Noch viel mehr als die Getreidearten, die verhältnismäßig rasch ihre Vegetationsperiode vollenden und nach der Ernte den Menschen wieder frei geben, binden ihn die Obstbäume an die Scholle. Diese wachsen langsam und müssen lange gezogen, getränkt und vor Beschädigungen durch den Sturm und Angriffe wilder Tiere beschützt werden, bis sie — dann aber auch jährlich ganze Menschenalter hindurch — eßbare Früchte liefern. Deshalb vermochte der vorgeschichtliche Mensch erst nachdem er sein unstetes Leben ganz aufgegeben und für mehr oder weniger dauernd festen Wohnsitz bezogen hatte, auch die für ihn wahrscheinlich die älteste Nahrung spendenden Fruchtbäume in Kulturpflege zu nehmen und ihre Früchte nach und nach durch zielbewußte Auslese der besten Sorten zur Nachzucht zu vervollkommnen.
Schon die Mitteleuropäer der jüngeren Steinzeit hatten außer verschiedenen Getreidearten wenigstens eine Art von Obstbäumen in Kulturpflege. Es waren dies Apfelbäume (Pirus malus), deren kleine, fast nur aus Kerngehäuse mit wenig, wohl noch recht säuerlichem Fruchtfleisch bestehenden Früchte sich verkohlt in den Überresten der meist durch Brand untergegangenen Pfahldörfer am Rand der Schweizer Seen vorfanden. Dank der konservierenden Moorerde, in der sie 5000 Jahre und mehr lagen, sind sie noch so vorzüglich erhalten, daß wir über diese älteste bei uns kultivierte Obstsorte recht gut unterrichtet sind. Es war ein überaus kleinfrüchtiger, noch sehr wenig durch Domestikation verbesserter Apfel, der neben dem Holzapfel des Waldes in ziemlichen Mengen geerntet wurde und mit den Haselnüssen und den Getreidearten als Vorrat für den Winter diente. Seltener ganz, meist halbiert müssen die Früchte an der Sonne gedörrt worden sein, um sie als willkommene Zukost zum Brot zu genießen.
Dieser noch kaum durch Kultur veredelte kleine Apfel der neolithischen Pfahlbauten war aber nicht etwa ein Abkömmling unseres wilden, sogenannten Holzapfels, der sich durch völlige Kahlheit der Blätter von allen Kulturformen unterscheidet, sondern gleichfalls wie die übrigen Kulturgüter jener Menschen ein Import aus Westasien. Und zwar scheinen vorzugsweise zwei Arten von Wildlingen durch Zuchtwahl und Kreuzung zur Bildung der ältest nachweisbaren Äpfelsorten beigetragen zu haben, nämlich einerseits der Strauchapfel (Pirus pumila) dem man noch häufig im Kaukasus und den südlichen Altaigebirgen wild wachsend begegnet, und andererseits eine Form aus Vorderasien, die auch noch in Kleinasien vorkommt, der filzigblätterige Apfel (Pirus dasyphylla). Dieser letztere gilt speziell als die Stammpflanze unserer Reinetten. Als weitere wichtige Stammeltern unserer heute zu so ansehnlicher Größe gediehenen und mit vorzüglichem, süßem bis saurem Fruchtfleisch versehen, auch wegen ihrer Haltbarkeit sehr geschätzten Speiseäpfel kommen noch der glattblätterige Apfel (Pirus silvestris) aus Westasien und der pflaumenblätterige Apfel (Pirus prunifolia) aus Mittelasien in Betracht. Letzterer, der in Nordchina, Südsibirien und der Tatarei seine Heimat hat und durch seine gelben bis blutroten Früchte ausgezeichnet ist, gilt als Stammform des Astrachaner Apfels und des russischen Eisapfels.
Der Kulturapfel, von dem heute über 600 verschiedene Arten bekannt sind, bildet in seiner ältesten Heimat Westasien gelegentlich kleine Wälder. Diese erstrecken sich nördlich von Kleinasien bis nach Zentralasien hinein. Er gedeiht nur in einem mäßig warmen Klima und konnte deshalb nicht allzuweit südlich vordringen. In kühleren Lagen Syriens gedeiht er noch, aber kaum mehr in Ägypten. So hat er im Lande der Pharaonen keinerlei Rolle gespielt und findet sich nirgends unter den Obstarten abgebildet, auch haben sich keinerlei Überreste von ihm in Gräbern gefunden. In den Hieroglyphentexten kommt nun einige Male das Wort dappich für eine Frucht vor, die man nur als Apfel deuten kann, um so mehr als der Apfel im Hebräischen tappuch und im Arabischen taffach heißt. Nun muß der Apfelbaum zur Zeit der 19. Dynastie (1350–1205 v. Chr.), also im neuen Reiche von Syrien her nach Ägypten eingeführt worden sein; denn Tempelinschriften in Theben tun uns kund, daß König Ramses II. (1292–1225), dessen wohlerhaltene Mumie sich im Museum von Bulak bei Kairo befindet, Apfelbäume in seinen Gärten im Delta pflanzen ließ. Und noch von Ramses III. der 20. Dynastie (1198–1167 v. Chr.) erfahren wir, daß er den Priestern des großen Ammontempels in Theben nicht weniger als 848 Körbe voll Äpfel als Opfergabe überreichen ließ. Aber was die königlichen Gärtner zustande brachten, das konnte nicht dem gemeinen Volke gelingen. Und so blieb der Apfelbaum dem ägyptischen Volke bis auf den heutigen Tag ein Fremdling, da er dort infolge der andauernden übergroßen Wärme keine Früchte mehr zeitigt.
Aus denselben Gründen ist der Apfelbaum auch den Bewohnern Palästinas mehr oder weniger fremd geblieben. Auch dort scheint er früher, so lange das Klima infolge der reicheren Bewaldung kühler war, in den höheren Lagen gut gediehen und auch Frucht getragen zu haben, wie wir verschiedenen Stellen des Alten Testaments entnehmen können. Aber mit dem Wärmer- und Trockenerwerden des Klimas war sein Schicksal in diesem Lande besiegelt. Dagegen sagten ihm die klimatischen Verhältnisse des gebirgigen Armenien und Kleinasien gut zu und so gedieh er hier vortrefflich und verbreitete sich über das ganze Land. Von Kleinasien her gelangte er schon gegen das Ende des vorletzten Jahrtausends v. Chr. nach Griechenland, wo er ziemlich viel kultiviert wurde. Nicht bloß in den homerischen Epen wird er erwähnt, sondern seine als mḗlon bezeichnete Frucht spielt auch im Mythos eine gewisse Rolle. So galt der aus dem Orient — angeblich Indien — über Kleinasien nach Griechenland gekommene Gott des Natursegens, Dionysos, wie als Schöpfer des Weinstocks, so auch als derjenige des Apfelbaums, den er der Liebesgöttin Aphrodite schenkte. Dadurch wurde der Apfel zum Sinnbilde der Liebe. Aphrodite ihrerseits schenkte drei goldene Äpfel dem Hippomenes, mit denen dieser die schnellfüßige Atalante zum Weibe gewann. Eris aber erregte durch den goldenen Apfel, den sie an der Hochzeit des Peleus und der Thetis unter die Gäste warf, die Eifersucht der drei ersten Göttinnen, woher der Ausdruck Erisapfel im Sinne von Zankapfel stammt. Eine ähnliche Rolle spielte der Apfel in der bekannten Geschichte, in welcher Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, unter denselben drei Göttinnen die Wahl zu treffen hatte und ihn als Siegespreis der Schönsten derselben, Aphrodite, darbot. Die goldenen Äpfel der Hesperiden aber hatte Gäa, die Mutter Erde, der Hera bei der Vermählung derselben mit Zeus als Symbol der Fruchtbarkeit geschenkt. Herakles holte sie im Lande der Hyperboräer, wo sie von drei der Hesperiden und vom hundertköpfigen Drachen Ladon bewacht wurden.
Eine noch weitere Verbreitung als bei den Griechen fand die Kultur des Apfelbaums bei den Römern, die die Frucht in Anlehnung an das griechische mḗlon malum nannten. Schon der ältere Cato (234–149 v. Chr.) meldet uns in seiner Schrift über den Landbau, daß die Apfelbäume in Pflanzschulen gesät und später gepfropft würden. Um die Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts sagt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Es gibt sehr viele Sorten Äpfel, die man alle mit verschiedenen Namen bezeichnet, und manche haben den Mann, der sie erzeugte, andere ihre Heimat berühmt gemacht. Die sogenannten appianischen Äpfel hat ein Mann namens Appius, aus der Familie des Appius Claudius (der 312 v. Chr. Zensor war und die berühmte, von Rom nach Capua führende, später bis Brundisium, dem heutigen Brindisi, verlängerte, nach ihm benannte Straße anlegte) dadurch erzeugt, daß er Äpfel auf Quittenstämme pfropfte. Sie haben den Geruch der Quitten. Es gibt auch Äpfel, die blutrot sind, was davon herrührt, daß sie auf einen Maulbeerstamm gepfropft wurden. (Natürlich sind diese Erklärungen falsch.) Im allgemeinen röten sich die Äpfel auf der Sonnenseite. Aus allen Apfelsorten bereitet man Wein. Die wilden Äpfel haben einen sauern Geschmack und jeder saure Apfel ist imstande, durch seine Säure die Schärfe eines Schwertes stumpf zu machen.“
Auch sein Zeitgenosse, der aus Spanien nach Rom gekommene Ackerbauschriftsteller Columella sagt: „Es gibt sehr verschiedene Sorten Äpfel; sie schmecken gut und befördern die Gesundheit.“ Und der aus Pergamon gebürtige griechische Arzt Claudios Galenos (131–200 n. Chr.) meint: „Unreife Äpfel sind zwar durchaus schädlich, reife dagegen roh, gebraten und gekocht sehr gesund.“ Sie wurden gerne als Wintervorrat aufbewahrt. Wie man dies zu tun habe, darüber schreibt der überaus gelehrte und fruchtbare römische Schriftsteller Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.) in seiner Schrift über den Landbau: „Die dauerhaften Apfelsorten wie beide Quittensorten (die Birnen- und Apfelquitten) müssen an einem trockenen, kühlen Orte auf Spreu liegend aufbewahrt werden. Beim Bau der Obstkammer (oporotheca, von den Griechen entlehnt) muß von vornherein dafür besorgt sein, daß ihre Fenster nach Norden stehen und daß der (kühle) Nordwind Einlaß habe; jedoch müssen die Fenster für gewöhnlich mit Läden geschlossen sein, weil allzuviel Wind das Obst austrocknet und welk macht. Man gibt auch der Decke, den Wänden, dem Boden einen marmorartigen Überzug (von Stuck), damit sie desto kühler sind. Manche richten die Obstkammer so ein, daß sie darin speisen, und sich dabei an der Pracht der dort lagernden Früchte ergötzen können. Es gibt freilich Leute in Rom, die das Obst kaufen, statt es selbst zu ziehen, und schmücken damit ihre Obstkammer; das sollte man nicht nachahmen. Die Äpfel legt man in der Obstkammer auf Bretter oder auf Stroh oder auf Wollflocken, die Granatäpfel in Fässer, die mit Sand gefüllt sind, die Quitten werden schwebend aufgehängt, Birnen werden in (durch Kochen) eingedickten Weinmost gelegt; Spierlingsfrüchte (sorbum von Sorbus domestica) und Birnen werden auch zerschnitten und an der Sonne getrocknet, die ersteren halten sich auch an jedem trockenen Orte lange frisch. Rüben werden in Senf, Walnüsse in Sand gelegt.“
Der ältere Cato (234–149 v. Chr.) verlangt von der Wirtschafterin, die das Hauswesen im Landhause (villa) besorgt und für alle Bewohner derselben kocht, sie müsse viele Hühner und Eier im Vorrat halten. „Ferner muß sie getrocknete Birnen, Spierlingsfrüchte, Feigen, getrocknete Weinbeeren, in eingedicktem Most liegende Spierlingsfrüchte, auch Birnen und Trauben in Fässern, ebenso Quitten vorrätig haben. Sie muß Trauben haben, die in Weinmost, in Krügen und in der Erde aufbewahrt werden. Außerdem muß sie frische pränestische Nüsse im Krug unter der Erde, scantianische Äpfel in Fässern und andere Obstarten, die man aufzubewahren pflegt, auch wilde, haben.“ Außerdem verlangt er von ihr, sie müsse die Kunst Mehl und Schrot, die damals noch von jeder Haushaltung selbst hergestellt wurden, zu machen verstehen, dürfe keine Schwätzerin sein und sich mit den Nachbarinnen umhertreiben, auch ohne Befehl des Hausherrn oder der Hausfrau nicht opfern, solle reinlich sein und auch die Villa rein halten, täglich, bevor sie zu Bett gehe, den Herd reinigen, an Festen den Herd bekränzen und an diesen Tagen dem Hausgotte opfern.
Von den in der späteren Kaiserzeit unterschiedenen 29 Äpfelsorten gediehen die berühmtesten bei der Stadt Abella in Kampanien, die jedenfalls hier eine sehr alte, schon von den Kelten betriebene Äpfelkultur besaß; denn ihren Namen wird sie von der keltischen Bezeichnung aball für Äpfel erhalten haben. Der römische Ackerbauschriftsteller Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. sagt von den Apfelbäumen: „Es gibt deren viele Sorten, und es wäre zu weitläufig, sie aufzuzählen. Sie lieben einen kräftigen, fetten Boden, der nicht durch Bewässerung, sondern von Natur feucht ist; besteht er aber aus trockenem Sand oder Ton, so tut die Bewässerung gut. An kalten Orten setzt man sie auf die Südseite der Berge. Man braucht die Erde um sie weder durch Ackern, noch durch Graben aufzulockern; daher passen sie gut auf Wiesen. Mist verlangen sie zwar nicht, nehmen ihn aber gerne an, auch kann er mit Asche gemischt sein. Beim Beschneiden nimmt man am besten nur was trocken oder falsch gewachsen ist weg. Der Apfelbaum dauert nicht so viele Jahre wie der Birnbaum. Läßt er seine Äpfel vor der Zeit der Reife fallen, so spaltet man eine Wurzel und keilt einen Stein in den Spalt (natürlich ist dies Unsinn). Hängen die Äpfel in zu großer Zahl am Baum, so nimmt man die schlechtesten weg (damit sich die anderen umso schöner entwickeln). Die Zeit der Veredlung ist der Februar und März. Apfelreiser gedeihen auf Apfel- und Birnbäumen, Weißdorn, Pflaume, Spierling, Pfirsich, Platane, Pappel, Weide. — Die Äpfel, welche aufbewahrt werden sollen, müssen sorgfältig ausgelesen werden. Man legt sie an einem dunkeln, windfreien Orte in abgesonderten Haufen auf Stroh und teilt die Haufen oft. Manche schließen sie auch in ausgepichte große Tonkrüge, deren Deckel mit Gips verstrichen wird, oder hüllen sie in Ton oder bestreichen nur die Stiele mit Ton, oder legen sie auf Hürden, die mit Spreu belegt sind, oder decken sie von oben mit Stroh. Die sogenannten Kugeläpfel kann man ohne weiteres ein ganzes Jahr aufbewahren. Manche Leute senken auch die in gut ausgepichten und verpichten Gefäßen befindlichen Äpfel unter Wasser. Andere nehmen die Äpfel einzeln vom Baum, tauchen ihre Stiele in siedendes Pech, legen sie reihenweise auf die Gestelle und decken sie mit Nußblättern. Viele legen sie zwischen Sägespäne von Pappel- oder Tannenholz. Es ist bekannt, daß man die Äpfel so legen muß, daß der Stiel unten ist, und daß man sie nicht eher anrühren darf, als bis man sie braucht. Auch Wein und Essig wird aus Äpfeln wie Birnen gemacht.“
Die von ihnen in Italien angepflanzten besseren Äpfelsorten brachten die Römer mit den übrigen von ihnen verbreiteten Obstsorten auch über die Alpen nach Gallien und Germanien. Hier gab es zwar bereits kultivierte Äpfel, aber doch noch nicht so feine Arten, wie sie die Römer aus Italien mitbrachten, auch kannte man noch nicht die von jenen geübten Methoden der Veredelung des Obstes durch Pfropfen. In allen von den Römern beeinflußten romanischen und germanischen Sprachen führen sowohl die Obstarten als auch die Ausdrücke für ihre Veredelung (wie impfen, aus dem lateinischen impu(t)are) ausnahmslos Namen, die aus dem Lateinischen entlehnt sind. Nur ein Obstname, nämlich derjenige des Apfels, ist in den Sprachen Mitteleuropas nicht aus dem Lateinischen entlehnt, sondern altes Erbgut der hier ansässigen Stämme. Er lautet althochdeutsch apful, nordisch appel, urkeltisch aball, altslawisch jabluko. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Apfel, die einzige Obstart, für die sich beim Eindringen der römischen Obstkultur in den ersten Jahrhunderten nach Christus der altangestammte Name in Germanien behauptete, hier schon in einer seit der Pfahlbauzeit erhalten gebliebenen kultivierten, wenn auch minderwertigen Art bekannt war, die sich allerdings ganz wesentlich vom römischen Apfel unterschied. Er spielte in der Mythologie der alten Deutschen eine nicht unbedeutende Rolle, indem er nach altgermanischer Vorstellung als Symbol der Mutterbrust und der nährenden Liebe galt. In der nordischen Mythologie sind Äpfel die Speise der Asen, des mächtigsten Göttergeschlechts, das von den Riesen seinen Ursprung nahm. Iduna war ihre Bewahrerin und sie besaßen die Kraft, den zu verjüngen, der sie aß.
Überall da, wo nun die Römer nördlich der Alpen ihre Militärstationen gründeten und Märkte anlegten, machten sie bald auch Versuche mit der Anpflanzung südlicher Obstsorten, die ihnen für ihre gewohnte bessere Lebensführung unentbehrlich waren. So wissen wir aus der Naturgeschichte des älteren Plinius (23–79 n. Chr.), daß die Belgier schon zu seiner Zeit eine besondere kernlose Art von Äpfeln zogen. Im 6. Jahrhundert bedankt sich der romanisierte Franke Venantius Fortunatus bei seinem Freunde und Landsmann Gregor von Tours (eigentlich Georgius Florentius geheißen, um 540 in Clermont-Ferrand geboren, von 573–594 Bischof von Tours) in einem uns erhaltenen poetischen Billett für Äpfel und Apfelpfropfreiser, die dieser ihm gesandt hatte. In Karls des Großen Capitulare de villis vel curtis imperii, d. h. seinen Verordnungen über die Einrichtung und Bewirtschaftung der königlichen Domänen aus dem Jahre 812, durch die er auf sein Volk vorbildlich wirken wollte und die für uns das wichtigste Dokument der frühmittelalterlichen Garten- und Obstkultur sind, werden frühe und späte, säuerliche und süße Sorten, auch Daueräpfel unter den damals gebräuchlichen Bezeichnungen wie Gosmaringer, Geroldinger, Crevedeller und Sperauker genannt. Diese Bezeichnungen stammen meist von Orten Süddeutschlands, wo innerhalb des Dekumatenlandes sehr früh die von den Römern eingeführte Apfelkultur in Blüte kam und wertvolle, aus dem Süden stammende, Sorten kultiviert wurden.
Ein ausgedehnter Raum sollte in den Meierhöfen zum Aufbewahren von Obstsorten verschiedenster Art, besonders von Äpfeln, eingerichtet sein. Als ein Obstgarten erscheint in der altsächsischen Dichtung vom Heliand der Garten Getsemane. In ihm, den man sich möglichst ungepflegt als einen mit Obstbäumen bestandenen Rasenplatz vorzustellen hat, gab die Bauerndirne ihrem Geliebten ein Stelldichein und fanden bei festlichen Anlässen die Lustbarkeiten statt. Den in ihm befindlichen Obstbäumen wurde meist nur geringe oder gar keine Pflege zuteil. Vorbildlich in der Obstkultur gingen vor allem die Klöster den Bauern mit gutem Beispiel voran; denn im frühen Mittelalter waren sie ganz besonders die Heger und Pfleger der von den Römern übernommenen Kulturgüter, und wenn die Mönche auf ihren stetigen Wanderungen eine neue Sorte entdeckten, so brachten sie dieselbe mit in ihr Kloster. Und aus dem Klostergarten gelangten später Pfropfreiser davon in die Gärten der benachbarten Dörfer. So berichtet uns der Geschichtschreiber des Klosters Morimund, daß die Brüder, die auszogen, um eine neue Kolonie zu gründen, Samen und Pflänzlinge von allen Sorten für den Garten des neu zu gründenden Klosters mitnahmen. Die Mönche, welche nach Altenkampen im Kölnischen gingen, nahmen die graue Reinette mit, welche im Bassigny um Morimund häufig war. Von Altenkampen verpflanzten sie andere Mönche desselben Ordens nach Walkenried, von dort nach Pforte, von Pforte nach Leubus in Schlesien, von wo sie sich durch ganz Schlesien verbreitete. So ist auch der Borsdorfer Apfel ein Produkt der Cistersiensermönche von Pforte, den sie mit südländischen Pfropfreisern auf dem für Obst- und Weinpflanzungen besonders geeigneten Ackerhofe zu Borsendorf bei Dornburg an der Saale gezogen hatten. In demselben Pforte wird zuerst im Jahre 1271 ein Obstgärtner als magister pomi erwähnt. So verbreiteten sich durch die segensreiche Kulturtätigkeit dieser Mönche diese edleren Obstsorten, die sie auch auf die Wildstämme der umliegenden Bauernhöfe pfropften. Bald drang so statt der wilden Kirschen, sauren Holzäpfel und Schlehen wohlschmeckendes Obst als weitergeleitetes altes Erbe des römischen Kulturvolkes auch in die entlegensten Gaue Germaniens vor.
