Aufnahmebedingungen

Die Reformation des XVI. Jahrhunderts hat die entarteten Frauenversorgungsanstalten des Mittelalters gewiss mit demselben Rechte beseitigt wie die Stätten der sündigen Lust. Aber sie ist hier revolutionär, nicht reformierend zu Werke gegangen; sie hat zunächst nichts Positives an die Stelle des Eingerissenen zu setzen vermocht, ausser einer Theorie, wenn man will, einem Ideal, dessen Verwirklichung erst im Laufe der Jahrhunderte erfolgen konnte. Um dies zu verstehen, muss man nicht vergessen, dass die Reformation das Weib in einer sittlichen Erniedrigung und Entwürdigung vorfand, wie sie brutaler kaum gedacht werden kann. Ihre erste Aufgabe musste darin bestehen, die Ehe wieder zu heiligen. Damit veränderte sich auf einen Schlag die ganze Stellung der Frau in der Gesellschaft. An die Stelle des Frauenideals der Ritterromantik, welches die Körperschönheit der Geliebten in den Vordergrund stellte, trat ein neues Frauenideal, welches auf die Seelenreinheit und die sittlichen Eigenschaften der deutschen Hausfrau und Hausmutter das Schwergewicht legte.

Gewiss waren es altjüdische Gedanken[65], denen Luther in seinem »Lob eines frommen Weibes« in freier Uebertragung Ausdruck verliehen hat: »Ein fromm gottesfürchtig Weib ist ein seltsam Gut, viel edler und köstlicher denn eine Perle. Der Mann verlässt sich auf sie und vertraut ihr alles. Sie erfreuet den Mann und machet ihn fröhlich, betrübet ihn nicht, tut ihm Liebes und kein Leides sein Lebenlang. Geht mit Flachs und Wolle um, schafft gern mit ihren Händen, zeuget ins Haus und ist wie eines Kaufmanns Schiff, das aus fernen Ländern viel Ware und Gut bringt. Frühe stehet sie auf, speiset ihr Gesinde und gibt den Mägden, was ihnen gebühret. Wartet und versorget mit Freuden, was ihr zusteht. Was sie nicht angeht, lässt sie unterwegen. Sie gürtet ihre Lenden fest und streckt ihre Arme, ist rüstig im Hause. Sie merkt, was frommt und verhütet Schaden. Ihre Leuchte verlischt nicht des Nachts. Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken und ihre Finger fassen die Spindel; sie arbeitet gerne und fleissig. Sie breitet ihre Hände aus über die Armen und Dürftigen, gibt und hilfet gern. Ihr Schmuck ist Reinlichkeit und Fleiss. Sie tut ihren Mund auf mit Weisheit, auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre; sie zieht ihre Kinder fein zu Gottes Wort. Ihr Mann lobet sie, ihre Söhne kommen auf und preisen sie selig.«

Aber diese Gedanken sind seit der Reformation in das deutsche Volksbewusstsein übergegangen, und sie beherrschen noch heute die Auffassung von der Ehe und der sozialen Stellung des Weibes in breiten Schichten der Bevölkerung. Nicht von oben herab, bei den Spitzen der Gesellschaft hat sich die Umwandlung zuerst vollzogen, sondern von unten herauf, aus dem deutschen Bürgerstande heraus, ist die Festigung und Kräftigung der Stellung der Frau in der Familie erfolgt. Während die vornehme Gemeinheit der französischen Galanterie das Hofleben und die adeligen Kreise des XVII. und XVIII. Jahrhunderts beherrschte, streifte die bürgerliche Familie allmählich die aus dem Mittelalter überkommenen Anschauungen ab und wies der Frau jene hohe sittigende Stellung an, welche die Dichter unserer klassischen Periode verherrlicht haben. Die anscheinend so engherzige Ausschliessung des weiblichen Geschlechtes vom Erwerbsleben, welche sich in dieser Zeit vollzog, musste mit zu diesem Ziele helfen. Dass sie sich aber ohne stärkeres Widerstreben der Gesellschaft und der öffentlichen Gewalt vollziehen konnte, scheint als Beweis dafür angesehen werden zu müssen, dass die eingetretenen friedlichern Zeiten eine Ausgleichung des im Mittelalter so bedeutenden Zahlenunterschiedes der Geschlechter mehr und mehr herbeigeführt hatten. Die für so hart und engherzig geltenden Zunftartikel, welche den in Unehe Erzeugten den Zutritt zum Handwerk versagten, und die Beschäftigung weiblicher Personen ausschlossen, wären dann, nach dieser Richtung wenigstens, nur Ausdruck der allgemeinen Entwicklung der Gesellschaft.

Denn das muss vor allem festgehalten werden: durch die ganze Geschichte, und namentlich durch die Geschichte unseres Volkes geht ein mächtiger Zug, der darauf hinführte, die Frau mehr und mehr von der schweren, aufreibenden Mühsal des Erwerbs zu entlasten und diese auf die stärkeren Schultern des Mannes zu laden, dem Manne die schaffende, die werbende Arbeit der Gütererzeugung, der Frau die verwaltende und erhaltende Tätigkeit in der Hauswirtschaft, dem Manne den waglichen Kampf ums Dasein, der Frau die behagliche Gestaltung desselben zuzuweisen. Diesen Zug der Entwicklung nach Möglichkeit zu fördern, erschien den letztvergangenen Jahrhunderten als die Aufgabe einer gesunden, historisch aufbauenden Sozialpolitik. Als Gehilfin des Mannes im Rahmen der Familie mochte die Frau zum eigenen und allgemeinen Besten auch in der eigentlichen Erwerbswirtschaft tätig sein, nimmermehr jedoch als Konkurrentin des Mannes ausserhalb dieses Rahmens[66].

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