Europa

Deko

Phot. Schweizer. Gesellschaft f. Volkskunde.

Abb. 252. Vom Fest der Fischergilde zu Ermatingen (nach einem Fischfang).

Die heutige Bevölkerung Europas ist in der Hauptsache aus einer Kreuzung dreier Rassen hervorgegangen, der sogenannten nordeuropäischen, der alpinen und der mittelländischen Hauptrasse.

Die nordeuropäische oder indogermanische Hauptrasse ist durch einen hohen Wuchs, länglichen Schädel, längliches Gesicht, ebenmäßige Züge, längliche, schmale Nase mit geradem oder leicht gebogenem Rücken, blondes oder rötliches Haupthaar von lockiger oder gewellter Beschaffenheit, blaue oder hellgraue Augen und weiß-rosige, pigmentlose Haut ausgezeichnet. Sie hat ihre reinsten Vertreter noch unter der Bevölkerung Schwedens, wo sie nachweislich seit Beginn der Steinzeit ansässig gewesen ist und höchstwahrscheinlich auch ihren Ausgang genommen hat. Die schwedische Bevölkerung besitzt eine durchschnittliche Körperlänge von 170,8 Zentimeter. Die nordeuropäische Rasse hat bereits in der vorgeschichtlichen Zeit weitgehende Wanderungen angetreten; sie ist dabei bis nach den äußersten Ecken Südeuropas vorgedrungen und hat selbst darüber hinaus auf der einen Seite bis Nordafrika und auf der anderen bis Indien hin sich verbreitet. Die westlichen und südlichen Gebiete des Ostseebeckens waren eine unerschöpfliche Quelle, aus der immer neue Völkerstämme strömten und Europa nach allen Richtungen hin überfluteten. Zu dieser nordischen Rasse gesellte sich bereits zur jüngeren Steinzeit von Osten her eine zweite hinzu, die alpine oder mitteleuropäische Rasse, Leute von untersetzter Gestalt (im Mittel 163 bis 164 Zentimeter), leicht hellbrauner oder auch weißer Hautfarbe, hellbraunen oder schwarzen Augen, braunem oder rötlichbraunem Kopfhaar von welliger Beschaffenheit, rundem, breitem Kopf und rundlichem Gesicht. Ihre eigentümliche Verteilung auf unserem Erdteil läßt darauf schließen, daß sie von Osten, von Rußland oder noch weiter von Mittelasien herankam und sich wie ein Keil zwischen die nordische und die sogleich zu besprechende südeuropäische Rasse bis an die Cevennen hineinschob. Die südeuropäische oder mittelländische Hauptrasse endlich gleicht in ihrer Schädel- und Gesichtsbildung der nordeuropäischen, weicht aber in ihrer Körpergröße (im Mittel 161 bis 162 Zentimeter) und in ihrer Hautfarbe deutlich von ihr ab. Der Farbenton der Haut schwankt von einem gelblichen Weiß oder Blaßbraun zum Rötlichen oder Rotbraun, die Augen sind schwarz oder tiefbraun, die Kopfhaare tiefschwarz. Als ihre Bildungstätte dürften die östlichen Gebiete der Mittelmeerländer anzusehen sein. Infolge der zahlreichen Wanderungen, die sich im Laufe der Zeiten in Europa von Norden nach Süden und gelegentlich auch in umgekehrter Richtung abspielten, sowie infolge des regen Verkehrs zwischen den drei Rassen hat sich eine starke Vermischung zwischen ihnen vollzogen, so daß reine Vertreter der einzelnen Typen zu den Seltenheiten gehören.

Phot. Schweiz. Gesellschaft f. Volkskunde.

Abb. 253. Ein Abwehrmittel gegen Hexen zu Nairn.

Der gegen die Wand und das Dach des Hauses gelehnte Gegenstand besteht aus einem seiner Zweige beraubten Tannenstamm, der nach Art einer Vogelscheuche mit Mütze und Rock bekleidet ist und zum Schutz gegen Zauberei jeden Abend von rechts nach links geschüttelt wird.

Zu diesen drei vorgeschichtlichen Hauptrassen gesellte sich in geschichtlicher Zeit von Osten her noch ein anderer Rassenbestandteil hinzu, die Vertreter der finnisch-ugrischen und türkischen Unterrasse, die in den östlichen Teilen Europas gleichfalls dazu beigetragen haben, eine noch weitere Rassenmischung herbeizuführen.

