III. Die Getreidearten. Reis und Mais.

So wichtig die bisher von uns betrachteten Grasarten als Körnerfrüchte für die Existenz des Menschen waren, so kann doch keine dieser Nährpflanzen es an Bedeutung und weiter Verbreitung mit dem Reis (Oryza sativa) aufnehmen, von dem reichlich die Hälfte aller Menschen, d. h. etwa 750 Millionen, mehr oder weniger lebt. Vor allem sind es die Asiaten, die vorzugsweise oder fast ausschließlich von ihm leben, indem sie seine in kochendem Wasser erweichten Körner fast ohne Zutat, mit fettem Hammelfleisch als Pilau in Vorderasien, oder mit allerlei scharfen Gewürzen und Fisch- oder Hühnerfleisch in Süd- und Ostasien, verzehren. Aus gemahlenem Reis werden in Indien die verschiedensten Speisen, auch Brot, zubereitet. In Ostasien, besonders in Japan, werden die drei täglichen Mahlzeiten nach dem Worte für gekochten Reis als Morgen-, Mittag- und Abendreis bezeichnet. In Japan setzen arme Gebirgsbewohner, die sich mit Buchweizen, Gerste und Weizen begnügen müssen, wenigstens Greisen, Kindern und Kranken Reis als Speise vor. Während in China, Korea und Japan der Reis die hauptsächlichste Körnerfrucht ist, heißt er in Indien und Hinterindien das Getreide schlechtweg.

Im tropischen Australien, durch ganz Südasien bis nach Westafrika kommt in sumpfigen Gebieten, selbst in Gegenden, wo der Mensch ihn nicht anbaut und auch nie angebaut hat, so daß ein Verwildern ausgeschlossen ist, der wilde Reis vor, der sich nur darin vom langbegrannten Kulturreis unterscheidet, daß seine Früchte nach dem Reifen abfallen, eine Eigenschaft, die fast alle wilden Getreidearten im Gegensatz zu den Kulturformen besitzen. Im oberen Niltale, wo er nach Schweinfurth die Gewässer massenhaft bedeckt, werden die von den Eingeborenen hochgeschätzten Früchte des wilden Reises aus dem Wasser geschöpft, um als willkommene Speise zu dienen. Auch sonst überall werden seine abfallenden Früchte von den auf der Stufe der Sammler lebenden Naturvölkern regelmäßig gesammelt und nach leichter Röstung im Feuer, wodurch der mehlige Inhalt der Körner aufquillt und so der Verdauung leichter zugänglich gemacht wird, als beliebte Zukost zur tierischen Nahrung gegessen. Ganz in derselben Weise wird in Nordamerika der in seichten Gewässern, wie am Ufer der Seen und Ströme der Nordweststaaten der Union und im südlichen Kanada wildwachsende Tuscarora- oder Wasserreis (Zizania aquatica), der 2–2,5 m hoch wird und eine beliebte Nahrung für die Fische und Wasservögel bildet, auch von den Indianern gesammelt und verspeist. Doch ist die Pflanze nicht wie der Reis durch Veredlung zur Kulturpflanze erhoben worden, obwohl sie dieselben guten Eigenschaften wie jener aufweist.

Welches Volk den Reis zuerst in seine Pflege nahm und durch zielbewußte Kulturauslese die große Brüchigkeit seiner Ährenspindel beseitigte, so daß die Frucht am Halme geerntet zu werden vermochte, das können wir nicht mehr feststellen. Nur das eine wissen wir, daß diese bedeutsame Kulturtat irgendwo in Südasien geschah, und zwar wahrscheinlich in Hinterindien. In Südchina finden wir dieses Getreide zuerst in größerem Maßstabe angebaut. Schon im Jahre 2800 v. Chr. hat nach dem altchinesischen Werke Schu-King der bereits erwähnte Kaiser Schen-nung die fünf heiligen Erntegewächse, außer Hirse, Weizen, Gerste und Sojabohnen auch den Reis als eines der wichtigsten Nahrungsmittel des Menschen beim Frühjahrsfeste selbst gepflanzt, um durch diese feierliche Handlung dem Volke die Wichtigkeit des Anbaues derselben vor Augen zu führen. Im Jahre 2356 v. Chr. ließ dann der Kaiser Jao am Jang-tse-Kiang ausgedehnte Bewässerungsanlagen zur Erleichterung der Reiskultur anlegen und regelte durch bestimmte Gesetze die Verteilung der Einkünfte von den Reisfeldern. Von China gelangte der Reisbau früh schon nach Korea und Japan, wie er von Hinterindien aus nach Indien gebracht wurde, um von da auch nach den Sundainseln und Philippinen, wie auch nach Ceylon zu wandern. Auf der Insel Java soll der Legende zufolge der Reis bereits im Jahre 1084 v. Chr. angepflanzt worden sein. Aus Indien kam die Reiskultur während der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends nach Persien, von da westwärts in die durch ihren Wasserreichtum zu seinem Anbau sehr geeignete Euphratniederung und erst spät in die Länder am Mittelmeer. Auf dieser Wanderung veränderte sich die indische Sanskritbezeichnung dieser Nährfrucht vrîhi in brizi der iranischen Sprachen, und, aus dem Altpersischen entstellt, erhielten die Griechen ihre Benennung óryza, aus dem sich dann die verschiedenen neusprachlichen Benennungen, auch das deutsche Reis, herausbildeten.

