I. Die Getreidearten. Der Weizen und seine Abarten.

Die ältesten vom Menschen in Kultur genommenen Nutzpflanzen sind, soweit wir dies heute zu beurteilen vermögen, Weizen und Gerste, die irgendwo in Vorder- oder Mittelasien, von fürsorgenden Frauen gesammelt und gehegt, später auch angepflanzt, mit der Zeit durch fortgesetzte Auslese zu Spendern besonders großer, mehlreicher Körnerfrüchte gediehen. Diese wurden nicht nur ihnen und ihren Kindern, sondern auch den zunächst ausschließlich von der Jagd und später, nach der Zähmung und Aufzucht von Haustieren, von Viehzucht lebenden Männern zu einer immer unentbehrlicheren Zukost zu der von diesen gelieferten Fleischnahrung.

Während der Mann der Urzeit mit seinen Sippengenossen der Jagd oblag, suchte die Frau für sich und ihre Kinder, soweit sie nicht mehr von ihr gestillt wurden, was damals in Analogie mit heute noch auf derselben Kulturstufe lebenden Völkern zwei bis drei Jahre gedauert haben mag, die für sie erreichbare, hauptsächlich aus Vegetabilien und kleinen Tieren wie Würmern, Schnecken, Heuschrecken, Käfern, Raupen, Fröschen, Eidechsen, Schlangen und dergleichen bestehende Nahrung. Mit dem ziemlich langen Grabstock versehen, den sie als Universalwerkzeug und Waffe stets bei sich führte, zog sie, von ihren Kindern begleitet, in die Speise irgend welcher Art zur Stillung des stets regen Hungers versprechende Nachbarschaft des jeweiligen Lagerplatzes, um hier alle möglichen, ihr als nahrhaft bekannten Wurzeln, Früchte und Sämereien zu sammeln und zugleich alle ihr dabei entgegentretenden kleineren Tiere zu erbeuten. Was nicht sofort verzehrt wurde, wanderte als Vorrat in die mitgeführte Felltasche und später in den aus Binsen oder Bast geflochtenen Korb, um dann, roh oder schwach am Feuer geröstet, als Speise zu dienen. Unbeweglich, wie sie durch die Mutterschaft geworden war, zog sie notgedrungen das für sie erreichbare minderwertige Kleinere dem begehrenswerteren Größeren vor.

Der viel beweglichere Mann dagegen bevorzugte als Nahrung die vorzugsweise in Schlingen und Fallgruben oder durch Anschleichen und Hetzen von ihm erbeuteten größeren Tiere. Aber in dem Maße als die Bevölkerung des Landes zunahm und der Wildreichtum durch die unausgesetzten Jagden sich verminderte, nahm diese Nährpflanzen zur Stillung des Hungers suchende Tätigkeit der Frau an Bedeutung stetsfort zu. So kam sie in der Fürsorge für sich und ihre Kinder nach und nach dazu, nicht bloß gewisse Reviere mit ihr allein bekannten Standorten nahrhafter Pflanzen, deren Zahl für jene sehr wenig wählerischen Menschen der Urzeit selbstverständlich unvergleichlich größer war, als wir es uns heute vorstellen können, für sich zu reservieren, sondern auch später in fürsorgender Arbeit selbst Samen dieser Nahrungspflanzen auszustreuen, in der berechtigten Erwartung, hier einst mühelos für die Ihrigen ernten zu können.

Bild 1.
Mit Steinkugel beschwerter Grabstock eines Buschmannweibes in der Stellung, wie er zum Ausgraben von nahrhaften Wurzeln von ihr in den Boden getrieben zu werden pflegt.
(Stark verkleinert.)

Wir Kulturmenschen, die das gewohnheitsmäßige Erleben selbst der außergewöhnlichsten Erscheinungen vollständig abgestumpft hat, so daß wir dieselben als ganz selbstverständlich hinnehmen und gar nicht mehr darüber nachdenken, übersehen gewöhnlich, welche außergewöhnliche Begabung und Verstandesschärfe dazu erforderlich waren, bis ein Mensch, und zwar ein armseliges, schwaches Weib, von der fürsorgenden Mutterliebe getrieben, voll Hoffnung, dereinst hier ernten zu können, die ersten Samenkörner einer Nährpflanze in die vorher von ihr mit dem Grabstock gelockerte Erde streute.

Den alten Griechen, welche den ersten Regungen menschlicher Gesittung näher standen als wir, erschien ein planvolles Erdenken des Ackerbaues, dem der primitivere Hackbau vorausging, als für menschliche Verstandeskräfte vollkommen unerfaßlich und undenkbar. Deshalb schrieben sie diese so überaus wertvolle, den Keim zu aller höheren Gesittung überhaupt legende Erfindung einer Gottheit zu. Und so wie sie dachten alle anderen Völker der Erde auf gleicher Erkenntnisstufe, die alle diese so überaus folgenschwere Erfindung als Geschenk einer Gottheit betrachteten und nicht als Produkt menschlichen Denkens auffaßten.

Mit dem ersten Pflanzenbau, den solchermaßen die fürsorgende Mutterliebe einer intelligenten Frau der Urzeit in den Sinn gab, selbst wenn er nur von Wanderhorden am Sommerlagerplatz armselig genug betrieben wurde, waren alle künftigen Fortschritte der Menschheitsentwicklung im Keime gegeben. Nicht nur hörte damit der Mensch auf als Almosenempfänger in den Wild- und Wurzelgärten der Natur von der Laune des Augenblicks und vom Zufall des Tages abzuhängen, seine Zukunft wurde eine mehr und mehr gesicherte, von der ungewissen Jagd unabhängige.

Diese friedliche, ihr innerhalb des Familienverbandes eine zunehmende Macht verleihende Tätigkeit der Frau führte sie früher schon auf eine höhere Kulturstufe als den Mann, der lange nur als ein geduldetes Anhängsel der Mutterfamilie erschien; denn in der Haushaltung, die das Weib der Urzeit mit ihren Kindern führte, war der Mann lange Zeit nur eine Art Pensionär, der für die Gunst, von der Pflanzenspeise mitessen zu dürfen, vom Ertrage seiner Jagd wenigstens etwas beizusteuern hatte.

Erst auf einer späteren Entwicklungsstufe der Menschheit wurde das Weib, weil es schwächer war und sich nicht gegen solche Vergewaltigung von seiten des Mannes zu wehren vermochte, von diesem als Sklavin und Arbeitstier betrachtet. Für sich selbst zog er das süße Nichtstun vor und bürdete alle Arbeit dem Weibe auf. Aber mit dem Überhandnehmen der Volkszahl genügten die Frauenarme bald nicht mehr, um den zunächst ausschließlich von diesen geübten Hackbau zur Fütterung der sich mehrenden Stammesgenossen zu bewältigen, zumal ihnen alle sonstigen Hausgeschäfte: das Kochen, das Weben der Kleidung, das Gerben der Häute, das Formen und Brennen des Tons zu Geschirr, der Hausbau und was sonst noch in den Bereich ihrer Pflichten fiel, oblagen. Und die Zahl dieser weiblichen Arbeiten wurde mit der besseren Lebenshaltung in zunehmendem Maße gesteigert, so daß die Frauenkraft mit dem besten Willen allen an sie gestellten Forderungen nicht mehr genügen konnte. Da galt es männliche Kraft zur Gewinnung der für die wachsende Bevölkerung immer wichtiger werdenden Nährfrüchte zu gewinnen. Diese aber leistete zunächst nicht der freie Mann, dem die Arbeit von jeher als größter Schimpf galt, wie wir bei allen auf dieser Kulturstufe verharrenden Menschheitsstämmen zu beobachten vermögen, sondern dazu wurden die Kriegsgefangenen verwendet, die man bis dahin getötet, d. h. den gefürchteten Geistern mächtiger Verstorbener, die sich allmählich zu Gottheiten entwickelten, geopfert hatte, weil man nichts mit ihnen anzufangen wußte. So erkannten die Stämme der jüngeren Steinzeit bald, daß diese Tötung eine unbegreifliche Verschwendung gewesen war. Deshalb wurde sie als unzweckmäßig abgeschafft und man begnügte sich als Opfer für die siegverleihenden Mächte die Anführer oder nur wenige, durch das Los bestimmte Männer aus der Zahl der Gefangenen zu schlachten. Die übrigen blieben am Leben und mußten als Knechte den Acker bestellen und alle schwere Arbeit verrichten.

