XVI. Gans, Ente und Schwan.

Die in den Haustierstand übergetretenen Schwimmvögel gehören alle der Familie der Zahnschnäbler oder Entenvögel an, die ebenso wie die bereits besprochenen Hühnervögel vielfach erhebliche Unterschiede in der Färbung des Gefieders beider Geschlechter erkennen lassen, besonders was die Wildenten betrifft. Ihre geistige Begabung wird vielfach zu niedrig angeschlagen, so daß die Bezeichnung „dumme Gans“ geradezu sprichwörtlich geworden ist. Jedenfalls ist sie durchschnittlich höher als bei den übrigen Schwimmvögeln. Nur die gezähmten Vertreter derselben haben durch jahrhundertlange Bevormundung durch den Menschen von der Intelligenz ihrer freien Ahnen erheblich eingebüßt. Allen Mitgliedern der Sippe ist große Geselligkeit und eine ausgesprochene Fürsorge für die Brut eigen. Soweit sie sich dem Menschen anschlossen, verlangen sie auch im Haustierstande die Nähe von Teichen oder langsam fließenden Wasserläufen, um sich darauf zu tummeln, zu baden und nach allerlei kleinem Getier und pflanzlichen Stoffen zu gründeln.

Bild 47. Jagd auf Wildenten und anderes Wassergeflügel mit dem Wurfstock (Bumerang). (Nach Wilkinson.)
Hinter dem Herrn steht dessen Gattin und davor das Töchterchen, das seinen Vater auf die Gans vor ihm aufmerksam macht. Zu oberst stürzt eine Wildgans, vom Wurfholz getroffen, herunter.

Von ihnen trat die Wildgans als die verhältnismäßig am leichtesten zähmbare zuerst in die Abhängigkeit des Menschen, und zwar begegnen wir ihr im wasserreichen Ägypten zuerst als Haustier. Dort hatte man schon sehr früh außer der Gans auch Reiher und Kraniche eingefangen und nach Stutzung der Flügel eingehegt in kleinen, von Hirten getriebenen Herden gehalten. Dann haben auch die Griechen und Römer der späteren Zeit nicht nur Kraniche gefangen, um sie als geschätzten Braten zu essen, sondern auch zuvor in besonderen Gehegen gemästet. So klagt Plutarch über die Grausamkeit mancher Leute, die den zum Mästen eingesperrten Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen. Schon Platon erwähnt Anstalten zum Füttern von Gänsen und Kranichen. Später berichtet der Römer Varro zu Ende der Republik, daß Sejus eine Villa besitze, auf der große Herden von Gänsen, Hühnern, Tauben, Kranichen, Pfauen, Siebenschläfern, Fischen, Wildschweinen und anderem Wild gehalten würden, wodurch er ein jährliches Einkommen von 50000 Sesterzien (= 7500 Mark) erziele. Noch lange erhielt sich in Italien die Vorliebe für Kranichbraten, zu dessen kunstgerechter Zubereitung der Feinschmecker Apicius die nötige Anweisung gab. Reiher wurden von den Römern der Kaiserzeit kaum gegessen, wohl aber Störche. So sagt Horaz in einer seiner Satiren, der Storch sei in seinem Neste sicher gewesen, bis man durch einen gewesenen Prätor erfuhr, daß er vortrefflich schmeckt. Nach Porphyrio war es Asinius Sempronius Rufus, der die Sitte einführte, junge Störche zu essen. Auch Flamingos waren bei den römischen Feinschmeckern beliebt. So berichtet Plinius, der Erzschwelger Apicius habe die Römer darauf aufmerksam gemacht, daß die dicke Zunge des Flamingo vortrefflich schmeckt. Martialis erwähnt sie als Leckerbissen für Leckermäuler, und Suetonius berichtet: „Kaiser Vitellius war im Essen ganz unmäßig und ließ, nebst anderen Leckerbissen, auch Flamingozungen auftischen.“ Nach Älius Lampridius ließ der schwelgerische Kaiser Heliogabalus bei seinen großen Schmausereien auch Gehirn von Flamingos auftragen.

Alle diese Wasservögel sind aber nie gezüchtet oder gar zu Haustieren erhoben worden. Nur die Gans wurde es, und zwar waren nach den auf uns gekommenen Darstellungen an den Wänden der altägyptischen Gräber diese Gänse im Alten Reich viel schlanker und zierlicher als die plumpen Gestalten unserer hochgezüchteten jetzigen Gänse. In einem altägyptischen Gau war der Erdgott Keb mit der ihm heiligen Gans über dem Kopfe dargestellt und wurde „der große Gackerer“ genannt. Den alten Ägyptern war das Gänseei das Symbol des Welteies, aus dem die ganze Schöpfung hervorgegangen sein sollte. Die Eier des von ihnen gezähmten Tieres aßen sie wohl deshalb nicht, doch spielte der Braten von erlegten wilden, wie auch später von zahmen Gänsen eine bedeutende Rolle im Leben der Ägypter; denn unter den Opferspeisen, die den vornehmen Toten dargebracht wurden, steht solcher mit an erster Stelle.

Die Stammform dieser altägyptischen Gans war nun nicht diejenige unserer europäischen Gänse, von der alsbald die Rede sein wird, sondern die die afrikanischen Gewässer bewohnende, durch ihre auffallend schöne Zeichnung ausgezeichnete Nilgans (Chenalopex aegyptiacus). Sie besucht von Afrika und Syrien aus ziemlich regelmäßig Südeuropa, aber nur ausnahmsweise Deutschland. Sie vertritt die Gattung der Baumgänse und kennzeichnet sich durch ihre schlanke Gestalt, den dünnen Hals, großen Kopf, kurzen Schnabel, die hohen Füße, die breiten Flügel und das prachtvolle Gefieder. Kopfseiten und Vorderhals sind gelblichweiß und fein gesprenkelt; ein Fleck um das Auge, der Hinterhals und ein breiter Gürtel am Mittelhals sind rostbraun, das Gefieder der Oberseite grau und schwarz, das der Unterseite fahlgelb, weiß und schwarz quergewellt, die Mitte der Brust und des Bauches lichter, erstere durch einen großen, rundlichen, zimtbraunen Flecken geschmückt, die Steißfedern schön rostgelb, die Flügeldecken weiß, gegen die Spitze zu schwarz, prachtvoll metallisch schimmernd, die Schwingenspitzen und Steuerfedern glänzend schwarz.

Der schöne Vogel bewohnt ganz Afrika, besonders soweit es mit einem Waldsaum eingefaßte Ströme besitzt, da er am liebsten im Walde und auf Bäumen nistet. Im nördlichen Nilgebiet bilden Inseln und Sandbänke im Strom seinen bevorzugten Aufenthalt. Von ihnen aus fliegt er dann auf die Felder hinaus, um daselbst zu äsen. Er ist überaus vorsichtig, scheu und mißtrauisch, daneben aber auch streitsüchtig mit Geschlechtsgenossen.

Die Zähmung der einheimischen Nilgans wurde schon sehr früh von den alten Ägyptern bewerkstelligt, so daß sie zweifellos als der älteste im Niltal domestizierte Vogel anzusehen ist. Schon auf den Grabgemälden des Alten Reiches (2980–2475 v. Chr.) sehen wir Bäuerinnen Gänse dieser Art auf den Markt oder in den Tempel zum Opfer bringen. Auf anderen sehen wir, wie Nilgänse gestopft werden, um sie fett zu machen, oder wie an einem Bratspieß in glühender Asche Gänsebraten kunstgerecht hergestellt wird. Erst im Neuen Reich (1580–1205 v. Chr.) wird dazu ein über dem Feuer stehender Metallkessel verwendet, wobei der Küchenjunge zum Umwenden des Bratens sich einer großen zweizinkigen Gabel bedient. Wir sehen auch Geflügelhändler sie gerupft in ihrem Laden feilbieten, dessen Wand eine ganze Reihe dieser gemästeten Vögel birgt, die fein säuberlich ausgenommen waren und durch ihre appetitliche Auslage zum Kaufen einluden.

