Sechzehntes Kapitel.

Nur zu lange ließen wir indeß Herminen aus den Augen, deren Lage nach Woldemars übereilter Flucht unter die trostlosesten hinabfiel. Julius war nach jener Begebenheit, durch Theresens Vermittlung ihr bekannt, war ihr Freund, ihr Rathgeber geworden, und des Mädchens letzte Hoffnung beruhte auf dem Erfolge seiner Reise.

Muth- und ruheloser als je, lag sie eines Abends an dem Herzen ihrer heimlichen vertrauten Schwester, als diese tröstend zu ihr sprach — Schon manche Braut, meine Geliebte, ward getäuscht, schon manches feste Band durch Zufälle, Mißverständnisse oder die Bestandlosigkeit der Männer zerrissen und nicht selten segneten späterhin die Getäuschten ihr Schicksal. Wüßtest Du doch was ich verschweigen sollte!

Hermine sah, den Trost verschmähend in ihren Busen nieder. Ach! Schwester „klagte sie“ Du kennst den Umfang meines Unglücks nicht.

Gestehe nur „entgegnete Therese“ daß Julius der liebenswürdigste aller Männer ist. Mir wenigstens sagt mein Gefühl daß ich an seiner Hand den lieblosen Hitzkopf bald vergessen, daß ich dem Himmel danken würde, der mich durch kurzen Schmerz zu einem solchen Ziele führt. Das ist Dein Fall. Es kostet meinem Herzen viel, gestand er mir am Abend vor seiner Abreise, den Günstling eines Mädchens zu versöhnen, das mich gefesselt und begeistert hat. Aber ich gelobe mir, die Pflicht der Ehre und der Freundschaft zu erschöpfen; und sollte es auch mein Leben gelten, ich erschöpfe sie! Ein reitzendes — Du mußt alles wissen, Hermine — Ein gefährliches, verbuhltes Weib sagte er, hat wie der Adjutant mir schreibt, den Thörichten umstrickt, und find’ ich ihn verlohren, so tritt der Mittler kühn an seinen Platz, und Sie, Therese, ebenen mir den Weg. Ich versprach ihm das, Liebe!

Hermine weinte laut. Ihre Lippen zitterten, das übereilte Geständniß der Schwester hatte ihr Innerstes zerrissen. „Wehe mir!“ rief sie, als der wilde Schmerz endlich Worte fand. „Wehe mir, denn unserer Mutter Schicksal ist das meine.“ Therese sah verbleichend an ihr herab.

Rechte nicht mit der Unglücklichen „fuhr sie fort“ welche Sterbliche wär’ in jener Versuchung bestanden? Es gab eine Nacht, Therese, in der dies Herz von Sehnsucht aufgelöst, dem Liebling alle seine Blüthen zudachte — in der ich die Arme verlangend nach dem Bräutigam ausstreckte, in der die schöne Feen-Welt der Wunder zurückkehrte. O, fühle, liebe, verlange wie ich, und tritt nun nach einem endlosen, verschmachteten Tage, in die einsame Kammer — Deine Lippe lispelt seinen Nahmen, die warme Phantasie träumt ihn an’s Ziel in Deinen Arm; da rauscht es hinter Dir, des Lieblings Geist erscheint, kommt näher zieht Dich an die Brust und wird — und wird zu Deinem Manne!

Der Oheim unterbrach die Schwestern. Ein Geschäft führte ihn her, doch das Wort erstarb auf seiner Zunge, als er Herminen einer Sterbenden ähnlich, der Ohnmacht nahe fand. So sage doch endlich was Dein Herz bekümmert! „sprach der Erschrockene“ Kann ich helfen?

Sie neigte sich schluchzend auf seine Hand.

Willst Du heyrathen? Ich sage Ja! Ledig bleiben? Desto besser! Ein ehrlicher Mann kann in Voraus alles gewähren, was ein braves Mädchen verlangen mag. Nach Pyrmont soll ich, will der Arzt. Willst Du das auch, so reisen wir zusammen.

Gern, gern! rief diese jetzt. Hinaus! Weit in die Ferne! vielleicht, daß dort ein Heilbad für mich quillt.

Der Diener welcher ihn eben abrief, brachte Herminen einen Brief. Er war von Julius. Zitternd erbrach sie ihn.

Share on Twitter Share on Facebook