Was seither die vorzugsweise von Laien fortgeführte Veredelung aus dieser westasiatischen Obstart gemacht hat, ist genugsam bekannt, so daß wir nicht näher darauf einzugehen brauchen. Es genüge, hier zu bemerken, daß nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Nordamerika, besonders Kalifornien, die Apfelkultur sich zu ganz außerordentlicher Blüte entfaltet hat, so daß in einem Jahre schon über eine Milliarde Kilogramm frischen Obstes von dort allein nach England eingeführt wurde. Auch getrocknet, mit Zucker als Kompott oder zu Mus eingekocht gelangen die Äpfel heute überall in den Handel, und aus ihnen wird auch an vielen Orten ein angenehm säuerlicher, schwach alkoholhaltiger Trank als sogenannter Äpfelwein hergestellt.
Fast ebenso viele Formen wie von den Kulturäpfeln gibt es von den kultivierten Birnen (Pirus communis), deren Stammeltern ebenfalls aus Westasien zu uns gelangten. Besonders waren es die orientalische herzblätterige Birne (Pirus cordata) und die persische Birne (Pirus persica), die miteinander und später auch mit unserer einheimischen Holzbirne gekreuzt wurden und zu zahlreichen Varietäten Anlaß gaben. Daher kommt es denn auch, daß weder die Äpfel- noch die Birnensorten samenbeständig sind. Durch die Aussaat entstehen fast stets nur Bäume mit ganz minderwertigen Früchten. Um nun die gewünschten edlen Früchte zu erhalten, muß der Wildling veredelt werden, d. h. man schneidet den oberen Teil desselben ab und schiebt in die Wundfläche zwischen Rinde und Holz einen Zweig der guten Sorte, ein „Edelreis“. Nachdem die betreffende Wundstelle gut verbunden und durch Aufstreichen von Baumwachs luftdicht abgeschlossen ist, verwächst der Wildling mit dem Edelreis; jener übernimmt die Ernährung des letzteren, das nun austreibt und eine neue Krone bildet.
Tafel 15.
Längsspalier von Birnbäumen auf einer der Obstpflanzungen der Konservenfabrik Lenzburg (Schweiz).
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GRÖSSERES BILD
Tafel 16.
Kreuzspalier von Birnbäumen auf einer der Obstpflanzungen der Konservenfabrik Lenzburg (Schweiz).
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GRÖSSERES BILD
Die Kultur der Birne ist wie diejenige des Apfels schon aus klimatischen Gründen Syrien und Ägypten fremd, dagegen in Persien und Armenien eine uralte. Über Kleinasien gelangte sie schon ebensofrüh als diejenige des Apfels nach Griechenland, wo die Birne bei Homer ónchnē, vom großen Pflanzenkundigen Theophrast daneben auch ápios und bei den Griechen später ausschließlich ápios genannt wurde. Außer der Insel Thasos war besonders auch der Peloponnes durch den Reichtum an Birnen bekannt. Ja, nach der Angabe des um 200 n. Chr. in Alexandrien lebenden Athenaios führte diese Halbinsel aus diesem Grunde auch den Beinamen Apia, d. h. Birnenland. Nach Italien müssen nach dem Funde des bronzezeitlichen Pfahlbaus von Baradello schon die aus dem Norden des Balkans dahin wandernden Stämme des vorletzten Jahrtausends v. Chr. den Birnbaum gebracht haben. In der Folge nahm sein Anbau in Italien, wo die Birne pirum genannt wurde, immer größere Ausdehnung an. In seiner Schrift über den Landbau sagt der ältere Cato (234–149 v. Chr.): „Es gibt eine Menge Birnensorten, so die volemische, anicianische, sementivische, tarentinische (von den Griechen aus Tarent übernommen), Most- und Kürbisbirne und andere. Sie werden gepflanzt und gepfropft.“ 200 Jahre später schreibt Plinius in seiner Naturgeschichte: „Es gibt eine sehr große Menge von Birnensorten. Roh sind sie sämtlich selbst für ganz gesunde Leute schwer verdaulich und werden daher Kranken verboten. Auch die Waldbirne wird getrocknet, um sie als Arznei zu gebrauchen.“ Sein Zeitgenosse, der griechische Arzt Dioskurides, meint: „Alle Birnen (ápios), und es gibt deren viele Sorten, haben zusammenziehende Kräfte. Verzehrt man rohe Birnen nüchtern, so schaden sie leicht. Aus Birnen macht man Birnenwein, wie man auch welchen aus Quitten, Spierlingen und Johannisbrot macht. Alle diese Weine haben etwas Zusammenziehendes und sind gesund.“ Nach dem ebenfalls um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebenden, aus Spanien nach Rom gekommenen Ackerbauschriftsteller Columella wurden aus noch nicht ganz reifen Birnen und Äpfeln an der Sonne gedörrte Schnitze hergestellt, die nebst getrockneten Feigen einen sehr wichtigen Teil der Nahrung der ländlichen Bevölkerung bildeten. Zur Mostgewinnung pflanzte man besondere Mostbirnen, und feinere Birnen wurden in eingekochtem Most konserviert. Palladius im 4. Jahrhundert rät, die Birnbäume 30 Fuß auseinanderzusetzen, die Erde aufzulockern und feucht zu halten, auch einmal jährlich zu düngen. „Zweckmäßiger als aus Samen ist es, sie durch Pfropfen von Wildstämmen zu gewinnen, und zwar pfropft man sie auf wilde Birnbäume, Apfelbäume und, wie einige angeben, auch auf Mandel- und Granatbäume, Quitten und Eschen (griechische Schriftsteller fügen dieser Liste die Maulbeerbäume hinzu und sagen, daß die darauf gewachsenen Birnen rot werden). Will man Birnen lange aufbewahren, so sucht man mit der Hand gepflückte, ganz unbeschädigte, noch nicht völlig reife aus, tut sie in ein ausgepichtes Gefäß, befestigt darauf den Deckel ganz dicht, legt es so um, daß der Deckel nach unten kommt und vergräbt es an einer Stelle, um die jahraus, jahrein Wasser fließt. Man hebt auch Birnen in Spreu und Getreide auf.“
Neben der als ápios bezeichneten Kulturbirne wurden von den Griechen die als áchras bezeichneten wilden Birnen gelegentlich noch gesammelt und gegessen. In der Urzeit muß dies eine regelmäßige Nahrung der Griechenstämme gewesen sein, wie das uralte Fest der Achraden bei den Argivern beweist, und wie das aus dem Holz des wilden Birnbaums geschnitzte Herabild zu Tiryns auf den wilden Birnbaum als ersten Nährbaum der Tiryntier hinweist. Je weiter wir in der Menschheitsgeschichte zurückgehen, desto ausschließlicher finden wir den wilden Birnbaum mit seinen herben, wenig zum Genusse verlockenden Früchten als Nahrungsspender. So wurden zur jüngeren Steinzeit, wie uns die Funde in den Kulturschichten der Pfahlbaustationen von Wangen und Robenhausen in der Schweiz beweisen, neben wilden Äpfeln auch wilde Birnen gesammelt und, in Schnitze geschnitten und an der Sonne gedörrt, als Wintervorrat aufgehoben. Die saftige Kulturbirne aber fehlte bis ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung in Mitteleuropa durchaus. Sie gelangte im Gegensatz zum Apfel, der sich hier bereits seit dem Ende des dritten vorchristlichen Jahrtausends kultiviert vorfand, erst durch die Römer der Kaiserzeit in die Länder nördlich der Alpen. Zwar wurden Samenkerne dieser Obstarten nicht im Wegwurf der römischen Militärstationen gefunden, was bei der Kleinheit und Vergänglichkeit derselben einigermaßen begreiflich ist. Wohl aber fanden sich die viel größeren und sehr harten Steinkerne der bald zu besprechenden Pflaumen, Mirabellen, Kirschpflaumen, Süß- und Sauerkirschen, Pfirsiche und Aprikosen und die Schalen der Walnüsse und großen Haselnüsse, nicht bloß in den ausgemauerten, sondern vornehmlich in den zahlreichen mit Holz ausgekleideten Schachtbrunnen der Saalburg bei Homburg, die nachweislich schon von den Römern selbst im 2. Jahrhundert n. Chr. durch ausgemauerte Brunnen ersetzt und zugeschüttet wurden. Hier lagen sie in einer Schlammschicht 5–10 m unter der Oberfläche. Daß sie etwa erst in späteren Jahrhunderten in die Brunnen geworfen sein könnten, ist unter diesen Umständen völlig ausgeschlossen, ganz abgesehen davon, daß das Kastell unter Gallienus (260–268 n. Chr.) definitiv an die Germanen verloren und von jenen eingeäschert und zerstört wurde und seither keine menschliche Niederlassung mehr hier vorhanden war. Erst einige Jahrhunderte später ist dann die Kulturbirne von den Germanen in Pflege genommen worden, worauf die Bildung von althochdeutsch pira, später bira aus dem lateinischen pirum deutet.
In dem aus dem Jahre 812 datierenden Verzeichnis der auf den Gütern Karls des Großen zu haltenden Obstbäume figurieren neben den pomarii, den Apfelbäumen, auch die pirarii, von denen ebenfalls mehrere Sorten erwähnt werden, so süßere, frühreife und spätreife. Und der im Jahre 849 verstorbene fränkische Mönch Walahfrid Strabo, ein großer Gartenfreund, der es trotz seiner edlen Abkunft nicht verschmähte, durch tüchtiges Zugreifen, wie er selbst sagt, sich die Hände schwielig zu machen und zu bräunen, hat in einem lateinischen Gedichte „über die Pflege der Gärten“ beschrieben, wie er in seinem Garten im Juli Pfirsiche und im August Feigen, Pflaumen, Nüsse und große volemische Birnen pflücke, von denen eine die ganze Hand ausfüllt. Zu den von den Römern übernommenen Birnensorten sind dann durch die Bemühungen der Klöster und später auch der Laien zahlreiche neue hinzugekommen. So zählt Valerius Cordus in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehr als 50 in Mitteldeutschland kultivierte Sorten auf, die sich inzwischen, besonders durch die Bemühungen belgischer Obstzüchter, ganz wesentlich vermehrt haben.
Vom Obstbau der alten Kulturvölker haben wir nur eine geringe Kenntnis, da ihre Schriftsteller von solch allgemein bekannten Dingen keine Aufzeichnungen hinterließen. In Ägypten und Babylonien hat das Kernobst keinerlei Rolle gespielt, wohl aber in dem durch seine Höhenlage kühleren Persien, in welchem Lande schon zu den Zeiten des älteren Kyros (um 550 v. Chr.) die Straßen, welche von der Hauptstadt nach den Provinzen führten, mit Obstbäumen als nützlichen Schattenspendern bepflanzt waren. Schon damals hatten die persischen Großkönige die Gepflogenheit, bei feierlichen Anlässen Obstbäume mit eigener Hand zu pflanzen, — beides Sitten, die sich bis auf unsere Zeit erhalten haben.
Schon sehr frühe drang der Obstbau aus Vorderasien über Kleinasien zu den Griechen und später zu den Römern, die sich seiner mit Liebe annahmen. Schon bei Homer finden wir die zwischen den Krautgärten gelegenen Obstgärten der Vornehmen erwähnt, die in der Regel von älteren Familienangehörigen besorgt wurden. So finden wir in der Odyssee die Obhut der Obstbäume vorzugsweise Greisen anvertraut, die niedergebückt im Garten pflanzten, gruben und beschnitten. So hat sich auch der greise Laertes, Odysseus Vater, in seine Gärten zurückgezogen, und sein Genosse hierin war der gealterte Sklave Dolios, den einst Penelope von ihres Vaters Hause in dasjenige ihres Gatten Odysseus mit hinübergebracht hatte.
Der Baumgarten des Altertums war wie der Rebberg durch eine Mauer, einen Graben oder einen Zaun, später auch durch eine lebende Hecke als Privateigentum abgegrenzt. Wer nun diese Grenze nicht respektierte, machte sich eines frevelhaften Einbruchs in fremdes Eigentum schuldig. Wie schwer solche Vergehen bisweilen geahndet wurden, beweist uns die von dem griechischen Geschichtsschreiber Apollodoros berichtete Episode des Herrschers von Kalydon auf Kreta Oineus (d. h. Winzer), der seinen eigenen Sohn Toxeus (d. h. den Schützen) tötete, weil dieser es frevelhaft gewagt hatte, den Graben, der seinen Weinberg umschloß, zu überspringen.
Nach der Schilderung in der Odyssee trug Laertes bei seinen Arbeiten im Obstgarten zum Schutz seiner Beine vor Beschädigungen durch die Dornen ein Paar alter Beinschienen aus Leder und dazu einen geflickten Rock. Der Garten war von einer Dornenhecke umgeben und enthielt wohlgepflegte Apfel-, Birn-, Feigen- und Ölbäume. Ein hoher Birnbaum fiel besonders auf; unter ihm stand Odysseus nach seiner Heimkehr, eine Weile mit der Rührung kämpfend, da er seinen Vater in der Ferne beobachtet. Und als er sich ihm zu erkennen gibt, erinnert er ihn an die Zeit der Kindheit, als er ihm einst 13 Birnbäume, 10 Äpfelbäume, 40 Feigenbäume und 50 Weinstöcke zu eigener Nutznießung schenkte.
Die alten Römer nannten ihre Obstgärten nach den vorzugsweise darin kultivierten Apfelbäumen pomarium, während sie den Lustgarten hortus, den Blumengarten floralium und den Küchengarten mit den Gemüsen hortus pinguis oder rusticus, d. h. den fetten oder ländlichen Garten nannten. In den großen Obstgärten der Reichen waren zugleich Magazine zum Aufbewahren von Obst, wie auch daran sich anschließende bescheidene Wohnungen für die Gärtnerdienst tuenden Sklaven vorhanden. Sonst wissen wir sehr wenig von ihnen, nur so viel, daß in ihnen, wie wir bald sehen werden, schon eine ganze Menge aus dem Osten importierter Fruchtbäume gediehen.
Im Mittelalter waren, wie gesagt, die Klöster die Träger und Überlieferer der altrömischen Kultur und ihrer Erzeugnisse. Sie haben sich ein besonderes Verdienst um die Erhaltung und Ausbreitung der von den Römern eingeführten Nutzpflanzen, besonders der aus dem Süden importierten Obstbäume erworben. Selbstverständlich waren die Klostergärten ebenso eingefriedigt wie diejenigen der Bauern. In einem Weistum vom Jahre 1500 wird sogar vorgeschrieben, daß der aus senkrechten Stöcken mit dazwischen geflochtenen Ruten oder schräg aufgerichteten Brettern, von denen immer mehrere durch einen senkrechten Pfahl gehalten wurden, hergestellte Zaun mannshoch sein solle. Was dann noch an Hühnern und sonstigem Geflügel hinübersteige, das dürfe der Bauer totschlagen. Nach den uns erhaltenen Zeichnungen aber ist seine Höhe für gewöhnlich nicht mehr als 1 m gewesen.
In diesen Gärten wurde nicht sehr streng zwischen Gemüse- und Obstgarten unterschieden. Oftmals wird erwähnt, daß Bäume im Kohlgarten gestanden haben. War ein besonderer Baum- oder Obstgarten vorhanden, so waren darin nur wenige Sorten vertreten, und zwar meist Äpfel und Birnen, seltener Steinobst oder gar Nüsse. Noch der römische Geschichtsschreiber Tacitus (54–117 n. Chr.) hielt in seiner ethnographischen Schilderung Germaniens dieses Land für schon zu kalt zum Obstbau, nur für Getreidebau geeignet. Die Einwohner desselben, so schrieb er, nährten sich von ganz einfachen Speisen wie wilden Äpfeln und Beeren, frischem Wildbret und saurer Milch.
Diese Lebensweise hat sich im Laufe des Mittelalters, als auch Germanien das Erbe der altrömischen Kultur antrat, gründlich geändert. Deutschland war nicht zu rauh für die Obstzucht; die Obstbäume gediehen vielmehr ganz gut, soweit sie das gegenüber den Mittelmeerländern viel rauhere Klima ertrugen. Und den Anstoß zu diesem Wechsel legten die Römer selbst durch ihre Kolonisation, die die Schätze an wertvollen Nutzpflanzen, die ihr Land durch den Import aus dem Morgenlande aufwies, über den eisumgürteten Grenzwall der Alpen hinüber in die durch ihren Reichtum an Wäldern und Sümpfen ausgezeichneten und dadurch für die Römer zunächst nur abschreckenden Länder des Nordens brachten. Auch Italien selbst war einst ein solch armes Waldland gewesen, als es von den Italikern besiedelt wurde. Und als es durch Rodung und nachfolgenden Ackerbau schon einigermaßen kultiviert war, erschien es den älteren Griechen als ein Land, das im Vergleich schon mit ihrem eigenen und noch viel mehr mit dem an Kultur viel weiter fortgeschrittenen Orient einen nordischen, primitiven Charakter trug und dessen Produktion in noch ziemlich später Zeit vorwiegend in Holz, Vieh und Getreide bestand. Noch der im Jahre 286 v. Chr. in Athen verstorbene Schüler des Aristoteles, Theophrastos von der Insel Lesbos, der Begründer der antiken Pflanzenkunde, der eine uns noch erhaltene „Naturgeschichte der Gewächse“ schrieb, rechnet Italien zu den wenigen Ländern am Mittelmeer, wo noch Schiffsbauholz vorkommt. Und als der prunkliebende König Hieron II. von Syrakus, der im Jahre 269 v. Chr. nach einem entscheidenden Siege über die sogenannten Mamertiner in seiner Vaterstadt zur Herrschaft gelangte, die er als tüchtiger Regent und Bundesgenosse der Römer bis zu seinem Tode im Jahre 215 ausübte, sich ein riesiges Getreideschiff baute, so fand sich nach dem Berichte des um 200 n. Chr. in Alexandrien und Rom lebenden griechischen Grammatikers Athenaios aus Naukratis in Ägypten nur im brettischen Gebirge in Italien ein Baum, der als Hauptmast dienen konnte. Es war dies im heutigen, aus Laricio-Kiefern bestehenden Nilawalde, der aber damals auch mit Eichen oder Buchen untermischt gewesen sein muß, da ein Sauhirt, der seine Herde zur Eichel- oder Bucheckernmast in den Wald trieb, der Auffinder dieser damals schon bemerkenswerten Rarität war.
Von ungeheuren, unwirtlichen Wäldern auf der italischen Halbinsel hören wir auch durch die römische Überlieferung. Den ciminischen Wald beim heutigen Viterbo nördlich von Rom beschreibt der römische Geschichtsschreiber Livius (59 v. bis 17 n. Chr.) unter dem Jahre 308 v. Chr., also nach der Zeit Alexanders des Großen, als so schrecklich, wie nur die später von den Römern betretenen Wälder Germaniens. Von einem ähnlichen Grauen vor diesem entsetzlichen Waldgebiete muß auch der im 2. Jahrhundert n. Chr. lebende römische Geschichtsschreiber Florus erfaßt gewesen sein, der wie Livius eine Geschichte Roms von der Gründung der Stadt bis zu Kaiser Augustus schrieb. Er berichtet, daß damals der Prätor C. Manlius zu Anfang des von 218–201 v. Chr. dauernden zweiten punischen Krieges zum Entsatze des von den Bojern, einem teils in Oberitalien, teils zwischen Alpen und Donau seßhaften keltischen Volksstamme, bedrängten Mutina (dem heutigen Modena) herbeirückte, sein Heer in den unwegsamen Wäldern fast aufgerieben wurde. Noch schlimmer erging es nach demselben Autor dem Prätor L. Postumius in dem litanischen Wald, aus welchem von seinem ganzen Heere nur wenige Mann den Ausweg fanden.
Und dieses Waldland Italien, das ursprünglich außer Haselnüssen, Holzäpfeln, Schlehen, Holzbirnen, Eicheln, Bucheckern und Waldbeeren keinerlei eßbare Früchte trug, schildert uns der im Jahre 116 v. Chr. geborene und 27 v. Chr. verstorbene bedeutendste Gelehrte Roms, Marcus Terentius Varro, es sei dermaßen mit aus dem Morgenlande eingeführten Fruchtbäumen besät, daß es wie ein großer Obstgarten erscheine! Edle Äpfel und Birnen, Quitten und Mandeln, Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche, Feigen, Granaten, Oliven, Maulbeeren, Kastanien, Walnüsse, Pistazien wurden zur römischen Kaiserzeit in Menge auf jener einst aller eßbaren edleren Früchte mangelnden Halbinsel gezogen.
