Geometrie.

Geometrie der Ägypter.

Ich komme zur Geometrie, sie findet sich im Abschnitt 3 und 4 des Papyrus Ahmes, daneben ist für uns die Schenkungsurkunde des Tempels von Edfu von Wichtigkeit, die allerdings 1500 Jahre nach Ahmes zu datieren ist; aber auch die 500 Jahre älteren Papyri von Kahun kommen in Betracht. Vor allem muss ich die Quadratur des Zirkels erwähnen, No. 41, No. 48 und No. 50. Sie setzen den Kreis, der bald teben, bald paut, bald k d heisst gleich einem Quadrat, dessen Seite 89 des Durchmessers, d. h. sie setzten π gleich 25681 = 3,1605; eine Übereinstimmung mit dem alten indischen √10 = 3,162, die zu denken gibt. Die Frage, wie sie zu diesem erstaunlich genauen Näherungswert gekommen sind, scheint mir unschwer zu beantworten.

Quadratur des Zirkels.

Sie nahmen einen Zylinder mit der Höhe h und dem Durchmesser d des Grundkreises und gossen Wasser hinein und dieses Wasser in ein balkenartiges Gefäss mit dem Grundquadrat a2. Das Wasser stieg bis zur Höhe η, dann hatten sie xd2h = a2η und x = a2d2 · ηh, falls a = d, x = ηh und fanden für das Verhältnis ηh, oder x den Wert 6481.

Wie selbstverständlich es war, dass man das Volumen eines Gefässes von konstantem Querschnitt seiner Höhe proportional setzte, das kann man bei Heron lesen. Der Begriff des (rationalen) Verhältnisses war ihnen, wie schon die Rechenaufgaben des Ahmes zeigen, völlig geläufig.

Volumenbestimmung.

Die Geometrie beginnt mit der Bestimmung des Volumens von Fruchtspeichern mit kreisförmiger, bezw. krummliniger und rechteckiger Grundfläche, z. B.: Ein rundes Fruchthaus von 9 Ellen Höhe in der grössten Ausdehnung und 6 Ellen Breite, wieviel Getreide geht hinein? Es wird, wenn statt 9 l und statt 6 h gesetzt wird, gerechnet nach der Formel

(43 · 89 l)2 · 23 h.

Halbkugel.

Es lässt sich mit diesen Beispielen nicht allzuviel anfangen, die Abbildungen fehlen und alle näheren Angaben über die Beschaffenheit der Haufen. Aber schon Eisenlohr bemerkt: sollte unserm Rechner die zur Bestimmung der Halbkugel nötige Formel πr2 23 r vorgeschwebt haben?

Ich komme damit auf die Berechnung der Kugel, bezw. Halbkugel.

Im ersten Hefte der Kahunpapyri auf Tafel 8 ist eine Figur gezeichnet, die der Herausgeber der Petriepapyri Griffith richtig umschrieben und gelesen hat, deren Deutung er aber nicht gefunden zu haben bekennt. Er sagt, es scheint sich um den Inhalt eines kreisförmigen Fruchthaufen zu handeln, dessen Höhe 12 und dessen Durchmesser 8 ist. Er hat sich durch eine Zahl 12, welche über der Figur steht, und die zur Rechnung gehört, täuschen lassen, sonst wäre er wohl selbst darauf gekommen, dass wir hier die Zahlenrechnung zur Ermittelung eines halbkugelförmigen Getreideschobers von 8 Ellen Durchmesser vor uns haben. Die Figur zeigt einen Kreis, neben dem links 8, der Durchmesser in Ellen, steht, und in dem 136513 der Inhalt zu lesen ist.

12

[1]

1365

13

/

1 .

256

In unserer Rechnung:

8

2 ..

512

8 . 32

=

12

23

8

/

4 .

1024

12 . 43

=

16

/

13

4

/

13 .

8513

16 . 16

=

256

zusammen

16

Symbol

136513

256 . 513

=

136513

/

1

16

/

10

160

Heute d3π12 = 134,041 Kubikellen = 1340,41.

