbau nähert, während es dort, wo die Landwirtschaft überwiegend Großbetrieb ist, weniger geschätzt wird. Letzteres ist beispielsweise in England der Fall, das seinen hohen Eierbedarf vom Kontinente her deckt. Auch Deutschland kann seinen eigenen Bedarf nicht selbst decken. Von der Hühnerzucht in Deutschland meint Eduard Hahn: „Schlimm steht es mit der deutschen Zucht; trotzdem in letzter Zeit viel geredet und geschrieben worden ist, will das echte deutsche Huhn, das allen Anforderungen entsprechen soll, immer noch nicht erscheinen. Unsere Hühnerologen, wie sie sich ernstlich nach einem Schwankwort nennen, sind Liebhaber und züchten Spanier, Franzosen, Italiener, Chinesen und andere, die für unser Klima nicht passen, und die Hühner auf unsern Bauernhöfen sind ein kümmerliches Gemengsel aus allen möglichen Rassen, die weder in Eiern noch Fleisch leisten, was man von ihnen verlangen kann, freilich auch nur geringe Pflege verlangen und erhalten. Ausnahmen sind bei uns selten; so will ich die Hamburger Hühner nennen, die in den Gartendistrikten des „alten Landes“ gezogen werden, sonst aber muß Frankreich und in neuerer Zeit vielfach Italien unsern Bedarf an feinerem Geflügel decken helfen. Die Eier aber, die unsere Großstädte bei der gesteigerten Lebenshaltung immer mehr brauchen, kommen aus Galizien und Russisch-Polen zu uns. Auch hier ist das Huhn kein Beweis eines extensiven Betriebes, sondern das Produkt einer nachlässigen extensiven Wirtschaft, die zu Gelde machen muß, was sich zu Gelde machen läßt. Daß auch diese Zucht im Rückgang ist, beweisen die Eier, die rapide kleiner werden.“

Welch große volkswirtschaftliche Bedeutung die Hühnereier als Nahrungsmittel erlangt haben, ergibt eine von Professor Sonndorfer von der Wiener Handelsakademie aufgestellte Statistik, wonach England im letzten Jahre 2265 Millionen Stück im Werte von 180 Millionen Franken einführte. In demselben Zeitraum importierten: Deutschland 2454 Millionen Stück im Werte von 185 Millionen Franken, Frankreich 205 Millionen Stück im Werte von 15 Millionen Franken und die Schweiz 188 Millionen Stück im Werte von 141⁄2 Millionen Franken. Frankreich produziert seinen Bedarf größtenteils selbst, während Deutschland, England und die Schweiz hauptsächlich auf den Import angewiesen sind. Die Hauptmenge Eier erzeugen die Agrarstaaten. So exportierte im Jahre 1907 Rußland 2833 Millionen Stück im Werte von 148 Millionen Franken, Österreich-Ungarn 966 Millionen, Dänemark 294 Millionen, die Balkanstaaten 580 Millionen und Italien 511 Millionen Stück.

Nach Südamerika kam das Huhn schon 1493 bei der zweiten Reise des Kolumbus. Die Indianer müssen dies leicht zu haltende Haustier gern aufgenommen und rasch verbreitet haben; denn schon 1530 fand es Federmann am Oberlauf des Amazonenstroms. Auch nach Mittel- und Nordamerika kam das Huhn mit den verschiedenen europäischen Kolonisten. Nach Garcilasso wollte es sich nur in dem hochgelegenen Cuzko nicht fortpflanzen. Vom Niltal aus verbreitete sich das Huhn über ganz Afrika, wo es überall von den Negern gern aufgenommen wurde. Teilweise kam es als Proviant der indischen Segelschiffe direkt aus Indien nach Ostafrika und verbreitete sich von der Küste nach dem Innern. In Indien und Hinterindien bis nach China und den Philippinen ist das Tier als Sportobjekt sehr geschätzt. Hier stehen überall die Kampfhähne hoch im Preise und dienen, wie im Mittelalter in Europa, zu den beliebten Volksbelustigungen, deren Reiz noch durch Wetten erhöht zu werden pflegt. Weitaus am grausamsten sind diese Hahnenkämpfe bei den Malaien Indonesiens, besonders der Philippinen, indem den kämpfenden Hähnen scharf geschliffene Stahlklingen an den Sporn gebunden werden, mit denen der Gegner erstochen wird. Oft erliegen beide Gegner dieser fürchterlichen Waffe.