Die Vermittler dieser Umwandlung, von deren Reichtum in der Folge ganz Europa bis auf unsere Tage solch großen Nutzen zog, bildeten Sklaven und Freigelassene aus Syrien, Kilikien und den verschiedenen Ländern Kleinasiens. Nach den glücklich durchgeführten asiatischen Kriegen, die eine Fülle Kriegsgefangener auf den römischen Markt brachten, wimmelte Italien von ihnen lange vor dem großen römischen Sittenmaler Juvenalis (47–130 n. Chr.), der sich in einer Satire beklagt, es sei so weit gekommen, daß der syrische Fluß Orontes sich in den Tiber ergieße. Er meint damit: Rom und seine Umgebung sei dermaßen von Syriern überschwemmt, daß man sich an den Orontes versetzt glauben könne. Diese syrischen Sklaven waren durch Arbeitsamkeit, Ausdauer und Ergebenheit gegen ihre Herren ausgezeichnet. Schon der römische Komödiendichter Plautus (254–184 v. Chr.) nennt sie das allergeduldigste Geschlecht der Menschen. Dem Kriegshandwerke abgeneigt, waren sie als Träger einer überaus alten Kultur aufs beste vertraut mit dem Aufziehen und Pflegen von Pflanzen, besonders Obstbäumen, die sie durch sachkundige Beschneidung und Düngung zu ergiebigster Fruchtbildung veranlaßten. Aufs beste verstanden sie sich auf das Veredeln, dessen Methoden uns schon von altgriechischen Autoren eingehend geschildert werden, von den späteren römischen Schriftstellern über Obstbau nicht zu reden, die sich sehr eingehend über diese Materie aussprechen. Sagt doch bereits der ältere Plinius (23–79 n. Chr.): „In der Veredelung der Bäume haben die Menschen schon längst das Höchste erreicht“, bemerkt aber dazu, daß man eine Sünde begehen würde, alles auf gut Glück durcheinander veredeln zu wollen; „denn Dornsträucher (spina) darf man nicht pfropfen, weil sich sonst die Blitze nicht leicht sühnen lassen und jeder Blitzschlag mit zwei-, drei- oder vierfacher Gewalt einschlägt, wenn man zwei-, drei- oder vierfach veredelt hat.“ An einer anderen Stelle meint derselbe Plinius: „Auf die Veredelung (inserere, d. h. einsäen) mag wohl die Natur selbst den Menschen aufmerksam gemacht haben, indem durch Vögel oder Winde öfter Samen auf Bäume gebracht werden und auf diesen gedeihen. So habe ich z. B. einen Kirschbaum auf einer Weide, eine Platane auf einem Lorbeer, einen Lorbeer auf einem Kirschbaum und allerlei der Art gesehen. Auch Kerne, die von Dohlen als Vorrat in Ritzen alter Mauern gesteckt werden, geben Veranlassung zu dergleichen Erscheinungen.“ — Das Okulieren (inoculatio) besteht darin, daß man von einem Baume ein Auge mit etwas Rinde abschneidet und in einen anderen Baum einsetzt, von dem man ein eben solches Stück Rinde weggeschnitten hat, Vergil (70–19 v. Chr.) lehrt auch, in dem Knoten, auf dem eine Knospe sitzt, ein Loch zu machen und eine fremde Knospe in dieses zu setzen. Beim Pfropfen (insitio) schneidet man den Stamm mit der Säge durch, glättet die Wunde mit der Hippe (dem gekrümmten Rebmesser), schiebt das Pfropfreis zwischen Holz und Rinde, wie es von altersher geschieht, oder spaltet den Stamm und setzt die Reiser in den Spalt. Nach Cato (234–149 v. Chr.) soll man die Wunde „mit einer Mischung von Ton, Kreide, Sand und Kuhmist verstreichen.“
Ein ungenannter Grieche der klassischen Zeit schreibt in den Geoponika, einer ums Jahr 912 n. Chr. veranstalteten Sammlung von Auszügen aus guten alten griechischen Schriften über Land- und Gartenwirtschaft: „Es sind drei Arten der Veredelung (enkentrismós von kéntron Gerte, Reis, also zu deutsch Reiseinfügung) im Gebrauch. Veredelt man so, daß man den Stamm durchschneidet, von der Wunde aus einen Keil zwischen Rinde und Holz treibt und in die so entstandene Höhlung das Reis (énthema) einfügt, so nennt man dieses Verfahren emphyllismós (von phýllon Blatt). Spaltet man aber den Stamm, nachdem er quer durchschnitten ist, in der Mitte und setzt das Reis in den Spalt ein, so heißt dieses Verfahren insbesondere enkentrismós.
In beiden Fällen der Veredelung muß man rasch zu Werke gehen, damit weder die Wunde des Stammes, noch das Reis austrocknet. Die Reiser, welche man einsetzt, müssen zweijährig sein und die Dicke eines kleinen Fingers haben und sich in zwei oder drei Enden teilen; die einjährigen wachsen zwar leicht an, sind aber unfruchtbar. (Im Mittelalter dagegen verwendete man gleich heute, wie beifolgender alter Holzschnitt zeigt, stets einjährige Edelreiser, die natürlich vollkommen fruchtbar sind. Man schneidet sie im Winter, in der Zeit der Knospenruhe, ab und bewahrt sie meist in feuchtem Sand, damit sie nicht zu stark eintrocknen, und pfropft damit beim Trieb im Frühjahr.) Die Reiser werden zehn oder mehr Tage vor der Veredelung von ihrem Baume geschnitten und in einem gut zugedeckten Topfe aufbewahrt, damit sie nicht zu sehr eintrocknen. Die Knospen müssen an ihnen noch geschlossen sein, an dem zu veredelnden Baume aber eben aufbrechen wollen, wenn man die Reiser einsetzt, und eben deswegen müssen die Reiser schon vorher abgeschnitten sein. Es zeigt auch die Erfahrung, daß sie weit leichter anwachsen, wenn sie nicht mehr frisch sind. Der Grund dieser Erscheinung ist darin zu suchen, daß sie in ganz frischem Zustande, weil voll Saft, auch dicker sind; würde man sie so einsetzen, so würden sie in der ersten Zeit, ehe sie anwachsen, noch schwinden, wodurch Ritze entstehen würden, in welche die Luft eindringen kann. — Werden Reiser in die Ferne verschickt, so tut man sie in einen Topf, dessen Boden mit feuchtem Ton bedeckt ist. Man steckt sie in den Ton, schließt den Topf und verstreicht gut alle Fugen am Deckel.“
Die Technik des Pfropfens war bei den alten Griechen und Römern zu einer in der Jetztzeit kaum wieder erreichten Virtuosität ausgebildet. Man glaubte damals, soweit man sich nicht durch abergläubische Erwägungen, von denen Plinius eine erwähnt, bestimmen ließ, jedes beliebige Reis auf jeden beliebigen Baum pfropfen zu können, und erreichte damit auch in der Tat Erstaunliches. So will derselbe Plinius einen Baum gesehen haben, der an seinen verschiedenen Ästen mehrere Äpfel- und Birnensorten, Granaten, Feigen, Weintrauben, Oliven und Nüsse zugleich trug; doch soll er nicht lange gelebt haben. Schon beim römischen Dichter Vergilius Maro (70–19 v. Chr.) trägt die Platane Äpfel, die Esche Birnen, der Erdbeerbaum Nüsse und die Ulme Eicheln, und bei Palladius, um 380 n. Chr., ist in seinem Buche über den Landbau kein Baum, von dem nicht ausgesagt würde, er könne die und die fremden Früchte zu tragen gezwungen werden.
Bild 12. Das Pfropfen der Obstbäume im Mittelalter mit einjährigen Reisern.
(Nach einem Baseler Holzschnitt von 1548.)
Die mit Baumharz verstrichene Wunde ist noch vorsorglich mit einem Leinwandlappen umbunden, was heute nicht mehr üblich ist und auch im Altertum nicht angewendet wurde.
Über diese Virtuosität, die Natur zu vergewaltigen und zu mißbrauchen, wie er sich ausdrückt, entsetzte sich zwar mancher, wie der biedere Plinius, als über einen den Zorn der Götter wachrufenden Frevel. So aberwitzig auch solche Künsteleien erscheinen mochten, so hatten sie doch das Gute, die Mannigfaltigkeit und Vollkommenheit der einst in Italien fremden, nun aber durch die regen Verbindungen mit dem an Fruchtbaumsorten so reichen Orient hier eingebürgerten Früchte immer weiter zu steigern. Wenn die römischen Aristokraten nach Ablauf ihres Jahres aus Syrien oder einer anderen der an der Ostgrenze des Reiches gelegenen Provinzen heimkehrten und manche angenehme Frucht, die dort auf ihre Tafel gekommen war, nach Italien und auf ihre Villen zu versetzen wünschten, so hatten sie in ihren syrischen, kleinasiatischen und persischen Sklaven außerordentlich erfahrene und geschickte Gärtner, die ihnen beim Großziehen und Veredeln der mitgebrachten Pflanzenschätze behilflich waren und zur Belohnung dafür die goldene Freiheit oder wenigstens eine gnädige, milde Behandlung erwarten durften.
So hat der Orient, dem wir die Gewinnung der meisten Fruchtsorten, die Kaprifikation der Feige, die Füllung der Rosen, Violen und anderer Blumen und die Hochzuchten zahlreicher Gemüsearten verdanken, durch seine infolge Kriegsunglückes in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten nach dem Herrenlande Italien verbrachten gartenkundigen Einwohner diese ihre neue Heimat aufs weitgehendste mit neuen gärtnerischen Zuchtprodukten befruchtet. Und aus Italien brachten die Römer die ihnen zu Hause liebgewordenen Fruchtarten in ihre nördlichen und westlichen Provinzen, die sie damit beschenkten, indem sie dieselben dort anpflanzten und heimisch werden ließen. So war es mit den verschiedenen Äpfel- und Birnensorten, wie noch mit so mancher anderen Fruchtart, mit der wir uns im folgenden zu beschäftigen haben, der Fall.
Welchen Fortschritt die Kultur dieser beiden so wichtigen Fruchtbäume im Altertum gemacht hat, lehrt uns folgende von F. Unger aufgestellte Zusammenstellung, die wir allerdings nicht belegen. So kannten
Theophrast (um 300 v. Chr.) | von | Äpfeln | 2, | Birnen | 3 | Sorten, |
Cato d. ältere (um 160 v. Chr.) | „ | „ | 7, | „ | 6 | „ |
Plinius d. ältere (um 70 n. Chr.) | „ | „ | 36, | „ | 41 | „ |
Palladius (um 380 n. Chr.) | „ | „ | 37, | „ | 56 | „ |
Diese sind dann in der Folge um mehr als das Dreißigfache vermehrt worden, so daß man gegenwärtig von jeder Art über 1500 Spielarten zählt, die sich durch Größe, Gestalt, Farbe, Konsistenz, Geschmack und Zeit der Reife oft außerordentlich voneinander unterscheiden.
Zu den durch die Vermittlung der Römer dem Europa nördlich der Alpen verschafften Obstbäumen des Orients gehört auch die mit den Äpfeln nahe verwandte Quitte (Cydonia vulgaris), die heute noch in den Wäldern des nördlichen Persien beim Kaspischen Meer, südlich vom Kaukasus in Armenien und Kleinasien wildwachsend mit kleinen, unscheinbaren, gelben Früchten gefunden wird. In ihrer Heimat ist sie schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend von einem uns unbekannten Volke in Pflege genommen und zu einer großfrüchtigen Kultursorte umgewandelt worden. Dem babylonisch-ägyptischen Kulturkreise blieb auch dieser Obstbaum fremd, schon weil er als die Kühle liebender Gebirgsbaum die anhaltende Wärme der Niederungen nicht ertrug. Schon zu Beginn des letzten christlichen Jahrtausends muß er westwärts gewandert und in Kleinasien gepflanzt worden sein. Seine früheste urkundliche Erwähnung findet er bei dem aus Lydien gebürtigen griechischen Dichter Alkman ums Jahr 650 v. Chr. Dann nennt ihn ums Jahr 600 v. Chr. der griechische Dichter Stesichoros aus Sizilien in seinem Stücke Helena und 50 Jahre später der durch Schillers Ballade uns allen wohlbekannte Dichter Ibykos aus Rhegion in Unteritalien. Also war diese Frucht und der sie hervorbringende Baum schon im 7. vorchristlichen Jahrhundert den Griechen allgemein bekannt. Sie bezeichneten ihn als mḗlon kydṓnion, d. h. kydonischen Apfel (woher der noch heute geltende botanische Gattungsname Cydonia herrührt), weil sie ihn zunächst aus dem Gebiete der Kydonen an der Nordwestküste Kretas bezogen. Dahin war er einst von der karischen Südküste Kleinasiens als ein der Liebesgöttin heiliger Fruchtbaum gelangt. Als dann die Griechen den Fruchtbaum in Pflege nahmen, weihten sie seine von ihnen meist nur als „goldene Äpfel“ bezeichneten Früchte gleichfalls ihrer Liebesgöttin Aphrodite und benutzten sie als Geschenk bei Liebesspielen und als bräutliche Gabe. Bei der Hochzeit trug die Griechin der alten Zeit die der Liebesgöttin geweihte Quitte als Unterpfand einer glücklichen Ehe in der Hand und brachte sie ihrem Gatten als Zeichen dafür, daß sie sich nunmehr dem Dienste der Aphrodite weihe, ins Haus, eine Sitte, die der berühmte, zu den sieben Weisen gerechnete Gesetzgeber der Athener, Solon (639 bis 559 v. Chr.), zum offiziellen Hochzeitsritus erhob und die sich in Attika im Laufe der Jahrhunderte durch allen Wechsel der Zeiten bis auf den heutigen Tag erhielt.
Die schön gelbe Frucht, die sich wegen ihrer Herbe roh nicht genießen ließ, die aber mit Honig eingekocht eine von ihnen als Delikatesse geschätzte, aromatisch duftende, feinschmeckende, mēlo- oder kydōnomḗli genannte süße Speise lieferte, haben die Griechen schon im Altertume sehr geschätzt. Die Hippokratiker bedienten sich ihrer als Arznei gegen Durchfall. Gleichwohl scheint Viktor Hehn im Irrtum zu sein, wenn er die goldenen Äpfel der griechischen Sage nicht als idealisierte Äpfel, sondern als Quitten auffaßt, was ihm dann andere kritiklos nachsprachen. Von den griechischen Kolonien Unteritaliens gelangte dann die Quitte auch zu den Römern, die aus dem griechischen mḗlon kydṓnion, d. h. kydonischer Apfel, malum cotoneum machten, ein Ausdruck, aus welchem dann später das althochdeutsche Kutina und schließlich das neuhochdeutsche Quitte hervorging, während die Früchte heute noch im Italienischen mela cotogna heißen. Der aus Spanien nach Rom gekommene Ackerbauschriftsteller Columella zählt drei Sorten Quitten (cydonium) auf, nämlich struthium, chrysomelinum und musteum, letzteres offenbar eine Mostquitte. Nach ihm kennt Plinius um 75 n. Chr. schon sechs Sorten, die nicht nur als Genuß-, sondern auch als Heilmittel verwendet wurden, nämlich eine goldgelbe, gefurchte, chrysomelum genannte, eine ausgezeichnet riechende weiße einheimische, eine ebenfalls geschätzte neapolitanische, eine strutheum genannte kleinere und noch wohlriechendere Spätsorte und eine musteum (d. h. Mostquitte) genannte Frühsorte. Unter ihnen sind sowohl Äpfel- als Birnenquitten zu verstehen, die schon Cato ums Jahr 150 v. Chr. unterschied. Zur letzten von ihm erwähnten Sorte bemerkt Plinius: „Die mulvianische Quitte ist dadurch entstanden, daß die gewöhnliche Quitte (cotoneum) auf strutheum gepfropft wurde. Sie ist die einzige Sorte, welche roh gegessen werden kann. Alle Quittensorten sieht man jetzt in den Empfangszimmern der Männer aufgestellt und vor die Bildsäulen der Nachtgottheiten gelegt. In den Zäunen wachsen auch kleine, wilde Quitten von vortrefflichem Geruch.“ Sein Zeitgenosse, der aus Kilikien gebürtige, in Rom tätige griechische Arzt Dioskurides meint: „Die Quitten bekommen dem Magen gut, sind gekocht milder als roh. Um Quittenwein zu machen, welcher kydonítēs und mēlítēs heißt, läßt man zerstoßene Quitten 30 Tage lang in Most und seiht diesen dann durch. Um mēlomḗli, auch kydōnomḗli genannt, zu bekommen, legt man Quitten, denen die Kerne genommen sind, in Honig. Um dem Olivenöl den angenehmen Geruch der Quitten zu geben, legt man Quitten so lange hinein, bis der Zweck erreicht ist.“
Schon der Grieche Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert wußte, daß „wie aus den Samen der Kulturbirne (ápios) die elende wilde Birne (áchras) und aus dem Samen des edlen Apfels eine schlechte, saure Sorte gezogen werde, so zieht man aus der edlen Quitte (strúthion) die wilde Quitte (kydṓnion).“ Und Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. sagt, daß man die Quitten durch Pfropfen vermehre: „Die Quittenbäume (cydonius) lieben einen kühlen, feuchten Standort. Man pfropft am besten Quitten auf Quitten. Aber auf diesem Baume gedeihen auch Pfropfreiser von Granaten, Spierlingen und allen apfelähnlichen Früchten, welche sogar dadurch verbessert werden. Man hebt die geernteten reifen Quitten auf verschiedene Art auf, und will man sie in Honig legen, so zerschneidet man sie vorher mit einem Messer aus Rohr oder Elfenbein in vier Stücke.“
Mit den übrigen Obstarten brachten die Römer auch den Quittenbaum in die nördlichen Provinzen des Reichs, wo er sich auch nach dem Untergange der Römerherrschaft erhielt, so daß er im Inventare der Gärten Karls des Großen aus dem Jahre 812 als cotoniarius figuriert. Bei der heiligen Hildegard, Äbtissin von Rupertsberg bei Bingen (1098–1197), wird er als quotanus, beim Dominikaner Albertus Magnus, Graf von Bollstädt, einem der größten Gelehrten des Mittelalters (1193–1280), als coctanus oder citonius erwähnt. Da aber seine Früchte nur mit Honig oder später Zucker eingemacht genießbar sind, hat er beim Volke keine besonders große Bedeutung erlangt. In Italien werden übrigens noch jetzt wie zur Zeit des Plinius reife Quitten in den Zimmern aufgestellt, um diese mit deren angenehmem Duft zu erfüllen.
Durch die Vermittlung der Phönikier, die diesen Fruchtbaum überall in den von ihnen gegründeten Kolonien anpflanzten, erhielten die alten Griechen den Granatapfel (Punica granatum). Dieser ist in ganz Vorderasien, vom nordwestlichen Indien über Persien bis Kleinasien, zu Hause, erscheint im wilden Zustande stets strauchartig und besitzt nur kleine Früchte, die erst durch Kulturauslese zu Faustgröße gediehen. Durch seine feuerroten Blüten und seine rotwangigen, kernreichen Früchte mit säuerlichem Fruchtfleisch mußte er frühe schon die Aufmerksamkeit des Menschen auf sich ziehen, der ihn dann in seine Pflege nahm und ihn in Beziehungen zu seinem Hauptgotte, dem Sonnengotte, brachte. Als Kultpflanze spielte er im syrisch-phönikischen Gottesdienste eine wichtige Rolle und verbreitete sich über das Gebiet der Westsemiten, bei denen er rimmôn genannt wurde, als ahrmani nach Ägypten, wo wir ihm im neuen Reiche zuerst begegnen. Die älteste Erwähnung desselben finden wir an der Wand der Grabkammer des Schreibers Anna, der unter Thutmosis I. (1547–1501 v. Chr.) starb. Hier wird er unter den Bäumen des Totengartens erwähnt, unter denen der Geist des Verstorbenen wandelnd gedacht war. Da jener Fürst Thutmosis den ersten Feldzug nach Syrien unternahm, scheint die Granate als Folge desselben nach dem Niltale gekommen zu sein. Die älteste Darstellung des Granatbaums stammt aus der Zeit des erfolglosen Reformators der ägyptischen Staatsreligion Amenhotep IV. am Ende der 18. Dynastie (1375–1358 v. Chr.) in einem Grabe bei seiner damaligen Residenz, dem heutigen Teil el Amarna nördlich von Theben, während die ältesten Granatfrüchte unter den Totenbeigaben eines Grabes der 20. Dynastie zur Zeit Ramses IV. (1167–1148 v. Chr.) aus der Totenstadt von Theben gefunden wurden. Diese Granatäpfel sind kleiner und einfacher gebaut als die heutigen. Während nämlich letztere meist 6–8 Fruchtfächer besitzen, haben die ersteren deren nur 4–6. In späterer Zeit finden wir diesen Fruchtbaum auch auf Wandgemälden und seine Früchte unter den Opfergaben ziemlich häufig abgebildet. Aus seinen schön roten Blüten flocht man Girlanden, mit denen man die mumifizierten Toten schmückte, und aus seinem säuerlichen Fruchtfleisch stellte man eine Art Limonade her, die in den altägyptischen Texten als schedech-it erwähnt wird. Diese Frucht war so beliebt, daß sich die Juden auf ihrer Wüstenwanderung unter Moses, wie uns im Pentateuch berichtet wird, nach den Granatäpfeln und Weintrauben Ägyptens zurücksehnten. Und als sie sich ums Jahr 1250 v. Chr. Kanaan erobert und im Lande häuslich niedergelassen hatten, wandten sie den im Lande schon längst angebauten Granatbäumen große Sorgfalt zu; denn auch in ihrem Kulte spielte bald die Blüte und die Frucht des Granatbaums eine bedeutungsvolle Rolle. Ihre Priester mußten nämlich, wenn sie ins Heiligtum eintraten, ein Kleid anhaben, an dessen Saum Granatäpfel hingen. Auch der zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends unter ungeheurem Aufwand an Geld gebaute salomonische Tempel barg in seinen zahlreichen Verzierungen häufig das Granatapfelmotiv, und speziell die Säulen trugen Kapitäle in Form von aufgeschichteten vergoldeten Granatäpfeln. Was die praktische Verwendung der säuerlichen bis süßen Früchte anbetrifft, so wurden sie auch bei den Juden außer als Speise in frischem Zustande zur Herstellung eines durstlöschenden Saftes verwendet. So gab es im alten Palästina eine Ortschaft Gath-rimmôn, was „Kelter des Granatapfels“ bedeutet. Bekannt ist ihre Rolle in dem um 800 v. Chr. entstandenen Hohen Liede, wo es in Kap. 6, 6 von der Geliebten heißt: „Deine Wangen sind wie ein Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen“ und in Vers 10: „Ich ging hinab in den Nußgarten, zu schauen die Sträucher am Bach, nachzusehen, ob der Weinstock blühete, ob die Granatbäume grüneten,“ oder ebendort 4, 13: „Dein Gewächs ist wie ein Lustgarten von Granatbäumen mit edlen Früchten.“
Auch in ganz Vorderasien muß der Granatapfel und ein aus seinem sauersüßen Fruchtsafte hergestellter Trank beliebtes Genußmittel gewesen, was uns die Stelle von Herodot verrät, daß der Perserkönig Dareios I. (Sohn des Hystaspes, Großneffe des Kyros, der nach Kambyses kinderlosem Absterben und der Ermordung des falschen Smerdis 521 v. Chr. den Thron bestieg, bekanntlich 490 den Zug zur Unterjochung Griechenlands unternahm, die an dem Siege der Griechen unter Miltiades bei Marathon scheiterte, und 485 starb) diese Frucht nicht missen mochte.
