XXVII. Pelz-, Schmuckfedern- und Schildpattlieferanten.

Zu allen Zeiten hat bei den mehr im Norden wohnenden Völkern, bei denen es im Winter empfindlich kalt wurde und denen es an der nötigen Erwärmung der nur mangelhaft verschließbaren Räume fehlte, die Pelzkleidung hohe Wertschätzung gefunden. Dies war um so eher möglich, als gerade die für sie zunächst in Betracht kommenden nordischen Tiere zum Schutze gegen die winterliche Kälte ein sehr schönes, dichtes Fell besitzen, das sich der Mensch zu seiner Erwärmung, daneben auch als Zierde gern aneignete. Noch im Mittelalter spielte der Pelzbesatz als Schmuck in der Männerkleidung eine große Rolle, während ihn heute fast ausschließlich die Frauen tragen. Bei diesen ist allerdings der Pelz nicht nur zum Wärmen, sondern in erster Linie als Schmuck, heute mehr Mode als je; die elegante, reiche Frau schwelgt geradezu im Pelzwerk. Und wie immer, ist die für sie geschaffene Mode auch für die minderbegüterten Kreise maßgebend. Sie paßt sich den kleinen Geldbörsen an, und die dienstwillige Industrie zaubert für diese Nachahmungen aus billigem Pelzwerk hervor, die, technisch von überraschender Vollendung, schließlich auch der Arbeiterfrau und dem Dienstmädchen eine Pelzstola und einen Pelzmuff zu tragen gestatten.

Bis über das Mittelalter hinaus war das gewaltige russische Reich der Hauptlieferant des Pelzwerkes für die Kulturvölker Europas und die Häfen der Ostsee bildeten die Hauptstapelplätze dieses Handels. Die Entdeckung Amerikas lenkte den Pelzhandel in neue Bahnen und verschaffte den Europäern zahlreiche neue Produkte, die teilweise große Wertschätzung fanden. Um den großen Bedarf zu decken, sind heute zahllose Menschen mit der Beschaffung und Verarbeitung von Pelzen aller Art beschäftigt; und zwar kommt das Material Kanadas in London und dasjenige Sibiriens in Nischni Nowgorod und Irbit im Gouvernement Perm auf den Markt. In diesen Städten kaufen dann die Leipziger Großhändler und andere die Ware, um sie zugerichtet und teilweise auch gefärbt in den Handel zu bringen. Nur für den echten Sealskin besitzt London noch das Monopol, sonst hat es Leipzig für alle übrigen „Rauchwaren“ — wie der technische Ausdruck lautet —, so daß dort die Pelzhändler aller kaukasischen Kulturländer ihren Bedarf einkaufen. Da nicht weniger als 75 Prozent des ganzen Bestandes des großen russischen Pelzstapelplatzes Nischni Nowgorod nach Leipzig gelangen, ist es begreiflich, daß ein jährlicher Umsatz von etwa 50 Millionen Mark in Pelzen erzielt wird.

Die erste Zubereitung der Felle ist fast in allen Ländern dieselbe. Nachdem das Fell vorsichtig abgezogen ist, wird es mit einem scharfen Messer von anhaftenden Fett- und Fleischteilen so gut wie möglich gereinigt und dann an einem luftigen, kühlen Ort im Freien getrocknet. Hierauf werden sie auf der Innenseite reichlich mit Salz bestreut und eines auf das andere gelegt. In dieser Lage bleiben sie 2–3 Wochen. Nach diesem Pökelprozeß sind sie zum Versand fertig. Zu diesem Zwecke werden sie mit der Pelzseite nach außen je zu zweien zusammengerollt und stark verschnürt. So gelangen sie auf die Auktionsplätze, wo sie von geübten Händen geglättet und dann versteigert werden. Die auf der Auktion erworbenen Felle wandern, bevor sie der Kürschner in die Hände bekommt, in eine Pelzbearbeitungsfabrik, in der sie zugerichtet werden. Dabei wird das rohe, getrocknete Fell zuerst in Wasser oder feuchten Sägespänen aufgeweicht, damit es geschmeidig werde; dann wird es, nachdem es in Zentrifugen getrocknet wurde, an der Rückseite mit großen Messern von etwaigen noch anhaftenden Fleischteilchen gesäubert und unter Zusatz von etwas Fett in besonderen Maschinen gewalkt. Hierauf wird es in rotierenden Trommeln unter Zusatz von Sägespänen entfettet, ausgezogen und gespannt, damit es Form gewinnt, nochmals gereinigt und zum Schluß vielfach geschoren oder gerupft, um die längeren Grannenhaare zu entfernen. Umgekehrt werden manche Pelze „frisiert“, indem man mit unendlicher Geduld bestimmte Haarsorten, z. B. weiße (Silberhaare) in dunkeln Pelz einklebt.

Ein großer Teil der Pelzwaren wird auch gefärbt, nicht nur die Nachahmungen, wie man wohl anzunehmen geneigt ist. So zeigt z. B. das Fell der zwischen Kamtschatka und Alaska lebenden Bärenrobbe, von den Engländern fur seal genannt, im Naturzustande ein dichtes gelbes Wollhaar, und darüber ein grobes aschgraues bis braunschwarzes Grannenhaar. Erst wenn letzteres entfernt und das ganze Fell dunkelkastanienbraun gefärbt ist, entsteht der herrliche samtartige Sealskin, für den unsere Damen eine so erklärliche Vorliebe haben. Um nun diesen beliebten Pelz auf den Markt bringen zu können, werden die grausamsten Massenschlächtereien abgehalten, in denen die wehrlos auf dem Lande zur Fortpflanzung und Paarung versammelten Tiere zu Tausenden erschlagen werden. Ebenso sind sämtliche Persianer, die gekräuselten Felle junger Schafe, gefärbt, wodurch sie erst den eigentümlichen prachtvollen Glanz erhalten. Dabei ist die Kunst der Färberei heute so weit fortgeschritten, daß sie absolut wetterbeständige Ware liefert. Wo es Imitationen herzustellen gilt, wirken Zurichterei und Färberei auch zusammen. Und diese sind sehr wichtig, da sie auch Minderbemittelten beinahe an Schönheit, jedenfalls aber an Haltbarkeit den Originalien ebenbürtige Nachahmungen bieten. So wird der teure Sealskin mit Vorteil durch den Sealbisam, den geschorenen und gefärbten Pelz der nordamerikanischen hell- bis dunkelbraunen Bisamratte, ersetzt, neuerdings aber durch den noch viel billigeren Sealkanin von langhaarigen Kaninchen meist belgischer Herkunft. Welche Preisunterschiede dabei in Betracht kommen, illustriert am besten die Angabe, daß ein einfacher Muff in echtem Sealskin 100 Mark, in Sealbisam 15 Mark und in Sealkanin nur 4 bis 6 Mark kostet.

Bild 62. Altdeutsche Kürschnerwerkstatt.
(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)

Aus den Zurichtereien und Färbereien gelangen die Pelze zu Hunderttausenden in die Speicher der Großhäuser zurück, um von hier aus in den Handel gebracht zu werden. So treffen zur Ostermesse, die immer noch einen zeitlichen Mittelpunkt des Rauchwarenhandels bildet, die Aufkäufer nicht nur der engeren Heimat, sondern aus aller Herren Ländern in den Großhäusern Leipzigs ein, um ihren Bedarf einzuhandeln. Dieser wird dann im Laufe des Sommers fertiggestellt, um im nächsten Herbst und Winter verkauft zu werden. Die Ostermesse ist auch die Haupterntezeit der zahlreichen Kommissionäre und Makler, die der Rauchwarenhandel ernähren hilft. Diese geben mit ihrem geschäftigen Wesen dem Brühl den Charakter der Messe, in der unaufhörlich gehandelt, gefeilscht, gelärmt und gestritten wird. Doch hat heute die Ostermesse lange nicht mehr die Bedeutung für den Rauchwarenhandel, die sie einst besaß. Konzentrierte sich in ihr ehemals das Hauptgeschäft, so bildet sie in diesem nur eine, allerdings wichtige und unruhvolle Etappe. Heute geht nämlich der Verkauf von Pelzwaren mehr oder weniger während des ganzen Jahres vor sich. Die erleichterten Reisebedingungen ermöglichen den Käufern den häufigeren Besuch Leipzigs. Viele ziehen überhaupt den Kauf zu einer ruhigeren Periode, als die Messezeit es ist, vor. Dazu kommt, daß die von den Grossisten auf den großen Londoner Auktionen erstandenen Waren zur Osterzeit noch nicht zugerichtet sein können, und daß von der Messe zu Nischni Nowgorod, die vom Juli bis September stattfindet, die russischen Waren erst im Frühherbst in Leipzig eintreffen können. Dazu kommt noch, daß die neuen Moden, die immer noch hauptsächlich in Paris gemacht werden, erst zu Ende des Sommers oder zu Herbstbeginn in die Erscheinung treten, und daß die Pelzkonfektion dann durch sie oft noch zu großen Einkäufen veranlaßt wird.

Bild 63. Fellgerber.
(Nach einem Holzschnitt von Jost Ammann.)

Die vornehme russische Gesellschaft versteht viel von edlen Pelzen; denn in jenem Lande spielte das Pelzwerk von jeher eine wichtige Rolle in der Kleidung der reicheren Leute. Besonders der Zobel stand dort mit an der Spitze der Wertschätzung. Ist doch die alte Zarenkrone eine mit Goldschmuck und Juwelen besetzte Zobelmütze. Noch höher als Zobel werden aber Schwarz- und Silberfüchse eingeschätzt, d. h. solche, die ein glänzend schwarzes oder ein mit silbrigen Haaren durchschossenes schwarzes Fell haben. Die schönsten Exemplare derselben kommen nicht aus Sibirien, sondern aus dem nordamerikanischen Labradorgebiet, und ein ausgesuchtes Stück kostete schon vor Jahren 11600 Mark. Ein ebenfalls sehr hoch bewerteter Pelz ist derjenige des ursprünglich ausschließlich aus Kamtschatka, neuerdings aber mehr aus Alaska ausgeführten Seeotters, der in ausgesuchtester Qualität auf 5–6000 Mark zu stehen kommt. Die sibirischen Zobelfelle stehen den nordamerikanischen bedeutend voran, und sie sind um so geschätzter, je dunkler sie sind, auch je regelmäßiger die silbergespitzten Grannenhaare im Fell verteilt sind. Daher schwankt der Wert eines solchen sehr. Während ein geringes, erst durch „Blenden“, d. h. Auffärben ansehnlich gemachtes Zobelfell schon zu 60 Mark zu haben ist, kosten die besten 1000 bis 1500 Mark und mehr. Wenn auch der Zobel in den letzten Jahren viel seltener geworden ist, kommen außer den nordamerikanischen immer noch jährlich 40000 bis 50000 nordasiatische Zobelfelle in den Handel, von denen aber nur ein kleiner Prozentsatz die hochgeschätzte dunkle Farbe aufweist.

