XXIV. Die Geschichte der Jagd.

So lange es Menschen gibt, die ihren Hunger nicht völlig an den von der Natur gebotenen Früchten und anderer Pflanzennahrung stillten, sondern auch noch zu tierischer Beute, zunächst noch roh, wenn auch lebendwarm, später gekocht, ihre Zuflucht nahmen, so lange schon hat es eine Jagd gegeben. Ihre Geschichte schreiben hieße die Geschichte der menschlichen Kulturentwicklung darstellen. So wissen wir, daß schon der vorgeschichtliche Eiszeitjäger, dessen ganze Kultur auf die Jagd abgestellt war, ganz raffinierte Jagdmethoden anwandte und sich nicht nur mit Wurfspeer und Keule, sondern auch mit Fallgruben, Fallen und Schlingen sich der tierischen Beute, auf die er zu seinem Unterhalte angewiesen war, zu bemächtigen suchte. Zudem nahm er wie alle Primitiven zu Zauberprozeduren der verschiedensten Art seine Zuflucht, als deren Niederschlag wir die mancherlei Darstellungen von Jagdwild an den einst von den Mammut- und Renntierjägern der letzten Eiszeit und frühen Nacheiszeit bewohnten Höhlen anzusehen haben.

In der Folge entwickelte sich die Jagd bei den verschiedenen Volksstämmen in verschiedener Weise, je nach den vorhandenen Anlagen und gegebenen Verhältnissen. Über die Jagd der alten Assyrer, Babylonier und Ägypter geben uns manche bildliche Darstellungen Kunde, doch sind wir daneben nur auf Vermutungen angewiesen, so daß wir außerstande sind, auf so spärlichem Beweismaterial fußend, eine Geschichte ihrer Jagd zu schreiben. Schon reichlicher fließen die diesbezüglichen Urkunden von den alten Griechen, deren Jagdarten uns um 400 v. Chr. Xenophon, ein Schüler und Freund des Sokrates, in seinem Buche über die Jagd und wiederum etwa im Jahre 130 v. Chr. Flavius Arrianus aus Nikomedien in seiner Kynegetika beschrieben. Über das römische Jagdwesen gibt es so gut wie keine Literatur. Anders verhält es sich mit der Jagd unserer germanischen Vorfahren seit der Zeit der Völkerwanderung. Da haben wir zunächst aus Gesetzesbestimmungen, dann aus eigentlichen Jagdanweisungen ein so überreiches Material von Tatsachen, daß wir uns hier mit einer kurzen Übersicht begnügen müssen. Und zwar soll im folgenden als am nächsten liegend vorzugsweise die Geschichte der Jagd unserer Vorfahren, so weit sie urkundlich bezeugt ist, behandelt werden.

Bild 55. Ägyptischer Jäger mit zwei zusammengekoppelten Jagdhunden. Auf den Schultern trägt er eine erlegte Oryxantilope. (Nach Wilkinson.)

Tafel 61.

Der Assyrerkönig Assurbanipal (668–626 v. Chr.) auf reich angeschirrtem Streitpferd auf der Löwenjagd.
(Nach einer Photographie von Mansell & Cie. in London.)


GRÖSSERES BILD

Tafel 62.

Berittene Jäger des Khans von Chiwa in Begleitung von Jagdhunden.


GRÖSSERES BILD

Die ältesten Bewohner Deutschlands waren Kelten, die auf Einzelhöfen lebten, Landwirtschaft und Viehzucht trieben und sich einer verhältnismäßig hohen Kultur erfreuten. Das Andenken an ihr einstiges Vorhandensein ist besonders in Deutschland westlich von der Weser und südlich vom Main in zahlreichen Ortsnamen erhalten geblieben. Sie wurden nach und nach von den von Osten und Norden heranrückenden Germanen zurückgedrängt und unterjocht. Diese nahmen die alten Keltenhöfe in Besitz, machten die früheren Bewohner zu Knechten und führten nun als Herren die Wirtschaft auf den Einzelhöfen weiter. Dazu wurden neue gebaut, das umgebende Land aber wurde zu gemeinschaftlichem Eigentum an die verschiedenen Sippen verteilt und bildete die Allmende, d. h. das Gemeindeland. Die Gesamtheit der freien Hofbesitzer eines Gaues tat sich zu einer Hundertschaft — so genannt, weil wenigstens hundert Familien umfassend — zusammen und bildeten eine Markgenossenschaft, welche die gemeinschaftlichen Angelegenheiten beriet. An ihre Stelle stellte sich als der tüchtigste der Markgenossen ein Graf, dessen Amt nicht erblich war, zum Unterschied vom Königtum, das der Gesamtheit der das Volk bildenden Markgenossenschaften vorstand und dessen Amt sich in derselben Familie forterbte.

Da der Viehstand vorerst noch bescheiden war und nur ausnahmsweise zum Schlachten diente, so war damals die Jagd in den wildreichen großen Waldgebieten, wie in der Vorzeit, eine wichtige Nahrungsquelle zur Beschaffung von Fleisch als Zukost zu der von den Frauen und Hörigen gewonnenen Pflanzenspeise in Form von hauptsächlich Brot oder Brei. Ihr wie dem Kriege lag der Freie ob, dem jede andere Arbeit als schimpflich galt. Die Jagd galt als beste Vorschule für den Krieg, wurde aber nicht weidmännisch in unserem Sinne betrieben. Man jagte ohne irgend welche Schonzeit das ganze Jahr hindurch und berücksichtigte weder Alter noch Geschlecht. Man folgte dem weidwund geschossenen Wild nicht wie heute, um seine Qualen zu verkürzen, sondern weil man den Braten nicht verlieren wollte. Zur Jagd benutzte man nach den Bestimmungen der vom 5. bis 8. Jahrhundert n. Chr. schriftlich fixierten Volksrechte der deutschen Stämme verschiedene Jagdhunde, deren freventliche Tötung mit 3–15 Solidi gebüßt wurde. Nun war damals ein Solidus ein Goldschilling im Metallwert von 12 Mark, der aber tatsächlich einen viel höheren Wert repräsentierte, da dafür eine erwachsene Kuh zu kaufen war. Demnach waren die Bußen, die die Volksrechte verfügten, ganz anständige Strafen. Das alamannische Recht bestrafte die Tötung oder den Diebstahl eines Leithundes doppelt so hoch als diejenige eines Pferdes, nämlich mit 12 Solidi, während letztere nur 6 Solidi galt. Eine besondere Art der Strafe hatten die Burgunder, die dem Diebe freistellten, sich mit 6 Solidi auszulösen oder dem gestohlenen Hunde in Gegenwart des ganzen Volkes einen Kuß auf den Hintern zu geben.

Vom Jagdhund der germanischen Stämme, dem canis sagax oder segutius auch sëusis oder sëusis, unterschieden die Gesetze der Bajuvaren drei verschiedene Arten, nämlich außer dem freilaufenden Triebhund die beiden an der Leine die Spur des Wildes verfolgenden Hunde, den Spürhund und den Leithund. Letztere standen bei Totschlag oder Diebstahl mit je 6 Solidi Buße doppelt so hoch im Wert als ersterer, für dessen Verlust nur 3 Solidi Buße zu entrichten waren. Mit dem Leithund, der vornehmlich als canis segutius bezeichnet ist, wurde die Beute aufgespürt und verfolgt. Worin sich der Spürhund der alten Bayern von diesem Leithund der Alamannen, salischen Franken und Burgunder unterschied, ist nicht klar; vielleicht war er eine als Schweißhund dressierte Unterart des segutius. Wenigstens hatte man im späteren Mittelalter eigene Hunde zur Verfolgung des mit der Armbrust angeschossenen Wildes, die man als Bracken bezeichnete. Außerdem besaß man einen starken Schlag von Hunden, die man auf Wildstiere, Bären und Wildsauen hetzte, für welche in den Volksrechten weder eine lateinische noch eine deutsche Bezeichnung vorkommt, sondern nur eine Beschreibung ihres Gebrauches. Später nannte man sie lateinisch molossus, deutsch rudo, woraus Rüde wurde. Daneben wurde eine als canis veltris oder veltrus (im Deutschen später wint, d. h. Windspiel genannt) bezeichnete leichte Hundeart gehalten, die den Hasen nicht nur verfolgte, sondern ihn auch vermöge ihrer Schnelligkeit ergriff. Das ganze Mittelalter hindurch spielten diese als Jagdhunde eine wichtige Rolle und werden in vielen Weistümern erwähnt.

Sehr interessant ist die Erwähnung eines Hapuch-, d. h. Habichtshundes im Volksrecht der Bayern, der uns als canis acceptoritius im Gesetze der Friesen begegnet. Über dessen Gebrauch wird nichts mitgeteilt; doch dürfen wir zweifellos annehmen, daß er zur Aufsuchung des Federwildes diente, das damals nicht geschossen, sondern gebeizt, d. h. durch gezähmte Falken und Habichte gefangen wurde. Noch in den Weistümern des Mittelalters wird öfter der „Vogelhund“ genannt, und zwar stets in Gesellschaft des „Habk“ (d. h. Habichts). Zur Verfolgung kleineren Wildes diente bei den Burgundern der schon von den Römern gebrauchte petrunculus, der „Steinbracke“, der seinen Namen von den harten Fußsohlen ableiten soll, vermöge welcher er anhaltend auf felsigem Terrain zu jagen imstande war. Bei den Friesen wird er braco parvus oder Barmbracke genannt. Im Volksrecht der Bajuvaren ist noch vom „unter der Erde jagenden“ Biberhund die Rede, dessen freventliches Töten mit 16 Solidi gebüßt wurde, während die ebendort erwähnten Hirtenhunde, die es mit dem damals noch sehr häufigen Wolf aufnahmen und ihm das geraubte Vieh entrissen, auch, wenn ein Geschrei wegen eines Wolfes erhoben wurde, weithin zu Hilfe eilten, und die sehr geschätzten Hofhunde (Hofwart der alten Bayern) nur mit 3 Solidi bezahlt werden mußten. Diese Biberhunde dienten zur Erbeutung des damals noch überall in Mitteldeutschland häufigen Bibers, waren größer als unsere Dachshunde und gingen gern ins Wasser. Dachshunde, die ihren Namen vom früher von ihnen mit Vorliebe gejagten Dachse haben, während sie heute bei Abnahme jenes häufiger gegen den Fuchs gebraucht werden, kamen erst im späteren Mittelalter auf.

Diejenigen Hunde des Frankenkönigs, die nicht am Hofe verblieben, wurden zum Unterhalt in die Provinzen verteilt, wie es schon an den Höfen der morgenländischen Fürsten des Altertums gehalten wurde. Den darübergesetzten Beamten befahl Karl der Große genaue Aufsicht, daß sie von den betreffenden Untertanen richtig gehalten und das nötige Futter erhielten. Wahrscheinlich waren die königlichen Hunde auf der rechten Seite gezeichnet; wenigstens scheint ein Befehl Karls des Großen vom Jahre 803, daß diejenigen Leute, die auf der rechten Seite geschorene Hunde haben, mit denselben vor dem Könige erscheinen sollten, nur so erklärt werden zu können, daß dies zu tun niemandem außer dem Könige gestattet war. Die Hunde hatten schon damals eigene Namen, mit denen man sie rief. So spricht Hrabanus Maurus von einem Hunde Fax, und anderswo ist von einer Hündin Zoba die Rede. Übrigens waren die Jäger und Förster der Frankenkönige Leibeigene, von denen es außer dem obersten Falkner (falconarius principalis) in Neustrien, Austrien, Burgund und Aquitanien je einen Oberjägermeister (venator principalis) gab. Diese hatten die nötige Zahl von Ministerialen, venatores und falconarios, unter sich, welche abwechselnd, teils bei Hofe, teils in den villis beschäftigt wurden. Der in der karolingischen Zeit lebende Bischof Hinkmar nennt in seinen Briefen über die Ordnung des karolingischen Hofes dreierlei Arten von Jägern: bersarii (vom spätlateinischen bersare, d. h. mit Pfeil und Bogen schießen = birsen der mittelalterlichen Urkunden, woraus schließlich pürschen wurde. Erst seit etwa hundert Jahren hat sich diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes birschen dahin verändert, daß man darunter ein Anschleichen an das Wild verstand), Waldjäger mit Gebrauchshunden, veltrarii Feldjäger mit Windspielen und beverarii, d. h. Biberjäger mit den Biberhunden für die Wasserjagd auf Biber.

Außer Hunden waren von alters her auch gezähmte Falken, Habichte und Sperber sehr geschätzte Jagdgenossen der Deutschen, deren Verlust mit 1–45 Solidi gebüßt wurde. Auch hier hat das Recht der salischen Franken, die ihren Namen vom Flusse Isala oder Yssel haben und sich über das nördliche und mittlere Gallien ausbreiteten, das damals in höherer Kultur stand als die deutschen Gaue, die höchsten Strafsätze. Vielleicht hatte das Geld dort geringeren Wert. Die Burgunder leisteten sich auch bei diesen Strafen ein besonderes Vergnügen, indem der Dieb eines Jagdhabichts 2 Solidi Strafe und 6 Solidi Entschädigung an den Besitzer bezahlen oder den Habicht 6 Unzen Fleisch von seinen eigenen Hoden fressen lassen mußte.

In den Strafbestimmungen der Volksrechte der Deutschen führen die größeren Beizvögel den Namen accipiter oder acceptor (meist wohl Habicht), die kleineren dagegen sparawarii (also Sperber). Deutsche Benennungen finden sich nur in den Gesetzen der Bayern, die sogar viererlei Jagdraubvögel unterscheiden, nämlich 1. als vornehmsten, den Kranichar (chranohari), einen auf Kraniche abgerichteten großen Raubvogel, wenn auch keinen Adler, da diese Vogelgattung nicht den für die Beize dieser Vögel erforderlichen raschen Flug besitzt. Damals müssen die bayerischen Moore und Sümpfe reich an Kranichen gewesen sein, die nach der lex salica de furtis avium damals auch in den Höfen vornehmer Leute zahm gehalten wurden. Es waren dies vermutlich Wanderfalken. Solche aus Island kamen erst im späteren Mittelalter nach Deutschland. Wandte sich doch im 8. Jahrhundert König Ethelberth von England an den heiligen Winfrid (Bonifazius) um zwei Falken, welche geschickt und kühn genug wären, um Kraniche zu ergreifen und zu Boden zu werfen, wobei er ausdrücklich seine Anerkennung der trefflichen Naturanlagen der in Deutschland vorkommenden Raubvögel aussprach.

Die im Mittelalter so gern geübte Reiherbeize fand wahrscheinlich erst dann recht Eingang bei den Deutschen, als der edlere Kranich durch die leidenschaftliche Verfolgung mit Beizvögeln schon seltener geworden war. 2. den Gänsehabicht, einen hapuch, der Wildgänse, 3. einen solchen, der Wildenten fing, also einen Entenhabicht, und 4. einen Sperber für Rebhühner und kleinere Vögel. Die Entwendung eines dieser Vögel wurde mit dem neunfachen Wertbetrage wie andere Diebstähle gesühnt. Dabei konnte eine sehr schwere Strafe herauskommen. Nimmt man den Wertsatz des Volksrechtes der ripuarischen Franken für den commorsus gruarius in Anwendung auf den chranohari, so ergibt sich eine Geldbuße von 54 Solidi, was an Geldwert 54 Kühen entsprach. Im Falle der Tötung war ein gleicher Vogel als Ersatz zu geben und außerdem noch zur Sühne für einen Kranichar 6 Solidi, für einen Gänsehabicht 3 Solidi, für einen Entenhabicht und einen Sperber je 1 Solidus. Dabei verstand man unter hapuch außer dem Hühnerhabicht auch die größeren Arten der einheimischen Edelfalken, welche in späterer Zeit als Beizvögel erwähnt werden, nämlich den Würg- und Wanderfalken, und unter sparawarius nicht nur den Sperber oder Finkenhabicht, sondern auch den Baum- oder Lerchenfalken.

Im Volksrecht der Alamannen werden nur zweierlei Beizvögel genannt, einer auf Kraniche und einer auf Gänse. Das Eigentum an ersterem war durch eine Strafe von 6, an letzterem von 3 Solidi geschützt. Bei den Langobarden wurde im Falle der Tötung eines Beizvogels eine Sühne von 6 Solidi bezahlt, im Falle des Diebstahls aber der achtfache Betrag an den Beschädigten erlegt. Wer nun bei diesem Volke aus dem Gehege des Königs solche Vögel vom Neste nahm, mußte 12 Solidi Buße bezahlen. Geschah dies im Privatwalde eines andern von einem gezeichneten Baume, so betrug die Sühne 6 Solidi. Hatte der Baum kein Zeichen, so konnte man die Vögel ungestraft aus dem Neste nehmen. Wenn aber der Waldeigentümer dazu kam, durfte er sich dieselben aneignen.

Falls Beizvögel an Zahlungs Statt anzunehmen waren, so betrug die Taxe bei den ripuarischen Franken für einen ungezähmten 3 Solidi, für einen auf Kraniche abgerichteten 6 Solidi, für einen acceptor mutatus 12 Solidi. Wo solche Taxen nicht bestanden, konnte der Zahlende den Wert beschwören. Weil aber der Wert solcher Vögel zu hoch beschworen wurde, verbot Kaiser Ludwig der Fromme deren Hingabe an Zahlungs Statt. Die sehr hohe Bewertung dieser Vögel läßt die große Vorliebe für die Beize bei den alten Deutschen ahnen. Übrigens stellte das Gesetz der Bayern auch andere gezähmte Waldvögel, die auf den Höfen der Freien gehalten wurden, unter seinen Schutz. Die Entwendung solcher Vögel, „die durch Kunst und menschlichen Fleiß aus wilden zahm und zutraulich gemacht werden, so daß sie auf den Höfen der Adeligen herumfliegen und singen“, wurde mit 1 Solidus gebüßt, außerdem mußte der Übeltäter beschwören, in Zukunft keinen Vogel mehr zu stehlen.