Die alten Babylonier und Ägypter kannten dieses südasiatische Getreide so wenig als die Juden des Alten Testaments. Erst durch die Feldzüge Alexanders des Großen trat es in den Gesichtskreis der Kulturvölker am Mittelmeer, nachdem manche weitgereiste Griechen, wie beispielsweise Herodot, schon vorher unbestimmte Kunde von einer in Indien wachsenden Pflanze erhalten hatten, deren Körner von der Größe eines Hirsekorns in einer Hülse stecken, mit der letzteren gekocht und so gegessen werden. Die erste sichere Nachricht über den Reis verdanken wir Aristobulos, einem Begleiter Alexanders des Großen auf seinen Heerzügen in Asien von 334–324 v. Chr., der im hohen Alter eine Geschichte des ruhmreichen Königs und seiner Feldzüge, verbunden mit einer Naturschilderung der von jenem durchzogenen Länder verfaßte. Seine Schrift ist uns nicht erhalten; aber der zur Zeit Cäsars und Augustus’ lebende griechische Geschichtschreiber Diodoros aus Sizilien, daher Siculus genannt, teilt uns folgenden Passus daraus mit: „Aristobulos sagt, der Reis (óryza) stehe in Indien auf Beeten, die eingedämmt und mit Wasser bedeckt sind. Die Höhe dieser Pflanze betrage vier Ellen; sie trage viele Ähren und viele Körner, reife zur Zeit, da die Plejaden untergehen und werde wie der Spelt durch Stampfen enthülst. Er wachse auch in Baktriana, Babylonien, Susis und im unteren Syrien.“ Also nicht bloß in Indien, sondern auch schon am oberen Oxus und in Vorderasien wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. diese wasserliebende Getreidepflanze kultiviert. Auch des Aristobulos Zeitgenosse Theophrast (390–286), der von Teilnehmern am berühmten Alexanderzuge diesbezügliche Mitteilung erhielt, beschreibt uns die Nährpflanze ganz richtig: „Die Indier bauen den sogenannten Reis (óryzon) in Menge an und kochen daraus Brei (hépsaina). An sich sieht er dem Spelt (zeiá) ähnlich, enthülst aber den Graupen (chóndros). Er ist leicht verdaulich (éupeptos). Die Pflanze sieht dem Taumellolch (aíra) ähnlich, muß lange Zeit hindurch im Wasser stehen, bildet aber keine Ähre, sondern eine Rispe wie die Rispenhirse (kénchros) und die Kolbenhirse (élymos).“ Selbst sein, wie auch vordem Alexanders des Großen Lehrer, Aristoteles, der ein Jahr nach des letzteren unerwarteten Tod in Babylon, nämlich 322 in Chalkis auf Euböa starb, also von dem 327 erfolgten Eindringen seines vormaligen Zöglings in Indien noch Kenntnis erhalten hatte, berichtet in seiner Tiergeschichte von einem aus Reis gewonnenen Wein, indem er sagt: „Wenn die Elefanten von einem eisernen Geschoß verwundet sind, so gibt man ihnen Öl zu trinken; wollen sie dieses nicht, so gibt man ihnen eine abgekochte Mischung von Öl und Reiswein (oínos orýzas, also nach unserem Sprachgebrauch Arrak).“ Später erwähnt solchen auch Strabon. Er sagt nämlich: „Die Indier sind sehr mäßig, trinken nur bei Festen Wein, und dieser ist aus Reis gemacht statt aus Gerste. Ihre Hauptspeise ist Reisbrei.“ Dieser Geschichtschreiber berichtet auch bei der Erzählung der Kämpfe zwischen Eumenes und Seleukos, daß ersterer wegen Getreidemangels seine Truppen in der persischen Hochebene mit Reis, Sesam und Datteln ernährt habe, mit welchen Produkten jene Gegend reich gesegnet sei!

Der ums Jahr 200 n. Chr. in Alexandrien und Rom lebende griechische Grammatiker Athenaios aus Naukratis in Ägypten schreibt in seinen 15 Büchern Deipnosophistai, die wichtige Nachrichten über Leben, Sitte, Kunst und Wissenschaft der alten Griechen enthalten, daß Megasthenes, der unter dem 281 von Ptolemaios Keraunos ermordeten König Seleukos Nikator von Syrien Agent und als solcher in Indien gewesen war, in seinem von Indien handelnden Buche berichtet, daß dort bei Gastmählern einem jeden ein Tischchen vorgesetzt werde. Auf dieses werde eine goldene (tatsächlich wie Gold aussehende Messingschüssel) Schüssel mit gekochtem Reis gestellt und dazu noch allerlei gute Gaben gereicht. Von der dazu damals schon gebräuchlichen scharfen Currysauce berichtet er uns nicht, obschon er wohl selbst an solchem Mahle teilgenommen hat.

Sehr merkwürdig ist, daß, nachdem die Griechen eine solche richtige Vorstellung der Reispflanze gehabt hatten, der gelehrte Römer Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) eine solch falsche Beschreibung derselben, die nach ihm fleischige Blätter haben soll, in seiner Naturgeschichte liefern konnte. Bei den Griechen und Römern war der Reis eine für die bürgerliche Küche durchaus ungebräuchliche Speise, obschon er in späterer Zeit, um die Wende der christlichen Zeitrechnung, infolge der regen Handelsverbindungen mit dem Osten zu recht billigem Preise zu haben war. Rät doch der Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) in einer seiner Satiren einem Geizigen: „Ist dein Magen leer, so fülle ihn noch mit einem Reisbrei (ptisanarium oryzae, d. h. Abkochung von Reis), der nicht teuer ist; für acht As (etwa 32 Pfennig) bekommst du eine Portion, mit der du den Bauch gehörig füllen kannst.“ Selbst bei den nach fremdländischen Erzeugnissen begierigen Reichen fand er keinen rechten Beifall. Er wurde vielmehr von den griechischen Ärzten, die zwar selbst keine sehr hohe Meinung von seiner Verdaulichkeit und seinem Nährwerte hatten, hauptsächlich als Krankenspeise verordnet. So nennt ihn Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. mäßig nahrhaft, und Galenos im 2. Jahrhundert n. Chr. als schwerer verdaulich als Graupen (chóndros), dabei weniger nahrhaft und nicht so wohlschmeckend wie diese.

Wie im Altertum blieb der Reis das ganze Mittelalter hindurch erst recht eine Luxusnahrung der südeuropäischen Bevölkerung, die auch nur spärlich als Leckerei in die Länder nördlich der Alpen gelangte, wo diese Kornfrucht bis in unsere Zeit bei der großen Menge, namentlich bei der ländlichen Bevölkerung, einen nur bei Krankheit oder als Festspeise mit Milch, Mandeln und Zucker verspeisten Luxusartikel bildete. Auch haben weder die Römer, noch die Byzantiner je den Versuch gemacht, die Reispflanze im Abendlande selbst zu kultivieren. Dies taten erst die Araber, die ihn zu Ende des 7. Jahrhunderts, als sie erobernd nach Westen bis an die Gestade des Atlantischen Ozeans vordrangen und den unterjochten Ländern ihre Kultur aufzwangen, aus Syrien nach Ägypten und ganz Nordafrika, und im 8. Jahrhundert auch nach Spanien und Sizilien brachten. Bei ihrem Bestreben, die von ihnen gewonnenen Länder nach dem Abbilde derer, aus denen sie kamen, einzurichten, führten sie überall, wohin sie erobernd gelangten, die Reiskultur als diejenige ihres Lieblingskornes ein. Überall legten sie Kanäle und Rieselfelder zur Anpflanzung dieser Sumpfpflanze an und verhandelten den Überschuß ihrer Ernten an die umwohnenden christlichen Völker.

Tafel 9.

Singhalesen auf Ceylon beim Pflügen eines unter Wasser gesetzten Reisfeldes mit Hilfe von Büffeln.


GRÖSSERES BILD

Tafel 10.

Unter Wasser gesetzte Felder mit angepflanztem Reis auf Sumatra. Links auf einer Erhöhung die aus Palmblättern erbaute Hütte des die Reispflanzungen bei der Fruchtreife hütenden Malaien.

Das Pflanzen der Reissetzlinge in Japan.

