II. Die Getreidearten. Gerste, Roggen, Hafer, Hirse und Buchweizen.

Zeitlich ebenso früh wie der Weizen wurde von den Steinzeitvölkern die Gerste (Hordeum vulgare) angepflanzt, die die Hauptnährfrucht der Indogermanen war und bei ihnen wenigstens in das 4. vorchristliche Jahrtausend zurückreicht. In Europa scheint sie die älteste überhaupt angepflanzte Getreideart gewesen zu sein, die in der frühneolithischen Zeit ausschließlich angebaut wurde, bis schließlich von Osten her aus Asien auch der Weizen hinzukam, den wir dann in der späteren neolithischen Zeit neben der älteren Gerste als Brotfrucht antreffen. Die Kulturgerste stammt von der von den Kaukasusländern bis Persien und Beludschistan einerseits und Mesopotamien andererseits verbreiteten wilden Gerste (Hordeum spontaneum) ab. Diese steht der zweizeiligen Gerste am nächsten und unterscheidet sich von ihr fast nur durch die brüchige Spindel der Ähre, die der Mensch mit der Zeit durch entsprechende Kulturauslese in eine zum Zwecke der leichteren Ernte notwendige zähe Spindel umwandelte. Bei dieser Kornfrucht sind im Gegensatz zum Weizen und Roggen, bei welchen jeder Absatz der Ährenspindel nur ein einziges Ährchen trägt, stets drei Ährchen nebeneinander gestellt, um welche die Hüllspelzen eine Art Manschette bilden. Sind nun sämtliche Ährchen voll ausgebildet, so erhält man sechs Reihen derselben, die sich entweder deutlich voneinander abheben, dann haben wir die sechszeilige Gerste vor uns, oder von denen nur die Mittelzeile deutlich hervortritt, während die Nebenzeilen ineinander fließen, wie bei der gemeinen, auch vierzeiligen Gerste. Bleiben dagegen die seitlichen Ährchen unentwickelt, so resultiert die zweizeilige Gerste.

Von einer zweizeiligen Urform haben sich die vier- und sechszeiligen Gerstearten schon in sehr früher vorgeschichtlicher Zeit ausgebildet; denn letztere treten uns nicht bloß in den neolithischen Pfahlbauten Mitteleuropas, sondern auch in den Grabbeigaben der ältesten ägyptischen Dynastien aus dem vierten vorchristlichen Jahrtausend entgegen. Ja, die sechszeilige Gerste war, in der Abart H. pyramidatum mit pyramidenförmig zugespitzten Ähren, im ganzen Altertum bis in junge historische Zeiten hinein die gewöhnlichste Kulturart, während die vierzeilige erst in neuerer Zeit wenigstens in Europa größere Bedeutung erlangte. Heute ist letztere wohl hier die verbreitetste Saatgerste.

Neben dem allerdings viel häufiger angepflanzten Weizen finden wir auch die Gerste, im Altägyptischen ati genannt und in einer weißen und roten Sorte unterschieden, im Niltal schon zur Zeit der ältesten Dynastien kultiviert. Doch scheint sich hier namentlich die arme Bevölkerung damit ernährt zu haben und daraus hergestelltes Brot oder Brei ihren Toten ins Grab mitgegeben zu haben. In den ungebrannten, nur an der Sonne getrockneten Backsteinen der Stufenpyramide von Daschur aus dem Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends fanden sich außer langgeschnittenem Stroh, Unkraut und den Blättern mehrerer Sumpfpflanzen Überreste der vierzeiligen und sechszeiligen Gerste neben solchen von Weizen. Als Beigabe aus Gräbern des alten Reiches kam in Sakkara eine Schale mit zertrümmerten Gerstenähren, im Gräberfeld von Theben dagegen erhärtete Breiklumpen von grob zerriebenen Gerstenkörnern zutage. Auch in Wandmalereien finden wir Ähren dargestellt, die in äußerst schematischer Weise den Charakter der Gerstenähre zeigen.

Weiter nördlich und westlich finden wir in den neolithischen Fundplätzen Kleinasiens und Süd- bis Mitteleuropas neben verkohlten Überresten des Zwergweizens auch solche von Gerste, deren Körner durch außerordentliche Kleinheit ausgezeichnet sind. Eine schon etwas großkörnige Gerstenart finden wir in den schweizerischen Pfahlbauten, in denen neben dem kleinen Pfahlbauweizen die kurze sechszeilige Gerste nach den Untersuchungen von Oswald Heer weitaus das häufigste Getreide war. Neben ihr wurde auch die dichte sechszeilige und die zweizeilige Gerste angepflanzt, aber sehr viel seltener als die kurze sechszeilige Gerste, die als das eigentliche Pfahlbaugetreide bezeichnet werden kann. Jedenfalls nahm sie den weitaus größten Raum in den primitiv genug mit der Holzhacke in gerodeten Waldlichtungen angelegten und niemals gedüngten Hackfeldern der Pfahlbauern ein, die, sobald ihr Ertrag durch Erschöpfung des Bodens nachließ, verlassen wurden, um auf frisch gerodetem, jungfräulichem Boden durch neue ersetzt zu werden.

Auch in den Überresten der jüngeren Steinzeit Nordeuropas wie in denjenigen der ganzen Bronze- und Eisenzeit finden wir die Gerste durch ganz Mitteleuropa von Ungarn bis Frankreich recht häufig. Besonders im Norden hat sie sich in der Folge so gut eingebürgert, daß sie beispielsweise in Schweden bis tief ins 15. Jahrhundert hinein überhaupt das einzige dort angebaute Getreide war, während Roggen und Weizen bis in die Mitte jenes Jahrhunderts als für jene Gegenden neue und ungewöhnliche Getreidearten bezeichnet wurden. Kürzlich fand man, wie schon früher wiederholt, in der Fundschicht einer dem 5. oder 6. Jahrhundert n. Chr. angehörenden Ansiedlung in der schwedischen Provinz Östergötland einen kleinen halbkugeligen verkohlten Gegenstand, der sich bei genauerer Untersuchung als ein grobgemahlenes, mit Steinsplitterchen des Mahlsteines vermischtes vorgeschichtliches Gerstenbrot erwies.

Meist läßt sich allerdings an den vorgeschichtlichen Gerstenkörnern nicht sicher bestimmen, welcher Art von Gerste sie angehören, und auch die Schriftsteller des Altertums sprechen sich in der Regel nicht deutlich genug über die Verschiedenheit der Gerstensorten aus. Stets ist es die kurze sechszeilige Gerste, das Hauptgetreide der Pfahlbauern, welche wir neben dem Weizen deutlich erkennbar auf den griechischen Münzen abgebildet finden. Sie ist es, die wir auf den ältesten, nur auf einer Seite geprägten Münzen aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. (Münzen der griechischen Stadt Metapontion am Meerbusen von Tarent in Unteritalien) in Form einer prächtig ausgeführten, langen, begrannten Ähre als das Symbol der pólis, des städtischen Gemeinwesens, abgebildet finden. Ein Vierdrachmenstück einer andern griechischen Stadt, nämlich Leontinon auf Sizilien, aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert zeigt um einen Löwenkopf herum vier einzelne Körner derselben Getreideart. Zwei Münzen aus Skotussa und Methydrion in Thessalien geben Abbildungen eines einzelnen Ährchens des grannenlosen Winterweizens wieder, während ein Obolos von Orchomenos in Böotien ein einzelnes Weizenkorn derjenigen Abart des gemeinen Weizens zeigt, welche gegenwärtig als englischer Weizen bezeichnet und heute noch vorzugsweise in den Mittelmeerländern angebaut wird.

Auf einer zweiten Münze von Metapontion aus späterer Zeit als die erstgenannte, sitzt auf der dichtgedrängten kurzen Ähre der sechszeiligen Gerste eine Wanderheuschrecke, auf der Rückseite aber ist Apollon mit dem Lorbeerzweig, der die Gerstenfelder vor der furchtbaren Heuschreckenplage bewahrende Gott, dargestellt. Auf einer anderen Münze aus dieser unteritalischen Stadt ist neben der Gerstenähre eine Zwergmaus auf einem Gerstenblatte dargestellt und auf der Rückseite Ceres, die Beschützerin der Gerstenfelder vor der Mäuseplage, in deren Haar die Ähren derselben Gerstenart geflochten sind. „Selbst in diese kleinen Ähren, wie in die fast ebenso kleinen auf campanischen Münzen — neben dem Pferdekopf —“ sagt der verstorbene Züricher Botaniker Oswald Heer 1865, in einer Arbeit über die Pflanzen der Pfahlbauten, „wußte der Künstler den Charakter der heiligen (kurzen, sechszeiligen) Gerste zu legen, während auf modernen Münzen, so denen der französischen Republik von 1848, kein Mensch zu unterscheiden vermag, ob Gerste, oder Weizen, oder Roggen dargestellt sein soll.“ Auf einer andern Münze von Metapontion ist der Sperling, dieser stete Begleiter des Getreides, auf einer weiteren die Getreidemücke neben der Gerstenähre deutlich erkennbar abgebildet. Daraus können wir schließen, daß das Getreide schon damals unter denselben tierischen Feinden wie heute zu leiden hatte. Wenn nun auch aus den metapontischen Münzen nicht zu entscheiden ist, welche Art von Gerste gemeint sei, so zeigen uns diejenigen von Leontinon nach der Gestalt der einzelnen Körner, daß wir es hier mit der kleinen, kurzen, sechszeiligen Gerste zu tun haben, wie sie schon von den neolithischen Pfahlbauern angebaut wurde, die also der Urtypus der heiligen, auf den altgriechischen Silbermünzen dargestellten Gerste ist.

