XXI. WALTER VON DER VOGELWEIDE

The greatest of medieval lyrists. He was an Austrian, of knightly rank but poor, and was born about 1170. He led a wandering life, visiting many courts, taking a deep interest in public affairs and distinguishing himself by his matchless songs and Sprüche. In 1215 Emperor Friedrich II gave him a small estate near Würzburg. He died about 1230.

There are many translations of Walter, the best being by Simrock (1832), Panier (1878), Kleber (1894), and Eigenbrodt (1898). The translations below are from the sumptuous work of J. Nickol, Düsseldorf, 1904, which is itself eclectic and aims to give, for each poem, the best translation that could be found. No. 1 is by Pfaff, No. 2 by Simrock, 3 by Eigenbrodt, 4, 5, 6, 10 by Nickol, 7, 9, 11 by Panier, 8, 12 by Kleber.


Maienlust.

Wollt ihr schauen, was dem Maien

Wunders ist beschert?

Seht die Pfaffen, seht die Laien,

Wie das alles fährt!

5

Gross ist sein’ Gewalt:

Hat er Zauber sich ersonnen?

Wo er kommt mit seinen Wonnen,

Da ist niemand alt.

89

Uns soll alles wohl gelingen,

10

Fröhlich woll’n wir sein.

Lasst uns tanzen, lachen, singen,

Doch in Züchten fein.

Weh! Wer wär’ nicht froh,

Seit die Vöglein also schöne

15

Singen ihre besten Töne?

Tun wir auch also!

Wohl dir, Maie, dass du leidest

Weder Hass noch Streit!

Wie du schön die Bäume kleidest

20

Und die Heide weit!

Die hat Farben viel.

“Du bist kurzer, ich bin langer:”

Also streiten auf dem Anger

Blumen sich im Spiel.

25

Roter Mund, sollst dich bezähmen,

Lass dein Lachen sein!

Ach, es kann dich nur beschämen,

So zu spotten mein.

Ist das wohl getan?

30

Wehe der verlornen Stunde,

Soll von minniglichem Munde

Unminn’ ich empfahn!

Was mir alle Freude störet,

Seid Ihr, Frau, allein.

35

Ihr nur habt mich ja betöret,

So erbarmt Euch mein.

Wie steht Euch der Mut?

Wollt Ihr mir zu allen Tagen

Eure Gnade ganz versagen,

40

So seid Ihr nicht gut.

Lasst die Sorgen von mir scheiden,

Macht mir lieb die Zeit!

Sonst muss ich die Freude meiden,

Dass Ihr selig seid.

45

Wollt Ihr um Euch sehn?

Alles freut sich im Vereine,

Lasst von Euch auch eine kleine

Freude mir geschehn!


Frühling und Frauen.

Wenn die Blumen aus dem Grase dringen,

Gleich als lachten sie hinauf zur Sonne,

Des Morgens früh an einem Maientag,

Und die kleinen Vöglein lieblich singen

5

Ihre schönsten Weisen: welche Wonne

Hat wohl die Welt, die so erfreuen mag?

Man glaubt sich halb im Himmelreiche.

Wollt ihr hören, was sich dem vergleiche,

So sage ich, was wohler doch

90 10

Schon öfter an den Augen tat

und immer tut, erschau’ ich’s noch.

Denkt, ein edles, schönes Fräulein schreite

Wohlbekleidet, wohlbekränzt hernieder,

Sich unter Leuten fröhlich zu ergehn,

Hochgemut im fürstlichen Geleite,

15

Etwas um sich blickend hin und wieder,

Wie Sonne neben Sternen anzusehn:

Der Mai mit allen Wundergaben

Kann doch nichts so Wonnigliches haben

Als ihr viel minniglicher Leib;

20

Wir lassen alle Blumen stehn

und blicken nach dem werten Weib.

Nun wohlan, wollt ihr Beweise schauen:

Gehn wir zu des Maien Lustbereiche,

Der ist mit seinem ganzen Heere da.

Schauet ihn und schauet edle Frauen,

25

Was dem andern wohl an Schönheit weiche.

Ob ich mir nicht das bessre Teil ersah.

Ja, wenn mich einer wählen hiesse,

Dass ich eines für das andre liesse,

Ach, wie so bald entschied’ ich mich:

30

Herr Mai, ihr müsstet Jänner sein,

eh’ ich von meiner Herrin wich’.


Schönheit und Tugend.

Heil sei der Stunde, da sie mir erschienen,

Die mir den Leib und die Seele bezwungen!

Alle Gedanken ihr einziglich dienen;

Das ist mit Güte der Guten gelungen.

5

Dass ich nicht lassen und meiden sie kann,

Hat ihre Schönheit und Güte vollbracht

Und ihr roter Mund, der so wonniglich lacht.

91

Seele und Sinne, die hab’ ich gewendet

Auf die Vielreine, die Liebe, die Gute.

10

Werde uns beiden noch lieblich vollendet,

Was zu gewähren sie hold mir geruhte!

