Es war ein fürchterlicher Abend; ein Donnerschlag verjagte den andern; der Sturm pfif über die Felder und entwurzelte Eichen, der Regen schos so dicht und häufig, daß es ein Wolkenbruch zu sein schien.
„Mein Gott!“ keuchte der alte Graf von Duur, der sich auf der Jagd verspätet hatte, vom Sturm Regen und Donnerwetter plözlich überfallen war, und nun um alles in der Welt gern auf seinem Landschlosse zu sein wünschte: „Mein Gott, das stürmt ja alles auf mich armen Schach ein, als bräche der jüngste Tag auf! — Mein Odem ist weg, mein Seel, ich erstikke, wenn ich nicht bald zu dem verwünschten Schlosse komme!“ Der Leser mus wissen, daß der alte Herr etwas schwer vom Leibe war.
„Verwünscht, daß ich auf die Jagd hinauswatschelte; aber wer konnte das leidige Ungestüm riechen? und obendrein keinen Sperling geschossen! was der Bastholm nun lachen wird!“
Der gute, alte Mann hatte nämlich mit dem benachbarten Gutsbesizzer, dem Herrn von Bastholm, um zehn Flaschen Tokaier gewettet, wer den Tag das meiste von der Jagd heimbringen würde.
Und die arme Friedrike! was das Mädchen sich ängstigen wird, wenn sie mich nicht zurükkommen sieht in dem Ungewitter! „Hätt’ ihr wohl die Sorge ersparen können.“
Friedrike war die Niece des alten Grafen; Er erzog sie selbst, liebte sie mehr als eine Tochter; denn er war ohne Kinder, und Friedrike ohne Eltern.
„Ah, poz Henker und was mir da einfällt, Florentin kömmt ja, nach seinen Briefen, heut von der Universität zurük! He, Alter ’s war ein erzdummer Streich mit deiner Jagd! da ist der Junge vielleicht schon in meinem Zimmer, da liegt er wohl schon dem Mädchen in den Armen, die sich nicht satt sehen und satt küssen kann an ihrem Bruder! — ’s ist doch der Mensch manchmahl zu erzdummen Streichen geboren! —“
Er verdoppelte jezt seine Schritte, um spornstreichs seinem Neveu in die Arme zu fliegen, aber er rannte sich bald ausser Athem, und war gezwungen mitten im Regen seinen gemächlichen Spazierschritt beizubehalten. Hier soll er zum erstenmahl auf seinen stattlichen Bauch böse geworden sein.
„Länger halt ich’s nicht aus! es ist zu arg, bin nas am ganzen Leibe und die Straße ist ein wahrer Mordweg! — Meine Perükke ist, Gott sei bei uns, auch —“ —
Hier schwieg er plözlich still, denn er gewahrte einer Gestalt, die dicht hinter ihm herschritt. Ihm kam ein Grausen an. Es blizte — er sah sich in eben dem Augenblik um, und erblikte den hinter ihm Wandelnden von oben bis unten blutroth.
Seine Angst vermehrte sich bei jedem Athemzuge, er sprang in einen Nebenweg, den er entdekte, und der fremde Bluthrothe sprang ihm nach. — „Hier soll’s irre gehn, ich hab’s oft gehört!“ dachte er bei sich, und dehnte seine Füße von einander zur Flucht. Kaum war er vier Schritt gelaufen, so glitschte er auf dem schlammigten Fußsteig aus und fiel.
Es blizte. Die Gestalt stand neben ihm, faßte ihm mitleidig unter die Arme und hob ihn auf.
„War der Fall hart?“ fragte der Fremde.
„Ich fühle nichts!“
„Ist nicht ein Wirthshaus, oder ein Dorf in der Nähe wo man untertreten könnte?“
„Ich denke — ich denke nicht weit.“
„Es ist ein grimmiger Regen, doch bin ich solcher Witterung vielleicht mehr gewohnt, als Sie. Sie dauern mich, Kann ich mit meinem Mantel aufwarten!“
„Wo wollen Sie hin?“
„Kann ich mit dem Mantel aufwarten?“
„Er — oder Sie brauchen ihn ja selbst!“
„Wenn Sie ihn wollen, nicht mehr.“
Sprachs, und ihn dem seufzenden Edelmann um, der tausendmahl dankte.
„Nun werden Sie ja nas.“
„Meine Kleider verderben nicht!“
So dialogisirten sie sich eine ziemliche Strekke Weges fort. Dem Grafen war die Gespensterfurcht verschwunden, und der Fremde hatte nun einen Leitsmann. — Mit einemmale hörten sie einen Wagen auf sich zu fahren.
„He da! guter Freund, wohin?“ rief der nunmehrige Mantelträger dem Fahrenden zu.
„Ach Gott, gnädiger Herr, sind Sie’s selbst. Steigen Sie doch ein, ich hin schon eine halbe Stunde lang herumgefahren, um Sie zu suchen und nach Haus zu bringen!“ antwortete der Kutscher. —
Keiner segnete den Himmel hierum mehr, als der alte Graf. Er stieg ein, und zog den Fremden hinter sich her. „Sie haben mir, sagte er, Ihren Mantel geliehen, izt leih’ ich Ihnen meine Kutsche. Hurtig herein!“
Sie fuhren beide fort, und in wen’ger Zeit stiegen sie im Schlosse ab. Der Graf zog den Fremden immer hinter sich her; schleppte ihn in sein Schlafzimmer, ließ durch den Bedienten zwei Schlafrökke, Pantoffeln, Mützen u. s. f. bringen; sie kleideten sich um und nun schob der Alte den Fremden in das Visitenzimmer.