Bild 48. Geflügelladen im alten Ägypten mit teilweise gemästeten Gänsen.
(Nach Wilkinson.)

Wie hoch die Zucht der Nilgans im Neuen Reiche Ägyptens entwickelt war, zeigt uns ein im Britischen Museum in London aufbewahrtes Gräberbild aus Theben, auf dem ganze Herden von Gänsen und ganze Körbe voll geschlachteter Leiber derselben einem hohen Beamten vorgeführt werden. Dabei werden die sich herandrängenden Gänsehirten von den Aufsehern zur Ruhe gewiesen. Auf diesem, wie auf den anderen altägyptischen Bildern, ist die Darstellung der Nilgans ungemein naturgetreu. Merkwürdigerweise ist diese Zucht, die über 2000 Jahre hindurch von der größten wirtschaftlichen Bedeutung für Ägypten war, späterhin spurlos verschwunden. Weder im Niltal noch sonstwo in Afrika läßt sich irgend welche Spur der Erhaltung dieser einstigen Gänsezucht nachweisen. In Europa wurde sie gelegentlich wieder aufzunehmen versucht; doch wurde die Nilgans nicht mehr in den Haustierstand erhoben, sondern sie wird nur gelegentlich als Ziervogel gehalten. Nach J. Geoffroy St. Hilaire ist 1839 in Frankreich die Aufzucht dieses Tieres mit gutem Erfolg gelungen. Die gezüchteten Exemplare nahmen nach und nach an Größe zu und die Befiederung wurde etwas heller. Gleichzeitig gelang es von 1844 an, die Brutzeit zweckmäßig zu verschieben, indem die Eiablage vom Ende Dezember oder Anfang Januar bis 1846 in den März und später in den April hinausgeschoben wurde. Leider wurde dieser vielversprechende Versuch nicht weitergeführt und die Zucht der Nilgans aufgegeben, bevor sie wiederum zum wirklichen Hausvogel, wie sie es einst im alten Ägypten gewesen, geworden war.

Bild 49. Gänsebraterei im alten Ägypten.
a) Zerkleinerte Gänse in einem Kessel, d) Sieden in einem Kessel, f) Braten von Gänsen am Spieß. (Nach Wilkinson.)

Außer der Nilgans scheinen die Ägypter noch drei andere Arten von Wildgänsen gezähmt und mit gestutzten Flügeln in Herden gehalten zu haben. Dies dürfen wir vor allem nach dem berühmten Wandgemälde des Alten Reiches, das unter dem Namen die „Gänse von Meidum“ bekannt ist, schließen. Darauf sehen wir nach Gaillard und Lortet weidende Graugänse (Anser cinereus), dann Bläßgänse (Anser albifrons) und Rothalsgänse (Branta ruficollis). Immerhin war diese Zucht nur sehr vereinzelt und ohne volkswirtschaftliche Bedeutung, da sie sehr bald aufgegeben wurde.

Die Stammform unserer Hausgans ist nicht die afrikanische Nilgans, sondern die in Europa und Nordasien heimische, auf dem Rücken bräunlichgraue, auf der Unterseite gelblichgraue, spärlich und unregelmäßig gefleckte Grau- oder Märzgans (Anser cinereus). Sie gehört mehr den gemäßigten Gegenden als dem hohen Norden an und ist die einzige der bei uns vorkommenden Arten, die in Deutschland brütet. Hier erscheint sie schon Ende Februar oder Anfang März, also noch vor der eigentlichen Schneeschmelze in kleinen Gesellschaften, um, wie dies wenigstens früher der Fall war, an allen größeren stehenden Gewässern in schwer zugänglichem Schilfdickicht oder mit Gesträuchern und hohem Gras bewachsenen Inseln zu brüten und nach Beendigung der Mauser Ende Juli wieder nach Süden abzuziehen, wo sie den Winter verbringt. Treu halten die Familien zusammen. Die im Gegensatz zu den überaus schwerfällig gewordenen Hausgänsen viel rascher und zierlicher sich bewegenden, gut und ausdauernd fliegenden, gewandt schwimmenden und bei großer Gefahr in gewisse Tiefe tauchenden wilden Graugänse beweisen einen scharfen Verstand und zeigen sich sehr vorsichtig und mißtrauisch. Nur die Hausgänse erfreuen sich, als ob sie die nahe Verwandtschaft herausfühlten, ihrer Zuneigung, indem sie sich diesen auf den Weideplätzen oft nähern, ja einzeln sich nicht selten unter diese mischen. In die aus allerlei Stengeln und Halmen von Schilf, Rohr oder Binsen unordentlich und locker hergestellten und mit einer dicken Daunenlage ausgepolsterten Nester legen die jüngeren Weibchen 5–6, die älteren dagegen 7–14 durchaus denen der Hausgans gleichende, glattschalige, glanzlose, etwas grobkörnige Eier von grünlichweißer oder trübgelblicher Färbung. Am 28. Tage der Bebrütung entschlüpfen die Jungen, werden noch etwa einen Tag lang im Nest festgehalten, dann auf das Wasser geführt und zum Futtersuchen angeleitet. Später werden Wiesen und Felder zum Äsen aufgesucht. Abends kehrt alt und jung noch zum Nest zurück. Nach ungefähr zwei Wochen wird dieses für die inzwischen heranwachsenden Jungen zu klein und letztere nehmen bald hier, bald dort, dicht neben der Mutter hingekauert, ihre Schlafstelle ein.

Jung eingefangene Graugänse werden bald zahm, doch verleugnen sie, sobald sie erwachsen sind, so wenig als die von Hausgänsen erbrüteten und erzogenen Wildgänse, ihren Freiheitsdrang und Wandertrieb. Sie beginnen zu fliegen und ziehen, wenn man sie nicht gewaltsam zurückhält und ihnen die Flügel stutzt, im Herbst mit anderen Wildgänsen nach Süden. Zuweilen geschieht es, daß einzelne zurückkommen und das Gehöft, in welchem sie großgezogen wurden, wieder aufsuchen; aber sie gehören doch zu den Ausnahmen. Von vier im Hause erbrüteten und erwachsenen wilden Graugänsen, die Boie beobachtete, entzogen sich nach und nach drei der Obhut ihrer Pfleger; eine aber kehrte im nächsten Frühling und in der Folge noch 13 Jahre lang zu dem Gut zurück, auf welchem man sie aufgezogen hatte, bis sie endlich ausblieb, also wohl ihren Tod gefunden haben mußte. Sie stellte sich in den 13 Jahren nie früher als den 1. und nie später als den 4. April, also mehrere Wochen später als die übrigen Gänse ein, zeigte sich auf dem Hofe sehr zahm, außerhalb aber ebenso scheu als die wilden ihresgleichen, kam in den ersten Wochen nach ihrer Rückkunft gewöhnlich morgens und abends, um sich Futter zu holen, blieb auch wohl eine halbe bis eine ganze Stunde, flog dann jedoch immer wieder zurück, und zwar sofort dem nahen See zu, so daß man auf die Vermutung geriet, sie möge dort ihr Nest haben. Von der Zeit an, in welcher die wilden Gänse Junge auszubringen pflegen, blieb sie länger auf dem Hof, und später hielt sie sich beständig dort auf. Abends 10 Uhr erhob sie sich regelmäßig und flog stets in derselben Richtung davon, dem See zu.