Die Griechen der homerischen Zeit, zu Ende des vorletzten Jahrtausends v. Chr., übten schon längst den Anbau dieser Gerste neben demjenigen von Weizen aus. In der Ilias und Odyssee ist neben dem Weizen (pyrós) vielfach von der Gerste (kri), bei den späteren Griechen krithé genannt, die Rede, die fast stets den schmückenden Beinamen „die weiße“ (leukón) trägt. So werden in beiden Epen die Pferde mit Gerste und ólyra, das ist eine Art Spelt, gefüttert. Dioskurides sagt uns nämlich in seiner Arzneimittellehre, daß die ólyra zu derselben Pflanzenart wie der Spelt (zeiá) gehöre, aber etwas weniger als dieser nähre. Auch aus ihm werde Brot gebacken. Der eigentliche Spelt (zeiá) kommt nicht in der Ilias, sondern nur in der jüngeren Odyssee vor. Als der Atride Agamemnon, dem Sohn des Odysseus, Telemachos, bei seinem Besuche in Mykene als übliches Gastgeschenk Pferde schenken wollte, sagt dieser zu ihm: O Sohn des Atreus, willst du mir ein Geschenk machen, so möge dies klein und wertvoll sein. Die Rosse, die du mir schenken willst, möchte ich lieber nicht annehmen. Sie bleiben besser bei dir, denn du herrschest über weite Gefilde, wo viel Klee wächst und Weizen, Spelt (zeiá) und weiße Gerste; Ithaka dagegen ist (weil gebirgig) nicht für Rosse passend, dagegen für Ziegen.

In der Ilias wird „auf der Tenne die weiße Gerste leicht von den Füßen der darüber getriebenen Ochsen ausgedroschen“, und im ganzen griechischen Altertum galt die „weiße Gerste“ als besser als die „rötliche Gerste“, wie schon Theophrast unterscheidet. Und der griechische Arzt Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. sagt: „Die Gerste ist am besten, wenn sie weiß und rein ist. Sie enthält zwar weniger Nahrungsstoff als der Weizen, doch ernährt ein aus gerösteter Gerste gekochter Trank (ptisánē, woraus bei den Römern z. B. Plinius tisana, und daraus unsere Bezeichnung Tisane nicht nur für eine Gerstenabkochung, sondern für jede durch Abkochen von Arzneistoffen hergestellte Flüssigkeit wurde) doch stark, weil sich beim Kochen viele Teile der Gerste ablösen. Man braucht übrigens die Gerste (auch als Arznei) in verschiedenen Zubereitungen innerlich und äußerlich.“

Im ganzen Altertum war vornehmlich geröstete Gerste ein außerordentlich wichtiges und verbreitetes Nahrungsmittel; ja sie dürfte überhaupt eine der frühesten, wenn nicht die früheste Zubereitungsart des Getreides zur Nahrung des Menschen darstellen, von der wir Kunde haben. So hat schon der vorhin genannte Züricher Botaniker Oswald Heer zu Anfang der 1860er Jahre bei der wissenschaftlichen Untersuchung der aus den schweizerischen Pfahlbauten herrührenden Getreideüberreste festgestellt, daß in der neolithischen und noch zur Metallzeit aus der Gerste keinerlei Brot hergestellt wurde, sondern daß dieses so überaus häufig kultivierte Getreide, das, wie gesagt, die wichtigste pflanzliche Nahrung jener vorgeschichtlichen Mitteleuropäer bildete, stets nur geröstet gegessen worden sein muß. Erst durch das Rösten wurden die Grannen und Hülsen der Gerste so brüchig, daß sie leicht entfernt werden konnten. Dies ließ sich auf keine andere Weise bewerkstelligen. Das ist auch der Grund, weshalb die geröstete Gerste noch im ganzen Altertum eine so überaus wichtige Rolle spielte, und, als sie die Menschen nicht mehr aßen, sie dieselbe nach altgeheiligter Sitte noch ihren Verstorbenen in die unterirdische Behausung als Totenspeise mitgaben und den Göttern opferten.

Während also die Gerste von den Pfahlbauern stets geröstet gegessen wurde, verfertigten sie aus den übrigen Getreidearten Brei und flaches, nur 1,5–2,5 cm hohes, fladenartiges Brot, und zwar außer Weizen- auch Hirsebrot, welch letzterem meist auch zerquetschte Weizenkörner mit Leinsamen zur Erhöhung des Wohlgeschmacks beigemischt wurden. Diese rundlichen Brotfladen der Pfahlbauern, von denen sich mehrere Überreste bis auf unsere Tage erhielten, sind auf der oberen Seite ganz unregelmäßig runzelig, auf der unteren Seite dagegen, wo sie auf dem heißgemachten Stein auflagen, glatt und hohl. Die sonst kaum zu schälende Gerste aber wurde durch Rösten genießbar gemacht und so gegessen; aus ihr verfertigte man keinerlei Brot, sonst hätte man Überreste davon finden müssen. Auch die ältesten Ägypter aßen die Gerste geröstet und gaben sie geröstet ihren Toten zu deren Speisung im Geisterlande mit, wie uns zahlreiche Gräberfunde kundtun. Auch bei den alten Juden spielte die geröstete Gerste, kali, d. h. Geröstetes genannt, eine sehr wichtige Rolle neben dem aus Weizen und Spelt gebackenen Brot, das auch bei ihnen gebräuchlich war. Die uns allen von Jugend auf bekannte, idyllische Geschichte der Moabiterin Ruth, die nach dem Tode ihres Mannes nach Bethlehem (d. h. Brotstadt) kam und durch ihre Verheiratung mit Boas die Stammutter des Davidschen Hauses wurde, spielt zur Zeit „da die Gerstenernte anfing.“ Auch ihr wurde wie den anderen an der Einheimsung der Ernte Beteiligten kali, also geröstete Gerste verabreicht. Der junge David, der seines Vaters Herden weidete, brachte seinen im Felde lagernden Brüdern Brot aus gerösteter Gerste (kali), und auch dem vor Absalon fliehenden David, wird außer Weizen, Gerste, Mehl, Saubohnen und Linsen, geröstete Gerste (kali), gebracht, und auch von den Linsen wird ausdrücklich gesagt, daß sie geröstet gewesen seien.

Auch bei den Griechen der homerischen Zeit spielte die geröstete Gerste, von ihnen álphiton genannt, eine wichtige Rolle und wurde, wie in der Odyssee geschildert wird, in ledernen Schläuchen (meist aus Ziegenfell) statt des Brotes auf die Reise mitgenommen. Auch Odysseus Sohn Telemachos befiehlt, als er seine weite Reise nach Mykene antreten will, der Dienerin Eurykleia (der „weithin Berühmten“) 20 Maß alphiton, d. h. von den Hüllen befreite und grob gemahlene, geröstete Gerste in wohlgenähte Lederschläuche zu tun, um sie zur Wegzehrung für sich und seine Begleiter mitnehmen zu können. Stets wird in der Odyssee beim feierlichen Opfer geröstete Gerste auf das zu schlachtende Rind oder sonstiges Opfertier als Opfer an die Gottheit gestreut, und als die Gefährten des Odysseus auf den Rat des Eurylochos frevelhafterweise einige dem Sonnengotte gehörige Rinder schlachten und den Göttern als Opfer darbringen wollten und es ihnen dazu an „weißer Gerste“ gebrach, so bestreuten sie dieselben wenigstens mit Eichenblättern. Als Nestor einen Ochsen schlachten wollte, brachte Aretos in einem Becken Weihwasser herbei und hielt in der anderen Hand ein Körbchen mit gerösteter Gerste. Da nahte auch Thrasymedes mit einer scharfen Axt in den Händen, um den Ochsen niederzuschlagen, und so begann der alte Nestor die feierliche Handlung, indem er seine Hände wusch und geröstete Gerste auf das Tier streute.

Noch in viel späterer Zeit bildete geröstete Gerste auch bei den Griechen eine wichtige Nahrung des Menschen. So bestand noch in der klassischen Zeit in Athen eine vom berühmten Gesetzgeber der Athener, Solon (639–559 v. Chr.), einem der sieben Weisen, erlassene Verordnung, wonach jede junge Frau bei ihrer Verheiratung ein phrýgetron genanntes Gefäß zum Rösten der Gerste in den jungen Hausstand mitzubringen hatte. Und als die Griechen sich nach und nach von dieser altertümlichen Nahrung emanzipierten, durfte geröstete Gerste wenigstens bei keinem Opfer fehlen. In den Traditionen des uralten Kultes der Demeter (soviel als Gē-mḗtēr, d. h. „Mutter Erde“ als Hervorbringerin der Brotfrucht) auf Kreta wie in Eleusis bei Athen galt die Gerste als das „älteste Korn“ und „geröstete Gerste“ als die einst von den Ahnen gegessene wichtigste Speise aus dem Pflanzenreiche als die unerläßliche Grundlage im Opferritual. Dabei wurde die meist schwach geröstete Gerste, zwischen den Mahlsteinen enthülst und grob zerkleinert, mit Wasser angerührt und allein oder mit Zutat von Leinsamen oder Olivenöl gegessen.