/

5

80

zusammen

256

Abgesehen von dem Fehler für π ist also der Inhalt in 110 Kubikellen ausgedrückt. Was dieses Mass betrifft, so ist es eine ganz natürliche Übereinheit. Das Haupthohlmass ist das Hin; die Kubikelle = 320 Hin, die Elle = 0,526m ergibt für das Hin 0,455 Liter, 32 Hin sind 14,61 Liter, ungefähr 12 Scheffel. Das Hin wurde geteilt in 12 14 18 116 132, es ist also 32 Hin als Übereinheit durchaus gerechtfertigt.

Die Rechnung ist:

(d 32 . 43)2 . 23 d = 32d312.

Ausmessung eines grossen Haufens durch kleines Mass.

Der Fehler bleibt unter 2%, für π ergibt sich 3,2. Dies ist ungenauer als im Handbuch, wo π = 3,16 ist, aber Borchardt, der Erklärer, setzt ganz richtig hinzu: Dies Resultat ist durch häufiges wirkliches Ausmessen solcher halbkugeligen Haufen gewonnen worden. Dabei waren viele Beobachtungsfehler unvermeidlich. Die mathematische Form der Haufen war kaum herzustellen, die Hohlmasse (32 Hin) waren recht ungleich gefüllt und endlich lassen sich von einem grossen Getreidehaufen infolge des grösseren Druckes und dadurch veranlassten dichteren Lagerung in seinem Innern in praxi mehr kleinere Hohlmasse füllen als man theoretisch rein nach der Volumenvergleichung erwarten sollte, da sich im kleineren Masse die Körner naturgemäss loser lagern.

Die Aufgabe zu ermitteln, wieviel kleine Masse sich aus einem gegebenen grossen füllen lassen, gibt so gefasst noch unsern heutigen Mathophysikern Rätsel auf. Davon können Sie sich überzeugen, wenn Sie z. B. die Correspondence Quetelet nachlesen, wo das Problem öfter behandelt wird. Daher ist es gar nicht zu verwundern, dass die Ägypter sie nicht aufs Haar lösen konnten. Ich weise aber noch auf einen Umstand hin, der mir ganz besonders wichtig scheint: der Näherungswert 3,2 für π passt vorzüglich für die Übereinheit 32 Hin.

Ausmessung der Dreiecke und Trapeze.

Der 3. Abschnitt des Ahmes, der eigentlich geometrische Teil, handelt von der Ausmessung der Felder, kreisförmiger, dreieckiger, trapezförmiger, und solcher, die in Dreiecke und Trapeze zerlegt werden. Eisenlohr fasst auf Grund der Autorität M. Cantors und des grossen Ägyptologen Rich. Lepsius, was mir beinahe unfassbar ist, die Dreiecke und Trapeze als gleichschenklige, und vindiziert den Ägyptern den groben Fehler, das gleichschenklige Dreieck zu bestimmen als halbes Produkt der Grundlinie und des Schenkels, und das Trapez als Produkt der Mittellinie mit dem Schenkel statt der Höhe, und diesen Fehler sollten sie bis nach Christi, hunderte von Jahren nach Euklid und Heron begangen haben, und Cantor hat mit dem Starrsinn des Alters an seiner Auffassung festgehalten, trotz der Kritik Revillout's in der Revue égyptologique von 1882 und der davon ganz unabhängigen Borchardt's, die darauf hingewiesen haben, dass die Figuren ganz rohe Handzeichnungen sind, wie Sie z. B. bei Nr. 48 (Figur) sich überzeugen können, wo statt des Kreises ein rohes Achteck gezeichnet ist. Die Dreiecke sind (Figur), wie Sie ebenfalls sehen, mindestens so gut rechtwinklig wie gleichschenklig.

M. H., es ist an sich unwahrscheinlich, dass die Ägypter solche groben Fehler begangen haben. Aus den von Wilke mit unendlichem Fleiss gesammelten Ostraka, d. s. im wesentlichen Steuerquittungen auf dem billigsten Material, auf Tonscherben, wissen wir, dass es eine eigene Steuer gab. περι γεομετριας.

