XXXII. FREIDANK.

The assumed name of a popular gnomic poet who lived in the first half of the 13th century. His fame rests on his Bescheidenheit, which means the ‘wisdom’ or ‘sagacity’ that comes of experience. The book is a miscellaneous collection of proverbial and aphoristic sayings. The titles of those given below were supplied by the translator.

1 Geheimnis der Seele.

Wie die Seele geschaffen sei,

Des Wunders werd’ ich hier nicht frei.

Woher sie komme, wohin sie fahr’,

Die Strass’ ist mir verborgen gar.

Hier weiss ich selbst nicht, wer ich bin;

Gott gibt die Seel’, er nehme sie hin:

Gleichwie ein Hauch verlässt sie mich,

Und wie ein Aas da liege ich.

2 Unentbehrlichkeit der Toren.

Der Weisen und der Toren Streit

Hat schon gewähret lange Zeit

Und muss auch noch viel länger währen;

Man kann sie beide nicht entbehren.

3 Borniertheit der Toren.

Der Tor, wenn er ’ne Suppe hat,

Kümmert sich gar nicht um den Staat.

4 Nachahmungssucht der Toren.

Findet ein Tor eine neue Sitt’,

Dem folgen’ alle Toren mit.

5 Selbstgefälligkeit.

Uns selbst gefallen wir alle wohl;

Drum ist das Land der Toren voll.

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6 Selbstüberschätzung.

Wer wähnt, dass er ein Weiser sei,

Dem wohnt ein Tor sehr nahe bei.

7 Alter und Jugend.

Haben alte Leute jungen Mut,

Und junge alten, das ist nicht gut;

Singen, springen soll die Jugend,

Die Alten wahren alte Tugend.

8 Grenzen der Fürstenmacht.

Und sollte es der Kaiser schwören,

Der Mücken kann er sich nicht wehren;

Was hilft ihm Herrschaft oder List,

Wenn doch ein Floh sein Meister ist.

9 Der unbedeutende Feind.

Dem Löwen wollt’ ich Friede geben,

Liessen mich die Flöhe leben.

10 Der kühnste Vogel.

Die Flieg’ ist, wird der Sommer heiss,

Der kühnste Vogel, den ich weiss.

11 Rom und der Papst.

Zu Rom ist manche falsche List,

Daran der Papst unschuldig ist.

12 Weisheit und Reichtum.

Ich nähme Eines Weisen Mut

Für zweier reicher Toren Gut.

13 Scheinheiligkeit.

Von manchem hört’ ich schon mit Neid,

Er pflege grosser Heiligkeit;

Und sah ich ihn, da dünkt’ es mich,

Er wäre nur ein Mensch wie ich.

14 Der freie Gedanke.

Deshalb sind Gedanken frei,

Dass die Welt unmüssig sei.

15 Lebensregel.

Man soll nach Gut und Ehre jagen

Und Gott dennoch im Herzen tragen.

16 Minneglück.

Wer minnet, was er minnen soll,

Dem ist mit Einem Weibe wohl;

Ist sie gut, so ist ihm gewährt,

Was man von allen Weibern gehrt.

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