Außerdem sprechen die Volksrechte der alten Deutschen von gezähmtem Rotwild — vornehmlich Hirschen — und gezähmtem Schwarzwild — speziell Wisent und Ur — die zur Jagd gebraucht wurden. In welcher Weise dies geschah, darüber wird nichts gesagt, doch scheint es sich um Schießhirsche oder Schießbüffel gehandelt zu haben, d. h. solchen, die sich vom Jäger leiten ließen, der hinter ihnen gedeckt sich unter dem Winde dem gesuchten Wild so weit näherte, daß er mit Erfolg den Pfeil auf dasselbe entsenden konnte (sagittare). Man scheint damals mit Rotwild nicht nur an anderes Rotwild, sondern auch an Schwarzwild herangeschlichen zu sein. Dann mußte das gezähmte männliche Wild in der Brunst auch schreien, und zwar sowohl die Hirsche als auch die Büffel. Vermutlich begab sich der Jäger mit seinem gezähmten Tier vor Tagesanbruch auf einen der ihm bekannten Brunstplätze, um sein Tier schreien zu lassen oder abzuwarten, bis die freien Tiere schrien und sein Tier ihnen antwortete. Vielleicht waren die zahmen Tiere in kleinen Gehegen gehalten und dienten dem Jäger dazu, wilde Verwandte herbeizulocken, damit er sie dann, wenn sie nahe genug herangekommen waren, abschießen konnte. Der Römer Columella erwähnt in seinem zweiten Buche über Landwirtschaft, daß in Gallien zahmes Wild dazu diene, das frischgefangene Wild, das in einen der Riesenparks jenes Landes gesetzt war, an die Futterstellen zu gewöhnen. Möglicherweise dienten solche zahme Tiere auch als solche Schlepper, um ihre Verwandten an Futterstellen zu locken, wo sie abgeschossen zu werden vermochten.

Diese gezähmten Tiere wurden mit einem treudis oder triutis genannten Zeichen versehen, wodurch sie Frieden erlangten, so daß sie nicht erlegt werden durften. Dabei stieg ihr Wert in dem Maße, als sie sich bei der Jagd bewährt hatten. Dementsprechend richtete sich auch der Betrag der Sühne im Falle der Entwendung oder Tötung. Wer bei den salischen und ripuarischen Franken einen auf der Jagd erprobten zahmen Hirsch entwendete oder tötete, der mußte zur Sühne 45 Solidi bezahlen. War der Hirsch noch nicht auf der Jagd gebraucht worden, so betrug die Sühne bei den salischen Franken 35, bei den ripuarischen dagegen nur 30 Solidi. Im alamannischen und langobardischem Volksrecht wurde bei Entwendung eines zahmen Hirsches der neun- bezw. achtfache Betrag, d. h. die gebräuchliche Diebstahlsstrafe gefordert. Dabei galt eine zahme Hirschkuh nur als halb so wertvoll wie ein gezähmter Hirsch. Doppelt war die Strafe, wenn der getötete Hirsch zu seiner Zeit brunstete gegenüber einem solchen, der dies nicht tat.

Für den Jäger damaliger Zeit war ein gutes Reitpferd ein notwendiges Erfordernis, um den Hunden bei der Hetzjagd auf Rot- und Schwarzwild und auf Hasen zu folgen und zur Erlegung oder Abnahme des betreffenden Wildes rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, oder die das Federwild verfolgenden Beizvögel im Auge zu behalten. Zum Reiten dienten, wie es scheint, vorwiegend Hengste, caballi genannt, daher caballicare reiten. Außerdem hatte man aber auch eigene Zuchthengste und solche Hengste, die zum Ziehen von Wagen benutzt wurden. Auch ist in den Volksrechten von Wallachen die Rede (caballi spadati), welche geringeren Wert hatten. Die Stuten hießen jumenta, weil sie außer zur Nachzucht vorzugsweise als Zugtiere benutzt wurden. Bei den Alamannen konnte in Fällen von Diebstahl der Wert eines Zuchthengstes bis zu 12 Solidi beschworen werden, und die Strafe betrug das Neunfache des Wertes; ebensohoch war der Wert eines Pferdes, das man marach hieß. Der Wert eines gewöhnlichen caballus und einer säugenden Stute dagegen betrug nur 6 Solidi, einer gewöhnlichen Stute, die noch nicht trächtig war, 3 Solidi, wie für einen Zuchtstier, während eine Kuh bloß bis zu 1 Solidus gewertet wurde.

Man war in jener Zeit sehr heikel in bezug auf seine Reitpferde. So mußte bei den Franken einer, der ein fremdes Roß eigenmächtig ritt, zur Sühne an den Eigentümer 30 Solidi Strafe bezahlen, während die Strafe für die Entwendung des wertvollsten Pferdes eines Privatmannes nur die Hälfte mehr, nämlich 45 Solidi, betrug.

Abgesehen von den für die Jagd reservierten Forsten hielt der König besonders in Niederungen, Brüchen und Sümpfen von einem Hag von Bohlen eingefriedete Tierreservationen, deutsch Brühl, lateinisch bersa genannt. Ihnen standen Leibeigene vor, die bersarii genannt wurden und bei der Jagd Hilfe leisten mußten. Solche Brühle konnten einen großen Umfang haben. In einem solchen bei Frankfurt am Main stürzte Ludwig der Deutsche 864 bei einer Hirschhatz mit dem Pferde und beschädigte sich eine Hüfte erheblich.

Der Franke Angilbert, Abt von St. Riquier, der mit Zustimmung Karls des Großen, der ja selbst ein uneheliches Kind gewesen war, mit dessen Tochter Berta in freier Liebe lebte und zwei Knaben von ihr hatte, beschreibt uns in einem höfischen Gesang nach der Art Vergils eine Parkjagd Karls in dem großen von Mauern umgrenzten Brühl bei Aachen. Dieser Tierpark war vom Flüßchen Wurm durchflossen, an dessen Ufer sich grüne Wiesen ausbreiteten, auf denen sich Sumpf- und Wasservögel tummelten. An andern Stellen waren die Ufer steil. Auch zwischen den Gehölzen, in denen „Wild von jeglicher Art“ stand, erstreckten sich Wiesenflächen, auf denen König Karl zu lagern liebte. Mit ihm brachen morgens in aller Frühe auch die Königin und die Töchter, goldene Reifen im Haar und in schöner Gewandung, auf prächtigen Pferden auf. Im Tale des Parkes wurde von den Jägern ein Keiler hochgemacht und von kräftigen Hunden gehetzt. Die Reiter folgten, bis der Keiler gedeckt und von Karl abgefangen war; währenddem schauten die Damen vom Berge aus zu. In der Zwischenzeit hatte ein Teil der Jägerei die Jagd auf zusammengetriebene Rudel von Sauen vorbereitet. Zu diesem Zwecke war ein großes Netz ausgespannt worden, gegen welches die Wildsauen getrieben wurden, um dort von Karl und seinen Begleitern mit dem Wurfspeer abgestochen zu werden. Nach diesem Massenmord wendete sich Karl langsam den Zelten zu, die von der Dienerschaft am frischen Quell, dicht am Gehölz im Schatten hoher Buchen aufgeschlagen worden waren. Hier erwarteten ihn die Damen, die dann mit den Jägern an vor den Zelten aufgestellten Tischen das schmackhafte Mahl einnahmen. Mit dem Eintritt der Nacht begab sich die Gesellschaft in den Zelten zur Ruhe, um am folgenden Tage zu neuem Weidwerk gestärkt aufzuwachen.

Wie in der Urzeit bedingte die Unvollkommenheit der Schußwaffen noch im frühen Mittelalter die weitgehende Verwendung von mechanischen Fangvorrichtungen zur Erbeutung des Wildes. So wurden an den Wechseln desselben Fallgruben, foveae oder fossae, errichtet, in Form großer viereckiger Gruben, die unten weiter waren als oben und mit Zweigen, Laub und Erde bedeckt und unsichtbar gemacht waren, so daß jedes Tier, das die trügerische Decke betrat, hinunterstürzen mußte und leicht erbeutet werden konnte.

Schon Cäsar erzählt in seinem Buche über den gallischen Krieg, daß die Germanen häufig den Ur in solchen Fallgruben fingen. Auch Wisent, Hirsch, Damhirsch, Reh und Bär, wie der Elch, der nach einer Urkunde König Ottos I. vom Jahre 943 noch in den Niederlanden häufig war, wurden mit Vorliebe auf solche Weise gefangen, oder dadurch, daß man ihnen Netze stellte, in denen sie sich verfingen. Eine andere Art der Fangjagd war das Legen von Fallen (taliolae) und Fußschlingen (pedicae) zum Festhalten des Wildes, dann das Aufhängen von Halsschlingen (laquei) an den Wechseln. Außerdem werden in den Volksrechten noch Selbstgeschosse in Gestalt von gespannten Bögen (arcus), die bei Berührung einer Schnur selbsttätig einen starken Pfeil (sagitta) entsandten, der das Wild — besonders das Raubwild, wie Wölfe und Bären — erschoß. Die Gesetze damaliger Zeit bestimmen, daß das Anlegen solcher gefährlicher Fangapparate den Nachbarn mitgeteilt werden müsse, um möglichst etwaiges Unglück zu verhüten. Dabei mußten Schutzvorrichtungen für Menschen angebracht werden. Unterblieb dies und ereignete sich eine Tötung oder Beschädigung, so mußte je nach Beschaffenheit der betreffenden Person das volle Wehrgeld derselben wie bei einer absichtlichen Verletzung beziehungsweisen Tötung bezahlt werden. Wenn aber ein Fremder Schaden erlitt oder getötet wurde, war der Jäger nur ein Drittel der gesetzlichen Sühne schuldig.

Außer Wurfspieß dienten als Fernwaffen vor allem Pfeil und Bogen. Erst im späteren Mittelalter, vom 11. Jahrhundert an, kam die Armbrust auf und verdrängte mehr und mehr letztere. Als unerwünschter Räuber und Wildschädling wurde besonders der Wolf verfolgt, ihm Fußangeln und vergiftete Köder gelegt. Unter Karl dem Großen war die systematische Wolfsjagd eine Aufgabe der Landespolizei. Jeder Unterbeamte des Grafen sollte in seinem Amtsbezirke zwei Wolfsjäger haben, die vom Heerbann befreit waren und die öffentliche Gerichtsversammlung des Grafen nur dann zu besuchen brauchten, wenn Anklagen gegen sie erhoben wurden. Jeder Gerichtseingesessene war ihnen eine Abgabe an Getreide schuldig. Auch das kleine Weidwerk des Vogelfangs wurde mit allerlei Schlingen und Fallen geübt.

Für alle Freien bildete die Jagd eine Lieblingsbeschäftigung, so daß sie oft andere wichtige Geschäfte hintan setzten. So erließ Karl der Große 789 eine Verordnung, wonach die Grafen an den Gerichtstagen nicht auf die Jagd gehen sollten. Von den Fürsten erfahren wir, daß sie fast ausnahmslos mit Leidenschaft die Jagd liebten. König Guntram, der Enkel des Gründers des Frankenreichs, Chlodwigs, ließ nach dem Bericht Gregors von Tours einen seiner vornehmsten Hofbeamten, den Kämmerer Chundo, wegen unberechtigter Erlegung eines Urs im Vogesenwald, welche Handlung nicht einmal unzweifelhaft erwiesen war, erbarmungslos steinigen. Ein anderer Enkel Chlodwigs, Theodebert, fand seinen Tod im Kampfe mit einem gewaltigen Wildstier durch einen von diesem abgeschlagenen Baumast, der an des Königs Kopf heftig anschlug. Von König Dagobert I. wird gesagt, daß er durch beständige Übungen mit den Waffen und in der Jagd eine unvergleichliche Gewandtheit und Rüstigkeit erlangt hatte. Ebenso gewandt war Karl der Große, der sich noch im hohen Alter gern mit der Jagd befaßte. Er erließ mehrmals scharfe Verordnungen über den Jagdschutz in den königlichen Forsten; denn kraft des Eigentumsrechts hatte er wie jeder andere Eigentümer eines geschlossenen Grundbesitzes das ausschließliche Jagdrecht auf seinen Landgütern.

Das Wort forestum oder forestis, woraus das deutsche Forst und das französische forêt wurde, bedeutet in den lateinischen Urkunden stets den Sonderwald, im Gegensatz zum Markgenossenschafts- und Allmendewald. Es wird im Deutschen mit Bannwald bezeichnet. Der forestarius (woraus Förster entstand) der karolingischen Zeit war ein höriger Jagdbediensteter, denn eine Forstwirtschaft in unserem Sinne gab es damals noch nicht. Dürres und gefallenes Holz konnte jedermann auch im Bannwald holen, aber ohne Erlaubnis keine Bäume darin fällen und seine Schweine nicht ungefragt darin auf die Eichelmast treiben. Wer die Erlaubnis zu letzterem erhielt, mußte den Zehnten als Entschädigung für die Mastnutzung bezahlen.

Der oberste Verwaltungsbeamte eines königlichen Landgutes (judex villae, d. h. Hofrichter) hatte auch den Wald und das darin befindliche Wild zu überwachen, für Jagdhunde und Beizvögel für den königlichen Dienst zu sorgen, die Umzäunungen der eingeparkten Orte in gutem Stande zu halten, die Wölfe vertilgen zu lassen und sollte eigene Ministerialen zur Anfertigung von Netzen für Jagd- und Vogelfang, wie auch für den stets dabei verstandenen Fischfang halten. Hatte jemand aus dem Volke einen Wilddiebstahl in den königlichen Forsten begangen, so mußte er unnachsichtlich die gesetzliche Strafe von 60 Solidi — eine sehr harte Strafe — bezahlen. Niemand sollte beim Huldigungseide, den damals das ganze Volk zu leisten hatte, einen Wilddiebstahl verhehlen.

Zur Zeit des Frankenreichs erhielten auch die Kirchen von den Königen und Fürsten, ebenso reichen Privaten, die sich mit dem Himmel gutstellen wollten und ein böses Gewissen wegen Verbrechen und Gewalttat der verschiedensten Art hatten, mit den geschenkten Gütern und Waldungen auch das Recht darin zu jagen zu alleinigem Eigentum. Die Geistlichen sollten aber wegen ihres kirchlichen Amtes nicht selbst jagen, sondern ihr Jagdrecht durch ihre Ministerialen ausüben lassen. Doch hielten sie sich vielfach nicht an diese Vorschrift und gingen selbst zu Pferd zur Jagd. So haben die Könige je und je dagegen einschreiten müssen. Im Jahre 759 erließ Karl der Große das Gebot, wonach sich die Diener Gottes alles Herumschweifens mit Hunden, auch Sperbern und Falken, enthalten sollten. 789 ward das Gebot erneuert: Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen sollten weder Kuppeln Hunde noch Jagdfalken oder Habichte halten. Karl überließ zwar 774 Geistlichen eines Klosters einen Wald mit der Vergünstigung, darin Hirsche und Rehe zu jagen, aber nur deshalb, damit sie vom Leder dieser Tiere die zum Gottesdienst gehörenden Bücher und mit dem Fleische die Körper der kranken Brüder stärken und herstellen könnten. Auf die nämliche Art erlaubte er 789 einem andern Kloster, die Mönche dürften in ihren eigenen Waldungen jagen, um Leder zu Büchereinbänden und Handschuhen zu gewinnen. Man sieht daraus, daß Karl den Geistlichen teilweise nachgeben mußte, die ihrem kirchlichen Amte die Jagd als nationalen Sport nicht opfern wollten. Er überließ auch wirklich dem Stifte Osnabrück einen Wald ohne alle Einschränkung der Jagd auf wilde Schweine, Hirsche, Vögel, Fische und was sonst zum Bannforste gehörte. Übrigens benutzten die Beamten oder Meier der Klöster, z. B. des Klosters St. Gallen, wie uns der jüngere Ekkehard berichtet, den Umstand, daß die Mönche selbst nicht jagen durften, und versicherten ihren Herren, daß die Jagd ihnen als Männern gehöre. Später wurde den Geistlichen die Jagd wenigstens zu gewissen Zeiten erlaubt. So überließ König Arnulf 890 dem Erzbischof Dietmar von Salzburg die Jagd auf Bären und Schweine drei Wochen vor Herbstnachtgleiche bis zum Feste des heiligen Martin (11. Nov.).

Nach dem römischen Schriftsteller Arrian, der in der Mitte des 2. Jahrhunderts starb, hatten schon die keltischen Jäger, die mit Vorliebe Hetzjagden auf Hirsche und Hasen abhielten, in Nachahmung der römischen, ihre geselligen Vereine, die unter dem Schutze einer weiblichen Gottheit standen, welche er, da er griechisch schrieb, mit dem Namen Artemis bezeichnet, und es bestand der löbliche Gebrauch, dieser Artemis zu Ehren alljährlich ein Liebesmahl zu feiern. Die Gelder dazu wurden im Laufe des Jahres gesammelt, und zwar in Form einer Spende, welche die Jäger in die Klubkasse zu geben hatten. Die Spende belief sich für einen erlegten Hasen auf zwei Obolen, für einen Fuchs auf eine Drachme, für ein Reh aber auf vier Drachmen. Je nach dem Kassenstand wurde dann am Jahresfest eine Ziege, ein Schaf oder ein Rind gekauft und der Göttin der Jagd geopfert, d. h. zu Ehren derselben von den Mitgliedern verschmaust, wobei auch die Hunde ihr Teil erhielten.

Etwa 400 Jahre nach Arrian treffen wir anscheinend ähnliche Zustände. So läßt der Bischof Gregor von Tours einen Diakonus Vulfelaich von einer Klostergründung erzählen, die sich im Jahre 585 zugetragen hatte. Vulfelaich hatte bei Trier ein Bild der römischen Jagdgöttin Diana gefunden, „das das abergläubische Volk abgöttisch verehrte“. Nun kam dieser sonderbare Heilige auf die verrückte Idee, sich bei jenem Heiligenbilde als Säulenheiliger zu produzieren und auch im Winter auszuhalten, obschon ihm die Zehen erfroren. Wenn er nun von Ferne einen Menschen zu Gesicht bekam, fing er an zu predigen: „Es sei nichts mit der Diana, nichts mit den Bildern, nichts mit dem Götzendienst, unwürdig seien jene Lieder, die sie beim Weine und den schwelgerischen Gelagen sängen. Würdig sei es allein, dem allmächtigen Gotte, der Himmel und Erde erschaffen habe, Opfer des Dankes zu bringen.“ Als Vulfelaich sich einen Anhang erworben hatte, stieg er von seiner Säule und veranlaßte die Menge, die Bildsäule der Diana mit Stricken umzuwerfen und mit Hämmern in kleine Stücke zu zerschlagen.