Noch intensiver vermochte man den Landbau zu betreiben, als zu diesen unfreien Hörigen als ersten männlichen Arbeitern die Zugkraft des zunächst bloß zur Milch- und Fleischgewinnung vom Manne gezüchteten Rindes hinzukam, das den als Fortbildung der Hacke erfundenen einfachen Hakenpflug zur Auflockerung des Bodens vor der Aussaat des Getreides durch den zum Ackerfelde bestimmten Boden zu ziehen hatte. Besonders ausgiebig konnte der durch Kastration dem menschlichen Willen gefügiger gemachte Stier als Ochse den Pflug ziehen, und mit seiner Mithilfe vermochte man immer größere Ländereien dem Anbaue der Nahrung spendenden ältesten Nutzpflanzen dienstbar zu machen.

In dem Maße als sich der äußere Betrieb des Feldbaues vervollkommnete, verbesserte sich auch die Beschaffenheit der in menschliche Pflege und Kulturauslese verbrachten Körnerfrüchte, die neben den eßbaren Baumfrüchten und Wurzelknollen, welche aber erst später in Anbau genommen werden konnten, als die ältesten Nutzpflanzen des Menschen zu gelten haben. Schon auf der Stufe des umherziehenden Sammlers müssen dem Menschen die in dichten Beständen beieinander wachsenden Grasarten in erster Linie als Nahrungspflanzen aufgefallen sein. Mochten ihre mehlreichen Samen auch nur klein sein, so ersetzten sie den Mangel an Größe durch ihre leicht anzuhäufende große Zahl. Und als er zum Aussäen der Getreidekörner übergegangen war, griff er unwillkürlich, um eine größere Menge davon zusammenzubringen, nach den großen, in möglichst kräftig aufgeschossenen Halmen befindlichen Samen. Schon damit war der erste Schritt zur unbewußten Zuchtwahl getan, welche von selbst weiterschritt, wenn auf dem zur Aussaat gewählten Feld unter den ziemlich dicht nebeneinander aufschießenden Halmen im Ringen nach Luft und Licht die kräftigeren Pflanzen die Oberhand gewannen, während die schwächlicheren unterdrückt wurden und damit aus der Zucht ausschieden.

Je nach den klimatischen Verhältnissen und der Beschaffenheit des Bodens entwickelte sich die betreffende, in die Pflege des Menschen genommene Pflanze nach verschiedenen Richtungen weiter. Dazu kam die ihr innewohnende Variabilität oder Veränderungsfähigkeit, welche plötzlich neue Eigenschaften in ihr zutage treten ließ. Diese auffallenden abweichenden Formen suchte sich der Mensch, wenn sie sich als für ihn nützlich erwiesen, besonders aus und vermehrte sie durch getrennte Aussaat. So entwickelten sich unwillkürlich aus einer und derselben Stammpflanze mit der Zeit die mannigfaltigsten Kultursorten, die ihre Herkunft aus jener einen Art kaum glaublich erscheinen ließ. Daher kommt es, daß alle seit längerer Zeit in der Pflege und Kulturauslese des Menschen befindlichen Nutzgewächse eine solch unübersehbare Mannigfaltigkeit von Formen aufweisen und in so zahlreiche Unterarten mit allen Übergängen ineinander zerfallen, daß es ganz unmöglich ist, sie alle zu scheiden.

Die älteste vom Menschen in Pflege und Kulturauslese genommene Getreideart war zweifellos neben der Gerste, die besonders in Europa die erste Verbreitung besaß, der Weizen (Triticum vulgare). Er wurde irgendwo im westasiatischen Steppengebiet von einem heute nicht mehr festzustellenden, zu Ansässigkeit und höherer Kultur fortgeschrittenen Volke aus einem Wildlinge mit kleinen Samen zur wichtigen Nährfrucht mit großen, mehlreichen Körnern erhoben. Der gemeinsame Besitz dieser sicher schon vor mehr als 10000 Jahren in menschliche Obhut und Pflege genommenen Grasart bei den ältesten Kulturvölkern Westasiens und Ägyptens, wie auch bei den aus dem Innern Asiens, den Oasen am Südrande des Tarimbeckens etwa im vierten vorchristlichen Jahrtausend nach Osten gewanderten und als bereits reine Ackerbauer in den fruchtbarsten, aus Löß, dem besten Getreideboden, bestehenden Gegenden Nordchinas ansässig gewordenen Chinesen ließen eine zentralasiatische Herkunft des Weizens annehmen. So hat vor allem der Straßburger Botaniker H. Graf zu Solms-Laubach eingehend dazutun versucht, daß die Wiege der Weizenkultur in Zentralasien gesucht werden müsse, zu einer Zeit als die Wüste Gobi noch vom Meere bedeckt war und die Chinesen und die westasiatischen Kulturvölker noch näher beieinander wohnten. Als dann mit dem Verschwinden des Meeres die Existenzbedingungen des Menschen in jenen niederschlagsarmen Gegenden sich verschlimmerten, seien erstere nach Osten und letztere nach Westen ausgewandert und hätten diese ihre wichtige älteste Kulturpflanze mitgenommen.

So schön nun diese Annahme klingt und so verlockend sie auch auf den ersten Blick erscheint, so kann sie doch wohl kaum länger aufrechterhalten werden, denn bisher ist noch nirgends in Zentralasien wildwachsender Weizen angetroffen worden, wohl aber in Westasien. Dort ist neuerdings mit großer Wahrscheinlichkeit in Persien und am Antilibanon die wilde Stammform des Weizens mit kleinen Samenkörnern und ziemlich brüchiger Spindel, alles Merkmalen, die auf ursprüngliche Wildheit und nicht bloß Verwilderung schließen lassen, gefunden worden. Zuletzt gelang es Aaronsohn im Jahre 1906, sie auch am Südostabhang des Hermon im Westjordanlande, in Rosch Pinah und an den Ostabhängen des Dschebel Safed und Kanaan in einigen voneinander abweichenden Spielarten nachzuweisen, wobei allerdings die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen ist, daß wir es in diesem letzteren Falle mit seit langer Zeit verwilderten einstigen Kulturformen des Menschen zu tun haben.

Jedenfalls sprechen alle uns bekannten geschichtlichen Tatsachen dafür, daß die Weizenkultur ihren ältesten nachweisbaren Herd in der durch ein reichverzweigtes Kanalnetz bewässerten und dadurch zu einem äußerst fruchtbaren Lande gemachten Ebene des Zweistromlandes zwischen Iran im Osten und Kleinasien im Westen hatte. Hier in Mesopotamien, wo das uralaltaische Volk von Sumer und Akkad, d. h. Süd- und Nordbabylonien das älteste für uns nachweisbare Kulturzentrum schuf, das dann allmählich von den eingewanderten Semiten eingenommen wurde, die jene Kultur völlig in sich aufnahmen und in eigenartiger Weise weiterbildeten, war die ganze Lebenshaltung des Volkes auf den im reich bevölkerten Lande intensiv betriebenen Weizenbau neben der Kultur von Gerste und Hirse, wie auch Sesam als Fettspender, gegründet. Der älteste griechische Geschichtschreiber Herodot, der ums Jahr 460 v. Chr. das Land bereiste, war von den Getreidekulturen Babyloniens so entzückt, daß er später bei der Beschreibung jenes Landes sagte: „Assyrien ist so übermäßig fruchtbar, daß das Getreide einen zweihundertfachen, ja in den besten Jahren einen dreihundertfachen Ertrag gibt und daß die Blätter des Weizens und der Gerste reichlich vier Finger breit werden, Hirse und Sesam aber sehen dort aus wie Bäume.“ Wenn wir auch von der offenkundigen Übertreibung dieses Berichterstatters absehen, so ist doch so viel sicher, daß der Weizen dort außerordentlich üppig gedieh. Der große Schüler des Aristoteles und nach dessen Tod im Jahre 322 Haupt der peripatetischen Schule, Theophrastos (390–286 v. Chr.) in Athen, schreibt in seiner Pflanzengeschichte: „In Babylonien ist man genötigt, den Weizen nicht nur einmal, wie in anderen fruchtbaren Gegenden, sondern sogar zweimal abzusicheln, zum drittenmal aber mit Schafen abzuweiden; erst dann kann man ihn in den Halm wachsen lassen, weil er sonst zu üppig in die Blätter treibt. Er gibt dort 50- bis 100fältigen Ertrag. Die große Fruchtbarkeit erlangt der Boden Babyloniens durch Bewässerung.“ Noch Berosos, ein Priester zu Babylon, der im dritten vorchristlichen Jahrhundert drei Bücher über babylonische Geschichte in griechischer Sprache schrieb, berichtet, daß der Weizen in der Gegend seines Wohnortes wildwachsend angetroffen werde.

