XIX. Kormoran und Strauß.

Der Kormoran ist als Haustier ausschließlich eine Errungenschaft der chinesischen Kultur. Die Betriebsamkeit und die Geduld dieses alten Kulturvolkes hat damit einen Vogel zum nützlichen Gehilfen des Menschen gemacht, der bei uns als gefährlicher Konkurrent von jeher eifrig verfolgt wird und im wesentlichen in Mitteleuropa auf dem Aussterbeetat steht. Freilich wären auch unsere durch die gedankenloseste Raubwirtschaft und die Verunreinigung der Flüsse durch die giftigen Abwässer der chemischen Fabriken an Fischen verarmten Gewässer kein günstiges Gebiet für die Tätigkeit dieses ausgezeichneten Fischfängers, der sich uns bisher nur als Fischräuber verhaßt gemacht hat.

Der Kormoran (Phalacrocorax carbo), auch Baumscharbe oder Wasserrabe genannt, ist ein sehr gefräßiger und deshalb vom Menschen überaus gehaßter Fischräuber. Vom mittleren Europa an trifft man ihn in ganz Mittelasien und Nordamerika, von hier aus bis Westindien, von dort aus bis Südasien wandernd. Er bewohnt je nach Gelegenheit die kahle Meeresküste und die bewaldeten Ufer der Binnengewässer; dabei scheut er sich gar nicht, in unmittelbarer Nähe von Ortschaften, ja gelegentlich in diesen selbst, z. B. auf Kirchtürmen, sich anzusiedeln. Er liebt die Geselligkeit und hält sich deshalb in größeren oder kleineren Scharen mit seinen Artgenossen zusammen, nistet auch gewöhnlich in größeren Gesellschaften auf Bäumen, hohen Felsen, in Gebüschen oder im Schilf. Dabei kehren die Vögel mit großer Zähigkeit zu ihren alten Brutplätzen zurück, so lange sie nicht gewaltsam davon vertrieben werden. Gern nimmt der Kormoran von den verlassenen Nestern anderer Vögel, so besonders von Reiher- und Krähennestern, Besitz, um so mühelos die erste Unterlage für sein eigenes Nest zu erhalten, das aus Pfanzenstoffen errichtet und inwendig immer naß und sehr schmutzig ist. Zweimal im Jahre werden 3–4 Junge aus den grünlichweißen Eiern ausgebrütet und großgezogen.

Tafel 53.

(Copyright by M. Koch, Berlin.)

Kormorane auf einem Felsen bei Monterey in Kalifornien.


GRÖSSERES BILD

Tafel 54.

Eingefahrener Strauß auf Karl Hagenbecks Straußenfarm in Stellingen.


GRÖSSERES BILD

Der Kormoran ist 81 cm lang und der Hauptsache nach glänzend grünschwarz gefärbt, an Rücken und Flügeln kupferbraun, die Backen weiß, Schnabel und Füße schwarz. Er schweift außer der Brutzeit gern umher, ist auf dem Lande sehr schwerfällig, fliegt auch nicht besonders gut, zeigt sich aber im Wasser äußerst beweglich und flink. Mit geräuschlosem Ruck taucht er in bedeutende Tiefen und kann wenigstens zwei Minuten unter Wasser bleiben, wobei er mehr oder weniger tief hunderte von Metern zurückzulegen vermag. Pfeilschnell schießt er auf der Jagd nach Fischen mit weitausholenden Flügelschlägen so gewandt unter Wasser dahin, daß ihm auch der flinkste Schuppenträger nicht zu entgehen vermag. Aus einer Tiefe von 40 m holt er Schollen vom Meeresgrunde herauf, und Fische bis zu 7 cm Breite und 30 cm Länge, Aale, die er besonders liebt, selbst wenn sie 60 cm lang sind, verschlingt er mit Leichtigkeit.

Der vorsichtige, am Brutplatze zwar minder scheue Vogel, entzieht sich jeder nahenden Gefahr. Kann er nicht tauchen, so erhebt er sich über Schußweite in die Luft. Am liebsten aber verschwindet er bei Verfolgung im Wasser, streckt, um rasch zu atmen, nur Kopf und Hals etwas über die Oberfläche und verschwindet alsbald wieder in der Tiefe, wo er sich geborgen fühlt, bis die Gefahr verschwunden ist. Gegen andere Vögel ist er heimtückisch und sucht gern ihre Nester auszurauben oder gar die alten Vögel wegzuschnappen. So sah man im früheren Zoologischen Garten in Wien die Kormorane sich der Länge nach aufs Wasser legen und die hart am Wasserspiegel auf Insekten jagenden Schwalben mit beispielloser Gewandtheit wegfangen, ohne jemals fehlzugreifen.