Noch der 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch, der Pompeji und Herculaneum verschüttete, als Befehlshaber der beim Kap Misenum, bei der gleichnamigen Stadt stationierten Flotte umgekommene ältere Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Schrot (grobes Mehl) von gerösteter Gerste (polenta) ziehen die Griechen dem aus anderem Getreide hergestellten Schrote vor. Sie übergießen die Gerste mit Wasser, trocknen sie eine Nacht hindurch, rösten sie am folgenden Tage und schroten (frangere, d. h. brechen) sie auf der Mühle. Manche rösten die Gerste stärker, besprengen sie dann nochmals mit Wasser und trocknen sie wieder, bevor sie dieselbe auf die Mühle bringen. Zu 20 Pfund Gerste werden 3 Pfund Leinsamen, ½ Pfund Koriander und ein acetabulum (ein kleines, auf dem Ständer mit Essig und Öl stehendes Salzschälchen) voll Salz genommen. Das alles wird geröstet und in der Mühle mit der Gerste vermengt. — In Italien wird die Gerste nicht angefeuchtet, nur geröstet und dann zu feinem Mehl (farina, im französischen farine noch erhalten) gemahlen (molere); man gibt ihr dieselben Zusätze und fügt noch Rispenhirse (milium) bei. Die Alten aßen Gerstenbrot; jetzt dient es fast nur noch zu Viehfutter; dagegen wird eine Gerstenabkochung (tisana) für stärkend und heilsam gehalten. Der berühmte Arzt Hippokrates (460 v. Chr. auf der Insel Kos geboren, bereiste Griechenland, Kleinasien, Skythien, starb 364 in Larissa in Thessalien, führte die Geheimnisse der Ärzteschule der Asklepiaden ins Leben ein, begründete die Lehre von den Krisen und die Diätetik) hat dieser Gerstenabkochung ein eigenes Buch (Schriftrolle) gewidmet.“

Tafel 5.

Moderner Dampfpflug von J. Kemna in Breslau, der eine Leistung von bis zu 100 Morgen im Tag erzielt.


GRÖSSERES BILD

Tafel 6.

Siebenschariger Dampfpflug von J. Kemna in Breslau, der eine Arbeitsbreite von 2,5 m besitzt und mit einer Geschwindigkeit von ca. 2,5 m in der Sekunde gezogen wird.


GRÖSSERES BILD

Wie bei den Griechen und Römern war ihrem ganzen Stamme, den ältesten Indogermanen, die Gerste das „Korn“ schlechthin, dessen einzelne Körner bei ihnen das kleinste Gewicht und Längenmaß bildeten. Wäre der Weizen damals deren Hauptkornart gewesen, so wäre das Weizenkorn und nicht das Gerstenkorn zu einem solchen Zwecke herangezogen worden. Nur bei einem Zweige derselben, bei den Römern, wurde die Gerste sehr frühzeitig aus ihrer Rolle als Hauptnahrungsmittel durch den von ihnen far genannten Spelt verdrängt, und so diente bei ihnen tatsächlich das Speltkorn als Maßeinheit. Doch wurde bei ihnen neben dem Spelt auch noch in späterer Zeit die zweizeilige Gerste als Sommerfrucht, die sechszeilige Gerste dagegen als Winterkorn gebaut. Die zweizeilige Gerste preist schon der römische Ackerbauschriftsteller Columella im ersten christlichen Jahrhundert wegen ihres Gewichts und der Weiße ihres Mehls. Heute ist sie in einer großkörnigen Sorte die am meisten kultivierte Sommergerste Mitteleuropas und Englands. In den gebirgigen Gegenden Oberbayerns und der Schweiz geht sie mit dem Roggen bis zur obersten Grenze des Getreidebaus.

Irgendwo in Vorderasien ist die wild wachsende Gerste nicht nur zur Kulturpflanze mit festerer Spindel, sondern auch mit größeren, mehlreicheren Körnern und so allmählich ausgiebigerem Ertrage gezüchtet worden und drang mit der Zeit von ihrer ältesten Anbaustätte, wo wir sie jedenfalls schon vor mehr als 10000 Jahren als angepflanzt annehmen dürfen, wie zu den Neolithikern der Mittelmeerländer, so auch östlich nach China, wo sie uns auch schon sehr frühe, nämlich zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahrtausends, entgegentritt.

Die Gerste erfordert für einen erfolgreichen Anbau einen ziemlich guten Boden; hingegen macht sie in bezug auf die Sommerwärme nur geringe Ansprüche und durchläuft ihren Entwicklungsgang von der Keimung bis zur Kornreife in verhältnismäßig kurzer Zeit. Eine mittlere Sommertemperatur von 8°C. genügt schon, um sie zur Reife zu bringen. So geht ihr Anbau wie derjenige des Roggens bis zum Nordkap und in den Alpen bis gegen 2000 m über Meer. Sie gedeiht noch im nördlichen Schottland, auf den Orkney- und Faröerinseln, am Weißen Meer wie in Nordamerika und Australien. In Nordeuropa mit Einschluß des nördlichen Deutschlands, wo nach den neuesten Forschungen die Urheimat der Indogermanen gelegen haben muß, ist sie von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart die Hauptbrotfrucht geblieben, so daß sie dort noch heute als „Korn“ schlechthin bezeichnet wird.

In diesen nördlichen Ländern mit kurzem Sommer wird hauptsächlich die vierzeilige Gerste als Sommerfrucht angebaut, da sie ihre Vegetationszeit auf 90 Tage einzuschränken vermag. In Mitteleuropa und der Schweiz dagegen wird die ertragreichere zweizeilige Gerste jener in der Regel vorgezogen. Doch steht die produzierte Gerstenmenge fast in allen Ländern hinter der Weizenmenge zurück; deshalb wird nur in den nordischen Gebieten: Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland aus klimatischen Gründen mehr Gerste als Weizen gebaut. Auf den britischen Inseln ist der Ertrag der beiden Getreidearten annähernd gleich. Die Hauptmasse der Gerstenproduktion kommt aus Rußland, an zweiter Stelle müssen Deutschland und Österreich-Ungarn genannt werden, die ungefähr gleiche Mengen davon hervorbringen. Von außereuropäischen Ländern kommen als Gerstenproduzenten namentlich Nordamerika, Algerien und Ägypten in Betracht. Auch in Chile und Australien wird ziemlich viel Gerste gebaut. In wärmeren Gegenden, namentlich in Japan, pflanzt man eine nackte Gerste, deren Früchte nicht von den Spelzen umschlossen werden. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der dort als Würze zum Reis genossenen Shojusauce; zu dem Zwecke wird sie mit zerquetschten Sojabohnen vermengt und die Masse, wie wir später kennen lernen werden, durch Hinzufügen eines bestimmten Pilzes gären gelassen.

Obschon das Mehl der Gerste zum Brotbacken weniger geeignet ist als Weizen- und Roggenmehl, wird in den nördlichen Ländern wie Schottland, Dänemark und Skandinavien dennoch das Brot meist daraus bereitet. Bei uns in Mitteleuropa kommt der Gerste die größte Wichtigkeit für die Malzgewinnung zur Bierbrauerei, sowie zur Herstellung von Malzzucker und Malzextrakt zu. Man läßt zu diesem Zwecke die Früchte durch Befeuchten mit Wasser keimen, bis sie etwa ein 5 mm langes Würzelchen getrieben haben, wobei sich die Masse durch den dabei entwickelten Lebensprozeß stark erwärmt. Ist durch die Mitwirkung eines in den Samenkörnern enthaltenen, als Diastase bezeichneten Fermentes bei der Keimung ein großer Teil der unlöslichen Stärke in löslichen Zucker umgewandelt, so wird die Keimung durch starkes Erhitzen (Dörren) unterbrochen, das Malz zur Extraktion des Zuckers gekocht und diese Lösung zur Bierbereitung weiterhin in alkoholische Gärung gebracht. Ein Zusatz von Hopfen gibt dann der Flüssigkeit den bittern Geschmack. Außerdem wird die Gerste durch Abschälen zu Grütze, Grieß und Graupen verarbeitet. Ferner dient sie als beliebtes Futtermittel für das Federvieh, und geschrotet als Kraft- oder Mastfutter für größere Haustiere. In Südeuropa werden auch die Pferde mit Gerste gefüttert.