Auch im ältesten Ägypten, dessen Kulturvolk auf eingehende astronomische Kenntnisse gestützt einen schon sehr genau ausgerechneten Kalender im Jahre 4241 v. Chr. einführte, also damals schon eine staunenswerte Höhe der Kultur errungen hatte, erhielt der Weizen den Vorrang vor der Gerste und wurde seit den ältesten für uns nachweisbaren Dynastien in solcher Menge angepflanzt, daß die Schriftsteller des Altertums die ganze fruchtbare Niederung am Delta des Niltales mit einem einzigen, großen Weizenfelde verglichen. Der Weizen hieß im Altägyptischen su und wurde wie der Spelt bôti und die Gerste ati in zwei Sorten, einer weißen und einer roten, kultiviert. Seine Fruchtkörner finden sich fast regelmäßig unter den Totenspeisen. Wie sie als Nährfrucht für die Lebenden von der größten Bedeutung waren, so sollten sie auch die Geister der Verstorbenen nicht entbehren. Die altägyptischen Grabdenkmäler zeigen uns schon ganz deutlich begrannten und unbegrannten Weizen, wie auch sämtliche Vorgänge beim Pflügen, Säen, Ernten, Dreschen und Magazinieren des Getreides. Der Pflug aus der Pyramidenzeit, d. h. dem Beginne des dritten vorchristlichen Jahrtausends war ein gekrümmtes, vorn zugespitztes Holz von einem Baumast, an welchem, durch Baststricke oder Weidengeflecht befestigt, sich die Deichsel befand. Er wurde meist von Rindern und nur ausnahmsweise von vier Männern zu Paaren gezogen. Die Kornfrucht wurde mit kurzen Sicheln in Kniehöhe abgeschnitten, in Garben zusammengeschnürt und diese auf Eseln nach der im Freien auf etwas erhöhter, dem Winde leicht Zutritt gewährender Stelle errichteten Tenne gebracht, wo man sie auflöste und über die Ähren Rinder oder Esel im Kreise herum trieb, damit sie die Körner austräten. Währenddem wendete ein Arbeiter mit einer Holzgabel die niedergetretenen Haufen um. Vermittelst der Worfel wurde dann die Frucht von der Spreu geschieden, d. h. Männer warfen die ausgetretene Masse mit Schaufeln in die Höhe, so daß der Wind die Spreu wegfegte, während die schweren Körner zur Erde fielen. Vielfach wurde die Tätigkeit des Windes durch Hin- und Herschwingen eines Wedels unterstützt. Dann wurde das Getreide, nachdem es durch ein Rohrsieb vom anhaftenden Staub und Unkrautsamen befreit worden war, in Säcke geschaufelt und auf den Rücken der Arbeiter in die oben geöffneten, hohen, runden Speicher getragen. In den staatlichen Magazinen wurde das Getreide in größerer Menge für Zeiten der Not auf viele Jahre hinaus aufgespeichert. Da der Weizen die Hauptkulturpflanze des Niltales bildete, gehörte auch Weizengebäck zu den Hauptnahrungsmitteln der alten Ägypter. Nachdem das Korn von den Frauen auf einfachen Handmühlen gemahlen worden war, wurde es mit Wasser zu einem Teig angemacht, der vielfach mit den nackten Füßen geknetet und zu den verschiedensten Fladen und Kuchen verarbeitet wurde. Diese wurden dann teils in heißer Asche, teils auf erhitzten Steinplatten, meist jedoch in bienenkorbähnlichen, etwa 1 m hohen Backöfen, die innen geheizt wurden und auf welche die fladenförmigen Brote außen angeklebt wurden, gargebacken und in der Regel, um sie schmackhafter zu machen, mit Sesamkörnern bestreut. Solches Weizenbrot galt im alten Ägypten als das vornehmste Opferbrot. Die Weizenkultur war noch zur Römerzeit in Ägypten so ausgedehnt, daß teilweise die Proletarier in Rom mit deren Erträgnis gefüttert wurden. So wurden unter Kaiser Augustus allein 20 Millionen römischer modii (= 175 Millionen Liter) Weizen aus Alexandrien nach Rom verschifft, und wenn auch dieser von Plinius in seinem Bericht über die Güte der nach Rom gesandten Tributleistungen der von den Römern unterjochten Völker dem italienischen, böotischen und sizilischen Weizen nachgestellt wird, so ist dies nur damit zu erklären, daß die Ägypter zu diesen Zwangslieferungen begreiflicherweise nicht die besten Sorten Getreide genommen haben werden.

Auch in Syrien und Palästina war der Weizen als Getreidefrucht sehr angesehen und wurde neben der Gerste viel kultiviert, wie schon verschiedene diesbezügliche Stellen aus dem Alten Testamente dartun. So wird in Jesaias, 25 gesagt, daß man Weizen und Gerste, wie auch Spelt jegliches an seinen Ort säe und solches nach der Ernte durch Darübertreiben von Rindern ausdresche. Dabei wurde als Tenne ein wenn möglich erhöhter, dem Wind allseitig Zutritt gebender Ort gewählt. Nur ausnahmsweise wurde eine in den anstehenden Fels gehauene Vertiefung, in welcher man sonst die Trauben bei der Weinbereitung mit den Füßen zertrat und die deshalb von Luther bei seiner Bibelübersetzung als Kelter bezeichnet wurde, zum Dreschen benutzt, wie beispielsweise im Buche der Richter 6, 11, wo der Engel des Herrn sich unter eine Eiche zu Ophra setzte, „die war Joas, des Vaters der Efriter, und sein Sohn Gideon (der Held und Heerführer — Richter — der Israeliten im 12. Jahrhundert v. Chr., der sein Volk von der siebenjährigen Herrschaft der Midianiter befreite) drosch Weizen in der Kelter, daß er flöhe vor den Midianitern“. Und als der Engel seine Botschaft ausgerichtet hatte, daß der Herr mit ihm sei und er die Midianiter schlagen werde wie einen einzelnen Mann, hieß ihn Gideon warten, bis er ihm ein Speiseopfer geleistet habe. „Und Gideon ging und schlachtete ein Ziegenböcklein und nahm ein epha ungesäuertes Mehl (d. h. aus ungesäuertem Teig gebackenes Fladenbrot) und legte (das gekochte) Fleisch in einen Korb und tat die Brühe in einen Topf und brachte es zu ihm heraus unter die Eiche und trat herzu. Da sprach der Engel Gottes: Nimm das Fleisch und das Ungesäuerte und laß es auf dem Fels, der hier ist, und gieße die Brühe aus. Und er tat also. Da reckte der Engel des Herrn den Stecken aus, den er in der Hand hatte, und rührete mit der Spitze das Fleisch und das ungesäuerte Mehl an. Und das Feuer fuhr aus dem Fels und verzehrte das Fleisch und das ungesäuerte Mehl. Und der Engel des Herrn verschwand aus seinen Augen.“ Da baute Gideon daselbst dem Herrn einen Altar und hieß ihn: der Herr des Friedens.

Sehr frühe schon in vorgeschichtlicher Zeit kam auch der Weizen mit der Gerste und der Hirse wie zu den neolithischen Hackbauern Europas, so auch nach Osten zu dem alten Kulturvolke der Chinesen, als sie noch im Innern Asiens saßen. Bei ihrer, wie bereits bemerkt, in das vierte vorchristliche Jahrtausend zu setzenden Auswanderung in die fruchtbaren Gegenden Nordchinas waren sie schon längst im Besitze dieser wertvollen Nährfrucht. In den chinesischen Annalen wird von einem Kaiser namens Schen-nung berichtet, der ums Jahr 2800 v. Chr. lebte und anordnete, daß bei einem alljährlich wiederkehrenden großen Feste in symbolischer Handlung die fünf wichtigsten Kulturpflanzen der damaligen Zeit ausgesät werden sollten. Unter ihnen befand sich neben der Gerste, dem Reis, den Sojabohnen und der Hirse auch der Weizen.

Die in den neolithischen Pfahlbauansiedlungen Mitteleuropas am häufigsten neben der für Europa älteren Gerste angebaute Körnerfrucht war nach den eingehenden Untersuchungen des verstorbenen Züricher Botanikers Oswald Heer der kleinkörnige Pfahlbauweizen, eine heute ausgestorbene Weizenart, welche durch ihre sehr kleinen Körner anzeigt, daß diese Getreideart noch sehr wenig durch künstliche Zucht und Auslese veredelt worden war. Daneben wurde der Emmer und das Einkorn oder der Zwergweizen, zwei ebenfalls sehr wenig ausgiebige Getreidearten, angepflanzt. Erst zu Beginn der Bronzezeit, etwa um 1800 v. Chr., wurde durch die regeren Handelsverbindungen mit den östlichen Mittelmeerländern, die durch ihre großen, mehlreichen Samen sich als hochgezüchtete Art ausweisende, ertragreiche ägyptische Kulturvarietät, der sogenannte Mumienweizen — so genannt, weil er sich den altägyptischen Mumien mitgegeben findet — zu den Hackbauern Mitteleuropas gebracht.