Widerlegung der Lepsius-Cantor'schen Formel.

Die Ägypter besassen nachweislich im alten Reich eine Reichsbank, sie hatten eine Plankammer, sie hatten statt des Tabakmonopol das Ölmonopol. Jedes Fleckchen, wo ein Ölbaum stand, wurde vermessen, jedes Stückchen Weizenland, von dem eine Naturalabgabe für die Ernährung der Truppen erhoben wurde, desgleichen. Sie haben von den jährlichen Nachmessungen unter Sesostris gehört; und dann sollen solche groben Irrtümer begangen worden sein! Ich kann Ihnen für Revillouts und Borchardts Auffassung einen schlagenden Beweis geben; hier sehen Sie die Figur im Codex konstantinopolitanus, der 1903 von Schöne edierten Metrica des Hero, da haben Sie zwei Figuren zur Ableitung des sogenannten erweiterten Pythagoras. Die Höhen sind gefällt und die Winkel der Figur weichen vom rechten Winkel weit erheblicher ab als die des Ahmes. Man kann gegen die Ostraka einwenden, sie stammen grösstenteils aus der Zeit der Ptolemäer; ja, m. H. wer den Charakter der Ägypter kennt, und nicht nur den der Ägypter, dem wird klar sein, dass die Steuergesetzgebung so wenig wie der Totenkult und das Erbrecht geändert werden konnte.

Wenn Alexander sich zum Sohn des Amon machen liess, so tat er es wahrlich nicht aus Grössenwahn, sondern genau so wie vor ihm die Hyksoskönige, weil das Volk seinen Pharao nur als Sohn des Gottes anerkannte.

Und was die Steuern betrifft, als wir 1870 die elsässische Verwaltung einrichteten, sagte der Oberpräsident von Möller die Fenstersteuer, das Enregistrement, das ganze Steuersystem ist miserabel, aber wir rühren nicht daran, die Leute sind daran gewöhnt.

Cantor stützte sich bei seinem Widerstand, ich möchte sagen ausschliesslich, auf die Schenkungsurkunde des Tempels von Edfu, dessen Grundlegung, wie Dümichen nachgewiesen am 23. Aug. 237 v. Chr. von Ptolemäus XI, Alexander I, Philometor genau in der schon geschilderten Weise vollzogen ist. Die Schenkungsurkunde nimmt einen grossen Teil der Aussenwand der östlichen Umfassungsmauer des Tempels ein. Der gesamte Text 164 Kolonnen ist auf 8 grössere Felder verteilt, von denen, als Cantor seine erste Auflage schrieb, nur die drei ersten durch Lepsius publiziert waren. Es werden von den Feldern von 60 Kolonnen die Masse angegeben, z. B.

22 + 23 4 + 4 oder 90 etc.
15 + 15 312 + 212 14 116 132 oder 4712 18 116.

(nicht stimmend 47, 12 . 116 164) richtiger Wert 47,566425.

Lepsius-Cantor'sche Formel.

Lepsius hat nun gefunden, dass diese Vierecke nach der Formel a + b2 · c + d2 berechnet wurden, wo a und b das eine Paar Gegenseiten, c und d das andere Paar ist. Es kommen, wie es scheint, ein ganzer Teil Rechtecke vor, ein anderer Teil sind Trapeze, dazwischen Dreiecke, die als Vierecke, deren eine Seite 0 ist, aufgefasst werden. In dieser Auffassung liegt soviel von der Philosophie der Null, die hier als Grenzbegriff gefasst ist, dass ich Cantor nicht zustimmen kann, wenn er sagt: an eine Zahl 0 ist in keiner Weise zu denken.

0 als Grenze.

