Sieben und zwanzigstes Kapitel.

Therese trat am Weihnachts-Abend mit dem Kind auf ihrem Arm an Herminens Bett, und von des Kindes Arme sah ein Wachs-Püppchen auf die Mutter herab. Das hat ihm der heilige Christ bescheert „sprach die Schwester“ ich fand es unter Deinen Papieren. Hermine verhüllte plötzlich ihr Gesicht. Das war die Papagena die ihr in jener Nacht sein Daseyn verkündigte; das treue, prophetische Bild ihrer Zukunft, und jetzt gleich ihr verblichen. Ein Reihentanz verloschener Erinnerungen schwebte von dem Püppchen belebt, an ihrer Seele vorüber. Sie gedachte des Ueberraschenden „Er ist Dir nah!“ der bangen Betroffenheit, des süßen Schrecks, des magischen Schlages mit dem der Inhalt des Notenblatts ihr Herz traf; der Thränen die sie an dem seinen weinte, des himmlischen Wahnsinns der aus des Lieblings Augen glänzte, von seinen Lippen floß, durch seine Nerven schauerte — Gedachte der nahmenlosen, unendlichen Wonne, der ach, der nahmenlose Jammer folgte, zog jetzt das Kind zusammt dem deutungsvollen Bild an ihre Brust und bedeckte sie beyde mit Küssen und Thränen.

Wenn ich bedenke „fuhr sie gefaßter fort“ wie vor dem Jahre alles so anders war! Der selige Onkel schenkte mir willkommene Dinge, drückte mich liebend an die Brust und nannte mich ein Herzens-Kind. O, welch ein Wechsel!

Der Wechsel „erwiederte Therese“ erhebt uns, indem er uns niederbeugt. Verklage Dein Schicksal nicht. Wie glücklich ist der Traurige dem noch die Freundschaft weinen hilft; o wie beneidenswerth der Kranke an dessen Bett die Liebe wacht. Sey gerecht und erheitere Dich. Sieh, wir erschöpfen alles für diesen Zweck. Ist auch der Onkel todt, so soll es Dir doch nicht an Gaben fehlen, wie dieser Tag sie mit sich bringt.

Herzliebste Schwester „bat die Kranke“ Habe Geduld mit mir!

Wie sollt ich nicht! Du guter Engel? Meine Wohlthäterin, meine Schwester, meine Geliebte! Damit küßte Sie tief bewegt Herminens Hand. Die junge Baronin unterbrach die Vertrauten. Ihre Jungfern trugen einen lichterreichen Tisch in das Zimmer und stellten ihn vor dem Bett der Freundin nieder.

Auguste schlug in ihre Hände. Schaut auf „rief sie aus“ der heilige Christ ist da, laßt Euch bescheeren.

Die Kranke richtete sich lächelnd auf, lächelnd starrte ihr kleiner Woldemar die Lichter an.

Fürs erste „sprach Auguste“ ein Hannswurst für den Kleinen. Ganz meines Mannes Ebenbild — Und dann dies Jäckchen, das ich für ihn strickte, und für Dich Hermine dies gestickte Morgenkleid. Bey jedem Stich dacht ich des süßen Lächelns mit dem Du es empfangen würdest. So lächle denn! ich bitte Dich.

Helft mir heraus! „bat Hermine“ ich muß es anprobieren. Die Freundinen sahen sich verwundert an, und erstaunten als sie darauf bestand, über die Kraft-Aeußerung mit der die Kranke ganz im Widerspruch mit ihrer Schwäche dem Bett entschlüpfte und auf Theresen gestützt sich von Augusten bekleiden ließ. Endlich und zuletzt „sprach diese“ hab ich auch für ein Spitzen-Häubchen gesorgt. O sieh, das läßt Dir allerliebst.

Wenn sich der Reichthum erschöpft hat „fiel jetzt Therese ein“ so tritt die Armuth bescheiden und verschämt herbey und opfert ihr Schärflein. Verschmäh es nicht! meine Haare sind es, in ein Halsband geflochten. Doch würde auch jedes einzelne zu einem Segen, sie würden dennoch nicht die Dankgefühle meines Herzens erschöpfen. Hermine schlang es hastig um ihren Hals und ließ sich vor den Pfeiler-Spiegel führen. Lange betrachtete sich die Schweigende, und lispelte jetzt mit sinkender Stimme — „Die Braut im Sterbekleide!“ Das Kind sah von dem Arm der Wärterin an der erhabenen Gestalt der Mutter auf. Sie ergriff es. Hier „sprach sie zu den Freundinnen und legt’ es in ihre Hände.“ Hier habt ihr ein Gegen-Geschenk. Mein köstlichstes! Ermattet wankte sie zum Sopha hin.

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