Außer dem Zobel liefert Rußland auch den Edelmarder, der im Wert dem hellen Zobel nahe kommt. Die besten Stücke derselben liefert aber Norwegen und Finnland. Ferner liefert Rußland den Nörz, ebenfalls eine Marderart, deren beste Felle allerdings Nordamerika liefert, dann den kostbaren Hermelin, dessen Preis sich in den letzten Jahren, nachdem er eine Zeitlang wenig begehrt war, durch die gewaltige Nachfrage verzehnfachte. Es ist dies bekanntlich eine Wieselart, deren im Sommer gelblichbrauner Pelz in kälteren Gegenden mit viel Schnee rein weiß wird bis auf die schwarze Schwanzspitze. Weiterhin beziehen wir aus Rußland die Felle von Iltis, Wolf und Bär, außerdem in ungeheuren Massen von sibirischen Eichhörnchen, die man als „Feh“ oder „Grauwerk“ bezeichnet. Endlich stammen von dorther auch die in Südrußland, noch mehr aber in der Bucharei gewonnenen Persianer, die von jungen Fettschwanzschafen, die noch nicht Gras gefressen haben, gewonnen werden.

Beginnen wir die Aufzählung der verschiedenen Pelzlieferanten mit dem sibirischen grauen Eichhörnchen. Je weiter östlich, um so dunkler und wertvoller wird dessen Fell; diesseits des Urals ist es heller und billig im Preise. An der Lena leben die Bauern von Anfang März bis Mitte April ganz dem Eichhörnchenfang vermittelst Fallen, von denen mancher dort über 1000 stellt. Die Tungusen erlegen es mit stumpfen Pfeilen oder gebrauchen engläufige Büchsen mit Kugeln von der Größe einer Erbse, und schießen es in den Kopf, um das Fell nicht zu verderben. Rußland und Sibirien liefern deren jährlich 6 bis 7 Millionen im Werte von 3 Millionen Mark. Davon kommen bloß 2–3 Millionen Felle auf den westeuropäischen Markt; die übrigen werden im Lande selbst verbraucht oder gehen nach China. Außer dem Felle, von dem die grauen Rücken Mäntel und anderes Pelzwerk, die weißen Bauchseiten dagegen, zu großen Tafeln zusammengenäht, ein beliebtes Pelzfutter geben, verwendet man die Schwänze zu „Boas“ und die Schwanzhaare zu guten Malerpinseln.

Auch das kleinere und plumper gebaute sibirische Backenhörnchen, der Burunduk (Tamias striatus), der am häufigsten in Zirbelkieferbeständen lebt und unter den Wurzeln dieser Bäume eine gabelförmig geteilte Höhle anlegt, deren einer Teil als Wohnraum, der andere als Vorratskammer für Getreidekörner und Nüsse dient, von denen sie für manchen Winter 5 kg in den Backentaschen nach Hause schleppen, liefert hübsche Bälge. Diese gelangen meist nach China, wo man sie hauptsächlich zur Verbrämung wärmerer Pelze benützt.

Von allen Nagetieren hat der Biber das geschätzteste Fell. Von Amerika her kamen früher jährlich etwa 150000 derselben im Gesamtwerte von 3 Millionen Mark in den Handel. Heute aber sind es deren höchstens noch 50000 im Jahr, und zwar sind auch von ihnen die dunkeln die wertvollsten. Je nach seiner Güte wird das Stück mit 20–60 Mark bezahlt. Er wird dort von den Trappern meist in Fallen gefangen, nur ausnahmsweise geschossen. Da er aber auch in Amerika mehr und mehr abnimmt, muß vielfach der Sumpfbiber oder Coypu (Myopotamus coypu), die Nutria der spanischen Amerikaner, mit ihrem Felle für ihn eintreten. Auch der Sumpfbiber ist ein ausgesprochenes Wassertier von nahezu der Größe des Fischotters, das vorzugsweise die reich mit Pflanzen bewachsenen Ufer der stillen Wasser Südamerikas zu beiden Seiten der Anden bewohnt. Jedes Paar gräbt sich am Ufer eine metertiefe, 60 cm weite Höhle, in der es die Nacht und einen Teil des Tages zubringt. In dieser Wohnung wirft das Weibchen 8–9 Junge, die behaart und mit offenen Augen zur Welt kommen, schon in den ersten Tagen fressen und bald ihrer Mutter auf ihren Streifzügen folgen. Die Tiere werden in ihrer Heimat mit Schlagfallen gefangen oder mit eigens abgerichteten Hunden gejagt. Ihr weißes, wohlschmeckendes Fleisch wird gegessen, das braune Fell jedoch in großen Mengen in den Handel gebracht. Davon kommen jährlich eine halbe Million nach Europa, um hier nach Ausrupfen der langen, groben Grannenhaare zu Pelzbesätzen zu dienen. Das dichte, weiche Wollhaar gibt einen sehr schönen und dabei billigen Pelz, ist daher sehr beliebt.

Viel teurer und begehrter ist das seidenweiche, aschfarbene Fell der die hohen Anden zwischen Südchile und dem Norden von Bolivia bewohnenden Chinchilla oder Wollmaus (Chinchilla lanigera), an dem schon die vorgeschichtlichen Peruaner, die Inkas, ihre Freude hatten. Wie sie aus den Haaren der Vicuña die feinsten Stoffe herstellen, bereiteten sie aus den Haaren dieser Wollmaus wunderbare Gewebe für ihre Herrscher. Sie erbeuteten das Tierchen in Schlingen und Schlagfallen, die sie vor deren Löcher aufstellten, daneben auch mit gezähmten Wieseln, die speziell auf die Chinchillajagd abgerichtet waren, wie in Südeuropa die Frettchen auf die Kaninchenjagd. Nach Europa kamen die ersten Chinchillafelle gegen Ende des 18. Jahrhunderts, und zwar vermittelte Spanien den Handel damit. Für das Dutzend der kleinen Fellchen dieser in großen Gesellschaften in selbstgegrabenen Erdlöchern lebenden Tierchen wurde früher an die Jäger 6–8 Mark bezahlt. Seither sind die Preise infolge der übermäßigen Jagd danach gewaltig in die Höhe gegangen. Schon 1899 bot ein französisches Haus 150–300 Franken für das Dutzend und jetzt ist der Preis dafür auf über 1060 Franken gestiegen. Noch ums Jahr 1900 schätzte man die jährliche Ausfuhr allein aus den beiden argentinischen Provinzen Coquimbo und Vallenar auf 40400 Dutzend. 1905 betrug die Gesamtausfuhr der Felle aus Chile 18153 Dutzend, 1906 nur 9776, 1907 4000 und 1909 3000 Dutzend.

Die Chinchilla bevorzugt steinige, dürre Hänge und Hochebenen, die mit dem zierlichen Leguminosenstrauch Balsamocarpum brevifolium, der algarobilla der spanischen Chilenen, bewachsen sind, von dessen wie Nuß schmeckenden Samen sie sich ernährt und die sie auch in ihren Höhlen aufspeichert. Zur Zeit der Paarung sind die Männchen sehr eifersüchtig und kämpfen ingrimmig wegen der Weibchen miteinander. Letztere werfen zweimal im Jahr 2–4 Junge, für die sie aus sich selbst ausgerauften Haaren ein weiches Lager bereiten. Sie sind auch später sehr besorgt um sie und führen sie zum Futter. Morgens und nachmittags sind diese hübschen Nager am lebhaftesten und verlassen alsdann ihre Höhlen, um auf die Nahrungssuche auszugehen, ohne sich jedoch weit zu entfernen. Sie lassen sich leicht in der Gefangenschaft halten und werden darin bald recht zahm; nur die Männchen vertragen sich gegenseitig nicht gut. Solange es genug dieser Tierchen gab, war die Chinchillajagd sehr lohnend und brachte noch vor wenigen Jahren mit geringer Mühe reichen Gewinn. Seitdem diese Tiere aber beinahe ausgerottet sind, ist ihre Jagd kaum mehr lohnend. Meist werden sie, wenn das Gestrüpp auf größere Strecken niedergebrannt ist, mit Knüppeln aus ihren Höhlen aufgescheucht und, in weitem Kreise beginnend, allmählich der Mitte zugetrieben, wo sie, unterschiedlos alte und junge von abgerichteten Hunden totgebissen werden. Außerdem werden sie vielfach vermittelst Rattenfallen gefangen. Neuerdings beginnt man sie zur Pelzgewinnung zu züchten. Auch das Fleisch wird sehr geschätzt.

Von nordamerikanischen Pelzlieferanten ist der Waschbär oder Schupp, der Raccoon der Amerikaner (Procyon lotor), zu nennen, dessen gelblichgraues, schwarzgemischtes Fell die beliebten Schuppelze liefert. Dieser Kleinbär von 80–90 cm Gesamtlänge ist gleichzeitig Boden-, Wasser- und Baumtier. Am Tage schläft er in einem hohlen Baume oder auf der Astgabel einer dichten Baumkrone, um dann nachts auf Beute auszugehen. Gern hält er sich in der Nähe seichten Wassers auf, um Fische und Krebse zu fangen oder Süßwassermuscheln zu erbeuten. Außerdem ernährt er sich von Fröschen, Süßwasserschildkröten, Vögeln und deren Eiern, Mäusen, Insekten aller Art, aber auch Nüssen, Früchten und Korn. Im Norden hält er einen Winterschlaf ab. Das Weibchen wirft im April 4–6 Junge, die es ein Jahr lang um sich behält. Wegen seines sehr geschätzten Pelzes, der früher in den Staaten des Mississippitales als eine Art Münze im Werte von 1⁄4 Dollar galt, wird er eifrig verfolgt und entweder in am Rande von Sümpfen oder Flüssen unter Wasser angebrachten Fallen aus Stahl gefangen oder während der Nacht mit eigens dazu abgerichteten, gewöhnlich zur Rasse der Fuchshunde gehörenden Hunden gejagt. Diese wissen seiner Spur zu folgen und treiben ihn nach kurzer Zeit auf einen Baum, wo er, falls er sich nicht in einem Loche verkriecht, vom Jäger erlegt wird. Neuerdings wird er, da er sich leicht in der Gefangenschaft fortpflanzt, zur Pelzgewinnung in eingehegten Waldteilen gezüchtet. Jung eingefangen wird er gewöhnlich sehr bald und in hohem Grade zahm. Seine Beweglichkeit und Zutraulichkeit machen ihn dem Menschen als Gesellschafter angenehm.