Gewiss, eine Ziffer 0 hatten sie nicht, brauchten sie auch nicht; aber dass sie mit 0 rechneten, dass ihnen der Zahlencharakter der Null bekannt war, samt dem Grenzbegriff und dem sogen. Arbogast'schen Prinzip, das geht doch zur Evidenz aus der Urkunde hervor. Als Cantor aber seine zweite Auflage schrieb, da waren schon die übrigen 98 Colonnen durch Brugsch Pascha publiziert, und da stellt sich die Sache sehr anders; die Lepsius'sche Formel, welche übrigens schon für das zweite Beispiel, das sich bei Lepsius findet, nicht passt, ist häufig genug nicht angewandt. Sieht man näher zu, so bemerkt man, dass es sich um angenäherte Quadratwurzelausziehung handelt. Ich habe fast alle nachgerechnet, die Fehler sind sehr gering und alle Angaben etwas zu gross z. B. auf Tafel 6: 2 + 112; 1 + 0 als Inhalt 78, während der richtige Inhalt noch nicht 68 ist. Natürlich, der König hatte ja ein Interesse daran dem Gott, oder was dasselbe ist, seinen Priestern die Schenkung möglichst gross darzustellen. Ich bemerke, dass nach meiner Erkundigung nicht nur die römischen Agrimensoren, wie Cantor angibt, sondern auch unsere heutigen, und zwar gerade diejenigen, welche über mathematische Bildung verfügen, sich das Wurzelziehen tunlichst sparen, indem sie z. B. für:

√α2 + ε     α + 12·εα setzen.

Aus dem Text der ägyptischen Aufgabe hat Revillout die Unwahrscheinlichkeit der Cantor'schen Auffassung nachgewiesen, die mit allen Traditionen des Altertums in Widerspruch steht. Ägyptische Baumeister wurden in der ganzen Welt des Mittelmeeres geholt, und als Augustus das römische Reich vermessen liess, nahm er dazu ägyptische Feldmesser.

Ägyptische Trigonometrie.

Ich komme nun zu dem Bedeutsamsten und zugleich zu dem Seltsamsten, was sich im Papyrus Ahmes (2. Schülerheft) und, muss ich leider sagen, bei Cantor-Eisenlohr findet. Der 4. Teil des Papyrus enthält die ägyptische Trigonometrie: Aufgabe Nr. 56–60, Aufgabe 59 ist doppelt. In den fünf ersten Aufgaben heisst die Pyramide, die stets quadratische Grundfläche hat, mr (nicht smr) in der 6. Aufg. Nr. 60, die von einer viel steileren Pyramide handelt — Borchardt vermutet einen Monolithen — heisst sie in. Es kommen zwei Abmessungen in Betracht, in den Aufgaben 56–59;

a) die Pir—m—s Pirems, woher vielleicht der Name Pyramide.

b) die ucha—tebet.

und in Nr. 60 a) k3y —n—h r w. b) Snti: Das Verhältnis zwischen 12 b : a heisst überall Sqd.

Z. B. Nr. 56. Berechnung einer Pyramide. Die uchatebet ist 360, ihre Pirems 250. Lass mich ihren Seqd wissen. Nimm die Hälfte von 360, macht 180, dividiere mit 250 in 180 macht 12 + 15 + 150 von einer Elle. Eine Elle hat 7 Spannen, multipliziere mit 7: ihr Skd ist 515 Spannen.

Nr. 57. Eine Pyramide, 140 ist die uchatebet, 514 Spannen ihr Skd,? die Pirems. Antwort: 9313.

Nr. 58. Pirems 9313, uchatebet 140,? Sqd. — Antwort: 514 wiederum. Die Rechnung enthält wieder einen groben Fehler des Schreibers.

Nr. 59 a. Pirems ist 12, uchatebet 8? Sqd. Antwort wieder 514.

und Nr. 59 b. Kontrollaufgabe, uchatebet gefragt, ganz verworren abgeschrieben. Resultat 4 statt 8, wenn die eine Linie 12 und der Sqd 514.

Nr. 60. Ein In von 15 Ellen an seinem Snti und 30 an seinem k3y—n h r w. Lass mich seine Skd. wissen. Multipliziere 15; 12 davon ist 712, multipliziere 712 mit 4 um 30 zu erhalten. Sein Rhi ist 4.... Das ist sein Skd.

Eisenlohr bemerkt Rhi ist unklar, was jedoch ohne Einfluss auf die Rechnung ist.