So alt der Anbau von Weizen und Gerste in Asien und Europa ist, so jungen Datums ist hier die Kultur von Roggen und Hafer. Diese beiden Getreidearten haben weder die alten Babylonier, Ägypter, Inder und Chinesen, noch die homerischen Griechen gekannt. Selbst die Griechen der klassischen Zeit und die Römer haben deren Anbau als Feldfrucht noch nicht geübt. Diese beiden Nährfrüchte, die in der Gegenwart bei uns eine so große Bedeutung erlangt haben, sind, wie auch die Bluthirse im Süden Osteuropas, von den Slawen zuerst als Feldfrucht angepflanzt und veredelt worden, und zwar zu einer Zeit, als sich bereits die griechischen und römischen Stämme von der arischen Gesamtfamilie, zu der auch die Slawen gehörten, getrennt und im Süden Europas gesonderte Wohnstätten bezogen hatten. Nur die germanischen Stämme, welche länger wie jene mit den Slawen in Berührung blieben, nahmen von diesen frühzeitig den Bau der beiden neuen Getreidearten an.

Unter den angestammten Getreidearten der Alten Welt ist der Roggen (Secale cereale) mit dem Hafer entschieden der jüngste. Er kann in Mitteleuropa erst in der Übergangsperiode von der Bronze- zur Eisenzeit nachgewiesen werden. Den Pfahlbauten der Schweiz fehlte er noch gänzlich, während er hier zur Römerzeit angebaut wurde, wie mehrfache Funde und Angaben der Schriftsteller beweisen. In Dänemark tritt er in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten auf; doch findet er sich am allerhäufigsten in den frühmittelalterlichen slawischen Niederlassungen. Die Slawen brachten ihn den finnischen und germanischen Stämmen, bei denen er, die ältere Gerste überholend, vielfach das Hauptbrotgetreide, das „Korn“ schlechthin, wurde.

Die Heimat des Roggens ist in der sarmatischen Ebene in Südrußland zu suchen, von wo aus sein Anbau nach Norden zu den eben genannten Volksstämmen, sowie westwärts nach Thrakien gelangte. Zuerst erwähnt ihn der ältere Plinius (23 n. Chr. in Como geboren und 79 als Befehlshaber der Flotte bei Misenum beim Vesuvausbruch umgekommen) als die Hauptbrotfrucht der keltischen Bevölkerung der Poebene; doch hat dem vornehmen Römer das kräftige, daraus bereitete Brot, das „Schwarzbrot“, so wenig als den verweichlichten Kulturnationen unserer Zeit behagt. Er schreibt in seiner Naturgeschichte: „Der Roggen (secale), den die Tauriner am Fuße der Alpen asia nennen, ist das geringste Getreide, kann nur zur Stillung des Hungers dienen, gibt übrigens viele Körner, hat einen dünnen Halm und liefert ein dunkles, schweres Mehl. Um diesen Geschmack zu verbessern, mischt man ihm Spelt bei; aber dennoch ist er dem Magen im höchsten Grade zuwider. Er wächst in jedem Boden, trägt etwa hundertfältig und schont den Boden“ — was übrigens durchaus nicht der Fall ist. Auch der griechische Arzt Galenos (131–200 n. Chr.), der uns das zweite bekannte Zeugnis über den Roggen überliefert hat, kann sich mit ihm durchaus nicht befreunden. Er sagt über ihn in seiner Schrift von den Eigenschaften der Speisen: „Auf vielen Äckern Thrakiens und Makedoniens habe ich eine Getreideart gesehen, die der Granne und dem ganzen Äußeren nach unserer asiatischen típhē (wahrscheinlich Einkorn) ähnlich war. Ich fragte die Leute nach dem Namen, und sie antworteten, die ganze Pflanze wie auch der bloße Samen heiße bríza. Das daraus bereitete Brot riecht unangenehm und ist schwarz.“ So wenig nun auch das Roggenbrot bei den Gebildeten jener Zeit Anklang fand, so scheint sich doch die Roggenkultur damals südwärts ausgedehnt zu haben; denn in einem diokletianischen Erlaß aus dem Beginne des 4. Jahrhunderts wird der Roggen unter den Getreidepflanzen an dritter Stelle gleich hinter Weizen und Gerste genannt.

In Oberitalien und den Alpengegenden wird er heute noch ziemlich viel gepflanzt; doch ist sein Hauptverbreitungsgebiet Deutschland und Westrußland, wo er das „Korn“ schlechthin genannt wird. In diesen Ländern ist das schwarze Roggenbrot ein Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung. Ist es auch etwas weniger nahrhaft als das aus Weizenmehl hergestellte Weißbrot, so ist es dafür schmackhafter und hält sich viel länger weich und genießbar als letzteres, das leicht austrocknet und dadurch seinen Wohlgeschmack verliert. Enthält der Weizen 64 Prozent Stärkemehl und gegen 13 Prozent Eiweißstoffe, so enthält das Roggenkorn nur 60 Prozent Stärkemehl und 11 Prozent Eiweiß. Außer zum Brotbacken wird der Roggen noch zum Branntweinbrennen verwendet. Die Kleie, welche beim Mahlen des Roggenkorns als Abfall zurückbleibt, dient, wie auch das ganze geschrotene Korn, als Viehfutter; außerdem wird der Roggen als voluminöse Halmfrucht oft vor seiner Reife als Grünfutter geschnitten und an das Vieh verfüttert. Das Stroh findet als Häcksel und zur Einstreu für das Vieh, beim Dachdecken und in der Papierfabrikation, ebenso zur Herstellung von Strohmatten, Flaschenmuffen und ähnlichen Gebrauchsgegenständen Verwendung.

Der Roggen stellt weit geringere Ansprüche an die Güte des Ackerbodens und ist auch mit einer geringeren Sommerwärme zufrieden als der Weizen. In Skandinavien gedeiht der Roggen selbst noch am Nordkap, und in den Alpen steigt er so hoch hinauf als die höchsten Felder reichen. So findet er sich bei Findelen im Kanton Wallis noch bei 2075 m und bei Lü im Münstertal bei 1900 m Höhe neben der Gerste angebaut. Er wird sowohl einjährig als Sommerroggen, als auch zweijährig als Winterroggen angebaut, indem man die Saat frühzeitig im Herbst anpflanzt und den Keimlingen dadurch Zeit zu reichlicher Bestockung gewährt. Die Roggenähre ist in ihrer Zusammensetzung derjenigen des Weizens sehr ähnlich, doch hüllen die beiden viel kleineren Hüllspelzen nicht wie dort das ganze Ährchen ein. In jedem Ährchen entwickeln sich nur zwei Blüten, so daß die reifen Körner in der Ähre in vier Längsreihen angeordnet sind.

Als einziger Rispenträger unter unseren Getreidegräsern kann der Hafer (Avena sativa) nicht leicht mit einer anderen Getreideart verwechselt werden. Er stammt höchst wahrscheinlich vom Flughafer (Avena fatua) ab, den noch die Römer nur als unbrauchbares Feldunkraut kannten. Als Kulturform unterscheidet er sich von der wilden Stammform hauptsächlich dadurch, daß, abgesehen von den größeren Körnern, die Spindel der Ährchen nicht mehr so brüchig ist und die Früchte deshalb nicht so leicht abfallen. Diese Veredelung wurde gleichfalls durch zielbewußte Kulturauslese erreicht, und zwar vermutlich in Südostrußland, in der kaspisch-kaukasischen Ebene oder in dem daran angrenzenden turkestanischen Tiefland. Von hier drang er schon in vorgeschichtlicher Zeit westwärts, wo wir ihn nördlich der Alpen in den schweizerischen Pfahlbauten und in etwa gleichzeitigen Landansiedelungen Deutschlands schon zur Bronzezeit antreffen. Hier lernten ihn später die Römer als menschliches Nahrungsmittel kennen. Sie staunten über das „barbarische Brotkorn“ der Germanen, wie sie es nannten; denn sie sahen in dem Kulturhafer nur den ihnen als lästiges Ackerunkraut bekannten Flughafer, den sie höchstens als Viehfutter und Arzneimittel gelten ließen.

Die Griechen der homerischen Zeit kannten den Hafer noch nicht. Der erste griechische Schriftsteller, der ihn erwähnt, ist der Arzt Dieuches aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr., der sagt, man könne aus dessen Körnern einen Brei kochen, der leichter verdaulich als der gewöhnlich genossene Gerstenbrei sei. Der ausgezeichnete griechische Botaniker Theophrastos (371–286 v. Chr.) kennt ihn nur als ein Ackerunkraut, ebenso der ältere Cato (234–149 v. Chr.), der in seiner Schrift über den Landbau sagt, man müsse den Hafer beim Hacken und Jäten des Getreides als lästiges Unkraut ausreißen. Auch die römischen Dichter Vergil (70–19 v. Chr.) und Ovid (43 vor bis 17 nach Chr.) kennen ihn nur als solches. Ersterer sagt in einer seiner Eklogen, d. h. ausgewählten Gedichte: „Meine Felder liegen öde; da, wo ich Gerste gesät, wächst der unglückselige Taumellolch (lolium) und unfruchtbarer Hafer (sterilis avena)!“ Und in seiner Georgika, einem Gedicht über den Landbau, klagt er: „Gar mancher sät zu früh, seine Saat verdirbt und sein Feld trägt dann nichts als unnützen Hafer (vana avena).“

Bild 6. Flugbrand des Getreides (Ustilago segetum).
a Vom Flugbrand befallener Hafer.
Der Parasit dringt in die junge Haferpflanze ein und entwickelt sich in derselben unsichtbar weiter, bis bei der Blütenbildung das mitgewandelte Pilzmyzel in die jungen Fruchtknoten eindringt und dort, reichlich ernährt, das ganze Korn zerstört, indem es ihn in einen Haufen winzigster Brandsporen umwandelt.
b In Wasser keimende Brandspore bei 800facher Vergrößerung.