Der Winterpelz der amerikanischen grauen Eichhörnchen geht unter dem Namen Petitgris, ist aber weniger geschätzt als der russische Feh; ebenso verhält es sich mit demjenigen des Luchses. Dagegen wird der Pelz der nordamerikanischen Iltisse ebensosehr wie derjenige der altweltlichen geschätzt. Der Iltis oder Ratz (Mustela putoria) ist ein Nachttier, das am Tage zwischen Gestein, aufgestapeltem Holz, in verlassenen Fuchs- oder Kaninchenlöchern ruht, abends jedoch seinen Schlupfwinkel verläßt, um auf Raub auszugehen. Dabei verzehrt es alle Tiere, die es zu überwältigen vermag. Außer Fröschen sind Mäuse, Wachteln, Rebhühner, Hühner, Enten und Fische seine bevorzugte Nahrung. Er ist sehr gewandt, versteht meisterhaft zu schleichen und unfehlbare Sprünge auszuführen, klettert gut, besteigt aber selten Bäume. Nach Art der Stinktiere verteidigt er sich im Notfalle durch Ausspritzen einer sehr stinkenden Flüssigkeit und schreckt dadurch oft die ihn verfolgenden Hunde zurück. Seine Lebenszähigkeit ist unglaublich groß. Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen im April oder Mai in einer Höhle oder noch lieber in einem Holzhaufen 4–5, zuweilen auch 6 Junge, die es sorgfältig großzieht, so daß es dieselben schon nach sechs Wochen auf seine Raubzüge mitnehmen kann. Junge Iltisse lassen sich leicht durch Katzenmütter großziehen und zähmen; doch erlebt man an ihnen wenig Freude, da der angeborene Blutdurst mit der Zeit durchbricht. Sie lassen sich ohne Mühe zum Kaninchenfang abrichten. Wir sahen ja am Schlusse des 13. Abschnittes, daß durch jahrhundertelange Domestikation in Verbindung mit Albinismus aus dem Iltis das Frett hervorging, das als Mäusefänger bei den Griechen und Römern eine nicht unwichtige Rolle spielte, bevor die Katze von Ägypten her zu ihnen gelangte. Der Iltis wird besonders seines dichten Felles wegen gejagt, das aber wegen des ihm anhaftenden unangenehmen Geruches weniger geschätzt ist als es ohnedies der Fall wäre.

Dem Iltis ungemein nahestehend ist der Nörz (Mustela lutreola), ein halber Wassermarder, der vortrefflich schwimmt und taucht und die Fische bis in ihre Verstecke verfolgt, selbst flinke Forellen und Lachse erbeutet. Im Moore verfolgt er Wasserratten und allerlei Wasser- und Sumpfvögel mit Einschluß von Enten. Er hält sich gewöhnlich an den Ufern von Flüssen und Seen auf und kommt fast nur noch in Rußland vor. In Nordamerika vertritt ihn der ganz ähnlich lebende, fast ebenso gefärbte Mink (Mustela vison), dessen Pelz noch weicher und wolliger ist. Beide graben sich unter überhängenden Flußufern ein Loch oder beziehen in einem hohlen Baum ein Lager, das sie mit Federn auspolstern und in das das Weibchen im April 4–6 Junge wirft, die bis zum nächsten Herbste bei der Mutter bleiben. Jung eingefangen lassen sie sich leicht zähmen und in ähnlicher Weise wie das Frettchen verwenden. Wegen des Gestankes war sein Pelz früher so wenig geschätzt, daß es Fang und Förderung kaum lohnte. Neuerdings legt man ihm einen größeren Wert bei, weshalb die Tiere viel gefangen werden und dadurch stellenweise stark vermindert worden sind. Ums Jahr 1865, in welchem ein gutes Minkfell in Amerika 5 Dollar kostete, wurden von Neuschottland allein über 6000 Minkfelle jährlich ausgeführt. In den letzten Jahrzehnten wurden in Europa durchschnittlich 55000 Nörze erbeutet, während die Anzahl der in dieser Zeit jährlich gefangenen Minke 160000 erreichte und im Jahre 1888 sogar 370000 betrug. In jenem Jahre kostete ein russisches Nörzfell etwa 4 Mark, ein Minkfell dagegen bis 10 Mark. Die besten Minkfelle kommen von Alaska und Neuengland.

Vortreffliche Pelze liefern auch die anderen Marderarten, unter denen der berühmte Zobel (Mustela zibellina), den weitaus kostbarsten liefert. Er ist dem Baummarder sehr nahe verwandt, hat nur einen viel ausgesprochener kegelförmigen Kopf, große Ohren, längere und stämmigere Beine und ein langhaarigeres, seidenweiches, gelbbraunes bis schwarzes Fell. Letzteres gilt für um so schöner, je größer seine Dichtigkeit, Weichheit und Gleichfarbigkeit ist. Die dunkleren Felle stehen im Preise weit höher als die helleren und können fast schwarze von reiner Farbe bis 2500 Mark das Stück erzielen, während helle von geringster Qualität schon für 50 Mark das Stück zu haben sind. Diese ganz dunkeln stammen von Tieren, die in den dichtesten Urwäldern leben, in die kein Sonnenstrahl einzudringen vermag. Das Wohngebiet des Zobels erstreckte sich einst vom Uralgebirge im Westen bis zum Beringsmeer im Osten und vom 68. Grad nördlicher Breite bis zu den südlichen Grenzgebirgen Sibiriens. Aber infolge der langjährigen unablässigen Verfolgung ist er aus vielen Gegenden verschwunden und ist nur noch in den abgelegensten Gebirgswäldern Ostsibiriens und Kamtschatkas einigermaßen häufig. Dieser menschenscheue Marder liebt die einsamen Wälder, in denen er, seinem Lieblingswilde, dem Eichhörnchen, nachziehend, größere Wanderungen unternimmt und bei deren Verfolgung ungescheut auch breite Ströme, selbst während des Eisgangs, durchschwimmt. Sehr beliebte Aufenthaltsorte sind für ihn die ausgedehnten Arvenwaldungen, deren riesige Stämme ihm ebensowohl passende Schlupfwinkel wie in den ölreichen Samen ihrer Zapfen eine erwünschte Speise darbieten. Auch er ist ein Nachttier, das bei Tage in Baumlöchern oder unter Baumwurzeln schläft und erst nachts auf Raub ausgeht. In Baumlöchern wirft er einmal im Jahr, und zwar meist im April, seine 4–5 Jungen, die er wohl behütet und später zur Jagd erzieht.

Die Zobeljagd beschränkt sich auf die drei Monate Oktober, November und Dezember. Da die Jagdgründe in der Regel sehr weit abgelegen sind, brechen die Zobeljäger mit eigens abgerichteten Hunden schon im September auf, um beim ersten Schneefall an Ort und Stelle zu sein. Die Hunde müssen während der Reise zugleich die Schlitten ziehen, welche mit Lebensmitteln für mehrere Monate beladen sind. Auf den Jagdplätzen vereinigen sie sich zu kleinen Gesellschaften, die sich Hütten bauen und nach allen Richtungen ihre Streifzüge unternehmen. Man stellt Fallen und Schlingen der verschiedensten Art und verfolgt mit den Hunden die Spur eines Zobels auf Schneeschuhen. Sobald ein solcher aufgespürt ist, sucht man ihn auf einen Baum zu treiben, den man alsbald mit Netzen umgibt, auf die er durch Schütteln der Zweige oder mit Stangen hinuntergeschlagen wird. Fällt der Zobel vorbei, so wird er entweder von den Hunden eingeholt und zu Tod gebissen, oder auf einen andern Baum getrieben, wo man ihn wiederum, wenn möglich ohne Schuß, der sein kostbares Fell verderben könnte, zu erlangen sucht. Ist ein Zobel erbeutet, so wird er in ein Tuch gewickelt und mit einem Stück Holz so lange geklopft, bis das Innere zu Brei zerschlagen ist und durch kleine Löcher um den After und die Augen herausgenommen werden kann. Dann wird das Fell umgedreht und weiter präpariert. Auf diese Weise wird es ermöglicht, das ganze Fell völlig unverletzt in den Handel zu bringen. Jedenfalls ist der Zobelfang eine ununterbrochene Reihe von Mühseligkeiten aller Art, und wenn ein Jäger zwanzig Zobelfälle auf einer Expedition erbeutet, so schätzt er sich glücklich. Für ein einzelnes Zobelfell erhält der Jäger Waren im Werte von 16 Rubeln (= 52 Mark). In St. Petersburg gilt es dann ein Mehrfaches davon. Völlig wertlos sind die Bälge der im Frühjahr erbeuteten Zobel, auch wenn sie noch ihre Winterhaare haben, denn dieses fällt selbst dann noch aus, wenn die Haut schon hergerichtet ist. Natürlich wird von dem kostbaren Pelz jedes Fleckchen verwertet; so werden beispielsweise die helleren und dunkleren Partien der Kehle zu farbenprächtigen Pelzstücken zusammengefügt, die als Mantelfutter sehr beliebt sind. Infolge des Immerseltenerwerdens des Zobels machen sich die Zobeljagden je länger um so schlechter bezahlt, so daß die russischen Pelzhändler in diesem Jahre beschlossen, den Präsidenten des Ministerrats telegraphisch um ein Verbot des Zobelfangs während zweier Jahre zu bitten. Nur hierdurch könne der Ausrottung des Zobels vorgebeugt werden.

Unter unseren einheimischen Säugetieren liefert der Baum- oder Edelmarder (Mustela martes) das weitaus kostbarste Pelzwerk, das in seiner Beschaffenheit am meisten demjenigen des Zobels ähnelt. Die schönsten und größten liefert Skandinavien. Diese sind noch einmal so dicht und so lang als diejenigen unserer deutschen Edelmarder und in der Farbe grauer. Unter den deutschen finden sich mehr gelbbraune als dunkelbraune, welch letztere mehr in Tirol vorkommen und dem amerikanischen Zobel oft täuschend ähneln. Die südlicher vorkommenden Edelmarderarten sind heller, blaßgraubraun oder gelbbraun. Der Edelmarder lebt von menschlichen Wohnungen weit entfernt in Wäldern und findet sich um so häufiger, je einsamer, dichter und finsterer sie sind. Er ist ein echtes Baumtier und ein unübertroffener Kletterer, bereitet sich in hohlen Bäumen, Felsspalten, verlassenen Nestern von Wildtauben, Raubvögeln und Eichhörnchen ein weiches Lager aus Moos, das er — denn er besitzt gleichzeitig mehrere Wohnungen — nach Störungen mit einem andern vertauscht. Wo er sich sicher fühlt, geht er schon in den frühen Abendstunden, sonst erst mit Beginn der Nacht auf Raub aus. Vom Rehkälbchen und Hasen bis hinab zur Maus ist kein Säugetier vor ihm sicher, ebenso Wald- und Feldhühner. Geräuschlos schleicht er zu ihrem Lager, mag dieses auf einem Baume oder am Boden sein, überfällt sie plötzlich und würgt sie ab, gierig sich am Blute der zerbissenen Halsschlagader labend. Außerdem plündert er alle Vogelnester aus, raubt den Bienen den Honig und sucht sich an Früchten und Beeren der verschiedensten Art zu laben. Wenn ihm Nahrung im Walde zu mangeln beginnt, wird er dreister und schleicht sich an die menschlichen Wohnungen heran, um den Hühnerställen und den Taubenschlägen einen Besuch abzustatten und darin große Verwüstung unter den Insassen anzurichten. Er würgt nämlich, von Blutgier berauscht, auch dann noch, wenn sein Hunger gestillt ist. Im Januar oder Februar findet die Paarung statt und im April oder Mai wirft das Weibchen in sein Mooslager 3–5 Junge, die 14 Tage lang blind sind, im Alter von 6–8 Wochen jedoch schon selbständig auf den Bäumen herumspringen und von den Alten sorgsam zur Jagd angeleitet werden. Solche Junge lassen sich wie junge Zobel leicht zähmen, während alt eingefangene Individuen ihre Wildheit niemals verlieren. Überall wird der Edelmarder auf das eifrigste verfolgt, weniger um seinem Würgen zu steuern, als vielmehr um sich seines wertvollen Felles zu bemächtigen. Man fängt ihn in Tellereisen und Kastenfallen mit einem Stückchen in ungesalzener Butter mit etwas Zwiebel und Honig gebratenem Brot, das man mit Kampfer bestreut. Am leichtesten erwischt man ihn, wenn man ihn mit einem scharfen Hunde bei Neuschnee bis zu seinem Lager verfolgt und ihn dort schießt oder vom Hunde, gegen den er wütend springt, abwürgen läßt.