Eduard Hahn nimmt an, daß der Hahn zunächst nicht aus Nutzungs-, sondern aus Sportgründen, dann auch als eine Art Weckeruhr vom Menschen gezähmt wurde. „In die Gefangenschaft übergeführte Hühner pflanzten sich nicht fort, legten keine Eier und waren also völlig nutzlos. Aus diesem Grunde sind sie also nicht gehalten worden und ihre anfängliche Gefangenschaft und spätere Zucht ist sicher nicht deshalb erfolgt. Die Eier, das wesentliche Produkt unseres heutigen Huhnes, erreichten erst im weiteren Verlauf der Zucht eine so große Zahl, daß sie dem Menschen zugute kamen; für den Beginn der Zucht müssen wir nach einem andern Grunde suchen. Da ist es nun natürlich schlimm, wenn nicht ein Grund, sondern gleich zwei, und zwar sehr abweichende Gründe, zu Gebote stehen, wie das beim Huhn der Fall ist. Beide schließen sich nicht aus, immerhin decken sie sich keineswegs, und, was besonders schlimm ist, das Ursprungsgebiet beider Hypothesen deckt sich mit dem Urgebiet des wilden Huhnes und beide sondern sich doch geographisch. Wie sollen wir uns entscheiden? Wurde unser Huhn auf indobaktrischem Boden als Uhr ein Haustier (nach F. Spiegel, Eranische Altertumskunde wurde der Hahn von Tahmuhrath dazu eingeführt) oder auf malaiischem Boden zum Kampfhuhn erzogen? Eine dieser beiden seltsamen Verwendungsweisen ist für mich der Ursprung der Zucht des Huhnes, vielleicht ist aber das Kampfhuhn bei den Malaien das ältere und ursprünglichere gewesen, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen polynesischen Inseln doch nach allem, was wir wissen, keine sehr häufigen waren.“ Uns will letzteres auch bedünken. So möchten wir unbedingt annehmen, daß der Kampfhahn die ältere Zucht ist, und daß der Hahn als Wecker erst später, und zwar besonders bei den Iraniern Bedeutung gewann. Über letztere Tatsache sagt Hahn: „Ebenso fremdartig (wie der Kampfhahn) berührt uns moderne Menschen der Hahn als Uhr; wir können uns eigentlich kaum vorstellen, wie es Menschen geben kann, die nie wissen, was die Glocke geschlagen hat; freilich müssen wir neidisch bekennen, daß dem Glücklichen keine Stunde schlägt. Trotzdem gab es natürlich auch auf niedrigen Kulturstufen bereits Lebenslagen, in denen Zeitbestimmungen nötig waren. Am Tage reicht die Sonne aus, aber wie soll z. B. eine Karawane, die möglichst die kühlen Stunden des jungen Tages genießen will, erfahren, wann man mit dem langwierigen Packen der Kamele beginnen muß? Da trat nun aufs glücklichste eine Eigenschaft des Hahnes ein. Es ist seltsam genug, daß der Hahn um Mitternacht kräht; die Dämmerung morgens und abends begrüßen ja eine ganze Reihe Tiere mit ihren Tönen, aber gerade die Mitternacht wohl nur der Hahn. Es ist selbstverständlich, daß eine so