Das Wildbret der alten Graugänse ist zwar hart und zähe, dasjenige der Jungen dagegen zart und außerordentlich schmackhaft. So ist es kein Wunder, daß die Tiere von alters her vom Menschen erbeutet wurden, um als willkommene Nahrung zu dienen. Wie wir Überreste dieser Wildgänse unter den Speiseabfällen der frühneolithischen Kjökkenmöddings der Muschelesser Dänemarks antreffen, so begegnen wir ihnen, wenn auch allerdings selten, in denjenigen der Pfahlbauzeit. Doch gezähmt kannten die vorgeschichtlichen Europäer die Gans durchaus nicht, obwohl ihr gleichende Vögel nebst Rinderköpfen auf einem bei Frankfurt an der Oder gefundenen heiligen Wagen der Bronzezeit dargestellt sind. Letztere waren der Gottheit geweihte wilde Tiere. Im alten Babylonien finden wir Gewichte in Gestalt eines Schwimmvogels, der vermutlich ebenfalls eine Gans darstellt. In Indien, wo der Vogel Henza eine wichtige mythologische Rolle spielt, hat man mehrfach Gänsefiguren in Gräbern gefunden, so daß man annehmen darf, daß diesem Vogel in den religiösen Anschauungen der dortigen Bewohner eine gewisse Bedeutung zukam. In Birma sind nach Yule heute noch Gewichte in Gebrauch, von denen die Eingeborenen wissen, daß sie Gänse darstellen. Daraus schließt Eduard Hahn, daß die Gänsezucht im alten Babylonien wie in Ägypten in Blüte gestanden haben muß und von dort weiter östlich verbreitet wurde. Es ist dies wohl möglich, ja wahrscheinlich, weil dort viele Kanäle diesen Wasservögeln Gelegenheit zum Baden und Tauchen gewährten. Doch haben die solcher Wasseransammlungen entbehrenden Juden diesen Nutzvogel weder von dort noch von Ägypten her übernehmen können. In den heiligen Schriften der Juden wird die Gans nirgends erwähnt; erst seit dem Mittelalter ist bei den nach Europa gekommenen und hier häuslich niedergelassenen Juden der Genuß von Gänsefleisch und von Gänsefett zum Schmälzen des Rindfleisches, da ihr Gesetz die Verwendung von Rinderfett oder Butter zu letzterem verbietet, sehr beliebt geworden.

Dagegen hielten bereits die Griechen des homerischen Zeitalters zahme Gänse in kleinen Herden. Im Hofe des Königs Menalaos von Sparta, dem Bruder des mächtigen Herrschers des „goldreichen Mykene“, Agamemnon, gab es schon, wie uns im 15. Gesang der Odyssee berichtet wird, die „sehr große, gemästete, weiße Gans“, auf welche ein Raubvogel hinabstößt. Diese kennzeichnenden Beiwörter legen Zeugnis dafür ab, daß wir es hier mit einem sehr alten, schon längst in der menschlichen Zucht und Pflege befindlichen Tiere zu tun haben, bei dem sich der bei Haustieren so weit verbreitete Leucismus schon vollkommen ausgebildet hatte. Wahrscheinlich hatten die alten Griechen die weiße Hausgans von Norden her erhalten. Da die wilde Stammform in Südeuropa nicht brütet, sondern im Herbst mit bereits erwachsenen Jungen in das Gebiet des Mittelmeeres fliegt, so ist sie wohl in ihrem südlichsten Brutbezirk, in Mitteleuropa, irgendwo von vermutlich indogermanischen Stämmen in die Haustierschaft gebracht worden. Hier konnten leicht nach Tötung der Mutter erbeutete junge Wildgänse in des Menschen Pflege herangezogen und später durch Brechen der Flügel vor dem Davonfliegen beim Größerwerden bewahrt werden.

Bei den Griechen galt die Gans für einen lieblichen Vogel, dessen Schönheit bewundert wurde und der zu Geschenken an geliebte Knaben und Mädchen diente. Als Ziervogel erscheint sie auch im 19. Gesang der Odyssee, wo von Penelope, der treuen, von Freiern viel umworbenen Gattin des Odysseus, als sie ihrem unbekannten, in Bettlergestalt ihr gegenübersitzenden Gemahl ihren Traum erzählt, gesagt wird, sie besitze — nicht draußen bei der Ökonomie, sondern bei der Wohnung — 20 Gänse, die anzusehen ihr Freude mache. Diese ausdrücklich hervorgehobene Zahl scheint offenbar einen nicht unbedeutenden Reichtum darzustellen. Nach späterer griechischer Vorstellung sind Gänse wachsame Hüterinnen des Hauses. So war auf dem Grabe einer guten Hausfrau unter andern Emblemen eine Gans abgebildet, um die Wachsamkeit der Verstorbenen hervorzuheben. In der bekannten Fabel des aus Kleinasien gebürtigen Äsopos ist von der Gans die Rede, die goldene Eier legt. Hier erscheint also dieses Tier genau in der Stellung wie bei uns das Huhn, in China aber die Ente, die dort zur Eierlegerin herangezüchtet wurde. Aristoteles berichtet von der Gans, daß sie 30 Tage brütet und der Gänserich ihr dabei nicht helfe. Sonst fließen die literarischen Quellen über dieses Tier bei den Griechen nur spärlich.

Sehr viel häufiger finden wir dagegen die Gans bei den Römern erwähnt, bei denen sie als Nutztier eine erhebliche Bedeutung besaß. Der römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt von ihr in seinem Buche über Landwirtschaft: „Die Gans wird vom Landmann sehr gern gehegt und gepflegt, weil man sich mit ihr nicht viel Mühe zu geben braucht und weil sie sorgfältiger wacht als ein Hund; denn sie verrät durch ihr Geschrei den Spitzbuben ganz sicher, wie sie denn einmal durch ihre Wachsamkeit das Kapitol (vor dem Überfall durch die Gallier oder Kelten) gerettet hat. Zur Gänsezucht gehört übrigens Wasser und viel Gras; auf Saatfeldern darf sie nicht weiden, denn sie reißt da die zarten Pflänzchen ab. Sie liefert nicht bloß Junge, sondern auch Federn, die man jährlich zweimal, im Frühling und Herbst, ausrupfen kann. Auf drei Gänse hält man einen Gänserich. Gewöhnlich beschränkt man die Zahl der Gänse auf wenige. Will man aber ganze Herden davon halten, so muß man einen See oder Teich oder Fluß für sie haben. Man baut dann für sie allein einen Hof, umgibt ihn mit einer neun Fuß hohen Mauer, diese an der Innenseite mit einem Gang, der ein Dach hat und eine Wohnung für den Wärter enthält. Rings im Gange werden für einzelne Gänse steinerne Verschläge gebaut, wovon jeder drei Fuß im Geviert mißt und eine feste Türe hat.

