b) Leibrentenkauf

Oeffentliches Aergernis suchte freilich auch das Mittelalter in diesen Dingen zu vermeiden; aber es fasste diesen Begriff doch noch sehr eng. Die gemeinen Frauen wurden fast überall gezwungen, in bestimmten entlegenen Strassen oder in den Vorstädten zu wohnen; am häufigsten suchte man sie in Frauenhäusern zu vereinigen. Die letzteren waren meist von den Stadträten selbst oder den Landesherren errichtet und bildeten dann oft eine vom Standpunkt der städtischen Finanzen nicht zu unterschätzende Einnahmequelle, welche selbst hohe kirchliche Würdenträger ohne Skrupel auspumpten und der Adel gern zu Lehen nahm. Sie wurden von den Städten entweder in eigenem Betrieb durch Beamte verwaltet oder an Privatunternehmer verpachtet. Die letzteren hiessen Frauenwirte und Wirtinnen oder Frauenmeister, bez. Meisterinnen, und waren durchweg an genaue Vorschriften gebunden. Sie unterlagen hierbei der Beaufsichtigung durch die städtischen Behörden. Meist war den Ratsknechten, oft auch dem Henker oder Stöcker die unmittelbare Ueberwachung der Dirnen anvertraut; die letzteren hatten diesen Bediensteten dafür gewisse wöchentliche Gebühren zu entrichten. Die Oberaufsicht lag gewöhnlich in den Händen des Bürgermeisters oder einer Ratsdeputation, deren Befugnisse fast unbeschränkt waren.

Die Frauenhäuser standen als befriedete Orte unter einem ganz besonderen Schutz; Unfug, der dort verübt war, wurde doppelt hart bestraft. Die Insassen derselben genossen eines ausschliessenden Gewerberechts; wie die Zunftmeister gegen Störer und Bönhasen, so gingen sie gegen den unlauteren Wettbewerb der »heimlichen« Frauen vor, welche in Bürgerhäusern ihre Schlupfwinkel hatten, und mehr als einmal übten sie gegen diese gewalttätige Selbsthilfe. Eigentliche Korporationen, wie in Genf und Paris, scheinen sie in Deutschland nur vereinzelt gebildet zu haben; so hatten die öffentlichen Frauen in Leipzig eine Verbindung mit eigenen Satzungen, die ihre Vorsteherin selbst wählte und jährlich auf Mitfasten eine Prozession hielt. Ueberall aber waren sie bei öffentlichen Festlichkeiten, namentlich bei Fürstenempfängen, neben der körperschaftlich geordneten übrigen Bevölkerung als besondere Standesgruppe vertreten. Selbst bei den Schmäusen und Tänzen, mit welchen sich die ehrsame Bürgerschaft und der Rat vergnügten, war ihnen zu erscheinen erlaubt. Sie pflegten bei solchen Gelegenheiten wohl ihre Glückwünsche darzubringen und Blumensträusse zu überreichen, wogegen sie eine Ehrung, bestehend in Speise und Trank oder einem Geldgeschenke, empfingen. Bei der Durchreise hoher Herrschaften wurden ihre Häuser zu deren Empfang besonders geschmückt und beleuchtet; ja sie wurden bisweilen bei solchen Gelegenheiten auch auf städtische Kosten gekleidet. In Zürich herrschte noch 1516 der Brauch, dass der Bürgermeister, die Gerichtsdiener und die gemeinen Frauen mit den fremden Gesandten, welche in die Stadt kamen, zusammen speisten.

Das Tun und Treiben in den Frauenhäusern war durch besondere Ordnungen geregelt, welche einen schlagenden Beweis für die eingehende Sorgfalt und die menschenfreundliche Gesinnung abgeben, mit denen das Mittelalter auch jene elendesten aller menschlichen Wesen behandelte. Jedenfalls stechen sie vorteilhaft ab gegen die Massregeln der modernen Sittenpolizei, welche in diesen Dingen noch immer zwischen weitherziger Duldung und radikaler Unterdrückung einen nicht sehr würdigen Eiertanz aufführt. Sie suchen die öffentlichen Frauen vor Uebervorteilung und roher Behandlung durch Wirte oder Wirtinnen zu schützen, ihnen die Freiheit der Bewegung, das Recht des Kirchenbesuchs und die Heilighaltung der Festtage zu gewährleisten und ihnen die Rückkehr zu einem geordneten Lebenswandel zu erleichtern. Früh finden wir eine gesundheitliche Ueberwachung derselben, und in Ulm gab es sogar eine besondere Badstube für ihren Gebrauch. In dem dortigen Frauenhause wurden die Weiber zur Arbeit angehalten; jede Insassin musste dem Wirte täglich zwei »Andrehen« Garn spinnen oder, wenn sie das nicht wollte, ihm für jede Andrehe 3 Heller zahlen. Dafür war der Wirt auch verpflichtet, in die Hilfskasse der Frauen, zu der jede wöchentlich einen Heller zahlte, jedesmal das Doppelte dieses Betrags zu legen. Das gesammelte Geld diente dazu, krank oder brotlos gewordene Frauenhauserinnen zu unterstützen. Es bestand also Kranken- und Arbeitslosen-Versicherung, zu der Unternehmer und Arbeiterinnen beitrugen. Ueber Kost und Lohn enthält die Frauenhausordnung von 1416 die genauesten Vorschriften; überall leuchtet das Bestreben durch, die Gewalt des Wirtes in möglichst enge und fest bestimmte Grenzen einzuschliessen.

Wie gross die Anzahl der feilen Frauen in den einzelnen Städten gewesen sei, lässt sich fast nirgends mehr bestimmen. In den meisten Städten finden wir mehrere (meist zwei oder drei) Frauenhäuser; die grösste Zahl von Frauen, welche wir in einem solchen Hause antreffen, beträgt fünfzehn. Indessen ist nicht zu übersehen, dass auch ausserhalb der Frauenhäuser die Lüderlichkeit eine Stätte fand. Nach allen Schilderungen muss im XV. Jahrhundert die Prostitution in den deutschen Städten eine furchtbare Ausdehnung gewonnen haben. Der zu gewissen Zeiten sehr starke Fremdenverkehr und die ständige Anwesenheit einer beträchtlichen Zahl von ehelosen Geistlichen, Handwerksgesellen und Kaufmannsdienern auf der einen Seite, die öffentliche Duldung des Unwesens in den Frauenhäusern auf der andern Seite wirkten mit der durch den wachsenden Reichtum geförderten Zuchtlosigkeit in den höheren Klassen zusammen, um eine geradezu schaudererregende Verwilderung und Verrohung hervorzubringen. In diesen Sumpf der Sittenlosigkeit wurde bald alles hineingerissen, die niederen wie die höheren Stände, die bürgerlichen Haushaltungen wie die Frauenklöster und Bekinenanstalten.

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