Was ich an Freude auf Erden gewann,

Hat ihre Schönheit und Güte vollbracht

Und ihr roter Mund, der so wonniglich lacht.

4 Das Tröstelein

In einem zweifelvollen Wahn

War ich gesessen und gedachte

Zu lassen ihren Dienst fortan,

Als mich ein Trost ihr wiederbrachte.

Trost mag es wohl nicht heissen, denn zur Stund’

Ist es ja kaum ein kleines Tröstelein,

So klein, wenn ich’s euch sag’, ihr spottet mein.

Doch Freude ist erlaubt auch aus geringem Grund.

Mich hat ein Halm gemachet froh,

Der sagt, ich solle Gnade finden.

Ich mass dasselbe kleine Stroh,

Wie ich zuvor es sah bei Kinden.

Nun höret denn und merket wohl, ob sie es tu’:

“Sie tut, tut’s nicht, sie tut, tut’s nicht, sie tut.”

Wie oft ich mass, so war noch je das Ende gut.

Das tröstet mich, doch da gehöret Glaube zu.

Wie lieb sie mir von Herzen sei,

So kann ich es gar wohl noch leiden,

Zählt sie mich nur den Besten bei;

Ich darf ihr Werben ihr nicht neiden.

Wie ich es kann erkennen, glaub’ ich nicht,

Dass sie ein andrer wankend machen möge;

Ich wollte, die Getäuschten sähn, dass Wahn sie tröge,

Denn allzulange schon hört sie auf jeden Wicht.

92

5 Wert der Minne.

Was soll ein Mann, der nicht begehrt

Zu werben um ein reines Weib?

Bleibt er von ihr auch unerhört,

Es hebt ihm Seele doch und Leib.

Er tu’ um Einer willen so,

Dass er den andern wohlbehagt,

Dann macht ihn wohl die Eine froh,

Wenn sich die Andre ihm versagt.

Des achte, wenn er liebt, der Mann,

Viel Glück und Ehre liegt daran.

Wer guten Weibes Minne hat,

Der schämt sich keiner Missetat.

6 Doppelzüngigkeit.1

Gott gibt zum König, wen er will;

Darüber wundr’ ich mich nicht viel:

Uns Laien wundert nur der Pfaffen Lehre,

Was sie gelehrt vor wenig Tagen,

Dass woll’n sie heut schon anders sagen.

Nun denn, bei Gott und eurer eignen Ehre,

So sagt uns denn in Treue,

Mit welcher Red’ ihr uns betrogen.

Erkläret uns die eine recht von Grunde,

Die alte oder neue.

Uns dünket, eines sei gelogen;

Zwei Zungen stehen schlecht in einem Munde.

93

7 Glückes Ungunst.

Frau Glück verteilet rings um mich

Und kehret mir den Rücken zu.

Sie will nicht mein erbarmen sich;

Ich weiss nicht, was ich dazu tu’.

Sie zeigt nicht gern ihr Antlitz mir,

Lauf ich um sie herum, bin ich doch hinter ihr

Denn ihr beliebt’s nicht mich zu sehn;

Ich möcht’, dass ihr die Augen an den Nacken ständen, dann müsst’s ohn’ ihren Wunsch geschehn.

8 Das Lehen.

Ich hab’ ein Lehen, alle Welt, ich hab’ ein Lehen!

Jetzt fürcht’ ich weder mehr den Hornung an den Zehen,

Noch will die bösen Herrn um ihre Gunst ich flehen.

Der edle Herr, der milde Herr hat mich beraten,

Dass ich im Sommer Luft, im Winter Wärme haben kann.

Die Nachbarn sehn mich jetzt mit andern Augen an,

Sie sehn nicht mehr den Butzemann in mir, wie sie es taten.

Zu lange war ich arm, das weiss ich keinem Dank;

Ich war so voll des Scheltens, dass mein Atem stank.

Den hat der König rein gemacht, dazu auch meinen Sang.

9 Morgengebet.

Mit Segen lass mich heut erstehn,

Herr Gott, in deiner Obhut gehn

Und reiten, wo hinaus mein Fuss sich kehre.

Herr Christ, lass sichtbar an mir sein

5

Die grosse Kraft der Güte dein

Und schütze mich um deiner Mutter Ehre.

Wie ihrer Gottes Engel pflag

Und dein, der in der Krippe lag,

94

Jung als Mensch und alt als Gott,

10

Demütig vor dem Esel und dem Rinde,

Und dennoch schon in fester Hut

Hielt Joseph sie und dich so gut

Wohl mit Treuen sonder Spott:

So schütz’ auch mich, dass man gehorsam finde

15

Mich deinem göttlichen Gebot.

10 Die drei Dinge.

Ich sass auf einem Steine

Und deckte Bein mit Beine.

Darauf setzt’ ich den Ellenbogen;

Ich hatt’ in meine Hand gezogen

5

Das Kinn und eine Wange.