Auch bei den Griechen der homerischen Zeit war neben Gerste und Spelt der Weizen das Hauptgetreide, dessen Körner auch den Pferden und dem Federvieh, soweit solches schon in menschlicher Pflege stand, verfüttert wurden. So wurden nach der Ilias die schnellfüßigen Rosse des Diomedes und nach der Odyssee die zwanzig Gänse, die Penelope auf ihrem Gute in Ithaka besaß, mit „lieblich schmeckendem Weizen“ (pyrós) gefüttert. Und als Hektor zum Kampfe gegürtet aufbricht, redet er, bevor er den zweiräderigen Schlachtwagen besteigt, seine beiden Pferde an: „Wohlauf, ihr meine Rosse, zeigt euch dankbar für die gute Pflege, die euch Andromache (seine Gattin) angedeihen ließ, indem sie euch köstlichen Weizen und Wein vorsetzte, so oft ihr nach Futter und Trank verlangtet.“

Von späteren griechischen Autoren schreibt Theophrast in seiner Pflanzengeschichte zu Ende des vierten vorchristlichen Jahrhunderts: „Es gibt viele Sorten von Weizen. Sie haben ihre Namen von ihrem Vaterlande oder von anderen Dingen und unterscheiden sich in der Farbe, Größe und Gestalt und anderen Eigenheiten der Körner, sind auch an Wirkung und Nährkraft verschieden. Mancher Weizen wird im Herbst, mancher dagegen im Frühjahr gesät. Es gibt auch eine Sorte, die in drei, eine, die in zwei Monaten reif wird; auf Euböa soll er von der Aussaat bis zur Reife nur 40 Tage brauchen. An Nährwert sind manche Sorten so verschieden, daß Kämpfer, die in Böotien kaum drei Pfund verzehren, deren fast fünf brauchen, wenn sie nach Athen kommen. Der Grund solcher Verschiedenheit liegt im Boden und in der Luft.“ Und Columella, ein aus Spanien nach Rom gekommener römischer Ackerbauschriftsteller aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., sagt in seinem Buche über den Landbau: „Die wichtigsten und dem Menschen nützlichsten Getreidearten sind Weizen (triticum) und Spelt (semen adoreum, d. h. beim Opfer dargebrachter Samen; sein gewöhnlicher Name war bei den Römern far). Wir kennen mehrere Weizensorten; für den Anbau eignet sich aber diejenige am besten, die robus genannt wird, weil sie sich durch Gewicht und Glanz auszeichnet. Den zweiten Rang nimmt der Siligoweizen ein; er gibt ein köstliches Brot, wiegt aber leicht. Die dritte Sorte ist der Dreimonatsweizen; er ist bei den Landleuten sehr beliebt, denn er hilft aus, wenn Regen, Überschwemmung oder eine andere Ursache die zeitige Aussaat verhindert hat. Dieser ist übrigens auch eine Siligosorte. Alle übrigen Weizenarten kann man recht gut entbehren, es sei denn, daß man seine Freude daran hat, recht vielerlei zu besitzen und zur Schau zu stellen.“

Columellas Zeitgenosse Plinius meint: „Der Weizen saugt das Land am meisten aus. In verschiedenen Gegenden werden verschiedene Getreidearten gebaut, und dieselbe Art führt auch nicht überall denselben Namen. Die gemeinsten sind Spelt (far), früherhin auch adoreum genannt, ferner siligo — wie der Spelt grannenlos — und Weizen. Siligo heißt eine zarte Weizensorte, sie ist weiß, kraftlos, leicht und eignet sich für feuchten Boden. Jenseits der Alpen hält sie sich nur im Lande der Allobroger und Meminer (keltischer Bergvölker in der Gallia narbonensis, d. h. Südostfrankreich), in den andern geht sie nach zwei Jahren in Weizen über. Eine andere Weizenart, arinca, wird in Gallien, jedoch auch in Italien angepflanzt; in Ägypten, Syrien, Kilikien, Kleinasien und Griechenland dagegen vorzugsweise zea (eine Art Spelt), olyra (eine Art Weizen) und tiphe (Einkorn). — Ägypten liefert ein feines Weizenmehl, das aber dem italienischen an Güte nachsteht.“ Später schreibt er, um zu sagen, wie fruchtbar der Weizen sein könne: „In der byzakischen Landschaft Afrikas (Algerien) gibt ein Maß ausgesäten Weizens bei der Ernte 150 Maß zurück. Der dortige Prokurator hat dem Kaiser Augustus eine Weizenstaude geschickt, welche aus einem Korne gewachsen war, sich aber in fast 400 Halme teilte. Das klingt kaum glaublich; aber die darüber gewechselten Briefe sind noch vorhanden. Er hat auch dem Nero eine Weizenstaude mit 360 Halmen aus einem Korn geschickt. Hundertfältigen Ertrag geben auch die Felder in Sizilien, Bätika (die nach dem Flusse Baetis = Quadalquivir genannte südlichste, ganz Andalusien umfassende Provinz Spaniens), Ägypten.“

Seit dem Altertum werden in Europa wie in allen Kulturländern die verschiedensten Arten von begranntem oder unbegranntem Weizen angebaut, auf deren Unterschiede wir hier nicht eintreten können. Es genüge zu bemerken, daß heute jährlich etwa 90 Milliarden Kilogramm Weizen geerntet werden. Dabei nimmt der Weizenbau immer noch gewaltig zu, indem stetsfort neue Strecken Kulturlandes hierfür in Bearbeitung genommen werden. Unter allen Zerealien bedarf der Weizen am meisten Wärme; er verlangt nämlich eine mittlere Sommertemperatur von +14°C. Gegenwärtig ist der Weizenbau über die ganze gemäßigte und subtropische Zone der Alten und Neuen Welt verbreitet. In der heißen Zone kann sein Anbau nur noch auf Bergen stattfinden, deren Temperatur derjenigen unserer Gegenden entspricht. Am besten geeignet zur Weizenkultur ist lehmhaltiger Kalkboden; doch ist auch lehmiger Sandboden sehr gut dafür. Wenn zu viel Lehm vorhanden ist, ist der Boden zu feucht und gibt einen nur geringen Ertrag an Samenkörnern. Sonst nimmt es der Weizen nicht allzu genau mit der Bodenart. Er flieht nur übermäßige Feuchtigkeit und verlangt kohlensauren Kalk, daneben natürlich die unentbehrlichen Nährstoffe wie Stickstoff, phosphorsauren Kalk und Alkalien. Um rationelle Getreidekultur zu betreiben, muß also der Ackerbauer die natürliche und chemische Zusammensetzung des Bodens, auf dem er Getreide pflanzen will, genau kennen und die Düngung desselben dementsprechend regeln. Am besten ist dabei entschieden der Stalldünger, der die Ackerkrume nicht nur chemisch, sondern auch physikalisch verbessert.

Außerdem ist es nötig, daß der Acker, auf dem der Weizen gedeihen soll, sorgfältig von Unkraut gereinigt sei, weil dieses Kulturgewächs sich leicht durch allerlei Unkraut verdrängen läßt. Aus diesem Grunde läßt man zwischenhinein auf dem zur Weizenkultur verwendeten Boden eine Kultur wie Runkelrüben oder Tabak wachsen, die das Unkraut vertilgt. Überhaupt soll möglichster Fruchtwechsel geübt werden, damit der Boden trotz der Düngung nicht einseitig ausgesogen werde.

Die Entwicklung und das Reifen des Korns sind, was die Zeitdauer betrifft, hauptsächlich vom Klima und von der Getreidesorte abhängig. Das als Winterkorn bezeichnete Getreide wird in den nördlichen Gegenden der gemäßigten Zone im Oktober, in den südlichen jedoch erst im Dezember gesät. Das Sommerkorn dagegen kommt erst im März oder April zur Aussaat. Für ein einigermaßen rauhes Klima kann als Grundregel gelten, daß das Korn keine Spur von Wachstum zeigt, so lange die Temperatur niedriger als + 6°C. ist, und daß es ungefähr drei Wochen wachsen muß, bevor es der Winterkälte Widerstand zu leisten vermag.

Um eine reiche Ernte zu erzielen, muß das Saatkorn völlig reif und schwer sein, sich trocken anfühlen, leicht durch die Finger gleiten und durch die Unkraut-Auslesemaschinen vom Unkraut befreit sein. Um allfällige, dem unbewaffneten Auge unsichtbar an ihm haftende Krankheitskeime, besonders des Getreiderostes und Stinkbrandes zu entfernen, wird es zudem vor der Aussaat gekalkt oder geschwefelt; letzteres ist die am meisten geübte, gründlichste und zugleich billigste Methode. Dazu wird das Saatkorn in einem Bottich mit einer Lösung von 300 g schwefelsaurem Kupfer auf 100 Liter Wasser gewaschen, wobei die obenauf schwimmenden leichten Körner als zur Saat ungeeignet entfernt werden. Bei dem nur auf kleineren Bauernhöfen geübten Kalken wird das Korn mit einer aus 1,5 Liter ungelöschtem Kalk auf 100 Liter Wasser hergestellten Kalkmilch begossen und dabei fortgesetzt mit der Schaufel umgewendet, damit jedes einzelne Korn gut mit der Masse imprägniert werde.