Über die jagdlichen Verhältnisse des Mittelalters geben uns wiederum die verschiedenen Rechtsbücher jener Zeit Kunde, von denen die berühmtesten das um das Jahr 1230 aufgezeichnete Sachsenrecht, der „Sachsenspiegel“, und der bald nachher, um 1276, verfaßte „Schwabenspiegel“ sind. Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert dehnten sich die Bannforste immer mehr aus und die Jagd in ihnen war ein Reservatrecht dessen, dem der Wildbann gehörte. Nicht nur der Kaiser, sondern auch die Grafen hatten den Königsbann, der sich auf die hohe Jagd bezog, während nur die Jagd auf Raubwild, zu dem auch der Bär gehörte, freigegeben war. So wurde durch den Wildbann das alte Recht gebrochen, wonach die Jagd ein Zubehör auf Grund und Boden war. Schon im 9. Jahrhundert schenkten die Könige an Klöster Liegenschaften, ohne das Recht der Jagd. Die Gemeinfreiheit schwand immer mehr dahin. Diesen Vorgang beschleunigte ein grausames Schuldrecht durch die immer mächtiger werdenden Grafen. Der wirtschaftliche Kampf wurde noch erschwert durch die gewaltsame Art, wie der Heerbann zusammengebracht wurde. Um nun der Willkür der Grafen zu entgehen, stellten sich die meisten der freien Markgenossen unter den Schutz des Königs oder der Kirche. Nun konnten sie, da der Heeresdienst nur den freien Männern oblag, nicht mehr willkürlich ausgehoben werden. Als Vasallen des Königs und der erstarkten Geistlichkeit mußten sie als Gegenleistung für den gewährten Schutz fronen und zinsen.

Die ersten nachweisbaren Spuren von Frondienst, welche die unfreie Bauernschaft im Interesse der Jagd zu leisten hatte, betraf die Instandhaltung der Brühle oder Tierparke, deren Instandhaltung ausschließlich der unfreien Bevölkerung oblag. Schon Ludwig der Fromme verordnete im Capitulare vom Jahre 820, daß kein freier Mann gezwungen werden sollte, an den herrschaftlichen Brühlen (brolii dominici) zu arbeiten. Die Ausübung der Jagd war im ganzen noch dieselbe wie zur Zeit der Stammesherrschaft, nur wandte der neue große Grundbesitz natürlich einen größeren Apparat an, er hatte eigene Jagdbediente, eine vermehrte Anzahl Hunde und einen großen Vorrat von Netzen und andern Fangvorrichtungen. Die zur Jagd gebrauchten Hunde waren dieselben wie früher. Es wurden besonders starke und scharfe Fanghunde (molossus oder Rüde) gehalten, die den Kampf mit Bären und Wildstieren ehrenvoll bestanden. Ausgedehnte Jagdbezirke wurden mit lose auf Stellstangen liegenden Fallnetzen umstellt und durch die Hörigen das Wild hineingetrieben. Hier fing es sich in den Maschen der herabfallenden Netze und wurde von den in der Nähe versteckten Jägern abgestochen.

Die Jagd wurde immer mehr eine beliebte Zerstreuung der Grundherrn, und ein weites, wildreiches Jagdrevier, in welchem zu Ehren der Gäste Jagden abgehalten wurden, gehörte zu jedem großen Grundbesitz. So gab es an den Fürstenhöfen keine große Festlichkeit ohne Jagdvergnügen, wobei auch die Damen mit dem Falken auf der Faust der Reiherbeize oder der Hetzjagd mit den flinken Federspielen oblagen. Dem jungen Brun de Montagne wurden, als er noch Säugling war, junge Hunde und Falken verehrt. Das war damals das vornehmste Spielzeug des Adeligen.

Da man sich oft ganze Wochen hindurch dem Jagdvergnügen hingab, führte man Zelte mit sich, mit denen das ganze Mittelalter hindurch ein großer Aufwand getrieben wurde. Mit ihnen und dem nötigen Proviant beladene Pferde wurden an bestimmte Plätze, an denen man zusammenkommen wollte, vorausgesandt. Die Landesherren aber bauten sich schon frühe Jagdschlösser, die mehr Bequemlichkeit als solche Zelte boten, inmitten ihrer größeren Jagdforste. Schon Karl der Kahle ließ sich das vermutlich an der Isar gelegene Jagdschloß Bacivum bauen, das er oft besuchte. Und sein Enkel Karlmann starb daselbst 884 an einer auf der Jagd durch unglücklichen Zufall erhaltenen Verwundung. Heristallum war ein Jagdschloß der Frankenkönige, an der Mosel gelegen und schon zu Karls des Großen Zeiten als solches berühmt; es ging noch auf Heinrich I. den Vogler (876 bis 936), den 919 von den Franken und Sachsen in Fritzlar zum König gewählten Sohn Ottos des Erlauchten, Herzogs von Sachsen, den eigentlichen Gründer des deutschen Reiches, über, wurde aber dann von den plündernd die Flüsse herauffahrenden Normannen zerstört. Ein solches Jagdschloß wird im mittelhochdeutschen Gedicht aus dem Ende des 12. Jahrhunderts Biterolf und Dietlieb jeithove oder gejeithof genannt, im Erek des Hartmann von Aue (1170–1215), der an den Kreuzzügen von 1189 und 1197 teilnahm, wird es jagehûs genannt, im Epos Parzival Wolframs von Eschenbach (gest. um 1225) dagegen weidehûs. Das Jagdhaus im Erek liegt an einem See, zwei Meilen rundherum ist der Wald von einer Mauer umgeben und innerhalb der Mauer sind drei Gehege angelegt, von denen das eine Rotwild, das andere Schwarzwild und das dritte „kleinen Klunder“, d. h. Füchse, Hasen u. dgl. enthält. Es sind Hunde da zur Hirschhatz und Windhunde für die Hasen, gegen Schweine und Bären „breite, starke Spieße“; und im Jagdhaus sind allerlei Fangnetze und „gutes Geschütz“ vorhanden.

Im späteren Mittelalter waren solche Jagdschlösser etwas ganz Gewöhnliches. So besaß Kaiser Maximilian I. (geb. 1459, reg. von 1486–1519) ein Jagdschloß bei Augsburg, Wellenburg genannt, westlich davon dasjenige von Wellersberg, noch weiter entfernt das von Dillingen; ferner nennt er selbst Jagdhäuser in Günzburg, Weißenhofen, Pfaffenhofen, Angelberg und Oberndorf. Wo solche Jagdhäuser fehlten, wird wohl die Gastfreundschaft der Untertanen in Anspruch genommen worden sein, namentlich die der Klöster. In Verbindung damit entwickelte sich dann die Pflicht der Atzung und Hundelege.

Die Häute des erlegten Wildes wurden unter anderem auch zu Anzügen und Handschuhen verarbeitet. So kleidete sich Karl der Große mit Vorliebe in Wildleder und noch im 16. Jahrhundert war die Jägertracht aus Tierfell keine Seltenheit. Auf der Jagd Verunglückte und andere Tote wurden zur Beförderung in frisch abgezogene Hirschhäute genäht, und es scheint sogar allgemein Sitte gewesen zu sein, die Könige von Frankreich nach ihrem Tode in eine solche einzuwickeln. Für gewöhnlich bestand die Kleidung des Jägers aus einem Hemd mit halblangem Wams, das im Winter grau, im Sommer grün sein sollte. Bei den Vornehmen war das Winterwams mit Pelz gefüttert. Gegürtet wurde das Wams mit einem Ledergurt, der das Jagdschwert und das Weidmesser trug. Die Beine steckten in strumpfartigen Hosen, die Füße waren mit Schuhen oder Stiefeln bekleidet und auf dem Kopf saß ein Filzhut oder eine Kappe.

Als Waffen benützte man außer dem Schwert den Ger als Wurfspeer und Stoßwaffe zugleich. War er besonders für letzteren Zweck bestimmt, so trug er vielfach einen Querriegel. Mit ihm, dem espieu der Franzosen, im Gegensatz zur geworfenen lance, ließ der Jäger die Wildsau auflaufen und ging er dem Bären zu Leibe. Der Riegel war fest oder beweglich und in letzterem Falle mit ledernen Riemen angebunden, die um den Schaft gewickelt und daselbst festgenagelt waren. Man benützte aber auch den espieu, die Saufeder, zum Werfen. Als Fernwaffe diente der mit dem Bogen entsandte Pfeil. Dieser sollte acht Handbreiten lang, seine eiserne Spitze aber fünf Finger lang und vier Finger breit sein. Abgeschnellt wurde er mit dem vorzugsweise aus Eibenholz hergestellten Langbogen, dessen Sehne besser aus Seide denn aus Hanf angefertigt sein sollte. Der Bogen sollte, an der Sehne gemessen, 20 Handbreiten lang und so biegsam sein, daß ihn der Jäger längere Zeit gespannt halten konnte, wenn er sich dem Wild langsam und sichernd näherte. Zum Langbogen kam jetzt noch der Kreuzbogen, die Armbrust, hinzu. Schon im Jahre 1048 wird die Armbrust in einer Urkunde Tirols erwähnt, es dauerte aber Jahrhunderte bis sie in Deutschland den Langbogen verdrängte. In Frankreich war dies noch später der Fall. In den französischen Artus- und Abenteuerromanen wird die Armbrust als Waffe noch nicht erwähnt; dagegen geht in dem nach französischem Vorbilde um 1210 vom mittelhochdeutschen Dichter Gottfried von Straßburg gedichteten Epos „Tristan und Isolde“, Tristan mit ihr bürschen. Als Kriegswaffe wurde die Armbrust früher heimisch denn als Jagdwaffe. So wurde in Paris im Jahre 1359 die Gesellschaft der Armbrustschützen gegründet, aber als Jagdwaffe soll die Armbrust in Frankreich erst seit 1554 nach einer Verbesserung durch Andelot allgemein benützt worden sein. Kaiser Maximilian I. führte mit Vorliebe die Armbrust, mit einem Bogen aus Stahl, bei Frostwetter dagegen benutzte er eine solche mit Bogen aus Horn. Das Weidmesser wurde im 12. und 13. Jahrhundert in Frankreich quenivet bezeichnet, ein Ausdruck, der sich im französischen canif, im englischen knife und im norddeutschen Knif bis auf den heutigen Tag erhielt. Als die Schwerter für den Krieg, die bis dahin eine runde Endigung gehabt hatten, seit dem 12. Jahrhundert spitz ausliefen, wurde auch das Jagdschwert nach vorne zu gleichmäßig spitz hergestellt, um zum Stechen zu dienen. Das Jagdpersonal trug kein Schwert, dafür aber das Weidmesser, franz. escorcheor, deutsch Weidener. An einem Band trug der Jäger um die Schultern das Horn, zuerst aus dem Horn von Wildbüffeln, später von Hausrindern angefertigt; war es ausnahmsweise aus dem kostbaren Elfenbein hergestellt, so hieß es oliphant. Damit gab man die Signale, durch welche nicht nur die Jäger benachrichtigt, sondern auch die Hunde gelenkt und die ganze Jagd geleitet wurde. Huer et corner, d. h. Schreien und Hornen waren das unerläßliche Mittel der Hetzjagd im freien Revier, welche die beliebteste Jagdart des Mittelalters war. Man nannte sie in Deutschland das Überlandjagen, in Frankreich die chasse à courre. Die Entwicklung dieser Jagdart zu einer eigenen Kunst vollzog sich mit dem Aufkommen der großen Vasallen in Frankreich, wo diese Jagdart durch die fränkischen Eroberer von den unterworfenen Kelten übernommen wurde. Letztere haben nach der Überlieferung Arrians schon die Hetzjagd auf Hirsche und Hasen geübt.

Der Grundbesitz hatte in Frankreich schneller als in Deutschland und England zu einem mächtigen und selbständigen Vasallentum geführt, das Ludwig II. und Suger, Philipp der Schöne, Ludwig XI. und Richelieu erst brechen mußten, bevor eine staatliche Einheit möglich war. Dieses reiche, vornehme Vasallentum hat die Hetzjagd geschaffen, begünstigt durch die Überlieferung solcher Jagdweise aus keltischer Vorzeit und die verhältnismäßig hohe Kultur, die schon Julius Cäsar an den Galliern rühmte und die in der Folge Frankreich jenen großen Vorsprung vor Deutschland und England in materieller und geistiger Hinsicht verschaffte. Die Vasallen besaßen ein ausgedehntes Jagdrevier und bezogen aus dem ausgedehnten Grundbesitz die Mittel, ein geschultes Jagdpersonal und zahlreiche Meuten zu unterhalten. In der Mitte des 14. Jahrhunderts schätzt Gace de la Bigne die Meuten in Frankreich auf 20000 Stück. Nach Frankreich bildete das vom Normannen Wilhelm eroberte und an seine Vasallen aufgeteilte England diese vornehme französische Jagdart bei sich aus, während in Deutschland der Mangel an materiellem Reichtum und das Fehlen des keltischen Blutes im Jäger wie im Hund solche noble Passion erst spät und zögernd aufkommen ließ.

Wie in Frankreich war auch in Deutschland das ganze Mittelalter hindurch der Gebrauch des an einem Riemen geführten Leithundes (franz. liëmier) allgemein üblich. Mit ihm wurde der Hirsch oder sonstiges Wild „bestätigt“ und dann von den Jägern zu Pferd mit den Laufhunden gehetzt, bis es gestellt und abgestochen zu werden vermochte. Dabei suchte man ihm die Flucht über Land, wo man ihm weniger leicht zu folgen vermochte, zu verwehren und ihn im Walde festzuhalten, indem man den zu bejagenden Waldbezirk durch Knechte und Bauern umstellte, die den Auftrag hatten, das Ausbrechen des Wildes aus dem Walde zu verhindern. Dabei wurde der einzelne Posten als Warte bezeichnet. Dieser sollte durch Schreien und Lärmen das auszubrechen versuchende Wild zurückjagen; geschah dies nicht und brach das Wild aus, so wurde der betreffende Bauer nach dem Weistum von Rode mit der Wegnahme des besten Ochsen bestraft. In Tristan und Isolde des Meisters Gottfried von Straßburg und in den Nibelungen des unbekannten ritterlichen Dichters aus dem Beginne des 12. Jahrhunderts ist mehrfach von solchen Warten bei der Jagd die Rede. Auch bei der Jagd im Meleranz sind drei Warten mit Hunden aufgestellt. Man ließ nämlich nicht von Anfang an die ganze Meute, sondern immer nur einen Teil derselben auf den Hirsch (oder anderes Wild) los, da die Hunde nicht ausdauernd genug waren, um ihn mattzuhetzen und nach einiger Zeit der Ablösung durch frischgebliebenes Material bedurften. So wurde ein Teil der Meute auf die Warten gegeben und später angehetzt, wenn der Hirsch gerade vorüberflüchtete.

Wenn ein hoher Herr „über Land“ jagte, dann legte die vorsichtige Jägerei Windhundwarten weit hinaus auf Feld, die auf den halb mattgehetzten Hirsch (oder anderes Wild) losgelassen wurden und ihn in der Regel bald stellten. War das Revier von einem Fluß begrenzt, so wurden auch Schiffswarten aufgestellt. Die Meute bestand aus wenigstens 12 Laufhunden und einem Leithund. Im Nibelungenlied hat Gunther zwei Meuten, also zweimal 12 gleich 24 ruore (= Bracken) zur Verfügung. Als Siegfried gleichfalls auf die Jagd reiten will, schlägt ihm Hagen vor, das Jagdpersonal und die Hunde zu teilen. Da nimmt Siegfried wohl das Personal an, verzichtet aber auf die Meute und bittet sich nur den Leithund aus. Im Meleranz besteht die Meute aus 13 ruorhunden und diese ziehen „in die ruore“, d. h. auf die Jagd, und im Weistum des bei Trier gelegenen Spurkenburger Waldes heißt es, der Förster soll zweimal im Jahre den Vogt und einen Ritter nebst Knechten und einen Jäger mit 12 Hunden und einem Leithund bei sich aufnehmen. In der Meute wurden junge Hunde mit den alten gemischt, damit sie von diesen angelernt würden. Namentlich auf gute Leithunde wurde großer Wert gelegt, da die Vorsuche sehr wichtig war. Ja, in Frankreich verlangte jeder Seigneur vor der Jagd einen Bericht über Beschaffenheit, Alter und Geweihstärke des zu jagenden Hirsches. Die deutschen Fürsten waren in ihren Ansprüchen bescheidener, und sie mußten es sein, weil sie selbst nicht die Voraussetzungen einer guten Vorsuche erfüllen konnten und nicht immer im Besitz eines guten Leithundes waren. So treffen wir in zahlreichen Briefen von deutschen Fürstlichkeiten des 15. Jahrhunderts Bitten um gute Leithunde.

