Zwanzigstes Kapitel.

Der plötzliche Tod des Oheims, welcher kurz nach seiner Ankunft in Pyrmont erkrankte, hatte Herminen schnell zur reichen Erbin gemacht, und sie der traurigen Gewißheit überhoben, sein Vertrauen durch das unabwendbare Geständniß ihrer Lage verscherzt zu sehn. Ein freundliches, in der Nähe jenes Heilquells gelegenes Landgut ward zum Verstecke gewählt, und der Geistliche desselben, der sich am Sterbebette des Oheims die Achtung der Schwestern erwarb, zu ihrem Geschäfts-Träger gemacht; denn für immer hatte Hermine auf die Rückkehr in ihre Heimath Verzicht gethan.

Die Blätter verbleichen „sprach sie eines Abends zu Theresen, als die Schwestern Arm in Arm durch den Garten des freundlichen Besitzthums schlichen“ verblich ich doch mit diesen! Kein Meer reicht hin den Flecken auszuwaschen, der Tod allein kann ihn vertilgen. Bescholten und verbannt werd ich vergehen — schnell wie mein Kranz verblühn, und unbekränzt in’s Grab getragen werden.

Auch die Reue hat ihre Grenzen „erwiederte Therese“ und der Gram sein Ziel. Die Gattin gab sich nur dem Gatten hin. Er ist der Schuldige, Du nur das Opfer. Schon öfter hat ein Fall die Fallende erhoben, ist die Myrte zur Palme, die Büßerin ein Vorbild hoher Tugend worden. Und wenn mich meine Augen nicht trügen „fuhr sie fort und zeigte nach der Gitterthür“ so erscheint uns eben dort ein hülfreicher Freund.

Es war Julius der an Augustens Arm in den Garten tratt. Erblassend floh Hermine durch den Laubengang; wo hätte sie den Muth hergenommen sich in dieser Gestalt vor ihm sehen zu lassen.

Ich komme weit her „sprach er zu Theresen“ um Ihnen meine Frau vorzustellen, vergebens wies man uns an der Pforte des Paradieses ab. „Ich bin Gott Vater!“ versicherte ich und glaub es nun selbst, denn Eva hat sich schnell versteckt. Wohl jeder die ihn nicht scheuen darf! Deren frommen Augen die wunderseltsame Kraft ward, den kecken Versucher in einen ehrbaren Vormund zu verwandeln.

Denken Sie mir nicht an jenen Tag „fiel die junge Wahl seufzend ein“ wir leiden noch an seinen Folgen. Aber den Vormund heiß’ ich willkommen und freue mich des Engels den er dem Glück und seinem guten Rechte dankt.

Komm an mein Herz, edles Mädchen! sprach Auguste, und umarmte Theresen. Sie sehn „versetzte Julius“ daß wir alles erschöpfen die Pförtnerin dieses Klosters zu gewinnen und ihre Dankbarkeit wird dagegen nichts unversucht lassen, die falsche Schaam der mütterlichen Jungfrau zu beschwören, deren Zustand sie in meinen Augen um so reitzender macht.

Das dürfte ganz ohnmöglich seyn! entgegnete ihre Schwester, und ein Mann, dessen Zartgefühl mich ehedem selbst mit seinem unzarten Geschlechte versöhnte, wird eine so seltene Tugend der leidigen Neugierde nicht zum Opfer bringen wollen.

Sie bedürfen eines Mannes Rath! sprach er ernstwerdend.

Den liefert das Pfarrhaus.

Und bald auch — den Herrn Pathen.

Erröthend kehrte sich Therese zur Baronin, die ihn mit einem Fächerschlag zur Ruhe wies. Wenn ich hier nützlich seyn könnte „sprach sie zu jener“ so nehmen Sie mich auf, denn mein Mann hat eine Geschäfts-Reise vor und ich war so lange schon mit dem Fröhlichen froh, daß ich recht gern wieder ein Weilchen mit dem Weinenden weinen möchte. Dieser Wechsel hat sein Gutes und man bedarf ja vielleicht auch, früh oder spät, theilnehmender Seelen.