Außer dem Wasser müssen die Gänse auch Wiesen haben, ferner müssen Äcker für sie bestimmt sein, welche mit Wicken, Klee, sogenanntem griechischem Heu (Bockshornklee), vorzüglich aber mit Salat und einer Art Zichorie, welche die Griechen seris nennen, besät sind; denn diese weichen Blätter fressen die Gänse besonders gern und sie bekommen den Jungen vortrefflich. Man hält womöglich nur weiße Gänse, da sie die besten sind. Das Brüten beginnt im Februar oder März. Läßt man eine Gans nicht brüten, so legt sie jährlich zu drei verschiedenen Zeiten Eier, erst fünf, dann vier, dann drei. Man läßt die Eier am liebsten von Haushühnern ausbrüten, auch die Jungen von diesen oder von den Gänsen selbst führen. Zur Legezeit muß man gut auf die Gänse aufpassen und diejenigen, bei welchen man das erste reife Ei fühlt, einsperren, bis sie gelegt haben. Hat man das beim ersten Ei getan, so sucht dann die Gans für jedes andere dasselbe Nest wieder auf. Einem Haushuhn darf man nur drei bis höchstens fünf Gänseeier unterlegen, der Gans selbst 7 bis 15. Unter das Neststroh muß man Nesseln mischen; dadurch beugt man vor, daß später die jungen Gänschen nicht sterben, wenn sie von Nesseln gestochen werden. Gewöhnlich kriechen die Gänschen am 30. Tage aus dem Ei, bei warmem Wetter auch früher. Wie bei andern jungen Tieren, so muß auch bei den Gänschen dafür gesorgt werden, daß sie keine Natter, keine Otter, keine Katze, kein Wiesel anhauchen kann, geschieht es doch, so sind die zarten Wesen unrettbar verloren.“ Selbstverständlich ist letzteres eine abergläubische Ansicht, wie solche bei den Römern wie bei den andern Völkern des Altertums sehr zahlreich verbreitet waren.

Es gab damals bei den Römern, wie uns der gelehrte Varro zu Ende der Republik berichtet, eigentliche Gänsezüchtereien, die man mit dem griechischen Worte chēnoboskeíon bezeichnete. „Scipio Metellus und Marcus“, fährt dieser Autor fort, „besitzen große Gänseherden. Sejus schaffte große und weiße an; er hoffte von ihnen eine ebensolche Nachkommenschaft zu ziehen. Es gibt auch eine bunte (graue) Gänserasse, die man die wilde nennt, die sich nicht gern mit zahmen zusammentut und nicht leicht zahm wird. Man füttert sie mit der speziell für sie angepflanzten seris oder mit Gerste oder anderem Getreide oder gemischtem Futter. Zur Mast nimmt man Junge von 4 bis 6 Monaten, sperrt sie in einen Verschlag, gibt ihnen eine mit Wasser naßgemachte Mischung von Gerstengraupen und Mehl, so daß sie sich täglich dreimal sättigen können, und nach dem Fressen reichlich zu saufen. Auf solche Weise müssen sie in drei Monaten fett sein. So oft sie gefressen haben, wird ihr Verschlag gereinigt; denn sie verlangen, daß er rein sei.“

Schon bei den Feinschmeckern des alten Rom galt die Leber gemästeter Gänse als Leckerbissen. So schreibt der Dichter Horaz in einer seiner Satiren: „Um eine delikate, große Gänseleber auftischen zu können, werden die Tiere mit Feigen gemästet.“ Juvenal sagt: „Die Leber der Gans wird so groß wie die Gans selbst“, und Martial ruft einmal aus: „Da, sieh, eine Gänseleber, die größer ist als eine große Gans! Woher stammt denn diese?“ Der ältere Plinius bemerkt in seiner Naturgeschichte: „Die Römer sind pfiffiger (als die Griechen) und schätzen die Gänse weniger wegen ihrer Liebe zur Philosophie als wegen ihrer wohlschmeckenden Leber. Werden sie gemästet, so wird die Leber außerordentlich groß und nimmt an Umfang noch zu, wenn man sie in eine Mischung von Milch und Honig legt. Es ist eine wichtige Frage, wer zuerst diese köstliche Entdeckung gemacht hat, ob der Konsular Scipio Metellus oder dessen Zeitgenosse, der Ritter Marcus Sejus. Das ist dagegen unbestreitbar, daß Messalinus Cotta, Sohn des Redners Messala, die Erfindung gemacht hat, Gänsefüße zu rösten und nebst Hahnenkämmen einzumachen.“

Im ersten Jahrhundert n. Chr. lernten die Römer noch ein weiteres neues Produkt durch die Germanen kennen, nämlich die Daunen als überaus weiches und angenehmes Polstermaterial. Die Kulturvölker des Mittelmeers hatten vorher augenscheinlich diese Verwendung noch nicht gekannt. Wollte man weich sitzen oder liegen, so mußte man eben mehrere Decken oder Felle aufeinander legen. Im verweichlichten Orient kamen dann Hasenhaare und Rebhuhnfedern als Polstermaterial für Kissen auf, und als der aus Syrien stammende Kaiser Heliogabalus diese morgenländische Sitte nach Rom verpflanzte, unterläßt es sein Biograph Lampridius nicht, diese luxuriöse Neuerung anzuführen. Da lehrten die Feldzüge nach Germanien, besonders am Niederrhein, die Römer die Gänsedaunen als ein ganz besonders feines Polstermaterial kennen, und sie benutzten sie als solches gern. Der vorhin erwähnte ältere Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Einen andern Vorteil (als die Leber) zieht man aus den Federn der weißen Gänse. An manchen Orten rupft man sie zweimal des Jahres und sie bekommen doch wieder neue Federn. Der weichste Flaum sitzt der Haut am nächsten, der beste aber kommt aus Germanien. Die dortigen Gänse sind weiß, klein, heißen gant (Gans) und das Pfund ihrer Federn kostet 5 Denare (= 3 Mark). Daher kommt es, daß die Offiziere der dort stehenden römischen Hilfstruppen so oft angeklagt werden, ganze Kohorten auf die Gänsejagd statt auf die Wache zu schicken. So sehr sind wir nun schon verweichlicht, daß sogar Männer kaum schlafen können, wenn ihr Kopf nicht auf einem Kissen aus Gänseflaum ruht.“ Bis auf den heutigen Tag ist ja das Schlafen in Federbetten eine mehr nordische Sitte geblieben, die den in einem wärmeren Klima lebenden Südländern nicht zusagte, sonst hätten die Römer am Ende auch diese Gewohnheit den Germanen am Niederrhein entlehnt.

Dagegen kannte das Altertum noch nicht den Gebrauch der Gänsefeder zum Schreiben, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa dazu üblich war. Es benutzte dafür das Schreibrohr, den Kalamós der Griechen, den die Römer als calamus übernahmen, der dann später als Kelâm zu den Arabern gelangte und von ihnen bis auf den heutigen Tag gebraucht wird. Erst der Anonymus Valesii, zur Zeit des Ostgotenkönigs Theodorich, erwähnt als Schreibinstrument auch die penna, d. h. Feder, die mit Vorliebe von den Flügeln der Gans genommen wurde. Dann erwähnen Isidorus Hispalensis, der als Bischof von Sevilla in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. lebte, ebenso der um 670 n. Chr. lebende Paulus von Ägina Gänsefedern zum Schreiben. Von da an war sie in ganz Europa bis in die Neuzeit im Gebrauche.

Wegen ihrer Wachsamkeit wurden im Altertum auf dem Kapitol neben Hunden auch Gänse gehalten. Letztere waren nach Livius und Diodorus Siculus der Juno geweiht und weckten die eingeschlafenen Schildwachen, als einst Gallier das Kapitol belagerten und heimlich bei Nacht am Felsen hinaufkletterten. Zum Dank für jene Rettung vor Überfall wurden nach Servius „jährlich am selbigen Tage mit Gold und Purpur geschmückte Gänse auf Sänften in Rom zur Schau herumgetragen, während die Hunde, die den Feind nicht verraten hatten, ans Kreuz geschlagen wurden“. Nach Plinius war es die erste Sorge der Zensoren, einen Vertrag mit den Leuten zu schließen, welche die Fütterung der heiligen Gänse auf dem Kapitol übernehmen wollen. Derselbe Autor sagt dann auch: „Die Gans verliebt sich mitunter in Menschen; so ist der Knabe Ägius zu Olenus von einer solchen und von einer andern Glauce, die Spielerin der Kithara am Hofe des Königs Ptolemäus, geliebt worden. Die Gänse scheinen sogar für Weisheit empfänglich zu sein, denn es bezeugte eine dem Philosophen Lakydes eine solche Anhänglichkeit, daß sie ihn nirgends, weder auf der Straße, noch im Bade, weder bei Nacht, noch bei Tag verließ.“ Solche Beispiele ließen sich auch aus der Gegenwart in größerer Zahl anführen.