Diese Vorsichtsmaßregel ist durchaus nötig, denn der Weizen wird wie alle Kulturpflanzen von verschiedenen bösartigen Pilzkrankheiten heimgesucht. Beim Stinkbrand werden die Fruchtknoten mit einer stark nach Heringslake riechenden, klebrig-schmierigen Sporenmasse erfüllt. Kommen solche erkrankte Ähren unter das Getreide, und werden gemahlen, so können große Mengen von Mehl vollständig unbrauchbar gemacht werden. Noch verbreiteter und, wenn möglich, bösartiger ist der Getreiderost, der alle Getreidearten heimsucht. Es bilden sich dabei an den Blättern rötliche Flecken, die die Entwicklung der Pflanze hindern und nicht bloß den Ertrag herabsetzen, sondern auch das Eingehen der erkrankten Pflanze bewirken können. Rost kommt aus der germanischen Wurzel rud, d. h. rot. Bei den Griechen hieß er erisýbē und bei den Römern rubigo (von rubus rot). Aus Furcht vor dieser schlimmen Getreidekrankheit opferten die letzteren sogar dem Gotte Rubigus und feierten zur Abwendung der Krankheit am 25. April die Rubigalien.

Schon den Bauern des Mittelalters war es aufgefallen, daß die Rostkrankheit des Getreides sich immer nur da zeigte, wo in der Nähe der Felder Berberitzensträucher standen. Obgleich durchaus kein Beweis für diesen Zusammenhang erbracht werden konnte, war der Glaube daran schon so tief gefestigt, daß häufig die Gerichte die Entfernung von Berberitzensträuchern aus der Nähe von Getreidefeldern beantragten. Erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit wurde von der wissenschaftlichen Forschung der untrügliche Beweis erbracht, daß die Praxis ganz richtig erkannt hatte. Ein und derselbe Pilz (Puccinia graminis) bedarf zu seinem Fortkommen des Wirtswechsels, indem er in der einen Generation auf den Getreidehalmen und in der folgenden auf den Blättern der Berberitze, wo er hellgelbe Pusteln verursacht, sich ansiedelt, um endlos diesen Kreislauf aufs neue zu vollführen. Deshalb dürfen auch absolut keine Berberitzensträucher in der Nähe von Getreidefeldern geduldet werden. Dies sei nur nebenbei bemerkt, um begreiflich zu machen, wie sehr eine Desinfektion des Saatkornes nötig ist.

Bild 2. Weizenälchen (Tylenchus scandens), stark vergrößert.

Von tierischen Parasiten des Weizens ist vor allem das Weizenälchen (Tylenchus scandens) zu nennen, welches das sogenannte Gichtigwerden oder den Faulbrand des Weizens verursacht und dadurch oft gewaltigen Schaden anrichtet. Die jungen Älchen dringen in die Blütenähre ein und bilden, ähnlich wie manche Insektenlarven Galläpfel, eine abnorme Entwicklung des Korns, was man als Gicht oder Radenkorn bezeichnet. Die Weibchen legen darein eine große Menge Eier und sterben, wie auch die Männchen, ab. Aus den Eiern entwickeln sich geschlechtslose Larven, die in Anabiose, eingetrocknet den staubigfaserigen Inhalt des Gichtkorns bilden. Gelangt letzteres mit den gesunden Weizenkörnern in den feuchten Ackerboden, so werden die winzigen Würmchen durch Wasserzufuhr wieder lebendig, gelangen zu einer jungen Weizenpflanze, kriechen an derselben hinauf, halten sich bei trockener Witterung in den Blattscheiden ohne Bewegung und Lebenszeichen auf, suchen aber bei einfallendem Regen mit dem Emporwachsen des Halmes immer weiter nach oben zu kommen und gelangen so zu einer Zeit schon in die oberste Blattscheide, da sich die Blüte zu bilden beginnt. In diese dringen sie nun ein, wachsen zur Geschlechtsreife heran, paaren sich und pflanzen sich fort, um den Kreislauf stets wieder aufs neue zu vollenden. Bemerkenswert ist die außerordentliche Zählebigkeit der Weizenälchen, die, wie mehrfache Versuche bewiesen, nach 20 und mehr Jahren völliger Eintrockung bei Befeuchtung wieder aufleben. Naturgemäß tritt der Faulbrand in nassen Jahren stärker auf als in trockenen. Der Landmann muß sich gegen den Schädling dadurch schützen, daß er alle gichtigen Körner des Weizens — am besten durch Verbrennen — vernichtet und zum Säen nur gesundes, in einer halbprozentigen Kupfervitriollösung gebeiztes Saatgut verwendet.

So vorbereitet wird das Korn mit voller Hand, breitwürfig, wie man zu sagen pflegt, auf den durch Pflügen und Eggen vorbereiteten Boden gesät und durch nochmaliges Eggen möglichst in ihn hineingebracht; denn alle an der Oberfläche liegen bleibenden Körner erliegen der Kälte oder der Sonnenwärme, oder werden von den danach lüsternen Vögeln, besonders Tauben, weggepickt. Viel besser als die Menschenhand besorgen dies Geschäft die modernen Sämaschinen, die ausgezeichnet rasch und gut arbeiten und über die Hälfte des Saatkorns ersparen, indem sie den Samen gleich in die Erde versenken.

Vierzehn Tage nach der Aussaat erscheinen die ersten Keime, so daß der Ackerboden einen grünen Anflug erhält. Im Laufe des Frühjahrs und Sommers wächst nun das Korn im Wechsel von Regen und Sonnenschein heran, treibt seine Blüten, die durch den Wind mit dem reichlich ausstäubenden Pollen befruchtet werden, und läßt den Samen reifen. Sobald die Samenkörner so fest geworden sind, daß sie ohne große Anstrengung durch den Nagel gerade noch einen Eindruck bekommen, beginnt die Ernte, die in kleineren Betrieben noch von Hand, sonst aber in zunehmendem Maße ebenfalls durch Maschinen besorgt wird. Durch Maschinen wird es auch gedroschen, geworfelt, gesiebt und dabei die Getreidekörner nach der Größe sortiert, während das Stroh automatisch zu Bündeln vereinigt wird. Die Getreidesäcke werden in gut gelüfteten Scheunen aufbewahrt — in den Zentren des Getreidebaus benutzt man dazu besondere Silos mit automatisch arbeitenden Elevatoren. Für den menschlichen Gebrauch wird dann das Korn in den Mühlen gemahlen und kommt als Mehl verschiedenster Sorte teils zum Bäcker, teils an die Makkaroni- oder Schiffszwiebackfabrikanten oder wird sonstwie in den einzelnen Haushaltungen zur Herstellung von allerlei Eßwaren verwendet.

Jahrtausende hindurch haben unsere Ahnen der vorgeschichtlichen und frühgeschichtlichen Zeit das zur Herstellung des Breies, der Grütze und später auch des Fladenbrotes nötige, damals noch äußerst grobkörnige und vielfach mit feinen Gesteinssplittern vermengte Mehl selbst herstellen müssen. Zu diesem Zwecke wurde das meist kurz geschnittene Korn durch die Hufe der darüber getriebenen Rinder, Ziegen oder Schafe ausgetreten — woher überhaupt die lateinische Bezeichnung des Weizens triticum (von tritare = austreten), d. h. das „Ausgetretene“ herrührt — und in Vorratsbehältern verschiedenster Gestalt aufbewahrt. Daraus holten sich die Frauen jeweilen ihren täglichen Bedarf an Korn. Wie heute noch im Orient, konnte man einst früh morgens noch vor dem Morgengrauen das Reibegeräusch der primitiven steinernen Handmühlen in den Siedlungen der Stein- und Bronzezeit hören, in denen die Frauen das Mehl zur Herstellung des Breies oder der flachen, ungetriebenen Brotfladen für das Frühstück herstellten. Es war dies die erste Arbeit des Tages, soviel Korn als für die erste Mahlzeit der Hausgenossen nötig war, zu Mehl zu mahlen. Deshalb heißt es in den Lobsprüchen eines tugendsamen Weibes aus den Sprüchen Salomos (Kap. 31, Vers 15) von „der Frau, die morgens früh aufsteht, wenn es noch Nacht ist, und die Speise für ihren Mann, die Kinder und das Gesinde bereitet“, d. h. auf der Handmühle das für den ersten Tagesbedarf erforderliche Korn zu Mehl mahlt.