Sie sind ein Bothe von Gott gesandt! erwiederte Therese, und diese großmüthige Herabneigung wird ein verstörtes, in edle Schaam versunkenes Gemüth viel schneller als mein längst verbrauchter Trost erheben.

Mir ist „sprach Julius“ bey allem dem ganz wunderbar ums Herz, und mein Innerstes mit dem tiefsten Groll gegen den Urheber dieser Pein erfüllt, der um jeden Preis alles gut machen soll!

Meines Mannes Reise „versicherte Auguste“ hat diesen Zweck.

Therese weinte jetzt und sagte „Dieser Urheber bin ich!“

Oder der Himmel „entgegnete Julius“ der Sie zum Ebenbild der Schwester schuf, oder die Hölle vielmehr die da ganz ohne Mühe eine Saat himmlischer Freuden mit Unkraut bedecken konnte. Aber, gute Wahl, mir ist leid für die Leidende. Sie fühlt zu tief um nicht auf Kosten ihres Lebens zu empfinden. Es wird in diesem Sturm versinken.

Das ist’s was ich fürchte „klagte diese.“

Ich fürchte nichts! „sprach die Baronin“ wir sind zum Schmerz berufen; verstören nur — zerstören wird er nicht. Wir Unschuldige sind gemacht die Sünde dieser Welt, die Schuld der Schuldigen zu tragen.

Für die Wahrheit küß’ ich Ihre Hand! „rief Therese.“ Der liebende Gatte that ein Gleiches, sie schlang den Arm um beyder Nacken, die Wangen der Umfangenen berührten sich. Therese „flehte Julius“ bey dem schönen Sinn dieser Gruppe beschwör ich Sie, mich Ihrer Schwester vorzustellen; mich wenigstens nur ihr liebes, leidendes Gesicht sehn zu lassen. Der Anblick soll mich stärken für meine Zwecke und der thätigste ihrer Freunde verdient ja doch, ich fühl’ es lebhaft, diese Güte.

Da trat Hermine plötzlich, einem Geiste gleich, hinter der Hecke hervor und neigte sich laut weinend an seine Brust. Sie haben viel für mich gethan! „sprach sie mit gebrochner Stimme“ mehr als ich je vergüten kann; doch diese holde Frau wird es vergüten. Ich stehe am Grabe, Julius; es ist mein letzter Dank! Und auch den letzten Segen leg ich in Ihrem Herzen nieder. Ich bin nicht mehr wenn Sie Ihn wiedersehn.

Thränen füllten seine Augen. Hermine drückte des Freundes Hand, und einen Kuß auf seine Lippe. Theilt Euch in diesen! sprach sie mit dem Flötenton der innersten Wehmuth und sank erbleichend an Theresens Herz.

Leidende Heilige! „rief Julius erschüttert aus.“ Der lichte Geist der Hoffnung umschwebe Sie! Wenn ich zurückkehre wird sich ein Blümchen an die Rose schmiegen, und der entzückte Gatte, wie Hüon vor Amanden stehn.

Ich werde vor Gott stehn „erwiederte sie“ und Ihr gerührt an meinem Grabe. Julius verwies ihr die bangen Zweifel und machte sich reisefertig.

Lebe wohl! „sprach die tiefbewegte Auguste und floh an den Hals ihres scheidenden Gatten“ Dem Herrn befehl ich Deine Wege! Umfangend hob er sie empor. Lebe wohl! „flisterte sie“ mein Liebling, meines Lebens Licht! Meine Wonne!

Als Julius verschwunden war, faßte Woldemars Braut die Hände der neuen Freundin und der Schwester, drückte beyde an ihr Herz und sprach — Wie sanft wird sich’s in diesen Armen sterben!

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