Etwas kleiner als der Edelmarder und mit einem weit weniger wertvollen helleren, kürzeren Pelze versehen ist der Stein- oder Hausmarder (Mustela foina), so genannt von seiner Vorliebe für Felsen, Steinhaufen und menschliche Wohnungen, in denen er Mäuse, Ratten, Hühner, Tauben und anderes Geflügel zu erbeuten hofft. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich weiter südlich und weniger nach Norden als dasjenige des vorigen. In Deutschland ist er häufiger als der Edelmarder, den er an Kühnheit übertrifft und dessen Lebensweise sich fast ganz mit der seinigen deckt. Er ist schon aus dem Grunde weit schädlicher als jener, weil er weit öfter Gelegenheit findet, dem Menschen Verluste an seinem Hausgeflügel beizubringen und sein Spalierobst zu brandschatzen. Wie seine Verwandten ist auch er im Vergleich zu seiner Größe ein außerordentlich blutdürstiges Tier, das oft mehr Beute tötet als es fressen kann. Während der Paarungszeit, die Ende Februar, ungefähr drei Wochen später als diejenige des Edelmarders, stattfindet, läßt dieser sonst schweigsame Marder katzenähnliche, schon auf weite Strecken hörbare Rufe vernehmen. In seinem in einer Baumhöhle, einer Felsenspalte oder an einem anderen geschützten Ort aus Heu oder Stroh errichteten Nest wirft das Weibchen 4–5 vierzehn Tage lang blinde Junge, die sich leicht zähmen lassen. Während das Fell des Edelmarders auf 30–100 Mark zu stehen kommt, kostet das des Steinmarders 20–40 Mark. Auch sein Pelz ist um so wertvoller, aus um so nördlicherer Gegend er stammt. So werden die Edel- und Steinmarderfelle Nordeuropas meistens als Zobel verkauft, obschon sie jenen an Wert weit nachstehen, nicht bloß wegen ihrer Farbe und der geringen Haarlänge, sondern auch wegen der verhältnismäßig bedeutenden Länge des von den Grannen kaum verdeckten Wollhaars.

Der nächste mitteleuropäische Verwandte des Iltis ist das Hermelin oder große Wiesel (Mustela erminea), das nördlich von den Pyrenäen und dem Balkan in ganz Europa, ebenso in Mittel- und Nordasien bis zur Ostküste Sibiriens vorkommt. In Deutschland ist es eines der häufigsten Raubtiere, das tagsüber in einem Erdloch oder anderen Schlupfwinkel schläft, um gegen Anbruch der Dämmerung rege zu werden und außer Mäusen, Ratten, Schlangen und Eidechsen, Kaninchen, Tauben, Hühner, Sperlinge, Schwalben, Lerchen und dergleichen aus ihren Nestern zu holen. Meist jagt es paarweise, nicht selten auch zu dreien, zeigt große Behendigkeit, tollkühnen Mut und eine unbändige Mordlust. Im April oder Mai legt das Weibchen in ein verstecktes, weich ausgepolstertes Nest 5–6 und mehr Junge, die es sorgfältig beschützt und großzieht. In allen nördlicheren Gegenden seines Verbreitungsgebietes wird es im Winter bis auf die auch dann schwarzbleibende Schwanzspitze weiß, so bei uns in Deutschland, wie in Skandinavien und dem schottischen Hochland, während es in Nordengland häufig, aber nicht immer, und in Südengland nur selten weiß wird. In die Enge getrieben, strömt es einen höchst unangenehmen, durchdringenden Duft aus, wenn auch weniger stark als der Iltis. Es wird in Fallen aller Art, auch Rattenfallen, in die es zufällig gerät, gefangen. Jung aus dem Nest genommene Hermeline werden sehr zahm, folgen ihrem Herrn wie ein Hund und bereiten ihm viel Vergnügen. Früher war der Hermelinpelz sehr geschätzt und durfte nur von Fürsten getragen werden. Heute tragen ihn oder dessen Imitation auch Bürgersleute; doch ist er gleichwohl im allgemeinen weniger begehrt als einst, da die Krönungsmäntel der Fürsten aus ihm mit den schwarzen Schwanzspitzen wie Flämmchen zwischen dem reinen Weiß bestanden. Die aus nördlicheren Gegenden stammenden Pelze sind gleichfalls besser und deshalb begehrter als die aus südlicheren, die kürzeres, dünneres und weniger reinweißes Haar besitzen. Während noch im Jahre 1833 über 100000 Hermelinfelle nach England kamen, fand man später die Mühe des Sammelns nicht mehr lohnend genug; doch hob sich in letzter Zeit ihr Import infolge der gesteigerten Nachfrage in bedeutendem Maße und ist ihr Preis sehr stark gestiegen.

Weit weniger wertvoll ist der Pelz des kleinsten europäischen Marders, des Wiesels (Mustela vulgaris). Es ist im Norden der ganzen Welt verbreitet und findet sich in geeigneten Gegenden fast überall, indem es in Baumhöhlen, Steinhaufen, altem Gemäuer, unter hohlen Ufern, in Maulwurfsgängen, Hamster- und Rattenlöchern, im Winter in Scheunen, Kellern und Ställen, unter Dachböden usw. Schlupfwinkel vor seinen größeren Feinden sucht. Von dort aus unternimmt dieses kühne und neugierige Tier, wo es ungestört ist selbst bei Tage, wo es aber verfolgt wird bloß bei Nacht oder wenigstens tagsüber nur mit größter Vorsicht, seine Raubzüge, bei denen es alle kleinen Tiere, die es zu überwältigen vermag, abwürgt und frißt. Als geselliglebendes Tier jagt es oft auch gemeinschaftlich, wobei es von den größeren Tieren, die es mordet, nur das Blut leckt. Meist in einer Erdhöhle oder in einem hohlen Baum wirft das Weibchen nach fünfwöchiger Tragzeit 2–3mal im Jahr 5–8 Junge, die es lange säugt und dann noch mehrere Monate mit Mäusen ernährt, die es ihnen lebendig zuträgt. Bei Gefahr verteidigt es dieselben mit größtem Mute und trägt sie bei Beunruhigung im Maul an einen andern Ort. Von Kindheit auf an den Menschen gewöhnt, werden die Wiesel ungemein zahm und können 4–6 Jahre in der Gefangenschaft aushalten. In der Freiheit dürften sie ein Alter von 8–10 Jahren erreichen und machen sich durch die Mäusejagd, zu der sie sich vortrefflich eignen, ungemein nützlich, so daß sie so viel als möglich geschont werden sollten, um so mehr ihr winziges Pelzchen nur geringen Wert hat.

Sehr wertvoll ist der Pelz des früher besprochenen Fischotters (Lutra vulgaris), der 30–50 Mark wert ist und zu Mützen, Kragen und Verbrämungen verwendet wird. Noch beliebter ist er bei den Mongolen, die viel höhere Preise als die Europäer für ihn bezahlen. Am wertvollsten ist aber derjenige des nordamerikanischen Fischotters, der einen Wert bis zu 200 Mark erreicht. Ein Riese von über 1 m Körperlänge und einem Schwanz von 60 cm ist der brasilische Fischotter (Lutra brasiliensis), der ungleich andern Ottern ein ausgesprochenes Tagtier ist. Auch sein Fell steht hoch im Preise. Unvergleichlich kostbarer als dieses ist aber das des Seeotters (Enhydris lutra), der eine Gesamtlänge von 1,5 m bei einer Schwanzlänge von 30 cm und ein Gewicht von 40–50 kg erreicht. Der lange, walzenförmige Körper trägt vorn kurze und hinten längere Füße mit Schwimmhäuten. Das auffallend lose Fell besteht der Hauptsache nach aus dem weichen Wollhaar von dunkelbrauner Farbe, zwischen dem sich die langen, steifen, an der Spitze weißen Grannenhaare nur in geringer Anzahl finden. Sie verleihen aber dem Pelz das prachtvolle, silberschimmernde Aussehen und den herrlichen Glanz. Je gleichmäßiger und dichter die Silberspitzen in dem Pelz verteilt sind, um so kostbarer ist er; davon gibt es einzelne Stücke, die bis 8000 Mark wert sind. Ein gutes Fell bringt schon dem kamtschadalischen Jäger 100 Rubel ein und kostet durchschnittlich 1200–1600 Mark, in tadellosen Stücken in Europa sogar 4000–6000 Mark. Im Frühjahr, vom März bis Mai, ist der Pelz am besten. Daher wird die Jagd auf den Seeotter zu dieser Jahreszeit am eifrigsten betrieben. Und zwar wird dieses Tier entweder in seinem Lager beschlichen und getötet oder vom Boot aus, nachdem man sich leise an dasselbe herangerudert hat, erschlagen, auch durch Schüsse in den Kopf erbeutet. Zu Ende des Winters wird es auf dem Eise auf Schneeschuhen eingeholt und mit einem Stocke totgeschlagen.

Der Seeotter ist ein äußerst scharfsichtiges, kluges und behendes Tier, das sich mit vollendeter Meisterschaft im Wasser bewegt und auch am Lande sehr flink ist. Seine Heimat sind die Gestade des nördlichen Stillen Ozeans. Längs der amerikanischen Küste geht er aber weiter nach Süden als längs der asiatischen, wird aber auch hier dank der eifrig auf ihn betriebenen Jagd immer seltener. Er ernährt sich der Hauptsache nach von Schaltieren und Seeigeln, daneben von Krabben, weniger von Fischen. Das, wie es scheint, zu verschiedenen Jahreszeiten geborene einzige Junge ist erst im vierten oder fünften Jahre ausgewachsen; es läßt sich in der Gefangenschaft nicht aufziehen, da es darin ausnahmslos eines freiwilligen Hungertodes stirbt. Vielleicht weil es da in größerer Menge sein Lieblingsfutter findet, zieht es gewisse Örtlichkeiten anderen vor. So werden mehr als zwei Drittel der an den Küsten von Alaska erbeuteten Seeotter in der Umgebung der Insel Saanach und Chernobours erbeutet. Früher waren sie bei den ostwärts von den Alëuten im Beeringmeer gelegenen Prybiloffinseln so häufig, daß in der ersten Jagdperiode nach der Entdeckung dieser Inseln dort über 5000 Stück erbeutet wurden. Sechs Jahre später war der Seeotter bei den Prybiloffinseln vollständig verschwunden, und auch an fast allen andern Stellen seines Verbreitungsgebietes ist er so selten geworden, daß er, wenn er nicht aussterben soll, schleunigen Schutzes bedarf. Heute werden jährlich höchstens 500 Seeotterfelle auf den Markt gebracht und meist Kragen daraus geschnitten. In China sind solche Seeotterpelze besonders beliebt und reiche Würdenträger lassen sich ganze Mäntel daraus verfertigen, die selbst dort mit 15000–20000 Mark bezahlt werden müssen.