Aus diesem Überlandjagen hat sich zuerst in Frankreich die klassische Parforcejagd — à force de chiens — entwickelt, welche uns fertig zum erstenmal in dem vermutlich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfaßten Gedicht la chasse du cerf entgegentritt. Darin wird ein wissensdurstiger Laie über diese Jagdart von einem Jäger unterrichtet. Sie erscheint dort ums Jahr 1200 fertig ausgebildet, war bei der im 14. Jahrhundert zuerst auftretenden jagdlichen Literatur in Prosa auf der Höhe, auf welcher sie sich bis ins 16. Jahrhundert hinein hielt. Nach der Angabe des Roy Modus jagte man zehn Arten Wild à force. Von diesen waren fünf rot: Edelhirsch, Hinde, Damwild, Reh, Hase, und fünf schwarz: Wildsau, Bache, Wolf, Fuchs und Fischotter. Es galt aber für ebenso weidgerecht, das schwarze Wild im Netz zu fangen. Jagdbar hieß der Hirsch, wenn er ein Geweih von wenigstens 10 Enden trug. Die Fußspur eines solchen, die einen längeren Tritt und breitere Ballen als die einer Hinde hat, wird, wenn möglich, von dem am Riemen vom Jäger geführten Leithund in der Morgenfrühe des zur Jagd bestimmten Tages ausgemacht. Findet der Jäger auch noch die Losung (Kot) eines solchen, so tut er dieselbe in sein Horn, um sie als Wahrzeichen zur Versammlung mitzunehmen und dort vorzulegen. In der Hand darf er sie nicht tragen, weil sie dabei die charakteristische Form verlieren würde. Ist der Hirsch durch Verfolgung der Fährten bis zu feinem vermutlichen Lager ausgemacht, so erhält der inzwischen mit der Jagdgesellschaft am Versammlungsorte eingetroffene Grundherr davon Bericht durch die Besuchknechte. Die an gedeckten Tischen sich an kalter Küche und Wein zum bevorstehenden Jagdritt erfrischende Gesellschaft läßt auch die Besuchknechte sich sättigen und durch einen Trunk laben; dann bricht sie auf, nachdem inzwischen die Warten dort aufgestellt sind, wohin der ausgemachte Hirsch nicht flüchten sollte. Besonders gefährdete Stellen, wie die Ufer breiter Ströme, in die sich der geängstigte Hirsch gern flüchtet, wurden mit Vorliebe durch Windhunde gesichert. Auch waren zuvor die Relaishunde verteilt, die dem flüchtig vorbeieilenden Wild nachjagen sollten.

Der Seigneur erhebt sich zum Zeichen des Aufbruchs, die Jäger steigen zu Pferd und die Jagdgesellschaft folgt dem Besuchknecht, der den Hirsch bestätigt hat, zu der Stelle, da dieser am Morgen die Fährte verließ. Die Gesellschaft bleibt im Hochwald vor der Dichtung, in der sich der Hirsch befinden muß, halten, während der Besuchknecht seinem Leithund auf der Fährte folgt, bis er ihn zum Lager des Hirsches geführt hat. Ist dieses noch warm, als Zeichen dafür, daß der Hirsch es eben verlassen hat, so gebärdet sich der Leithund wie toll an der Leine und gibt freudig laut. Durch Hornsignal wird nun die Meute mit den Jägern avisiert und unter lautem Gebell beginnt das Jagen. Besonders nach dem Lautgeben oder Schweigen der alten Hunde wird beurteilt, ob man bei der Verfolgung des flüchtig gewordenen Hirsches auf richtiger Fährte ist oder nicht. Signale und Rufe leiten die Teilnehmer nach der jeweiligen Richtung der Flucht des Hirsches, bis dieser, der vergeblich alle Schliche und Finten anwandte, endlich vom weiten Laufe erschöpft und um sein Leben bangend von den Hunden gestellt und dann vom herbeigeeilten Jagdherrn durch einen Stich ins Herz abgetan wird. Sein Tod wird von allen Jägern durch das Signal „Hirsch tot“ verkündigt. Hierauf wird ihm das Fell abgezogen und sein Körper zerlegt und verteilt, wobei auch die Hunde ihren Anteil an den Eingeweiden erhalten.

In ähnlicher Weise wurde mit den nötigen Abänderungen das übrige Wild par force gejagt, wobei sich ein ganz bestimmtes Zeremoniell, auf das wir nicht eintreten können, herausbildete. Besonders an Wildsauen wurde eine Massenschlächterei ohnegleichen vollzogen, da solche damals noch sehr zahlreich vorhanden waren und wegen ihrer Schädlichkeit für den Landbau rücksichtslos verfolgt wurden. So schrieb z. B. Kurfürst Albrecht von Brandenburg 1480 an seinen Sohn: „Wir haben beiläufftig 30 und 100 swein ‚gefangen‘. Und ist noch Swein und ander Wildpert, gott seis gelobt, genug hie außen und gutter frid: gott geb’ lang!“ Vierzehn Tage darauf meldete er ihm abermals, er habe „32 und 100 swein“ gefangen; es seien aber 200 da. Der französische Verfasser des Roy Modus hält das Treiben des Wildes zu den Netzen für die beste Jagdart und das schönste Vergnügen mit Hunden, dem sich die großen Grundbesitzer auch häufig hingaben. Der Graf von Foix dagegen erklärt diese Netzjagd nicht für ritterlich, ebenso verurteilen sie verschiedene deutsche und englische Autoren, die sich darüber äußerten. Nicht auf die Beute komme es an, sondern auf die Art, sie kunstgerecht zu erjagen. Auch Treibjagden wurden von den großen Herren veranstaltet, indem die hörigen Bauern Treiberdienste leisten mußten und das Wild mit großem Lärm gegen die mit grünem Laub verkleideten Stände mit den vornehmen Jägern trieben, die es mit der Armbrust und später mit der Büchse erlegten. Zuerst wurde das kleine Wild durch Harriers genannte kleine Hunde rege gemacht und dann erst das Rotwild durch Hirschhunde gehetzt. Um das Wild zwangläufig zu führen, waren außer den den Wald umstellenden Warten mit Windhunden auch solche im Treiben aufgestellt. Je näher zu den Ständen, um so dichter standen sie. Eine der ältesten Mitteilungen über die Treibjagd finden wir in der am Ausgang des 12. Jahrhunderts gedichteten Eneide des Heinrich von Veldecke. Darin wird von Askanius eine Treibjagd in der Weise ausgeübt, daß Schützen mit Pfeil und Bogen sich vor die Bäume stellen und sich Wild zutreiben lassen. Auf die Fährte des verwundeten Hirsches wurden dann die Hunde gehetzt.

Bild 56. Die Abrichtung des Jagdfalken durch den Falkner.
An der Wand befindet sich ein Federspiel. (Holzschnitt von Jost Ammann in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)

Gern birschte sich der Einzeljäger in die grüne Farbe des Waldes gekleidet gegen den Wind, den Bogen in der Hand, Schritt für Schritt an das Wild heran. Dazu benutzte er entweder natürliche Deckungen oder künstliche, indem er einen Schirm aus grünen Zweigen oder ein Schild mit aufgemalten Ochsen vor sich hielt. Nach dem Schuß ließ man das getroffene Tier durch Bluthunde verfolgen. Für solche Jagd empfiehlt Roy Modus einen leichten und biegsamen Bogen zu verwenden, den der Schütze längere Zeit gespannt halten konnte, während er sich dem Wilde näherte.

Bild 57. Reiherbeize mit dem Falken und dem Windspiel.
Im Hintergrunde Hasenjagd mit Laufhunden. (Holzschnitt von Jost Ammann in „Das Neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)

Neben diesen Jagdarten spielte die von alters her geübte Beize mit dem Jagdfalken das ganze Mittelalter hindurch eine sehr große Rolle. Man schrieb damals die Einführung dieser Jagdart fälschlicherweise dem sagenhaften König Dankus von Armenien zu. Tatsache ist, daß sie allerdings durch die Kreuzzüge mancherlei Beeinflussung aus dem Orient, wo sie ebenfalls mit großer Leidenschaft ausgeübt wurde, erfuhr, besonders von seiten des im 10. Jahrhundert lebenden Arabers Mohammed Tarkani, der ein verbreitetes Buch über die Jagd mit dem Falken schrieb. Unabhängig von ihm schrieb der gelehrte Albertus Magnus (als Graf von Bollstädt 1193 zu Lauingen in Schwaben geboren, wurde Dominikaner und starb, nachdem er Bischof von Regensburg gewesen, 1280 in Köln) und fast gleichzeitig Kaiser Friedrich II., der Enkel Friedrichs I. Barbarossas (1194–1250), eine allerdings erst im Jahre 1596 in Augsburg gedruckte Abhandlung über das Federspiel. Das Buch des von einer sizilianischen Mutter geborenen und mit Vorliebe in Palermo residierenden Fürsten, der zahlreiche Beziehungen zu den Arabern unterhielt und selbst einen Harem besaß, handelt eigentlich nur von der Zähmung des Falken und nicht von der Jagd mit ihm, obschon es den Titel trägt: de arte venandi cum avibus (über die Kunst mit Vögeln zu jagen). Dieser Fürst war selbst ausübender Falkenjäger und ließ zu seiner Belehrung vor der Abfassung des Buches über die Falknerei Falkner aus dem Oriente kommen, wo die Kunst mit dem Falken zu jagen in hoher Blüte stand. Auch in Byzanz war die Falkenbeize ein beliebtes Vergnügen der großen Herren. Dort schrieb Demetrios, wahrscheinlich Arzt des griechischen Kaisers Michael Palaeologus, in griechischer Sprache ein Buch über Falknerei, das im Jahre 1612 ins Französische übersetzt in Paris gedruckt wurde.

Zur Kreuzfahrerzeit und später kamen die gesuchtesten Jagdfalken aus Island und Norwegen und wurden neben den von unsern Altvordern von jeher gezähmten Habichtarten, dem Hühnerhabicht und Sperber, als sehr geschätzte Jagdgehilfen gehalten. Diese hellfarbigen nordischen Falken waren auch bei den vorderasiatischen Völkern die gesuchtesten. So schlug Sultan Bajazet I., nachdem er am 28. September 1396 bei Nikopolis das abendländische Kreuzheer unter König Siegmund besiegt hatte, alles Lösegeld aus, das ihm für die dabei gefangen genommenen Herzog von Nemours und zahlreiche andere französische Edelleute angeboten wurde, gab sie aber sofort frei, als ihm statt des Geldes zwölf weiße isländische, zur Beize abgerichtete Falken vom Herzog von Burgund geschickt wurden. Und Philipp August, König von Frankreich, dem bei der Belagerung von Akkon ein prächtiger weißer Falke wegflog, bot den Türken für dessen Rückgabe vergeblich 1000 Goldstücke.

Wie gute Jagdhunde waren abgerichtete Falken das ganze Mittelalter hindurch die beliebtesten Geschenke zwischen hohen Herren. Namentlich war Preußen eine dankbare Quelle für Falken. So sandte der Hochmeister Heinrich von Richtenberg im Dezember 1471 acht Falken an den Kurfürsten Albrecht von Sachsen, und Albrecht von Brandenburg machte Maria, der Katholischen, ein ähnliches Geschenk. Lange Zeit übte die dänische Regierung den Brauch, alljährlich eine Anzahl Falken durch ein besonderes Schiff aus dem Norden holen zu lassen und sie geschenkweise an die europäischen Fürsten zu verteilen. Brabanter Kaufleute brachten Falken aus dem Norden nach Frankreich und Spanien. Im Weißkunig wird von Kaiser Maximilian gesagt, er habe Falken gehabt aus der Tartarei, aus der Heidenschaft, aus Rußland, Preußen und von der Insel Rhodus. Lopez von Ayala, kastilischer Gesandter bei Karl V. und Karl VI., erzählt, daß der Preis eines Falken mit hohem Flug 40 Franken in Gold und derjenige eines speziell auf den Reiher abgerichteten Falken 60 Goldfranken betrug. Das sind nach unserem Gelde 472 und 708 Mark, also in Berücksichtigung des damaligen hohen Geldwertes ganz anständige Preise.

Eingehend wird die Abrichtung des meist aus dem Horst genommenen und in einem künstlichen Horst mit rohem Fleisch, Käse, Eiern und Milch aufgezogenen jungen Falken geschildert. Der Akt der Zähmung ging in der Weise vor sich, daß ihm die Klauen geschnitten und die Fangschuhe aus leichten Riemen mit einer kleinen Schelle, bei deren Klang man später den Falken leichter wieder zu finden vermochte, angelegt wurden, damit er auf der Faust gehalten werden konnte. Durch Blenden mit losem Zusammennähen der Augenlider und Hungernlassen, wobei sie 24 Stunden in einen dunkeln, stillen Raum auf der durch einen dicken Handschuh aus Hirschleder geschützten Faust umhergetragen wurden — dabei löste ein Falkner den andern ab — wurden die Tiere abgemattet und zunichte gemacht. Gern sah man, wenn die übermüdeten Vögel während des Umhertragens einschliefen, denn gerade das Schlafen auf der Faust machte nach Roy Modus den Falken vertraut. Nach dieser Frist bekam der Vogel zu „ätzen“, d. h. zu fressen, und zwar stets auf der Faust. Einige Tage später trug man ihn an hellere, belebtere Orte und lockerte allmählich den Faden, mit dem die Augenlider zusammengenäht waren, daß er etwas zu sehen vermochte; schließlich zog man ihn ganz heraus. War der Vogel im Hause zahm geworden, so trug man ihn ins Freie und gewöhnte ihn an Hund und Pferd. Wenn der Falkner das erstemal mit dem Vogel das Pferd bestieg, um auszureiten, hatte er gern einen leichten Regen, weil der Vogel dann weniger unruhig war. Dann bekam der Falke in stiller Gegend auf einem Federspiel genannten, mit Leder überzogenen Stiel, an dem flatternde Bänder und Vogelschwingen befestigt waren, zu fressen. Er wurde nun daran gewöhnt, auf diesem gefüttert zu werden; dadurch gelang es, ihn herbeizulocken, wenn er verflogen war, indem man ihm den Federspiel zeigte und die Bänder im Winde flattern ließ. Das erweckte in dem hungrigen Tiere das Bewußtsein, er werde dort zu fressen bekommen, und kam herbei, um sich daraufzusetzen. Deshalb mußte der Falke stets hungrig sein, wenn es zur Jagd ging, sonst riskierte der Falkner, daß er nicht wiederkam.

War der Falke so weit zahm, daß er auf den Ruf herbeigeflogen kam, ruhig auf der Hand stand und darauf fraß, so begann man damit, ihm lebenden Raub zu zeigen. Meist benutzte man dazu Tauben, denen man die meisten Schwungfedern ausgerissen hatte, so daß sie mehr flatterten als flogen, so daß sie vom Falken leicht zu schlagen waren. Dann durfte der Falke von der Taube fressen. Später nahm man sie ihm ab und bot ihm dafür das Ziget oder den kalten Flügel. Die ersten Stoßübungen machte der Falke an einer langen Schnur, und erst wenn der Falkner des Vogels sicher zu sein glaubte, wurde ihm die Fessel abgenommen. Nach und nach brachte man den Vogel an größeres Wild und allmählich lernte er Enten, Gänse, Fasanen, Hasen, Trappen, Weiher, Kraniche und Reiher schlagen.

In zahlreichen mittelalterlichen Gedichten ist vom Falken die Rede; denn damals war die Reiherbeize das Hauptvergnügen der großen Herren weltlichen und geistlichen Standes. Überallhin, selbst zur Messe nahmen sie wie ihren Hund, so auch den Falken mit sich. Die Beize konnte nur bei gutem Wetter und am besten im Herbst geübt werden, da die Falken im Frühjahr mauserten und dann äußerst empfindlich waren, im Winter aber durch den Schnee geblendet wurden. In der Zeit der Hohenstaufen war der Gebrauch der Lederhaube durch die Araber aufgekommen und wurde an Stelle der Blendung durch Zusammennähen der Augenlider nicht nur bei der Dressur, sondern auch später zu Hause und unterwegs öfter aufgesetzt, um das Tier ruhig zu halten. Der Falke wurde vom Jäger oder der Jägerin in der Weise auf der behandschuhten rechten Hand gehalten, daß er mit den Fängen zwischen das Handgelenk und die gebogenen Finger griff. Nie durfte die Schelle erklingen, wenn der Vogel richtig getragen wurde. Die Fessel war um den kleinen Finger geschlungen; an ihr wurde der Falke gehalten. Beim Ausritt mußte der Falke stets gegen den Wind gerichtet sein und erst wenn er jagen sollte, nahm man ihm die Haube ab. Eine solche Falkenbeize erforderte sichere Pferde, die kein Hindernis scheuten, da man beim Dahinsausen in Verfolgung des von den Stöberhunden aufgescheuchten Reihers die Augen mehr gegen den Himmel zur Beobachtung der interessanten Flugkünste von Raubvogel und Wild, als auf die Erde richtete und deshalb leicht stürzte. Besonders war dies bei den in Seitensitz reitenden Damen der Fall, die im Mittelalter das rechte Bein nicht um das Sattelhorn gelegt hatten, sondern seitwärts im Sattel saßen, die Füße auf ein Brett gestellt. Da konnte denn freilich der Halt kein sicherer sein. Auf einer Reiherbeize verunglückte denn auch durch einen Sturz vom Pferd am 27. März 1482, erst 25jährig, die immens reiche Tochter und Erbin Herzogs Karl des Kühnen von Burgund, seit 1471 die Gemahlin des Erzherzogs Maximilian von Österreich, des späteren Kaisers Maximilian I., dem sie zwei Kinder, Philipp den Schönen und Margarete, geboren hatte. Auch Maximilians zweite Gemahlin verunglückte auf einer solchen Jagd durch Sturz vom Pferde.

In Frankreich wurde die Beize auch vom Mittelstand geübt. Ritter, Domherren, Bürger und Junker taten sich zusammen und ließen ihre Falken und Sperber auf Rebhühner und Lerchen fliegen. Der Anblick des zu Tode gehetzten Wildes bot diesen noch wenig feinfühligen Menschen die schönste Augenweide und war ihre höchste Lust. In Tirol war schon seit dem Jahre 1414 dem Adel verboten, Fasanen und Rebhühner auf eine andere Art zu fangen als mit dem Federspiel. Kaiser Maximilian I. hat dann die Reiherbeize in den österreichischen Erblanden neu belebt und an vielen Orten auch Enten, zum Teil unter Aufwendung von erheblichen Kosten, als Jagdwild hegen lassen. Auch auf seinen Reisen und Feldzügen übte er die Jagd und das Beizen aus, ersteres am Vormittag und letzteres am Abend. Allgemein wurde die abendliche Beize bevorzugt, weil dann der Falke den größten Hunger hatte und die geringste Neigung zeigte, sich zu verfliegen.