auffallende und nützliche Eigenschaft dem Hahn eine feste mythologische Stellung von hohem Rang verschaffte; sein Abbild steht bekanntlich noch heutzutage auf der Spitze unserer Kirchtürme. Wie es scheint, wurde auf persisch-baktrischem Boden diese Eigenschaft entdeckt und so der Hahn und späterhin das Huhn gezähmt. Auf die Diener Ahuramazdas mußte ja das Betragen des Vogels einen tiefen Eindruck machen. War er doch gewissermaßen der Herold des Lichts. Und wenn nun gar erst ein weißer Hahn mit dem feuerfarbenen Kamm dieses Amt übte! So wurde der weiße Hahn der Repräsentant der lichten Tagesgottheiten, das schwarze Huhn geriet ebenso selbstverständlich in Beziehung zu den Gottheiten der Nacht. Bei der leichten Zucht und schnellen Vermehrung wurde dann das Huhn sehr bald das gewöhnliche Opfertier des kleinen Mannes; wo der Reiche Ochsen, Schafe und Schweine spendete, kam der Arme, wie Sokrates, mit einem Hahn aus. — Die Verwendung des Hahns als Ersatz der Uhr ist ungemein weit verbreitet und vielleicht noch weiter, wie jetzt bekannt, wenn man darauf achtet. In Abessinien sind Hähne die Kirchenuhr; als Uhren schätzen sie die Kaffern und ebenso traf sie Bastian in Birma. Endlich nahmen sie die Spanier hauptsächlich als Uhren nach Amerika und deshalb fiel es ihnen (wie Oviedo in seiner Historia de las Indias berichtet) auf, daß sie nicht mehr so pünktlich krähen wollten. — Im Altertum war man gewöhnt, sich nach der Stimme des Hahnes zu richten, zumal die Römer wie die Griechen ihre bürgerliche Tätigkeit sehr früh begannen, so daß das Haus schon vor dem Beginne der Dämmerung rege war. Deshalb sagt Plinius vom Hahn, daß ihn die Natur geschaffen habe, um die Sterblichen zur Arbeit zu rufen und ihren Schlaf zu brechen. So gewann der Hahn für das bürgerliche Leben damals eine große Bedeutung. Eine Redensart, die bei vielen Dichtern und auch sonst wiederkehrt, erklärt uns das; man unterschied die Tätigkeit des Friedens und des Krieges einfach so: im Frieden beginnt der Tag mit dem ersten Hahnenschrei, im Kriege mit dem ersten Trompetenstoß. Da es auch später im kirchlichen Dienst sehr nötig war, eine gewisse Einteilung der Nacht zu haben, so mußte auch hier unser Haushahn herhalten; zog eine noch so kleine Mönchskolonne aus, um eine neue Niederlassung zu gründen, so nahm sie einen Hahn mit, wie wir einen Regulator zur notwendigen Wohnungseinrichtung rechnen. Im Orient hat der Hahn diese Stellung wahrscheinlich heute noch. Es wird wenigstens erwähnt, daß große Karawanen gewöhnlich einen recht schönen Hahn mit sich führen, dessen Krähen den Aufbruch der Reisenden regelt. Im Okzident ist der Hahn durch die Schlaguhren verdrängt worden, welche ja schon verhältnismäßig früh (um 1100) vorkommen.“