Bei den Kelten und Germanen war die Gans in einer kleineren, weniger hochgezüchteten Art schon vor ihrem Bekanntwerden mit der römischen Kultur vorhanden. Wir erwähnten vorhin den Passus bei Plinius, der von der Gesuchtheit der Daunen der germanischen Gänse als Polstermaterial für die Kopfkissen der Römer berichtet. So hat auch Gudrun in der Edda ihre Gänse auf dem Hof, und diese schrieen hell auf, als ihre Herrin am Leichnam Sigurds laut jammerte:

Und hell aufschrieen

Die zierlichen Vögel,

Im Hofe die Gänse,

Die Gudrun zog.

Nachdem sie im Herbste fett geworden waren, wurden sie, da man sie nicht vollzählig überwintern konnte, zum größten Teil geschlachtet und dem Gotte Thor zu Ehren gegessen. Als der heilige Martin den letzteren bei der Christianisierung der Germanen ablöste, verspeiste man sie dem letzteren zum Gedächtnis. Noch heute ist bei uns die Martinsgans in Ehren. In Norddeutschland wird die gerupfte und ausgenommene Gans wie das Schweinefleisch seit alter Zeit geräuchert, um sie so in den Winter hinein aufbewahren zu können.

Die Veränderungen, die unsere Hausgans gegenüber der Wildgans erlitt, sind eigentlich unbedeutend. Ihr Gang ist infolge des erhöhten Gewichtes schwerfälliger geworden und ihre Flugfähigkeit hat sich bedeutend vermindert, der Rumpf wurde etwas tiefer gestellt und der Schwanz kürzer als bei der Graugans. Auch die Färbung wurde bei den grau gebliebenen Schlägen einfacher in der Zeichnung. Eine solche graue Art von bedeutender Schwere ist die Toulouser Gans, die oben dunkelgrau und unten hellgrau ist, mit fleischfarbenem Schnabel. Eine kleine Varietät derselben mit struppigen, gekräuselten oder gelockten Federn, deren dünner Schaft eine zerschlissene Fahne besitzt, ist die Sebastopol- oder Struppgans. Die meisten europäischen Abarten besitzen als Folge des durch Domestikation weit gediehenen Leucismus ein rein weißes Gefieder, einen gelbroten Schnabel, hellblaue Iris und orangefarbene Füße, so die Emdener Gans und die durch ihre Größe ausgezeichnete pommersche Gans.

Mit den Europäern haben die Hausgänse sich auch in die von jenen kolonisierten Länder verbreitet, so besonders nach Nordamerika. Dieses Land hat aus seinem reichen Bestand von wilden Gänsen in der Folge ebenfalls eine zur Domestikation geliefert. Es ist dies die Kanadagans (Anas canadensis), deren von wild lebenden Tieren ausgenommene Eier mehrfach von Hausgänsen europäischen Ursprungs ausgebrütet wurden. So war es nicht schwer Zuchtmaterial von ihr zu erhalten. Doch gelang es nur, wenn diese Tiere ganz jung waren, sie untereinander fortzupflanzen. Für die Volkswirtschaft hat aber das Tier, das keine Vorzüge vor der Hausgans europäischen Ursprungs darbietet, durchaus keine Bedeutung erlangt und wird in seiner Heimat, wie auch bei uns, meist nur als Ziervogel auf größeren Teichen gehalten. Da niemand auf seine Fortpflanzung achtete, wird es immer wieder erloschen sein, um dann später gelegentlich neu aufzutauchen. So erwähnt es schon Willoughby 1676 als im Besitze König Jakobs I. befindlich. Bald danach berichtet Edwards, daß sich der Vogel in der Gefangenschaft fortgepflanzt habe. In neuerer Zeit scheint dies öfter vorzukommen. Doch ist dies alles aus obengenannten Gründen bedeutungslos geblieben. Der Vogel hat eben keinen praktischen Wert für die Züchter.

Ganz anders steht es mit der chinesischen Gans, die von der ostasiatischen wilden Höcker- oder Schwanengans (Anas cycnoides) abstammt, aber sich von ihr dadurch unterscheidet, daß ihr jede Spur eines Höckers an der Schnabelwurzel fehlt, den besonders das Männchen der wilden Art sehr ausgeprägt zeigt. Sonst ähnelt der wilde Vogel in der Färbung unserer Märzgans. Der zahme Vogel zeigt aber meist die auch von der domestizierten Märzgans angenommene weiße Farbe; dabei weist das Männchen oft noch eine Art Kehlsack auf. Die chinesische Hausgans nimmt in ihrer Heimat China, weniger in Japan, ungefähr die Stellung der Hausgans bei uns ein. Hier geht, besonders im Süden, die Ente bedeutend an Wichtigkeit vor. Schon im 16. Jahrhundert wurde sie von den Portugiesen unter dem Namen spanische Gans oder — nach dem Wege über Afrika — Guineagans nach Europa gebracht. Doch hat sie hier nicht die Verbreitung gefunden, die sie verdient. Nur in Rußland, besonders im Süden, war sie schon im 18. Jahrhundert recht verbreitet. Sie war dahin auf dem Karawanenwege gelangt, wurde hier aber in der Folge stark mit der europäischen Hausgans gekreuzt, so daß die Vögel durchgängig gemischten Blutes sind. Hier benutzt man sie mit Vorliebe zu den Gänsekämpfen, die besonders dadurch possierlich werden, daß jedem der kämpfenden Männchen das Weibchen sekundiert. Neuerdings ist die chinesische Gans auch mit der kanadischen gekreuzt worden.

Viel später als die Erwerbung der Gans als Haustier erfolgte diejenige der Ente, die erst in historischer Zeit domestiziert wurde, und zwar wie die Gans sowohl in Europa, als auch in China in durchaus selbständiger Weise. Die alten Ägypter, Assyrer, Inder und homerischen Griechen besaßen sie so wenig als die älteren Römer. Erst vom Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts an scheinen sie die Römer und dann auch die Griechen mit andern Schwimmvögeln zusammen in besonderen Teichen gehalten zu haben. So schreibt der römische Ackerbauschriftsteller Columella etwa um 60 n. Chr.: „Im Entenpark hält man Enten (anas), Knäkenten (querquedula), Kriekenten (boscas), Wasserhühner und ähnliche Wasservögel. Das Ganze umgibt man mit einer 15 Fuß hohen Mauer, deckt es mit einem weitmaschigen Netz (damit keiner der Insassen hinaus und kein Raubvogel hinein könne, sagt an einer ähnlichen Stelle Varro), gräbt in der Mitte einen Teich von zwei Fuß Tiefe, der immer frisches Wasser erhält und dessen Ufer allmählich abwärtsgehen und mit Mörtel ausgestrichen sind. Rings am Ufer hin ist der Boden des Teiches gepflastert, in der Mitte dagegen besteht er aus Erde und ist daselbst mit Wasserpflanzen besetzt, unter welchen sich die Vögel verbergen können. Der Platz außerhalb des Teiches ist mit Gras bewachsen. Zum Nisten sind am Fuße der Mauer je einen Fuß ins Geviert haltende Zellen aus Stein gebaut, die von Buchs- und Myrtenbäumchen beschattet werden. Das Futter wird in einen besonderen flachen Wasserkanal geworfen. Am liebsten fressen sie die Körner der verschiedenen Hirsearten, aber auch Gerste. Hat man Eicheln und Weintrester, so gibt man auch diese. Ebenso sind Abgänge von Fischen, Krebse und kleine Wassertiere dienlich. Das Eierlegen beginnt im März. Zu dieser Zeit wirft man Hälmchen hin, aus denen sie ihre Nester bauen. Übrigens verfahren manche Leute beim Anlegen eines Entenparks so: sie lassen an Sümpfen Eier von wilden Enten sammeln und diese von Haushühnern ausbrüten. Solche nisten dann leicht in der Gefangenschaft, alt eingefangene dagegen nicht gern.“ Dieses letztere Verfahren, die Eier wilder Enten zu sammeln und sie durch Haushühner ausbrüten zu lassen, beweist, daß damals die Domestikation dieses Vogels erst im Gange war; auch muß die Flugfähigkeit desselben noch nicht vermindert gewesen sein, daß man Netze über die Ententeiche spannte.