Nach der Eroberung der maurischen Königreiche, deren letzten Rest, Granada, Ferdinand V., der Katholische, von Aragon im Jahre der Entdeckung Amerikas, 1492, gewann, gingen die ausgedehnten arabischen Reisfelder in den Besitz des letzteren über. Und da glücklicherweise keine religiösen Bedenken die Fortsetzung der Werke der Ungläubigen verboten, wurde von der christlichen Bevölkerung Spaniens auch der muhammedanische Reisbau übernommen. Und als zu Anfang des 16. Jahrhunderts sich die spanische Macht in Neapel und bald auch in Oberitalien festsetzte, wurde der Anbau des Reises auch dahin verbracht und bald ebenfalls nach Südfrankreich ausgedehnt; um so mehr, als er einträglicher war als die bisher hier gebaute gewöhnliche Körnerfrucht. Bloß das dadurch bedingte Überhandnehmen des Sumpffiebers, der Malaria, ließ in der Folge mehr und mehr eine Einschränkung seines Anbaus durch die Obrigkeit aufkommen. So durften die Reisfelder nicht zu nahe bei den menschlichen Wohnungen sein.

Tafel 11.

Das Entkernen des Reises in Japan.

Das Dreschen zur Enthülsung des Reises in Japan.

Tafel 12.

Singhalesinnen auf Ceylon mit einem zum Enthülsen des Reises dienenden Holzstampfer, mit einer Worfel zum Säubern und einem Tonkrug zum Kochen des enthülsten Reises.


GRÖSSERES BILD

Ziemlich spät erst gelangte die Reiskultur nach Nordamerika. Als erster erhielt im Jahre 1647 der englische Gouverneur des Staates Virginia, Sir William Berkeley, aus seiner Heimat einen halben Bushel, d. h. 18 Liter Reissaat, die 16 Bushel, d. h. 576 Liter guten Reis lieferten; jedoch währte es bis zum Jahre 1694, bis die Reiskultur in Nordamerika als wirklich eingeführt gelten konnte. In diesem Jahre lief ein holländisches Schiff, von Madagaskar kommend, den Hafen von Charleston in Südkarolina an. Bei dieser Gelegenheit machte der Kapitän dem Gouverneur Thomas Smith einen Besuch und schenkte ihm auf dessen Bitte einen kleinen Sack Reissaat, den er zufällig an Bord hatte. Smith wollte versuchen, auf einem sumpfigen Stück Land, das ihm gehörte, den Reis anzupflanzen; und dieser Versuch fiel glänzend aus. Er war der erste Anfang der blühenden Reiskultur in Südkarolina, das heute noch das Renommee besitzt, den besten Reis zu pflanzen. Allerdings stammt heute ein großer Teil dessen, was als Karolinareis im Handel verkauft wird, aus Java. Schon im Jahre 1724 wurden etwa 18000 Faß Reis aus dem Staate Karolina ausgeführt, doch blieben hier auch später Mais und Weizen das wichtigste Nahrungskorn der Bevölkerung, während er in Asien fast das ausschließliche Nahrungsmittel der Reis bauenden Bevölkerung bildet. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam die Reiskultur auch nach Brasilien, wo die Pflanze in der Folge teilweise verwilderte.

Heute wird der Reis in allen Weltteilen gebaut, soweit die sommerliche Hitze wenigstens vier Monate andauert und 29°C. erreicht, wenn auch immer noch Südasien den Löwenanteil an seinem Anbau aufweist und drei Viertel allen im Welthandel vorkommenden Reises von Bengalen und Burma geliefert werden. Das Anbaugebiet, das nur von einigen Ländern genau bekannt ist, kann man für die ganze Erde auf etwa 700000 qkm abschätzen, eine Jahresernte auf 120 Milliarden kg und deren Wert auf 6000 Millionen Mark veranschlagen. Davon erntet Britisch-Ostindien jährlich 25 Milliarden kg, von denen es 1700 Millionen kg jährlich exportiert. Auf Java beträgt die Produktion etwa 3 Milliarden kg; Kochinchina führt etwa 700 Millionen kg und Siam 500 Millionen kg aus. Japan erntet etwa 3 Milliarden kg, die Vereinigten Staaten dagegen nur 64 Millionen kg, wovon 10 Millionen kg als Karolinareis zur Ausfuhr gelangen. In Europa wird in der Poebene etwa 1 Milliarde kg Reis von 200000 Hektaren geerntet, dann kommt Spanien mit 20000 und Portugal mit 4000 Hektaren Reisland. Auch in Griechenland wird etwas Reis gebaut, und sogar im Rhonetal in Frankreich. Doch ist diese Kultur nur von geringer Bedeutung.

Infolge der mehrtausendjährigen Kultur in den verschiedensten Klimaten und Nährböden hat der Reis zahllose Varietäten gebildet, die sich gar nicht überblicken lassen. Im Museum von Kalkutta findet man nicht weniger als 1104 verschiedene Sorten Reis, die in Britisch-Indien kultiviert werden; außerdem figurieren dort noch weitere 300 verschiedene Arten Reis aus anderen Gegenden. Auf Ceylon allein sollen 161 verschiedene Arten Reis angepflanzt werden, und in Hinterindien, China und Japan sollen mehr als 1400 Sorten desselben existieren. Alle diese Arten sind aber nur Kulturvarietäten einer einzigen botanischen Spezies, die von den Gelehrten eben Oryza sativa genannt wird.

Bei der edelsten Sorte desselben bleiben die einzelnen Körner nach dem Dämpfen getrennt und verkleben nicht, im Gegensatz zu dem außer Stärkemehl einen hohen Gehalt an Amylodextrin besitzenden Klebreis, dessen längliche, durch hellrote Farbe ausgezeichneten Körner beim Garwerden zusammenkleben und bald in Brei übergehen. Doch kommt diese letztere Sorte kaum je zu uns und wird dann vorzugsweise zu Backwerk verwendet. Was wir als Reiskleister essen, ist nur der in der Küche durch falsche Zubereitung verdorbene gute, nicht klebende Reis. Um dieses herrliche Nahrungsmittel mit Genuß essen zu können, muß es in der richtigen Weise zubereitet werden, was folgendermaßen geschieht: Nach gründlicher Waschung wird die betreffende Menge Reis mit reichlich Wasser aufs Feuer gesetzt und darin gekocht, bis er gar ist, d. h. man nimmt von Zeit zu Zeit einzelne Körner desselben heraus und sucht sie zwischen den Fingern zu zerdrücken. Sobald dies geschehen kann, wird das Wasser abgegossen, der Reis gut durcheinander gemischt und der betreffende Topf mit dem Deckel geschlossen, um den Inhalt noch durch den heißen Dampf gar werden zu lassen. Solchermaßen zubereiteter Reis wird nie klebrig oder gar kleisterig und ist erst das, was die Reiskenner unter gut zubereitetem Reis bezeichnen, der als Bestandteil der indisch-holländischen Reistafel oder nach indischer Art nur mit Fleisch und Curry versetzt gegessen wird und eine Delikatesse ersten Ranges ist, die einem den Speichel im Mund zusammenfließen macht, wenn man nur daran denkt.