Ungefähr dieselben Breiten wie der Seeotter bewohnt die nordische Bärenrobbe (Otaria ursina), eine in den männlichen Exemplaren bis 2,4 m lange und 400 kg schwere Pelzrobbe mit einem Gürtelumfang von 1,8–2,1 m. Während diese ihre volle Größe etwa im sechsten Jahre erreichen, tun dies die viel kleineren Weibchen schon im fünften Jahre. Sie werden nur 1,2 m lang, 40–50 kg schwer und erhalten einen Gürtelumfang von 76 cm. In der Jugend sind sie glänzend schwarz, später die Männchen an den oberen Teilen mit Ausnahme der Schultern beinahe schwarz mit einer mehr oder weniger starken, bald mehr grauen, bald mehr rötlichen Bereifung, auf den Schultern grau, am Gesicht bräunlich, an der Brust bräunlich orangefarben und an Bauch und Beinen rötlichbraun. Die Weibchen dagegen tragen ein viel helleres Gewand, das oben ziemlich einförmig grau, unten dagegen bräunlich oder roströtlich ist. Die Bärenrobbe kam früher an der amerikanischen Seite des Stillen Ozeans südwärts bis nach Kalifornien vor, an der asiatischen bis zum Südende der Insel Sachalin. Heute besucht sie zur Fortpflanzung vor allem die beiden Inseln St. Paul und St. Georg der Prybiloffgruppe. Das Klima dieser hochnordischen Inseln ist sehr unwirtlich; selbst im kurzen Sommer bedeckt fast immer Nebel das Land, der Regen setzt fast keinen Tag aus und im Winter liegt alles unter Eis und Schnee begraben. Auf diesen vollständig öden und vom Menschen nicht bewohnten Inseln erscheinen im Mai nach der Schneeschmelze zuerst die erwachsenen Männchen der sonst im offenen Meer von Fischen lebenden Bärenrobbe. Sie sind sehr scheu und halten sich zunächst immer dicht am Ufer auf, später suchen sie sich mehr landeinwärts Standplätze auf, an denen im Juni noch weitere Männchen zu ihnen stoßen, mit denen sie oft grimmige Kämpfe ausfechten, um ihren jeweiligen Standort zu behaupten. Von den fortwährenden Kämpfen mit den Nebenbuhlern erschöpft und verdrängt müssen viele der ersten Ankömmlinge sich weiter landeinwärts einen neuen Standplatz suchen; manche derselben gehen an den mit den scharfen Eckzähnen erzeugten schweren Wunden zugrunde. Ein laut dröhnendes Gebrüll, das selbst das Donnern der Brandung übertönt, wird von den im ununterbrochenen Kampfe befindlichen Männchen ausgestoßen. Zu den Kämpfen um den Platz treten nach Ankunft der Weibchen Mitte Juni die um deren Besitz, die mit voller Wut während der ganzen Paarungszeit fortgesetzt werden. Kein Wunder, daß die Männchen Mitte Juli, wenn die letzten Weibchen ankommen, schon völlig erschöpft sind. Schließlich haben aber die meisten Weibchen bekommen, deren Zahl je nach der Stärke der Männchen und der Lage der von ihnen eingenommenen Plätze verschieden ist. Bei einem durch die günstige Lage seines nur mit einem Zugangsloch versehenen Platzes begünstigten alten Männchen hat man über 45 Weibchen beobachtet; die in der Nachbarschaft des Ufers festgesetzten Männchen haben durchschnittlich 12–15, die weiter ins Land zurückgedrängten nur 5–9 Weibchen und manche der am weitesten landeinwärts verdrängten Männchen erlangen überhaupt keine. Indessen können etliche von den bis fast an den Schluß der Paarungszeit unbeweibten Männchen die Stelle der inzwischen infolge Erschöpfung abgezogenen Nebenbuhler einnehmen. Während der ganzen Paarungszeit, die bis in den August hinein andauert, können die ihren Platz zu behaupten wünschenden Männchen denselben auch nicht einen Augenblick verlassen und fasten wenigstens drei, manchmal auch vier Monate hindurch. Dabei leben sie von dem vorher reichlich angesammelten Speck.

Die Weibchen der Bärenrobbe sind sehr sanftmütige Geschöpfe, die niemals einen Streit miteinander haben und selten einen Schrei ausstoßen, auch wenn sie von den Männchen roh behandelt oder gar mit den Hauern schwer verwundet werden. Nur wenn sie ihr Junges geworfen haben, blöken sie, um es an sich zu locken. Gleich bei ihrer Ankunft werden sie von den dem Ufer nächsten Männchen mit aller Aufmerksamkeit empfangen, wechseln aber in der Folge oft ihren Besitzer, indem sie immer weiter nach dem Innern drängen, wo sie unter sorgfältiger Vermeidung von Plätzen mit Wassertümpeln Herden bilden. Hier werfen sie bald nach ihrer Ankunft je ein Junges, das sie immer wieder nach ihren Exkursionen zum Fressen ins Meer aufsuchen, um es zu stillen. Mit dem Größerwerden desselben bleibt die inzwischen aufs neue befruchtete Mutter immer länger aus. Anfangs August versuchen sich die dem Ufer nächsten Jungen im Schwimmen. Wenn auch die ersten Schwimmübungen sehr unbeholfen ausfallen und bald eingestellt werden, so bilden sie sich bald zu geschickten Schwimmern aus, die von Ende September in größeren Gesellschaften das Meer nach Beute durchsuchen. Ende Oktober verlassen sie mit den Müttern und älteren Geschwistern die Inseln, um sich mit Eintritt des Winters nach dem wärmeren Süden zu begeben.

Tafel 67.

(Copyright M. Koch, Berlin.)

Biber.

(Copyright M. Koch, Berlin.)

Von Bibern errichteter Damm.

Tafel 68.

(Copyright Underwood & Underwood.)

Junge Ohrenrobben am Strand der Insel Santa Catalina in Kalifornien.


GRÖSSERES BILD

Auf den Prybiloffinseln dürfen nur die unbeweibten ein- bis sechsjährigen Männchen getötet werden, und auch diese nur in bestimmter Zahl, um der Ausrottung der Tiere vorzubeugen. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat das alleinige Recht zum Robbenschlag auf den Prybiloffinseln im Jahre 1869 an eine Handelsgesellschaft verpachtet und ihr erlaubt, auf St. Georg jährlich 25000 und auf St. Paul 75000, also zusammen 100000 junge Männchen zu töten. Durch die Ausbeutung dieses Rechtes hat die Gesellschaft von 1869 bis 1889 über 33 Millionen Dollar eingenommen, und zwar unter Aufwendung einer geringen Arbeit, indem sich die ein- bis sechsjährigen männlichen Bärenrobben für sich halten und von den Angestellten der Gesellschaft leicht vom Meere abgedrängt werden können. Die auf dem Lande unbeholfenen, vor Angst brüllenden Tiere werden nun langsam dem Innern zugetrieben, wobei sie in einer halben Stunde beinahe einen Kilometer zurücklegen. Dann müssen sie eine Zeitlang ruhen und sich erholen, bis sie weitergetrieben werden können. Unterwegs werden alle wegen Beschädigung des Felles unbrauchbaren Tiere und die etwa mitgefangenen Weibchen ausgesondert und ihnen die Rückkehr zum Meere gestattet. Der anderen harrt, an den Schlachtplätzen in der Nähe der Salzhäuser angelangt, ein schreckliches Schicksal. Nachdem sie eingehürdet, sich gekühlt und ausgeruht haben, werden sie in Scharen von 50–100 Stück durch Hiebe auf den Kopf mit schweren eichenen Knütteln niedergehauen und von den noch warmen, zuckenden Leibern die Felle abgestreift und in die Salzhäuser gebracht. Hier werden sie immer zwei und zwei mit den Haarseiten aufeinander gelegt und so schichtenweise verpackt, wobei jede Schicht mit einer Lage Salz bedeckt wird. Nachdem die Felle so 2–3 Wochen gelagert haben, werden sie paarweise, aber jetzt mit der Haarseite nach außen, zusammengerollt und, in Fässer verpackt, in die Schiffe verstaut, die sie nach London, dem Hauptmarkt dieser rohen Felle, führen. Von dort kommen sie nach Entfernung des groben aschgrauen bis braunschwarzen Grannenhaars als kostbarer Sealskin in den Handel, um als Jackett eine Dame oder als Kragen den Mantel eines reichen Herrn zu zieren. 40–50 Robbenjäger töten und enthäuten an einem Tage bis zu 3000 Stück der wehrlosen Pelzrobben. Während des Sommers 1872 haben 45 Leute über 72000 Bärenrobben in weniger als vier Wochen zum Schlachtplatz getrieben, getötet und abgehäutet.

Trotz der Bestimmung, daß in jedem Jahre nur 100000 männliche Bärenrobben getötet werden dürfen, soll diese Anzahl vielfach überschritten werden. Die Folge davon ist, daß die Zahl der die Prybiloffinseln zur Fortpflanzung aufsuchenden Bärenrobben immerfort abnimmt. Die jungen Männchen und unfruchtbaren Weibchen bleiben auch den Sommer über auf hoher See, wo ihnen britische Schiffe nachstellen. Hat eins der wohlausgerüsteten etwa 50 britischen Segelschiffe eine Bärenrobbe in der Beringsee gesichtet, so werden mit je zwei Matrosen und einem mit zwei Schrotflinten und einer Kugelbüchse ausgerüsteten Jäger bemannte kleine Boote auf die Pelzrobbenjagd ausgesandt. Ruhig fährt das Boot an die wahrgenommene Bärenrobbe heran und der Jäger sucht sie durch einen Schuß in den Kopf zu töten, was allerdings durch die große Wachsamkeit der Tiere in den allermeisten Fällen vereitelt wird, indem sie beizeiten die Gefahr merken und untertauchend in die Tiefe verschwinden. Der Jäger soll nur dann schießen, wenn er seiner Beute ganz sicher zu sein glaubt. Ist diese getroffen, so beginnt sie sofort zu sinken, weshalb das Boot sich beeilen muß, an den Kadaver heranzukommen, ihn zu gaffeln und an Bord zu nehmen. Die auf die Robbenjagd geschickten kleinen Boote bleiben auf dem Wasser, solange sie eine Bärenrobbe sehen können, und wenn sie manchmal auch nur eine oder zwei während eines ganzen Tages erbeuten, so fallen ihnen gelegentlich auch mehr, bis zwanzig, zum Opfer. Das Fleisch dieser Tiere wird von den Eingeborenen, aber auch den Europäern, gern gegessen, da es recht schmackhaft ist.