Erst der römische Ackerbauschriftsteller Columella aus Spanien im 1. Jahrhundert n. Chr. spricht von seiner Verwendung als Viehfutter: „Hafer wird gesät, um grün oder als Heu verfüttert zu werden; man läßt auch welchen stehen, um wieder Samen zu bekommen.“ Sein Zeitgenosse Plinius (23–79 n. Chr.) meint: „Der Hafer (avena) ist ein unter dem Getreide vorkommendes Unkraut und entsteht durch Entarten der Gerste. Die germanischen Völker säen ihn und essen keinen anderen Brei als Haferbrei.“ Der 131 n. Chr. in Pergamon in Kleinasien geborene griechische Arzt Claudios Galenos, der zuerst in seiner Vaterstadt und dann in Rom, wo er um 200 starb, die Heilkunst ausübte, schreibt über den brómos, was man bisher mit Hafer übersetzte, da Plinius an einer Stelle die eßbaren Samen einer Getreideart so bezeichnet, das aber wahrscheinlicher eine Wickenart bedeutet, da Galenos ihn ausdrücklich als Hülsenfrucht bezeichnet: „Der brómos wird in großer Menge in Asien angebaut, besonders in Mysien, das über Pergamon liegt. Er dient als Futter für das Zugvieh; von Menschen wird nur zur Zeit von Hungersnot daraus gebackenes Brot gegessen. Außer einer Hungersnot wird er nur selten, und dann in Wasser gekocht und mit süßem Wein oder eingekochtem Most oder Honigwasser gegessen. Er gibt nicht gar viel Nahrung und das aus ihm bereitete Brot schmeckt nicht angenehm, bekommt aber gut.“ Wenn wir nun auch diese Notiz nicht für den Hafer verwenden können, so ist uns doch aus späterer Zeit der Anbau von Hafer als Viehfutter wenigstens im oströmischen Reiche verbürgt. Als solcher erscheint er zwar noch nicht als Getreide für den Menschen, wohl aber unter den Futterkräutern fürs Vieh im bereits erwähnten Erlaß des Kaisers Diokletian (239–313) und der Kirchenvater Hieronymus (340–420) sagt an einer Stelle, der Hafer werde wie die Wicke von den weidenden Tieren gefressen. So dient er auch heute noch in Norditalien wie in Griechenland nur als Grünfutter, während als Pferdefutter allgemein Gerste benutzt wird.

Das eigentliche Kulturgebiet des Hafers als Getreidefrucht des Menschen ist das Europa nördlich der Alpen, so weit es nicht zu kalt für ihn wird. Bezüglich seiner Ansprüche an die Beschaffenheit des Ackerbodens ist er genügsamer als alle übrigen Getreidearten. Er kann ebensogut auf geringem Sandboden, als auf schwerem Tonboden oder auf Moorboden angebaut werden. Trotzdem ist seine geographische Verbreitung nicht so groß als diejenige von Weizen und Gerste, weil sein Anbau ein wärmeres Klima erfordert und er sich langsamer als jene entwickelt. Im Norden erreicht seine Kultur den 70. Breitengrad nicht und in den Alpen steigt er nicht über 1670 m Meereshöhe. Man baut ihn als Sommergetreide mit früher Aussaat. Er leidet wie die übrigen Getreidearten vornehmlich durch den Flugbrand, der in nassen Jahren große Verheerungen anrichtet.

Den meisten Hafer produzieren die Vereinigten Staaten von Nordamerika, dann folgen Rußland und Deutschland mit Mengen, welche die Weizenproduktion der betreffenden Länder noch weit übersteigen. Auch Frankreich und Österreich liefern beträchtliche Mengen. Im Verhältnis zur Größe des bebauten Landes ist die Haferproduktion in den nordischen Ländern: Schweden, Norwegen, Dänemark, Schottland und Kanada besonders groß; in Schweden liefert z. B. der Hafer mehr als die Hälfte alles überhaupt gewonnenen Getreides. Dort und in Norwegen wird aus ihm ein trockenes, jahrelang haltbares Fladengebäck, das Fladbrot — eine Art Zwieback — verfertigt, das als Volksnahrung eine große Rolle spielt. Auch in Schottland bäckt man aus dem Hafermehl harte, ungesäuerte Kuchen. Das nationale Frühstücksessen der Schotten, Iren und vieler Engländer aber ist die mit Milch gekochte Hafergrütze, der porridge, der vor dem Aufkommen des Kaffees auch bei uns in Süddeutschland und der Schweiz als „Habermus“ als solches figurierte und neuerdings sich glücklicherweise immer mehr als äußerst rationelles erstes tägliches Essen einbürgert. Sonst wird der Hafer zu Schleimsuppen, Grütze, Grieß und Brei verwandt, besonders aber an Pferde verfüttert. Haferstroh dient wie dasjenige der übrigen Getreidearten in der Landwirtschaft als Streu und wird zu Häcksel verschnitten.

Weiter sind die Hirsearten wichtige Getreidegräser. Diese ein- bis zweiblütigen Rispengräser sind leicht daran zu erkennen, daß die Deck- und Vorspelze hart und häufig glänzend sind. Eine der größten der gegen 500 bekannten Arten ist die Rispenhirse (Panicum miliaceum), deren Stammform bisher unbekannt ist. Jedenfalls ist sie irgendwo in Zentralasien zur Kulturpflanze erhoben worden und hat von da schon sehr frühe ihren Eroberungszug über die ganze Alte Welt angetreten. So gelangte sie schon in der neolithischen Zeit nach Mitteleuropa und wurde hier von den Stämmen der jüngeren Steinzeit neben Gerste und Weizen angepflanzt. In den neolithischen Pfahlbauten der Schweiz finden wir die Hirsekörner so verquetscht und zu brotähnlichen Massen verknetet, daß eine Bestimmung der Art nach den Körnern unmöglich ist. Auch aus den antiken Schriftstellern werden wir nicht klug, welche Hirseart von den von ihnen beschriebenen fremden Völkern verzehrt wurde. Im ganzen scheint die Rispenhirse darunter verstanden worden zu sein: doch ist daneben damals schon in Mitteleuropa eine zweite Art nachweisbar. Es ist dies die Kolbenhirse (Panicum italicum), deren Stammform als Panicum viride, ein durch die gemäßigte Zone der alten Welt verbreitetes Unkraut bildet. Sie unterscheidet sich von der kultivierten Form nur durch geringere Größe und das spontane Abfallen der Fruchtähren bei der Reife. Auch diese Wildhirse scheint in Innerasien zuerst als Getreide in die Pflege des Menschen genommen worden zu sein und hat sich früh nach allen Richtungen verbreitet. Schon ums Jahr 2800 v. Chr. treffen wir sie neben Weizen, Gerste, Reis und Sojabohne in China angebaut. Noch früher muß sie in Nordindien kultiviert worden sein, wo sie die Arier bei ihrer Einwanderung als die gewöhnliche Brotfrucht der Eingeborenen überall angebaut fanden. Doch verschmähten sie selbst zunächst dieses Korn, das ihnen minderwertig erschien. Wie im Sanskrit treffen wir eine Bezeichnung für sie im Altägyptischen, doch ist ihre Kultur weder im Niltal, noch in Mesopotamien zu größerer Bedeutung gelangt, da hier offenbar schon ältere Getreidearten so gut eingebürgert waren, daß sie sie nicht aus ihrer herrschenden Stellung zu verdrängen vermochte. Dagegen war sie von jeher bei den Negern in Afrika das Hauptgetreide. Wie der spätere Plinius, sagt der um 25 n. Chr. verstorbene weitgereiste griechische Geograph Strabon aus Amasia im Pontusgebiet: „In Äthiopien leben die Leute (Neger) von Rispenhirse (kénchros) und von Gerste (krithḗ) und machen aus beiden ihren Trank.“ Auch bei den Steppenvölkern Südrußlands war die Hirse die wichtigste Nährfrucht. So sagt derselbe Autor: „Das Tal des ins Schwarze Meer fließenden Thermodon ist feucht, mit frischem Grün bedeckt, ernährt Herden von Rindern und Pferden und die meisten Felder sind mit Kolbenhirse (élymos) und Rispenhirse (kénchros) bestellt. Noch nie haben die Leute in diesem Tale Hungersnot erlebt.“ Auch im Hochlande von Armenien fanden die Griechen im Jahre 400 v. Chr. auf ihrem Rückzuge nach der unglücklichen Schlacht von Kunaxa laut dem Berichte ihres Führers Xenophon, der ihn in seiner Anabasis beschrieb, die Kolbenhirse (élymos) als Hauptgetreide angepflanzt.