Von Kleinasien aus, und zwar speziell aus Karien, kam der Granatapfel ebenfalls in Verbindung mit religiösen Anschauungen zu den Griechen, denen sein Kernreichtum ein Sinnbild der Fruchtbarkeit war, weshalb sie ihn den chthonischen Gottheiten Demeter (= Gḗ mḗtēr, d. h. Mutter Erde) und Persephone weihten. Schon zu homerischer Zeit scheint man den Granatbaum gekannt zu haben, da in der Odyssee neben Birn- und Apfelbäumen auch Granatbäume (jonisch roiḗ) in den Gärten des Alkinoos und Laertes erwähnt werden. Der berühmteste Arzt des Altertums, Hippokrates (460–364 v. Chr.), empfiehlt den Saft des Granatapfels, in Attika roá genannt, als Labetrunk für Kranke, besonders Fiebernde, und der Schüler des Aristoteles, Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert, schreibt, daß die Granatblüte auch gefüllt vorkomme, so daß sich ihre Masse wie bei einer gefüllten Rose ausbreitet. Über 400 Jahre später sagt Dioskurides: „Der Granatapfel (roá) schmeckt gut, ist gesund, gibt aber sehr wenig Nahrung.“
Da die Römer diese Frucht nicht nach dem Griechischen nannten, sondern als punischen Apfel (malum punicum) oder Granatapfel (malum granatum, woraus das italienische melogranato oder granato entstand) bezeichneten, muß die Bekanntschaft derselben durch die Punier, d. h. Karthager, vermittelt worden sein, doch werden sie den Baum selbst wohl zweifellos durch die Griechen Kampaniens erhalten haben. Noch Plinius sagt: „Bei Karthago wachsen die besten Granatäpfel; es gibt davon verschiedene Sorten. Ihr Genuß bekommt nicht sonderlich gut. Die einzelnen Teile des Baumes gebraucht man als Heilmittel.“ Und der ums Jahr 120 n. Chr. verstorbene witzige Epigrammdichter Martialis schrieb einem Freunde bei Zusendung eines Körbchens mit diesen Früchten: „Du erhältst keine kernlosen afrikanischen Granaten, sondern inländische Früchte aus meinem Garten.“ Trotzdem das Klima von Mittelitalien den Anbau des die Wärme liebenden Granatbaumes nicht gerade günstig war, wurde er hier gepflanzt; doch wurden die viel süßeren nordafrikanischen Sorten, die einst von den Phönikiern aus Syrien eingeführt worden waren, den ziemlich saueren einheimischen Sorten bei weitem vorgezogen. So besitzen wir noch ein Zeugnis aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts, worin Flavianus Myrmecius in einem kleinen Gedichte seinen Freund Rufus Festus Avienus bittet, er möchte ihm, wenn sein Schiff aus Afrika komme, einige dort gewachsene süße Granatäpfel senden. Sein eigener Garten trüge zwar auch solche, aber sie seien sauer und herb und nicht den nektargleichen Früchten zu vergleichen, wie sie die warme Sonne Afrikas hervorbringe.
Wie bei den Griechen, die ihnen den Granatbaum übermittelten, erhielt er auch bei den Römern eine gewisse sakrale Bedeutung. So trug nach altem römischen Opferritual die das Abbild der römischen Matrone aus der Urzeit darstellende Gattin des Oberpriesters auf dem Haupte einen Granatbaumzweig, dessen Enden mit einem weißen Wollfaden verknüpft waren, wie das Haupt ihres Mannes mit einem Ölzweig geschmückt war.
Die aus der karthagischen Zeit übernommenen Granatbaumanpflanzungen kultivierten die Römer in ihrer Provinz Afrika weiter und zogen eine sehr süße, blutrote, scheinbar kernlose, d. h. sehr weichkernige Sorte, die den Vandalen, die im Jahre 429 von Spanien aus unter Geiserich nach Nordafrika einfielen und 439 hier ein ausgedehntes Reich gründeten, besonders gemundet zu haben scheint. Auch die Araber ließen sich seine Kultur angelegen sein und brachten ihn, als sie nach dem Siege von Xeres de la Frontera 711 Südspanien besetzten, dahin. Hier wurde diese Frucht in der Folge viel gezogen und die im 10. Jahrhundert von den Mauren gegründete Stadt Granada erhielt von der Granate, deren Abbild dann auch ins Stadtwappen überging, ihren Namen. Sonst ist die arabische Bezeichnung der Frucht roma.
In den altbyzantinischen Geweben, die dann das Abendland nachahmte, spielt das Granatapfelmuster eine große Rolle. Gern pflanzte man dort wie im ganzen Abendlande den Strauch mit den hübschen Blüten in Kübel und stellte ihn zur Einfassung von Treppen und zur Verzierung von Altanen auf. Von dem spätgriechischen Namen der Blüte, balaústion — wohl auch einem orientalischen Fremdwort — hat sich das italienische balaustro und davon balaustrata gebildet, woraus unser Balustrade entstand. Vom säuerlichen, rotgefärbten Fruchtsafte stellt man die Grenadine her, jenen Sirup, der mit Wasser verdünnt auf sehr angenehme Weise den Durst löscht. Heute haben aber die Zitrone und die Orange dem Granatapfel den Platz geraubt, den er bei den Alten einnahm. Doch noch jetzt verknüpft das Volk in Griechenland, wo man die Pflanze häufig verwildert antrifft, mit der Frucht die Vorstellung reichen Segens und der unzählbaren Menge, und die feuerrote Blüte ist als Geschenk ein Zeichen feuriger Liebe. Im Mittelalter aber diente allgemein wie in Südeuropa, so auch bei uns eine Abkochung der Frucht als Fiebermittel, bis die Chinarinde im 16. Jahrhundert aufkam und dieses ältere Mittel verdrängte.
Auch die Mispel (Mespilus germanica) stammt aus dem Orient, und zwar ist sie in Nordpersien zu Hause. Dieser Baum, dessen wenig schmackhafte Früchte nur im überreifen, teigigen Zustande genießbar sind und sich im allgemeinen in unserer verwöhnten Zeit keines besonderen Ansehens erfreuen, kam frühzeitig nach Griechenland, wo er schon von dem ums Jahr 700 v. Chr. auf der Insel Paros lebenden Dichter Archilochos und später von Theophrastos aus Lesbos (390 bis 286 v. Chr.) unter dem Namen méspilon erwähnt wird. In Italien war er nach Plinius noch zur Zeit Catos, der im Jahre 149 v. Chr. starb, unbekannt, gelangte aber nach dem makedonischen Kriege aus Makedonien unter seinem griechischen Namen dahin. Plinius spricht mehrfach vom mespilus, und Palladius im 4. Jahrhundert nach Chr. sagt: „Die Mispeln gedeihen an warmen Orten gut, aber auch an kalten. Man zieht sie aus Stecklingen, welche im März oder November in gut bearbeiteten und gedüngten Boden eingesetzt werden. Der Baum wächst sehr langsam. Man pfropft die Mispel im Februar auf Mispel- oder Birn- oder Apfelstämmchen; dabei nimmt man das Reis von der Mitte des Stammes, denn von der Spitze genommen taugt es nichts. Immer muß in den Spalt gepfropft werden, denn beim Propfen in die Rinde gedeiht es nicht. Die Früchte nimmt man vom Baume, ehe sie eßbar sind, denn sie bleiben auch am Baume sehr lange hart. Man verwahrt sie in ausgepichten Töpfen oder hängt sie einzeln auf, oder legt sie in eingedickten Most; auch legt man sie so in Spreu, daß sie sich nicht berühren.“
Daß die Römer den Mispelbaum im südlichen Gallien bereits vorfanden, beweist, daß er vermutlich von der griechischen Kolonie Massalia aus in das Gebiet der Rhone gebracht wurde. Durch die Römer wurde er auch in ihren nordischen Militärstationen angesiedelt. Im Mittelalter wurde er in Frankreich und Deutschland so häufig angepflanzt, daß er heute vielerorts verwildert auftritt, so daß noch Carl von Linné, der ihm den Beinamen des „Deutschen“ gab, glaubte, er sei in Deutschland von jeher heimisch gewesen. Auch er gehört als mespilarius zu den Bäumen, die im Capitulare de villis und in zwei Garteninventaren aus der Zeit Karls des Großen aus dem Anfange des 9. Jahrhunderts vorgeschrieben werden.
Viel besser als die „deutsche Mispel“ schmeckt die seit kaum hundert Jahren in die Mittelmeerländer eingeführte japanische Mispel (Eriobotrya japonica), deren gelbe, angenehm säuerliche Früchte von den Franzosen kurz nèfles, d. h. Mispeln, genannt werden. Wer an der Riviera oder in Algerien gereist ist, dem sind die im ersten Frühjahre als erstes Obst reifenden Früchte, wie auch der dichtbelaubte Baum mit seinen großen, oben glänzenden und unten dicht wollfilzigen, lederartigen Blättern sehr wohl bekannt. Obschon wenig haltbar, gelangen die Früchte, seit wir durch gute Zugsverbindungen nach der Durchtunnelung der Alpen dem Süden gleichsam näher sind, immer häufiger zu uns und werden jetzt regelmäßig in den Früchtehandlungen zum Kaufe angeboten. Diesen Bürger Ostasiens brachte Sir Joseph Banks im Jahre 1778 aus Japan zuerst nach England, von wo er bald in die ihm mehr zusagenden, weil wärmeren Länder am Mittelmeer gelangte. Doch gedeiht er noch ganz gut an dem vor rauhen Winden geschützten Nordufer des Genfersees. Auch in Chile wurde er zu Beginn des vorigen Jahrhunderts eingeführt. Er hat sich dort so gut eingebürgert, daß seine Früchte in jenem Lande wie in den Mittelmeerländern zum gemeinsten Obste gehören.
Noch unschmackhafter als die faden Mispeln sind die gleichfalls erst, wenn sie durch längeres Hängen am Baume teigig geworden sind, genießbaren, mehligen Früchte des Spierlings (Sorbus domestica), der Kulturform der Eberesche (Sorbus aucuparia), die aber gleichwohl schon im Altertum gerne gegessen wurden. Die sie liefernden Bäume wurden schon von den alten Griechen und Römern kultiviert. Der griechische Pflanzenkenner Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. beschreibt ausführlich den von ihm oía genannten Spierlingsbaum und sagt: „Manche Spierlingsbäume tragen runde, andere längliche Früchte, die sich auch durch den Geschmack unterscheiden; im ganzen sind die runden wohlriechender und süßer. Sie sind leicht dem Wurmstich ausgesetzt, wie auch die Bäume selbst, die am besten an kalten, feuchten Stellen gedeihen.“ Palladius im 4. Jahrhundert sagt. „Die Spierlingsbäume (sorbus) werden im April gepfropft, und zwar auf andere Spierlingsbäume, auf Quitten und auf Weißdorn. Man hebt die Früchte in irdenen, gut geschlossenen Gefäßen auf, die man an einem trockenen, sonnigen Orte in die Erde gräbt; auch zerschneidet man sie in Stücke und dörrt diese an der Sonne. Diese Schnitzchen kocht man dann, wenn sie gegessen werden sollen. Man hängt ferner die Früchte einzeln an einem schattigen, trockenen Orte auf, soll auch Wein und Essig aus ihnen gemacht werden.“ Nördlich der Alpen werden die Spierlingsbäume zuerst im Capitulare de villis Karls des Großen von 812 und im Entwurf des St. Galler Klostergartens vom Jahre 820 erwähnt. Seine im Hochsommer in großen Trauben reifenden scharlachroten bis gelben Beeren, die besonders von den Drosseln begierig gefressen werden, dienen, wie auch diejenigen des Elsenbeerbaumes (Sorbus torminalis), vielfach zur Herstellung eines würzig schmeckenden, starken Schnapses, der besonders gegen Durchfall getrunken wird. Der Baum, der sie liefert, ist ursprünglich in Südeuropa zu Hause und verdankt seine Überführung nach dem Norden ebenfalls den Römern. Im Mittelalter wurde er wie die Mispel häufig kultiviert. In Süddeutschland und Frankreich wird er noch jetzt vielfach als Obstbaum gezogen, doch hat hier seine Kultur nie größere Bedeutung erlangt, so wenig als diejenige des Weißdorns (Crataegus oxyacantha), dessen als Rotdorn bezeichnete rotblühende Form als prächtiger Baum überall gezüchtet wird. Seine roten, wenig fleischigen, als Mehlbeeren bezeichneten Früchte werden von den anspruchslosen Kindern gern gegessen. Bloß einige neuerdings bei uns eingeführte amerikanische Arten, wie Crataegus coccinea haben saftigere, auch von den Erwachsenen gern genossene Früchte von der Größe einer Kirsche, die auch wegen ihrer prächtigen, lebhaft roten Farbe ein Schmuck des Baumes sind. Immerhin ist dieser bei uns einheimische Strauch, der häufig in Wäldern der Gebirgsgegenden wild vorkommt, insofern für die Obstbaumzucht von Bedeutung, als er als Unterlage zum Aufpfropfen edler Birnensorten dient. Aber auch die leuchtend roten Scheinfrüchte der einheimischen wilden und verwilderten Rosen, die Hagebutten, bieten in ihrem fleischig gewordenen Blütenboden nach Entfernung der ihn innen bedeckenden kleinen, weichen Haare und der eingeschlossenen einsamigen, nußähnlichen Früchtchen mit Zucker gekocht ein durch seinen Wohlgeschmack ausgezeichnetes Fruchtmus, das, als „Buttenmost“ bezeichnet, geradezu einen Leckerbissen bildet, dessen einfache Abkunft man ihm gar nicht anmerken würde. Aber auch roh bilden sie, wenn ein Frost über sie gegangen ist und sie infolgedessen einen süßen Geschmack erlangt haben, eine noch heute von den Kindern gern gegessene Speise. Schon die Pfahlbauern müssen sie gesammelt und gegessen haben; denn man fand die Samenkerne der Hundsrose in größerer Menge in den spätneolithischen Pfahlbauten von Robenhausen und Moosseedorf.
Zur Pfahlbauzeit war man ja in bezug auf die pflanzliche Nahrung sehr wenig wählerisch, so hat man außer den Hagebutten auch die schwarzen Holunder- und Attichbeeren (von Sambucus nigra und S. ebulus), dann die Wasser- und Buchnüsse, die Mehl- und anderen Beeren wie Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Heidel- und Preißelbeeren, die Haselnüsse, Holzäpfel und Holzbirnen, Schlehen und Wildkirschen gesammelt und gegessen. Reste von der Kornelkirsche (Cornus mas) sind nicht unter jenem Wegwurfe gefunden worden, so daß der Strauch, der sich im Frühjahr über und über mit gelben Blüten bedeckt und später schön kirschrote, glänzende Steinfrüchte von pflaumenähnlicher Gestalt, nur bedeutend kleiner und von säuerlichem Geschmack, reifen läßt, damals noch nicht nördlich der Alpen vorkam. In den Pfahlbautenresten von Castione bei Parma in Oberitalien sind seine Fruchtsteine dagegen zahlreich gefunden worden. Im ganzen Altertum wurden seine Früchte gegessen. In der Ilias und Odyssee werden sie als kranía erwähnt, auch Theophrast spricht von ihnen. Da man im Altertume aus den geraden Stämmchen Lanzenschäfte machte, nennt der römische Dichter Vergil die Kornelle (cornus) gut zum Krieg. Plinius unterscheidet männliche und weibliche Sträucher und findet nur das Holz der ersteren zu Lanzenschäften geeignet, da es zu den härtesten Holzarten gehöre; das des weiblichen aber sei schwammig. Was für eine Pflanze er unter der letzteren Bezeichnung meint, läßt sich allerdings nicht sagen. Er sagt: „Die Kornelkirschen werden zur Speise gezogen und der griechische Arzt Dioskurides empfiehlt sie zum Einmachen.“ Wie solche Konserven bei den alten Römern hergestellt wurden, teilt uns sein Zeitgenosse Columella mit. Er sagt in seinem Buche über den Landbau: „Die Kornelkirschen, welche wie Oliven gegessen werden, die Nagelpflaumen (eine gewisse Sorte der Kulturpflaume), Haferpflaumen (auch Krieche von Prunus insititia, stammt wahrscheinlich aus dem Orient, ist dornig und einem Schlehenbaume ähnlich, trägt ebensolche, nur doppelt so große Früchte je nach den Kultursorten von dunkelblauer, rötlicher, gelber oder grüner Farbe und säuerlichem Fruchtfleisch, weshalb sie schon im Altertum in Südeuropa häufig angepflanzt wurde) und die verschiedenen Sorten von Birnen und Pflaumen werden in folgender Weise eingemacht. Man sammelt sie, wenn sie weder überreif, noch allzu unreif sind. Sie werden einen Tag lang im Schatten getrocknet und dann mit einer Mischung von gleichviel Essig und eingedicktem Most übergossen. Es ist auch etwas Salz beizufügen, damit keine Würmchen oder andere Tierchen in der Masse entstehen. Noch besser ist es übrigens ⅔ eingedickten Most und nur ⅓ Essig zu nehmen. Die Birnen sammelt man, wenn sie der Reife nahe sind, untersucht sie genau, ob sie keine Fehler oder Würmer haben, legt sie in einen irdenen, ausgepichten Topf, gießt aus halb eingetrockneten Trauben bereiteten Wein oder eingedickten Most darüber, so daß der Topf voll und jede Birne mit der Flüssigkeit bedeckt ist, verschließt den Topf mit einem Deckel und verstreicht den Ritz mit Gips. Übrigens können die Birnen wie die Äpfel auch in Honig aufbewahrt werden. Ich rate wenigstens so viele in Honig zu legen, daß sie für Fälle vorrätig sind, in denen sie Kranken nützlich sein können. Mit anders eingemachten darf man sie jedoch nicht mischen, sonst verdirbt eines das andere. Sonst werden Äpfel und Birnen von recht süßem Geschmack, die aber noch nicht ganz reif sein dürfen, mit einem aus Rohr oder Knochen verfertigten Messer zerschnitten und an die Sonne gelegt, bis sie eintrocknen. Hat man recht viel solcher gedörrter Äpfel- und Birnenschnitzchen in Vorrat, so sind sie nebst getrockneten Feigen ein sehr wichtiger Teil der ländlichen Nahrung für den Winter.“ In Rußland werden die Kornelkirschen viel gegessen und auch mit Zucker eingemacht. Auch bei den Türken bilden sie eine beliebte Speise und werden unter dem griechischen Namen krania überall auf den Straßen von Konstantinopel, Smyrna usw. von Händlern ausgeboten. Mit Wasser verdünnt bildet ihr Saft ein angenehmes, Scherbet (vom arabischen scharab für Trank) genanntes Getränk. Ebenso werden die süßen pflaumengroßen Früchte von Prunus ursina, eines bedornten baumartigen Strauchs Vorderasiens, der besonders am Antilibanon in Menge wild wächst, wie auch diejenigen des kleinen, ganz der Erde angepreßten Gebirgsstrauchs Prunus prostrata, sehr gerne gesammelt und gegessen.