In derselben Weise wie der Bärenrobbe wird auf den Prybiloffinseln der im männlichen Geschlecht bis 4 m langen, einen Umfang von 2,5–3 m und ein Gewicht von 500–650 kg erreichenden Stellerschen Ohrenrobbe (Otaria stelleri), von den Matrosen wegen ihres grimmigen Gesichtsausdrucks Seelöwe genannt, nachgestellt. Diese größte aller Pelzrobben, die in der Jugend lebhaft kastanienbraun, erwachsen dagegen in beiden Geschlechtern hellrötlichbraun ist, wurde im Jahre 1741 während Berings erster Forschungsfahrt in diesem Weltteil entdeckt und von dem Bering begleitenden Naturforscher Steller, nach welchem das Tier später benannt wurde, beschrieben. Da diese Robbe ihren schweren Körper über Land nur sehr mühsam fortbewegt, begibt sie sich während der Fortpflanzungszeit nicht so weit ins Land hinein wie die Bärenrobbe, nämlich nicht sehr weit über den Bereich der höchsten Flut hinaus. Während der Paarungszeit im Frühsommer besucht sie dieselben Küstenstrecken wie die Bärenrobbe, die sie durch ihre bedeutendere Stärke verdrängt, ohne daß sie sich ihrem gewaltigen Gattungsgenossen gegenüber zur Wehr setzte. Doch scheint es die männliche Ohrenrobbe bei der Bildung und Beschützung ihres Harems weniger genau zu nehmen als die männliche Bärenrobbe. Die Ohrenrobbe ist äußerst scheu und wachsam und läßt keinen Menschen nahe herankommen, ohne daß sie sich plötzlich Hals über Kopf ins Meer stürzte. Hierbei werden die Weibchen von den Männchen begleitet, die die Jungen bewachen, sie im Wasser schwimmend umkreisen und sie so lange zusammenhalten, bis eine neue Landung gefahrlos erscheint. Bei den Jungen bleiben auch die mit ihnen und den Männchen ins Wasser geflohenen Weibchen, tauchen und schwimmen hierhin und dorthin, beim jedesmaligen Auftauchen den Störenfried mit einem heisern Grollen bedrohend.

Auf ihren Paarungsplätzen erscheinen die männlichen Ohrenrobben im Mai. Ihnen folgen 3–4 Wochen später die Weibchen, die ihre Jungen einen Monat früher als die Bärenrobben werfen. Auch bei ihnen nehmen die stärksten Männchen die meisten Weibchen in Beschlag, um bis Ende September mit ihnen zusammenzubleiben. Gewöhnlich versammelt jedes genügend starke Männchen 10–15 Weibchen um sich, um sie bald nach dem Werfen der Jungen zu befruchten. Auch nach der Paarungszeit halten sich die Ohrenrobben den ganzen Winter hindurch nahe der Küste. Doch sind sie nicht mehr zahlreich auf den Prybiloffinseln. Man schätzt die Anzahl der die Insel St. Paul besuchenden Ohrenrobben auf etwa 25000, während 7000–8000 auf die zweite Hauptinsel der Prybiloffgruppe, St. Georg, kommen sollen. Ein Beobachter meint, daß übrigens nur 15000–20000 Ohrenrobben im Jahre die Prybiloffinseln besuchen. Auf der Insel St. Paul werden die zum Abschlachten bestimmten Ohrenrobben langsam der Küste entlang getrieben, wobei sie fortwährend tiefe Klagetöne ausstoßen. Um die Tiere aufzuscheuchen, genügt es, in ihrer Nähe plötzlich einen Regenschirm auszuspannen. Dies wird alle paar Minuten wiederholt, bis die ganze Herde munter geworden ist und sich unter viel Gebrüll und Gekläff in Bewegung setzt. Durch Rufe und Flaggenschwenken am Ende und an den Rändern der Herde werden die Tiere, die jetzt so gut wie möglich vorwärtshumpeln, so lange in Bewegung gehalten, bis sie neuer Ruhe bedürfen. Endlich am Schlachtplatz angelangt, werden die zum Erschlagen durch Keulen viel zu gewaltigen ausgewachsenen Männchen mit Büchsen totgeschossen und ihr Fell abgezogen. Die Weibchen und jungen Männchen dagegen, die die besten Pelze liefern, werden erstochen. Mit einem scharfen Messer wird das Unterhautzellgewebe der abgezogenen Häute und zugleich damit die tiefer als die Wollhaare wurzelnden Grannenhaare durch Entwurzelung aus dem Pelze entfernt. Im übrigen ist die Behandlung der Felle dieselbe wie bei den Bärenrobben.

Von ihnen wie von den weiter südlich lebenden Ohrenrobben wird auch das Fett gesammelt und eingekocht, das schwach behaarte Fell der letzteren zur Herstellung eines starken Leders erbeutet. Vor etwa 100 Jahren war die Zahl der Ohrenrobben vieler Gegenden ungeheuer groß. An der chilenischen Küste, die seitdem nahezu eine Million Felle lieferte, sollen damals 500000–700000 dieser Tiere gelebt haben. In Südgeorgien wurden im Jahre 1800 nicht weniger als 112000 Bärenrobben erbeutet, wovon auf ein einziges amerikanisches Schiff rund 50000 kamen. Damals wurde auch die Entdeckung von Bärenrobben an der australischen Küste bekannt, von wo im Jahre 1804 ein einziges Schiff 74000 Häute ausführte. Auch an den südostwärts vom Kap der Guten Hoffnung gelegenen Prinz Edward-Inseln wurden große Scharen von Ohrenrobben erbeutet, und zwischen 1820 und 1821 wurden über 300000 Häute von den Südshettlandinseln ausgeführt, wo 1821 über 100000 junge Ohrenrobben, ihrer Mütter beraubt, zugrunde gingen. Von der in der Nähe der Küste von Neusüdwales gelegenen Antipodeninsel wurden 1814 und 1815 über 400000 Felle großer Pelzrobben ausgeführt, wovon der vierte Teil bei der Ankunft in Europa wegen ungenügender Zubereitung als Dünger verkauft oder fortgeworfen werden mußte. Kein Wunder, daß die Anzahl der Pelzrobben der südlichen Meere schon im Jahre 1813 so gering geworden war, daß die auf ihren Fang ausgehenden Schiffe statt Gewinn meistens Verlust hatten, und daß eine den Pelzrobben geltende Schiffsreise ein großes Risiko in sich faßte, ob sie sich überhaupt bezahlt macht. So unvernünftig hat das grimmigste Raubtier, der Mensch, mit den ihm unerschöpflich scheinenden Naturschätzen gewütet, die ihm bei einigermaßen vernünftiger Ausbeutung viele Jahrhunderte hindurch Reichtümer ohne Zahl gewährt hätten. Die einst immensen Herden von Pelz- und Haarrobben sind heute so sehr zusammengeschmolzen, daß jährlich insgesamt nur noch etwa 185000 Pelz- und 875000 Haarrobben erbeutet werden. Wenn nicht ganz energische Schonungsmaßregeln von seiten der betroffenen Nationen ergriffen werden, wird das völlige Aussterben der großen Ohrenrobben wie so mancher anderer Wunder der Schöpfung — es sei hier nur an die gewaltige Stellersche Seekuh erinnert — nur eine Frage der Zeit sein.

Ein anderes Wassertier, dessen Pelz sehr geschätzt wird, ist der ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte Biber, von dem in einem früheren Abschnitte eingehend die Rede war. Für den Handel ist nur noch mit dem Biber in Nordamerika, speziell Kanada, zu rechnen. Von dort kommen ungefähr noch 50000 Felle jährlich in den Handel. Die Farbe des Bibers, die gewöhnlich auf der Oberseite dunkelbraungrau, auf der Unterseite dagegen heller ist, variiert ganz bedeutend. Es gibt von ihm ganz helle und ganz dunkle Exemplare; die Pelze der letzteren sind die wertvollsten. Bei deren Zubereitung wird das grobe, braune Grannenhaar entweder stehen gelassen oder entfernt, so daß nur das weiche, dichte, graublaue Wollhaar zurückbleibt, das ein sehr feines, überaus geschätztes Pelzwerk liefert.

Eines der wichtigsten Pelztiere ist der Fuchs, dessen Lebensweise ebenfalls bereits besprochen wurde. Der bei uns heimische Rotfuchs mit rötlichgelbem, auf dem Rücken braunrotem Pelze hat an seiner dichten, buschigen Lunte meistens eine weiße Spitze. Je nach ihrer Farbe und Dichtigkeit steigen die Felle des Fuchses bedeutend an Wert. Die schönsten für Pelzwerk in Betracht kommenden Rotfüchse stammen aus Alaska und Kamtschatka; aber auch Sibirien hat sehr gesuchte Fuchspelze. Im Gouvernement Tobolsk wurden in den letzten Jahren 50000–75000 junge und nur 5000–10000 ausgewachsene Füchse jährlich gefangen. In den Gouvernements Jakutsk und Jenissei, wo die Jungen nicht gefangen werden dürfen, kommen jährlich 15000 bis 25000 Füchse zur Strecke. Zu diesem Rotfuchs tritt in den Polarländern noch der Weißfuchs. Eine besondere Art desselben mit blaugrauer Farbe ist der Blaufuchs, der schon sehr hoch im Preise steht. Bei weitem am kostbarsten sind aber die Silber- oder Schwarzfüchse, die in Sibirien, auf den Alëuten und im nördlichsten Teile Kanadas leben, aber heute infolge der unaufhörlichen Verfolgung überall selten geworden sind, so daß man sie manchenorts in regelrechte Zucht in eingehegten Revieren genommen hat, um einigermaßen mühelos ihren kostbaren Pelz zu erhalten. Derselbe hat ganz schwarzes, sehr feines, langes Haar, das stets nach unten fällt. Trägt dieses Haar weiße Spitzen, so wird der Pelz Silberfuchs genannt, überwiegt aber das reine Schwarz in der Färbung und sind nur wenige Stellen mit Silberhaaren bedeckt, dann heißt der Pelz Schwarzfuchs. Ganz reine Schwarzfüchse ohne jedes Silber sind ganz außerordentlich selten. Von ihnen werden jährlich noch nicht ein halbes Dutzend erbeutet, und der Wert eines solchen Felles steigt bis auf 12000 Mark.

In den Provinzen Schensi und Schansi wird das an Gestalt der Angoraziege ähnliche Tibetschaf in großen Massen nur des Pelzes wegen gezüchtet. Der deutsche Pelzhandel kennt diese Felle, die sich durch eine feine, langhaarige, glänzendweiße Wolle auszeichnen, seit kaum 20 Jahren. Heute aber werden jährlich wenigstens 600000 Stück davon importiert, und zwar meist schon in zugerichtetem Zustande, was die Chinesen, die überhaupt Meister in der Kürschnerkunst sind, ganz vortrefflich besorgen. In den weiten Ebenen und Steppen der Bucharei dagegen lebt in großen Herden bis zu 5000 Stück das auf Seite 127 besprochene Fettschwanzschaf von Arkalabstammung, das die schwarzen, seidenglänzenden, vielfach gekräuselten und gerollten Pelze gibt, die unter dem Namen Astrachan, Krimmer oder Persianer in den Handel gelangen und prächtige Wintermäntel und Jacken liefern. Ihn erzeugen die ganz jungen Schafe, während die Felle der neugeborenen Lämmer, die ein eigenartiges, moiréähnliches Muster zeigen, Breitschwanz genannt werden. Letztere werden an Ort und Stelle schon mit 8 Mark das Stück bezahlt, während die Felle der älteren Lämmer als Astrachan nur 4 bis 5 Mark kosten. Um die Bildung der feinen Löckchen des Felles zu fördern, näht man zuweilen die jungen Lämmer während ihres kurzen Lebens in ein Fell oder ein Stück grobe Leinwand ein. Die Bucharen sind sehr stolz auf diese ihre Schafe, die so herrliche Felle besitzen und die es noch nicht gelang anderswo anzusiedeln. Die Felle werden alljährlich von den Vertretern großer Pelzfirmen an Ort und Stelle eingekauft oder gelangen auch auf die großen Märkte nach Astrachan. Sie werden darauf in rohem Zustande in besonderen Fabriken einer ersten Präparierung unterworfen, die sie für die Reise nach Europa geeignet macht. Hier werden sie vollends gereinigt und, da das natürliche Schwarz zu stumpf wirkt, noch künstlich gefärbt, bis sie den sie so beliebt machenden schwarzen Glanz erlangt haben.