Bild 7. Rispenhirse (Panicum miliaceum). (Nach Hegi.)

Die ältesten Griechen bauten die Hirse nicht an. Nirgends wird sie in den homerischen Epen erwähnt. Von den griechischen Schriftstellern nennt sie zuerst Hesiod im achten vorchristlichen Jahrhundert, aber an einer wahrscheinlich später eingeschobenen Stelle. Erst den späteren Griechen war sie wohlbekannt, sowohl die Rispenhirse kénchros, als auch die Kolbenhirse élymos oder melínē. Der griechische Pflanzenkundige Theophrast (390–286 v. Chr.) erwähnt beide als Getreide (sítos) und sagt, daß man sie im Sommer säe. Besonders die Spartaner werden uns als Hirseesser bezeichnet; auch in Athen war der Hirsebrei ein gewöhnliches Gericht. Doch urteilt der aus Anazarbos in Kilikien gebürtige griechische Arzt Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in seiner Arzneimittellehre: „Die Rispenhirse (kénchros) hat, wenn sie in Brot verwandelt wird, weniger Nährkraft als anderes Getreide. Als Brei wird sie arzneilich gebraucht, auch legt man sie geröstet in Säckchen auf schmerzende Stellen. — Die Kolbenhirse (élymos) heißt auch melínē; sie ist ein der Rispenhirse ähnliches Getreide, wird ebenso zu Speise und Arznei gebraucht, hat aber weniger Nährkraft als jene.“

Eine etwas größere Rolle als in Griechenland, wo sie im ganzen nur geringe Bedeutung erlangte, spielte die Hirse bei den Volksstämmen Italiens. Auch bei ihnen wurden beide Arten gepflanzt, die Rispenhirse als milium und die Kolbenhirse als panicum. Letzterer Name hängt mit panis = Brot zusammen und beweist, daß das Mehl der Kolbenhirse, wie schon bei den neolithischen Pfahlbauern, vorzugsweise zu fladenartigem, nicht getriebenem Brot verbacken wurde, während man aus dem gemahlenen Korn der Rispenhirse mit Vorliebe einen in der Regel nur mit Wasser, ausnahmsweise mit Milch gekochten Brei herstellte. In seiner Naturgeschichte sagt Plinius: „Die Rispenhirse (milium) gedeiht vorzüglich in Kampanien, man kocht dort aus ihr einen weißen Brei (puls) und bäckt aus ihr ein recht süßes Brot. Die sarmatischen Völker (Nomadenvölker im Norden des Schwarzen Meeres, ein Teil der Skythen) leben vorzugsweise von solchem Hirsebrei, mischen auch rohes Mehl mit Pferdemilch oder mit Blut aus den Schenkeladern des Pferdes und essen es so. Die Neger kennen keine andere Feldfrucht als Rispenhirse und Gerste. — Die Kolbenhirse (panicum) ist in ganz Gallien gebräuchlich; in Italien pflanzt man sie in der Landschaft, die der Po durchfließt, und mischt (gemahlene) Saubohnen hinzu, ohne welche man dort überhaupt nichts zubereitet. Die pontischen Völker (besonders in Kaukasien und dem nördlichen Kleinasien) ziehen die Kolbenhirse jeder anderen Speise vor.“ Auch die iberischen Volksstämme bauten ihn mit Vorliebe an. So sagt der überaus gelehrte Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) in seiner Schrift über den Landbau: „In den Erdgruben, die man in Spanien zur Aufbewahrung des Getreides anlegt, hält sich die Rispenhirse (milium) mehr als 100 Jahre lang gut.“ Und der aus Spanien stammende Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „Zum Getreide kann man auch die Kolbenhirse (panicum) und die Rispenhirse (milium) rechnen. Sie verlangen einen leichten, lockeren Boden und gedeihen selbst auf magerem Sand, wenn er nur feucht ist und Regen darauf fällt; trockenen und tonigen Boden scheuen sie. Vor dem Frühjahr darf man sie nicht säen, weil sie die Wärme lieben; die beste Zeit der Aussaat ist Ende März. Die Aussaat ist an sich wohlfeil, weil man dem Maß nach nicht viel streut; später macht sich aber ein oftmaliges Behacken und Jäten nötig. Die Ernte geschieht, bevor die Samen ausfallen, indem man die Samenrispen (spicae) mit der Hand abpflückt. Man hängt sie alsdann in die Sonne, trocknet sie, hebt sie dann auf dem Kornboden auf, und so halten sie sich länger als anderes Getreide. Aus der Rispenhirse bereitet man Brot, das sich gut essen läßt, solange es noch warm ist. Die Kolbenhirse wird durch Stampfen (in Holzmörsern) von der Schale befreit und gibt dann, besonders mit Milch gekocht, einen Brei, der nicht übel schmeckt. Die Rispenhirse kann ebenso zu Brei gekocht werden.“

Trotzdem die Hirse bei den Volksstämmen Italiens gebaut wurde, trat sie, gleich der Gerste, vor dem Spelt und später dem Weizen zurück. Nur wenn die letzteren nicht gut gerieten, war man über jene mindergeschätzten, aber ausgiebigeren Getreidearten froh. Speziell in der Poebene und im südlichen Gallien wurden sie noch lange von den dort wohnenden keltischen Stämmen bevorzugt. Als Cäsar die Hafenstadt Massalia (das heutige Marseille) belagerte, ernährten sich die Einwohner mit alter Hirse und verdorbener Gerste, die sie für derartige Zeiten der Not aufgespeichert hatten. In ähnlicher Weise wurden noch zu Anfang des 6. nachchristlichen Jahrhunderts während einer Hungersnot zu Pavia und Tortona große Mengen von Hirse aus den städtischen Magazinen zu sehr niedrigen Preisen an das Volk abgegeben, ein Beweis dafür, daß der Hirsebau sich im keltischen Oberitalien auch unter römischer und gotischer Herrschaft behauptete.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein war der Hirsebau in Mitteleuropa ziemlich verbreitet, und bei unseren Vorfahren bildete der Hirsebrei neben dem Hafermus die tägliche Morgenkost, die seither durch Kaffee und Brot verdrängt wurde. Nur in Nordchina, Zentralasien und Südrußland bildet diese Körnerfrucht heute noch eine der wichtigsten Getreidearten, die als Brei und Kuchen von jedermann täglich genossen wird. Vom Kaspischen Meer bis zur Donaumündung ist die Hirse sogar die Hauptnährfrucht, und bis vor 50 Jahren war es in Südrußland allgemein geübte Sitte, den Toten außer Brot und Branntwein einen Topf voll Hirsebrei mit ins Grab zu geben.

Tiefer nach Afrika hinein drang der Anbau dieser nordischen Hirsearten niemals vor, da hier verschiedene einheimische Hirsearten bereits große Bedeutung erlangt hatten. Unter ihnen ist vor allem die Negerhirse (Pennisetum spicatum) zu nennen, deren Heimat das tropische Afrika ist. Von hier aus drang sie früh nach Ägypten und teilweise auch Palästina vor, wo sie schon im Alten Testament als duchn genannt wird, eine Bezeichnung, die heute noch bei den Arabern gebräuchlich ist, während die Neger sie gewöhnlich mavele nennen. Sie wird 2 m hoch und bildet walzenförmige Fruchtstände von über 30 cm Länge und bis 4 cm Dicke, in denen die Körner sich dichtgedrängt finden. Das daraus gewonnene feine Mehl wird, mit Wasser angemacht, zu einer wohlschmeckenden Grütze gekocht, die in vielen Gegenden Afrikas die Hauptnahrung der Eingeborenenbevölkerung bildet.

Allerdings ist in diesem Kontinente eine andere Hirseart noch viel beliebter und deshalb verbreiteter. Es ist dies die Mohrenhirse oder das Neger- bzw. Kafferkorn (Andropogon sorghum), von den Arabern durra, von den Negern jedoch meist mtamma genannt. Von ihr gibt es eine Menge Varietäten, die 2–7 m hoch werden, bis 1 m lange und 7–10 cm breite Blätter treiben und schließlich eine mehr oder weniger gedrängte endständige Rispe hervorbringen, an denen die 4–5 mm langen und 3–4 mm breiten Früchte sitzen. Bei der wilden Urform, dem aleppischen Bartgrase (Andropogon halepense), die über die wärmeren Gebiete der ganzen Erde verbreitet ist und in manchen Gegenden an Wasserläufen große Dickichte bildet, fallen die die Ährenpaare tragenden Ästchen des Blütenstandes nach der Fruchtreife ab, während sie bei den Kulturformen stets erhalten bleiben. Auch werden die Früchte der wilden Form ganz und gar von den Hüllspelzen umhüllt, während dies nur bei einer einzigen, noch wenig durch Kulturauslese veränderten Kulturform der Fall ist. Die zahlreichen Kulturvarietäten unterscheiden sich nun durch Gestalt, Größe und Farbe der Hüllspelzen, die von Schneeweiß zu Gelb, Rot, Braun und Schwarz wechseln, wie auch durch die Gestaltung der Rispe, die bald weitschweifig und flatterig wie bei der Stammform ist, bald mehr oder weniger gedrängte, elliptische bis kugelige Kolben bildet.