Bild 58. Jäger mit Hund und Jagdfalk.
(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)

Noch im späteren Mittelalter wurde gezähmtes Edelwild gelegentlich zur Jagd gebraucht, ebenso war der Fang vermittelst Antrieb gegen mitten im Wald errichtete künstliche grüne Hecken beliebt, die im Zickzack verliefen und an den offenen Winkelspitzen Netze in Beutelform aufwiesen, in denen sich das hier auszubrechen versuchende Wild fangen mußte, während die einspringenden Winkel durch Reisig geschlossen wurden. War das Tier wie eine Fliege im Netz gefangen, so eilten die in der Nähe versteckten Wachen herbei, um es zu töten. Dieses Jagen mit hag war ebenso bequem als ergebnisreich, wenn es gelang ein Rudel Wild dagegen zu treiben. Nach und nach wurden die feststehenden Hecken durch die beweglichen Netze und hohen Tücher verdrängt, denen schon Roy Modus und Foix im 13. Jahrhundert den Vorzug gaben. Ein Hauptgrund für die Aufgabe der Hecken war auch die Wilderei, der dadurch Vorschub geleistet wurde.

Außer in solchen Hecken wurde das Wild wie früher auch in Fallgruben gefangen. Diese waren unten weiter als oben und mit Zweigen verdeckt. Von der Fallgrube gingen zwei oder vier Hecken in schräger Richtung ab, welche das nahende Wild zwangläufig nach der Grube führten, in die es hineinstürzen mußte. Die Gruben für Schwarzwild und Raubzeug wurden im Walde, die für Rotwild dagegen im Freien angelegt. Auch Fallen und Schlingen wurden noch gelegt, besonders für die kleineren Tiere und Vögel. Letztere wurden außerdem auch mit Netzen und Leimruten gefangen, wobei allerlei Lockvögel zu Hilfe genommen wurden. Habichte und Falken köderte man mit einem Huhn und fing sie in Schlingen. Sperber dagegen lockte man durch einen andern Sperber, der in einem Bauer saß. Auch solche ältere Vögel wurden zur Jagd abgerichtet. Wenn sie dabei dem Falkner auch mehr zu schaffen gaben als die jungen, aus dem Nest genommenen Vögel, so lohnten sie andererseits die vermehrte Mühe durch größere Kühnheit und waren daher sehr beliebt.

Bären und Wölfe wurden mit Selbstschüssen zu erlegen versucht; man fing sie auch in der Schlinge und in Schlagfallen und jagte sie mit Spürhunden vielfach in mit Netzen eingehegten Revieren. Die noch immer zahlreichen Wölfe suchte man in Fallgruben und an Luderplätzen mit vergiftetem Fleisch unschädlich zu machen. In ähnlicher Weise wurde den Füchsen nachgestellt, die im Altfranzösischen gupil und erst später renard — wohl eine Nachbildung von Reinecke — genannt wurden. Die Fischotter wurden wegen des Schadens, den sie in den Fischteichen anrichteten und wegen des gesuchten Pelzwerks, das nach Albertus Magnus zur Verbrämung anderer Pelzarten gebraucht wurde, in Schlingen, Netzen und Fallen gefangen oder mit Spürhunden gejagt. Ihr Fleisch galt wie das des Bibers als Fastenspeise und wurde als solche in den Klöstern gern gegessen.

Bild 59. Hetzjagd auf Wölfe mit Netzen. (Holzschnitt von Jost Ammann 1582.)

Wie das Rotwild wurden auch die Gemsen von Kaiser Maximilian I., den man gern als letzten Ritter bezeichnet, durch Treiber mit Hunden zu Tal gehetzt und an Engpässen in Netzen gefangen oder durch Hecken und Netze zwangläufig vor die Armbrust oder den Wurfspieß des hohen Jägers und seiner Gäste geführt. Der Kaiser erzählt selbst im Weißkunig durch die Feder seines Hofschreibers, M. Treizsaurwein, daß er im Tal Smyeren in Tirol eine Jagd hatte, bei der 600 bis 1000 Gemsen ins Jagen kamen, und daß einmal 183 Stück gefangen worden seien. Als erster hat er seinen Untertanen gegenüber behauptet, ohne es allerdings beweisen zu können, daß die Jagden „Kaiserliche Regalia“ seien. Nur er wollte die Jagd in seinen Erblanden, die durch Fälschung von Freiheitsbriefen von den Habsburgern zu einem selbständigen Herzogtum gemacht worden waren, ausüben und bestrafte jeden Jagdfrevel der Bauern, die gerade in Tirol auf ihr altangestammtes Recht der Jagd pochten, aufs strengste, ja nicht selten mit den Tode. So ließ er auch den Bauern Mathäus Sailler von Zirl, der unbefugt auf der Pirsch angetroffen wurde, kurzerhand an den Galgen hängen. Schon im Jahre 1414 war in Tirol verordnet worden, daß niemand ohne landesfürstliche Erlaubnis Hirsche, Rehe, Bären, Gemsen oder graue Hasen jagen oder fangen dürfe; ausgenommen war der Adel, der auf seinen Besitzungen die Jagd behielt. Schon auf dem Landtage zu Bozen im Herbst des Jahres 1478 klagten die beim Jagdvergnügen der Herren zur Fron gezwungenen Bauern über Wildschaden. Aber es wurde ihnen versagt, sich dagegen selbst zu helfen. Erst bei Maximilians Tode am 12. Januar 1519 in Wels ließ sich der lange verhaltene Grimm der Bauern nicht mehr dämpfen und sie begannen alsbald einen rücksichtslosen Vernichtungskrieg gegen alles Wild, das der Kaiser für seine Jagden in den Tiroler Bergen gehegt hatte.

Das ganze Mittelalter hindurch wurde keinerlei Schonzeit für das Wild gehalten und mit Vorliebe wurden auch trächtige Tiere gejagt. So findet es der Verfasser des Roy Modus sehr unterhaltend, die säugende Hinde zu hetzen. Am besten jagt man nach seiner Auffassung das Tier, wenn es hochträchtig ist, wegen der schönen Jahreszeit im Mai und Juni. Ist aber das Hirschkalb schon gesetzt, dann kehrt die Mutter auf der Flucht oft zu ihm zurück, wenn es nicht rasch genug folgen kann, und wagt nicht, es zu verlassen. Solches zu beobachten gewähre ein besonderes Vergnügen. Zuweilen sei das Tier mit Kalb feister als ein geltes Tier. „Findest du also ein Tier mit Kalb, gib dir Mühe, es mit dem Leithund zu bestätigen und laß die Hunde danach jagen.“ Führwahr, Mitleid kannten die Menschen jener Zeit nicht! Sie ergötzten sich an dem Anblick, wenn die vom Jagdsperber verfolgte Lerche, die bei den Menschen Schutz suchend sich unter sie warf, vom Raubvogel erwürgt wurde. Roy Modus sagt von einer solchen Schilderung: „Wenn der Sperber sie dann fängt, das ist ein köstliches Vergnügen!“ Der feingebildete Albertus Magnus, Bischof von Regensburg, sagt, daß der Gerfalke mit frischem, noch warmem Fleisch gefüttert werden müsse. Deshalb ließ man ihn vom noch lebenden Tiere fressen. Darum rissen etliche Falkner einer lebenden Henne einen Schenkel aus und am nächsten Tag den andern, um dem Falken ein schmackhaftes Gericht zu bieten. Der große Albert tadelt zwar solches, aber nur deswegen, weil am zweiten Tage das Fleisch nicht mehr gut sein könne „von wegen der hitz, so der schmertz erwegt“. Die unmenschliche Grausamkeit, der solche Handlung zugrunde liegt, empfindet der fromme Graf von Bollstädt nicht als solche. Der große Weidmann Maximilian I., der sich schon als Herzog von Österreich den Rang eines Kurfürsten anmaßte und sich „des heiligen Römischen Reichs Erzjägermeister“ nannte, ließ sich mit Vorliebe das gehetzte Wild in einen See treiben, um es dort gemächlich vom Schiff aus zu töten. Einmal schoß er eine hochträchtige Hirschkuh, die alsbald nach der schweren Verwundung ein Kalb gebar, „bevor Er noch die Pluetthundt daran hat gehetzt“, wie er uns selbst in seinem geheimen Jagdbuch erzählt. Das Wort Edelmann, das damals von solch großer Bedeutung war, kommt vom angelsächsischen ead oder ed, dem altdeutschen ôd Besitz und heißt nur der (an Grundbesitz) reiche Mann; mit edler Gesinnung und Edelmut hatte es durchaus noch nichts zu tun. Solcher Erwerb ward erst einer späteren, feiner fühlenden Zeit vorbehalten, die nicht mehr unter Umständen ein Menschenleben geringer achtete als dasjenige eines aus purem Egoismus gehegten Wildes. Derselbe fürstliche Kerl, den sein Leibeigener, der rechtlose Bauer, mit seinen zahlreichen Dienern und der oft hunderte von Hunden umfassenden Meute ohne Entgelt füttern mußte, hing ihn kurzerhand an den Galgen, wenn er sich dessen weigerte, und niemandem hatte er ob solcher Schurkerei Rechenschaft abzulegen.

Was diese Edelleute im Mittelalter an dem ihnen untergebenen rechtlosen gemeinen Volke gesündigt haben, ist zu bekannt, als daß hier weiter darauf eingegangen werden mußte. Der fromme Cyriacus Spangenberg sagt in seinem 1561 erschienenen Jagdteuffel: das Sprichwort sage, ein Edelmann solle vor dem 60. Jahr nicht wissen, daß er eine Seele und ein Gewissen habe, sonst könne er nicht zu Geld kommen. Die Jagd wurde immer mehr zu einem Hoheitsrechte, die der Landesfürst allein sollte ausüben dürfen. Der Grundbesitz des Landesherrn umfaßte außer dem allodium, dem ererbten Familienbesitz, und dem beneficium, den Bodenflächen, mit denen ihn einst der Kaiser belehnt hatte, noch allerlei eingezogene Güter. Auf diesen übte er allein die Jagd aus, wie auch in den Bannwäldern, die sein Haus sich mit der Zeit zu verschaffen gewußt hatte. Beständig suchte die fürstliche Jägerei ihre Rechte zu erweitern und auf alle Reviere auszudehnen, in denen noch ein Rudel Wild stehen konnte. Schon im Jahre 1499 beschwerte sich beispielsweise die Ritterschaft in Landshut, daß die fürstliche Jägerei auf den Lehen die hohe Jagd ausübe und auch mit der kleinen Jagd sich viel zu schaffen mache. Im Jahre 1516 wurde zwar Prälaten, Edelleuten und den Geschlechtern in den Städten, „da sy es von alter hergebracht haben“, die Jagd auf Rehe, Wildschweine und Bären eingeräumt sowie die Niederjagd ausdrücklich zugewiesen, aber das Hochwild behielt sich der Herzog selber vor. Er setzte damit den tatsächlich schon vorher bestehenden Unterschied zwischen hoher und niederer Jagd gesetzlich fest. Und die von ihm angestellten Pfarrer mußten von der Kanzel herab dem Volke verkünden, daß die Jagd allein der hohen Obrigkeit gebühre, die Luther als von Gott eingesetzt und deshalb schon an sich göttlich, d. h. gottähnlich, bezeichnet hatte.

Je mehr die großen Grundbesitzer in ihrer Eigenschaft als Landesherren erstarkten, um so despotischer traten sie auf, um so weniger nahmen sie Rücksicht auf das Wohl ihrer Untertanen. Sie dehnten den Wildstand möglichst aus, um so ausgiebig wie möglich dem Jagdvergnügen zu frönen und die Jagdküche stets reichlich mit Wildbret zu versehen. Mochte dabei auch das Wild die Äcker der Untertanen verwüsten und oft in einer einzigen Nacht die Früchte von des Bauern vielmonatlichem Fleiß vernichten. Es war ihm nicht einmal erlaubt, auf eigene Kosten seine Felder gegen die Verwüstungen von seiten des herrschaftlichen Wildes zu schützen, indem ihm die Errichtung von Zäunen untersagt war. Erst wenn er nachweisen konnte, daß seine Hufe von Urväter Zeiten her eingezäunt waren, wurden ihm solche erlaubt. Aber diese mußten so niedrig sein, daß das Hochwild darübersetzen konnte, so daß also auch sie keinen Schutz der Flur gewährten.

Wenn irgendwo von einem Herrn ein Wildstand herangezüchtet werden sollte, so nannte man das „ins Gehege legen“, weil man einst im Mittelalter die Bannforste durch eine Hecke einzuschließen pflegte, damit das Wild nicht auswechsle. Mit dem Erstarken der fürstlichen Macht, die niemand außer sich selbst zu jagen gestattete, hielt man die Einhegung nicht mehr für erforderlich, da die Untertanen ja doch kein Wild erlegen durften und es dem Landesherrn willkommen war, wenn es auf den dem Wald benachbarten Feldern Äsung suchte; dann brauchte er es nicht zu füttern und sparte sein Geld. Die Besitzer der vom Fürsten ins Gehege gelegten Felder durften diese nicht bebauen, wie sie wollten, die Wiesen nicht abmähen und kein Vieh auf sie treiben, ja in der Satzzeit sie nicht einmal betreten. Half sich etwa ein Bauer selbst gegen den ihm zugemuteten Wildschaden oder ließ er es sich gar in den Sinn kommen zu wildern, so wurde er aufs grausamste an Leib und Gut bestraft. Wie der bereits erwähnte Cyriakus Spangenberg 1561 schreibt, wurden „etlichen unterthanen umb eines Hasen willen die Augen ausgestochen, hende oder füsse abgehauen, nasen und ohren abgeschnitten und dergleichen unmenschlichkeiten an inen begangen. Aber es wolt lang werden, solch’s alles zu erzehlen.“ Und der Konsistorialrat M. Rebhan in Eisenach meint: „Wie mancher Fürst oder Edelmann straffet denjenigen härter, der ein Wild umbbracht, als der einen Menschen ermordet hat.“ Im Jahre 1537 entkam dem Erzbischof Michael von Salzburg ein angeschossener Hirsch und flüchtete sich in das Kornfeld eines Bauern, wo er verendete. Statt ihn an seinen Herrn abzuliefern, behielt ihn der Bauer, der arm war und viele Kinder zu ernähren hatte. Als der Erzbischof davon erfuhr, ließ er den Mann sofort fesseln und ins Gefängnis abführen und befahl seinem Richter, Gericht über ihn zu halten und ihn zum Tode zu verurteilen. Da aber der Richter, der menschlich mit dem armen Manne fühlte, das Todesurteil nicht fällen wollte, ließ der Erzbischof den Bauern stracks in das Fell des vorgefundenen und verzehrten Hirsches nähen und ihn dann vor allem Volk auf dem Marktplatz von seinen englischen Doggen zerfleischen und zerreißen, wobei er selbst ins Jägerhorn stieß und sich am Anblick der Qualen des armen Mannes ergötzte. Gehängt und gevierteilt werden war sonst die gewöhnliche Strafe für Jagdfrevel. Nur adelige Wilderer kamen mit sehr hohen Geldstrafen davon. Natürlich hatten die Bauern dem Herrn schwer zu fronen und ohne Entschädigung nicht nur die Jagdangestellten, sondern auch deren Pferde und die große Hundemeute zu füttern und Treiberdienste bei der Jagd zu tun, wobei ihnen in der grimmigen Winterkälte oft genug die Zehen erfroren. Nach Wagner war im Herzogtum Württemberg die Jägerei die Hälfte des Jahres unterwegs in einer Zahl von 30–40 Mann mit ebensoviel Pferden und einem Heer von Hunden, das sich auf 600 bis 800 Stück belief. Dieser Schwarm legte sich mit Vorliebe in die Klöster, wo solche noch vorhanden waren, oder auf die großen Gutshöfe, aus dem einzigen Grunde, weil er sich da besser aufgehoben wußte als bei den Bauern, die selber nichts zu beißen hatten und eben für gut genug geachtet wurden, die Hunde für den Herrn aufzuziehen. Dabei waren diese herrschaftlichen Jagdangestellten durchaus nicht bescheiden in ihren Ansprüchen und erzwangen sich oft unter Anwendung von Gewalt eine bessere Bewirtung. So hatte zwar die Württembergische Jagdordnung bestimmt, daß die Jäger des Morgens eine Suppe und Brot und des Mittags wie des Abends vier Gerichte, dazu an Wein 11⁄4 bis 2 Maß pro Mann, der Herr Windmeister aber 5 Maß erhalten sollten; als aber diese Jagdbediensteten im Kloster Bebenhausen 1607 nur ein Vorgericht, dann Suppe und Fleisch mit süßen Kirschen und Äpfelschnitzen, nachher gesalzenes Fleisch und Bratwurst und zum Nachtisch Käse aus Münster, Lebkuchen aus Nürnberg und frisches Obst in Form von Äpfeln und Birnen zu essen bekamen, beklagten sie sich schwer bei ihrem Herrn und bekamen in der Folge auch Recht. Künftighin mußten sie besser bewirtet werden.

Ursprünglich hatte der Königsdienst die Pflicht der Herberge und Speisung des Gebieters mit seinem ganzen Anhang und Troß mit umfaßt, weil noch keine Gasthäuser vorhanden waren. Diese Königsrechte gingen dann auf die Stellvertreter, die Grafen, und in der Folge auf die Landesherren über, die sich das Recht anmaßten, die Leistungen der Untertanen selbst zu regeln. Auch alle Steuern gingen einst aus dem alten Königsdienst hervor und hafteten ursprünglich auf dem Boden und nicht auf der Person. Erst im 15. Jahrhundert fingen die Landesherren an, die Steuer auf die fahrende Habe umzulegen. Mit dem Recht der Steuer übernahmen sie zugleich auch das am Boden haftende Recht der Atzung und Herberge, das sie dann auf ihr Jagdbedientenpersonal übertrugen. In Hessen-Kassel ward 1681 noch bestimmt, daß die Städte und Dörfer, welche durch die Jagden berührt wurden, für das gesamte Jagddienstpersonal und deren Pferde sorgen sollten. Erst als diese Gastlichkeit infolge der Begehrlichkeit des Jagdbedienstetenpersonals zur wahren Landplage wurde, entschloß man sich im 17. Jahrhundert zur Ablösung derselben durch eine jährliche Zahlung, die beispielsweise für das Stift Kaufungen seit 1629 500 Taler betrug.

Tafel 63.