Alle Reisarten, mögen sie von zwergigen oder hochwachsenden Sorten stammen, begrannte und grannenlose Früchte mit kleinen oder großen Körnern tragen, früh oder spät reifen, weiße, gelbe, rote, braune oder schwarze, behaarte oder unbehaarte Früchte mit weichen oder harten Körnern erzeugen, verlangen wenigstens eine periodische Bewässerung, welche die Reiskultur treibenden Gegenden so stark versumpft und in ihnen die Entstehung von Wechselfieber begünstigt, daß diese Körnerfrucht beispielsweise in Italien nur in größerer Entfernung von bewohnten Ortschaften gebaut werden darf.

Schon an den Nährsalzen der Frucht erkennt man, daß der Reis von einer Wasserpflanze stammt, die sich im Gegensatz zu den übrigen Körner- oder gar Knollenfrüchten dem Leben auf dem Lande durchaus noch nicht angepaßt hat. Wie alle Tiere, sind auch alle Pflanzen, die einst in frühester Urzeit dem Meere als dem Ursprung alles Lebens entstiegen und sich, von Luft statt Wasser umgeben und in Licht gebadet, dem Leben am Lande anpaßten, ursprünglich, der salzigen Flut, in der sie einst lebten, entsprechend, sehr kochsalz- und dadurch natronreich. Die Pflanzen haben sich nun als sehr viel früher dem Leben am Lande angepaßte und durch ihre Assimilation überhaupt erst den Tieren die Existenz daselbst ermöglichende Lebewesen sehr viel mehr von ihrer natronreichen Urheimat, dem Meere, emanzipiert und das Natron in ihren Geweben durch das Alkalimetall des Erdbodens, das Kali, ersetzt, und zwar um so weitgehender, je landfester sie wurden. Nun ist der Reis das kaliärmste und dadurch das für die Nieren reizloseste Nahrungsmittel, das wir kennen, das besonders allen Nierenkranken nicht warm genug kann anempfohlen werden. Milch enthält schon 5mal, Mehlspeisen 6mal, Erbsen 12mal, Rindfleisch 19mal, Bohnen 21mal und Kartoffeln gar 26–28mal mehr Kalisalze als der Reis.

Trotz dieses großen Vorzuges spielt aber der Reis leider in unserer Ernährung nicht die Rolle, die ihm gemäß seiner großen Leichtverdaulichkeit und Nahrhaftigkeit zukommen sollte. In letzter Zeit ist zwar darin eine erhebliche Besserung eingetreten; denn noch vor hundert Jahren galt der Reis als Luxusartikel, den man höchstens etwa bei festlichen Anlässen zu einer süßen Platte verwendete. Damals war der jährliche Verbrauch nicht mehr als 100 g pro Kopf der Bevölkerung Deutschlands, während er heute doch wenigstens auf 2,5 kg jährlich für jeden Einwohner dieses Reiches gestiegen ist. Aber das ist wahrhaftig nicht viel, im Vergleich mit der Unmenge von Kartoffeln, die die Deutschen genießen. Der Engländer, der die Kartoffeln auch nicht verschmäht, ißt dreimal mehr Reis als der Deutsche. Deutschland führt jährlich Reis im Werte von 40–50 Millionen Mark ein, davon verzehrt es aber nur für 30 Millionen Mark; der Rest wandert, meist als Reisstärke, wieder nach dem Ausland.

Bild 10.
Der Reis (Oryza sativa).
Nach Hegi.

Der Kulturreis ist wie alle Getreidearten eine einjährige Pflanze, die auf einem durchschnittlich 1,2 m hohen, nicht sehr kräftigen, hohlen Halme mit verhältnismäßig breiten, 30 cm langen, am Rande etwas scharfen und an der Basis bewimperten Blättern eine endständige, überhängende Rispe mit einblütigen Ährchen und 30–60, ja sogar 100 und mehr Samenkörner entwickelt. Aus praktischen Gründen unterscheidet man Wasser- und Bergreis, die abweichende Anforderungen an den Boden stellen. Beide verlangen zu ihrer Entwicklung eine Wärme, wie sie nur in der heißen Zone und in den wärmeren Gegenden der gemäßigten Zone gefunden wird. Nur in Gegenden, in denen es ununterbrochen 4 Monate hindurch heiß ist, gedeiht der Wasserreis, der zwar viel Bodenfeuchtigkeit, aber keine allzugroße Luftfeuchtigkeit verlangt. Überall da, wo in den Tropen während 10 Monaten eine ziemlich gleichmäßige Temperatur herrscht, können 2 Jahresernten von demselben Felde eingeheimst werden. Der Bergreis verträgt eine kühlere Temperatur als der sonst ertragreichere und ausschließlich in den Welthandel gelangende Wasserreis. Daher sehen wir in Südasien sein Anbaugebiet im Gebirge aufwärtssteigend da beginnen, wo dasjenige des letzteren aufhört. Es ist dies bei einer Erhebung von 1000 m der Fall. Von da bis zu 1600 m Höhe liefert er sichere Erträge; denn sein Anbau wird in die warme Jahreszeit verlegt und seine Entwicklung nimmt im Gegensatz zum Wasserreis, der meist 5 bis 6 Monate zur Vollendung seines Wachstums bedarf, nur 4 Monate in Anspruch. Unter 1000 m würde der Bergreis zwar auch noch gedeihen, aber bei vorhandenen Wachstumsbedingungen wird der Wasserreis vorgezogen, der mehr und bessere Frucht gibt.

Ein leichter, etwas sandiger Boden in ebener Lage ist dem Bergreis am förderlichsten, während der Wasserreis tonigen Boden mit schwach sandiger Krume vorzieht. Ein Reisfeld darf nicht die geringste Beschattung, weder von Bergen, noch Bäumen haben, sondern muß tagsüber dem vollen Sonnenschein ausgesetzt sein. Da aller Reis in künstlich unter Wasser gesetzten Feldern angepflanzt werden muß, legt man die Reisfelder im gebirgigen Gelände terrassenförmig übereinander an, indem man sie von oben herab der Reihe nach berieselt und durch Dämme von etwa 60 cm Höhe mit Durchstichen voneinander trennt. Diese in Indonesien als Sawahs bezeichneten Reisfelder, die oft bis zu großer Höhe ins Gebirge hinaufsteigen und zu oberst künstliche Teiche, die sie speisen, tragen, folgen den Konturen der Berge und verleihen dadurch der tropischen Landschaft, in der sonst das Wirken des Menschen gegenüber der Fülle der Vegetation vollkommen verschwindet, ein bestimmtes, als Zeichen menschlicher Tätigkeit angenehm berührendes Gepräge.

Infolge dieser starken Bewässerungsnotwendigkeit wird manchenorts, namentlich in China und Japan, aber auch in Südungarn und Italien, mit dem Reisbau zugleich Fischzucht verbunden, wobei die Fische, gewöhnlich Karpfen, sich dadurch nützlich erweisen, daß sie die den jungen Reispflanzen schädlichen Insektenlarven, Würmer und Schnecken wegfressen. Müssen dann später die Reisfelder trocken gelegt werden, so finden diese Fische ihre Zuflucht in den tiefen Abzugsgräben, die zu diesem Zweck in den Reisfeldern angelegt sind.