Während der Morgenstunden fischen sie mit regem Eifer; nachmittags pflegen sie der Ruhe und der Verdauung. Gegen Abend unternehmen sie nochmals einen Fischzug und gegen Sonnenuntergang gehen sie schlafen. Dabei wählen sie im Binnenlande zur Nachtruhe hohe Bäume, an der Meeresküste dagegen hohe felsige Inseln, die ihnen Umschau nach allen Seiten gewähren. Von ihnen bewohnte Inseln erkennt man schon von weitem an dem weißen Kotüberzug, mit dem die Vögel sie bedeckt haben, und sie würden schließlich auch bei uns zu Guanolagern werden, hätten wir in unsern Breiten weniger Regen und die tropische Sonne, die den Vogeldünger unter dem Himmel Perus rasch trocknet. Bei ihrer ungemeinen Gefräßigkeit und raschen Verdauung ist der Kot sehr ausgiebig. Sie fressen solange sie können und stürzen selbst mit gefülltem Magen auf eine Beute, wenn sie ihnen gerade vor die Augen kommt. Weil sie bei solchen Eigenschaften der Fischerei sehr bedeutenden Schaden zufügen, können sie in Ländern, in denen der Mensch zur Herrschaft gelangte, nicht geduldet werden. Sie werden deshalb überall in zivilisierten Ländern als gefährliche Fischräuber verfolgt. Nur vorübergehend sind einzelne Exemplare der Gattung im 17. Jahrhundert an den Höfen Englands und Frankreichs zum Erbeuten von Fischen zahm gehalten worden, wie für die Reiherbeize Falken gehalten wurden. Dazu benutzte man jedenfalls jung aus dem Nest genommene Tiere; und zwar gaben vielleicht Jesuitenmissionare, die in China solche Verwendung kennen gelernt hatten, Veranlassung zu solchem Sporte, da diese gezähmten Kormorane ausdrücklich als aus dem katholischen Flandern bezogen erwähnt werden. So berichtet Pennant, daß König Karl I. von England, der von 1625–1649 regierte, einen Mr. Wood als master of the corvorants hielt. Dieser habe die Kormorane so gezähmt, daß er sie ganz wie Falken habe gebrauchen können. Um 1628 sah dann Puteus als Sekretär des Kardinals Barberini in Fontainebleau am Hofe Ludwigs XIII. solche Tiere, die vom König von England als Geschenk an seinen Schwager dahin gelangt waren. Jedenfalls ist die Verwendung des Kormorans in Europa damals ganz vereinzelt geblieben und haben sich die Vögel nicht in der Gefangenschaft fortgepflanzt, sind also nicht zu Haustieren geworden, wie dies seit alter Zeit in China der Fall ist.

Über die Kormoranzucht der Chinesen hat uns der französische Missionar Armand David 1875 eingehend berichtet. Dort ist dieser Vogel vollständig Haustier geworden und pflanzt sich in der Gefangenschaft regelmäßig fort; doch läßt man gewöhnlich die von den Weibchen gelegten Eier durch Hühner ausbrüten. Die Jungen werden schon beizeiten mit auf das Wasser genommen und sorgsam unterrichtet, so daß sie bald auf den Befehl ihres Herrn ins Wasser tauchen, um die erhaschte Beute nach oben zu bringen und sie ins Boot zu apportieren. Ein um den Hals gelegter lederner Ring verhindert den Kormoran am Hinunterschlingen des erbeuteten Fisches. So schwimmt er auf das Boot seines Herrn zu, wo ihm seine Beute sofort abgenommen wird. Zur Belohnung wird ihm nach Abnahme des Halsrings etwas Bohnenteig als das übliche Futter verabreicht. Hierauf läßt man den Vogel am Rande des Bootes kurze Zeit ruhen und schickt ihn dann wieder an die Arbeit. Lässige Vögel werden bestraft, wie fleißige am Schlusse des Fischens einen Fisch zum Fressen erhalten. Wie groß muß noch der Reichtum der chinesischen Gewässer an Fischen sein, daß sich ein solches Verfahren so gut rentiert, daß ein gezähmter Kormoran den für chinesische Verhältnisse sehr hohen Preis von 12000 Käsch (= 30 Mark) einträgt. Übrigens haben die Japaner den Chinesen den Fischfang mit Kormoranen abgeguckt und wenden ihn gelegentlich ebenfalls in ihren fischreichen Gewässern an. Da der treffliche Vogelkenner Naumann mit gutem Grund den Kormoran als schwer zu zähmen und bissig bezeichnet, ist die große Geduld und Ausdauer der Chinesen bei der Gewinnung dieses Haustiers doppelt anzuerkennen. Für uns aber sind die Zeiten endgültig vorbei, da ein solcher Gehilfe des Menschen existenzberechtigt wäre; denn wie lange müßte der arme Geselle in den meisten unserer Gewässer tauchen, bis er endlich ein paar Gründlinge oder Weißfische aufgetrieben hätte!