Tafel 51.

Schwan aus Daschur. Altägyptische Holzschnitzerei aus der Zeit der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.).

Altägyptische Wildgänse. Wandmalerei in Meidum aus dem Anfang des Alten Reichs (3. bis 4. Dynastie, 2980–2750 v. Chr.).

Tafel 52.

(Copyright by M. Koch, Berlin.)

Rechts Männchen und links Weibchen der Stockente.

(Copyright by M. Koch, Berlin.)

Wilde Truthühner.

Wie die Gans muß auch die Ente irgendwo in Mitteleuropa von germanischen Stämmen in Pflege genommen worden sein; noch in späterer Zeit sagt der Bischof Isidor von Sevilla, daß die bevorzugte Zuchtrasse der Enten eine deutsche sei. Sie hieß althochdeutsch anut, angelsächsisch ened, altnordisch önd, lateinisch anas, anatis, griechisch nēssa (wohl aus nētia), sanskrit âti (für anti). Diese gemeinsame indogermanische Bezeichnung bezieht sich natürlich auf die Wildente und nicht auf die gezähmte. Nur erstere war dem Urvolke vor seiner Zerstreuung bekannt. Die Wildente, welche die Stammform unserer Hausente bildet, ist die Stockente (Anas boscas), deren Verbreitungsgebiet ganz Europa und Nordafrika, dann Asien und Amerika bis Mexiko umfaßt. Vom Norden wandert sie im Herbst nach dem wärmeren Süden, bleibt aber schon in Süddeutschland oft auch im Winter innerhalb ihres Brutgebiets wohnen. Sie liebt als Aufenthaltsort schilf- oder riedbedeckte Seen und Teiche, in denen sie sich verbergen kann, nicht aber offene Gewässer. Ihre Lebensweise gleicht durchaus derjenigen ihrer Nachkommin, der Hausente, nur ist sie in allen ihren Bewegungen gewandter als diese. Zum Nestbau sucht sie eine ruhige, trockene Stelle unter Gebüsch oder andern Pflanzen aus und legt in das kunstlose Nest 8–16 längliche, hart- und glattschalige grauweiße Eier, die von denen der Hausente nicht unterschieden werden können. Die Jungen werden nach dem Ausschlüpfen noch einen Tag im Neste erwärmt und sodann dem Wasser zugeführt. Die ganze Pflege übernimmt die Mutter; der buntgefärbte Vater kümmert sich nicht mehr um sein Weibchen, sobald es zu brüten beginnt, sondern verläßt es, um mit seinesgleichen in Gesellschaften sich bald hier, bald dort umherzutreiben. Da das Wildbret der Stockente vorzüglich ist, wird von jeher eifrig auf sie Jagd gemacht. Und als man die in bezug auf Fleischmenge ausgiebigere Gans gezähmt hatte, lag es nahe, auch die Wildente aus junger Brut oder Hausgänsen unterlegten Eiern zu gewinnen.

Trotzdem die Ente kürzere Zeit Haustier ist als die Gans, haben sich von ihr mehr Varietäten gebildet, als von letzterer. Indessen betreffen die Abänderungen weniger die Körperform als die Färbung des Gefieders. Die Neigung zu Weiß- und Schwarzfärbung macht sich bei ihr stark geltend; doch kommen bei allen zahmen Entenvarietäten Individuen mit Wildentenfärbung vor. Der Stockente im Gefieder am ähnlichsten ist die namentlich in der Normandie rein fortgezüchtete Rouenente. Sie kommt auch in weißer Färbung vor und erreicht ein bedeutendes Gewicht. Rein weiß oder fahlgelb ist die durch eine Haube auf dem Kopfe ausgezeichnete Kaiserente, die bei guter Fütterung ein Gewicht von 3,5–4 kg erreicht. Rein weiß ist die Aelesburyente, die in großartigem Maßstabe in der englischen Grafschaft Buckingham gezüchtet wird und ihres schmackhaften Fleisches und der feinen Federn wegen auf dem Markt in London sehr gesucht ist. Weiß mit gelblichem Anflug ist die auch bei uns öfter gezüchtete Pekingente. Diese chinesische Hausente wurde selbständig in Ostasien von der dort heimischen Wildente gewonnen, und zwar scheint bei den Chinesen die Entenzucht weit älter als in Europa zu sein. Sie wird von ihnen an den Ufern der Flüsse, Kanäle und Stauseen seit alter Zeit in großem Maßstabe mit außerordentlicher Sorgfalt betrieben. Die überaus interessante Zucht, bei welcher gewöhnlich zehn Enten auf einen Enterich gehalten werden, wird größtenteils an Bord ausgedienter Schiffe geübt. Das ganze Schiff ist mit den Käfigen der Enten besetzt, die im ganzen nur wenig Futter erhalten und deshalb wesentlich darauf angewiesen sind, ihre Nahrung im Wasser und an den Ufern zu suchen. Je nachdem nun die Nahrung reichlicher zu Gebote steht, wechselt der schwimmende Stall seinen Ankerplatz. Dabei wird bei den Pfleglingen strengste Disziplin geübt, indem beim abendlichen Gongsignal, das die Enten in ihre Ställe zurückruft, die zuerst heimkehrenden Enten Reis als Belohnung, die letzten dagegen Hiebe mit dem Bambusstab erhalten. Dabei haben die Chinesen zur Erleichterung ihrer Entenzucht selbständig eine Methode zur künstlichen Ausbrütung der Eier gefunden. Diese wird in besondern Anstalten in der Weise ausgeübt, daß man Spreu erwärmt und mit Enteneiern in große Korbe bringt, die auf Etagen gelegt und in besondern Räumen mit heißer Asche oder Kohlentöpfen erwärmt werden. Überall in Südchina wird dieses Brutgeschäft im großen betrieben und werden die herangezogenen Enten an Händler verkauft, welche oft Hunderte derselben in den vorgenannten Entenschiffen halten und die erwachsenen Vögel an Lebensmittelverkäufer absetzen. Sowohl die vornehmeren Chinesen, als auch die niedern Volksklassen konsumieren das Entenfleisch mit Vorliebe, sei es frisch, sei es eingesalzen oder an der Luft getrocknet. Mit letzterer Konservierungsmethode beschäftigen sich größere Etablissements, die die volkreichen Städte mit diesem beliebten Nahrungsmittel versorgen. Daneben werden auch sehr viel Enteneier, wie bei uns die Hühnereier, gegessen, meist aber erst, wenn sie durch längeres Liegen in Salzwasser innerlich ganz schwarz geworden sind und pikant schmecken. Tatsächlich sollen die so präparierten Enteneier auch für den europäischen Geschmack sehr angenehm sein. Auch die japanische Ente ist in hohem Maße auf Eierertrag gezüchtet worden und legt 80–90 Eier jährlich. Sie ist in der Färbung wildentenartig, gleicht der Rouenente und eignet sich auch wegen ihrer Größe und Widerstandsfähigkeit zur Zucht. Sie kam 1878 nach Europa.