Nachdem die übrigens gut zu düngenden Felder bewässert sind, setzt man die jungen Reispflanzen, die man vorher in einem Saatbeete gezogen hat und etwa 30–40 Tage wachsen ließ, auf sie in gewissen Abständen über. Sind die Stecklinge festgewachsen, so wird wieder Wasser ins Feld geleitet und damit fortgefahren, bis die Pflanzen anfangen gelb zu werden; dann läßt man das Wasser ab, um das Reifwerden der Körner zu befördern.

Beginnt der Reis reif zu werden, so gilt es die meist gewaltigen Scharen von diebischen Reisvögeln und andere Körnerfresser, die sich hungrig hinter das ihnen willkommene Futter hermachen wollen, durch allerlei Scheuchapparate zu vertreiben. Ist er reif geworden, so werden die Fruchtrispen kurz abgeschnitten und getrocknet, dann — soweit er nicht verkauft wird — in Scheunen aufbewahrt, aus welchen die Frauen den täglichen Bedarf holen und dreschen, d. h. gewöhnlich in hölzernen Mörsern mit Holzkeulen stampfen, bis die Körner sich aus den Spelzen lösen. Die leeren Ähren und das Stroh werden dann mit der Hand entfernt und die enthülsten Körner auf einen Korbteller geschüttet und geworfelt, wobei sich im Winde die Spreu von den Körnern scheidet. Zuletzt wird der Reis zur Entfernung des ihn noch umgebenden Silberhäutchens geschält, d. h. nochmals gestampft, was von den wechselweise zustoßenden Frauen im Takte geschieht. Bei allen diesen Manipulationen werden in den verschiedenen Ländern die verschiedensten Gebräuche beobachtet, da dem Asiaten der Reis ein heiliges Gewächs ist, bei dessen Behandlung alles leichtsinnige Lachen und Schwatzen verboten ist. Nach Europa gelangt der Reis meist noch in den Hülsen; als solcher heißt er in Südasien paddy, in Amerika dagegen rough rice, d. h. rauher Reis. Bei uns wird er dann in besonderen Mühlen geschält und außerdem poliert, indem die Körner in einen Zylinder geschüttet werden, in welchem sich eine mit Wolle überzogene Rolle rasch dreht; dabei wird durch einen kleinen Zusatz von Öl der gewünschte appetitliche Glanz zu erhöhen gesucht.

Vermöge seiner vorhin hervorgehobenen großen Leichtverdaulichkeit in Verbindung mit hohem Nährwert ist der Reis besonders für die Bewohner der Tropen, die leicht an Verdauungsstörungen und Leberleiden erkranken, von der größten Bedeutung. Deshalb fühlen sie sich auch bei dieser Kost so überaus wohl und genießen täglich gewaltige Portionen davon, nämlich ungefähr 1 kg, indem sie ihn mit Zugabe von Gemüse, allerlei scharfen Gewürzen und kleinen Mengen tierischer Nahrung, besonders getrockneten Fischen genießen. Trotzdem sie jahraus, jahrein täglich dreimal denselben Reis, auf dieselbe Weise bereitet, genießen, entleidet er ihnen niemals.

Aber auch alkoholische Getränke wissen sie aus ihm zu bereiten, indem sie ihn zuerst zwölf Stunden in Wasser aufweichen, dann die Körner kochen bis sie weich geworden sind, sie abkühlen und durch Hinzufügen einer Hefe in alkoholische Gärung kommen lassen. Das so gewonnene, leicht an Sherry erinnernde berauschende Getränk, das die Japaner sake nennen, wird in Fässer gefüllt, die ihrerseits wieder in einer Strohhülle stecken. Das gewöhnlich 13 Prozent Alkohol enthaltende Getränk gelangt in glasierten Ton- oder Porzellanflaschen in den Handel und wird heiß aus winzigen Porzellantäßchen, und zwar beim Beginn der Mahlzeit, getrunken. Auf ähnliche Weise erlangen die Chinesen aus Reis, der mit verschiedenen Gewürzen versetzt wurde, einen samschu genannten Branntwein, der etwa 36 Prozent Alkohol enthält. In Ostindien dient gemälzter Reis zur Herstellung von Arrak, der sonst aus Melasse bei der Gewinnung des Rohrzuckers, mancherorts, wie in Goa, auch aus Palmensaft gemacht wird. Die Abfälle vom Polieren des Reises, bestehend aus zerbrochenen Körnern und Schalenresten, wie auch der auf dem Schiffstransport durch das Meerwasser zu Schaden gekommene Reis, der als Nahrungsmittel nicht mehr zu verwenden ist, wird zu Stärkemehl verarbeitet. Solches Reismehl, das reicher an Fett ist als der geschälte Reis, ist ein sehr gutes Futter- und Mastmittel für Rindvieh. Die meiste Reisstärke dient aber als Appretur, um Baumwollstoffe schwerer und haltbarer erscheinen zu lassen, und geht auf diese Weise wiederum nach Indien, das den Reis lieferte, zurück. Endlich ist auch das Reisstroh ein sehr wertvolles Produkt, welches namentlich in der Papierfabrikation und in der Korb- und Hutflechterei eine vielfache Verwendung findet.

Eine andere Grasart, die als Getreide für den Menschen eine ungemein große Bedeutung erlangt hat, ist der Mais (Zea mais). Sie ist die einzige Körnerfrucht, mit der uns der amerikanische Kontinent beschenkt hat. Nirgends mehr wird sie in wildem Zustande angetroffen; doch ist es höchst wahrscheinlich, daß sie ursprünglich in Mexiko heimisch war und dort zuerst von uns unbekannten, zu höherer Gesittung gelangten Indianerstämmen in Zucht und Pflege genommen wurde; hat uns doch dieses Land neuerdings eine zweite, wildwachsende Art der Gattung geliefert.