In China und Japan spielt die Hühnerzucht eine wichtige Rolle. Dort sind eine große Anzahl ausgezeichneter Rassen erzogen worden, die dann nach dem englischen Opiumkrieg in den 1840er Jahren zu uns nach Europa gebracht wurden, so vor allem die Bramaputras und Cochinchinas. Mit den Malaien wanderte das Huhn über die mikronesische Inselwelt, doch gelangte es nicht nach Neuseeland. Dorthin und nach Australien wurde es erst durch die Europäer gebracht.

Bevor wir nun näher auf die verschiedenen Hühnerrassen eingehen, wollen wir kurz die Stammform derselben, das Bankivahuhn (Gallus ferrugineus), in seinen Hauptmerkmalen würdigen. Es ist ein Waldvogel, der morgens und abends, aber auch tagsüber oft beim Suchen der Nahrung auf Äckern angetroffen wird. Sein Verbreitungsgebiet ist das größte von allen Wildhühnern und reicht nach Armand David von Kaschmir und den Vorbergen des Hindukusch bis nach der Insel Hainan, Cochinchina und über die Halbinsel von Malakka bis nach Sumatra. Auf Java und den östlich davon gelegenen Inseln, auch auf den Philippinen, ist es wahrscheinlich eingeführt worden. Es hat im männlichen Geschlecht einen gezackten Kamm und am Schnabel jeweilen einen Fleischlappen, trägt schmale, lange, einen Kragen bildende Halsfedern, ist am Nacken und am Hals goldgelb schimmernd, am Oberkörper purpurbraun, am Unterkörper schwarz gefärbt; die Brust schillert grün, die Schwanzfedern sind lang, schwarz, die mittleren schillernd wie beim Haushahn. Im weiblichen Geschlecht ist die Farbe am Nacken schwarz mit blaß gelbbraunen Federsäumen, auf der Oberseite hellbraun mit feinen schwarzen Wellenlinien, am Oberkopf und auf der Unterseite rotbraun. Der Ruf des Hahn ist kein Kikeriki wie bei seinem gezähmten Abkömmling, sondern ein kurzes Kikeri. Die übrigen Laute sind, wie auch beim Weibchen, ganz ähnlich demjenigen des Haushuhns. Das Huhn brütet im Frühjahr und legt 5–6, zuweilen auch 9–11 blaß lehmgelbe Eier in einer gewöhnlich mit Gras und abgestorbenen Blättern ausgekleideten Bodenmulde. Die Hähne sind besonders zur Brutzeit außerordentlich kampfeslustig. Nach Hutton lassen sich junge Bankivahühner, wenn sie auch im Anfang wild sind, leicht zähmen. Auf den Philippinen, wo die Hahnenkämpfe sehr beliebt sind, scheinen wilde Hähne oft in Gefangenschaft gehalten zu werden, um dann bei den Kampfspielen zu dienen. Dies gibt uns einen Fingerzeig, daß wohl die Benutzung der Kampfeslust der Hähne zu Hahnenkämpfen das erste Motiv der Domestikation des Bankivahuhns innerhalb des malaiischen Verbreitungsgebiets in Südasien war. Überhaupt scheinen die östlichen Varietäten des Bankivahuhnes viel leichter zähmbar zu sein als die westlichen in Indien, weshalb Darwin mit gutem Grunde an die Möglichkeit dachte, daß das Huhn zuerst von Malaien domestiziert wurde. Die Kreuzung desselben mit unserem Haushuhn gelingt leicht und die Bastarde sind unter sich unbegrenzt fruchtbar und geben mit anderen Hühnern, so mit Bantamhühnern, reichliche Nachkommenschaft. Die Bastarde von andern südasiatischen Wildhühnern dagegen, wie dem Gallus sonnerati, G. stanleyi und G. varius sind, als sicherer Beweis einer entfernteren Verwandtschaft, stets unfruchtbar. Übrigens lassen schon Abweichungen im Gefieder und namentlich eine durchaus verschiedene Stimme alle diese Wildhühner als Stammformen unserer zahmen Hühner nicht zu. Wenn verschiedene Rassen unserer Haushühner miteinander gekreuzt werden, so schlagen sie gern in die Färbung der wilden Stammform, des Bankivahuhns, zurück. So erzog Darwin einen Hahn, der ein Bastard einer weißen Seidenhenne mit einem dunkelgrünen spanischen Hahn war und dem wilden Bankivahahn außerordentlich glich. Endlich kann als weiterer Beweis für die Abstammung des Haushuhns vom Bankivahuhn angeführt werden, daß W. Elliot in Pegu Haushennen antraf, die von den wilden Bankivahennen nicht unterschieden zu werden vermochten. Es ist dies also eine ganz primitive Rasse, die sich hier noch erhielt, während sie sonst überall auch in der Färbung durch die Domestikation weitgehend verändert wurden.

