Unstreitig die bedenklichste Erscheinung des Mittelalters bilden diejenigen fahrenden Frauen, welche in den Städten sich dauernd niederliessen und hier nicht wenig zur Lockerung der Sitten beitrugen[57]. Dieselben kommen zwar auch noch unter mancherlei anderen Namen vor[58]; dass sie jedoch vorwiegend Fremde waren, zeigen zahlreiche Bestimmungen der über sie erlassenen Ratsordnungen. Das Mittelalter war in Beziehung auf die öffentlichen Dirnen weit entfernt von jener übelangebrachten Prüderie, die heute noch so vielfach eine unbefangene Erörterung dieses ja immerhin sehr heikeln Gegenstandes verhindert. Es nahm ihr Bestehen als ein »zur Verhütung grösseren Unheils« notwendiges Uebel hin, dessen Beseitigung kaum je ernstlich in Erwägung gezogen wurde. In Frankfurt konnten sie das Bürgerrecht erlangen und wurden wie andere Neubürger in das Bürgerbuch eingetragen[59]. Die Frauen, welche sich dem elendesten aller Gewerbe hingaben, betrachtete man mehr als Unglückliche, Verirrte und Leichtsinnige[60] denn als Lasterhafte. Den Männern, welche ihren Umgang suchten, haftete ebensowenig ein Makel an als denjenigen, welche in »Unehe« (dem Konkubinat) lebten. Bildete doch selbst in den Zeiten des ritterlichen Frauendienstes der eheliche Stand eines von beiden Teilen oder beider für die »Minne« kein Hindernis.