Zu Nachahmungen wertvollerer Pelze dient hauptsächlich der dichte Winterpelz des Kaninchens. Zu diesem Zwecke wird er gewöhnlich geschoren, gefärbt und kommt dann als Sealkanin, Nutriakanin, Chinchillakanin und Zobelkanin in den Handel. Am beliebtesten ist das Fell des Silberkaninchens, das im Rohzustande herrliche Imitationen des echten Hermelins liefert. Deshalb wird dieses Tier in sehr großen Mengen gezüchtet und seine Felle in gewaltiger Zahl namentlich in die romanischen Länder eingeführt, wo sie meist sehr gut bezahlt werden. Außer durch Kaninchenfell wird der so beliebte Chinchillapelz vielfach auch durch das Fell einer australischen Beuteltierart imitiert. Das Fell des nordischen Eisfuchses wird sehr häufig durch dasjenige des nordischen Schneehasen nachgeahmt oder aus dem Felle des vorhin genannten weißen Tibetschafes imitiert, nachdem es durch Aufbügeln und Auskämmen einem Regenerationsverfahren unterworfen wurde. Auf eine bestimmte nordische Wolfsart führt meist der vielgerühmte Kamtschatkafuchs seinen Stammbaum zurück und hinter dem Luchspelz aus Rußland steckt in der Regel das Fell eines australischen Beuteltieres. Der russische Edelmarder entpuppt sich dem Kundigen nicht selten als Fell des nordamerikanischen Opossums, also ebenfalls eines Beuteltieres. Gleicherweise werden auch die als Kolinski bezeichneten Felle des tatarischen Marders durch diejenigen von Hauskatzen geschickt nachgeahmt.

Wie die Säugetiere der nördlichen Breiten mit ihrem dichten Pelz, müssen die Vögel der sonnenreichen Tropenländer mit ihrem herrlichen Gefieder dem Menschen dienen. Wie jene hat er deshalb auch diese mit erbarmungsloser Gier in ungezählten Scharen gemordet, so daß das Herz jedes Naturfreundes sich in Bitterkeit zusammenkrampft, wenn man bedenkt, wie scheußlich gegen jene frohe, bunte Schaar im Laufe der letzten Jahrzehnte dank der infamen, launischen, von den herz- und gedankenlosen Halbweltdamen in Paris zum größten Teil diktierten Mode gewütet wurde. Und dank ihrer angeborenen Eitelkeit macht auch die bessere, anständige Frau jenen frivolen Hetären all diesen Blödsinn nach. Der beklagenswerten Mode des Tragens von bunten Vogelfedern oder ganzen Vogelbälgen auf den Damenhüten sind schon viele Milliarden Vögel in der herrlichsten Zeit ihres Lebens, in der Zeit der Fortpflanzung, wenn sie ihr schönstes Kleid, das Hochzeitskleid, anhaben, herzlos in den Tod geschickt und mit ihnen ihre Brut dem Hungertode und der Vernichtung preisgegeben worden. Wir haben bei Besprechung der kulturgeschichtlichen Rolle der Straußenfeder gesehen, daß ihr im 15. Jahrhundert am üppigen, reichen burgundischen Hofe die zierliche Aigrette als Hutschmuck vorausging. Diese Aigrette wurde ursprünglich vom Silberreiher (Ardea alba) gewonnen, der am liebsten in schwer zugänglichen Rohrdickichten an den Ufern stehender oder langsam fließender Gewässer nistet und einst wie in ganz Südeuropa, so in den Donautiefländern, von Ungarn an bis in die Dobrudscha hinein, ein häufiger Brutvogel war. Durch die ihm seiner prächtigen Schmuckfedern wegen bereiteten Nachstellungen ist er nicht nur dort, sondern überall auf der Welt, wo er nistet, selbst in den entlegensten Gegenden, überaus selten geworden. Auch der dieselben Gegenden bewohnende überaus anmutige Seidenreiher (Ardea garzetta), der in den Brutkolonien seine Nester fast ausnahmslos auf den obersten, ziemlich dünnen Seiten- und Gipfelzweigen der Bäume errichtet, in denen er von Ende Mai an seine 3–4, selten 5 hellbläulichgrünen Eier bebrütet, ist dank den eifrigen Nachstellungen beinahe ausgerottet, obschon seine Schmuckfedern viel weniger begehrt sind und dementsprechend niedriger im Preise stehen als diejenigen des Silberreihers. Die mit sparrigen, kurzen Strahlen versehenen Schmuckfedern dieser Edelreiher stehen bei dem Männchen den Rücken entlang und nicht am Hinterkopfe, wie man gewöhnlich glaubt. Ihretwegen werden sie geschossen. So hat man im Jahre 1898 in Venezuela allein 1538738 dieser Edelreiher zur Gewinnung der Aigretten getötet; zehn Jahre später konnte man nur noch 259916 derselben erbeuten. Dort und in Mittelamerika, Afrika und Ostasien, wo er einst in ungezählten Scharen lebte, ist er so überaus selten geworden, daß man trotz der hohen Preise die größte Mühe hat, die Nachfrage nach den Aigretten zu befriedigen.

Eine einzige Sendung eines großen Londoner Hauses umfaßte außer 19000 Aigretten 80000 Seevögel und 800000 Paare von Flügeln verschiedener Art. Eine andere einer Berliner Firma enthielt 32000 Kolibris. Die Kolibrifedern dienen nicht nur zur Verzierung von Damenhüten, sondern auch zum Garnieren von Schuhen, von denen allerdings ein Paar 6000 Mark kostet. So ist es kein Wunder, daß z. B. auf der Insel Trinidad, wo der Gang der Ausrottung überschaut werden kann, von ursprünglich 18 Kolibriarten nur noch 5 existieren. Von den wundervollen Paradiesvögeln Neuguineas kamen 1907 19742 Bälge in London auf den Markt. Eine einzige Sendung einer Londoner Firma zählte 28300 Bälge dieser Art auf und täglich laufen neue große Sendungen derselben in London ein. Kürzlich schossen japanische Raubjäger auf einsamen Inseln der Hawai-Gruppe 250000 brütende Albatros, jene herrlichen Flieger des offenen Meeres, die mitten auf den gewaltigen Wasserwüsten der Ozeane als fast einzige Vertreter der Vogelwelt anzutreffen sind, um sie über Japan auf den Londoner Mark zu bringen. In einer einzigen Saison wurden von einer Pariser Modistin 40000 Seeschwalben verbraucht. Hunderttausende von nützlichen einheimischen Schwalben und Stieglitzen, wie der schönsten und seltensten exotischen Vogelarten werden jährlich der Eitelkeit der europäischen Frau geopfert. Wie die Paradiesvögel stehen vor allem die herrlichen Glanzstaare, Quesals, Trogone, Sittiche, Kolibris und zahlreiche andere Schmuckvögel der Tropen auf der Liste der bald der Ausrottung Verfallenen. So hat man berechnet, daß für die europäische Damenwelt allein über 300 Millionen Ziervögel jährlich ihr Leben lassen müssen. Es ist dies, wie Dr. Paul Sarasin in Basel in seinem Aufruf zur Gründung eines Weltnaturschutzbundes mit Recht sagt: „ein die Natur beleidigendes Riesenopfer an die Eitelkeit und Herzlosigkeit der europäischen Frau.“

Es wäre höchste Zeit, daß die betreffenden Nationen sich in zwölfter Stunde aufrafften, um diesem sinnlosen Treiben der Ausrottung der schönsten Geschöpfe unserer Erde ein jähes Ende zu setzen. Haben wir nicht in den bunten Seidenbändern und den mit großer Naturtreue erzeugten künstlichen Blumen hübsche Garnituren genug, um auch die größten Ansprüche der verwöhntesten Dame zu befriedigen?

Außer Pelz und Feder ist auch das Schildpatt und die Haut mancher Schlangen und Alligatoren ein gesuchter Handelsartikel. Das Schildpatt oder Schildkrot wird von der eine Gesamtlänge von nahezu 1 m erlangenden, als gieriger Räuber ausschließlich von tierischen Stoffen lebenden Karettschildkröte (Chelone imbricata) gewonnen. Diese lebt nicht nur im Indischen und Stillen, sondern auch im Atlantischen Ozean, hat zwar ungenießbares Fleisch, liefert aber durch ihre 3–7 mm dicken, auf braunem Grunde eine gelbe Zeichnung tragenden, dachziegelartig angeordneten Rückenplatten, von denen ein ausgewachsenes Tier 2–6 kg besitzt, ein wichtiges Rohmaterial für allerlei Schmucksachen, wie Kämme, Dosen und Einlegearbeiten. Dieses Schildpatt wird indessen auch von mehreren anderen verwandten Schildkröten gewonnen und kommt in bester Beschaffenheit von Indonesien, in großer Menge aber auch vom Roten Meer, von Westindien und den Küsten Südamerikas in den Handel. Nur wenn es stark erwärmt wird, löst es sich leicht vom Rückenpanzer der betreffenden Schildkröte. So wird dieses bedauernswerte Tier über einem Feuer aufgehängt und so lange geröstet, bis jene Wirkung erzielt worden ist. Die Chinesen, die einsahen, daß das Schildkrot durch trockene Wärme leicht verdorben werden kann, bedienen sich gegenwärtig zu diesem Zwecke des kochenden Wassers. Nach überstandener Ablösung des Schildkrots gibt man die Karettschildkröte wieder frei und läßt sie dem Meere zulaufen, da man glaubt, daß sich das Patt wieder erzeugt.

Das Schildpatt übertrifft nicht nur an Schönheit und Güte jede andere Hornmasse, sondern läßt sich auch leicht zusammenschweißen. Es genügt, die einzelnen Tafeln, die ungleich dick und spröde sind, in siedendheißes Wasser zu tauchen und sie dann zwischen Metallwalzen zu pressen. Bei hinreichendem Druck haften sie so fest aneinander, daß man die einzelnen Teile nicht mehr unterscheiden kann, behalten dabei auch, nachdem sie langsam erhärtet sind, jede ihnen im erweichten Zustande beigebrachte Form vollkommen bei und eignen sich somit vortrefflich zur Herstellung von Dosen und Kämmen. Selbst die Abfälle können noch gut benutzt werden, da man mit ihnen die Vertiefungen zwischen den einzelnen Tafeln ausfüllt und sie wieder in der Wärme so lange preßt, bis sie sich mit jenen innig verbunden haben.