Eisenlohr und Cantor erklären nun die Pir—m—us als die Seitenkante und die ucha tebet als die Diagonale des Grundquadrates, während sie durch das Koptische gezwungen sind die Kaienharu als die Höhe und die snti als die Grundlinie aufzufassen; sie erklären also den Sekt in den fünf ersten Aufgaben als den Cosinus des Neigungswinkels der Kante und Grundfläche und in der letzten als die Cotangente des Böschungswinkels!

Dagegen wenden sich nun ganz unabhängig voneinander Revillout und Borchardt und schon Weyr trat ihnen bei, beide zunächst vom Standpunkt des Steinhauers und Architekten; beide bemerken, dass der Neigungswinkel für den Steinhauer ganz wertlos.

Die Pyramide wurde in geraden Absätzen gebaut, die dann mit mächtigen Steinplatten ausgefüllt wurden. Kannte der Arbeiter den Böschungswinkel, der an allen Quadern derselbe, dann konnte er jedes Stück richtig behauen; der Neigungswinkel ergab sich dann ganz von selbst. (Figur.)

Eisenlohr erklärt Piremus als die aus der Säge heraustretende und seqet leitet er von qd — ähnlich machen — ab und übersetzt es mit Ähnlichkeit, besser wäre wohl Verhältnis. Revillout sagt, piremus bedeutet hinausgehen in die Breite oder aus der Breite und beides passt für die Höhe der Pyramide, die Linie, welche die Spitze mit der Mitte der Grundlinie verbindet; uchatebet ist die Basis, und beide Worte sind Synonyma für Kainharu und senti. Cantor noch in dem Brief an Weyr und in der 2. Auflage mutet den Ägyptern die Ungeheuerlichkeit zu zwei verschiedene Funktionen mit demselben Namen bezeichnet zu haben. Revillout und Borchardt sagen, es sei stets die Cotangente des Böschungswinkels und nun erinnern Sie sich daran, dass Ägypten aus zwei verschiedenen Ländern mit verschiedener Sprache zusammengewachsen ist. Synonyma sind häufig, wie wir aus analogen Gründen die ähnliche Erscheinung im Englischen haben. Die Pyramide heisst smr und in, der Kreis Deben und kd, der Vater heisst if und atef, der König bjty und hk3 usw.

Koordinaten.

Die Höhe ist als Summe der Schichtenhöhen, ev. auch aus der Schattenlänge und die Seite des Grundquadrats ganz direkt messbar. Die Diagonale muss aber berechnet werden, und zwar mit dem Pythagoras.

Eisenlohr hat die Winkel der Pyramiden γ und β (siehe Figur S. 50) berechnet aus

cos β entweder 514 Sp oder 5125 und damit
cos β = 34 oder = 126175 = 1825

und sie stimmen so ziemlich mit den Winkeln der erhaltenen Pyramiden, was für den, der weiss, wie oft grobe Fehler der Schüler geringe Fehler im Resultat geben, nicht wunderbar ist.

Aber Borchardt hat die Neigungswinkel aus der Cotangente berechnet. Es sind dies Winkel von 54° 14′ 16″; 53° 7′ 48″ (kommt 4 mal vor) und in No. 60, 75° 57′ 50″.

Von diesen Neigungswinkeln gleicht der erste genau bis auf die Sekunde dem Winkel an der südlichen Steinpyramide von Daschur (untere Hälfte), der zweite stimmt, ebenso haarscharf mit dem von Petrie an Ort und Stelle gemessenen Winkel der zweiten Pyramide von Giseh überein und der letzte ist ebenso genau der von Petrie 1892 nachgewiesene Winkel aus der Mastaba von Meidum. Und dass die Werkleute wie die unsrigen nach solchen Vorschriften, sogenannten Leeren, arbeiteten, das zeigen die von Petrie aufgedeckten Winkelmauern an den Ecken der Mastaba No. 17 zu Meidum.