Dagegen hat die Kulturmenschheit noch in elfter Stunde einen anderen Vogel zu zähmen verstanden, der an zahlreichen Orten seines einstigen Verbreitungsgebietes bereits ausgerottet ist und nur noch in einigen Steppen Südafrikas häufiger angetroffen wird. Es ist dies der afrikanische Strauß (Struthio camelus), der einst auch die Steppen Westasiens wie sämtliche des schwarzen Erdteils bewohnte. So sah Xenophon in der vorderasiatischen Steppe wilde Strauße, die von den sie verfolgenden Reitern nicht eingeholt zu werden vermochten, und Diodoros Siculus berichtet von Straußen in Arabien, die mit solcher Gewalt Steine mit ihren Füßen gegen ihre Verfolger schleudern, daß letztere oft schwer getroffen werden. Damit meint er die bei ihrem schnellen Laufe unabsichtlich nach hinten fliegenden Steine. Wie dieser schreibt auch der ältere Plinius, er sei so dumm, daß er sich geborgen glaube, wenn er nur den Kopf in einen Busch gesteckt habe. Man suche seine Eier als etwas Kostbares auf und gebrauche die Schale derselben wegen ihrer Größe zu Gefäßen. Mit den Federn der Strauße verziere man die Helme. Älian sagt: „Der Strauß legt viele Eier, bebrütet aber nur die fruchtbaren, legt dagegen die unfruchtbaren gleich auf die Seite und setzt sie später den ausgekrochenen Jungen als Futter hin.“ Aus Libyen und Mauretanien, also Nordafrika, das schon längst keine Strauße mehr besitzt, kamen diese Tiere auch zu den Zirkusspielen nach Rom. So ließ Kaiser Gordianus nach Julius Capitolinus bei den Jagdspielen nebst vielen anderen Tieren auch 300 mit Mennige rot gefärbte Strauße auftreten, die ausdrücklich als aus Mauretanien stammend bezeichnet werden. Bei den Jagdspielen, die Kaiser Probus in Rom gab, erschienen unter anderen wilden Tieren gar 1000 Strauße „und wurden dem Volke preisgegeben.“ Und Älius Lampridius berichtet von Kaiser Heliogabalus, daß er einmal bei einem Schmause die Köpfe von 600 Straußen auftragen ließ, deren Gehirn verzehrt werden sollte. „Mehrmals gab er auch bei Gastereien Straußen- und Kamelbraten und behauptete, den Juden sei vorgeschrieben, solche Braten zu verzehren.“ Wenn damals der Strauß in solcher Menge gefangen und nach Rom gebracht wurde, ist es kein Wunder, daß diese Tiere mit der Zeit dann gänzlich aus Nordafrika verschwanden.

Gewöhnlich lebt der Strauß in Gesellschaften von 10–20 Stück, in Südafrika gern mit Antilopen-, besonders Gnu- und Hartebeestherden vergesellschaftet. Mit hocherhobenem Kopf vermag er mit seinen außerordentlich scharfsichtigen Augen überaus weit zu sehen und ist so ein willkommener Warner für die wohl mit gutem Geruch, aber nur mit mäßig scharfen Augen begabten Antilopen. Er liebt das Wasser und sucht es zum Trinken und Baden gern auf. Wenn es sein muß, kann er dasselbe aber auch lange entbehren, macht auch keine weiten Wege, um es aufzusuchen. Außer Kraut, Früchten und Sämereien aller Art frißt er gelegentlich auch kleine Tiere, schlingt auch Steine, die zum Zerreiben der harten Pflanzennahrung im kräftigen Muskelmagen dienen sollen, hinunter.