Da das Bankivahuhn schon im Wildzustande eine ausgesprochene Neigung besitzt, Varietäten zu bilden, und dadurch, sich den verschiedensten Lebensbedingungen anpassend, in den verschiedenen Ländern seines großen Verbreitungsgebietes sich in zahlreiche Lokalrassen spaltete, darf es nicht überraschen, daß auch die seit alter Zeit geübte künstliche Züchtung eine ganze Reihe von zahmen Hühnerrassen hervorgebracht hat. Im allgemeinen ist bei hochgezüchteten Rassen der Unterschied in der Färbung beider Geschlechter verringert. Dabei sind teils Riesen-, teils Zwergformen hervorgegangen, die wir in besonders ausgesprochenem Maße bei den ostasiatischen Kulturrassen antreffen. Zwerghühner können eine in allen Proportionen den gewöhnlichen Hühnern gleichende Form darstellen. Es kann aber auch die Größe des Körpers gewahrt bleiben, so daß nur die Beine verkürzt werden, wie dies bei den kurzbeinigen Krüpern der Fall ist. Da diese Tiere infolgedessen nur wenig ausgiebig scharren können, kann man sie in Gärten frei laufen lassen. Bei manchen Hühnern, wie bei der Cochinchinarasse, sind die Federn vermehrt und bedecken den ganzen Lauf, bei andern ist das Federkleid rückgebildet, wie bei den Chittagongs, die eine nackte Kehle haben, und den Nackthalshühnern, oder die Federn sind haarähnlich geworden, wie bei den Strupp- oder Seidenhühnern. Bei manchen, wie beim japanischen Phönixhuhn, sind die Schwanzfedern ins Ungeheuere verlängert, beim Kluthuhn dagegen sind sie ganz in Wegfall gekommen. Der Verlust geht bei diesen sogar so weit, daß ihnen überhaupt das den Schwanz tragende Knochenstück fehlt. Selbst der Kamm, das wichtigste unterscheidende Merkmal der wilden Hühner, ist mannigfachen Veränderungen ausgesetzt gewesen, verschwand bei den Haubenhühnern sogar vollkommen und wurde durch eine Federhaube ersetzt. Zwei Haushuhnrassen haben sogar statt vier fünf Zehen erlangt, indem bei ihnen der als atavistische Mißbildung zuerst aufgetretene überzählige fünfte Zehe in der Zucht erblich wurde.

Aber außer in der Form ist das Huhn auch physiologisch weitgehend durch die Zucht beeinflußt worden. So ist vor allem seine Legefähigkeit enorm gesteigert. Während die wilde Stammform, sobald sie erwachsen ist, was nach einem Jahre der Fall ist, wie wir sahen, höchstens 11 Eier legt, soll einer der besten Leger, aber dadurch ein schlechter Brüter, nämlich die auch bei uns viel gehaltene italienische Rasse bis zu 120 Eier im Jahre legen. Nach der Vermutung von Baldamus ist diese hochgezüchtete Rasse sehr alt und geht nicht nur auf die Hühner der Römer und Griechen zurück, sondern reicht in ihren Anfängen bis zum Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends zurück. So zeigen Darstellungen auf assyrischen Siegelzylindern in Umrissen und Proportionen große Ähnlichkeit mit dem italienischen Huhn.