Diese Eckwinkelmauern zeigen wie die Erbauer der Mastaba sich die anzulegende Neigung der Winkel genau nach der in No. 60 gegebenen Vorschrift aufgezeichnet haben. Damit ist die Seqtfrage entschieden. Sekt ist die Cotangente, rhi vermutlich nichts anderes als die Tangente, die also den Ägyptern auch schon bekannt war.

Das Wort seqd aber leitet Revillout von kd — bewegen ab und aus dem hapt — Richtscheit, das ein unentbehrliches Werkzeug war; seine aufrechtstehende Kathete ist 1 Elle, die untere ist in 7 Spannen und 4 Finger geteilt, und eine Schnur wurde nach dem unteren beweglichen Punkte geknüpft und gab dem Arbeiter damit durch den sekd unmittelbar den Winkel, nach dem er seinen Stein zurichtete.

Ein ganz entscheidendes Moment liegt aber in der Natur der Sache; der königliche Bauherr der Pyramide der sagt einfach, meine Pyramide soll so und so viel im Geviert haben und so und so hoch soll sie sein, die Ausführung überlässt er seinem Architekten.

Dass die Ägypter aber mit der Proportionalitäts- und Ähnlichkeitslehre ganz vertraut waren, das zeigen ihre Abbildungen. Sie teilten die Wand durch Linien in ein Netz von Quadraten, ganz wie unsere Ingenieure ihr Zeichenpapier, und trugen in die einzelnen Quadrate die Figuren in entsprechendem Massstab ein. In dem sogenannten Grabe Belzoni zu Biban el Moluk ist ein solches Coordinatensystem erhalten in einer unfertig gebliebenen Grabkammer König Sety I., des gewaltigsten der Bamessiden nächst seinem Sohne Ramses II.

Darstellende Geometrie bei den Ägyptern.

Nun zeigen die Bilder und Inschriften, ähnlich wie die japanischen, keine Perspektive, und man nahm an, dass den Ägyptern die Perspektive unbekannt gewesen sei. Aber vor etwa 10 Jahren wurden in Fayum, vom trockenen Wüstensand geschützt, eine grosse Anzahl Totenmasken, Porträts der Verstorbenen, gefunden, allerdings aus hellenistischer Zeit, die meisten Handwerksarbeiten, aber auch eine ganze Anzahl Kunstwerke ersten Ranges, die unsern besten Porträts nicht nachstehen. Und dazu noch eins, was ich Ihnen nicht vorenthalten darf, oben auf dem Pylon des Isis-Tempels von Phile, den Ptolemeus IX. Euergetes II. 150 v. Chr. erneuert hat an der Stelle, von wo der Werkmeister seinen Bau am besten übersehen konnte, sind in Stein geritzt zwei Zeichnungen erhalten.

M. H. Nicht Menge, nicht Lambert, nicht Dürer sind die Urheber der darstellenden Geometrie, hier sehen sie eine Werkzeichnung in dem Sandstein der Plattform des Pylon, welche Borchardt 1878 aufgenommen hat, mit beigeschriebenen Massen, Grundriss und Aufriss, und noch steht die Säule, welche genau danach gearbeitet ist.

Résumé.

Resumieren wir die ägyptische Mathematik so weit wir jetzt davon wissen.

In der Arithmetik hatten sie eine entwickelte Fingerrechnung und Rechenbretter, auf denen sie mit Steinen rechneten, kannten alle vier Spezies mit ganzen und gebrochenen Zahlen, wussten mit Gleichungen 1. und 2. Grades, arithmetischen und geometrischen Reihen Bescheid und hatten Näherungsmethoden für die Ausziehung der Quadratwurzeln.

In der Geometrie war ihre Konstruktions- oder Reisskunst hoch entwickelt. 420 v. Chr. rühmte sich der grosse Demokrit, dass ihn in der Reisskunst nicht einmal die ägyptischen Harpedonapten überträfen; sie hatten eine sehr achtenswerte Quadratur des Kreises, kannten Symmetrie und Proportion, waren mit der Kreisteilung vertraut, hatten Ähnlichkeitslehre und Anfänge der Trigonometrie und Elemente der darstellenden Geometrie.

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