Während junge Strauße schweigsam sind, stoßen die alten Männchen meist am frühen Morgen ein Gebrüll aus, kämpfen zur Fortpflanzungszeit auch mit Schnabel und Füßen miteinander, um eine Anzahl Weibchen für sich zu gewinnen. Durch allerlei tanzende Balzbewegungen vermag jedes meist drei bis vier Weibchen an sich zu fesseln. Diese legen nun ihre Eier in ein einziges, nur aus einer vom Männchen in den Sandboden gewühlten Mulde bestehendes Nest, das oft 20 Eier enthält und von anderen, nicht zum Ausbrüten, sondern als Nahrung für die ausgeschlüpften Jungen dienenden Eiern umgeben zu sein scheint. Die dickschaligen, glatten, mit Poren zum Atmen für die Jungen versehenen gelblichweißen Eier werden fast ausschließlich vom Männchen bebrütet, das während der ganzen Nacht daraufsitzt und auch während des Tages sie nur zur Nahrungsaufnahme für kurze Zeit verläßt. Nur in ganz heißen Gegenden überläßt es sie während des Tages, mit Sand bedeckt, sich selbst. Nach etwa 50 Tagen entschlüpfen ihnen die Jungen, die alsbald vom sorgsam um sie bemühten Vater in Obhut genommen und gefüttert werden. Sie sind zunächst von stachelartigen Horngebilden umgeben, die nach zwei Monaten dem grauen Federkleide Platz machen, das bei den Weibchen nur wenig verändert das ganze Leben hindurch bestehen bleibt, während bei den Männchen vom zweiten Jahre an alle kleinen Federn des Rumpfes kohlschwarz, die langen Flügel- und Schwanzfedern aber blendend weiß werden. Diese gekräuselten Federn sind ein sehr beliebter Schmuck schon der unkultivierten Wilden, ganz besonders aber des danach lüsternen Kulturmenschen.