Am nächsten stehen der wilden Stammform die eleganten Kampfhühner, die nur eine geringe Einwirkung der Domestikation zeigen. Der auffallend schlanke Körper zeigt vielfach Unterschiede in der Färbung. Am Kopf sind die Fleischlappen und der Kamm klein, der Hals ist beim Hahne lang, die Halsfedern kurz. Die Schenkel sind lang und kräftig, die Sporne lang und scharf. Die Hähne werden zu Hahnenkämpfen verwendet, die Hennen sind schlechte Legerinnen. Ihnen nahe stehen die Malaienhühner, die ebenfalls hochgestellt sind und lange, orangegelbe Beine haben. Sie sind ebenso streitsüchtig wie die vorigen und die Hennen schlechte Eierlegerinnen. Sie kommen in rotbraunen, weißen und schwarzen Farbenvarietäten vor und werden ebenfalls mehr zum Luxus als für praktische Zwecke gehalten. Während sie einen kurzen Schwanz besitzen, ist derjenige der bereits erwähnten Phönixhühner ganz außerordentlich verlängert, so daß er stark am Boden schleift. Er erreicht eine Länge von nicht weniger als 2 m und mehr. Damit er nicht beschädigt werde, hält man diese Hühner auf hochgelegenen Stangen. Sie sind ein spezielles Zuchtprodukt Japans und kamen erst vor kurzem als Merkwürdigkeit nach Europa. Dem Äußeren nach gleichen sie den gewöhnlichen Landhühnern, die wenig hochgezüchtet sind und in der Form und Färbung der wilden Stammart noch ziemlich nahe stehen. Aus ihnen sind in den verschiedenen Ländern spezielle Rassen gezüchtet worden. Unter ihnen sind zu nennen die spanische Rasse von stolzer Haltung, mit weißem Gesicht, mit langen Kehllappen und großem, gezacktem Kamm. Das Gefieder dieses Huhnes ist bei den reinrassigen Vögeln schwarz mit grünem Schiller. Sie sind im Hühnerhofe sehr geschätzt, weil sie viele und große Eier legen. Ihnen nahe stehen die Minorcas mit scharlachrotem Gesicht und sehr großem Kamm, ferner die diesen gleichenden Anconas mit gesperberter Federzeichnung und die Andalusier mit rotem Gesicht, schwarzem Hals und dunkelschieferblauem Gefieder.

Sehr stattlich ist die englische Dorkingrasse, welche sich zur Fleischnutzung sehr empfiehlt und gute Brüter liefert. Das volle Gefieder kann dunkel, gesperbert, silbergrau oder weiß sein. Die Brust erscheint breit. Das Gewicht geht bei der Henne bis zu 4 kg, beim Hahn bis zu 5 kg. Ein sehr zartes, weißes Fleisch haben auch die Hamburger Hühner, deren Zucht stark verbreitet ist. Sie besitzen einen nach hinten spitz auslaufenden Rosenkamm, weiße Ohrlappen, einen hornfarbigen Schnabel und blaue Beine. Dazu besitzt der Hahn im Schwanze lange Sichelfedern. Nach der Färbung unterscheidet man grünschillernde, schwarze Silbersprenkel, Goldlack und Silberlack. Die Hennen gelten als gute Eierlegerinnen, sind aber zum Brüten schlecht.