Reste einer Reihe alternierender, im anstehenden Kreidekalk ausgehauener Wildfanggruben der Solutréenzeit bei Laugerie haute in der Dordogne (Südfrankreich). (Eigene Aufnahme des Verfassers, der in der vordersten steht, um die noch jetzt vorhandene Tiefe derselben zu zeigen.)

Fürstliche Wasserjagd im 18. Jahrhundert. Nach einem Stich von J. E. Ridinger (1695–1767).

Tafel 64.

Hirschjagd mit Leithunden. Nach einem Stich von J. E. Ridinger (1695–1767).

Vogeljagd mit Leimruten und Lockvogel. Nach einem Stich von J. E. Ridinger (1695–1767).

Aus reinem Egoismus und nicht aus moralischen Bedenken kam es im 16. Jahrhundert an den aufgeklärteren Höfen zur Aufstellung einer Schonzeit, wenigstens so lange das Wild minderwertig war. So kamen 1521 Hessen und Henneberg mit unter den ersten überein, die Jagd auf Rotwild „in der Kalbung“ ruhen zu lassen, und diese Einschränkung wurde zehn Jahre später auf die Zeit von Anfang März bis Anfang Juli erweitert. Für Mecklenburg ward 1562 eine geschlossene Jagdzeit festgesetzt und bald folgten ihm darin auch andere Staaten. Aber erst im 17. Jahrhundert gelangte man allgemein zur gesetzlichen Aufstellung einer Schonzeit und zur moralischen Verurteilung vor allzu groben Verstößen gegen weidgerechtes Jagen, wie solches heute als selbstverständlich geübt wird. Sonst stand die Jagd auch damals noch in sittlicher Beziehung auf einer recht tiefen Stufe, wie die Herren, die sie übten, denen das täglich geübte Sichbesaufen die wichtigste Beschäftigung war. Mit den geistlichen Herren stand es auf katholischer Seite selbst nach der Reformation nicht besser als mit den weltlichen. Wie der Adel, so nahm auch die hohe Geistlichkeit noch immer Jagdfalken und Hunde mit in die Messe, so daß der Gang der gedankenlos heruntergeleierten heiligen Handlung und der eintönige Gesang der Priester vom Bellen der Hunde unterbrochen wurde. Auch die Geistlichkeit brachte die Feiertage mit Jagen zu und hatte oft mehr Jagdhunde als die weltlichen Landesherrn. Der Übermut der Herren und des von ihnen geschützten Jagdpersonals kannte keine Grenzen und erlaubte sich gegen die Bauern und deren Weiber und Kinder Eingriffe, die sich hier nicht wiedergeben lassen.

Die allgemein geübte Jagdart in Deutschland war das „Jagen am Zeug“, wobei der betreffende Bezirk so gut wie möglich umgrenzt und abgeschlossen war, um ein Entweichen des Wildes zu verhindern. Während aber im Mittelalter außer den Warten vorzugsweise lebende grüne Hecken mit Schlingen und beutelförmigen Netzen in den Durchgangsöffnungen Verwendung fanden, wurden im 16. und 17. Jahrhundert neben solchen vorzugsweise Fallnetze benutzt, die den großen Vorzug hatten, beweglich zu sein und nach Bedarf an verschiedenen Orten aufgestellt werden zu können. Nachdem der betreffende Bezirk morgens mit Berücksichtigung des Windes in aller Stille mit Fallnetzen und Wachen umstellt war, wurde die Hundemeute auf die vorher bestimmte Fährte gesetzt und die Treibjagd ging los, indem die Treiber das eingeschlossene Wild mit den hinter ihm herstürmenden Hunden den Hecken und Netzen zutrieben. Letztere schlugen als Fallnetze über dem angstvoll einen Ausweg suchenden Wilde zusammen und hielten es fest, bis die in der Nähe versteckten Warten es abstechen konnten. Die früher geübte kunstgerechte Spurjagd war jetzt ausgeschlossen. Die Hunde jagten nicht mehr nach der Nase, sondern nach den Augen und verfolgten jedes Wild, das ihnen begegnete, in gleicher Weise, so daß es innerhalb des sich gegen die scheinbar offene, tatsächlich aber mit Netzen umstellte offene Seite verengernden Treibergürtels ein wüstes Durcheinander von einzelnen bellenden, jagenden Hunden und angstvoll flüchtendem Wild gab. Die Warten waren hinter grünen Schirmen aus Laub innerhalb des Triebes vor den Fallnetzen versteckt und hetzten, sobald das flüchtende Wild auf die Netze zukam, ihre Windhunde hinter ihm her, so daß es aus Schrecken vor diesen und dem Geschrei der Warten in die Netze lief und hier alsbald abgestochen werden konnte. Um dem Grundherrn, seinen Damen und Gästen Gelegenheit zu geben, diesen kritischen Moment der Jagd zu beobachten und sich am Abstechen des wehrlosen Wildes höchst eigenhändig zu beteiligen, waren neben den Schirmen der Warten mit den Windhunden auch solche für die hohen Herrschaften errichtet. Stellte sich ein Hirsch den Hunden, so suchte man ihn zu schießen, wenn er sich nicht von der Seite her, während ihn die Hunde beschäftigten, erstechen ließ. Das getötete Wild wurde auf der Stelle zerlegt, das Fleisch verteilt oder auf bereitstehende Wagen für die Hofküche verladen und den Hunden die nicht vom Menschen beanspruchten Eingeweide überlassen.

Ein Überlandjagen in Form von Verfolgung des Hirsches zu Pferd im freien Revier ohne Hecken und Netze war damals in Deutschland eine große Ausnahme und kam erst im darauffolgenden Zeitalter auf, während solches in Frankreich noch immer üblich war. Das klassische französische Werk des 16. Jahrhunderts über die Hetzjagd mit Spürhunden ist die venerie von Fouilloux. Dieser Autor rechnet zur venerie nur die Hetzjagd von Hirsch, Reh und Hase, nicht aber die des Wildschweins, weil letzteres mit Rüden gehetzt werde. Fuchs und Dachs dagegen wurden statt mit chiens courants mit chiens de terre gejagt.

Bevor die Jagdgesellschaft zur Hirschhetze aufbrach, hatte sie gut gespeist und so reichlich getrunken, daß die ganze Jagd in angeheitertem Zustande vor sich ging. Sie verlief ähnlich der bereits geschilderten des 14. Jahrhunderts, ebenso die Sauhatz, zu welcher zahlreiche Hunde bereit gehalten wurden. So erschien 1592 Herzog Julius von Braunschweig zur Sauhatz an der Oberweser mit nicht weniger als 600 Jagdhunden, Saurüden oder Hatzhunde genannt. Man schätzt die Zahl der alljährlich den Saujagden zum Opfer fallenden Rüden für Deutschland allein auf 20000 Stück. Die Schäfer waren in den meisten Gegenden dazu verpflichtet — natürlich ohne irgend welche Entschädigung — jährlich je einen Hund zu stellen. Taten sie es nicht, so wurden sie mit der Wegnahme von fünf Hammeln gestraft. Da man so billig zu den Hunden kam, wurden sie auch nicht geschont und mit Vergnügen wütenden Ebern geopfert. Landgraf Philipp von Hessen, der von jedem Untertan „so Schafe und einen Pferch hat“ alljährlich einen Rüden verlangte und ihm im Falle des Nichtleistens das Recht zur Schäferei nahm, erlegte im Jahre 1561 auf den Sauhetzen, an denen er persönlich teilnahm, 1714 Sauen. Der Reinhardtswald allein lieferte ihm 1563 1072 Wildsauen, und sein Nachfolger, Landgraf Wilhelm, fing 1584 in einem einzigen Jagen daselbst 133 Sauen. Welch eine Metzelei setzte es ab, eine solche Menge von Tieren in den Netzen abzustechen, und wie mögen die armen Bauern geseufzt haben, wenn ihnen diese so zahlreich auftretenden Borstentiere ihre Äcker verwüsteten. In der Jagd auf die Wildsau war insofern eine Verfeinerung vom Mittelalter bis zum 16. Jahrhundert eingetreten, als die Bracke, die damals auch zur Sauhatz verwendet wurde, als zu edel dafür galt und man sich dabei meist mit minderwertigen Hunden behalf. Eine wichtige Rolle spielte auch die Jagd auf den Wolf, für dessen Vertilgung die Bauern ihrem Herrn eine besondere Steuer bezahlen mußten.

Bild 60. Sauhatz. Der Mann zu Fuß bedient sich der Saufeder zum Abstechen des Ebers. (Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann in „Das neuw Jag und Weydwerck Buch“, Frankfurt 1582.)

Die Hatzjagd auf Hasen wurde von dem deutschen Adel mit Windhunden geübt, während in Frankreich die allerdings feinere Jagd mit Spürhunden bevorzugt wurde. Sie machte im allgemeinen auch mehr Freude als die Hirschhetze, da man die Hunde besser sah und diese auch mehr zusammenhielten. Die Hasenmeute betrug 12 bis 16 Hunde und war gewöhnlich zahlreicher als die Hirschmeute. Sie arbeiten zu sehen war wie im Mittelalter das Entzücken derer, die sich den echten jägerischen Geist bewahrt hatten, wie er im 12. bis 14. Jahrhundert in Frankreich wie in Deutschland herrschte. Die Technik dieser Jagd war ebenfalls ähnlich derjenigen des Mittelalters.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts verdrängte die Büchse die Armbrust, besonders seitdem 1517 in Nürnberg das Radschloß erfunden worden war, das die Lunte überflüssig machte. Sie hieß auch Pirschrohr und danach nannte man die Jagd, bei welcher man sich ihrer bediente, im Gegensatz zum Hetzen Pirschjagd. Doch war sie im allgemeinen wenig beliebt und galt nicht für weidmännisch. Nichtsdestoweniger brach sie sich mehr und mehr Bahn, weil sie billiger war als die mit jagenden Hunden. So fand sie besonders an kleineren Höfen zuerst Eingang. Landgraf Wilhelm von Hessen erlegte 1582 durch Pirschen 345 Stück Wild und nur 307 durch Jagen. Auch der Schrotschuß taucht bereits im 16. Jahrhundert auf; 1556 wird er zuerst erwähnt.

Beim Pirschen auf Rotwild trat alsbald nach dem Schusse der Bluthund in Aktion, indem er, von der Leine gelöst, das Wild verfolgte und, wenn er es eingeholt hatte, zu packen und niederzureißen versuchte. Da in dem vom deutschen Geistlichen Johannes Colerus um 1600 in Wittenberg herausgegebenen lateinischen immerwährenden Kalender Leit- und Bluthund stets zusammen genannt werden, muß man annehmen, daß der Leithund damals auch zur Blutarbeit verwendet wurde. Wegen dieser Bestimmung sollte er groß und stark sein, damit er das Wild niederreißen konnte. So wurde er wie die Jagdhunde im allgemeinen mit Windhund- und Doggenblut gekreuzt, und so entstand eine starke Spürhundrasse wie sie mit zuerst das Neue Jagd- und Waidwerkbuch von Feyerabend 1582 auf Seite 11 zeigt. Auch die Bilder von Jost Ammann zeigen uns solche durch Kreuzung erzielte auffallend große Jagdhunde. Aus diesen schweren Spürhunden entstand dann der schwere Typ der deutschen Vorstehhunde, wie er sich an manchen Orten bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts erhielt.

In dem Maße wie der Adel durch das Regal des Landesfürsten das Recht der Jagd verlor, schwand auch die Falkenbeize, die sich im Mittelalter durch die Begeisterung des Ritterstandes so hoch erhoben hatte. Solange das Kornfeld, das der Reiterzug bei der Falkenbeize durchjagte, dem Bauern gehörte, hatte der Adel keinen Anstoß an dieser Art Jagd genommen; nun aber das Korn sein eigen war und durch die Leibeigenen gepflanzt wurde, wurde er andern Sinnes und wollte seine Felder geschont wissen. Er hatte auch keine Lust mehr dazu, den Tag am Hofe zu verbringen und mit seinen Falken zu vertändeln, mußte vielmehr auf seinem Gute nach dem Rechten sehen und seine Hörigen beaufsichtigen, damit sie gehörig für ihn arbeiteten. Auch hatte die Küche wenig Nutzen von der Falkenbeize, die viel Geld kostete, nicht nur für die Zähmung und den Unterhalt der Falken, sondern auch für die selten gewordenen Reiher, die künstlich im Reiherhaus aufgezogen werden mußten, wenn bei Bedarf kein Mangel daran vorhanden sein sollte.

An Stelle der deutschen Ordensherrn von Marienburg hatten die Könige von Dänemark die Lieferung von Falken übernommen, mit denen sie die meisten Höfe, die sich diesen Luxussport noch leisteten, zu versorgen pflegten. Alljährlich sandten sie ein Schiff nach Island und ließen von dort die geschätzten weißen Wanderfalken holen, die sie durch ihre Falkner an die Höfe verteilen ließen, wobei diesen für jeden Falken eine Gabe von 12–16 Talern ausgehändigt wurde. Die hessischen Fürsten erhielten jedes Jahr durchschnittlich sechs Falken zu ihrem ziemlich großen Bestand, für dessen Unterhalt die Falkner ungefragt auf den Dörfern die erforderlichen Hühner und Tauben selbst nehmen durften. In andern Herrschaftsgebieten war der Taubenzehnte eingeführt, der in Hessen im Jahre 1703 in eine feste Abgabe von 400 Tauben umgewandelt wurde. Landgraf Moritz von Hessen-Darmstadt untersagte 1593 seinen Untertanen ganz die Jagd mit den Falken, „dass wir selbsten unsere Lusten damit gern haben wollten.“ Auch am Hofe zu Kassel wurde die Falkenjagd nach dem Dreißigjährigen Kriege wieder eingeführt; sie hielt sich dort bis ins 18. Jahrhundert. In Württemberg dagegen ging die Beize schon mit dem 17. Jahrhundert zu Ende und ward 1714 gänzlich abgeschafft. Der Reiher wurde nicht mehr gehegt, sondern zum Raubvogel erklärt, und 1726 wurde ein Preis auf seinen Kopf gesetzt. So kehrte die Jägerei zur alten Jagdweise der Markgenossen, zum Habicht und Sperber der Volksrechte zurück. Sie kaufte die Beizvögel von umherziehenden Falknern, fing sie wohl auch selber mit Schlaggarnen am Finkenherd ein, wenn sie auf die Lockvögel stießen, selten zog sie selbst Nestlinge auf, weil dies sehr beschwerlich war. Allgemein im Brauch war noch die Hasenbeize. Dabei suchten 2–3 Stöberhunde das Feld nach Hasen ab, während der Jäger mit dem Vogel auf der Hand zu Pferde folgte. Am Riemen wurden einige Windspiele mitgeführt, die dann dem ergriffenen Hasen, dem vom Raubvogel zuerst die Augen ausgehackt wurden, den Garaus machten. Auch auf das Feldhuhn wurde der Habicht gern geworfen. Wie ein Pfeil schoß er hinter der Hühnerkette her und griff ein Huhn heraus. Die andern ließen sich vor Schreck zu Boden fallen und lagen nun so fest, daß der Hund sie greifen oder der Jäger mit der Hand sie aufheben konnte.

Im 18. Jahrhundert besaß der große Grundbesitz unbeschränkte Macht. Mit Verachtung sah er auf alle Bürgerlichen und noch vielmehr auf die leibeigenen Bauern herab, mit denen er in der gewissenlosesten Weise verfuhr und sie auf das schamloseste ausbeutete. Zäune zur Abhaltung des sich stark vermehrenden Wildes von den Äckern waren verboten oder, wo sie, wie beispielsweise in Sachsen von 1775 an „aus Landesmütterlicher Vorsorge“ den Untertanen gestattet waren, durften sie nur um Kohl- und Obstgärten gezogen werden und mußten so nieder und die einzelnen Pfähle oben stumpf sein, daß das Rotwild darübersetzen und sich dabei nicht verletzen konnte. Einzig das Schwarzwild wurde dadurch abgehalten. Im Jahre 1718 erließ der Herzog von Württemberg das Reskript, daß alle Zäune seines Landes mit Ausnahme der Zäune an der Landesgrenze niedergelegt werden sollten. Den Bauern wurde untersagt, auf ihren eigenen Gütern das Laub zusammenzurechen und die Eicheln aufzulesen, damit sie dem Wilde als Lagerstatt und Futter dienen konnten. Auch Hunde durfte der Bauer nicht fortlaufen lassen oder gar zum Verscheuchen des Wildes von seinen Äckern verwenden. In ganz Württemberg war während des 18. Jahrhunderts das Halten von Hunden überhaupt verboten. So blieb dem Bauern, der etwas ernten wollte, nichts anderes übrig, als selbst oder durch seine Familienangehörigen den ganzen Tag und die Nacht hindurch die Felder zu bewachen, damit das Wild, besonders die Sauen, dieselben nicht verwüsteten. So mußten allein in Sachsen Nacht für Nacht 4000 Menschen wachen, damit der despotische Landesvater gelegentlich auf die Jagd gehen konnte. Auf das heutige Deutschland übertragen, mußten für die Bewachung der Felder in der Nacht wenigstens 68000 Menschen allnächtlich ihren Schlaf opfern, und diesen schweren Dienst mußten die größtenteils von der Fronarbeit am Tage ermüdeten Leute vielfach bei Regen und Kälte verrichten. Das Rotwild, dessen Bestand von Seckendorf 1656 für Sachsen auf 3000 Stück geschätzt wurde, durchstreifte truppweise die Felder, wenn das Getreide reifte, und machte sich daselbst bequeme Lagerstätten. Von den Sauen aber, deren Sachsen nach derselben Schätzung damals etwa 6000 aufwies, lag etwa ein Drittel beständig auf den Feldern, unbeachtet der niederen Zäune, die sie mit Leichtigkeit zu überspringen vermochten. So schreibt ein anonymer Sachse 1799 in einer Schrift über die Schädlichkeit der Jagd: „Wer die Gegenden an der Elbe, z. B. von Dresden bis Wittenberg, von Torgau bis Wurzen, wie auch die Gegend von Colditz, Annaberg usw. durchreitet, der wird in den dortigen Feldern, wenn er die von diesen Tieren vernichtete Hoffnung des armen Landmannes sieht, sich selbst zum Jammer und Mitleid gerührt fühlen und die Stimme der fröhlichen Jäger vor den Klagetönen der über ihren Verlust Jammernden nicht hören können. — Im Jahre 1777 reisete ich in das Erzgebirge nach Elterlein, einem Städtchen, welches unweit Annaberg liegt. Hier sprach ich unter andern Einwohnern auch den Stadtrichter. Dieser Mann zeigte mir eine schriftliche Taxe, welche einen Verlust von 5000 Talern betrug, den die wilden Schweine nur diesem kleinen Städtchen zugefügt hatten.“ Und Franz Philipp Florinus schreibt in seinem 1751 in Nürnberg erschienenen Oeconomus prudens vom Rotwild: „Im Sommer liegt es bei nächtlicher Weile im Getreide und läßt sich von den Wachfeuern und dem Geheul der Bauern fast wenig abschröcken, maßen, sobald es aus einem Samen herausgetrieben wird, gleich in den nächsten und besten hineingehet.“