Eine weit größere Rolle als diese doch recht bescheidenen, kaum kultivierten Früchte spielen die zu den Rosenblütlern gehörenden Kirschen und Pflaumen. Diese sind in den edlen Kultursorten erst in geschichtlicher Zeit nach Südeuropa und von da über die Alpen nach Norden gelangt. Die vorgeschichtlichen Europäer kannten als Steinobst einzig die herben, wenig schmackhaften Früchte der Vogelkirsche (Prunus avium), der Traubenkirsche (Prunus padus) und Schlehe (Prunus spinosa). Reste von ihnen sind in den neolithischen Pfahlbauten der Schweiz, Italiens und Österreichs und in den verschiedensten bronzezeitlichen Stationen Mitteleuropas gefunden worden. Auch die primitiveren Völker des Altertums sammelten sie noch, um sich ihrer als Speise zu bedienen. Bei manchen Volksstämmen erfreute sich die Traubenkirsche besonderer Beliebtheit. So berichtet uns der griechische Geschichtsschreiber Herodot (484 v. Chr. in Halikarnassos geboren und um 424 zu Thurii in Unteritalien gestorben) von den Argippäern, „plattnasigen Leuten mit langem Kinn, die nördlich von den Skythen am Fuße hoher Berge wohnen und eine eigene Sprache reden“, — man hat in ihnen wohl mit Recht die Vorfahren der heutigen Baschkiren am Südende des Uralgebirges vermutet — daß sie von den Früchten eines póntikon genannten feigenbaumgroßen Baumes leben, der saubohnengroße, kernhaltige Früchte besitzt. „Die Argippäer schlagen die reifen Früchte in Tücher, pressen eine dicke, schwarze Flüssigkeit heraus, welche aschy heißt. Diese genießen sie ohne Beimischung oder mit Milch. Aus den Trebern machen sie Kuchen, welche ihre Speise sind.“ Dieses von Herodot beschriebene Verfahren traf der deutsche Forscher Adolf Ermann, wie er in seiner Reisebeschreibung durch Sibirien berichtet, noch bei den heutigen Baschkiren, in deren Sprache sich merkwürdigerweise noch derselbe Name für den Traubenkirschsaft wie vor mehr als 2000 Jahren, nämlich atschui, findet. Daraus dürfen wir mit Recht schließen, daß Herodot unter dem póntikon den Traubenkirschbaum verstand.
Auch die Früchte der in ganz Mittel- und Südeuropa wildwachsend angetroffenen Schlehe (Prunus spinosa) wurden trotz ihres herben Geschmacks, der erst nachdem Frost auf sie eingewirkt hat etwas angenehmer säuerlich wird, von den unverwöhnten Gaumen der Menschen der Stein- und frühen Metallzeit gegessen und teilweise ein Mus daraus gemacht, wie uns der ältere Cato aus der ersten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts von den Römern berichtet. Noch die später heilig gesprochene Äbtissin Hildegard, Vorsteherin des Klosters Rupertsberg bei Bingen (1098–1197), führt die Schlehe unter den Obstbäumen ihrer Zeit an. Bis in die Neuzeit hinein war Schlehenmus eine auf dem Lande beliebte Zukost zu Brot, auch wurde daraus eine Art Schnaps gebrannt. In der Moldau-Wallachei werden die Schlehen roh gegessen und auch getrocknet für den Winter aufbewahrt. Mit Traubenmost zusammengestampft geben sie den roten, mandelartig schmeckenden Schlehenwein.
Die heutige Kulturform der Süßkirsche (Prunus avium) ist zweifellos im nördlichen Kleinasien von einer dortigen Art Vogelkirsche gezüchtet worden. Der römische Naturkundige Plinius der Ältere berichtet um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts, daß die Kirsche ihren Namen kérasos von der gleichnamigen Stadt an der Südküste des Schwarzen Meeres zwischen Sinope und Trapezunt erhielt, die im Jahre 68 v. Chr. durch den römischen Feldherrn Lucius Licinius Lucullus zerstört wurde. Dieser durch seinen Tafelluxus und seine Schlemmerei sprichwörtlich gewordene vornehme Römer habe von dorther im Jahre 64 v. Chr. den Kirschbaum bei seinem Triumph in Rom aufgeführt und so nach Italien verpflanzt. Die Stelle in seiner Naturgeschichte lautet wörtlich folgendermaßen: „Ehe Lucius Lucullus den Mithridates besiegt hatte, wuchsen in Italien keine Kirschbäume (cerasus). Im Jahre 680 nach Roms Erbauung brachte er den ersten aus dem Pontusgebiet nach Italien, und er hat sich in weniger als 120 Jahren bis Britannien verbreitet.“ Merkwürdigerweise erwähnt aber der griechische Geschichtschreiber Plutarchos (50–120 n. Chr.) diese Tatsache in seinem „Leben des Lucullus“ mit keinem Wort. Jedenfalls hat es schon lange vor Lucullus kleine Süßkirschen in Italien gegeben, nur hat dieser Römer eine besonders edle Sorte aus dem von ihm verwalteten Kleinasien mitgebracht, wie auch Servius in einer Erläuterung zu Vergils Georgica zur Tat des Lucullus hinzufügt: „Übrigens wuchsen in Italien schon vor der Zeit des Lucullus Kirschen, aber harte.“ Jedenfalls müssen, wie schon aus der griechischen Benennung dieser Frucht hervorgeht, zu des Lucullus Zeit um die sinopische Kolonie Kerasos Edelkirschen von besonderer Güte kultiviert worden sein, denn zweifellos erhielt jene kleinasiatische Stadt ihren Namen von den in großer Zahl um sie herum angepflanzten Edelkirschbäumen und nicht umgekehrt die Kirsche ihren Namen von jener Stadt, wie die alten Autoren sagen. Übrigens sollen nach Koch die Bewohner der pontischen Gebirge noch heute die Süßkirsche mit dem Namen kirash bezeichnen. Derselbe Autor weist auch auf eine Mitteilung des griechischen Arztes Dioskurides aus der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. hin, wonach der pontische „Kerasia“-Baum Gummi ausschwitze, eine Erscheinung, die ausschließlich der Süßkirsche und niemals der Sauerkirsche zukommt. Dieser Kirschgummi soll nach den Angaben dieses griechischen Arztes „ein gutes Mittel gegen den Husten und überhaupt gesund sein“.
Auf kleinasiatischem Boden, am Idagebirge und bei Milet, scheint man veredelte Süßkirschen schon zur Zeit des Königs Lysimachos gekannt zu haben, der 361–281 v. Chr. lebte, nach dem Tode Alexanders des Großen als einer von dessen Feldherrn Thrakien zu einer selbständigen Satrapie erhob und sich 306 mit den übrigen Diadochen den Königstitel beilegte. Ja, schon Theophrastos und sein Zeitgenosse Diphilos von Siphnos aus dem Ende des 4. vorchristlichen Jahrhunderts beschreiben den Kirschbaum als einen in Griechenland bekannten und angebauten Fruchtbaum. Ersterer sagt, man erkenne den Baum schon von weitem, er sei im ganzen nicht sehr reich an Ästen, habe weiße, der Birnenblüte ähnliche Blüten und rote Früchte so groß wie Saubohnen. Er wachse mit Linden zusammen vorzüglich an Gewässern und schwitze einen Gummi aus. Daß Theophrast ihn so ausführlich beschreibt, beweist, daß er für die meisten seiner Landsleute noch etwas Neues war.
Bei dem regen Verkehr der Griechen untereinander konnte es nicht ausbleiben, daß der edle Süßkirschbaum früh in die griechischen Kolonien nach Sizilien und Unteritalien gelangte. Doch wurde er von hier erst verhältnismäßig spät an die Römer abgegeben. So nennt noch der ältere Cato, der im Jahre 149 v. Chr. gestorbene unversöhnliche Gegner Karthagos, in seinen Schriften über den Landbau die Kirsche als Kulturgewächs überhaupt nicht, und der im Jahre 27 v. Chr. gestorbene Varro, einer der gelehrtesten Männer Roms, gedenkt ihrer nur ein einziges Mal, indem er sagt, daß der Kirschbaum (cerasus) zur Zeit des kürzesten Tages gepfropft werde. Servius bezeugt, daß in Italien schon vor der im Jahre 64 v. Chr. erfolgten Heimkehr des Lucullus aus Kleinasien, wo er als Statthalter amtete, Kirschbäume gewachsen seien, aber nur solche mit kleinen, harten Früchten. Demnach scheint also der Feinschmecker Lucullus nur eine besonders großfrüchtige und wohlschmeckende Kulturform der Süßkirsche in Mittelitalien angesiedelt zu haben. Von hier aus verbreitete sich der Obstbaum durch die Vermittlung der Römer nach Norden, so daß er also nach Plinius schon 120 Jahre nach jener Kulturtat des reichen Lucullus bis nach Britannien vorgedrungen war. Derselbe Plinius sagt fernerhin: „Es werden verschiedene Sorten Kirschen gezogen, gute auch in Belgien und am Rhein. Kürzlich ist durch Pfropfen auf Lorbeer eine Sorte geschaffen worden, die laurea heißt, herb, aber nicht unangenehm schmeckt. Der Kirschbaum liebt einen kühlen Standort, seine Früchte reifen früh, man trocknet sie auch an der Sonne oder bewahrt sie wie Oliven in Fässern auf. In Ägypten ist es ihm zu warm, so daß dort der Kirschbaum selbst bei der größten Sorgfalt nicht gedeiht.“ Und der römische Ackerbauschriftsteller Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „Der Kirschbaum liebt einen kalten Standort, an einem warmen bleibt er klein, einen heißen erträgt er gar nicht. Er liebt Berge und Hügel. Junge wilde Kirschstämmchen versetzt man im Oktober oder November in den Garten und veredelt sie anfangs Januar. Man sät auch die Früchte und aus diesen kommen die Bäumchen äußerst schnell. Ich habe auch selbst erlebt, daß Kirschzweige, die ich als Stützen in Weingärten gesteckt hatte, schnell zu Bäumen heranwuchsen. Ich habe es am besten befunden, zwischen Rinde und Holz zu pfropfen. Man pfropft Kirschreiser auf Kirschbäume, Pflaumenbäume, Platanen; andere sagen auch, man könne sie auf Pappeln pfropfen. Der Kirschbaum steht gern einzeln, liebt das Behacken, verdirbt aber durch Mist. Martialis sagt, wenn man Kirschen (cerasum) ohne Kern habe wolle, so müsse man den Baum auf 2 Fuß zurückschneiden, dann bis zur Wurzel spalten, das Mark ganz herauskratzen, beide Teile zusammenbinden und die Wunde mit Mist verstreichen. Nach Jahresfrist ist die Wunde fest verwachsen. Nun wird der Stamm mit Reisern, die noch keine Frucht getragen, gepfropft, und diese tragen dann, wie Martialis versichert, kernlose Früchte. (Dies ist natürlich Unsinn!) Kirschen werden nur aufbewahrt, wenn sie an der Sonne getrocknet sind.“ Der römische Arzt Celsus meint: „Die Kirsche ist dem Magen gesund,“ und sein griechischer Kollege Dioskurides sagt: „Der Genuß frischer Kirschen (kerásion) hat andere Wirkung als der getrockneter.“
Als aus dem Pontusgebiet, einer Gebirgsgegend mit kalten Wintern stammend, fühlte sich dieser Fruchtbaum nördlich der Alpen offenbar besonders wohl und zeitigte hier besonders wohlschmeckende Früchte, die zudem den großen Vorzug besaßen, zu einer Zeit zu reifen, da die übrigen Obstarten noch im Rückstande waren. In dem gleichmäßig milden Italien hatte er eben diese für ihn günstigsten Verhältnisse nicht gefunden.
Jedenfalls haben sich unter den verschiedenen Kirschenarten, die von den römischen Schriftstellern der Kaiserzeit erwähnt werden, auch saure Sorten befunden; denn auf zwei Wandgemälden in Pompeji sollen nach dem Urteil gewiegter Kenner auch Darstellungen von Sauerkirschen abgebildet sein. Weiterhin hat man, was noch viel mehr besagen will, in dem Schachtbrunnen des befestigten Lagers der Saalburg bei Homburg vor der Höhe unzweideutige Kerne der Sauerkirsche gefunden. Der sie liefernde Baum, die Sauerkirsche (Prunus cerasus), dürfte in Transkaukasien, wo er heute noch wildwachsend angetroffen wird und wo auch die Süßkirsche besonders üppig gedeiht, heimisch sein. Er scheint eine Abart der Vogelkirsche von geringerer Größe und im Gegensatz zu jener, die unterseits behaarte Blätter besitzt, mit völlig kahlen Blättern zu sein, die auch viel leichter als jene Wurzelschößlinge treibt. Diese Sauerkirsche kam etwas später als die Süßkirsche zu den Griechen und Römern. Deren Einführung muß durchaus unbemerkt vor sich gegangen sein; wenigstens erfahren wir nichts darüber von den Schriftstellern des Altertums, die sonst alles Neue gewissenhaft anzuführen pflegen. Süße und sauere Arten haben wir uns jedenfalls auch unter den verschiedenerlei Sorten von Kirschbäumen (ceresarii) zu denken, die im Capitulare de villis Karls des Großen angeführt werden. Im Laufe des Mittelalters hat sich die Kirschenzucht in Mitteleuropa intensiv entwickelt und spielt heute für viele Gegenden eine bedeutende Rolle, indem die Früchte, soweit sie nicht frisch gegessen werden, zur Bereitung einer trefflichen Konfitüre und eines starken Schnapses, des Kirschwassers, in England cherry brandy geheißen, benutzt werden.
Mit der Frucht übernahmen die alten Deutschen auch die Bezeichnung der Römer dafür; denn das deutsche Wort Kirsche ist so gut wie das französische cerise und das englische cherry vom lateinischen cerasus abzuleiten. Zuerst hieß die Frucht Kerasbeere, dann Kersbeere, Kerschbeere und schließlich einfach Kersche oder Kirsche. Noch vielfach wird in Norddeutschland das aus dem Kersbeere entstandene Kesber oder Kesper dafür gebraucht. Die Bezeichnung Wissel dagegen, aus dem unser Weichsel wurde, scheint der alte vorrömische Name der Deutschen für die einheimische Vogelkirsche zu sein, der dann speziell auf die Sauerkirsche übertragen wurde. Die Felsenkirsche oder der echte Weichsel (Prunus mahaleb) mit kleinen, blauschwarzen, bitterlichen Früchten stammt aus Südosteuropa und dem Orient. Mahaleb ist die ursprüngliche arabische Bezeichnung des Gewächses, das erst im 16. Jahrhundert nach Westeuropa kam und namentlich in Frankreich rasch Verbreitung fand. Wegen des wahrscheinlich durch einen Gehalt an Kumarin hervorgebrachten Wohlgeruchs seines Holzes und namentlich seiner Rinde wird es zur Parfümierung von allerlei Spezereien gebraucht, besonders aber zur Herstellung von wohlriechenden Pfeifenrohren verwendet, indem namentlich im Elsaß und um Baden bei Wien die Kultur des Weichsels, dessen Stockausschläge benützt werden, im großen Maßstabe getrieben wird.
Dem deutschen Schlehe, althochdeutsch slêha, entspricht das slawische sliva in der Bedeutung von Pflaume, wie dem französischen crèque das deutsche Krieche und das niederdeutsche Kreke nachgebildet sind. Weit edler als die Schlehe ist die Pflaume, die bereits von den Griechen der älteren Zeit als Obst gekannt und geschätzt war unter der Bezeichnung kokkýmēlon (deren erste Hälfte wahrscheinlich ein orientalisches Wort ist und kaum Kuckuck bedeutet). In einer der Idyllen des aus Syrakus gebürtigen griechischen Dichters Theokrit, die ums Jahr 280 v. Chr. verfaßt wurde, wird die Ankunft der Geliebten so süß genannt wie der Frühling im Gegensatz zum Winter und die Pflaume im Gegensatz zur Schlehe (brábylon). Der Begründer der Botanik Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert spricht vom Pflaumenbaum und vom Gummi, der aus ihm quillt und vielfach ärztliche Verwendung fand. Neben der Bezeichnung kokkýmēlon kennt er auch den Namen prúmnon, unter welchem die Pflaume von den Griechen zu den Römern gelangte, welche daraus prunum machten. Der berühmte, 131 n. Chr. in Pergamon geborene und um 200 in Rom verstorbene griechische Arzt Claudius Galenos berichtet, daß die Frucht des Pflaumenbaums (kokkymḗlea) in Asien prúmnon heiße. Der Pflaumenbaum (Prunus insititia) wächst in Südeuropa und durch Kleinasien bis zum Kaspischen Meere wild und wurde, wie die Kulturschichten der neolithischen und bronzezeitlichen Pfahlbauniederlassungen der Schweiz, Oberitaliens und Österreichs beweisen, schon in früher vorgeschichtlicher Zeit durch die regen Handelsbeziehungen mit dem Süden in Mitteleuropa eingeführt, wo der Baum dann später, der menschlichen Aufsicht entwachsen, verwilderte. Die großfrüchtige Kulturpflaume aber ist gleich der Kirsche in den Ländern südlich vom Schwarzen Meer, in Armenien und Transkaukasien, aus der dort heimischen Wildpflaume gezüchtet worden, während die größere Zwetsche (Prunus domestica) im Kaukasus und nördlichen Persien heimisch ist. Die Kultur dieser Steinobstarten kam etwa im 5. vorchristlichen Jahrhundert und diejenige der Pflaume etwas später nach Syrien, wo sie besonders um die Stadt Damaskus in später als besonders wohlschmeckend gerühmten Arten kultiviert wurde. Das Wort Zwetsche soll nach Schmeller aus dem griechischen damáskenon entstellt sein, eine Deutung, die jedenfalls falsch ist. Zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts, d. h. nach Eröffnung des Orients durch Alexander den Großen, kamen diese Steinobstarten nach Griechenland und über die süditalischen griechischen Pflanzstädte etwa zu Anfang des 2. vorchristlichen Jahrhunderts unter dem griechischen Namen prúmnon zu den Römern. Der ältere Cato (234–149 v. Chr.) nennt in seiner Schrift über den Landbau den Pflaumenbaum nur einmal als einen in seiner römischen Heimat wenig bekannten Obstbaum. Plinius dagegen behauptet, daß alle Pflaumenarten erst nach Cato in Mittelitalien eingebürgert worden seien. Jedenfalls wurden sie erst im augusteischen Zeitalter in den Gärten der Römer häufiger gepflanzt, nachdem besonders die Krieche, d. h. die runde, schwarzbraune Pflaume und die gelbe Mirabelle durch die Kriegszüge des Pompejus in Westasien den Römern bekannt geworden waren. Sie schätzten diese Früchte so, daß sie nach Plinius schon in der zweiten Hälfte des 1. christlichen Jahrhunderts in den Gärten der vornehmen Römer in großer Menge und zahlreichen Spielarten gezogen wurden. Dieser Autor sagt in seiner Naturgeschichte: „Es gibt eine ungeheure Schar von Pflaumen, bunte, schwarze, weiße und solche, die man Gerstenpflaumen nennt, weil sie mit der Gerste reifen. Eine andere, ebenso gefärbte Sorte, welche später reift und größer wird, heißt Eselspflaume, weil sie sehr wohlfeil ist. Es gibt auch Pflaumen von Onyxfarbe, aber beliebter sind die wachsgelben und purpurroten, von den ausländischen die wegen ihres Wohlgeruchs geschätzte armenische (unter letzterer ist zweifellos die Aprikose verstanden).“ Die mit der Obstkultur vertrauten syrischen und kleinasiatischen Sklaven veredelten auch diese Frucht immer mehr und pfropften die edle Pflaume sogar auf den wilden Schlehdorn. So berichtet der Dichter Horaz (65–8 v. Chr.), daß bei seinem Landhause Pflaumen auf Dornen wüchsen, und Plinius meldet: „Merkwürdig sind die auf Walnußbäume gepfropften Pflaumen; sie sehen aus wie Nüsse, schmecken aber wie Pflaumen und heißen Nußpflaumen (nuciprunum). In Bätica (der nach dem Bätisflusse genannten, Südspanien umfassenden altrömischen Provinz) pfropft man Pflaumen auf Apfelbäume und auf Mandelbäume. Der Kern der letztgenannten ist wie ein Mandelkern. Als beste Art gilt die Damaszenerpflaume; dieses Erzeugnis Syriens, das seinen Namen von Damaskus hat, wächst auch seit langer Zeit in Italien, wo sie jedoch einen größeren Kern und weniger Fleisch hat, auch beim Trocknen keine Runzeln bekommt, weil ihr die heimische Sonne fehlt.“ Nach dem griechischen Arzt Claudios Galenos aus Pergamon (131–200 n. Chr.) ist die spanische Pflaume die beste nach der Damaszener, und Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. gibt an, daß die Pflaume im Januar am besten auf Pflaume gepfropft werde; man könne sie auch auf Pfirsich-, Mandel- und Apfelbäume pfropfen, aber die Früchte verlören dabei an Güte. „Die Pflaumen werden auf Hürden an der Sonne getrocknet, auch taucht man frisch gepflückte Pflaumen in siedendes Meer- oder Salzwasser und trocknet sie dann entweder in einem Backofen oder an der Sonne.“ Der erwähnte Galenos sagt: „Die Pflaumen (kokkýmēlon) werden fast alle bei der Reife süß, geben nicht viel Nahrung, können im Vorrat getrocknet werden.“ Dioskurides meint, daß die Pflaumen dem Magen nicht sehr gut bekommen, am besten noch die getrockneten Damaszener Pflaumen.