Dieses Schildpatt wurde schon im hohen Altertum zur Herstellung von allerlei kostbaren Schmuckgegenständen verwendet. So sagt Seneca, der Erzieher Kaiser Neros: „Die Schale der Schildkröte, dieses scheußlichen und über alle Maßen faulen Tieres, wird mit großer Kunst und Sorgfalt bearbeitet, durch allerlei Mittelchen bunt gefärbt und zu ungeheueren Preisen gekauft.“ Und Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Carvilius Pollio, ein verschwenderischer und in Gegenständen des Luxus erfinderischer Mann, hat zuerst die Schalen der Schildkröten zerschneiden und mit den Platten Betten und Präsentierteller überziehen lassen.“ Auch Ovid, Vergil, Martial, Juvenal und Lucanus erwähnen das Schildpatt, von dem Julius Capitolinus speziell berichtet, daß in Rom kaiserliche Prinzen in damit ausgelegten Badewannen gebadet wurden. In der Renaissancezeit wurden damit besonders kunstvolle Einlagen in wertvolle Möbel erzeugt. Erst in der Neuzeit sind Dosen und Kämme daraus verfertigt worden. Jetzt wird es sehr viel, wie das teure Elfenbein, in billigem Celloidin nachgeahmt.

Verwandt mit der Karettschildkröte ist die viel größere Suppenschildkröte (Chelone viridis), die bei den Feinschmeckern in hohen Ehren steht. Dieses im Stillen, im Indischen und im Atlantischen Ozean, selten als Irrgast auch im Mittelmeer auftretende, 2 m lang und 500 kg schwer werdende Tier lebt vorwiegend von Pflanzen, namentlich von Seetang, und wird von Westindien aus lebend auf den europäischen Markt gebracht. Im Meere schwimmt es mit solcher Kraft, daß es sich ungefährdet in die stärkste Brandung wagen darf. Nur zum Eierlegen verlassen die weiblichen Suppenschildkröten das hohe Meer und steuern bestimmten, altgewohnten, von Menschen nicht bewohnten Plätzen mit sandigem Ufer zu, um dort nachts ihre Eier lose in den Sand zu vergraben. Dabei lassen sie sich von den Menschen leicht erbeuten. Doch muß er sich ganz leise an sie heranschleichen, da das ungemein argwöhnische und trotz seines stumpfsinnigen Benehmens mit sehr scharfen Sinnen ausgestattete Tier beim geringsten Verdacht schleunigst dem Meere zustrebt und, wenn es das Wasser auch nur mit den Vorderflossen erreicht hat, selbst durch die vereinte Kraft mehrerer Männer nicht mehr zurückgehalten zu werden vermag. Ist es weit genug vom rettenden Wasser entfernt, so muß man versuchen, den mit seinen riesigen Ruderfüßen wütend um sich schlagenden Koloß auf den Rücken zu werfen, wozu ein einzelner Mensch manchmal nicht stark genug ist. Auf dem Rücken liegend ist die Schildkröte völlig wehrlos und endgültig in die Gewalt des Menschen gegeben. Am folgenden Morgen werden die Gefangenen in eigens für sie bereitete Behälter mit Seewasser oder auf die Schiffe gebracht. In der Gefangenschaft fressen sie kaum, magern deshalb rasch ab und verlieren ihren Wert. Auf dem Verdeck der Schiffe werden sie auf dem Rücken liegend mit Stricken befestigt, ein Tuch über sie gebreitet und dieses so oft mit Seewasser begossen, daß es beständig naß oder wenigstens feucht bleibt. In den europäischen Seestädten hält man sie in großen Kübeln, die alle 2 bis 3 Tage einmal mit Wasser gefüllt werden, schlachtet sie dann, indem man ihnen den Kopf abhackt, und hängt sie 1–2 Tage so auf, daß alles Blut ablaufen kann. Erst dann hält man das Fleisch geeignet zur Bereitung von köstlichen Suppen.

Die Indianer Südamerikas töten diese und andere Meerschildkröten des Öles wegen, das in ihrem Fleische enthalten ist, kochen es aus und sammeln die zahlreichen Eier, die im Sande oder noch im Leibe des Tieres enthalten sind, in großen Körben, um sie zu Hause zu verzehren. Die Eier mehrerer, die südamerikanischen Flüsse bewohnender Halswenderschildkröten (Pleurodira) sind für manche Indianerstämme von größtem Nutzen. Am berühmtesten wurde aber durch die farbenreiche Schilderung Alexanders von Humboldt die im ganzen tropischen Südamerika östlich der Anden lebenden Arrauschildkröte (Podocnemis expansa), ein Tier von 77 cm Panzerlänge und einem Gewicht von 20–25 kg. Zur Zeit des niedrigsten Wasserstandes der von ihr bewohnten Flüsse, zu Anfang März, kommt diese Schildkröte alljährlich an die von ihr zur Eiablage bevorzugten sandigen Ufer und Inseln und genügt ihrem Fortpflanzungstrieb. Hier wird sie teilweise von den in großer Menge zur Ernte herbeieilenden Indianern erlegt; zum weitaus größten Teile läßt man sie unbehelligt ihre taubeneigroßen, mit ziemlich dicker Pergamentschale versehenen Eier ablegen, um diese zu erbeuten. Die betreffenden sandigen Ufer sind dann durchschnittlich 1 m tief damit gefüllt. Sie werden von den Indianern mit den Händen ausgegraben, in Körben ins benachbarte Lager getragen und in große, mit Wasser gefüllte hölzerne Tröge geworfen. In diesen werden sie mit Holzschaufeln zerdrückt, umgerührt und der Sonne ausgesetzt, bis der obenauf schwimmende ölige Teil, das Eigelb, dick geworden ist. Das Öl wird dann abgeschöpft und über starkem Feuer gekocht. Gut zubereitet ist es farblos mit einem Stich ins Gelbliche, geruchlos, um so besser haltbar, je stärker es gekocht wurde und dient als sehr geschätztes Speisefett. Da es meist recht unreinlich gewonnen wird und teilweise ausgebildete und dann in der Weiterentwicklung gehemmte Keime enthält, die verfaulen, besitzt es in der Regel einen fauligen Geschmack, der aber der Wertschätzung von seiten der Indianer keinen Eintrag tut.

Begreiflicherweise ist keine Schildkröte in engere Beziehungen zum Menschen getreten. Dagegen ist dies mit einigen anderen Reptilien der Fall, vor allem mit einigen Schlangen, die der Mensch teils aus heiliger Scheu wegen ihres überaus giftigen Bisses, teils aus praktischen Gründen, weil sie ihm bei der Bekämpfung der seinen Vorräten schädlichen Mäuse und Ratten gute Dienste leisten, in Kultpflege nahm. Bei manchen Volksstämmen Indiens und Afrikas sind verschiedene gefürchtete Giftschlangen geradezu heilige Tiere, denen regelmäßig Opfer von Milch dargebracht werden. Dies war schon im Altertum der Fall, wo beispielsweise in Ägypten die überaus giftige Hornviper (Cerastes cornutus), ein typischer sandfarbener Wüstenbewohner, als heiliges Tier in einigen Tempeln gehalten und vom Menschen gefüttert wurde. Gleicherweise geschah es im alten Athen mit der ungiftigen Natter, von welcher der Geschichtschreiber Herodot erzählt: „Die Athener sagen, als Schutzgeist wohne in ihrer Burg im Tempel der Athene eine große Schlange, und diese füttern sie alljährlich mit einem Honigkuchen. Als nun die Perser die Stadt mit Heeresmacht bedrohten, verkündete die Priesterin der Pallas, diesmal sei der sonst immer verzehrte Honigkuchen unberührt geblieben. Hieraus schlossen nun die Athener, die Göttin habe die Stadt verlassen; sie faßten demnach alsbald den Entschluß, ein Gleiches zu tun, schafften ihre Habe fort und begaben sich auf die Schiffe.“ Die Rolle, welche die harmlose Äskulapnatter (Coluber aesculapi) als heiliges Tier des Heilgottes Asklepios an dessen Heiligtümern in Griechenland und später, als sein Dienst bei Gelegenheit einer schweren, drei Jahre die Stadt heimsuchenden Seuche nach Rom überpflanzt wurde, im ganzen römischen Reiche spielte, ist zu bekannt, als daß hier näher darauf eingetreten zu werden brauchte. Diese zutrauliche Schlange wurde auch sonst in römischen Haushaltungen als guter Geist und Mäusefängerin gehalten und mit Milch gefüttert, so wie heute überall in Brasilien halbzahme ungiftige Hausschlangen an Stelle der Katzen zur Befreiung der Häuser von der lästigen Mäuseplage gehalten werden. Unter diesen ist die beliebteste eine Giboea genannte kleine Art Boa von etwa 4 m Länge und der Dicke eines Arms. Diese wird z. B. auf den Märkten von Rio de Janeiro, Pernambuco und Bahia für 4 bis 5 Mark verkauft und findet stets Abnehmer. Die Schlange liegt den ganzen Tag schläfrig im Hausflur; erst bei Eintritt der Nacht beginnt sie ihre Jagd, gleitet geräuschlos den Mauern entlang und schnellt geschwind wie der Blitz auf eine Maus oder Ratte zu, die sie mit tödlicher Sicherheit ergreift. Sie begnügt sich aber nicht mit einem Fraß, sondern tötet die schädlichen Nager massenhaft aus bloßer Mordlust. Ihrem Herrn gegenüber wird sie vollständig zahm und bekundet große Anhänglichkeit an das Haus, das sie fast niemals verläßt, so daß eine gute Hausschlange für den Besitzer ein wahrer Schatz ist.

Von den Reptilien sind sonst einzig noch die Alligatoren zu halben Haustieren erhoben worden, und zwar weil ihre Haut ein zur Mode gewordenes geschätztes Luxusleder, ihre Zähne einen beliebten Schmuck liefern und winzige Alligatorbabies nebst mit Edelsteinen gezierten kleinen Schildkröten, die gleicherweise als lebende Broschen getragen werden, die „Lieblingstiere“ der extravaganten reichen Amerikanerinnen geworden sind. Um nun diese durch die zunehmende Besiedelung immer seltener werdenden Tiere leichter erlangen zu können, haben findige Yankees begonnen, sie zu züchten. So gibt es in den Vereinigten Staaten, besonders in Kalifornien, eigentliche Alligatorenfarmen, in denen diese gefürchteten Saurier in besonderen Gehegen gehalten werden. Um sich vor Schaden zu schützen, legt der Farmer den bösartigsten dieser in Pflege genommenen Echsen einen regelrechten Maulkorb an. Im Monat Juli scharren sich die Weibchen aus Riedgras und Reisig ein primitives Nest zusammen und legen 30–40 längliche Eier hinein. Ist dies geschehen, so bedecken sie dieselben sorgfältig mit demselben Material und überlassen der Sonne das Ausbrüten ihrer Nachkommenschaft. Der Farmer aber entnimmt den Nestern alsbald die meisten Eier, um sie einem Brutapparat anzuvertrauen. Darin werden die Eier bei einer Temperatur von 70° C. unter täglicher Anfeuchtung in etwa 60 Tagen ausgebrütet. Haben die Jungen die Eischale verlassen, so sind sie schon eine gesuchte marktfähige Ware. Sie gedeihen ohne besondere Pflege und werden mit Fleischabfällen gefüttert. Ihr Wachstum geht außerordentlich langsam vor sich. So hat ein zwei Fuß langes Tier ein Alter von annähernd zehn Jahren, während ein zwölf Fuß langes oft das stattliche Alter von hundert Jahren aufzuweisen hat. Die großen Exemplare sind für Menagerien und zoologische Gärten sehr begehrt.

Share on Twitter Share on Facebook