In Württemberg war es nicht anders. Schon im 17. Jahrhundert wollten die Klagen über den Wildschaden nicht aufhören. Wenn diese zu laut wurden, ließ der Herzog etwa eine Hetze abhalten und zwang die Bauern, ihm das Wildbret, für das er keine Verwendung hatte, zu teurem Preise abzukaufen und selbst zu essen. Der Wildstand im damaligen Württemberg betrug rund 9000 Stück Edelwild und 2000 Sauen. In der Zeit von 1770–1790 wurden durchschnittlich 3300 Stück Rotwild und 1100 Sauen jährlich bei den Hofjagden erlegt. Die Hofküche aber brauchte (nach einer Berechnung vom Jahre 1679) nur etwa 300 Stück Rotwild und 350 Sauen. Setzen wir auch den Bedarf für den oben erwähnten Zeitabschnitt auf 1000 Stück, so blieben immer noch 3400 Stück für den Zwangsverkauf an die Untertanen übrig, der für eine flüssige Rente galt. Die Zustände in Württemberg zur Zeit des Herzogs Karl Eugen, der 1744 die Regierung übernahm, schildert der Prälat Johann Gottfried Pahl. Vom Gelde der von den Höflingen mißhandelten und ausgesaugten Bauern ließ der Herzog kostspielige Bauten herstellen, Opern aufführen, zu denen die Vorbereitungen einen Aufwand von 100000 Gulden erforderten, glänzende Geburtstagsfeste in Form von „Festinjagden“ veranstalten, die bald in dieser, bald in jener Gegend des Landes veranstaltet wurden und 300–400000 Gulden verschlangen. „Da erschien alles im höchsten Glanze, es wurden die prächtigsten Schauspiele und Ballette gegeben; Veronese brannte Feuerwerke ab, die in wenigen Minuten eine halb Tonne Goldes verzehrten. Der ganze Olymp war versammelt, um den hohen Herrscher zu verherrlichen, und die Elemente und die Jahreszeiten brachten ihm ihre Huldigungen in zierlichen Versen dar. Der Herzog liebte diese Art von Vergnügen ebenso leidenschaftlich, als er andererseits der kostspieligen Baukunst frönte. Ein zahlreiches Korps von höheren und niederen Jagdbedienten stand ihm zu Gebote. Seiner Nachsicht gewiß, durften sie sich die rohesten Mißhandlungen und die schreiendsten Ungerechtigkeiten gegen den seufzenden Landmann erlauben. Man zählte in den herrschaftlichen Zwingern und auf den mit dieser Art von Dienstbarkeit belasteten Bauernhöfen über tausend Jagdhunde. Das Wild ward im verderblichsten Übermaße gehegt. Herdenweise fiel es in die Äcker und Weinberge, die zu verwahren den Eigentümern streng verboten war, und zerstörten oft in einer Nacht die Arbeit eines ganzen Jahres; jede Art von Selbsthilfe ward mit Festungs- und Zuchthausstrafe gebüßt, nicht selten gingen die Züge der Jäger und ihres Gefolges durch blühende und reifende Saaten. Wochenlang wurde oft die zum Treiben gepreßte Bauernschaft, mitten in dem dringendsten Feldgeschäfte ihren Arbeiten entrissen, in weite, entfernte Gegenden fortgeschleppt. Ward, was nicht selten geschah, eine Wasserjagd auf dem Gebirge angestellt, so mußten die Bauern hierzu eine Vertiefung graben, sie mit Ton ausschlagen, Wasser aus den Tälern herbeischleppen und so einen See zustande bringen. — Um den Glanz zu vermehren, hatte man eine große Menge fremden Adels ins Land gezogen. Es wimmelte von Marschällen, Kammerherren, Edelknaben und Hofdamen; mehrere von ihnen genossen große Gehalte. In ihrem Gefolge erschien ein Heer von Kammerdienern, Heiduken, Mohren, Läufern, Köchen, Lakaien und Stallbedienten in den prächtigsten Livreen. Zugleich bestanden die Korps der Leibtrabanten, der Leibjäger und der Leibhusaren, deren Uniformen mit Gold, Silber und kostbarem Pelzwerke bedeckt waren...“ Diese Gesellschaft benahm sich den für halbe Tiere gehaltenen Bauern gegenüber skandalös und verführte mit Vorliebe deren Töchter, ohne an das Bezahlen von Alimenten für die nicht ausbleibenden Kinder zu denken. Allein für die von ihm selbst gestifteten Kinder bezahlte der Herzog Karl Eugen großmütig „ein für allemal“ 50 Gulden, und seine Geliebten hatten das viel beneidete Vorrecht, blaue Strümpfe tragen zu dürfen.

Auch der fromme Herzog Ernst Ludwig von Hessen hatte, wie alle Fürsten Mitteleuropas, sein Land in einen Wildpark verwandelt, um der Jagdlust zu frönen, mochten auch die fronenden Bauern in Armut und Elend verkommen. Von den vielen Nachtwachen, die die Leute jahraus, jahrein leisten mußten, um das Wild von ihren Feldern abzuhalten, schliefen sie beim Gottesdienst ein, worüber sich die Pfarrer beklagten. Das war die Zeit, da die Fürsten, auch geistliche Herren, wie der Bischof von Münster, ein Bernhard von Galen, ihre Untertanen für durchschnittlich 155 Mark an auswärtige Regierungen als Soldaten verkauften, damit diese mit ihnen ihre Kriege führen konnten. Viele Tausende mußten so zwecklos in fremdem Lande verbluten. Bei Culloden entschieden die Hessen den Untergang der Stuarts, und Marlborough wie sein Gegner Villeroi fochten meist mit deutschen Truppen gegeneinander. Der Erzbischof Karl hatte dem Herzog Philipp mit Deutschen den spanischen Thron bestritten, und bevor die Angelegenheit geregelt war, verbluteten 400000 Menschen auf dem Schlachtfelde.

Bei der unmenschlichen Behandlung und der Nutzlosigkeit aller Arbeit infolge der Übergriffe des Landesfürsten kamen viele der Bauern aus Not dazu, zu wildern, um sich überhaupt am Leben zu erhalten. Sie taten dies aus Verzweiflung und Auflehnung gegen die grausame Herrschaft, die ihnen beständig das größte Leid zufügte, obschon sie im Falle des Erwischtwerdens mit den härtesten Strafen bedroht waren, so im gelindesten Falle mit etlichen Jahren Zwangsarbeit in Ketten, bei Wiederholung mit Abhauen der rechten Hand, beim dritten Male aber mit dem Galgen zu büßen hatten. Oft wurden Bauern, wenn sie nur mit einer Büchse in einem Gehege angetroffen wurden, ohne große Untersuchung mit kurzem Prozeß binnen 24 Stunden gehängt. Wer dem Wilde verlarvt nachging, wurde kurzerhand in der Verlarvung aufgehängt. Hessen hatte 1613, Preußen 1728 angeordnet, daß die überführten Wilderer ohne Gnade aufzuknüpfen seien. Der Herzog von Württemberg bestimmte 1737 als Strafe derer, „welche diebischer Weise Wild geschossen haben“, das Abhauen der rechten Hand, mindestens aber öffentliche Arbeit „mit aufgesetzter Wildererkappe auf Lebenszeit“, bei Rückfall Aufhängen am Galgen. Diese Wildererkappe, die dem zur Schanzarbeit Verurteilten an den Kopf geschlossen wurde, war ein grauenvolles Marterwerkzeug, das aus einem eisernen Reifen mit einem schweren Hirschgeweih daran bestand. Der Landesvater von Weimar verfügte 1751, „daß alle Wilderer als offenbare Straßenräuber und Mörder angesehen und auf Betreten sofort aufgehängt, deren Weiber gebrandmarkt und ins Zuchthaus gesetzt werden sollen, daß ein Förster oder Jäger, der einen Wilddieb totschießt, 50 Taler verdient, während seine Witwe, falls er selbst totgeschossen wird, lebenslänglich 200 Taler Pension erhält, daß aber ein Jäger, der den Wilddieben durch die Finger sieht, selbst aufgehängt wird“. 1761 wurde in Württemberg eine Belohnung von 20 Gulden für einen toten und 30 Gulden für einen lebenden Wilddieb, der alsbald aufgehängt wurde, ausgeschrieben. Am findigsten waren die Fürsten, die das einträgliche Geschäft des Menschenhandels trieben. So schloß der Herzog von Württemberg 1716 einen Vertrag mit der Republik Venedig ab, wonach alle Sträflinge, auch die Wilderer, die mit dem Leben davonkamen, auf die Galeeren verkauft wurden. So brachten die Kerls noch Geld ein und man war sie los! Das Reskript wurde in feierlicher Stunde nach dem Gottesdienst mit salbungsvoller Stimme von den Kanzeln verkündet.

Während die Bauern so unmenschlich strenge bestraft wurden, kam der Adel beim Wildern mit Geldstrafen davon. Diese waren beispielsweise in Preußen gepfeffert und betrugen 1720 500 Taler für einen Hirsch oder für eine Wildsau; davon erhielt der Angeber den vierten Teil. In dem Vertrage zwischen Hanau und Frankfurt a. M. vom Jahre 1787 wurde die Denunziantengebühr auf den dritten Teil der Geldstrafe bemessen und damit der Verrat zu einem einträglichen Gewerbe ausgebildet. In der Jagdordnung Josefs II. von 1786 wurde dem „Entdecker eines Wildschützen“ 12 Gulden und dem „Einbringer“ eines solchen 25 Gulden Belohnung zugesichert. Diese Jagdordnung war übrigens als ein großer Fortschritt zu begrüßen, indem darin die Vorrechte der Krone aufgehoben wurden. Wenigstens das Schwarzwild wurde auf Tiergärten beschränkt und das Recht zum Abschuß freier Sauen jedem Menschen zugesprochen. Für den Fall, daß sich der Jagdinhaber diesem Abschuß widersetzen sollte, verfiel er in eine Strafe von 25 Dukaten. Das Betreten angebauter Grundstücke wurde verboten, die Einzäunung derselben dem Bauern freigestellt, und zwar in jeder Höhe. Dem Jagdinhaber aber wurde das Wild unter Abschaffung einer Schonzeit als sein unbeschränktes Eigentum freigegeben, er aber zugleich für Wildschaden ersatzpflichtig gemacht. Damit begann die Morgenröte einer neuen Zeit, die gerechter als die vorhergehende die allgemeinen Menschenrechte, die die französische Revolution proklamierte, vertrat.

Am Ende des 18. Jahrhunderts waren aber sonst in keinem andern Staate so vorsorgliche Bestimmungen getroffen, wie von dem edeldenkenden Josef II. Dieses ganze Jahrhundert hindurch waren die Jagdfronen noch im Steigen begriffen, denn statt 500–700 Mann wie im 17. Jahrhundert wurden jetzt ebensoviel Tausende zum Zusammentreiben des Wildes aus ihrer Häuslichkeit herausgerissen, um ganze Wochen hindurch ohne irgend welche Entschädigung, ja unter Vorschrift der Selbstbeköstigung, im Walde zuzubringen und das Vergnügen eines Tages für die Hofgesellschaft vorzubereiten. Zur Massenschlächterei von Hochwild gesellte sich diejenige von Hasen, wie denn zu Stammheim in Württemberg am 20. November 1756 ein Kesseltreiben abgehalten wurde, das eine Ausdehnung von 91⁄2 Meilen hatte, drei Tage dauerte und gegen 4600 Mann in Anspruch nahm. Zu den Treiberdiensten kamen die Jagdfuhren, der Wegebau, die Zaunarbeit, das Futtersammeln und der Wildfang. Zu letzterem gehörten auch die Wolfsjagden, die am schwersten auf dem Volke lasteten und wofür auch die Städter zu bezahlen hatten. Es kam oft vor, daß die Bedienten des Landesherrn einerseits die Geldabgabe bezahlen ließen und andererseits die Leute trotzdem zwangen, bei der Wolfsjagd zu erscheinen, ansonsten sie gebüßt wurden. Und wer von ihnen frühmorgens beim Apell nicht anwesend war, der wurde als fehlend angesehen, auch wenn er den ganzen Tag anwesend war und mithalf. Dabei mißhandelten die übermütigen Dienstleute die Bauern in einer Weise, daß es einem heute noch beim Lesen solcher Gemeinheiten die Schamröte ins Gesicht treibt.

Die Pflicht der Untertanen, die fürstliche Jägerei zu beherbergen und zu verpflegen, kam im 18. Jahrhundert mehr und mehr außer Übung, weil der gesteigerte Verkehr Gasthäuser geschaffen hatte, in denen die Jäger nächtigen und sich an Speise und Trank stärken konnten. Auch hier hatte wie bei der Wolfsjagd eine Geldablösung stattgefunden. So kam in Württemberg zwischen dem Fürsten und dem Kirchenrat 1777 ein Vertrag zustande, wonach gegen eine jährliche Zahlung von 12002 Gulden die Klöster von den Besoldungsbeiträgen für die Jägerei, von Kostgeld und Pferdefutter, von der Pflicht, das Jagdzeug, die Seilwagen und Jagdschirme zu unterhalten, die Hunde zu ernähren usw. befreit wurden. Den Gemeinden ward 1714 die Verpflichtung auferlegt, beim Dachsgraben die Hunde zu füttern, und, wo sie nicht abgelöst war, blieb auch die Hundelege in Kraft, wie denn z. B. im Uracher Forst jeder steuerpflichtige Untertan, der keinen Hund in Pflege hatte, zu einer jährlichen Abgabe von 3 Gulden 20 Kreuzern gezwungen wurde. Vielfach ließen die Jäger des Landesherrn aus eigener Machtvollkommenheit ihre eigenen Hunde an Stelle der herrschaftlichen von den Untertanen aufziehen; andere ließen sich heimlich die Pflicht der Hundelege gegen bares Geld abhandeln und stellten den Hund bei einem Bürger ein, der nicht bezahlen wollte. Wieder andere trieben einen heimlichen Handel mit den Hunden ihres Landesherrn. Vielfach suchten die Forstbeamten die Pflichten der Untertanen noch auszudehnen und die Strafen zu erhöhen. Dabei nahmen sie den dritten Teil der Strafgelder als sogenannte „Ruggebühr“ ein. Man kann sich denken, welchen Gebrauch sie von solcher Vollmacht machten, um sich möglichst zu bereichern. Auch den Müllern wurde am Ausgang des 17. Jahrhunderts an Stelle der Pflicht zur Schweinemast die noch lästigere Pflicht des Fütterns der Jagdhunde des Landesherrn aufgebürdet. Die Leineweber dagegen mußten die Leinewand für das Jagdzeug zu einem billigen Preise anfertigen. Es handelte sich dabei meist um große Beträge; allein das kleine Hessen-Kassel hatte einen jährlichen Bedarf von 1600 Ellen. Außerdem mußte jeder Jude alljährlich 1000 Federn für die Federlappen liefern.

In dieser Zeit der unbeschränkten Macht des großen Grundbesitzes ward der weidgerechten Ausübung der Jagd eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem wurde teilweise schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, ziemlich allgemein aber im 18. Jahrhundert eine Schonzeit des Wildes eingeführt. Dabei war der Gedanke maßgebend, daß während einer solchen das Wild sich fortpflanzen, heranwachsen und feist werden sollte, damit der jagdliche Ertrag ein möglichst großer sei. Viele Landesherren aber, so vor allem derjenige von Württemberg, hielten sich nicht an die von ihnen hierüber aufgestellten Bestimmungen und arrangierten zu jeder Jahreszeit, wenn es ihnen gerade einfiel, ihre mit Massenschlächtereien verbundenen Jagdfeste. In manchen Territorien aber hielt man strenge auf die Einhaltung der Fristen. So setzte Hessen-Darmstadt 1776 eine Strafe von 50 Dukaten für das Erlegen eines Hirsches in der Schonzeit fest; beim zweitenmal ward die Strafe verdoppelt und beim drittenmal das Recht zur Ausübung der Jagd aberkannt. Weimar schloß die hohe Jagd am 1. Dezember, Magdeburg Mitte, Hessen-Darmstadt Ende Februar, in Mainz dagegen hörte die Hirschjagd schon Ende Oktober auf. Auch in der kleinen Jagd begann man vielfach dem Wild eine kurze Ruhepause zu lassen, so in der Rheingauer Forstordnung dem Hasen die Zeit vom 16. März bis 24. August, den Rebhühnern vom 2. Februar bis 10. August.

Trotzdem die von Frankreich übernommene Parforcejagd gerade im 18. Jahrhundert an manchen deutschen Höfen zur Einführung gelangte, tauchte andererseits als große Neuerung im Jagdbetrieb das mehrfach wiederkehrende Verbot der Hetzjagd auf, hervorgerufen durch die schärfere Ausbildung des Regals und die Ruhe des herrschaftlichen Wildes. Um die jagenden Hunde den fürstlichen Revieren fernzuhalten, wurden alle andern als die fürstlichen Jagdhunde „ein für allemahl abgeschafft“ — so im Rheingau 1737 —, bloß Schweißhunde gestattet, und diese sollten nur am Riemen für verwundetes Wild Verwendung finden. Nach wie vor war aber das Hetzen des Wildes quer über die Felder der Bauern, auch im Frühjahr, dem Adel gestattet. Nur dieser durfte überhaupt neben dem Landesherrn noch Hunde zur Jagd halten.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts kamen die zünftigen Weidesprüche außer Gebrauch und dafür wurden für die Jagdbediensteten Uniformen eingeführt, für die Bürgerlichen mit Silber, für die Adeligen dagegen mit Gold durchwirkt.