Gleich den übrigen Obstarten haben die Römer auch die Pflaumen und Zwetschen nördlich von den Alpen angesiedelt. Diese Einführung der dort vorher unbekannten Fruchtbäume nach dem Norden haben die Funde aus den Schachtbrunnen der Saalburg und aus einem spätrömischen Pfahlbau bei Fulda in Form von Steinkernen dieser Obstarten bestätigt. Wie aus dem griechischen prúmnon das prunum der Römer entstand, so ging aus dem Pluralis des Lateinischen pruna das althochdeutsche pfruma und aus diesem schließlich pflume, Pflaume hervor. Im Capitulare de villis Karls des Großen aus dem Jahre 812 werden prunarii diversi generis, d. h. Pflaumenbäume verschiedener Sorten erwähnt, worunter wohl nicht bloß Pflaumen-, sondern auch Zwetschenbäume in mehreren Spielarten zu verstehen sind.
Die großfrüchtige Zwetsche, die in Turkestan und im südlichen Altaigebirge ihre Heimat hat, kam erst mit den Turkvölkern nach dem Abendlande. Erst vor 400 Jahren wurde sie durch die massenhafte Einfuhr der getrockneten Früchte aus Ungarn und Mähren, wohin sie von der Türkei aus bald gelangte, bei uns bekannt. Auch die von der in Turkestan und Vorderasien heimischen und in Persien angebauten Kirschpflaume (Prunus cerasifera) stammende Mirabelle — die Myrobalane der älteren Botaniker — kam erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Mitteleuropa in Aufnahme. In Europa wird die großfrüchtige Türkenzwetsche seit längerer Zeit besonders an der unteren Donau im großen gezogen. Dort begegnet man, besonders in Bosnien, ganzen Wäldern von Zwetschenbäumen, deren Früchte im Herbst 4–6 Wochen hindurch die Hauptnahrung der Bevölkerung bilden und in gedörrtem Zustande massenhaft nach Europa und anderwärts ausgeführt werden. Von dem überreichen Ertrag wird auch ein beliebter Branntwein, Sliwowitza genannt (von sliva, verwandt mit Schlehe, Zwetsche), hergestellt, der in Unmengen im Lande selbst konsumiert und auch exportiert wird.
Im Laufe des Mittelalters ist in dem durch seine Obstbaumzucht hervorragenden Frankreich außer anderen saftigen, süßen Spielarten auch die Reineclaude hervorgegangen, die einer nicht festgestellten französischen Königin zu Ehren diesen Namen erhielt, wie heute noch neue Varietäten von Obst oder Blumen gerne nach vornehmen Damen genannt werden. Von Europa sind dann die verschiedenen Pflaumen- und Zwetschenarten nach Nordamerika eingeführt worden, wo sie sich rasch einbürgerten. Gleich allen anderen Obstarten werden sie besonders in Kalifornien im großen gezüchtet und in eisgekühlten Eisenbahnwagen überallhin durch die Vereinigten Staaten versandt, wo sie willige Abnehmer finden.
Edle Früchte hat der Mensch ferner in der armenischen Pflaume oder der Aprikose (Prunus armeniaca) und der persischen Pflaume oder dem Pfirsich (Prunus persica) — früher nach Linné Amygdalus persica, d. h. persische Mandel genannt — gewonnen. Beide Fruchtbäume stammen aus dem Innern Asiens noch jenseits des Kirschen- und Pflaumenlandes, und zwar die Aprikose aus dem östlichen Turkestan, der Dsungarei, der südlichen Mandschurei und Nordchina und der Pfirsich (chinesisch tao) aus Mittelchina, wo in den Gebirgen der Provinzen Schen-si und Kan-su eine als Prunus davidiana bezeichnete sehr nahestehende Art mit kleinen Früchten, die vielleicht die Stammpflanze des Kulturpfirsichs ist, heute noch wildwachsend angetroffen wird. Das Volk, das beide Fruchtarten zuerst in seine Pflege nahm, sind die Chinesen. Aus den Berichten in den chinesischen Annalen wissen wir, daß ihr Anbau in verschiedenen Varietäten bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurückreicht. Nur sehr langsam verbreitete sich ihre Kultur west- und südwärts. Weder im Sanskrit noch im Hebräischen existiert ein Name für diese Früchte. Den Ägyptern wurden beide erst in der griechisch-römischen Periode bekannt.
Wie die Forschungen des Sinologen Bretschneider die bis dahin in Kleinasien gesuchte Heimat von Aprikose und Pfirsich nach Ostasien verlegten, so haben sie uns auch einen Einblick in die Wanderung dieser beiden Steinobstarten nach Westen verschafft. Wir wissen jetzt aus chinesischen Annalen, daß im Jahre 128 v. Chr. der kühne chinesische General Tschang-kiën bis zu den Ländern am Oxus und Jaxartes vordrang. Seit diesem denkwürdigen Zuge entspann sich zwischen den Chinesen und dem Volke der Ansi, in denen man mit großer Wahrscheinlichkeit die Parther vermutet, ein lebhafter Handelsverkehr, der das ganze letzte Jahrhundert v. Chr. andauerte. Dieser muß das Verbreitungsgebiet der beiden Obstsorten westwärts ausgedehnt haben. Und die Ansi ihrerseits besorgten den Austausch der aus China kommenden Waren mit den angrenzenden Distrikten Vorderasiens, mit Persien und Mesopotamien. Aus Persien gelangte dann der Pfirsichbaum und aus Armenien der Aprikosenbaum nach der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., als die römische Kaisermacht sich nach dem Untergange des Königs Mithridates im Jahre 63 Armeniens und bald darauf auch Persiens bemächtigte, zuerst nach dem Lande der Sieger, Italien. Hier nahmen nun die vorhin erwähnten syrischen Sklaven der vornehmen Römer diese beiden neuen Fruchtbäume in Pflege, und bald wurden sie auch nach Griechenland und in die übrigen Provinzen des römischen Reiches gebracht.
Dieser ihrer Geschichte gemäß weiß kein römischer Schriftsteller weder der ausgehenden Republik, noch des augusteischen Zeitalters irgend etwas vom Pfirsich. Erst auf einem Wandgemälde der im Jahre 79 n. Chr. durch den bekannten Vulkanausbruch verschütteten Stadt Pompeji findet sich eine bildliche Darstellung dieser Frucht, und der bei jener Katastrophe als Befehlshaber der beim Kap Misenum stationierten römischen Flotte umgekommene ältere Plinius berichtet, daß zu seiner Zeit eine einzelne Frucht des Pfirsich (persica), der weder in Italien, noch in Kleinasien und Griechenland heimisch, sondern aus Persien nach Italien gebracht worden sei, mit 300 Sesterzien, das sind nach unserem Gelde etwa 45 Mark, bezahlt wurde, so selten und kostbar war sie damals noch. Man nannte sie nach dem Orte ihrer Herkunft persica mala, d. h. persische Äpfel, auch persica allein, die Aprikosen dagegen armeniaca mala, d. h. armenische Äpfel. Aus dem persica der Römer hat sich dann später das pesca der Italiener, das pêche der Franzosen und das Pfirsich der Deutschen gebildet. Die armeniaca dagegen wurden später von den Römern in Anlehnung an ihre Benennung im Griechischen prēkókkion, die wir bei Dioskurides und Galen finden, meist als praecoqua bezeichnet, eine Benennung, die uns Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. noch anführt, indem er berichtet, daß die sogenannten Aprikosen im Januar auf Pflaumen gepfropft werden. Und zwar haben die Römer, wie uns Galen belehrt, eine bessere Aprikosensorte mit der Bezeichnung praecoquum versehen, während sie der geringeren die Benennung armeniacum beließen. Aus dem praecoquum der Römer haben dann die Araber, die bei ihrem Siegeszuge über Syrien und Nordafrika den Fruchtbaum kennen lernten, ihr albarkuk (wobei al der Artikel ist) gebildet, und diesen übernahmen dann die Italiener als sie in Sizilien und Unteritalien mit der sarazenischen Kultur in Berührung kamen und den Fruchtbaum von dorther kennen lernten. Wie die Italiener aus dem arabischen albarkuk ihr albercocco bildeten, formten die Spanier, die die Bezeichnung mit der Frucht den Mauren entlehnten, ihr albaricoque, woraus das französische abricot und aus diesem wiederum das deutsche Aprikose wurde.
Der griechische Arzt Galenos meint, der Pfirsich sei dem Magen nicht sehr zuträglich, verdaue sich aber besser, wenn man ihn vor als nach der Mahlzeit esse. Ein Jahrhundert vor ihm erklärten Dioskurides: „Der Pfirsich ist eine gesunde Speise, wenn er gehörig reif ist,“ und Plinius: „Der Pfirsich bekommt einem besser als die Pflaume und das meiste andere Obst. Bei der Pfirsichsorte, die man duracinum (aus dem Griechischen dōrakinón laut Geoponika) nennt, geht das Fleisch nicht vom Kern.“ Diese allein läßt sich nach Palladius „auf verschiedene Weise eine Zeit lang aufbewahren.“ Bei den gewöhnlichen Sorten war dies nicht möglich; denn Gargilius Martialis klagt: „Man hat auf mancherlei Weise versucht, Pfirsiche lange aufzubewahren, aber vergeblich.“ Nach Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. kann man Pfirsichbäume aus Kernen ziehen, die im November oder Januar mit der Spitze nach unten in tief gegrabene Beete, je zwei Fuß voneinander gelegt werden, oder auf Wildlinge pfropfen, und zwar auf Pfirsiche, Mandeln, Pflaumen und Aprikosen. „Am besten werden die Früchte an warmen Stellen, auf sandigem, feuchtem Boden. Wachsen die Bäume an kalten und windigen Stellen, so gehen sie ein, wenn sie nicht vor Kälte und Wind geschützt werden. Im Herbst wird die Erde um die Bäume aufgehackt und sie werden mit ihren eigenen Blättern gedüngt. Um große Früchte zu bekommen, begießt man den Baum zur Blütezeit 3 Tage lang mit Ziegenmilch.“
Tafel 17.
(Phot. von E. Reinhardt.)
Blühende Mandelbäume bei Assisi in Umbrien.
Traubenernte in der Provence in Südfrankreich.
Tafel 18.
Das Einmachen von Obst in der Konservenfabrik Lenzburg.
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GRÖSSERES BILD
Wie rasch diese geschätzten Obstsorten durch die Römer nordwärts der Alpen gebracht wurden beweist die Tatsache, daß bereits zu Columellas Zeit gegen das Ende des 1. christlichen Jahrhunderts eine besondere gallische Pfirsichsorte bekannt war. In den ältesten Schachtbrunnen der Römer auf der Saalburg sind, wie bereits erwähnt, sowohl Aprikosen- wie Pfirsichkerne gefunden worden. Auch im Pfahlwerk des Fuldatales aus spätrömischer Zeit kamen 25 Pfirsichsteine zum Vorschein; wie Vonderau berichtet, wurde ein Teil derselben einer Kulturschicht entnommen, die auch mehrere Bruchstücke der glänzend-roten terra sigillata enthielten. Pater de la Croix entdeckte beim Dorfe Sanxay in Poitou einen kleinen Pfirsichkern in einer Mauer, die aus dem 2.–4. Jahrhundert n. Chr. stammen soll. Ein anderer Fund wurde aus dem Pfahlwerk von Paladru im Departement Isère aus der Merowingerzeit gemacht. Unter den persicarii diversi generis, d. h. Pfirsichbäumen verschiedener Art, die wir im Verzeichnis der Obstbäume aus den Gärten Karls des Großen 812 erwähnt finden, werden sich jedenfalls auch Aprikosen befunden haben, welche im Mittelalter teils zu den Pfirsichen, teils zu den Pflaumen gerechnet wurden. Noch Albertus Magnus (geb. 1193 in Schwaben, gest. 1280 in Köln), einer der größten Gelehrten des Mittelalters, nennt den Pfirsich prunum persicum und die Aprikose prunum armeniacum, und die Botaniker des 16. Jahrhunderts sahen die Aprikose meist als eine Pfirsichsorte an.
Heute blüht die Kultur der Pfirsiche und Aprikosen außer um Paris, wo besonders diejenigen von Montreuil berühmt sind, besonders im südlichen Nordamerika, speziell in Kalifornien, das ganze Bahnzüge davon frisch oder getrocknet nach den östlichen Vereinigten Staaten versendet. Ebenso in Südamerika, speziell in Argentinien, wohin diese Obstbäume durch die Jesuiten gelangten, werden sie im großen gezogen. Jetzt finden wir in der Nähe der alten Niederlassungen der Spanier reiche Bestände völlig wildwachsender Bäume, die von den Argentiniern nicht bloß ihrer Früchte, sondern auch ihres Holzes wegen geschätzt werden. Oft findet sich der rasch wachsende Baum mitten in den sonst baumlosen Pampas des Holzes wegen kultiviert.
Auch in Chile spielen sie neben dem übrigen von Europa dorthin importierten Obst eine große Rolle. Prof. Otto Bürger schreibt darüber in seinem Buche: Acht Lehr- und Wanderjahre in Chile: „In der Vorkordillere bilden Pfirsiche, süße und saure Kirschen — cerezos und guindos — fruchtbeladene Haine. Nach der chilenischen Weihnacht beginnt die Zeit ihrer Reife. Da sind die Verkaufsstände voll Kirschen, duraznos und priscos (verschiedene Sorten Pfirsiche), ciruelas (Pflaumen) und Frühbirnen. Was umschließt allein das Wort durazno für eine Fülle von Früchten, die sich durch Größe, Form, Farbe, Glätte, Flaum, früheres oder späteres Reifen voneinander unterscheiden und dementsprechend verschiedene Namen im Volke führen. Der Pfirsich oder durazno (offenkundig aus dem lateinischen duracinum abzuleiten) ist seit der Eroberung in Chile heimisch (1541 wurden die nördlichsten Provinzen durch die Spanier erobert, nachdem Diego de Almagro 1536 von Peru aus zuerst dorthin vorgedrungen war) und war schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts der gemeinste Obstbaum. Eine grünlichgelbe Sorte mit roten Wangen, bei welcher der Kern freiliegt, wird prisco genannt. Die duraznos werden in Menge getrocknet und dann, wenn es — wie meistens — mit dem Kern geschieht, als huesillos oder ohne ihn als orejones bezeichnet und vom Volke mit mote (gekochten Weizen- oder Maiskörnern) gegessen. Die ciruelas (Pflaumen) und damascos (Aprikosen) sind ebenfalls schon lange in Chile heimisch und gedeihen wie die duraznos am besten in Mittelchile, während die Feigenbäume — las higueras —, die im Dezember die größeren und saftigeren brevas und im Herbste die kleineren und süßen higos liefern, im Norden sogar noch besser vorwärts kommen. Die getrockneten Feigen sind die der zweiten Ernte. Unter tunas versteht man die Früchte eines ursprünglich auf den Antillen beheimateten Kaktus (Opuntia tuna). Die nisperas, d. h. Mispeln, sind die gelblichen, rundlichen Früchte eines japanischen Baumes (Eriobotrya japonica), die in ihren vollständigen, traubigen Fruchtständen gebrochen werden. Sie haben einen säuerlichen Geschmack und sind ein wenig das Aschenbrödel unter ihren Genossen. Der Spanier hat einen Spruch:
„Quien come nisperas
Wer (japanische) Mispeln ißt
I bebe cerveza
Und Bier trinkt
I beza a mujeres viejas,
Und alte Weiber küßt,
Ni come, ni bebe, ni beza!“
Der hat nicht gegessen, getrunken, geküßt.
Außerdem gibt es bräunlichgrüne Lucumafrüchte von der Größe eines Apfels von einem aus Peru stammenden dichtbelaubten Sapotaceenbaume (Lucuma obovata). Weiter gibt es in Chile eine wilde Art (L. valparadisea), welche die feuchten und schattigen Schluchten der Provinzen Aconcagua und Valparaiso bewohnt, deren viel kleinere Früchte wohl süß, aber zugleich adstringierend schmecken und darum nicht gegessen werden. Birnen und Äpfel liefert der Süden, vom Rio Biobio ab, in wahren Prachtexemplaren; es gibt Birnen von einer Größe und süßen Saftigkeit und Äpfel der verschiedensten Sorten von einer Feinheit und Reinheit der Zeichnung und des Aromas, die unseren besten nicht nachstehen. Aus gewissen Sorten wird seit alters Äpfelwein — chicha de manzana — in vorzüglicher Qualität hergestellt, dessen Fabrikation von den Deutschen der Provinz Valdivia ausgedehnt und vervollkommnet wurde.
Und was gibt es noch? Vor allem Trauben, schwarze und gold-grüne, die ebenfalls wie die Wassermelonen mit rotem Fleisch — sandias — und die gelben Melonen zu den Artikeln des Massenkonsums gezählt werden dürfen, so beliebt und billig sind sie, dann Orangen — las neranjas —, die aber erst im September am wohlschmeckendsten werden, saure und süße Limonen, Mandeln, Walnüsse und avellanos, die chinesische Haselnuß, die schwere Menge, und dann noch etwas echt Chilenisches, piñones, die Samen der Araukarie des Südens. Ferner die einheimische und europäische Erdbeere, die aus Brasilien oder Peru eingeführte Ananas und Banane, platanos genannt, die chirimoya (Anona cherimolia), eine Frucht von ganz apartem, wunderbarem Aroma, und die palta (Persea gratissima), welche den Lorbeergewächsen zugehört. Diese reifen in den gegen das Meer hin offenen, warmen und feuchten, gegen die trockenen, eisigen Winde der Hochkordillere geschützten Chacras Quillótas.“
Welche Fülle von herrlichem Obst hat also nicht die Alte Welt der Neuen zu ihren zahlreichen einheimischen Produkten hinzugegeben, die auch sehr schätzenswert sind! Wir werden im folgenden Abschnitte einige der wichtigsten unter denselben kennen lernen. Sonst sind außer den Guajaven (Psidium pyriferum) mit birnförmigen und dem nahe verwandten Psidium pomiferum mit kugeligen, pflaumen- bis apfelgroßen Früchten vom Ansehen der Orangen, unter deren lederartiger Schale ein nach innen schön rosenrot gefärbtes, zartes Fruchtfleisch von Erd- und Himbeergeschmack sich findet, die eirunde und über faustgroße westindische Anchojebirne (von Grias cauliflora) zu nennen. Unsere Kirschen vertreten im warmen Südamerika die vorzüglich in Guiana heimische Pitanga (von Eugenia michelii) und die Jabuticaba (von Eugenia cauliflora). Die Frucht der letzteren von der Größe unserer Herzkirsche hat unter der zarten, schwarzen Haut ein weißes, weiches, sehr saftiges Fleisch mit 2–3 Kernen. Sie steht an Geschmack unseren Kirschen nach, reift in Brasilien am Ende des Winters (September und Oktober) und ist doppelt geschätzt, da sie zu der Zeit die einzige Frucht bildet, welche frisch zu haben ist. Eine andere Frucht von der Größe und Form unserer Pflaumen sind die Ibametara-Arten (von Spondias myrobalanus) u. a., die in Westindien und dem nördlichen Südamerika wildwachsen und hier überall, wie auch anderwärts in den Tropen, wohin alle diese Fruchtbäume verbracht wurden, vom Menschen angepflanzt werden, weil er ihre wohlschmeckenden, süßen Früchte überaus schätzt, Mus daraus bereitet und allerlei Getränke davon macht.
Kehren wir nach diesem kurzen Abstecher nach Südamerika in unsere Heimat zurück, so ist in bezug auf die Kultur der Pfirsiche und Aprikosen zu bemerken, daß sie bei uns nur in südlichen Gegenden oder an sonniger, geschützter Lage gut gedeihen, aber als Hochstämme wohlschmeckendere Früchte denn als Spalierbäume liefern. Mit Vorliebe zieht man sie in den ebenfalls sonnige Lage beanspruchenden Weingärten; aber auch in den wärmeren Obstgärten gedeihen sie gut. Besonders die sattroten, direkt dem Stamm aufsitzenden, vor den Blättern erscheinenden Blüten des Pfirsichs verleihen durch ihre hübsche Färbung zwischen dem weißen Blust des übrigen Kernobstes und den rosafarben angehauchten Apfelblüten einem gemischten Obstgarten ein höchst eigenartiges, manchmal geradezu bezauberndes Gepräge.