Das hauptsächlichste Ziel der Jagd des Straußes sind diese Federn, die überall willige Abnehmer finden. Ihr Preis ist je nach dem Wechsel der Mode erheblichen Schwankungen unterworfen, ist aber dadurch bedeutend im Wert hinuntergegangen, daß der Vogel jetzt auch gezähmt gehalten wird und ihm die Federn abgeschnitten werden können, ohne daß er, wie früher der wilde, getötet zu werden braucht. Einst wurde die Straußenjagd zur Gewinnung der Federn von den berittenen Beduinen Nordafrikas mit Leidenschaft betrieben und galt als eine der edelsten Vergnügungen, umsomehr sie sehr schwierig war und ein Zusammenarbeiten mehrerer Jäger erforderte. Diese zogen auf flüchtigen Pferden oder Reitkamelen in die Steppe hinaus, wobei ihnen in einiger Entfernung Wasser in Schläuchen tragende Lastkamele folgten. Die Treiber dieser letzteren hatten sich auch während der Jagd in möglichster Nähe der Verfolger zu halten. Sobald die Jäger einen Trupp Strauße trafen, suchten sie ein Männchen von der Herde zu trennen und ritten im gestreckten Galopp hinter ihm her. Während einer von ihnen dem Vogel auf allen Krümmungen seines Laufes folgt, sucht ein anderer diese abzuschneiden, übernimmt, wenn es ihm gelang, die Rolle des ersteren und läßt diesen die kürzere Strecke durchreiten. So wechseln sie miteinander ab, bis sie den mit möglichster Schnelligkeit dahineilenden Strauß ermüdet haben. Gewöhnlich sind sie schon nach Verlauf einer Stunde dicht hinter ihm her, zwingen ihre Reittiere, meist Pferde, zu einer letzten Anstrengung und versetzen dem Vogel schließlich einen heftigen Streich über den Hals oder auf den Kopf, der ihn sofort zu Boden streckt. Unmittelbar nach dem Falle des Wildes springt der Jäger vom Pferde, schneidet ihm unter Hersagen des üblichen — da allerdings sehr unpassenden — Spruches: „Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen! Gott ist groß!“ die Halsschlagader durch und steckt, um Beschmutzung der Federn durch das Blut zu verhüten, den Nagel der großen Zehe eines Fußes in die Wunde. Nachdem sich der Strauß verblutet hat, zieht ihm der Jäger das Fell ab, dreht es um und benutzt es gleich als Sack, um in ihm die Schmuckfedern aufzubewahren. Vom Fleische schneidet er so viel ab als er braucht, um seinen Hunger zu stillen; das Übrige hängt er an einen Baum zum Trocknen und für etwa vorüberziehende Wanderer auf. Mittlerweile sind die Kamele mit dem Wasser nachgekommen und die Jäger erquicken sich und ihre Pferde nach der anstrengenden, heißen Jagd mit dem kühlenden Naß, ruhen einige Stunden aus und kehren alsbald mit ihrer Beute beladen nach Hause zurück. Hier sortieren sie die Federn nach ihrer Güte, binden die kostbaren weißen, deren ein vollkommen ausgebildeter Strauß höchstens 14 besitzt, in einzelne Bündel zusammen und bewahren sie zu gelegentlichem Verkauf in ihren Zelten auf. Der Händler muß, um die Federn zu bekommen, sich selbst zum Jäger begeben und erlangt von diesem die gesuchte Ware erst nach längeren Verhandlungen. Man begreift diese Zurückhaltung sehr wohl, wenn man bedenkt, daß alle Fürsten und Regierungsbeamten Nordafrikas noch heute, wie zur Zeit der alten Ägypter, von ihren Untertanen Straußenfedern als Königstribut verlangen und sich kein Gewissen daraus machen, diesen durch ihre Unterbeamten gewaltsam eintreiben zu lassen. Der Beduine vermutet daher in jedem, der ihn nach Federn fragt, einen Abgesandten seines Oberherrn und rückt mit seinem Schatze erst dann heraus, wenn er sich durch eingehendes Ausforschen von den reellen Absichten des Käufers überzeugt hat.

In der Kulturgeschichte der Menschheit hat die Straußenfeder seit der ältesten Zeit eine so wichtige Rolle gespielt, daß wir hier etwas näher darauf eintreten müssen. Schon die Naturvölker Afrikas schmückten sich einst und schmücken sich heute noch damit. Auf einer höheren Stufe waren es vornehmlich die Häuptlinge, die sich ihre Abzeichen daraus schufen, worunter auch aus ihnen zusammengesetzte, an langen Stielen getragene Fächer waren. Im alten Ägypten war eine Straußenfeder das Abzeichen von Maat, der Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, der Gemahlin von Thot, dem Gotte der Zeit, der Geschichte, Schrift, Magie und des Mondes. Das Bild der Göttin Maat, die eine Straußenfeder als Zier auf dem Kopfe trug, war das kostbarste Weihgeschenk für die Götter; der Oberrichter trug es an einer Kette um den Hals. In der Folge bedeutete die Straußenfeder in der Hieroglyphik Wahrheit und Gerechtigkeit. Als später die Abzeichen der verschiedenen Rangklassen im Zeremoniell am Hofe durch Übereinkommen fixiert waren, war die Straußenfeder das Symbol des Fürsten und das Tragen derselben nur diesen und den Prinzen königlichen Geblüts gestattet. Diese Straußenfedergezierten sind auf den Monumenten als „Fächerträger zur Linken des Königs“ bezeichnet. Auch die Prinzessinnen trugen Fächer aus Straußenfedern. So wurde im Grabe der Königin Aa hotep (um 1703 v. Chr.) ein solcher aus vergoldetem Holz gefunden, an dessen Halbkreis noch die Löcher zu sehen sind, in denen die inzwischen zu Staub aufgelösten Straußenfedern steckten, die einst den Wedel bildeten. Auch am persischen Hofe spielte der Staatsfächer mit Straußenfedern eine große Rolle. Gleicherweise zierten sich die vornehmen Griechinnen und Römerinnen mit Straußenfedern, wie die Männer sie als Schmuck gelegentlich auf ihre Helme steckten.

