Ein und zwanzigstes Kapitel.

Dem Briefe des Julius welchen der Aufwärter dem Hauptmann überbrachte war ein kleines, mit Bleystift geschriebenes Blättchen, von der Hand der Frau von Wessen beygefügt. Es beschied den Vertrauten mit dem Schlage der bezeichneten Abendstunde in den Gasthof wo sie abtrat, und mehr als eine Triebfeder drängte ihn, der Einladung zu folgen. Woldemar fand sie allein, schöner als je, in einem idealischen Nachtkleid und ward mit bräutlicher Traulichkeit von ihr umfangen.

Ihr Selbstgefühl „sprach sie, als er an ihrer Seite Platz genommen hatte“ wird mir für die Großmuth Dank wissen mit der ich mein höchstes Gut, den Liebling meiner Seele, einer heiligen, gebietenden Rücksicht zum Opfer bringe. Lob sey dem leichten Sinne der mir dies Opfer möglich und den Verlust erträglich macht. Auch Sie „fuhr Julie, als sein stoischer Gleichmuth die Antwort verzögerte, mit süßem Lächeln fort“ Auch Sie gewinnen offenbar, denn ein so fehlervolles Weib ist nur für kurze Flitterwochen gut und jungem Weine gleich, der schnell begeistert aber Kopfweh macht. Sie nicken? Das ist ehrlicher als galant, und auch ich will ehrlich seyn. Wie innig hing mein Herz an diesem Woldemar. Wie gern hätt’ ich das Süßeste mit ihm getheilt, doch er verstand mich nicht, zagte nur wo er begehren sollte, und zittert vor dem schönsten Verhältniß. Mag eine Prüde sich mit kalter Tugend brüsten, ich schlage schaamroth an dies warme Herz. Ach, nur die Dankbarkeit gewann das Ihre, nur der redliche Wille ein geträumtes Gelübde zu erfüllen, nöthigte diesem Munde die längst bereuete Verheißung ab. Doch jenes hatte meine Leidenschaft erfunden und diese geb ich hier zu Gunsten einer weinenden Braut zurück. Um endlich die Erinnerung an mich nicht zu den schmerzlichsten Ihres Lebens geworfen zu sehen, wird sich mein künftiger Gemahl für Ihre Befreyung verwenden.

Das war ein Wohllaut! Woldemar lächelte wieder, dankte, lauschte, erfuhr mit Verwunderung wie eigentlich Augustens blaues Band in seine Nähe kam und sagte, mit dem Geist dieser Burg versöhnt „Ein Vertrauen ist des andern werth, und nicht bey mir darf die großmüthige Verwendung dieses sogenannten, künftigen Gemahls beginnen. Vor allem bieten Sie die Hand um den bisherigen zu retten. Noch lebt ihr Wessen, er ist hier. Seit wenig Tagen theil ich mein Stroh mit ihm, und auch sein Unglück.“

Julie sah ihn verblassend an, und eben führte Woldemar den Beweis als plötzlich Waffen auf dem Saale klangen und die kleine Tochter des Wirths ein leises Sauvès Vous! in’s Zimmer rief. Der Polizey-Beamte folgte der Warnerin auf dem Fuße nach und nahm die Frau von Wessen als Gefährtin des verdächtig gewordenen Obersten und nebenher auch den Gefangenen in Verhaft — Verhaft und Guillotine aber waren, in jener Schreckens-Zeit fast immer Synonimen.

Share on Twitter Share on Facebook