Bei der Entdeckung Amerikas fanden die Spanier diese für die dortige Bevölkerung wichtigste Nährfrucht überall im Lande, soweit es das Klima zuließ, in Kultur. Alle Indianersprachen hatten eine Bezeichnung für sie, und speziell die Inselkaraiben, die Tainos, mit denen es Kolumbus und die Spanier zuerst zu tun hatten und die sie dann durch schonungslose Ausbeutung und strengen Frondienst auf den von ihnen angelegten Gütern im Laufe von etwa 50 Jahren zum Aussterben brachten, nannten sie mahiz, ein Ausdruck, den dann die Spanier annahmen und später mit der Nutzpflanze in den europäischen Sprachgebrauch einführten. Bei allen Indianerstämmen, von den Inkas Perus bis zu den Moundbuilders in Nordamerika östlich vom Mississippi wurde der Mais als Hauptnahrungsmittel nebst Bohnen, Kürbis und Tabak in verschiedenen Varietäten gepflanzt. Und wie seine Samenkörner den Lebenden als wichtigstes Nahrungsmittel dienten, so wurden sie den Toten als Wegzehrung in ihre unterirdischen Behausungen mitgegeben. Im alten Mexiko hieß die Göttin des Ackerbaus Cinteutl nach der Bezeichnung für Mais cintli und erhielt, wie die Demeter bei den Griechen, oder Ceres bei den Römern, die ersten Fruchtkolben der Maisernte als Weihegabe. Zur Entfernung der harten Schalen kochten die Azteken Mexikos die Maiskörner zuerst mit Ätzkalk, um sie dann auf dem dreibeinigen Mahlstein mit einer steinernen Walze zu zerreiben und die Masse, mit Wasser zu einem steifen Brei angemacht, in runden Fladen (altmexikanisch tlaxcalli, spanisch tortilla) auf flachen Tontellern über dem Feuer zu backen. An Knollenfrüchten wurden Batate, Mandioka und Yams gebaut, während der spanische Pfeffer (Capsicum) das beliebteste Gewürz bildete. Ähnlich war es im alten Peru. In den Tempeln von Cusco, der Hauptstadt des peruanischen Reiches der Inka, bereiteten die Sonnenjungfrauen das Maisbrot für die Opfer, wie die Frauen in den Haushaltungen es für ihre Familienangehörigen bereiteten. Außer den Kartoffeln, die im Lande selbst aus Wildlingen zur Kulturpflanze erhoben wurden, war auch hier der Mais die Hauptnahrung der Bevölkerung. Die Ketschua, die Träger der Inkakultur, hatten ihn aus ihrer Urheimat im Norden, dem Gebiete von Quito, mitgebracht. In den tropischen Anden gedieh er noch sehr gut in 1900 m Höhe und fand sich auch an dem Titicacasee im Süden Perus bis 3900 m und mehr Höhe angepflanzt.

In Europa wurde der Mais zuerst in spanischen Gärten zu Anfang des 16. Jahrhunderts gesät und kam dann bald auch als Rarität in manche Gärten Mitteleuropas, ohne daß man wußte, daß die Pflanze aus der Neuen Welt stamme. Zuerst wird die Pflanze in dem 1537 in Basel erschienenen lateinischen Pflanzenwerke des Ruellius: De natura stirpium als aus Griechenland oder Asien gekommenes „türkisches Getreide“ genannt; aber die erste genauere Beschreibung derselben findet sich in dem 1543 in Basel gedruckten deutschen Kräuterbuche des Tübinger Botanikers Leonhard Fuchs. Auch nach ihm ist der Mais aus der Türkei gekommen, wächst gerne und war damals schon in Deutschland ganz gemein. Erst spätere Autoren, wie der Nürnberger Joh. Joachim Camerarius in seinem 1590 in Frankfurt a. M. erschienenen Kräuterbuch und der Regensburger Apotheker J. Wilhelm Weinmann in seinem vierbändigen, von 1737–1745 herausgegebenen Pflanzenatlas sprechen mit Text die Ansicht aus, der Mais stamme aus Amerika. „Dieses Korn“, so schreibt der Erstgenannte, „wird unbillich Türkisch genannt; denn es wächst nicht in Asia in der Türkei, sondern in India, so gegen Mitternacht liegt, von dannen man es zu uns gebracht und gewehnet. Die Indianer nennen dies Korn in ihrer Sprache Maiz. Sie machen Gruben mit dem Pfahl und werfen 4–5 Körner hinein und machen es wieder zu, um es vor den Papageien zu schützen. Die Samen werden vorher in Wasser gequellt. In wenigen Tagen schießt es auf und ist in vier Monaten zeitig.“ Camerarius kennt bereits vier Sorten desselben, darunter die buntscheckige.

Tafel 13.

(Copyright by F. O. Koch.)

Maisscheune der Zulukaffern.


GRÖSSERES BILD

Tafel 14.

Zulufrauen Mais mahlend.
(Copyright by F. O. Koch.)


GRÖSSERES BILD

Erst im 17. Jahrhundert gelangte der Mais aus den Gärten, wo er mehr als Zier-, denn als Nutzpflanze gehalten wurde, auf die Felder und wurde hier auch in Europa als Getreidefrucht gezogen. Besonders waren es die Venezianer, die ihn überall auf ihren Handelsreisen im Orient verbreiteten. Der jetzt noch gebräuchliche Name „türkischer Weizen“ soll wohl nur andeuten, daß der Mais aus weiter Ferne zu uns gekommen sei, wie die englische Bezeichnung turkey für den ebenfalls aus Mexiko zuerst nach Europa gelangten Truthahn. In den Pyrenäen heißt er spanisches Korn und die Türken nennen ihn ägyptisches Korn, die Deutschen aber Welschkorn. Durch die regen Handelsbeziehungen der Europäer mit Asien gelangte dann der Mais schon während der im Jahre 1644 zu Ende gegangenen Mingdynastie zu Anfang des 17. Jahrhunderts nach China und bald darauf auch nach Japan. Heute wird er in ausgedehntem Maße in Afrika bei den verschiedensten Negerstämmen angebaut und ist wie in den Tropen und Subtropen, so auch in alle Länder mit gemäßigtem Klima vorgedrungen, so daß man sagen kann, daß er nächst dem Reis die größte Anzahl Menschen ernährt und als Riesenmais und Bandmais, d. h. einer Abart mit weißgestreiften Blättern, auch als Zierpflanze bei den Kulturvölkern der Erde Eingang gefunden hat.

Der Mais, wie er uns heute in gegen 60 Varietäten entgegentritt, ist ohne Zweifel eine schon erheblich veränderte Kulturform, von der sich die Urform vermutlich durch verzweigte weibliche Blütenstände unterschied. Als solche Rückschläge in die alte Form kommen auch heute noch gelegentlich fingerartig geteilte Kolben vor. Er ist eine Riesenform unter den Gräsern, die eine Höhe von 5–6 m erreichen kann und mit großen, bis fast 2 m langen und 10 cm breiten Blättern versehen ist. Je nördlicher er angebaut werden soll, um so niedriger zur Reife gelangende Sorten muß man wählen, wenn man Korn von ihm zu ernten beabsichtigt. Bei uns reift er meist nur in den wärmeren Jahren seine Früchte; doch lohnt sein Anbau gleichwohl als nahrhaftes Grünfutter. Dafür eignet sich auch noch für Mittel- und Norddeutschland der große badische Mais von 2–2,5 m Höhe. In Oberitalien, Ungarn, Südfrankreich und Spanien ist er wie im wärmeren Amerika fast das wichtigste Volksnahrungsmittel geworden, indem aus seinem Mehle durch Kochen mit Wasser eine in Italien als Polenta, an der unteren Donau jedoch als Mamaliga bezeichnete Art Pudding hergestellt wird, von dem sich Hunderttausende von Bauern und Arbeitern Tag für Tag ernähren. Ist aber das Maismehl durch Feuchtwerden verdorben, indem sich ein bestimmter Pilz darin angesiedelt hat, so wirkt die aus solchem hergestellte Polenta giftig, so daß dann häufig Massenerkrankungen entstehen. Diese in Italien als Pellagra bezeichnete Vergiftung, deren Symptome übrigens der durch den Genuß verdorbener Kicher- und Platterbsen erzeugten, in Südeuropa und Nordafrika heimischen Erkrankung ähneln, nimmt einen chronischen Verlauf mit alljährlichen, meist im Frühjahr erfolgenden Nachschüben. Sie beginnt mit heftigen Magen- und Darmstörungen und einem eigentümlichen Ausschlag, bei welchem die Haut sich rötet, anschwillt und schließlich in Fetzen abgeht. Später treten dann Nervenlähmungen und Verbiegungen der Gelenke als Folge einer Rückenmarkserkrankung auf, desgleichen allgemeine Ernährungsstörungen, geistige Verwirrung und schließlich geht der davon Betroffene an Entkräftung zugrunde. Wegen dieses tückischen „Maidismus“, der gelegentlich auch an Tieren, besonders an Pferden, beobachtet wird, ist die Aufbewahrung der Maiskörner an einem trockenen, gut gelüfteten Orte und die Verwendung unverdorbenen Mehles für die Ernährung des Volkes von größter Bedeutung.