Bild 50. Links gefangener Strauß, rechts ein Mann mit Federn und Eiern vom Strauß. (Nach Wilkinson.)

Im Mittelalter war die Straußenfeder aus Nubien über den Orient nach Europa gekommen, blieb aber zunächst zu teuer, als daß sich weitere Kreise mit ihr zu schmücken vermocht hätten. Erst am Ende des Mittelalters wurde dieser Artikel häufiger auf den Markt gebracht, so daß er weitere Verbreitung und Anwendung fand. Seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts liebten es die vornehmen Kavaliere des in Europa tonangebenden, an Reichtum und der damit in Zusammenhang stehenden Prachtentfaltung alle andern überstrahlenden burgundischen Hofes, 3–4 Federn zunächst des Reihers als aigrette vorn an der Kappe oder am Stirnband zu befestigen. Als dann auf ihre höfische Zierlichkeit und Eleganz der schwerfällige Prunk des Ritters aus der Zeit Kaiser Maximilians folgte, wurde die zierliche Aigrette durch den wallenden Federbusch aus Straußenfedern ersetzt. Aber nicht nur der adelige Ritter, sondern auch der gewöhnliche Landsknecht suchte mit diesem teuren Schmucke zu prunken. Bald fand er auch Eingang in der wohlhabenden Bürgerschaft, so daß die Obrigkeit es für nötig fand, Gesetze gegen diesen unerhörten Luxus zu erlassen. So wurde in einer Kleiderordnung einer reichen Stadt am Rhein aus dem 16. Jahrhundert den Handwerkern das Tragen von Straußenfedern auf ihrem Barett als übertriebene Verschwendung gänzlich untersagt.

In der Folge nahm diese Straußenfedermanie in Europa ziemlich ab. In Deutschland sorgte die Not des 30jährigen Krieges dafür, daß den Leuten solcher Tand gleichgültig wurde. Als dann Spanien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Welt beherrschte, wurde die Strenge seiner Etikette und die Form seiner Kleidung tonangebend für die vornehmen Kreise. Bald trugen die Damen und Herren nur noch die kleine toque, welche höchstens noch ein kleiner Federstutz garnierte. Als dann Europa nach dem Tode Philipps II. (1598) die steife Grandezza Spaniens abgeschüttelt hatte, stülpte sich der französische Ritter den respondent genannten ungeheuren Filzhut auf seine jetzt absichtlich ungepflegten Locken; diesen schmückte er mit einigen kühn aufgesteckten Straußenfedern. Von da an herrschte das ganze 17. Jahrhundert hindurch in verschiedenen Variationen der mit Straußenfedern gezierte große Filzhut. Am üppigen Hofe des Sonnenkönigs umhüllte die Straußenfeder wieder in verschwenderischer Fülle den Hut des Elegants, wie den Helm des Offiziers. Erst mit dem Beginne des Rokoko änderte sich dieses Verhältnis, indem jetzt die Damen siegreich das Feld behaupteten und ihre zu immer gewaltigerer Höhe emporgetürmte Coiffüre mit wallenden Straußenfedern krönten.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurde die Straußenfeder auch zu höfischen Festdekorationen gebraucht, so zur Ausschmückung des Thronbaldachins und später auch der Prunkbetten des Rokoko. Sie erschien damals als ein unumgängliches Erfordernis der feierlichen Aufmachung, der Galamontur und des Paradekleides. Wie zum erstenmal der Stifter König Friedrich I., so trägt heute noch der König von Preußen als Großmeister des hohen Ordens vom Schwarzen Adler einen Hut mit vier Reihen übereinandergetürmter weißer Straußenfedern. Einen ähnlichen Federbusch trägt nicht nur der Vorsitzende, sondern tragen auch die Ritter des 1730 gestifteten englischen Bath-Ordens, wie auch die Mitglieder des höchsten englischen Ordens überhaupt, des Hosenbandordens. Daß auch die strenge Empirezeit nicht ohne diesen pompösen Schmuck auskommen konnte, sobald es sich um die höchste Prachtentfaltung handelte, ersieht man aus dem Kupferstich des kleinen Krönungsornats Napoleons I., dessen berühmter Dreispitz hier unter einer Wolke duftiger weißer Straußenfedern fast verschwindet.