Da dachte ich gar bange,

Wie man auf Erden sollte leben;

Doch keinen Rat konnt’ ich mir geben,

Wie man drei Ding’ erwürbe,

10

Dass keins davon verdürbe.

Die zwei sind Ehr’ und fahrend Gut,

Das oft einander Schaden tut;

Das dritt’ ist Gottes Segen,

Daran ist mehr gelegen.

15

Die wünscht’ ich gern in einen Schrein.

Ja, leider mag das nimmer sein,

Dass Gut und weltlich’ Ehre

Und Gottes Huld, die hehre,

Je wieder in Ein Herze kommen.

20

Ihnen ist Weg und Steg benommen:

Untreue liegt im Hinterhalt,

Und auf der Strasse fährt Gewalt;

Friede und Recht sind beide wund,

Die dreie finden kein Geleit, die zwei denn werden erst gesund.

95

11 Abschied von der Welt.

Frau Welt, Ihr sollt dem Wirte sagen,

Dass ich ihn ganz bezahlet habe;

All meine Schuld sei abgetragen,

Dass er mich aus dem Schuldbrief schabe.

5

Wer ihm was soll, der mag wohl sorgen;

Eh’ ich ihm lange schuldig blieb, eh’r wollt’ ich bei den Juden borgen.

Er schweiget bis auf einen Tag,

Dann aber nimmt er sich ein Pfand, wenn jener nicht bezahlen mag.

Elegie.

O weh, wohin entschwunden sind alle meine Jahr!

Ist mir mein Leben geträumet, oder ist es wahr?

Was ich je wirklich wähnte, war’s nur ein Traumgesicht?

So hab’ ich denn geschlafen, und ich weiss es nicht!

5

Jetzt bin ich erwacht, und ist mir unbekannt,

Was mir vordem war kundig, wie meine rechte Hand.

Leut’ und Land, da ich von Kindheit an erzogen,

Die sind mir fremd geworden, als ob es sei erlogen;

Die mir Gespielen waren, die sind träg’ und alt,

10

Geackert ist das Feld, gehauen ist der Wald.

Wenn nicht das Wasser flösse, wie es weiland floss,

Fürwahr, ich wähnte, mein Unglück es wär’ gross.

So kalt grüsst jetzt mich mancher, der einst mich wohl gekannt;

Voll Not und Trübsal ist die Welt in Stadt und Land.

15

So ich gedenk’ an manchen wonniglichen Tag,

Die sind mir entfallen, recht wie ins Meer ein Schlag.

Immermehr o weh!

O weh, wie jämmerlich doch junges Volk jetzt tut,

Dem ehmals nie verzagte in der Brust der Mut!

20

Die tragen sich mit Sorgen, weh, was tun sie so!

Wohin ich immer blicke, keinen seh’ ich froh.

Tanzen, Lachen, Singen, vergeht vor Sorgen gar;

96

Nie sah man unter Christen so jämmerliche Schar.

Seht nur der Frauen Schmuck, der einst so zierlich stand;

25

Die stolzen Ritter tragen bäurisches Gewand.

Uns sind ungnädige Briefe2 her von Rom gekommen;

Uns ist erlaubt zu trauern, und Freude gar benommen.

Das schmerzt mich tief im Herzen—wir lebten einst so wohl—

Dass ich nun für mein Lachen Weinen tauschen soll.

30

Die Vöglein in dem Walde betrübet unsre Klage,

Was Wunder, wenn auch ich darüber schier verzage?

Doch, ach, was sprech’ ich Tor in meinem sündigen Zorn?

Wer dieser Wonne folget, der hat jene dort verlorn.

Immermehr o weh!

35

O weh, wie ward uns Gift mit Süssigkeit gegeben!

Die Galle seh’ ich mitten in dem Honig schweben.

Die Welt ist aussen lieblich, weiss und grün und rot,

Doch innen schwarzer Farbe, finster wie der Tod.

Wen sie verleitet habe, der suche Trost bei Zeit;

40

Er wird mit leichter Busse von schwerer Schuld befreit.

Daran gedenket, Ritter, es ist euer Ding!

Ihr tragt die lichten Helme und manchen harten Ring,

Dazu die festen Schilde und das geweihte Schwert;

Wollte Gott, ich wäre für ihn zu streiten wert!

45

So wollt’ ich armer Mann verdienen reichen Sold;

Nicht mein’ ich Hufen Landes, noch der Herren Gold.

Ich möchte jene ewigliche Krone tragen,

Ein Söldner könnte sie wohl mit seinem Speer erjagen.

Könnt’ ich die teure Reise fahren über See,

50

So wollt’ ich wieder singen “wohl” und nimmermehr “o weh,”

Nimmermehr o weh!

1. Pope Innocent III was at first a partisan of Otto the Saxon and consecrated him as emperor. But when Otto invaded Italy in 1210 the Pope turned against him and excommunicated him.

2. The pope’s excommunication of Emperor Friedrich II, in September, 1228.

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