Bild 3. Auf einer Handmühle Korn zu Mehl verreibende Ägypterin.
Statuette aus Kalkstein um 2600 v. Chr., jetzt im Alten Museum in Berlin.

Tafel 1.

1. Roggen, 2. blühendes Roggenährchen, 3. Spelt oder Dinkel, 4. vierzeilige Gerste, 5. Emmer, 6. unbegrannter Weizen, 7. begrannter Weizen, 8. reifes Ährchen von unbegranntem Weizen, 9. zweizeilige Gerste, 10. Hafer, 11. Haferährchen in der Blüte, 12. sechszeilige Gerste, 13. Ährchen der zweizeiligen Gerste.

Tafel 2.

(Phot. von E. Reinhardt.)

Holzpflug mit Metallspitze, wie er heute noch in Toskana verwendet wird. Die gleiche Form war schon im Altertum üblich. Im Hintergrunde Stützbäume für Weinreben.

Die Entwicklung des Pfluges, dargestellt in den Modellen des Deutschen Museums in München (Phot. und Verlag von M. Stuffler).

Ursprünglich bestanden diese Handmühlen, die uns in großer Zahl in den prähistorischen Museen entgegentreten, aus zwei losen Steinen, einem kleineren, walzenförmigen, der auf einem größeren, flachen über das zu mahlende Korn hin und her gerieben wurde. Später wurden zwei annähernd gleich große Steine so zugehauen, daß der obere, an welchem exzentrisch ein hölzerner Handgriff angebracht war, um den unteren herumgedreht werden konnte, wie dies heute noch an den im Morgenlande überall gebräuchlichen Hausmühlen zu sehen ist. Solche einfache steinerne Handmühlen besaßen noch die deutschen Stämme zur Zeit der Völkerwanderung. Gotisch hießen sie quairnus, althochdeutsch quirn oder quern. An letztere erinnern noch manche Eigennamen wie Querner, Kerner, Körner, die also gleichbedeutend mit unserem Worte Müller sind, und Ortsnamen wie Quirnfurt, Querfurt, Körnbach usw. Daß aber ganze Orte nach der Handmühle quirn bezeichnet wurden, zeigt, daß es im Mittelalter neben den kleineren auch größere Mühlen gab, wie sie nicht in jedem Hause, nicht einmal an jedem Orte vorkamen, weil sie sonst kein unterscheidendes Kennzeichen für die Benennung hätten abgeben können. Wahrscheinlich wurden sie später so vergrößert, daß sie durch Tiere getrieben wurden, was bei den Griechen und Römern der späteren Zeit bereits allgemein üblich war. Aber mit dem Untergange der hellenisch-römischen Kultur verfielen in den Bedrängnissen der Völkerwanderungszeit diese bequemen Einrichtungen an den meisten Orten und kamen außer Gebrauch. So benutzten die Germanenstämme des frühen Mittelalters noch ausschließlich die kleinen Handmühlen. Erst nach und nach kamen bei ihnen die von den Römern in den von ihrer Kultur befruchteten Gebieten gebauten molinae, d. h. meist schon durch Wasser- statt Tierkraft getriebenen Mühlen auch in Germanien allmählich in Aufnahme. Deren Anlage erheischte jedoch so viel Vorbereitungen, wie Erwerb von Wasserrechten und Land, Stauung des Wassers, Einrichtung der Wasserräder und der an sie gekuppelten Maschinen, daß diese „Mülinen“, wie sie im späteren Mittelalter genannt wurden (franz. moulin), sich nur sehr langsam neben den allgemein gebräuchlichen Quirnsteinen einbürgerten.

Tafel 3.

(Copyright by Underwood & Underwood.)

Das Dreschen des Getreides in Galiläa. Die gleiche Art war schon im Altertum üblich.

Tafel 4.

Dampfdreschmaschine mit Strohselbstbinder der Maschinenfabrik Heinrich Lanz in Mannheim.
(Im Betrieb auf Gut Boldebuck in Mecklenburg.)


GRÖSSERES BILD

Die Wassermühlen waren übrigens durchaus keine römische Erfindung, sondern dienten schon sehr früh im Orient zum Ersatze der menschlichen oder tierischen Kraft bei der Mehlbereitung. Bereits Mithridates der Große (132–66 v. Chr.), der im Jahre 88 von den Küstenländern am Schwarzen Meere aus ganz Kleinasien eroberte und daselbst alle Römer, etwa 80000 an der Zahl, ermorden ließ, besaß in seinem Reiche welche. Es waren dies oberschlächtige Wasserräder, die früher bekannt waren und dem Mühlenbetriebe dienten als die unterschlächtigen, von denen uns erst der römische Kriegsingenieur unter Cäsar und Augustus, Vitruvius, berichtet. Öffentliche Wassermühlen kamen in Rom erst zu Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. unter den Kaisern Honorius und Arkadius auf, und das älteste darauf bezügliche Gesetz aus dem Jahre 398 zeigt deutlich, daß sie damals noch eine neue Einrichtung waren, die man durch öffentlichen Schutz sichern mußte. Darauf bezügliche Befehle wurden noch gegen das Ende des 5. Jahrhunderts von Kaiser Zeno erneuert. Diese Mühlen lagen an den Kanälen, die Wasser nach Rom führten, und konnten, da sie nur von wenig Wasser getrieben wurden, jedenfalls nur verhältnismäßig geringe Kraft entwickeln. Als der Gotenkönig Vitiges im Jahre 536 den Feldherrn des oströmischen Kaisers Justinian, Belisar, in Rom belagerte und die 14 großen Wasserleitungen der Stadt verstopfen ließ, geriet dieser in große Verlegenheit, nicht wegen Wassermangel überhaupt — denn dagegen sicherte ihn der Tiberstrom —, sondern wegen Verlustes desjenigen Wassers, das die Mühlen trieb, die alle an diesen Kanälen lagen. Pferde und Ochsen, die man zum Treiben der Mühlen hätte gebrauchen können, fehlten den Einwohnern der belagerten Stadt. Da geriet Belisar auf den Gedanken, die Mühlen auf im Tiber verankerte Fahrzeuge zu bringen und sie vom Strome treiben zu lassen. Damit wurde er zum Erfinder der Schiffsmühlen. Diese funktionierten ganz gut. Und als die Belagerer starke Balken in den Strom warfen, um sie zu zerstören, schützten sich die Belagerten durch vorgezogene Ketten.

Bild 4 u. 5. Durch Arbeitssklaven oder wohl häufiger durch ein Maultier getriebene Mühle aus Pompeji. (Nach Mau.)
4. Die aus Lava gehauenen beiden Mahlsteine samt dem gemauerten Unterteil ohne die zerfallenen Holzteile, die zum Bewegen des oberen Steines um den festliegenden unteren dienten; 5. Querschnitt derselben mit Rekonstruktion der Holzteile.

Vor der Erfindung der Wassermühlen war tierische oder menschliche Kraft zum Treiben der Mühlen gebräuchlich. Bei der Unmenge von Sklaven, über die man in Rom verfügte, besorgten diese lange Zeit hindurch das Drehen der großen Mühlen, die aus zwei Steinen aus rauhem Trachyt bestanden, wie man an den uns in Pompeji ziemlich zahlreich erhaltenen Exemplaren sehen kann. Die Unterlage bildete ein kreisförmiger, großer Stein mit erhöhtem Rand. In seiner Mitte ruhte ein am oberen Ende wagerecht abgestutzter Kegel, aus dessen Mitte ein kurzer Eisenzapfen hervorragte, der in eine entsprechende Höhlung einer eisernen Scheibe am sogenannten Läufer paßte. Dieser Läufer war ein sanduhrförmiger Doppeltrichter, in den oben das Getreide geschüttet wurde, um durch vier Löcher, von welchen die Eisenscheibe durchbohrt war, zwischen Bodenstein und Läufer zu geraten und beim Drehen des letzteren zermalmt zu werden. Das fertig gemahlene Mehl wurde am Rande der Unterlage mit der Hand hinweggenommen.

Neben diesen moderneren Mühlen haben die Römer noch lange Zeit hindurch ihr Getreide geröstet von Sklaven in Mörsern stampfen lassen. Vom lateinischen pinsere stampfen nannte man die Leute, die dieses Geschäft besorgten, pinsores, später pistores. Besonders wurde dies mit dem alsbald zu besprechenden Spelt oder Dinkelweizen gemacht, da damit die Hüllspelzen desselben leichter zu entfernen waren. Verordnungen über die Mühlensklaven kommen noch unter dem Kaiser Valentinian vor, der von 364–375 regierte. Erst unter dem 379 von Gratian zum Mitregenten ernannten Theodosius dem Großen, der 395 in Mailand starb, nachdem er sein Reich unter seine beiden Söhne Arkadius und Honorius geteilt hatte, hörte man, wie uns Antonius berichtet, auf, Sklaven zu halten und Mühlen von Menschen treiben zu lassen.

