Eilftes Kapitel.

Auch die Baronne war am Morgen erkrankt, hatte den Beystand der Schwiegertochter zurückgewiesen und Auguste, gewöhnt der Feindin wohlzuthun, für dies Mahl vergebens alles aufgebothen den Groll des tief empörten Mutterherzens zu beschwören.

Julie schlich sich, von der Mutter verschmäht, zu dem Freunde hinüber der bey ihrem Eintritt seinen Rückfall vergaß, und schüttete ihr Herz vor ihm aus. Der Kindheit Freuden hatte ihr, laut dieser Geständnisse, eine grausame Stiefmutter, die Blumen der Jugend ein liebloser Gatte und die herrschsüchtige Baronin geraubt. Diese verkenne, Auguste beneide sie, und beyde sähen in dem heiligen Mitgefühl, in dem reinen Feuer der Theilnahme das sie zur Pflegerin des edelsten Mannes gemacht habe, nur den schlau berechneten Plan einer Kokette. Helle Thränen begleiteten die rührende Elegie, sein fieberhaft reitzbares Herz sprach nur zu laut für die Weinende. Sie nannte ihn ihren einzigen Freund, er aber nannte sich ihren ewigen Schuldner und gedachte seufzend gewisser Fesseln, die seine feurige Vergeltungs-Lust für den Augenblick noch gefangen hielten.

Daß mein Gemüth „erwiederte Julie“ die Heiligkeit dieser Pflichten kennt, daß es selbst die Ansprüche einer Unwürdigen zu ehren versteht, bezeugt die Fassung mit der es in jener Nacht das feurigste aller Gelübde zurückwies.

Welche Gelübde? „sprach er im Herzen zu sich selbst.“ In welcher Nacht?

Oder hätte die Krankheit Sie in jener unvergeßlichen Stunde zum bewußtlosen Schwätzer gemacht? Wohl Ihnen dann! Dann wäre ja Hermine nur ein Traumbild, das mit der wiederkehrenden Besinnung in sein Nichts zerfloß und ihre Treulosigkeit ein Phantom das im Morgenrothe der Genesung unterging. Woldemar sah verstummt zu Boden. Und Wohl auch mir! „fuhr Frau von Wessen fort“ der da ein Gott die Kraft verlieh, dem feurigsten aller Männer zu widerstehen, und die Erhörung zu verzögern.

Unseliges Verhängniß! „rief er und sprang auf“ O, warum streifte mich der Fittich des Würgengels nur? Wie gern schlief ich in seinem Arme!

Oder am Herzen der Verlobten?

Ich bin sehr elend! Nimm mich an das Deine. An das hart verletzte, das ich heilen will und muß.

Nicht also, guter Woldemar, ein Engel wird diese Wunden verbinden, der Engel der Vergeltung der unsere Opfer zählt und unsere Thränen.

Ich will alles gut machen! „rief er, hingerissen von der Fluth seiner Gefühle, von einer unzeitigen Großmuth gemeistert“ ja, ich gelob es! Nur das Mitleid sagst Du, die Theilnahme nur, nur die laue Hand der Freundschaft hätte Dich Wochenlang an meinem Bette festgehalten? Nur um ihretwillen hättest Du dem Grolle der Schwester, dem Zorne der Baronin, der Verläumdung bösartiger Thoren getrotzt? Nur aus Rücksicht auf die geflohene Treulose meiner Hand entsagt, die ich Dir — zwar in des Fiebers Gluth — doch wahrlich, inspirirt von meinem Engel both?

Still, Frevler — Still! „rief Juliane jetzt.“ Sie fühlen nicht wie tief mich diese Zweifel beugen; die Flamme nicht, die an unheilbare Wunden schlägt. O warum muß die böse Fee zwischen mich und den Abgott meines Lebens treten?

Lieblicher hatte nie eine Frage seinem Ohr geschmeichelt, schneller nie ein Zauber sein Herz umstrickt, kein sterblich Weib ihn je so magisch angezogen. Die Spiegel ihrer Seele flammten wie Sterne durch die Nacht des Grams, der Wehmuth Genius schien aus dem Rosenkelche dieser Lippen ihn um Erbarmen anzuflehen. Er faßte sie mit starkem Arm, er hob sie hoch, an’s Herz empor und bedeckte die Schluchzende mit zahllosen Küssen. Ich bin der Deine! „rief er“ wirst Du dies zweyte heißere Gelübde verschmähen?

Liebling — Bräutigam! Himmlischer Geist! stammelte Julie und ließ die Lippen des Trunkenen schalten. Man klopfte, er vernahm es nicht. Auguste trat herein ihre Schwägerin abzurufen; sie wand sich sanft aus seinem Arm, sprach zu dem Fräulein, dessen Antlitz ein edles Schaamroth überflog. „Nimm hier kein Aergerniß, wir sind verlobt!“ und hüpfte fort.

Auguste verbeugte sich gegen den Hauptmann, und wollte der Braut folgen, Woldemar aber faßte ihre Hand und bestätigte in gebrochenen Worten Juliens Versicherung. Ich kenne „erwiederte das Fräulein“ die Gesinnungen meiner Mutter zu wenig und die Gefahren Ihres Standes zu genau um Beyden jetzt schon Glück zu wünschen. Er ließ beleidigt Augustens Hand fallen. Aber wie kömmt dieß Band in Ihr Zimmer? „fragte sie jetzt, und nahm es vom nahen Tische weg“ vergebens hab ich es heut’ am Morgen gesucht.

Ein Strumpfband vielleicht? Sie verstummte.

Oder etwa gar der Gürtel der Vesta? Auf jeden Fall sind Sie im Stande mir das Räthsel zu lösen. Vor meinem Bette fand ich es. Ihr Schutzgeist, Fräulein, trug diesen Talismann mitten in der Nacht in mein Zimmer.

Auguste wechselte die Farbe, der Hauptmann sah ihr starr in’s Gesicht — „Und die misterische Pforte hier — unstreitig führt sie in das Geisterreich; aus ihr tratt der willkommene Gast hervor, durch sie kehrt’ er zurück. So ist es — auf mein Ehrenwort!“

Ihre Hände bebten, ihre Wangen verblichen, sie wankte sprachlos aus dem Zimmer.

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