Bild 11. Der Mais (Zea mais), bei a eine der männlichen, am Scheitel der Pflanze befindlichen Blütenähren vergrößert. (Nach Hegi.)

Für Tiere, namentlich das Federvieh, aber auch für Rinder und Schweine, die gemästet werden sollen, gibt es kein besseres Nahrungsmittel als den Mais, der noch mehr nährende Bestandteile als andere Getreidearten, Weizen eingeschlossen, enthält. Es ist nur schade, daß die Keime ein Öl enthalten, das dem Maismehl einen wenig angenehmen Geschmack verleiht. Es kommt vor, daß selbst Pferde nach einiger Zeit einen Widerwillen gegen Mais zeigen, namentlich wenn er ihnen als Mehl vorgesetzt wird. Die aufgeweichten und geschroteten Körner scheinen aber den Tieren weniger schnell zu widerstreben.

Aber auch für den Menschen ist der Mais wegen seiner Leichtverdaulichkeit besonders in Form des Maizena, eines fein gemahlenen und entfetteten Maismehles, von größter Bedeutung und eignet sich besonders für die Ernährung von Kindern, Schwachen und Rekonvaleszenten. Nur für das Brotbacken ist er ungeeignet, da er nicht aufgeht, sondern eine kompakte Masse bleibt. Wird ihm jedoch 25 Prozent Weizenmehl hinzugesetzt, so verliert er diesen Fehler. Aus einer solchen Mischung gebackenes Brot ist besonders in der Türkei sehr beliebt.

In den Vereinigten Staaten ißt man die jungen, unreifen Fruchtkolben, geröstet oder in Salzwasser abgekocht, als schmackhaftes Gemüse, oder die noch weichen Maiskörner werden, mit Streuzucker und Zimt oder einem anderen Gewürz versetzt und zu Törtchen oder Kuchen verbacken, verzehrt. Auch anderwärts werden die unreifen Früchte auf verschiedene Weise zubereitet, auch eingemacht. Die Eingeborenen Südamerikas stellen dagegen auf äußerst primitive Weise aus reifen Maiskörnern ein als chicha (sprich tschitscha) bezeichnetes gegorenes Getränk dar, das einst überall beliebt war, heute sich aber nur noch in Bolivien besonderer Wertschätzung erfreut. Allerdings ist seine Bereitung wie diejenige der Kawa der Südseeinsulaner keine für uns Europäer sehr appetitliche, so daß man es begreift, daß mit dem Kulturfortschritt, der auch in Südamerika seinen Einzug hält, dieses altväterliche Getränk an Beliebtheit zusehends einbüßt. Es wird nämlich in der Weise hergestellt, daß Frauen — selten Männer — die weichgekochten Maiskörner kauen und dann in einen Behälter speien, worin der Speichel, mit warmem Wasser verdünnt, das Stärkemehl des Mais in Dextrin und Zucker verwandelt, deren Lösung durch die allgegenwärtigen Hefepilze schließlich in alkoholische Gärung übergeführt wird. So war es noch bis vor kurzem üblich, daß, wie man bei uns einem Gaste ein Glas Limonade oder Wein vorsetzt, der Indianer dem bei ihm Einkehr haltenden Fremdling einen Krug chicha mascada, d. h. selbstgekaute chicha anbot, um ihm seine Freundschaft zu beweisen. In Mexiko wird die chicha etwas appetitlicher aus Gerstenwasser und Maismehl unter Zusatz von Ananasscheiben, welches man zusammen gären läßt, Zucker, Nelken und Zimt bereitet.

Die unreifen Maisstengel sind so reich an Zucker, daß man diesen daraus fabrikmäßig zu gewinnen versucht hat. In Mexiko bereitet man durch Gärung des zuckerreichen Saftes ein als pulque de mahiz bezeichnetes berauschendes Getränk. Man entkörnt die Maiskolben von Hand, im großen aber durch besondere Maschinen und benutzt die Spindeln als Brennstoff. In Afrika dienen letztere wie bei uns das Klosetpapier und aus den Körnern wird mit Vorliebe ein süßes, schwach alkoholhaltiges Bier bereitet. Bei uns wird der Mais vielfach zu Stärkemehl und Spiritus verarbeitet. Wenn die Körner nicht zu Mehl vermahlen und in Brei- oder Kuchenform gegessen werden, so läßt man sie im Wasser aufquellen und ißt sie geröstet, wobei sie aufspringen. Dermaßen behandelt und mit Zucker bestreut, genießt man sie in Menge besonders auch in den muhammedanischen Ländern. Die Hüllen der Fruchtkolben dienen zum Polstern und Flechten und liefern ein wertvolles Material zur Papierbereitung. In vielen Gegenden Amerikas dient auch ein daraus herausgeschnittenes zartes Stück unmittelbar als Zigarettenumhüllung. Die Malaien kochen diese Häutchen in einer Zuckerlösung und bringen sie getrocknet als Zigarettenpapier in den Handel.