Windmühlen waren im Altertum noch nicht im Gebrauch. Diese kamen vielmehr erst um die Mitte des 11. Jahrhunderts in Deutschland auf. Jahrhunderte hindurch blieb dann hier das Mühlenwesen auf der einmal erreichten Stufe stehen, bis von den praktischen Nordamerikanern aus ein mächtiger Anstoß zu Verbesserungen im Mühlenbetriebe erfolgte. In Pennsylvanien und am Mississippi bestanden bereits zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts Mühlen, die die Leistungen der europäischen Mühlen weit übertrafen, indem sie auf Großbetrieb eingerichtet waren. Dazu kam die Anwendung der Dampfmaschine zuerst 1784 in England, dann 1825 in Deutschland, und zwar Magdeburg, und 1828 in Frankreich, so daß von dieser Zeit an Dampfmühlen nach amerikanischem System rasche Ausbreitung fanden. Vom Jahre 1834 an, da Sulzberger solche Neuerung einführte, wandte man eiserne Walzen statt der Mühlsteine an, wodurch das Mahlverfahren noch weiter gehoben wurde, bis zuletzt der höchste Aufschwung durch die Erfindung von Porzellanwalzen im Jahre 1874 durch den Züricher Wegmann erfolgte.

Wie der Weizen das Hauptgetreide des klassischen Altertums war, so ist er es heute noch bei allen romanischen Völkern, wie auch bei den Engländern, die ihn Korn, wie wir den Roggen nennen. Man stellt daraus das „weiße Gebäck“ dar. Die Körner sind entweder durch den reichen Gehalt an einer als Kleber bezeichneten Eiweißart glasig oder durch relativen Mangel daran in Verbindung mit Vorwiegen des Stärkemehls mehlig. Keine von beiden Formen ist im Extrem zum Verbacken sehr tauglich. Im ersteren Falle liefert er ein sehr festes Produkt, im letzteren dagegen bäckt er wegen des mangelhaften Klebergehaltes nur schlecht. Deshalb wird der rein mehlige Weizen besonders zur Stärkefabrikation benutzt, während der kleberreiche speziell zur Herstellung von Nudeln, Makkaroni und Grieß Verwendung findet. Die Bedeutung vieler deutscher Seestädte, welche mit Getreide nach dem Auslande handelten, wie Danzig und Königsberg, bestand vorzugsweise darin, daß man dort Gemische unseres mehligen deutschen Weizens mit dem glasigen russischen Weizen herstellte, wie sie von den verschiedenen Absatzgebieten gewünscht wurden.

Das Weizenstroh ist zwar kurz, aber doch wertvoll und wird meist zu Häcksel verschnitten. Eine auf sehr schlechtem Boden in Toskana gezogene Sorte liefert in ihren dünnen, festen Halmen das Material zu den geschätzten florentiner Strohhüten.

Von echten Weizenarten sind noch der Zwerg- oder Binkelweizen (Triticum compactum) und seine vorgeschichtliche Varietät, der Kugelweizen (Triticum compactum globiforme) zu nennen. Letzterer wurde bereits in neolithischen Stationen in Bosnien, Ungarn, Oberitalien und Süddeutschland gefunden und dehnte dann sein Gebiet im Laufe der Bronzezeit bis nach Dänemark aus. Ersterer wurde, wie verschiedene Funde beweisen, in der Schweiz von der jüngeren Steinzeit bis in die römische Epoche ununterbrochen kultiviert. In der Westschweiz baut man stellenweise den Zwergweizen heute noch an, während der Kugelweizen sich in Schweden und Norwegen bis in die Gegenwart erhielt und dort noch ziemlich verbreitet ist. Der welsche Weizen (Triticum turgidum) wurde bis jetzt nur in vorgeschichtlichen Fundstellen Oberitaliens und der Schweiz gefunden, hat aber nie in Europa eine größere Bedeutung erlangt.

Viel wichtiger als diese mehr historisches Interesse beanspruchenden Weizenarten sind die bespelzten Weizensorten, der Spelt, Emmer und Einkorn. Unter ihnen ist der Spelt oder Dinkelweizen (Triticum spelta) weitaus der wichtigste. Olivier will ihn nebst Weizen 1807 in Mesopotamien wildwachsend angetroffen haben. Doch wurde er zu keiner Zeit weder in Babylonien, noch Ägypten angebaut. Auch im Sanskrit, im Indischen und Persischen fehlt ein Name für ihn, während seine europäischen Namen auf eine alte Kultur im östlichen Europa hindeuten. Heute wird er vorzugsweise nur noch in Süddeutschland und der Schweiz, dann in Südtirol und Nordspanien in größerem Umfange angebaut. Aber auch hier, wie auch in Italien und Frankreich, wo er früher viel angepflanzt wurde, ist er mehr und mehr auf den Aussterbeetat gesetzt worden. Besonders sind es die alamannischen Stämme, die noch aus alter Gewohnheit an der früher von ihnen als „Korn“ bezeichneten Getreideart hängen. Seine Ähre gleicht derjenigen des gemeinen Weizens in allen wesentlichen Punkten, abgesehen davon, daß die Ährchen etwas weitläufiger an der Spindel verteilt sind. Nur insofern ist ein durchgreifender Unterschied zu konstatieren, als die Ährenspindel bei der Reife, als ursprüngliches Merkmal aller darin nicht durch Kultur verbesserter Getreidearten, noch zerbrechlich ist und die Körner bei der Reife von den Spelzen eingeschlossen bleiben und auch beim Dreschen nicht wie beim Weizen ausfallen. Um das Speltkorn aus der Umhüllung herauszuschälen, ist ein eigener Mahlprozeß, das sogenannte Schälen oder Gerben erforderlich, das in den Mühlen in besonderen Gängen, den „Gerbgängen“, vorgenommen wird.

In der Kultur hat der Spelt immerhin gewisse Vorzüge vor dem gemeinen Weizen, indem er geringe Ansprüche an Boden und Klima macht und seine Körner vor dem Raube durch die Sperlinge und andere Vögel gesichert sind, die oft große Teile der Weizenfelder verwüsten. Auch die Festigkeit des Halmes ist beim Spelt eine höhere als beim Weizen, so daß schwerer Gewitterregen das Getreide nicht so leicht knickt und zu Boden schlägt. Wo aber ein guter Boden und ausreichende Sommerwärme zur Verfügung stehen, da übertrifft bei rationeller Kultur der Ertrag des Weizens denjenigen des Speltes beträchtlich, und das mag wohl der Grund sein, weshalb der Anbau des Speltes auch in den Gebieten, wo er alteingesessen ist, mehr und mehr zurückgeht.

Das Speltkorn liefert ein gelbliches Brotmehl, das im allgemeinen weniger geschätzt wird als das Weizenmehl. Als Handelsware trifft man vielfach, besonders in Süddeutschland, den Speltgrieß an, der als Einlage zu Suppen sehr beliebt ist. Zu demselben Zwecke wird der gleichfalls vom Spelt gewonnene Grünkern verwendet, der die noch unreifen Körner darstellt, die aus den gedörrten, unreifen Ähren durch Schälen gewonnen werden.

Die Heimat des Speltes ist vermutlich Südosteuropa, d. h. Südrußland oder Westasien, jedenfalls ein Land mit kurzen Wintern und heißen Sommern. Er ist ein typisches Wintergetreide, das im Herbst gesät und im Frühsommer geerntet wird; als Sommerfrucht kommt er kaum je zur Aussaat. Schon daß er eine solche Winterfrucht ist, beweist seine Herkunft aus dem russisch-asiatischen Steppengebiet. Dort wird das Getreide stets im Herbst gesät und im Frühjahr geerntet; auf diese Weise entgeht es der alles versengenden sommerlichen Hitze. Denselben Entwicklungsgang haben dort viele Gewächse, die ihn auch nach ihrer Einwanderung in Gegenden ohne Sommerdürre wie die unserige bewahrt haben, so die Trespenarten und andere Gräser, die bei uns im September keimen, über Winter wachsen solange es nicht zu kalt ist, jedenfalls nicht vom Froste groß leiden, im Juli ihre Früchte reifen lassen und dann absterben. Diese Tatsache gibt uns einen willkommenen Fingerzeig, weshalb und woher Winterfrucht in Gegenden wie bei uns aufkam, wo sonst nur Sommerfrucht zu gedeihen und also auch heimisch zu sein vermag. So hat auch das mittelländische Getreide, wie Volkart zuerst darauf hinwies, bei seiner Wanderung nach Norden als Kulturpflanze die Aussaat im Herbste beibehalten. Aus dem Wintergetreide entstanden dann in hohen Lagen, die erst später besiedelt wurden, nach und nach auch Sommergetreideformen; es ist dies ein Prozeß, den wir übrigens noch heute beim Roggen zu verfolgen vermögen.