Bild 8. Die Mohrenhirse (Andropogon sorghum). Nach Hegi.

Die Mohrenhirse nimmt mit trockenem, magerem Boden vorlieb und eignet sich deshalb besser als irgend eine andere Pflanze zum Anbau in solchen tropischen und halbtropischen Gegenden, wo auf eine kürzere Regenzeit eine langanhaltende Trockenzeit folgt. Deshalb bildet sie nicht nur in Afrika, wo sie heimisch ist und zuerst in Kultur genommen worden zu sein scheint, sondern auch in Indien und China die Hauptbrotfrucht, die in zahlreichen Spielarten gezogen wird. Aus ihrer Heimat Afrika gelangte sie schon zur Zeit der ältesten Dynastien um die Mitte des 4. vorchristlichen Jahrtausends nach Ägypten, wo sie neben den älteren hier eingeführten Getreidearten als boti ziemlich häufig gepflanzt wurde; wenigstens wird ihre Frucht ziemlich häufig unter den Grabbeigaben gefunden, auch ist sie mehrfach deutlich erkennbar an den Wänden der Grabkammern abgebildet worden. So findet sich auf einem Wandgemälde im Grabe des Amenembe eine Ernteszene der Mohrenhirse dargestellt. Die mannshohen, unten hellgrün und oben gelb mit rotem, kolbenförmigen Fruchtstand gemalten Halme werden dabei aus dem Boden gezogen, in Garben gebunden und nach der Tenne getragen, wo sie vermittelst einer Hechel von ihren Körnern befreit werden.

Später drang die Mohrenhirse auch nach Westasien vor, ohne daß wir allerdings geschichtliche Dokumente dafür besäßen. Noch heute wird sie wie in Oberägypten, so in Palästina und Vorderasien ziemlich häufig angebaut. In der Folge kam sie auch nach Indien, wo sie um die Wende der christlichen Zeitrechnung bereits bekannt war, doch fehlt ein Sanskritname für sie. Nach China soll sie angeblich im 4. Jahrhundert nach Chr. als „Hirse aus dem Lande Shu“ eingeführt worden sein. Heute nährt sich ein großer Teil der ¾ Milliarden Einwohner Indiens und Chinas vorzugsweise von dieser Hirseart statt von Reis, wie man gewöhnlich annimmt.

In ihrer alten Heimat Afrika ist sie, wie schon der Name Mohrenhirse oder Kafferkorn besagt, die weitaus wichtigste Getreidefrucht geblieben, aus welcher nicht nur fladenartiges Brot und Brei, sondern auch ein als merissa bezeichnetes, sehr beliebtes Bier hergestellt wird. Zu dem Zwecke werden die Körner der Mohrenhirse zuerst in Wasser aufgeweicht, sodann vorübergehend in die Erde vergraben, um das Keimen derselben zu bewirken. Ist dies erreicht, so werden sie zu einem groben Mehl zerstampft, in einem irdenen Topf gekocht und die durch Filtration daraus gewonnene klare, zuckerhaltige Flüssigkeit in Kalabassen einer langsamen Gärung unterzogen. Nach 1–2 Tagen ist das leicht berauschende Getränk fertig.

Die ältesten Griechen und Römer haben die Mohrenhirse nicht gekannt. Der erste römische Autor, der uns von ihr berichtet, ist der 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch umgekommene ältere Plinius, der in seiner Naturgeschichte schreibt: „Vor etwa zehn Jahren ist in Italien eine aus Indien stammende Hirseart (milium) eingeführt worden, welche dunkelfarbig und großkörnig ist und einen rohrartigen Halm hat. Sie wird bis sieben Fuß hoch. Ihre Blütenrispe wird Mähne (phoba) genannt; sie gibt von allen Getreidearten den höchsten Ertrag, von einem einzigen Halme 3 Sextarien (= 1,54 Liter).“ Trotz ihres außerordentlichen Ertrages fand sie aber in Italien damals nicht recht Eingang, wahrscheinlich weil das dem Roggen ähnliche, schwärzliche Mehl den verwöhnten Römern nicht behagte. Kein späterer Autor spricht mehr von ihr, so daß wir annehmen müssen, daß sie bald wieder völlig aus Italien verschwand. Erst durch die Araber wurde sie wieder in die Mittelmeerländer eingeführt. So erwähnt sie aus Italien zuerst wieder Petrus de Crescentiis ums Jahr 1300 unter dem Namen milica. Doch diente sie damals vorzugsweise als Viehfutter und nur in Teuerungszeiten wurde das daraus gewonnene Mehl mit anderem gemischt genossen.

Einzig der Umstand, daß diese Getreideart sieben Monate zu ihrer Entwicklung bedarf, hat es bewirkt, daß diese sonst so wertvolle, ertragreiche Körnerfrucht nicht weiter nordwärts in Europa Verbreitung fand. Ihre Nordgrenze findet sie hier in Südtirol, wo sie unter dem Namen Sirch gepflanzt wird. Hier scheint aber diese Getreideart früher allgemeiner angepflanzt worden zu sein, da bis vor kurzem der Grundzins in diesem Korn bezahlt werden mußte. Von hier kommen auch meist die abgeernteten und vermittelst metallener Kämme entkörnten Fruchtrispen, die man bei uns sehr viel zur Anfertigung von Besen und groben Bürsten, die man fälschlicherweise als Reisbesen oder Reisbürsten bezeichnet, benutzt.

In der Neuzeit hat sich die Mohrenhirse weitherum, so weit das Klima warm genug für sie ist, verbreitet. Auch in Nordamerika wurde sie im 19. Jahrhundert vielfach angepflanzt, erwies sich aber empfindlicher gegen nasse Kälte und bedarf einer höheren Sommerwärme zur Reifung ihrer Samen als der dort einheimische Mais. Sie wird wie dieser, nur noch enger gepflanzt, außerdem müssen die betreffenden Felder öfter gejätet werden, da die jungen Pflänzchen der Mohrenhirse sich langsamer als diejenigen des Maises entwickeln, weshalb sie in größerer Gefahr sind, vom Unkraut unterdrückt zu werden. Später treiben sie nach dem Abschneiden ein zweites Mal Halme, wodurch es möglich wird, nach einer Grünfutterernte eine Körnerernte zu gewinnen, vorausgesetzt natürlich, daß die klimatischen Verhältnisse es gestatten.

Eine ebenfalls aus Afrika stammende Abart der Mohrenhirse ist die Zuckerhirse (Andropogon saccharatus), die höher wird als jene und eine weitschweifige Rispe besitzt. Auch sie wird weitherum in Afrika und anderen Tropenländern ihrer Samen wegen angebaut, die indessen nicht so gut schmecken wie diejenigen der Mohrenhirse. Dafür enthalten ihre Stengel ziemlich viel Zucker, der sich daraus gewinnen läßt. In den weniger heißen Ländern, wo sie ihre Früchte nicht mehr reifen läßt, dient sie als nahrhafte Futterpflanze. Auch sie gelangte aus ihrer zentralafrikanischen Heimat frühe nach Ägypten und Vorderasien und von da nach China, wo sie heute noch als Kao-liang, d. h. große Hirse, eine weite Verbreitung besitzt. In letzterem Lande wird sie erst zu Beginn der christlichen Zeitrechnung erwähnt, hat sich aber dadurch die besondere Gunst der Bevölkerung erworben, daß sich aus dem von ihr ausgepreßten Zuckersafte, der dort niemals zur Zuckergewinnung benutzt wird, ein beliebtes alkoholhaltiges Getränk herstellen läßt. Besonders in der Mandschurei ist dieser Kao-liang das gewöhnliche Korn und wird dort in sehr ausgedehntem Maße gepflanzt. In den Berichten aus dem japanisch-russischen Krieg konnte man genug von diesen hohen Kao-liangkulturen lesen, die den Soldaten gute Deckung und willkommene Fourage bot. Zur Gewinnung von Zucker wird dieses Getreidegras neuerdings auch in Nordamerika in größerem Maßstab angepflanzt.

Gleicherweise afrikanischen Ursprungs und hier seit sehr alter Zeit als Getreide angepflanzt ist die Negerhirse (Pennisetum spicatum) — nicht mit der Mohrenhirse zu verwechseln.

Diese 1–2 m hohe Hirseart mit 8–10 cm langer und 2–4 cm dicker, kolbiger Fruchtrispe spielt heute noch in ihrer Heimat als Nährfrucht eine große Rolle und ist bei den Negerstämmen Zentralafrikas ein Hauptgegenstand des Hackbaues. Im letzten vorgeschichtlichen Jahrtausend muß sie auch nach Ägypten und von da später weiter nach Vorderasien gekommen sein; denn zu Beginn des sechsten vorchristlichen Jahrtausends erwähnt sie der jüdische Prophet Hesekiel unter dem Namen dochan als eine Getreideart Babyloniens, aus der man Brot bereite. Dieser Ausdruck hat sich bis heute in der arabischen Bezeichnung duchn für Negerhirse erhalten. Sie wird ebenfalls im Orient, besonders in Südarabien und in Indien angebaut, und aus ihren Samen stellen die Araber ihren Kuskus genannten Fruchtbrei her, der, wenn möglich, mit Hammelfett oder Hammelfleisch gekocht wird und so beliebt ist, wie anderwärts der damit gekochte Reis.