Im Gegensatz zum Pfirsich, dessen saftige äußere Fruchtschale gegessen wird, ißt man bei der verwandten Mandel (Amygdalus communis) den Samenkern, der in einer süßen und bitteren Abart vorkommt. Diejenigen der letzteren Sorte enthalten in erheblicher Menge die giftige Blausäure und sind deshalb, in größerer Menge genossen, auch dem Menschen schädlich, während sie kleinen Tieren sicheren Tod bringen. Sie dienen vorzugsweise zum Würzen der Speisen. Die süßen Mandeln dagegen werden ihres Ölgehaltes wegen gegessen und allerlei Gebäck und Mehlspeisen zugesetzt. Unter der samtig behaarten äußeren Haut, welche zur Zeit der Reife in einem Längsspalt aufspringt, befinden sich die in der Regel sehr harten, festen Schalen. Man kultiviert aber auch Formen mit brüchigen Schalen, die Knack- oder Krachmandeln, deren Samen wie Nüsse gegessen werden. Die Fruchtknoten aller Kirsch-, Pflaumen- und Mandelarten, die bekanntlich mit dem Kernobst in die Familie der Rosazeen gehören, enthalten zwei Samenanlagen, von denen aber in der Regel nur eine zur Ausbildung gelangt; entwickeln sich aber in den Knackmandeln beide, so entstehen solche Exemplare, die als „Vielliebchen“ dienen.
Der Mandelbaum wächst in Afghanistan, Turkestan, Persien wild und kommt auch hier mit bittern und süßen Samen vor. Indien und Ostasien ist er ursprünglich fremd; dort hat man auch keine einheimische Bezeichnung für ihn. In den Schriften des Sanskrit wird er nicht erwähnt, ebensowenig in der älteren chinesischen Literatur. Erst in chinesischen Werken des 10. oder 11. Jahrhunderts wird er angeführt, und zwar als „Baum aus den Ländern der Muhammedaner“. Er scheint also durch die Handelsbeziehungen der Chinesen mit Baktrien als Tausch gegen Aprikose und Pfirsich von dort her nach China gelangt zu sein. Auch in den vorgeschichtlichen Niederlassungen Südeuropas hat man nirgends Spuren von Mandeln gefunden. Aber in Persien begegnen wir diesem Fruchtbaum sehr früh. Von dort gelangte er schon vor der Mitte des letzten vorgeschichtlichen Jahrtausends nach Syrien und Kleinasien und von da vor dem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. nach Griechenland. Seine Frucht wird als naxía amygdálē, d. h. Mandel von Naxos — einer Insel der Cycladen, welche, weil in der Mitte zwischen dem südlichen Kleinasien und Griechenland liegend, eine natürliche Zwischenstation beim Übergang von Kleinasien nach Griechenland bildet — zuerst von Phrynichos, einem Dichter der älteren attischen Komödie und Zeitgenossen des Aristophanes im 5. Jahrhundert v. Chr. erwähnt. Bei den attischen Komödiendichtern des 4. vorchristlichen Jahrhunderts ist seine Frucht als amygdálē schlechthin schon ganz gewöhnlich. Von den Griechen lernten dann die Römer den Fruchtbaum kennen. Noch gegen die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. kennt Cato in Italien die Mandeln nur als fremde Importware unter der Bezeichnung „griechische Nüsse“, als Beweis dafür, daß die Römer diese Früchte durch Vermittlung der Griechen Unteritaliens erhalten hatten. Erst bei Columella, einem römischen Ackerbauschriftsteller des 1. Jahrhunderts n. Chr., ist der Mandelbaum unter der griechischen Bezeichnung amygdala auch in Mittelitalien heimisch, während seine Früchte immer noch griechische Nüsse heißen. Die Bezeichnung amygdala amara und dulcia, d. h. bittere und süße Mandeln, treten uns zum erstenmal in der „Zusammenstellung der gebräuchlichsten Medikamente“ des Scribonius Largus entgegen, die noch vor der Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts verfaßt wurde. Seither ist die Pflanze in ganz Italien eingebürgert, und aus dem griechisch-lateinischen amygdale ist im Laufe der Jahrhunderte das italienische mandorle und daraus unser Mandel geworden. In allen Gärten stehen in Italien die Mandelbäumchen im Februar und März im Schmucke ihrer schneeigen Blüten, bevor noch die Blätter hervorgekommen sind. Ihre Früchte sind nicht bloß eine beliebte Volksnahrung, sondern man gewinnt heute auch aus ihnen ein als sehr mild geschätztes Öl, aus den bittern dagegen das in der Parfümerie Verwendung findende Bittermandelöl und ein bei Husten reizmilderndes blausäurehaltiges Wasser, das übrigens gleicherweise auch aus den Kirschlorbeerblättern bereitet wird.
Nördlich der Alpen ist der Mandelbaum, soweit er in den klimatisch milderen Gegenden noch zu gedeihen vermag, erst in nachrömischer Zeit naturalisiert worden. Bei den Ausgrabungen des römischen Militärlagers der Saalburg bei Homburg vor der Höhe hat man keine Spur von Mandeln gefunden, und der Fund einer Mandelschale in dem wahrscheinlich spätrömischen Pfahlwerk im Tale der Fulda nördlich des Mains wird von den maßgebenden Forschern mit einem Fragezeichen registriert. Der althochdeutsche Name mandulae hat zwar gegenüber dem gelehrten angelsächsischen amigdal einen entschieden volkstümlichen Anstrich, er kann aber wegen des unverschobenen d frühestens im 8. Jahrhundert aufgenommen worden sein. Im Capitulare de villis Karls des Großen vom Jahre 812 und in dem nach dem Muster desselben abgefaßten Entwurfe zum St. Galler Klostergarten vom Jahre 820 werden unter den zu pflanzenden Bäumen auch amandalarii, d. h. Mandelbäume aufgeführt, aber in den Inventaren der kaiserlichen Gärten vom Jahre 812 fehlen sie.
Der Mandelbaum, der in bezug auf Kälte noch empfindlicher ist als der Pfirsichbaum, scheint also auch in der Karolingerzeit nur ausnahmsweise und wohl nur in einigen besonders warmen Landesteilen gezogen worden zu sein. Obwohl er gegenwärtig am Oberrhein und in der Rheinpfalz recht gut gedeiht und seine Früchte reift, so pflegen wir doch auch heute noch die Mandel zu den Südfrüchten zu zählen. Ähnlich war es im Mittelalter. Die Mandeln, welche damals in Deutschland konsumiert und zu medizinischen Zwecken verwendet wurden, stammten wohl größtenteils, wie heute noch, aus Italien. Die Bewohner Nordfrankreichs dagegen scheinen ihren Bedarf an Mandeln außer aus den südlichen Teilen des eigenen Landes namentlich aus Spanien bezogen zu haben, wie die Geschichte des altfranzösischen Namens almande vermuten läßt.
Die nahe Verwandtschaft zwischen Mandel und Pfirsich spricht sich auch darin aus, daß beide sehr leicht gekreuzt werden können und auch dann noch reichlich Früchte tragen. Wie der Pfirsich seine rosenroten, treibt auch die Mandel ihre weißen Blüten vor der Entfaltung der Blätter, damit diese um so ausgiebiger von den Bienen befruchtet werden. Wie in den Mittelmeerländern wird auch im Süden der Vereinigten Staaten, besonders in Kalifornien, die Mandelkultur manchenorts im großen getrieben.
In den lichten Wäldern Transkaukasiens und Armeniens ist die wegen ihrer süßen, saftigen Trauben so geschätzte Weinrebe (Vitis vinifera) zu Hause, wo sie heute noch wild, wenn auch mit kleinen und wenig schmackhaften, etwas herben Früchten gefunden wird. Als Schlingpflanze rankt sie sich wie bei uns die Waldrebe von Baum zu Baum und klettert in die Wipfelregion ans Licht empor. Hier ist sie wohl zuerst durch Kulturauslese veredelt und zur Kulturpflanze mit großen, süßen Früchten gemacht worden. Doch ist Westasien nicht die ausschließliche Heimat dieser Waldliane. Ihr Vorkommen reicht von hier ostwärts bis in das gemäßigte Mittelasien hinein und westwärts über ganz Südeuropa und einen Teil Mitteleuropas. Doch wurde sie hier nirgends kultiviert, sondern, wie Funde aus Südfrankreich, der Schweiz und Norditalien beweisen, wurden ihre Früchte schon zur Steinzeit gelegentlich vom Menschen gesammelt und gegessen, wo wir dann zur Seltenheit einmal ihre harten Samen unter dem Speiseabfall seiner Niederlassungen finden. Immerhin sind manche Angaben über das Wildvorkommen der Rebe in Süd- und Mitteleuropa mit Vorsicht aufzunehmen, da diese Kulturpflanze in den Weinbau treibenden Ländern leicht verwildert und dann als dort heimisch angesehen wird. So ist es sehr zweifelhaft, ob die in Baden und im Elsaß gefundenen angeblich wilden Reben wirklich ursprünglich wild wachsend oder nicht bloß seit der Einführung des Weinstocks in diesen Gegenden verwildert sind, was immerhin das wahrscheinlichste sein dürfte, da sonst wilde Reben in Deutschland außerhalb der Weinbauregion noch nicht nachgewiesen werden konnten.
Der heute über die ganze Welt ausgedehnte Rebbau hat seinen Ursprung in den Ländern südlich des Kaukasus und des Kaspisees genommen, wo die wilde Rebe ganz besonders üppig gedeiht und den Menschen geradezu zu ihrer Domestikation auffordert. Von Armenien kam er im 4. vorchristlichen Jahrtausend nach Babylonien, Syrien und Palästina und läßt sich von der 5. Dynastie, d. h. seit 2700 v. Chr. an auch in Ägypten nachweisen. Über Kleinasien und Griechenland wanderte er dann, wie wir später bei der Besprechung des Weinbaus eingehender sehen werden, nach Italien und von da nördlich der Alpen zu den gallischen und rätischen Stämmen und zuletzt zu den Germanen.
Alle Ausdrücke dieser Völker, die auf den Weinbau Bezug haben, sind dem Lateinischen entnommen von vindemia (franz. vendange) Wingert oder Weinlese bis mustum (franz. moût) Most und vinum (franz. vin) Wein.
Sehr zahlreich sind die Anweisungen der antiken Ackerbauschriftsteller über die beste Art des Rebbaus. Schon der im 8. Jahrhundert v. Chr. lebende griechische Dichter Hesiod singt: „Wenn der Frühling beginnt und die Schwalbe kommen will, dann mache dich ans Beschneiden der Weinstöcke (oínē),“ und „wenn der Orion und der Sirius bis zur Mitte des Himmels steigen, dann ist die Zeit da, in der du die Trauben abschneiden und nach Hause bringen mußt.“ Varro und Columella berichten eingehend über die Anlage des Weingartens (vinea) und die Behandlung der Rebe (vitis). Letzterer meint: „Die Zahl der verschiedenen Weinsorten ist so zahllos wie die Sandkörner der libyschen Wüste; denn jede Gegend und fast jeder kleine Ort hat seine besonderen Sorten und für diese besondere Namen. Manche haben auch ihren Namen geändert, indem sie anderswohin versetzt wurden; manche haben in ihrer neuen Heimat ihre Eigentümlichkeit verloren, so daß sie der Ursorte gar nicht mehr ähnlich sind. Ganz richtig haben schon Cato und nach ihm Celsus gesagt, man solle nur Weinsorten pflanzen, die in gutem Rufe stehen, und solle sie nur in dem Falle behalten, daß sie sich als gut bewähren. Für einen recht günstigen Standort müssen wir recht edle Sorten wählen, für einen ungünstigen aber solche, die große Mengen von Trauben zu geben pflegen.“
Wie von jeher die Orientalen, so waren auch die alten Griechen und Römer große Liebhaber der Traube, die von ihnen als die edelste der Früchte gepriesen wurde. Um solche möglichst lange essen zu können, wurde sie frisch oder gedörrt und auf die mannigfaltigste Weise konserviert aufbewahrt. Verschiedene solche Verfahren beschreibt Columella. Von seinen zahlreichen Angaben über die Aufbewahrung von Trauben wollen wir hier einige anführen: „Um Trauben (uva) ein Jahr lang frisch zu erhalten, verpicht man ihren Stiel sogleich, wenn man sie vom Stocke geschnitten hat. Dann füllt man ein neues irdenes Gefäß mit recht trockener Spreu, die man durch Sieben vom Staube gereinigt hat, und legt die Trauben darauf. Alsdann bedeckt man das Gefäß mit einem andern, verpicht die Fuge mit Lehm, der mit Spreu vermischt ist, stellt das Gefäß auf ein recht trockenes Gestell und bedeckt es mit trockener Spreu. Eine andere Art, Trauben frisch zu erhalten, ist folgende: In einen großen Tonkrug (dolium) wird eingedickter Most gegossen, über diesen werden Stöcke in die Quere eingeklemmt, die jedoch den Most nicht berühren dürfen. Auf diese Stöcke werden neue irdene Schüsseln gesetzt und in diese die Trauben so gelegt, daß sie einander nicht berühren. Dann werden die Deckel auf die Schüsseln gelegt und verstrichen. Nächstdem setzt man neue Stöcke über den Schüsseln ein und auf diese neue Schüsseln, und fährt so fort, bis das ganze Faß voll ist. Endlich setzt man den Deckel auf, der gut gepicht und inwendig tüchtig mit eingedicktem Most bestrichen wird, worauf man die Fugen noch mit Asche verklebt. Andere tun eingedickten Most in das Tongefäß, stemmen Stöcke hinein, hängen die Trauben an die Stöcke, so daß sie den Most nicht berühren, legen den Deckel auf und verstreichen ihn. Andere legen Trauben schichtweise in Gerstenkleie, oder Sägemehl von Pappeln oder Tannen, oder Gipsmehl. Mein Onkel Marcus Columella (zu Gades in Spanien) tat die Trauben in große Tonkrüge, die in- und auswendig stark gepicht waren; sie durften einander nicht berühren und von jeder war der Stiel in siedendes Pech getaucht. War der Deckel aufgelegt und die Fuge mit Gips verstrichen, so wurde auch der Gips noch tüchtig gepicht, so daß durchaus keine Feuchtigkeit eindringen konnte. Nun wurden die Krüge in Quell- oder Brunnenwasser gestellt und so mit einem Gewichte beschwert, daß sie ganz unter der Oberfläche blieben. Auf solche Weise halten sich die Trauben vortrefflich, müssen aber, wenn sie herausgenommen sind, gleich gegessen werden, weil sie sonst sauer werden. Als allgemeine Regel muß noch die aufgestellt werden, daß man Äpfel und Trauben nicht an demselben Orte aufbewahren darf, ja daß der Geruch der Äpfel nicht einmal aus einiger Entfernung die Trauben erreichen darf, denn er verdirbt sie.“
Häufig wurden auch Traubenbeeren und ganze Trauben an der Sonne getrocknet (uva passa) und dann in Töpfen aufbewahrt. Vielfache Verwendung fand in der griechischen und römischen Küche auch der durch Kochen eingedickte Traubenmost (defrutum), wie auch der aus sauer gewordenem Wein hergestellte Essig (acetum).
Alle diese Produkte hat schon vorher der Orient gekannt und benützt. So sind von der Traube gelöste, getrocknete Weinbeeren seit der Zeit der Pyramidenerbauer, d. h. seit dem Beginne des 3. vorchristlichen Jahrtausends, häufig als Wegzehrung den Toten mitgegeben worden und finden sich teilweise so gut in den altägyptischen Gräbern erhalten, daß sich der Zucker darin noch nachweisen läßt.
Wie die Rebenkultur heute in Mitteleuropa betrieben wird, ist genugsam bekannt, so daß wir nicht näher darauf einzugehen brauchen. Es genüge hier zu bemerken, daß der Weinstock einer sorgfältigen Pflege bedarf, viel Sonne und einen kalkreichen, steinigen, d. h. viel Wärme verschluckenden Boden verlangt. Aber wenn auch alle diese Bedingungen erfüllt sind, ist die Rebe, wie die Erfahrung gelehrt hat, nur dann wirklich ertragreich und liefert wertvolle Trauben, wenn sie richtig geschnitten wird. Die Fortpflanzung geschieht durch Stecklinge, die meist mit drei Augen, d. h. Knospen zur Verwendung gelangen. Das unterste derselben wird in die Erde gesteckt; die beiden andern treiben aus und geben je nach der Kraft des Triebes mehr oder weniger lange Schosse, die man im Herbst zurückschneidet, und zwar den oberen so, daß 8–9 Augen bleiben, die anderen aber viel weiter zurück, so daß nur zwei Augen bleiben. Jenes Reis ist das Tragholz für das nächste Jahr; denn die an ihm befindlichen Augen entwickeln Triebe, welche nach dem 4. oder 5. Blatte Blüten erzeugen. Man läßt an diesen Trieben nur eine bestimmte Zahl Blätter stehen, nach dem 2. oder 3. oberhalb der letzten Blütentraube bricht man den Schoß ab, um nicht unnütz Nährstoffe nach dem fernerhin nicht weiter brauchbaren Triebe gelangen zu lassen. Hat das Tragholz, der sogenannte Schenkel, abgetragen, so schneidet man dasselbe mit dem hakenförmig gekrümmten Rebmesser ab, das die Römer der Kaiserzeit in Gallien und in den von den Legionären aus Gallien und Hispanien am linken Rheinufer gepflanzten Rebbergen schon in gleicher Weise besaßen wie wir heute noch, die wir ja einst die ganze Rebkultur mit allen Geräten und diesbezüglichen Bezeichnungen von jenen übernahmen.
Während das Tragholz im Sommer seine Früchte an den Seitentrieben zeitigte, entwickelte der oben erwähnte, kurz auf zwei Knospen zurückgeschnittene „Zapfen“ aus demselben wieder zwei lange Triebe, die man bis zum Herbste auswachsen läßt. Sie können eine sehr beträchtliche Länge erreichen und bringen Blätter und in den Achseln derselben Knospen hervor. Von ihnen treiben in demselben Jahre alle, ausgenommen die obersten, in Form von schwachen Zweigen aus, die „Geize“ genannt werden. Da diese im ersten Jahre überhaupt nicht zum Blühen kommen, und auch im zweiten Jahre, wenn sie zu Tragholz werden, auch nur schwächlich blühen würden, schneidet sie der Weinbauer weg, läßt ihnen aber meist 2–3 Blätter. Diesen letzteren kommt nämlich eine doppelte Bedeutung zu. Es entsteht nämlich neben dem Geize eine zweite Knospe, die sich als eine Achselknospe aus dem untersten Schuppenblatte äußerst kräftig entwickelt und einerseits zu ihrer Ernährung der beiden Blätter des bei ihr stehenden Geizes bedarf, andererseits aber auch leicht zum Austreiben käme, wenn man den Geiz bis zum Grunde entfernen würde.
Im Herbst wird nun wieder an den beiden Schossen des Zapfens der Schnitt in der Weise ausgeführt, daß der obere mit 8–10 Augen zum Schenkel wird und im nächsten Jahre das Tragholz liefert; die untere wird dagegen abermals zum Zapfen. An den in den Treibhäusern gezogenen Reben schneidet man das Tragholz viel weiter zurück, so daß an dem bis zu 15 Jahren tragfähigen Haupttrieb seitlich knorrige Stümpfe stehen bleiben, aus denen dann eine neue Tragrebe gezogen wird. Hier läßt man meist auch nur zwei Trauben zur Ausbildung gelangen. Durch Auspflücken der zu reichlichen Beerenanlagen bringt man es dahin, daß die bleibenden zuweilen eine ganz außergewöhnliche Größe erreichen. So hat man in England durch die sorgfältigste Pflege und reichliche Düngung Trauben von über 7,5 kg Schwere mit pflaumengroßen Früchten gezogen, die jedenfalls diejenigen, die die Kundschafter der Juden aus dem Lande Kanaan brachten, noch weit übertreffen.
Noch jetzt ist jenes den Israeliten bei ihrem Zuge durch die Wüste gelobte Land, Palästina, ein vorzügliches Weinland, wo die Kultur der Rebe heute noch wohl in derselben Weise wie vor 4000 Jahren betrieben wird. Die Weinberge sind meist auf hügeligem Gelände angelegt, weil die terrassenförmig aufsteigenden Hänge dem Weinbau günstig sind und dieses Terrain sich weniger für Getreidebau eignet. Doch ist auch viel flaches Gebiet mit Reben bepflanzt und zahlreiche Namen von Ortschaften, die heute keinen Rebbau mehr haben, weisen darauf hin, daß dies früher, vor der dem Wein feindseligen muhammedanischen Invasion noch der Fall war. Zum Schutze gegen Menschen und Tiere, unter welch letzteren besonders die Füchse zu nennen sind, die sich bei der Traubenreife als ungebetene Gäste zum Schmause einstellen, werden die Weinberge im Orient mit 1–2 m hohen trockenen Steinmauern, die noch mit Dornen bewehrt sein können, oder mit lebenden Hecken von dem aus Amerika eingewanderten Feigenkaktus umgeben. Mitten darin baut man aus losen, unbehauenen Steinen einen 5–6 m hohen Turm, der oben eine von Laubwerk oder Matten beschattete Hütte trägt, wo der Weinbauer bei der Traubenreife sein Lager aufschlägt, um den Weinberg, den er von hier aus gut zu übersehen vermag, Tag und Nacht zu überwachen. Da diese Hütten häufig erneuert werden müssen, so erscheinen sie schon einem Hiob (27, 18) als Bild der Vergänglichkeit.