Die in den Männchen prächtig geschmückte ostasiatische Mandarinenente (Aix galericulata) wird in China öfter gezähmt gehalten, ist aber dort noch nicht zum Haustier geworden. Bei uns ist sie mit andern buntgefärbten Arten eine Zierde der Zoologischen Gärten und wird so nach und nach völlig domestiziert werden. Dies ist auch mit der in den Männchen wunderschön gefärbten, über ganz Nordamerika verbreiteten Brautente (Lampronessa sponsa) der Fall, die sich auf unsern Weihern fest eingebürgert hat. Sie vereinigt in sich alle Eigenschaften, die einem Schwimmvogel unsere Zuneigung gewinnen können. An die Gefangenschaft gewöhnt sie sich schneller als irgend eine andere Ente; selbst die alt Eingefangenen lernen sich bald in die veränderten Verhältnisse fügen, in ihrem Wärter den wohlwollenden Pfleger erkennen, lassen sich bereits nach kurzer Haft herbeilocken und können eher als andere zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden, pflanzen sich auch regelmäßig in der Gefangenschaft fort, sobald ihnen nur eine passende Gelegenheit dazu geboten wird. Da ihr Wildbret vom September an bis zum Eintritt des Winters köstlich ist, wird ihr überall in ihrer Heimat nachgestellt und kommt sie dort zu Tausenden auf den Markt. Als Parkvogel verdient sie den Vorzug vor sämtlichen fremdländischen Verwandten nicht bloß deshalb, weil sie alle an Schönheit übertrifft, sondern auch, weil sie sich leichter als alle andern zur Fortpflanzung bringen läßt.

Im Gegensatz zu diesen ist eine andere amerikanische Ente schon seit längerer Zeit zum Haustier geworden. Es ist die südamerikanische Moschusente (Cairma moschata), die in wasserreichen Gebieten von Brasilien bis Paraguay stark verbreitet ist. Das Männchen ist oberseits bräunlichschwarz, Hals und Kopf dunkelgrün, Flügel und Schwanz metallischgrün, ein Teil der Flügeldeckfedern weiß. Um das Auge ist die Haut nackt und mit roten Warzen bedeckt. Das Weibchen ist ähnlich, aber weniger lebhaft gefärbt. Ihre Körpergröße ist sehr bedeutend, so daß ihre zahmen Abkömmlinge 70–85 cm lang werden und ein Körpergewicht von 5 kg erreichen. In ihrer Heimat wird die Moschusente ihres wohlschmeckenden Fleisches und der weichen Daunen wegen sehr geschätzt. Sie wird dort schon seit langem, noch vor der Entdeckung des Landes durch die Weißen, gezähmt gehalten. Sie war nach Garcilasso de la Vega bei den alten Peruanern unter dem Namen Nunjuma als Hausente bekannt und gibt beim Fressen einen eigentümlichen schmatzenden Ton von sich. Von den Peruanern hatten sie auch die nördlicher wohnenden Kulturvölker übernommen. So traf sie Kolumbus auf seiner zweiten Reise bei den Eingeborenen von Haiti an, darunter auch, zum Zeichen einer intensiven Domestikation, bereits weiße Exemplare. Heute ist die Färbung bei fast allen zahmen Moschusenten weiß geworden mit einem roten Warzenhof ums Auge, einem fleischroten Schnabel und orangegelben Füßen. Von Südamerika aus hat sie sich am Kongo, am Euphrat, in Indonesien und Europa eingebürgert, doch wird sie in letzterem Lande, wo sie „türkische Ente“ heißt, nicht rein gezüchtet, sondern gewöhnlich zur Kreuzung mit größeren Hausenten verwendet. Die Bastarde erhalten die Mittelgröße zwischen beiden Eltern, wachsen sehr schnell und sind gut mastfähig. Entgegen früheren Annahmen sind sie fruchtbar, neigen aber zur Wildheit. Besonders empfohlen werden zur Kreuzung Rouen-, Peking- und Aylesburyenten. Da die Moschusente sich besonders für die Tropen eignet, hat sie für jene Gegenden eine große Zukunft. Bei den Malaien Südasiens ist bereits die chinesische Ente eingebürgert und wird vielfach in großen Herden gehalten, um als willkommene Abwechslung zum Schweinefleisch zu dienen. Als große canne de la Guinée erwähnt sie P. Belon bereits 1555 in seiner Histoire des oiseaux. Schon damals war sie in Frankreich nicht selten, muß also sehr früh durch die Spanier nach Europa gebracht worden sein. Hier wurde sie aber mehr als Zier- denn als Nutzgeflügel gehalten.

Von den Entenvögeln ist wenigstens als halbes Haustier noch der Schwan zu erwähnen. Der zahme Schwan unserer Weiher, der nur als Schmuckvogel gehalten wird, wobei ihm der Mensch bloß Gelegenheit zur Fortpflanzung bietet, ist der Höckerschwan (Cycnus olor), der noch in Norddeutschland, dann in Nordeuropa und Nordasien als wilder Vogel lebt. Er ist in beiden Geschlechtern rein weiß mit gestrecktem Leib und langem, schlankem Hals, mit rotem, an der Basis durch einen schwarzen Höcker ausgezeichnetem Schnabel. Das Weibchen ist etwas kleiner als das Männchen, die Jungen sind eigentlich graubraun gefärbt, können aber durch fortschreitenden Leucismus auch schon weiß erscheinen. Gedrungener als der Höckerschwan mit kürzerem, dickerem Hals und höckerlosem gelbem Schnabel ist der Singschwan (Cycnus musicus), während der ebenfalls in Europa und Nordasien lebende Zwergschwan (Cycnus bewicki) noch kleiner ist und einen dünnen Hals hat.

