Die unheimlichsten Waldfrauen.

Auf ihren wiederholten unheimlichen Wanderungen hat sich die Pest überall ein trauriges Andenken gesichert. Von der äussersten Spitze Griechenlands und Spaniens, bis weit oben in Island erzählen sich die Völker schauerliche Sagen von der Pest. Grimm und Panzer haben über diesen Sagenkreis der Völker ausführlich gehandelt und dessen viele verwandte Züge hervorgehoben. Es wird aber durchaus nicht notwendig sein, eine Entlehnung bei den einzelnen Völkerstämmen anzunehmen, denn unter gegebenen gleichen Bedingungen mussten notwendigerweise ähnliche Sagen überall entstehen, womit wir aber keineswegs bestreiten, dass überhaupt keine Wanderung der einen oder anderen Anschauung stattgefunden habe, nur hält es unendlich schwer, immer genau zu bestimmen, wieweit das eine oder andere Volk von seinem Nachbar beeinflusst worden sein mag. Wir müssen uns mit einer übersichtlichen Gruppierung des vorhandenen Stoffes und der Erläuterung des zweifellos Feststehenden begnügen. Nur auf diese Weise kann es uns mit der Zeit gelingen, eine Grundlage zu gewinnen, auf der sich dann bei weiterem Zufluss an neuen Belegen historischer Art leicht weiter bauen lassen wird.

Dass die südslavischen Pestsagen ebensowenig als die nächst verwandten rumänischen und griechischen in ein hohes Altertum hinaufreichen, das lehrt uns der erste Blick auf ihren Charakter. Wohl hat sich mancher Zug aus uraltem Heidenglauben in diesen Sagen bis auf unsere Zeit vererbt, ihr eigentlicher Kern aber entwickelte sich erst in den letzten fünf oder sechs Jahrhunderten. Die Pest hatte nachweislich niemals in Europa ihre eigentliche Heimatstätte; man hat sie jedesmal aus Asien oder Afrika eingeschmuggelt. Im klassischen Altertum trat sie nur höchst selten und dies nur sporadisch auf und verschwand ebenso geräuschlos, wie sie gekommen. Als Epidemie grassierte sie zum erstenmal unter der Regierung Justinian’s. Im vierzehnten Jahrhundert ward ganz Europa von der schwarzen Pest heimgesucht. Damals mögen im Süden die ersten Pestsagen entstanden sein. Im Jahre 1453 fiel Konstantinopel unter dem Ansturm der Türken. Hundert Jahre später stand schon die ganze Balkanhalbinsel unter türkischer Botmässigkeit. Die türkische gesundheitliche Sorglosigkeit bürgerte die Pest unter den Südslaven ein. In wehmütigem Tone berichten alte Ragusäer Chroniken von den häufigen Heimsuchungen, denen das Land ausgesetzt gewesen.

Der eigentliche Name für die Pest ist bei den Südslaven »Kuga«.1

In Bulgarien nennt man sie gewöhnlich wie im kleinrussischen Gebiet čuma. Morija, die Mordung ist nur ein Beiwort. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Kuga ist dunkel. In der Kmetijske in rokodelske Novice in Laibach versuchte der bekannte slovenische Altertumforscher Davorin Trstenjak in einem kleinen Aufsatze »Besedi ‘Epidemie’ in ‘Kuga’ pred jezikoslovno sodijo« (Jahrg. 1856, p. 86 u. 91) mit unberechtigter Willkür eine Erklärung dieses Wortes. Sein Versuch hatte zwar zur Folge, dass ein ganzer Haufe von Zuschriften über Pestsagen an den Herausgeber J. Bleiweiss eingesandt wurde. Neues Licht über die Bedeutung des Wortes lieferten freilich auch diese Zuschriften nicht, selbst die Sagen sind auch anderweitig bekannt und man kann daher ruhig von diesen Äusserungen Umgang nehmen. Weitere Aufsätze über die südslavischen Sagen sind meines Wissens nie geschrieben, zum mindesten nicht veröffentlicht worden. Was ich im folgenden biete, schöpfe ich teils aus eignen Ermittelungen, teils aus verschiedenen Quellen, die ich jedesmal angebe.

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