Phot. Clarke & Hyde.

Abb. 254. Straßenbild aus Ambleside.

Binsengirlanden werden in feierlichem Zuge durch die Straßen in die Kirche getragen.

Ganz allmählich haben sich aus den genannten Rassen gewisse Gruppen herausgebildet, deren Angehörige weniger durch anthropologische Merkmale als vielmehr durch bestimmte kulturelle Anschauungen und Gewohnheiten zu einer Einheit verbunden werden. 1. Die germanische oder teutonische Kulturgruppe, die die Deutschen, einschließlich eines Teiles der Österreicher, die Niederländer und Flamen in Holland und Belgien, die Engländer, die aus Angelsachsen, Kelten und Normannen hervorgegangen sind, die Schweden, Norweger und Dänen umfaßt. 2. Die romanische Gruppe, zu der die Franzosen im Norden und Süden ihres Landes, die ersteren vorwiegend mit germanischem Einschlag, die Wallonen Belgiens, die Spanier, Portugiesen, Italiener, Rumänen und schließlich die Rätoromanen (Ladiner, Friauler) gehören. 3. Die slawisch-lettische Gruppe, in der sich die Letten und die große Masse der Slawenstämme Osteuropas vereinigen. Die letzteren zerfallen wieder in westliche, östliche und südliche Slawen; zu den westlichen zählen die Wenden, Kaschuben, Slowinzen, Tschechen, Polen und Slowaken, zu den östlichen die Russen (Groß-, Weiß- und Kleinrussen), zu den südlichen endlich die Serben, Montenegriner, Kroaten und Slowenen. 4. Die griechisch-illyrische Gruppe, die die Griechen, Albaner und Arnauten umfaßt. 5. Die keltische Gruppe, die nur in den Kelten der Bretagne, von Wales, Schottland (Gaëlen) und Irland ihre Vertreter besitzt. 6. Die finnisch-ugrisch-türkische Gruppe, die die Litauer, Ost- und Westfinnen (Karelier, Tawasten, Esten, Liven, Wogulen, Tscheremissen) und Ugrier sowie die Türken (Tataren, Baschkiren, Tschuwaschen, Bulgaren und Osmanlitürken) umfaßt.

Phot. R. Welch.

Abb. 255. Ein Stroh- und Binsenkreuz,

wie es die irischen Bauern am Sankt-Brigitten-Tage flechten, um es zum Schutz über ihr Bett zu hängen; hier bleibt es bis zur Wiederkehr des Tages im nächsten Jahre hängen.

Infolge der zahlreichen Völkerbewegungen, die sich im Verlaufe der Jahrtausende und besonders in neuer Zeit in Europa abgespielt haben, sind auch die Grenzen der ursprünglichen Sitten und Gebräuche mehr und mehr verwischt und diese teilweise zum Gemeingut aller Völker geworden; nordeuropäische Sitten und Gebräuche fanden daher Eingang in Südeuropa und umgekehrt, ebenso wurden osteuropäische Sitten nach Westen zu verbreitet. Ferner hat die christliche Religion das ihrige dazu beigetragen, daß die alten heidnischen Anschauungen und Gewohnheiten unserer Altvorderen unterdrückt oder auch vielfach durch eine der Kirche angepaßte Deutung umgewandelt wurden, und schließlich hat die alles gleichmachende moderne Kultur zur Folge gehabt, daß die etwa noch vorhandenen letzten Reste mehr und mehr hinweggewischt wurden. Alle diese Umstände vermochten jedoch nicht, die ursprünglichen Sitten, Gebräuche und Anschauungen gänzlich auszurotten. Allenthalben begegnen wir ihren Überbleibseln noch im Volke, besonders bei der ländlichen Bevölkerung in abseits gelegenen Gegenden, wohin der Einfluß der modernen Kultur nur langsam einzudringen vermochte.

Phot. Clarke & Hyde.

Abb. 256. Anfertigung von Binsengirlanden zu Ambleside,

ein Brauch, der noch aus der Zeit stammt, in der man in den Kirchen Binsen oder auch Heu streute.

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