Erfreut der Höckerschwan durch die Zierlichkeit seiner Gestalt und die Anmut seiner Bewegungen, so hat der Singschwan durch seine laute, verhältnismäßig wohlklingende Stimme von jeher die Phantasie des Volkes beschäftigt, wenn er im Herbst nach Süden zum Überwintern und im Frühling nach Norden zur Fortpflanzung zog. Welche Rolle spielt nicht der Schwan in der Sage und im Märchen der Deutschen! Auch die alten Griechen, die ihn kýknos, und die Römer, die ihn nach jenen cycnus oder olor nannten, sprachen viel von ihm und alle ihre Dichter erwähnen rühmend seinen Gesang, wenn auch wohl meist nur vom Hörensagen. In Homers Ilias wird das in glänzender Rüstung zum Kampfe aufziehende Heer der Griechen mit den Scharen von Gänsen, Kranichen und langhalsigen Schwänen verglichen, „wenn diese mit lautem Geschrei sich auf den Wiesen am Flusse Kaystros (in Lydien, mündet bei Ephesus ins Meer) niederlassen.“ Der Schwan war dem Apollon heilig. So heißt es schon in einem altgriechischen, Homer zugeschriebenen Hymnus: „O Phöbus, dir singt der Schwan am Ufer des Flusses Peneios (in Thessalien) laut ein Loblied; Dir singe auch ich, der Sänger, indem ich meine Kithara anschlage, früh und spät ein preisendes Lied.“ Hesiod schildert, wie auf dem Schilde des Herakles der Okeanos abgebildet war, auf dessen Wogen lautsingende Schwäne schwammen, während unter ihnen die Fische spielten. In Äschylos’ Agamemnon heißt es: „Der Schwan singt sein eigenes Leichenlied“ und in Euripides’ Elektra: „Der junge Singschwan ruft am Wasser des Flusses seinen in der Schlinge gefangenen sterbenden Vater.“ Bekannter ist die Stelle aus Platons Phädon, an der es heißt: „Als Sokrates zum Sterben kam, unterredete er sich mit seinen Schülern und sagte unter anderem: ‚Denkt ihr denn, daß ich den Tod zu fürchten habe? Denkt ihr, daß ich weniger vom künftigen Leben weiß als die Schwäne? Diese singen zwar oft, aber wenn sie fühlen, daß der Tod ihnen nahe ist, dann singen sie gerade am meisten, weil sie sich freuen, daß sie zu dem Gotte gehen, dessen Diener sie sind. Leute, die sich vor dem Sterben fürchten, legen freilich die Sache ganz falsch aus und behaupten, die Schwäne sängen vor ihrem Tode vor Jammer. Diese Leute sollten doch wissen, daß kein Vogel vor Jammer singt, z. B. wenn er hungert oder friert. Auch diejenigen stellen eine verkehrte Behauptung auf, welche sagen, die Nachtigall, die Schwalbe, der Wiedehopf sängen vor Jammer. Ich glaube jedoch, daß sie ebensowenig vor Jammer singen als die Schwäne. Die letzteren sind offenbar Propheten des Apollon, kennen im voraus das Glück, das ihnen in der Unterwelt zuteil wird und singen deswegen, ehe sie den Weg antreten, freudiger als zuvor. Ich denke nun, daß ich wie die Schwäne ein Priester des Gottes bin, und denke, daß ich von ihm die Wahrsagekunst so gut gelernt habe, als jene Vögel, und daß ich ebenso freudig als sie das Leben lassen muß.‘“

Von diesem Volksglauben rührt die bei späteren griechischen und römischen Schriftstellern angetroffene, auch noch von uns sprichwörtlich gebrauchte Redensart vom „Schwanengesang“ als der letzten Äußerung eines Menschen vor seinem Tode her, so bei Cicero, Ovid, Martial, Dio Chrysostomus und andern. Bei den Römern galt der Schwan als der Vogel der Liebesgöttin Venus, die auf einem von Schwänen gezogenen Wagen einherfahrend gedacht wurde, so bei Horaz, Silius Italicus, Statius und andern. Martial rät seiner Geliebten, sanft auf Schwanenflaum zu ruhen, wenn sie müde sei. Demnach wurde der Flaum auch dieses Tieres, wie derjenige der Gans, zur Polsterung von Kissen verwendet. Von Schwanenbraten spricht der alexandrinische Grieche Athenaios um 200 n. Chr. Allerdings mied man in der Regel das Fleisch dieses halb für heilig gehaltenen Vogels. So schreibt Plutarch: „Will man durchaus Fleisch des Schwanes essen, so mißhandle man wenigstens die Tiere nicht vorher, sondern töte sie mit Bedauern. Es gibt Leute, welche Kranichen und Schwänen die Augenlider zusammennähen und sie dann im Dunkeln mästen.“ In allen diesen Fällen ist stets von wilden Schwänen die Rede, da der Vogel im Altertum nirgends als Haustier gehalten wurde.

Auch im Mittelalter wurde der wilde Schwan häufig als Speise benutzt. Die heilige Hildegard im 12. Jahrhundert rühmt sein Fleisch als heilsam gegen den Aussatz. Man begann ihn damals auf Teichen in halber Freiheit zu halten; doch durften dies vielfach nur Könige und vornehme Leute tun, da solches damals zu den Regalien gehörte. Reste einer solchen Auffassung haben sich an manchen Orten bis in die Gegenwart erhalten; so sind sämtliche Schwäne auf der Themse wie auf der Havel und Spree königliches Eigentum. Im Mittelalter gehörte der Schwan, wie der Pfau, zu den feierlichen Schaugerichten der Prunktafel an Höfen. Außerdem muß ihm eine gewisse abergläubische Verehrung gezollt worden sein; so wissen wir, daß König Eduard I. von England 1307 „bei Gott und den Schwänen“ schwur, er werde sich an seinem Erbfeinde Robert Bruce rächen.

Heute noch gilt ein Schwanenbraten als außerordentliche Delikatesse und wird in England, wo er am Königshofe ständiger Weihnachtsbraten ist, zu bedeutsamen Geschenken verwendet. So beschenkt der Herzog von Norfolk, der „erste Peer Englands“, seine besten Freunde damit. In der Hauptstadt seiner Grafschaft Norfolk, dem alten Bischofssitz Norwich, hat er nebst dem Bischof, dem Abt des St. Benethospitals und der Norwicher Schwanenkorporation das alleinige Recht, Schwäne auf den öffentlichen Gewässern zu halten. Jeder dieser Eigentümer hat eine besondere, sorgfältig gebuchte Hausmarke, die den Schwänen auf den Oberschnabel eingeschnitten wird. Der Schwan vermehrt sich dort gut und ist widerstandsfähig. Man hat ein Schwanenpaar beobachtet, das in fünf Jahren 85 Eier erzeugte und von diesen 82 Kücken durchbrachte. Das Aussuchen der zur Mast geeigneten Jungen wird von den Insassen des St. Benethospitals besorgt und man nimmt nur so viel Tiere, als von den Besitzern bestellt werden; denn diese haben für das Stück 1 Pfund Sterling (= 20 Mark) Mastgeld zu entrichten. Die jungen Tiere schmecken am besten gerade um die Zeit, wo sie fliegen können. In dieser Zeit werden sie geschlachtet, haben dann ein Lebendgewicht von wenigstens 16 kg und schmecken wirklich gut.

Wie wir den Höckerschwan, halten die Russen nach Pallas gern den Singschwan als Ziervogel auf ihren Teichen. Die Nordamerikaner haben den Schwan von Europa erhalten. Dagegen erhielten wir um die Mitte der 1850er Jahre vom Süden Südamerikas den Schwarzhalsschwan (Cycnus nigricollis), der sich wie der Singschwan benimmt, jedoch nur selten seine schwache Stimme erschallen läßt. Er hat sich mehrfach in unsern Tiergärten fortgepflanzt. Ebenso verhält es sich mit dem am ganzen Gefieder bis auf die weißen Hand- und einen Teil der Armschwingen bräunlichschwarzen Schwarz- oder Trauerschwan (Cycnus atratus), der in den 1820er Jahren zum erstenmal nach Europa, und zwar England, kam und sich dort auf dem Landgute Sir Herons auch fortpflanzte und im ganzen 45 Junge aufbrachte. Von jenen scheinen die meisten der in den Zoologischen Gärten und bei Privaten gehaltenen Exemplare abzustammen. Seit dem Jahre 1698 kennt man übrigens den Schwarzschwan, den auch Cook an der von ihm besuchten Küste Südaustraliens und Tasmaniens auf den Süßwasseransammlungen antraf. In den weniger besuchten Gegenden des Innern soll er, soweit dort Wasser anzutreffen ist, in großer Menge vorkommen. Für unsere Weiher eignet er sich so gut als die übrigen Schwäne. Die Strenge des nordischen Winters ficht ihn wenig an und seine Nahrungsansprüche sind bescheiden. In der Gefangenschaft pflanzt er sich regelmäßig fort. In seinem Benehmen mahnt er an die stummen Verwandten, doch ist er schreilustiger; besonders gegen die Paarungszeit hin läßt er seine trompetenartige, dumpfe Stimme oft vernehmen.

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