In höheren Gebirgslagen Abessiniens heimisch und daselbst im großen unter dem Namen Tef angebaut, ist eine Art von Liebesgras, Eragrostis abessinica, die nur 0,5 m hoch wird. Die sehr kleinen, kaum hirsekorngroßen, aber sehr zahlreichen Samen liefern der gesamten Bevölkerung Abessiniens das allgemeinste und beliebteste Brot, das gewöhnlich in eine gepfefferte Fleischsauce getaucht oder mit Erbsenbrei, sonst auch nur mit Salz, Pfeffer und Butter gegessen wird. Dieses Getreide wurde nach den zahlreichen auf uns gekommenen Überresten einst im alten Ägypten häufig angebaut, wird aber dort nicht mehr gepflanzt. Heute wird es nur noch in Abessinien bis zu 2200 m über Meer in verschiedenen weißen, grünen und roten Spielarten kultiviert. Die Ernte geschieht schon 3–4 Monate nach der Aussaat, was ein großer Vorzug dieser Brotfrucht ist.

Tafel 7.

Mohrenhirse (Andropogon sorghum) in Deutsch-Ostafrika (nach Karsten & Schenck, „Vegetationsbilder“).

(Nach Photographie von Apotheker Max Dietrich, Rietschen O. L.)

Buchweizenfeld.

Endlich ist noch eine rasenartig wachsende, durchschnittlich 1 m hoch werdende Getreideart zu erwähnen, der Korakan (Eleusine coracana), der in Indien seine Heimat hat, aber heute außer dort besonders auch im tropischen Afrika bei den Negervölkern als uimbi sehr viel zur Gewinnung von Brot und Bier angepflanzt wird. Auch von ihr gibt es eine Menge von Kulturformen, die sich in den verschiedenen Gegenden ihres Kulturgebietes ausbildeten. In Ostafrika wird sie in höheren Lagen, oft mit größerer Sorgfalt als es sonst zu geschehen pflegt, in wohlbewässerten Feldern angebaut.

Tafel 8.

Landschaft auf Sumatra mit als Sawahs bezeichneten Reisfeldern; rechts unten befindet sich ein Wächterhäuschen. Im Hintergrund führt eine aus Bambusrohr errichtete Brücke über den Fluß.


GRÖSSERES BILD

Bild 9. Der Buchweizen (Fagopyrum esculentum).

Außer den bisher betrachteten Grasarten, die bekanntlich alle monokotyl sind, hat auch eine dikotyle Pflanze aus der nächsten Verwandtschaft der Knöteriche, der Buchweizen (Fagopyrum esculentum), ein naher Verwandter von Sauerampfer und Rhabarber, einige Bedeutung als Getreidefrucht erlangt. Mit zwei anderen Polygonumarten, deren Kultur auf Zentralasien beschränkt blieb, hat er seine Heimat in der nördlichen Mongolei und Mandschurei, dann um den Amur- und Baikalsee herum, wo er heute noch wild gefunden wird. Er ist ein einjähriges, bis 60 cm hoch werdendes Kraut, mit gestielten, herzförmigen Blättern, weißen oder rötlichen Blüten und dreikantigen, glänzendbraunen Nüßchen, die den Bucheckern ähnlich sind und deshalb diesem Getreide den Namen Buchweizen verschafften. Er ist höchst anspruchslos in bezug auf den Boden und wächst noch im magersten Sande. Dann hat er entsprechend seiner asiatischen Heimat mit kurzen, warmen Sommern und langen, kalten Wintern eine kurze Vegetationsperiode und empfiehlt sich durch seine schmackhaften Früchte, während die Blüten eine gute Bienenweide liefern.

Als Kornfrucht wird der Buchweizen besonders in Rußland viel angepflanzt und daraus Grütze und Kuchen bereitet. Wer je jenes Land bereist hat, dem werden die besonders zu Festzeiten in gewaltigen Mengen verspeisten blini, d. h. Pfannkuchen aus Buchweizenmehl, aufgefallen sein, die in recht viel Butter dünn wie Papierblätter oder auch dicker gebacken werden. Mit saurer Sahne und ausgelassener Butter vorgesetzt, bilden sie einen Leckerbissen hocheleganter Diners wie der einfachsten Bauernkost. Wer es vermag, leistet sich als Zukost dazu geräucherten Lachs und Kaviar.

Wie in ganz Rußland, so hängt heute noch auch in Norddeutschland der gemeine Mann von alters her an seiner Grütze aus Buchweizen, dessen Körner als Mastfutter denselben Wert wie Gerste und als Pferdefutter einen größeren als Hafer besitzen. Da die Buchweizenkörner mit einer sehr harten Schale umgeben sind, so müssen sie immer zuerst geschrotet werden, bevor sie als Futter dienen. Gemahlen werden sie, meist mit Weizenmehl vermischt, zu Brot verbacken. Auch als Grünfutter wird der Buchweizen angebaut und dient sehr häufig als Gründünger.

Im nördlichen China und in Japan wird er viel angebaut, erst seit kurzem auch in Nordindien und auf Ceylon. Die alten Kulturvölker in Vorderasien und am Mittelmeer kannten ihn nicht. Erst zu Ausgang des Mittelalters kam er nach Europa. Seine früheste Erwähnung findet sich im Zinsregister des mecklenburgischen Dorfes Gadebusch (bekannt durch den Heldentod des Dichters Theodor Körner) vom Jahre 1436, und 1546 gab Hieronymus Bock eine genaue Beschreibung der damals noch nicht allgemein in Deutschland bekannten Pflanze. In Süddeutschland nennt man ihn gewöhnlich Heidekorn, d. h. ein von den Heiden gekommenes Getreide. Ein anderer deutscher Name ist Taterkorn, was so viel bedeutet als Brotfrucht der Tataren. Jedenfalls haben diese den Buchweizen nach Rußland übermittelt und hat Viktor Hehn Unrecht, wenn er das seltsame, aus Nordindien stammende und erst im Jahre 1417 in Mitteleuropa auftauchende Wandervolk der Zigeuner, das ums Jahr 1000 aus seiner ursprünglichen Heimat zunächst nach Persien und Armenien auswanderte, dann längere Zeit in Ländern griechischer Zunge, und zwar wahrscheinlich Kleinasien, umherzog, in diesen Tatern erblickt. Da diese ruhelos umherschweifenden Stämme keinen Ackerbau treiben, so können sie auch unmöglich Verbreiter einer besonderen Kornart gewesen sein, das zudem in ihrer ursprünglichen Heimat ganz unbekannt war.

Während der Buchweizen im Norden über Rußland nach Deutschland kam, scheinen ihn die Franzosen erst durch die Vermittlung der Araber (Sarazenen) erhalten zu haben, da sie ihn als blé sarasin bezeichnen. Die ums Jahr 1225 unter dem Drucke der Mongolen aus Zentralasien nach Vorderasien ausgewanderten Türken werden diese Kornfrucht nach Armenien gebracht haben, von wo aus sie bei der Ausdehnung der Türkenherrschaft nach Kleinasien und in die Länder am östlichen Mittelmeer gelangte. Durch die im späteren Mittelalter als Seeräuber das ganze Mittelmeer unsicher machenden Araber, die gewöhnlich als Sarazenen bezeichnet wurden, scheint der Buchweizen an die Gestade des westlichen Mittelmeers verbreitet worden zu sein; daher rührt wohl die französische Bezeichnung her. Zu Ende des 16. Jahrhunderts bildete er schon ein ziemlich allgemeines Nahrungsmittel der Armen in manchen Gegenden Frankreichs. Im 18. Jahrhundert wurde er durch ganz Europa und seit dem 19. auch in Nordamerika kultiviert. Wie in Norddeutschland und bei den Slawen ist er in manchen Tälern der Ostalpen eine beliebte Brotfrucht, so besonders in Tirol, wo er Plent heißt (aus dem Italienischen polenta) und das aus seinem nahrhaften Mehl hergestellte Gericht Sterz genannt wird.

Kräftiger, dauerhafter und im Ertrag sicherer, wenn auch mit weniger ausgiebigem, dickschaligem und nicht so wohlschmeckendem Korn, das zudem auch leichter bei der Reife ausfällt, ist der aus Sibirien stammende tatarische Buchweizen (Fagopyrum tataricum). Er besitzt wie der gemeine Buchweizen saftige, ästige, meist rotgefärbte Stengel mit herzförmigen, gestielten Blättern, aber in schlaffe Trauben geordnete grünliche Blüten und an den Kanten buchtig gezähnte Nüßchen. Deutsche Botaniker brachten ihn im 18. Jahrhundert aus Sibirien, wo er schon lange kultiviert wird, nach St. Petersburg, von wo aus er über Europa verbreitet wurde. Da er aber ein bitteres und schwärzeres Mehl als der gemeine Buchweizen liefert, wird er meistens nur zu Grünfutter verwendet.

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