In Siebenbürgen werden die Nackthalshühner gezüchtet, die durch ihren roten, von Federn entblößten Hals wie gerupft aussehen. Manche Züchter führen diese Eigentümlichkeit auf eine Kreuzung mit dem Truthahn zurück, was aber zweifellos unrichtig, ja unmöglich ist. Sie sind ziemlich groß, schwarz gesperbert oder weiß mit einem einfachen Kamm. Eine schöne französische Rasse sind die nach dem Dorfe La Flèche genannten La Flèche-Hühner von glänzend schwarzem Gefieder, rotem Gesicht mit langen Kehllappen und weißem Ohrfleck. Weil sich der niedrige Kamm in zwei lange, hörnchenartige Zapfen spaltet, nennt man sie auch poules cornette. Die Haubenhühner besitzen an Stelle des zurückgebildeten Kammes einen Schopf von aufrechtstehenden, mit den Spitzen überfallenden Kopffedern. Zu ihnen gehören die in Frankreich und Deutschland vielfach gezüchteten schwarzen Crève-cœur-Hühner, die neben dem Federschopf noch zwei aufrechte Kammspitzen von roter Farbe aufweisen. Dann die stattlichen schwarz und weiß gescheckten Houdanhühner, die neben der starken Haube einen Kamm mit gezackten Blättern besitzen. Diese stattlichen Tiere, deren Füße wie diejenigen der englischen Dorkings fünf Zehen besitzen, sind sehr mastfähig und werden besonders im Departement Seine et Oise gezogen. Eine starke Vollhaube und dazu noch Bärte besitzen die goldbraunen oder silberweißen Paduaner, die aber wenig mastfähig und schlechte Brüter sind. Rein schwarz mit weißer Haube sind die Holländer, die an Stelle des Bartes lange rote Kehllappen tragen. Der Kamm ist ganz klein und fehlt bei den reinrassigen Tieren.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aus China bei uns eingeführte Rassen sind die großen Cochinchina-Hühner mit rundem, vollem Körper und breiter Brust. Der Kopf ist klein mit schwach entwickeltem, aufrechtstehendem Kamm. Die Flügel sind kurz, die dicken Beine sind an der Außenseite bis zu den Zehen hinunter befiedert. Der Schwanz ist auch beim Hahn recht kurz. Die Färbung ist meist gelb, doch kann sie auch schwarz, weiß, rebhuhnartig oder gesperbert sein. Sie besitzen ein vortreffliches Fleisch und sind gute Brüter. Sehr nahe verwandt damit sind die Brahmaputrahühner, die sich eigentlich nur durch die erbsenförmige Gestalt des Kammes unterscheiden. Ebenfalls ostasiatischen Ursprungs sind die Seidenhühner, die ihren Namen vom feinen, haarartigen Federkleide haben. Im Körperumriß ähneln sie den Cochinchinas; auch ihre Flügel sind auffallend kurz, so daß sie durchaus nicht fliegen können. Zu dem reinweißen Federkleide kontrastiert die blauschwarze Farbe der Beinhaut. Sie sind gegen Nässe empfindlich. Ihre Eier sind blaßgelb.

Aus Japan stammen die Zwerghühner oder Bantams, die nicht viel größer als Tauben werden. Sie sind schwarz, weiß oder gesperbert und machen sich durch ihr munteres Wesen beliebt. Wirtschaftlich spielen sie eine unbedeutende Rolle. Weit mehr geschätzt ist das neuerdings bei uns eingeführte Yokohamahuhn. Aus Nordostasien kamen die Langshans zu uns. Durch Kreuzung verschiedener alter Rassen erzielten die Amerikaner diverse neue, unter denen die Brahmas, Plymouth-Rocks und Wyandottes eine weitere Verbreitung bei uns erlangten. Die neuerdings durch die unternehmungslustigen Engländer auf den Markt gebrachten Orpingtonhühner sind noch nicht zu einer festen Rasse geworden.

Die Hauptaufgabe der Hühnerzucht ist das Heranzüchten eines guten Landhuhns, das während seines ganzen, etwa 6 Jahre dauernden Lebens, die meisten allerdings in den vier ersten Jahren, 500 bis 600 Eier legt und daneben noch als Fleischlieferant zu gebrauchen ist. Unter den deutschen Nutzhühnern spielt gegenwärtig das in Westfalen heimische Lakenfelderhuhn und das Ramelsloherhuhn aus der Lüneburger Heide eine Hauptrolle. Sobald die Hühner mit dem Eierlegen nachzulassen beginnen, mästet und schlachtet man sie, so daß sie dann noch als Fleischlieferanten von Nutzen sind.

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