Die Pirsch- und Parforcejäger, wie auch die Falkner, hatten ihre besonderen Abzeichen. Neben dem Weidmesser kam der Hirschfänger auf. Die alte Form des Hift- oder Jägerhornes hatte sich, seitdem es üblich geworden war, es aus Metall zu verfertigen, in verschiedene Unterformen gespalten.

Der Großtuerei der Zeit entsprechend wurden die Jagden im größten Maßstabe abgehalten. Am beliebtesten war das sogenannte Hauptjagen, bei welchem eine Vorbereitung von einigen Wochen, ja Monaten nötig war. Tausende von Bauern wurden für diese Zeit zum Zusammentreiben des Wildes aus großem Umkreis ohne irgend welche Entschädigung, vielmehr mit der Verpflichtung der Selbstbeköstigung, angestellt. Das Anlegen der Treiberlinien leiteten die Besuchknechte, die frühmorgens mit dem Leithunde den besten Wildstand, worunter namentlich jagdbare Hirsche, d. h. solche von zehn und mehr Enden, ermittelten und nach dem Ergebnisse ihrer Suche die nötigen Anordnungen zur Jagd trafen. Das Wild wurde von allen Seiten her zusammengetrieben, bis das Revier so klein geworden war, daß Lappen, Netze und Zeuge hinreichten, um es einzustellen. Die Treiber hatten Tag und Nacht zu wachen, daß das Wild nicht ausbrach, bis die nötige Arena zu seiner Abschlachtung durch den Landesherrn von andern fronenden Bauern errichtet war. Diese bestand aus drei Teilen, dem Zwangtreiben, der Kammer und dem Lauf. Es waren breite, rings von hohen Tüchern eingefaßte Gänge. Mitten in der Arena war den hohen Herrschaften ein mit grünem Laub und Girlanden verziertes Bretterhaus gebaut, von dem aus sie dann das Wild ohne die geringste Gefahr für sich selbst abschießen konnten. War dies alles errichtet, so wurde der Landesherr davon benachrichtigt und kam mit großem Troß zum Abstechen des Wildes, das immer wieder durch die Treiberlinien durchzubrechen versuchte und deshalb seinen Hütern viel zu schaffen machte. Aus dem ganzen Lande wurden die herrschaftlichen Hunde durch die Rüdenknechte und Hundejungen aus ihren Pensionaten in den Dörfern und Städten abgeholt und durch fronende Bauern nach der Stätte des Hauptjagens gefahren oder in bequemen Tagemärschen zu Fuß dahin geführt, um an der Jagd teilzunehmen.

Der Hof fuhr an dem für das Hauptjagen bestimmten Tage mit großem Gefolge auf den Laufplatz und verabschiedete hier die Wagen, um mit ihren Gewehren die sichere Bretterhütte in der Arena zu besteigen. Hinter derselben waren die Kammer- und Leibhunde aufgestellt, während die andern Fanghunde vor dem die Kammer vom Lauf trennenden Quertuche ihren Posten fanden. Vom Oberjägermeister und dessen Stellvertreter wurde durch Öffnen des Quertuches nach Belieben Wild vor die Herrschaften hereingelassen, damit sie es in aller Bequemlichkeit mit Musikbegleitung abschießen konnten. Dabei wurden unterschiedslos junge wie alte, weibliche wie männliche Tiere auf meist qualvolle Weise zu Tode gebracht. Auf die krank Geschossenen und zu Tode Geängstigten wurden zur Abwechslung Hunde gehetzt und Schwärmer unter sie geworfen. Da sie sich nicht flüchten konnten, drängten sie sich zitternd in die Winkel. Schließlich wurde zum Augenschmaus der Fürstlichkeiten durch hineingelassene Jäger ein allgemeines Gemetzel unter ihnen angerichtet. Einem ersten folgte ein zweites, drittes, ja oft viertes Gemetzel, wobei viele hunderte von Tieren vorgetrieben und langsam abgetan wurden. Zum Schluß fand ein prunkvolles Essen statt, das bis in die Nacht dauerte und schließlich in Völlerei ausartete, wobei sehr grobe Späße getrieben wurden. Am folgenden Tage wurde das zuvor aufgebahrte Wild von den Jägern zerwirkt und in Fässern eingesalzen, um dann an die Untertanen verkauft zu werden. Die fronenden Bauern aber brachen die Tücher, Netze, Federlappen und Zelte ab und hatten die Hunde wieder ihren Kostgebern zuzuführen.

Weniger kostspielig als solche Hauptjagen waren ähnliche, aber nur ebensoviel Tage als jene Wochen heischende, die man Bestätigungsjagen nannte. Zu diesen wurden nur die Bauern der nächstliegenden Dörfer zum Treiben aufgeboten. Die Hunde jagten das zusammengetriebene spärlichere Wild in der Kammer und auf dem Lauf umher, bis die Herrschaften es zusammengeschossen hatten. Noch einfacher und billiger waren die eingestellten oder Kesseljagen, die in einem Tage bewerkstelligt werden konnten, indem man einen Waldteil, in welchem Wild steckte, mit Netzen umstellte. In den umstellten Bezirk begaben sich dann die hohen Herrschaften mit den losgelassenen Hunden, um hier mit Schießen und Stechen zu wüten und ein allgemeines Blutbad anzurichten. Wurden die Netze fängisch gestellt, damit das Wild in die Netze fallen sollte, um darin mit Flinten und Messern getötet zu werden, so nannte man solch „ergötzliche Jagd“ Netzjagen.

Zur Augenweide der hohen Herrschaften wurden auch, wie im alten Rom, mit Vorliebe Tierkämpfe arrangiert, bei welchen man die Kampflust der betreffenden Tiere durch Schrecken mit dazwischen geworfenen Schwärmern zu wecken versuchte. Nutzte das nicht, so ließ man große Hunde unter sie, um sie durcheinander zu jagen und zu neuem Kampfe zu reizen.

Von berittenen Jägern mit 4–5 Meuten von je 8–10 Hetzhunden wurden die Streifjagen auf Schwarzwild abgehalten, wobei die Herrschaften zu Wagen gefahrlos zusehen konnten. Weniger beliebt war die alte Treibjagd, wie auch Birsch und Anstand. Auch die an manchen deutschen Höfen eingeführte Parforcejagd erfreute sich im allgemeinen nur geringer Sympathie, da das angestrengte Reiten den bequemen Herrn nicht recht paßte. Zudem erforderte sie einen großen Aufwand, den sich nur größere Höfe leisten konnten. So kostete sie den Höfen von Hessen-Darmstadt und Württemberg jährlich etwa 35–40000 Gulden, Summen, die neben der kostspieligen Maitressenwirtschaft nicht überall leichterhand aus dem ausgesogenen Lande aufgebracht werden konnten. Die Technik derselben war seit dem Mittelalter ziemlich unverändert geblieben. Dabei wurde auch in Deutschland der Leithund wie die Meute während des Jagens mit französischen Worten geleitet. Hatte man im 16. Jahrhundert dem gefangenen Hirsch die Schalen gespalten und den Lauf verletzt, um die jungen Hunde an ihm arbeiten zu lernen, so war man im 18. nicht mitleidiger gesinnt. Nur fing man es anders an, um denselben Zweck zu erreichen. Der zu hetzende Hirsch wurde durch einen guten Schützen leicht verletzt und die ganze Hundemeute zur Verfolgung der blutigen Spur veranlaßt. Man nannte das Bilbaudieren. Es geschah nur zur Lust der nachreitenden Herren und Damen; denn das Fleisch eines so gejagten und zu Tode gequälten Hirsches war gar nicht zu genießen.

Noch immer wurde der Hase zu Pferd mit schnellfüßigen Windhunden gehetzt oder mit dem Habicht gebeizt. Mit letzterem jagte man mit Vorliebe allerlei Federwild, besonders Rebhühner. Doch war die Falkenjagd damals nicht mehr in Blüte; ihr war mit dem Untergange des Rittertums der Lebensnerv abgeschnitten worden. Einer der letzten Höfe, der solche noch aufrecht erhielt, war derjenige von Hessen-Kassel, an welchem Landgraf Friedrich 1772 noch einen Oberfalkenmeister mit vier Falkenknechten und einen Reiherwärter hielt. Doch wurde diese überlebte Herrlichkeit nach seinem Tode von dessen Nachfolger aufgegeben. Auch am Württembergischen Hofe wurde die Falkenjagd noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts geübt. Damals pflegte man die Falkner aus Brabant kommen zu lassen. Die Habichte dagegen fing man im Lande selbst und ließ sie durch jene auf die Beize dressieren. Doch wurde ihre Hilfe mit zunehmender Ausbildung des Schießens auf fliegendes Wild immer seltener in Anspruch genommen und fiel schließlich ganz weg. In der Mitte des 18. Jahrhunderts überwog in Deutschland das Fangen der Rebhühner mit Netzen weit das Schießen. Für diesen Netzfang benutzte man, wie einst für die Habichtbeize, besondere „vorliegende“ Hunde, die mit dem Aufkommen der Schießjagd zunehmende Bedeutung erlangten. So wurde aus der Bracke der eigentliche Vorstehhund gezüchtet, der als Hühnerhund schon am Ausgange des 16. Jahrhunderts erwähnt wird. Er diente damals, wie auch im 17. und weit ins 18. Jahrhundert hinein, nur zum Aufspüren und Vorstehen des Wildes, bis dann von Italien her die Aufgabe, das geschossene Wild zu suchen und zu apportieren hinzutrat und als unerläßlich für einen vollkommenen Vorstehhund betrachtet wurde. Während die alte Bracke ihre Raubtiernatur auch beim Jagen beibehalten und das aufgespürte Wild fangen durfte, nur auf Horn und Ruf Folge zu leisten hatte, durfte der Vorstehhund dem gefundenen Wild nicht folgen und es nicht greifen, sondern mußte davor stehen bleiben. Erst wenn es geschossen war, durfte er es apportieren und bekam nicht wie jener davon zu fressen oder das Blut zu trinken. Diese Überwindung der angeborenen Instinkte und Unterordnung unter den menschlichen Willen wurde dem Hunde vom Menschen in eiserner Zucht durch die Peitsche und das Halsband mit eisernen Spitzen innen, an dem er vermittelst der Leine auf die Jagd geführt wurde, beigebracht. Welch schweren Stand die Dresseure dabei hatten, kann jeder sich vorstellen, der versucht, eine Bracke oder einen Laufhund zum Vorstehhund heranzubilden, was nach den zeitgenössigen Jagdschriftstellern im 17. und 18. Jahrhundert noch oft vorkam. Diese Grausamkeit wurde geübt, um das Vergnügen des Menschen zu erhöhen, weil der Jäger mehr Lust beim Schießen als beim Fang der Hühner durch den Hund empfand. Mitgefühl mit der leidenden Kreatur hatte auch der Mensch des 18. Jahrhunderts noch nicht; deshalb wurde auch keine Nachsuche des angeschossenen Wildes gehalten; Lerchen, Finken und andere Singvögel wurden in Massen gefangen und verzehrt, die gefangen gehaltenen Singvögel zur Steigerung der Häufigkeit ihres Gesanges in grausamer Weise wie früher geblendet.

Wie im frühen Mittelalter legte man damals noch meist mit Palissaden umgebene Tiergärten zur Lust des Landesherrn und seiner Hofgesellschaft an. Darin standen außer dem Lusthaus, von dem die Wege strahlenförmig sich weithin erstreckten, so daß das Wild gesehen werden konnte, sobald es darüberging, noch allerlei andere Hütten und Gebäulichkeiten, nebst dem Schießhaus, das am Äsungsplatze lag. Wurde dort auch das Wild gefüttert und damit zutraulich gegen den Menschen gemacht, so hinderte das dennoch die hohen Herren und Damen nicht, gemächlich vom im Winter geheizten Schießhaus aus es zu erlegen.

Dieser ganze feudale Plunder, wie überhaupt die regalistische Auffassung des Jagdrechts erhielt ihren Todesstoß im Jahre 1789 durch den Ausbruch der großen französischen Revolution, welche mit allen Vorrechten und grundherrlichen Lasten, auch mit dem Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden gründlich aufräumte. In den linksrheinischen, damals zu Frankreich gehörenden deutschen Gebieten wurden das Jagdregal und die übrigen Feudallasten um 1800 aufgehoben und auch nicht mehr hergestellt, als diese Gebiete wieder mit Deutschland vereinigt worden waren. Dagegen erhielt sich das Jagdregal im rechtsrheinischen Deutschland bis zum Revolutionsjahr 1848, das seine völlige Beseitigung, sowie diejenige der übrigen Reallasten herbeiführte. Mit dem Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden wurden auch die Jagddienste und die Jagdfolge aufgehoben. Allgemein wurde dem altdeutschen Grundsatze Geltung verschafft, wonach auf seinem Grund und Boden ein Jeder jagdberechtigt ist. Allerdings verlieh erst ein zusammenhängender Flächenraum von 300 Morgen dem Besitzer fortan das Recht, die Jagd selbst auszuüben. Diese Bestimmung hat bis auf den heutigen Tag ihre Giltigkeit behalten. Da nun aber im Deutschen Reiche etwa 96 von 100 landwirtschaftlichen Betrieben eine Größe unter 300 Morgen aufweisen, sind ebensoviele der ländlichen Eigentümer und Pächter vom Jagdrecht ausgeschlossen. Die ihnen gehörende Bodenfläche beträgt mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebsfläche in Deutschland. Auf diese Fläche ergießt sich nun im Herbst eine Schar weidlustiger Kapitalisten, die reich genug sind, um sich diesen Sport leisten zu können. Sie mieten das Jagdrecht von den Landgemeinden, die dasselbe dem Meistbietenden zusprechen. So gibt es in Deutschland etwa 300000 Jäger auf rund 60 Millionen Einwohner. Diese sind aber auch als Jagdberechtigte zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet. Diese Verpflichtung wurde zum erstenmal in der österreichischen Jagdordnung von 1786 ausgesprochen und hat seither überall Anwendung gefunden.

Hatten im 17. und 18. Jahrhundert die Fürsten und reichen Adeligen eine rücksichtslose Wildhege und Jagdausübung auf Kosten der Allgemeinheit ausgeübt, so befriedigten während den Revolutionen die Bauern in nicht minder rücksichtsloser Weise ihren lange im Stillen genährten Haß gegen das von jenen gehegte Wild, das jahrhundertelang ungestraft ihre Äcker verwüsten durfte. Vor allem der Rotwildstand wurde damals bedeutend dezimiert. Zugleich verdrängte mit Beginn des 19. Jahrhunderts die Schieß- und Niederjagd die älteren Jagdarten, die immer weniger weidgerecht gehandhabt worden waren. Das Perkussionsgewehr hatte die Radschloßflinte verdrängt, aber erst 1820 wurde das Zündhütchen erfunden, womit die Zündung unabhängig von den Regengüssen gemacht wurde. Dieser Fortschritt war ein so außerordentlicher, daß die Erfindung des Hinterladergewehrs durch den Franzosen Lefaucheux, die schon 1835 erfolgte, lange bei uns unbeachtet blieb und erst in den 1850er Jahren anfing, die alten Vorderlader zu verdrängen. Neben der durch die Vervollkommnung der Gewehre immer leichteren Schießjagd verlor auch die früher so überaus wichtige Netzjagd auf kleineres Wild, besonders Rebhühner, immer mehr an Bedeutung. Dabei wurde der Dressur eines möglichst vollkommenen Vorstehhundes die größte Wichtigkeit beigelegt.

Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestand der Frondienst der Bauern bei der Jagd noch in Deutschland; erst durch die Nationalversammlung im Jahre 1848 wurde er in Preußen abgeschafft und müssen seither die nur noch bei den großen Kesseltreiben gegen die Hasen in Dienst tretenden Treiber wie andere Arbeiter für ihre Arbeit bezahlt werden. Das Jagdvergnügen der Herren bringt vielen Leuten Verdienst und die Jagdpacht den betreffenden Gemeinden eine schöne Einnahme. Man hat ausgerechnet, daß der Ertrag der letzteren etwa 40 Millionen Mark jährlich beträgt. Außerdem betragen die Kosten von Jagdverwaltung und Betrieb, Jagdschutz und Wildpflege weitere 15 Millionen Mark jährlich, die ebenfalls zuguterletzt dem Volke zugute kommen.

Mit dem Aufschwung der weidgerecht gehandhabten modernen Jagd wurde der Zucht und Dressur der Jagdhunde, besonders in den letzten 30 Jahren, die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Heute besitzen die deutschen Jäger mindestens 200000 meist vortrefflich arbeitende Jagdhunde, deren Fütterung, Dressur und Pflege jährlich etwa 17 Millionen Mark erfordern, wozu noch der Betrag der Hundesteuer für dieselben in der Höhe von 1 Million Mark zu rechnen ist. Rechnen wir hinzu den gewaltigen Umfang der Fabrikation von Gewehren, Munition, Jagdgeräten, Jagdkleidung, die Reisekosten der Jäger und die Transportkosten des Wildes, so ergibt sich, daß die Jagd allein in Deutschland einen Geldumsatz von 130 Millionen Mark jährlich erzeugt. Hiervon fallen etwa 30 Millionen Mark auf die Verwertung des erbeuteten Wildes, nämlich 25 Millionen Mark für die rund 25 Millionen kg Wildbret, 4 Millionen Mark für die Felle und 1 Million Mark für die Geweihe von Rot- und Damhirschen und Rehböcken. Daraus läßt sich die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Jagd erkennen. Der Wert des gesamten deutschen Wildstandes wird auf etwa 100 Millionen Mark geschätzt und bildet einen nicht zu unterschätzenden Bestandteil des Nationalvermögens, der bedeutende Zinsen abwirft.

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