A. de Candolle und Buschan geben das südöstliche Europa als die Heimat der Speltkultur an, von wo aus sie nach Mittel- und Südeuropa eingeführt worden wäre. Dies ist vom pflanzenbiologischen Standpunkte aus sehr wohl möglich; ist doch, wie Hoops hervorhebt, auch der Roggen, ebenfalls ursprünglich eine Winterfrucht, zweifellos in diesen Gegenden zu Hause. Volkart dagegen meint, der Spelt sei ursprünglich mediterraner Herkunft; dies wohl mit Unrecht. Auch der namhafte Straßburger Botaniker H. Graf zu Solms-Laubach, der die Heimat des Speltes wie die der anderen Hauptkulturformen des Weizenstammes nach Zentralasien verlegt, dürfte im Irrtum sein, schon aus dem Grunde, daß dieses Getreide, soweit wir bis jetzt wissen, weder in früherer noch in neuerer Zeit in Zentral- und Ostasien kultiviert wurde. Weit eher noch dürfte Westasien, diese uralte Wiege der menschlichen Kultur, der wir so viele pflanzliche und tierische Erwerbungen, wie auch technische und geistige Kulturgüter zu verdanken haben, als Heimat des Speltes in Frage kommen.

Schon im ältesten Ägypten wurde neben Weizen und Gerste auch Spelt gepflanzt. Die alten Ägypter nannten ihn bôti und unterschieden von ihm eine weiße und eine rote Sorte. Der Grieche Theophrast im vierten vorchristlichen Jahrhundert nennt Spelt das alexandrinische Korn, und der Römer Plinius im 1. Jahrhundert n. Chr. bemerkt, das aus ihm bereitete Mehl sei feiner und weißer als gewöhnliches Weizenmehl, obwohl es nach der Angabe seines Zeitgenossen, des griechischen Arztes Dioskurides aus Kilikien, weniger Nährwert als Weizenbrot besitze und leichter austrockne. In Ägypten selbst galt allerdings Speltmehl für geringwertiger als Weizenmehl, denn nur das letztere ward zu den Opferbroten verwendet.

In Europa war der Spelt schon zur Bronzezeit nördlich der Alpen bekannt und wurde von den an den Seeufern ansässigen Pfahlbauern der frühen Metallzeit in ihren Hackfeldern am Lande angebaut. Ist nun diese Tatsache durch Funde unwiderleglich bewiesen, so ist anzunehmen, daß er damals sicher auch in Südfrankreich kultiviert wurde; denn die alte Völkerverkehrsstraße vom Mittelmeer nach der Westschweiz, wo wir die verkohlten Speltkörner in den Überresten der Pfahlbauten der Bronzezeit finden, führte das Rhonetal aufwärts. Wahrscheinlich war aber der Spelt zur Bronzezeit schon im ganzen Mittelmeergebiet heimisch und dürften mit der Zeit Spuren einer solchen prähistorischen Speltkultur auch bei Ausgrabungen in Italien zum Vorschein kommen. Jedenfalls haben ihn später besonders die Römer als altgewohntes Getreide kultiviert und ihn in der Folge innerhalb des ganzen von ihnen beherrschten Reiches populär gemacht. Sie, die in der ältesten Zeit ausschließlich von Spelt lebten und auch noch in späterer Zeit als äußerst konservativ im Kulte dessen Körner, gewöhnlich geröstet, mit Salz ihren Göttern als gebräuchlichstes Opfer darbrachten, waren die Hauptträger der Speltkultur. Plinius bezeichnet ihn als die gemeinste Kornfrucht Italiens und sagt, daß er in den Hülsen aufbewahrt werde, da er sich nicht gut aus ihnen dreschen lasse. Varro, der fruchtbarste und bedeutendste Gelehrte Roms (116–27 v. Chr.) gibt an, daß, wenn man den in den Ähren aufbewahrten Spelt zu verspeisen beabsichtige, man ihn im Winter vom Speicher hole, in Holzmörsern zur Enthülsung stampfe und dann röste.

Dieses von ihnen als far bezeichnete Getreide, das bei den Griechen, die es kaum anpflanzten, zeiá oder zeá hieß, eine Bezeichnung, die übrigens heute als Genusname dem aus Amerika zu uns gekommenen Mais verliehen wurde, brachten die Römer nach Gallien, Germanien und Britannien und empfahlen es den dortigen Völkern zum Anbau. Das deutsche Dinkelgebiet hält sich genau innerhalb der Grenzen des alten römischen Reiches. Ihre Nachfolger in der Hochschätzung des Speltbaues waren dann später die Alamannen, die nach dem Verlassen ihrer ostelbischen Heimat beim Einwandern ins römische Dekumatenland ihn dort kennen lernten. Sie nannten dieses Getreide, das auch in solchem Boden noch gedieh, in welchem der Weizen keinen guten Ertrag mehr gab, spelta, ein Wort, das dann den Römern im Laufe des 3. und 4. Jahrhunderts durch den Getreidehandel mit jenen geläufig wurde. Seit jener Zeit ist bis auf den heutigen Tag die Speltkultur in Deutschland vorzugsweise eine Eigentümlichkeit des schwäbischen Stammes geblieben, an der dieser mit großer Zähigkeit festhielt, bis in neuerer Zeit die Verdrängung desselben durch den profitableren Weizen auch hier nach und nach überhand nahm.

Noch ältere Bestandteile unseres Getreidebaues, die aber in noch weit geringerem Grade als der Spelt kultiviert werden, sind die uns schon bei den neolithischen Pfahlbauern Mitteleuropas vor 4000 bis 5000 Jahren begegnenden Emmer und Einkorn. Erstere, mit dem Spelt sehr nahe verwandte Weizenart (Triticum dicoccum) hat gleichfalls eine zerbrechliche Ährenspindel und am Korn festsitzende Spelzen. Während aber beim Spelt die Ährchen besonders locker an der Spindel befestigt sind, stehen sie beim Emmer vielmehr dicht gedrängt. Wie beim Emmer ist auch beim Einkorn (Triticum monococcum) die zweizeilig ährchentragende Ähre stets begrannt; für gewöhnlich entwickelt sich aber in jedem Ährchen nur eine einzige reife Frucht.

Obschon diese Getreidearten von allen am genügsamsten sind und mit überaus magerem Boden und rauher Lage vorlieb nehmen, werden sie aber wegen ihres noch geringeren Ertrages heute bei uns in geringerem Umfange als selbst der Spelt angepflanzt. In Deutschland sind sie fast nur in Schwaben und Thüringen anzutreffen. Dagegen stehen sie in Gebirgsgegenden Südeuropas, besonders in Spanien, Frankreich, Italien, Serbien, ebenso in Kleinasien, Ägypten, Abessinien und Arabien immer noch in Ehren. In Europa werden ihre Samenkörner wie diejenigen des Speltes zur Gewinnung von Grünkern, Grieß und Stärkemehl benutzt.

Das war in vorgeschichtlicher Zeit anders. Da war man noch nicht so verwöhnt und anspruchsvoll wie heute und baute auch diese weniger ergiebigen Getreidearten gerne. Von der neolithischen Zeit, besonders aber von der Bronzezeit an, wurden sie nicht nur in Vorderasien und Ägypten, sondern auch in den Mittelmeerländern und in Mitteleuropa kultiviert. In Ägypten findet sich besonders der Emmer (altägyptisch emrai genannt) in den Grabbeigaben der ältesten Pharaonendynastien und noch in der fünften Dynastie, die auf die Zeit der großen Pyramidenerbauer folgte (2700–2550), wurden vielfach die Leichen in Spreu von Emmer gelegt und die Grabkammer damit aufgefüllt. In den Trümmern von Hissarlik-Troja fand Schliemann unter den verkohlten Vegetabilien das Einkorn so massenhaft aufgespeichert, daß es damals als Brotgetreide zweifellos die erste Stelle muß eingenommen haben. Auch in Syrien und Palästina bildete es einst ein sehr wichtiges Getreide. Es ist das im Alten Testament mehrfach erwähnte Kussémet, aus dem einst die Juden und ihre syrischen Nachbarn, wie später die Araber ihr Brot bereiteten. Nach Indien scheint seine Kultur niemals vorgedrungen zu sein.

Eine wilde Stammform kennen wir bis jetzt nur von letzterem, dem Einkorn, die in Mesopotamien, in Syrien am Antilibanon, in Kappadocien, in Kleinasien und im Taurusgebiet, aber auch in Griechenland und Serbien in wildem Zustande in der Form von Triticum aegilopoides gefunden wird.

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