LXII. BARTHOLD HEINRICH BROCKES

A writer of rather mediocre gifts who is of some historical importance as the pioneer in a new poetry of nature (1680-1747). He was the first to blend reverent emotion with very minute observation and description. His thesis—as oft reiterated in his many-volumed Earthly Pleasure in God—is that we ought to love nature because it is the wonderful and perfect work of an infinitely wise and good Creator. The selections follow Kürschner’s Nationalliteratur, Vol. 39.

1 Anmutige Frühlingsvorwürfe.

Ich höre die Vögel, ich sehe die Wälder,

Ich fühle das Spielen der kühlenden Luft,

Ich rieche der Blüte balsamischen Duft,

Ich schmecke die Früchte. Die fruchtbaren Felder,

5

Die glänzenden Wiesen, das funkelnde Nass

Der tauichten Tropfen, das wallende Gras

Voll lieblicher Blumen, das sanfte Gezische

Der mancherlei lieblich beblätterten Büsche,

Das murmelnde Rauschen der rieselnden Flut,

10

Der zitternde Schimmer der silbernen Fläche

Durch grünende Felder sich schlängender Bäche,

Der flammenden Sonne belebende Glut,

Die alles verherrlichet, wärmet und schmücket,

Dies alles ergetzet, erquicket, entzücket

15

Ein Auge, das Gott in Geschöpfen ersieht,

Ein Ohr, das den Schöpfer verstehet und höret,

Ein Herze, das Gott in den Wundern verehret,

Kein viehisch, nur einzig ein menschlich Gemüt.

2 Die Nachtigall und derselben Wettstreit gegen einander.

Im Frühling rührte mir das Innerste der Seelen

Der Büsche Königin, die holde Nachtigall,

Die aus so enger Brust und mit so kleiner Kehlen

Die grössten Wälder füllt durch ihren Wunderschall.

5

Derselben Fertigkeit, die Kunst, der Fleiss, die Stärke,

Verändrung, Stimm’ und Ton sind lauter Wunderwerke

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Der wirkenden Natur, die solchen starken Klang

In ein paar Federchen, die kaum zu sehen, senket

Und einen das Gehör bezaubernden Gesang

10

In solche dünne Haut und zarten Schnabel schränket.

Ihr Hälschen ist am Ton so unerschöpflich reich,

Dass sie tief, hoch, gelind und stark auf einmal singet.

Die kleine Gurgel lockt und zischt und pfeift zugleich,

Dass sie wie Quellen rauscht, wie tausend Glocken klinget.

15

Sie zwitschert, stimmt und schlägt mit solcher Anmut an,

Mit solchem nach der Kunst gekräuselten Geschwirre,

Dass man darob erstaunt und nicht begreifen kann,

Ob sie nicht seufzend lach’, ob sie nicht lachend girre.

Ihr Stimmchen ziehet sich in einer hohlen Länge

20

Von unten in die Höh’, fällt, steigt aufs neu empor,

Und schwebt nach Mass und Zeit; bald drängt sich eine Menge

Verschiedner Tön’ aus ihr als wie ein Strom hervor.

Sie dreht und dehnt den Ton, zerreisst und fügt ihn wieder,

Singt sanft, singt ungestüm, bald klar, bald grob, bald hell.

25

Kein Pfeil verfliegt so rasch, kein Blitz verstreicht so schnell,

Die Winde können nicht so streng im Stürmen wehen,

Als ihre schmeichelnde verwunderliche Lieder

Mit wirbelndem Geräusch sich ändern, sich verdrehen.

Ein flötend Glucken quillt aus ihrer hohlen Brust,

30

Ein murmelnd Pfeifen labt der stillen Hörer Herzen;

Doch dies verdoppelt noch und mehrt die frohe Lust,

Wenn etwan ihrer zwo zugleich zusammen scherzen.

Die singt, wenn jene ruft; wann diese lockt, singt jene

Mit solch anmutigem bezaubernden Getöne,

35

Dass diese wiederum aus Missgunst, als ergrimmt,

In einen andern Ton die schlanke Zunge stimmt.

Die andre horcht indes und lauscht voll Unvergnügen,

Ja fängt zu ihres Feinds und Gegensängers Hohn,

Um durch noch künstlichern Gesang ihn zu besiegen,

40

Von neuem wieder an in solchem scharfen Ton,

Mit solchem feurigen, empfindlich hellen Klang,

Mit solch gewaltigem oft wiederholtem Schlagen,

Dass so durchdringenden und heftigen Gesang

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Das menschliche Gehör kaum mächtig zu ertragen.

45

Wer nun so süssen Ton im frohen Frühling hört

Und nicht des Schöpfers Macht voll Brunst und Andacht ehrt,

Der Luft Beschaffenheit, das Wunder unsrer Ohren

Bewundernd nicht bedenkt, ist nur umsonst geboren

Und folglich nicht der Luft, nicht seiner Ohren wert.

3 Frühlingsbetrachtungen.

Mich erquicken,

Mich entzücken

In der holden Frühlingszeit

Alle Dinge, die ich sehe,

5

Da ja, wo ich geh’ und stehe,

Alles voller Lieblichkeit.

Durch der grünen Erde Pracht,

Durch die Blumen, durch die Blüte

Wird durchs Auge mein Gemüte

10

Recht bezaubernd angelacht.

Die gelinden lauen Lüfte

Voller balsamreicher Düfte

Treibt des holden Zephyrs Spiel

Zum Geruch und zum Gefühl.

15

Auf den glatten Wellen wallen

Wie auf glänzenden Krystallen

Im beständig regen Licht

Tausend Strahlen, tausend Blitze,

Und ergetzen das Gesicht,

20

Sonderlich wenn selbe zwischen

Noch nicht dick bewachs’nen Büschen

Und durch junge Weiden glimmen.

Kleine Lichter, welche schwimmen

Auf dem Laub und auf der Flut

25

Bald in weiss-, bald blauer Glut,

Treffen mit gefärbtem Scherz

Durch die Augen unser Herz.

Seht die leichten Vögel fliegen,

Höret, wie sie sich vergnügen,

30

Seht, wie die beblümten Hecken

Ihr geflochtnes Nest verstecken!

Schlüpfet dort nach seinem Neste

Ein verliebt und emsigs Paar,

Hüfpet hier durch Laub und Äste

35

Eine bunt gefärbte Schar.

Seht, wie sie die Köpfchen drehn

Und des Frühlings Pracht besehn,

Hört, wie gurgeln sie so schön!

Höret, wie sie musicieren!

40

Lass dich doch ihr Beispiel rühren,

Liebster Mensch, lass dem zu Ehren,

Der die Welt so schön geschmückt

Und durch sie dich fast entzückt,

Auch ein frohes Danklied hören!

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