Bis dahin hatte Europa den Bedarf an dieser kostbaren Ware mit seiner Einfuhr aus Afrika decken können. Genuesische und französische Schiffe hatten schon im ausgehenden Mittelalter den Import derselben aus der Berberei und der Sahara vermittelt. Im 17. Jahrhundert wurden dann Ägypten und Syrien wichtige Ausfuhrländer für diese teilweise auch aus Arabien bezogene wertvolle Ware. Die jahrhundertelang in der schonungslosesten Weise zur Erbeutung der Federn betriebene Straußenjagd ließ aber trotz der Fruchtbarkeit des Riesenvogels mehr und mehr in empfindlicher Weise nach, so daß Livorno und Wien, die von alters her die Stapelplätze für die Straußenfedern gewesen waren, zu Beginn des 19. Jahrhunderts die verlangten Mengen derselben nicht mehr liefern konnten. Als ums Jahr 1830 wieder große Hüte getragen wurden, zahlte man schon 40 Mark für eine hübsche Feder. Wie Gold- und Silberschmuck waren sie eine Zeitlang die beliebtesten Brautgeschenke und wurden in großer Menge verbraucht.

Einen Umschwung brachte erst die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts angeregte künstliche Straußenzucht. Um dem fortwährenden Rückgang des wertvollen Tieres zu steuern, stellte auf Anregung des Genfer Arztes Gosset der Pariser Kaufmann Chagot der société d’acclimatisation eine Summe von 2000 Franken zur Verfügung, um dieses Tier künstlich zu züchten. Vom Jahre 1857 an wurde dieser Gedanke von Hardy mit Ausdauer verfolgt und es gelang ihm, in Algier die Strauße zum Brüten zu bringen, so daß er bereits 1860 die zweite Generation zu erziehen vermochte. Gleichzeitig wurden auf Anregung des Fürsten Demidoff in San Donato bei Florenz Zuchtversuche mit Straußen vorgenommen und hatten Erfolg. Dabei ergab sich die bemerkenswerte Tatsache, daß das Weibchen in einem Falle das Brutgeschäft vollständig dem Männchen überließ, das andere Mal abwechselnd mit diesem brütete. Aus zwei Bruten gingen von 1859 bis 1860 acht Nachkommen hervor. Gleicherweise wurden im Tiergarten von Marseille durch Suquet Strauße gezüchtet; auch in Grenoble und Marseille erlangte man günstige Resultate, so daß es sich nur noch um eine Übertragung der Versuche in die Praxis handeln konnte.

Nachdem 1866 die künstliche Ausbrütung der Straußeneier geglückt war, ging die Sache rasch vorwärts. In Algier freilich, wo die ersten Versuche stattfanden, vermochte sich die Straußenzucht nicht einzubürgern; dagegen hatten die Farmer im Kaplande überraschende Resultate. Schüttelte man auch dort anfänglich die Köpfe über den Versuch, Strauße zu züchten, so kamen doch einzelne Farmer dadurch zu Vermögen. Die Straußenfarmen wuchsen bald wie Pilze aus dem Boden, und die Kaufpreise der Vögel stiegen rasch in die Höhe. Während noch im Jahre 1865 im Kaplande nicht mehr als 80 zahme Strauße gezählt wurden, hielt man zehn Jahre später schon 21751 Stück. Im Jahre 1886 schätzte man den dortigen Bestand an gezähmten Straußen auf 150000 Stück und später stieg er gar auf 200000 Stück, so daß man sehr wohl begreift, wie heute die Straußenzucht einen der wichtigsten Erwerbszweige Südafrikas bildet, soweit es von Europäern bevölkert ist. Vom Jahre 1865–1885 hob sich die Ausfuhr von 1500 auf 90000 kg Federn jährlich, was einen Wert von etwa 20 Millionen Mark darstellt. In neuerer Zeit ist der Preis der Federn und damit auch der Vögel stark gesunken; doch ist die Straußenzucht gleichwohl immer noch lohnend. Die allzugroße Inzucht der Tiere scheint aber die Qualität der Federn verschlechtert zu haben, so daß eine nicht künstlich verstärkte Feder heute tatsächlich eine Seltenheit geworden ist. Eine Auffrischung der Zuchten mit Wildmaterial ist wegen des starken Rückganges freilebender Strauße bedeutend erschwert.