Die Maiskultur bleibt sich überall ziemlich gleich und ist sehr einfach, da man nach der Aussaat im wesentlichen nur dafür Sorge zu tragen hat, daß das Unkraut nicht zu sehr überhand nimmt. Nachdem der Boden gedüngt und tüchtig umgepflügt ist, werden in einem Abstande von 25–40 kg Löcher in den Boden gemacht, mit je 3 bis 5 Samenkörnern belegt und wiederum geschlossen. Der Mais wächst dann heran und bedarf bis zur Reife 3½–4 Monate. Gegen das Ende der Vegetationsperiode bildet sich dann oben an dem mit Zuckersaft gefüllten, nicht hohlen Stengel ein Büschel männlicher Blüten, deren in großer Menge gebildete leichte Pollen ausstäuben und durch den Wind auf die in den Achseln der Blätter verborgenen, einzig ihre klebrigen Narben herausstreckenden weiblichen Blüten übertragen werden. Nach der Befruchtung verwendet die Pflanze allen in ihr angesammelten Zuckersaft, um die Samen mit Nährstoffen für den Keimling zu füllen, und schließlich stirbt sie völlig ausgesogen ab. Sie wird dann meist als Brennmaterial verwendet, wobei die so erlangte Asche zur Düngung des Bodens dient. In den nichttropischen Ländern, wo das Vieh nachts in die Ställe getrieben wird, benutzt der Landmann den vertrockneten Mais auch als Streu für das Vieh. Sonst bilden die Blätter und Halme (auch getrocknet) ein geschätztes Viehfutter und die Scheiden der Kolben finden nach der Ernte für die Papierfabrikation und als Zigarettenhüllen usw. vielfache Verwendung. Man unterwirft sie auch einem einfachen Hechelprozesse und benutzt die isolierten Fasern als Polstermaterial u. dgl.

Infolge seines überaus kräftigen und ausgiebigen Wachstums, welches ihn gegen äußere Einflüsse widerstandsfähig macht, wird der Mais von relativ wenigen Schädlingen angegriffen. Am bekanntesten unter denselben ist der Maisbrand, der aber selten eine wirklich bedrohliche Form annimmt. Junge Maispflanzen tötet er, ältere schwächt er und regt die von ihm befallenen Stellen des Stengels zu kropfigen Anschwellungen an. Weniger bekannt ist die bisher nur auf Java beobachtete Lijer-Krankheit, welche die jungen Pflanzen befällt und tötet und wegen ihres epidemischen Charakters gefährlicher ist als die anderen Krankheitsformen des Maises. Der Erreger dieser Krankheit ist ein Peronospora-Pilz, dessen Sporen durch den Wind von Maisfeld zu Maisfeld getragen werden und so rasch ausgedehnte Maiskulturen zum Absterben bringen. Bekanntlich sind es auch Peronospora-Arten, die den von den Landwirten so gefürchteten „falschen Mehltau“ der Reben und eine der schlimmsten Kartoffelkrankheiten hervorrufen, wobei die von ihnen befallenen Blätter zuerst wie Schimmel aussehende Flecken bekommen, die sich rasch ausdehnen und das Blattgewebe zerstören, so daß die Blätter sich bräunen.

Auch wenn der Mais geerntet ist, sind seine Samenkörner allerlei Schädlingen ausgesetzt. Besonders suchen sie kleine Kornwürmer heim, die in vier Arten vorkommen und durch ihre riesige Vermehrung ungeheuren Schaden anrichten können. Die Weibchen legen bis 6000 Eier, von denen jedes auf ein Maiskorn geklebt wird. Nach 4–5 Tagen kriecht daraus eine winzige Larve hervor, die sich in das Innere hineinbohrt, um den Inhalt in etwa 14 Tagen zu verzehren. Dann puppt sie sich ein und wird zum geflügelten Insekt, um nach der Paarung ihren Kreislauf in derselben Weise zu vollenden. Am besten werden diese schädlichen Insekten durch fortwährendes Umschaufeln des Maises verscheucht. In den Schiffsräumen wird der Mais mit dem giftigen Claytongas desinfiziert, mit welchem auch die Ratten und das andere Ungeziefer getötet werden.

Der größte Teil des geernteten Maises wird in den Produktionsländern selbst verbraucht. Erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begannen die Vereinigten Staaten von Nordamerika und die Republiken Südamerikas, besonders Argentinien, ihn in zunehmendem Maße nach Europa zu exportieren, wo er heute, obschon nahrhafter, um ein Drittel billiger als Weizen zu haben ist. Deshalb wird vielfach das Weizenmehl mit dem billigeren Maismehl „verfälscht“. Obschon das Maismehl zur Hälfte aus reinem Stärkemehl besteht, eignet es sich wegen seiner graugelben Farbe doch nicht zur Stärkefabrikation. Doch gewinnt man aus den zum Keimen gebrachten Samen das zu etwa 20 Prozent in ihnen enthaltene hellgelbe, nicht leicht ranzig werdende Maisöl, das nur teilweise zur Vermengung mit den teueren Sorten von Tafelöl, der Hauptsache nach jedoch in den Seifen- und Farbenfabriken verwendet wird. Im vergangenen Jahr wurden nicht weniger als 160000 Hektoliter desselben produziert. Die bei der Auspressung des Öls zurückbleibenden Kuchen finden großen Absatz als Viehfutter. Daneben wird das verzuckerte Stärkemehl des Maises, wenn auch bisher nur in beschränktem Maße, zur Spiritusfabrikation verwendet, wobei als Nebenprodukt ebenfalls etwas Maisöl gewonnen wird.

In Argentinien nahm im vorletzten Jahre die Maiskultur gegen drei Millionen Hektare in Anspruch und die Ernte wurde auf 3500 Millionen kg geschätzt, während die Weizenernte 4500 Millionen kg betrug. In Nordamerika macht die Maisernte nicht weniger als 75000 Millionen kg aus. Die mit Mais bebaute Fläche beträgt in den Vereinigten Staaten nicht weniger als 40 Millionen Hektar gegen 18 Millionen Hektar Weizen und 74 Millionen Hektar gesamtes Getreideland. Der Hauptsitz der Maiskultur, die natürlich im großen mit Maschinen der verschiedensten Art betrieben wird, liegt in dem flachen, fruchtbaren Staate Kansas, das von zahlreichen, in den Mississippi mündenden Flüssen und von verschiedenen miteinander konkurrierenden Eisenbahnen durchzogen wird. Dadurch besitzt jener Staat billige Transportwege nach der als Hauptstapelplatz dafür dienenden Hafenstadt New Orleans.

Wie in Spanien, Italien, Griechenland und den Balkanstaaten bildet auch in zahlreichen Gegenden Afrikas der Mais eines der Hauptnahrungsmittel der Eingeborenen. In den deutschen Kolonien wird er nur in Togo und Ostafrika seit längerem angebaut. Togo führte im Jahre 1907 20 Millionen kg im Werte von 1199000 Mark aus, während Ostafrika nur für 21000 Mark exportierte. In der Regel wird er hier überall zweimal geerntet. Nach Kamerun, Südwestafrika und den Südseeinseln ist er erst in neuerer Zeit gelangt, doch bürgert er sich auch hier schon ein. Die Regierung sucht möglichst solche Spielarten einzuführen, die sich dem Klima und Boden anpassen und sichere Ernten liefern.

Seinen Hauptbedarf an Mais bezieht Deutschland heute aus Nordamerika, nämlich für 50397000 Mark, sodann aus Argentinien für 22951000 Mark. Die gesamte Maiseinfuhr Deutschlands im Jahre 1906 hatte einen Wert von 112,7 Millionen Mark.

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