Kleinere Farmer lassen die Strauße den Tag über im Felde herumlaufen und treiben sie abends in die Gehöfte, wie es übrigens die Somali schon vor den Europäern machten, um die Straußenfedern leichter als durch die mühevolle Jagd auf jene so überaus schnellaufenden Tiere zu erlangen. Viel häufiger als solche kleine sind große Zuchten, in denen etwa 100 Vögel auf einem Raum von 250 ha, von Drahtzäunen oder Steinmauern umgrenzt, gehalten werden. Die Nahrung besteht aus Gras und Laubwerk; daneben wird auch Mais verfüttert. Die Straußenhenne legt im dortigen Frühjahr im Laufe von 14 Tagen 12–16 ihrer elfenbeinfarbenen, dickschaligen Eier, deren Ausbrütung, wie wir sahen, fast ausschließlich das Männchen besorgt. Sie wird aber auch sehr häufig im Incubator genannten Brutapparat vorgenommen, wodurch eine gleichmäßigere Erwärmung und infolgedessen auch eine größere Zahl von ausschlüpfenden Jungen erzielt wird. Im Laufe des Jahres erfolgen 2–3 Bruten, so daß die Vermehrung eine sehr starke ist. Im Brutapparat bedarf das Ei zu seiner völligen Bebrütung durchschnittlich 43 Tage. Die Jungen werden mit kleingeschnittenem Grünfutter, besonders Luzerne, dann in Wasser eingeweichter Brotkrume und Kleie aufgezogen, was einige Vorsicht und in der ersten Zeit Trennung von den Alten erfordert, da diese gegen die auf diese Weise gewonnenen Jungen sehr bösartig zu sein pflegen. Sobald die Tiere drei Jahre alt sind, werden ihnen zum erstenmal Federn entnommen, nicht ausgerissen, sondern an der Wurzel mit der Schere abgeschnitten. Der Stumpf fällt dann aus und an seiner Stelle entwickelt sich eine neue Feder. Alle acht bis zehn Monate wird dieser Prozeß, bei welchem man die Vögel vielfach in ein bewegliches Holzgestell einspannt, wiederholt, und 15 Jahre lang kann man bei einem gesunden Tier auf Rentabilität rechnen. Bei einem jährlichen Unterhalt von 80 Mark pro Vogel erzielt man eine Ernte von 1 kg Federn im Werte von 260–1200 Mark. Es ist dies also eine sehr schöne Verzinsung des Anlagekapitals.

Die Straußenzucht gedeiht nur in Steppengegenden und sandigen Gebieten. Der Wind hat wenig Einfluß auf das Wohlbefinden der Tiere; dagegen sind die Strauße sehr empfindlich gegen Nässe und Kälte. Starke Verheerungen richten leicht übertragbare Wurmparasiten unter ihnen an. Es wird angegeben, daß die jungen Strauße mit Vorliebe Exkremente von Trappen und Feldhühnern aufpicken und auf diese Weise die Keime von parasitischen Würmern in sich aufnehmen, die sie im wilden Zustande nicht in sich haben. Ferner brechen sich die Tiere in ihrer Ungeschicklichkeit leicht die Fußknochen und gehen dann meist zugrunde. Noch schlimmer aber ist es, daß der Absatz des Produktes ganz von den Launen der unberechenbaren Mode abhängt und die Preise mit dem zunehmenden Angebot sinken.

Trotzdem die Kapregierung einen hohen Ausfuhrzoll auf lebende Vögel und Eier festsetzte, hat sich die Straußenzucht, außer der blühenden Zucht von Matarieh bei Kairo in Ägypten, auch außerhalb Afrikas eingebürgert, vor allem in Kalifornien und Argentinien. Auch Neuseeland züchtet diesen Schmuckvogel mit Erfolg; in Australien dagegen vermochte er bis jetzt nicht zu gedeihen. Seit kurzem ist man auch in Deutsch-Südwestafrika dem Beispiele der Engländer gefolgt. So ist in Otjkondo ein Gebiet von 8200 ha ganz für die Aufzucht dieser Vögel reserviert worden. Da diese, wenn sie rationell betrieben wird, nur einen Verlust von 10 Prozent verursacht und die Vögel sehr fruchtbar sind, d. h. zwei- bis dreimal jährlich 10–16 Eier legen, so kann die Zucht sehr lukrativ sein.

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