In den Weinbergen Palästinas werden nicht nur Reben, sondern auch andere Fruchtträger, wie Feigen-, Aprikosen-, Pfirsich- Apfel-, Birn-, Mandel-, Quitten- und Granatbäume gepflanzt, deren Früchte verführerisch locken. Da bleibt dem Fellachen, d. h. Bauern, bei der diebischen Natur seiner Volksgenossen nichts anderes übrig, als diese Schätze sorgfältig zu bewachen; denn was er nicht hütet, erntet er auch nicht. Schon die unreifen Trauben und Früchte überhaupt liebt der Morgenländer wie unsere Kinder sehr, indem er sie entweder roh oder mit Essig und reichlich Olivenöl angemacht als Salat ißt. So zieht der Winzer bei der Fruchtreife mit Sack und Pack in die Weinbergshütte hinaus, um hier mit seiner Familie so lange zu hausen — das Kleinvieh bringt er in den kühlen Nächten im dunkeln Raum des Wachtturmes unter dem Turmabschluß, wo er Wache hält, unter —, bis alles aufgegessen oder verkauft ist.
Bei der Neuanlage eines Rebbergs werden die Stecklinge als etwa 1,3 m lange Ruten gewöhnlich Ende Februar in 50 cm tiefe und 20 cm breite Gruben in 2–4 m allseitiger Entfernung versenkt. Eine solche Neupflanzung trägt dann im dritten Jahre die ersten Trauben. In manchen Gegenden, besonders in der Ebene, läßt man die Reben am Boden liegen, in andern zieht man sie aufrecht an Fruchtbäumen irgend welcher Art oder an Pfählen in die Höhe. Schon im Februar wird der Rebberg, nachdem die Erde durch mehrmaligen Regenfall genügend erweicht ist, mit dem schon von den Vorfahren vor einigen tausend Jahren gebrauchten primitiven hölzernen Hakenpflug gepflügt oder, wo dieser nicht hinkommen kann, mit der Hacke gelockert und die Reben bis auf wenige kurze Ruten mit kräftigen Augen beschnitten. Im Laufe des Frühjahrs wird das Land noch zwei- bis dreimal zur Beseitigung des Unkrauts und zur Auflockerung des Bodens gepflügt oder behackt. Nach vollendeter Traubenblüte entwickelt sich dann üppiges Laubwerk und es treiben bis 3 m lange Schößlinge, deren Spitzen nach Bedarf entfernt werden.
Die Trauben, die in der Ebene schon im Juni, im Gebirge erst im Juli zu reifen beginnen, erlangen nach ihrer Reife eine Länge von zwei Spannen und ein Gewicht von 1,5 kg mit großen, feinhäutigen, saftigen Beeren. Sie werden, weil den Einwohnern als rechtgläubigen Muhammedanern der Genuß des Weines verboten ist, entweder an Ort und Stelle gegessen oder auf den nächsten Markt zum Verkaufe gebracht, wo sie nicht mehr als höchstens 8 Pfennige das Kilogramm kosten. Mancherorts wird der Überschuß zu Rosinen, Traubenhonig und Traubenkuchen verarbeitet, um als solche in den Handel gebracht zu werden; die Beeren mancher nichtreifender Sorten dagegen werden zur Herstellung einer süßen Limonade, wie sie sonst aus Zitronensaft bereitet wird, verwendet.
Die zu Rosinen bestimmten Trauben werden korbweise in ein Gefäß mit geklärtem Laugenwasser, dem etwas Öl beigegeben ist, getaucht und auf einem geebneten Dörrplatz im Weinberg oder auf Matten ausgebreitet 10–15 Tage lang zum Dörren der Sonnenhitze ausgesetzt. Die Benetzung mit Lauge und Öl hat den Zweck, daß die Rosinen schön weich und von der Sonne nicht allzusehr verbrannt werden, sie zugleich auch einen gewissen Glanz erhalten. Zuletzt werden sie von den Stielen abgelesen und nach der Größe sortiert.
Der Traubenhonig wird in der Weise gewonnen, daß der ausgepreßte Traubensaft mit einer weichen Kalksteinmasse vermischt, umgerührt und über Nacht stehen gelassen wird. Dabei verbindet sich die Weinsäure mit dem Kalk zu einer unlöslichen Verbindung und wird bei diesem Vorgange zugleich der aus Pektin bestehende, die Lösung trübende Pflanzenschleim niedergeschlagen. Der so durch den Kalk geklärte und in seiner Herbe gemilderte Saft wird dann abgeschöpft und bis zu Sirupdicke eingekocht. 100 Teile Trauben geben etwas mehr als 20 Teile Traubenhonig, der sehr gern als Zukost zum Brot verspeist wird und pro Kilogramm nur 20–30 Pfennige kostet.
Die Traubenkuchen werden teilweise ähnlich wie der Traubenhonig bereitet. Den durch den kohlensauren Kalk der Kalksteinmasse abgeklärte und von der Säure befreite Traubensaft läßt man etwas einkochen und rührt Mehl oder Gries und hernach Pinien- oder Kiefernsamen hinein. Der so entstandene dicke Brei wird auf Tücher gestrichen, an der Sonne getrocknet, um als dünne Fladen abgenommen und verspeist zu werden. 1 kg kostet in Palästina etwa 1.50 bis 1.80 Mark.
Auch die christlichen Araber produzieren wenig Wein, um so mehr aber die in Palästina niedergelassenen Europäer, besonders die als höchst wertvolle Erwerbung des Landes daselbst ihre Kolonien gründenden Templer, die meist aus dem Schwabenlande stammen und das solide deutsche Bauerntum nach dem Morgenlande verpflanzten. Der Palästinawein ist ein sehr kräftiges Getränk von etwas herbem Geschmack. Weinkeltern (vom lat. calcatura), wie sie die Kanaaniter und Israeliten hatten und wie man sie noch in manchen Weinbergen sieht, werden nicht mehr benutzt. Es waren dies zwei in Felsen gehauene Becken, von denen das größere, in welchem die Trauben mit den Füßen ausgetreten wurden, etwa 4 m auf jeder Seite mißt. Dasselbe wurde gelegentlich auch zum Ausdreschen von Getreide benützt. Sein flacher Boden neigt nach einer Ecke, wo eine Rinne es mit dem kleineren, tiefer liegenden Becken zur Aufnahme des Mostes (aus dem lateinischen mustum) verbindet. Von da aus wurde dieser in mit nach innen gekehrtem Fell gebildete und mit Harz oder Pech verstrichene Schläuche aus Tierhaut gefaßt, oder man goß ihn, wie die christlichen Araber noch immer tun, in irdene Gefäße und leerte ihn nach der Gärung mit Zurücklassung der Hefe in andere Gefäße. Der Araber, der alles Süße liebt, zeigt eine Vorliebe für süßen und starken Wein, den er aus Trauben keltert, die 14 Tage lang schön ausgebreitet in der Sonne lagen. Der daraus gepreßte Saft ist süß, zugleich aber stark berauschend. Wenn die Araber Weinmost lange aufbewahren wollen, so pflegen sie ihn zu kochen und dann erst in Tonkrüge zu füllen, in die oben am Halse etwas Olivenöl als Verschluß hinzugefügt wird. Das Weinbereitungsgeschäft vollzieht sich im Morgenlande noch rascher als im Abendlande, da die zerdrückten Trauben schon nach 6–12 Stunden in Gärung übergehen und also nicht lange stehen bleiben dürfen.
Weitere aus Asien zu uns gelangte Fruchtbäume sind die mit den Ulmen-, Nessel- und Feigengewächsen verwandten Maulbeerbäume. Lange vor dem aus Ostasien stammenden weißen ist der westasiatische schwarze Maulbeerbaum (Morus nigra) ins Mittelmeergebiet und von da aus nach Mitteleuropa eingeführt worden. Seine ursprüngliche Heimat deckt sich mit derjenigen der Kulturrebe und erstreckt sich vom Gebirgsland von Armenien bis gegen Persien. Er erschien zu Ende des 6. vorchristlichen Jahrhunderts in Griechenland und von da ein Jahrhundert später auch in Italien. Schon der Dichter Aeschylos, der im Jahre 456 v. Chr. in Sizilien starb, spricht in zweien seiner Tragödien von môra (plur. von môron), die später auf Maulbeeren bezogen wurden, aber im gewöhnlichen Sprachgebrauch Brombeeren heißen. Im Volksgebrauch sind nämlich die Maulbeeren wegen ihrer Gestalt und Färbung zunächst als Brombeeren bezeichnet worden. Dem diese Früchte tragenden Baum aber gaben die Griechen, weil er völlig verschieden von der Brombeerstaude war, den Namen sykáminos. Dies war aber eigentlich ihre Bezeichnung für die Sykomore oder den Maulbeerfeigenbaum (Ficus sycomorus), der ursprünglich in Ägypten zu Hause war, aber früh in Westasien von Palästina, Syrien und Cypern bis nach Karien und die Insel Rhodos angepflanzt wurde. Die Griechen lernten ihn dort auf ihren Handelsfahrten kennen und bildeten aus dem syrischen Namen der Früchte schikmim, einem Pluralis, mit Anlehnung an die griechische Bezeichnung für Feige sýkos ihr sykáminos als Namen für den Baum.
Als nun der Maulbeerbaum bei seinem Vordringen nach Westen zu den Griechen der kleinasiatischen Küste gelangte, nannten sie ihn wegen der Ähnlichkeit der Blätter und seiner ganzen Gestalt mit der Sykomore eben auch sykáminos. Nicht nur in der Naturgeschichte der Pflanzen des Theophrastos (390–286 v. Chr.), sondern noch bei späteren Schriftstellern werden beide Bäume mit demselben Worte bezeichnet. Der zur Zeit Cäsars und Augustus lebende griechische Geschichtschreiber Diodoros aus Sizilien unterschied zuerst die beiden Fruchtbäume, indem er erklärte, es gebe zwei Arten sykáminos: die eine trage brombeer-, die andere feigenähnliche Früchte. Zum Unterschiede von der eigentlichen Brombeere (môron) nannte man die Früchte der brombeerfrüchtigen sykáminos sykómōron. So entstand der jüngere Name des Maulbeerbaums sykómoros, welcher bald als vollkommen gleichbedeutend mit sykáminos gebraucht und auch auf den ägyptischen sykáminos, den Maulbeerfeigenbaum, ausgedehnt ward, der davon heute noch Sykomore heißt. Das gemeine Volk aber blieb bei der Bezeichnung môron (Brombeere) für Maulbeere und unter diesem Namen kam die Frucht von den Griechen Unteritaliens zu den Römern, die den Namen um so williger annahmen, als morum auch bei ihnen die von den Griechen übernommene Benennung der Brombeere war. Später drang auch das Wort sycomorus ein, das für Maulbeere und Brombeere gleicherweise gebraucht wurde; da unterschied man die Maulbeere als Baumbrombeere von der gewöhnlichen oder Waldbrombeere. Auch im Lateinischen des Mittelalters hieß der Baum morus und die Frucht morum (plur. mora). Unter diesem Namen wird er im Capitulare de villis und in den beiden Garteninventaren Karls des Großen aus dem Jahre 812 und im Entwurf zum St. Galler Klostergarten aus dem Jahre 820 unter den anzupflanzenden Obstbäumen angeführt.
Der Maulbeerbaum erreicht eine ansehnliche Größe und trägt ein dunkles Laub, das im Frühling spät hervorbricht. Daher bezeichnet ihn Plinius im 1. christlichen Jahrhundert als den weisesten unter den Bäumen, der sich erst hervorwage, wenn kein Frühlingsfrost mehr zu fürchten sei. Die süßsäuerlichen, dunkelroten Beeren munden erst, wenn sie völlig reif sind, und müssen dann rasch verzehrt werden, da ihr Saft leicht in saure Gärung übergeht. Man pflückt sie daher im Süden frühmorgens und genießt oder verkauft sie, ehe die Hitze des Tages sie verdorben hat, heute noch wie in alter Zeit, da der römische Dichter Horaz im augusteischen Zeitalter solches in einem Gedichte aussprach. Mit ihrem roten Safte bemalten sich üppige Weiber und lose Männer beim Mummenschanz die Wangen und färbten vielfach auch ihren Wein dunkelrot. Der als Zeitgenosse des Horaz um die Wende der christlichen Zeitrechnung lebende, im Jahre 17 n. Chr. in der Verbannung in der Stadt Tomi in der heutigen Dobrudscha am Westrande des Schwarzen Meeres verstorbene römische Dichter Ovid erzählt uns im vierten Buche seiner Metamorphosen, woher die rote Farbe der Maulbeeren stamme, nämlich vom Blute des Pyramus, als dieser sich wegen seiner von einem Löwen getötet geglaubten Geliebten Thisbe unter dem Maulbeerbaume den Tod gab. Es ist dies eine durchaus kleinasiatische, auch bei anderen Pflanzen mit rotsaftigen Früchten wiederkehrende Sage, die diesmal in Babylonien vor sich gegangen sein soll, wohl als Erinnerung an die Herkunft des Baumes aus dem fernen Osten.
Plinius sagt vom Maulbeerbaum: „Die Gärtnerkunst hat an diesem Baum nicht viel ausgerichtet, auch durch Veredeln nicht; doch zeigen sich die Früchte an Größe verschieden.“ Nach Athenaios um 200 n. Chr. labten sich an letzteren besonders die Kinder. In der Geoponika, einer wahrscheinlich ums Jahr 912 n. Chr. veranstalteten Sammlung von Auszügen aus alten griechischen Schriften über Land- und Gartenwirtschaft, wird gesagt, daß man die Maulbeere auf Kastanie, Speiseeiche, Apfel- und wilden Birnbaum, auf Terpentin-Pistazie, Ulme und Silberpappel pfropfe; in letzterem Falle würden die Maulbeerfrüchte weiß.
Der weiße Maulbeerbaum (Morus alba) war dem Altertum und dem Mittelalter vollkommen fremd; denn erst im 15. Jahrhundert gelangte dieser im zentralen und östlichen Asien heimische Baum von kleinerem Wuchse, glatteren und zarteren Blättern als sein Schwesterbaum, die schwarze Maulbeere, und süßen, etwas faden, weißen Früchten mit der Einführung der ostasiatischen Seidenraupenkultur aus China nach Südeuropa. Diesem Insekte behagen die viel rauheren und gröberen Blätter des schwarzen Maulbeerbaumes nicht, und so führte man mit seiner Zucht auch den ostasiatischen weißen Maulbeerbaum bei uns ein. Überall in Norditalien und Südfrankreich, wo die Seidenraupenzucht in großem Maßstabe betrieben wird, treffen wir diesen Baum in langen Reihen angepflanzt an, um ihn seiner Blätter zu berauben, die jenem Tiere verfüttert werden, damit es daraus groß werden und schließlich seine Seidenhülle bei der Verpuppung spinnen könne. In Deutschland bemühte sich besonders Friedrich der Große um die gewinnbringende Zucht desselben und damit um die Anpflanzung des weißen Maulbeerbaums, dessen Laub das einzige Futter ist, das den Seidenraupen gereicht werden kann. Doch hatte er dabei nur geringen Erfolg, da das Klima zu rauh für das Gedeihen jener Tiere ist.
Tafel 19.
Reihe von weißen Maulbeerbäumen, deren Blätter den Seidenraupen als Futter dienen, im Kanton Tessin.
Uralter Feigenbaum in Roscoff (Finisterre). Der Baum bedeckt eine Fläche von 600 qm.
Tafel 20.
Ein Hain alter Ölbäume bei Arco in Südtirol.
Nahe verwandt mit dem Maulbeerbaum ist, wie wir übrigens schon aus der Ähnlichkeit der Maulbeeren und Maulbeerfeigen schließen können, der Feigenbaum (Ficus carica), der sehr gern wild in Felsspalten wächst und von Nordwestindien bis in die Mittelmeerländer vorkommt. Verwildert begegnet man ihm hier überall sehr häufig, aber wahrhaft wildwachsend fand ihn Th. Kotschy an den Ufern des nördlichen Euphrat. Der Stamm ist strauch- bis baumartig, kann bei einem Durchmesser von 40–50 cm bis 10 m hoch werden. Das Holz ist leicht und porös und hat ein schwammiges Mark wie dasjenige des Holunders. Der Bast, die Blätter und Früchte sind mit Milchgefäßen versehen. Die Frucht ist eine Scheinfrucht von grünlicher, purpurroter, brauner oder fast schwarzer Farbe, innen fleischig, gelb bis rot und besteht aus dem fleischig gewordenen, urnenartig vertieften Fruchtboden, auf welchem — von außen unsichtbar — die winzigen Blüten und später die sehr kleinen Samen sitzen. In Südeuropa gibt ein völlig ausgewachsener Feigenbaum jährlich etwa 100 kg frische Feigen, die im getrockneten Zustande etwa 30 kg schwer sind. Diese bilden in den südlichen Ländern ein Hauptnahrungsmittel für Menschen und Tiere und werden frisch und gedörrt als gesundes Obst gegessen. Infolge der mehrtausendjährigen Kultur gibt es eine große Menge von Varietäten. Alle werden am besten durch Stecklinge fortgepflanzt, durch Samen nur dann, wenn neue Spielarten gewonnen werden sollen.
Der Feigenbaum verlangt nasse Winter mit nur 2° C. Kälte und trockene Sommer mit bis zu 55° C. in der Sonne, eine gegen Nord- und Ostwinde geschützte Lage und sandigen Humusboden mit kalkigem Untergrund. Da nur die jungen Zweige Früchte hervorbringen, werden die Spitzen der jungen Triebe abgekneift, wenn sie etwa 12 cm lang sind, damit sie im nächsten Jahre reichlich tragen. Ist die junge Pflanze 3 m hoch geworden, so spitzt man sie ein, um ihr Wachstum in die Breite zu veranlassen. Wächst ein Zweig zu üppig ins Holz, so drückt man seine Spitze gegen das Ende hin mit dem Finger so zusammen, daß die weiche, saftige Substanz dem Drucke nachgibt, wodurch das Längenwachstum aufhört und der Saft in die Teile zurückgeht, in denen er notwendig ist. Dadurch und durch das Biegen der Zweige in Bogen, die Spitze nach abwärts, werden diese Teile sehr fruchtbar. Im Frühjahr müssen die Bäume gedüngt werden; dabei werden sie bis über 100 Jahre alt.
Irgendwo im semitischen Westasien ist der Feigenbaum in grauer Vorzeit in Kulturpflege genommen worden, und zwar soll nach der Lautgestalt der semitischen Bezeichnungen tinu für Feigenbaum und balasu für Feige nach Lagarde im Wohngebiet des Bachrâstammes im südöstlichen Arabien die engere Heimat der Kulturfeige sein, eine Annahme, die der Straßburger Botaniker Graf H. von Solms-Laubach auch aus naturgeschichtlichen Gründen für glaubhaft hält. Schon sehr früh wurde der Feigenbaum in Syrien und Palästina heimisch und ließ hier eine Fülle süßer Früchte reifen, die den Bewohnern eine wichtige Nahrung lieferten. Das Alte Testament erwähnt ihn oft, namentlich in Verbindung mit dem Weinstock. So bedeutete bei den Juden Palästinas die Redensart: unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, so viel als ein ruhiges, friedliches Dasein genießen.
Bild 13.
Feigenernte im alten Ägypten. Grabgemälde in Beni Hassan. (Nach Woenig.)
Als die Herrscher Ägyptens im mittleren Reich zu Beginn der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) in regere Verbindung mit Syrien traten, gelangte der Feigenbaum von dort nach dem Niltal, wo wir seine Darstellung in einem Grabe eben jener 12. Dynastie in Beni Hassan antreffen. Dort ist unter anderem eine Feigenernte dargestellt. Auf einem niederen, seine Zweige weit ausstreckenden Feigenbaum, dessen gelappte, blaugrüne Blätter sehr deutlich erkennbar wieder gegeben sind, sehen wir drei durch ihre Körperfarbe als Hundsaffen (Cynocephalus ursinus), die im uralten Ägypten besondere Verehrung genossen, charakterisierte Affen, die sich die Feigen schmecken lassen, während unter dem Baume ein Mann damit beschäftigt ist, die braungelben Feigen von den Zweigen zu pflücken und sie in einen aus Papyrus geflochtenen viereckigen Korb zu legen. Ein anderer ist eben im Begriff seinen mit Tragriemen versehenen, ganz mit Feigen gefüllten Korb vom Boden aufzuheben, um ihn von dannen zu tragen. Unter den Opferspenden und als Grabbeigabe werden die Feigen nur selten angetroffen, doch waren sie im Niltal eine wichtige Medizin und wurde aus ihnen eine Art Wein hergestellt. Sie hießen im Ägyptischen dab und der sie liefernde Feigenbaum nuhi net dab, d. h. Feigensykomore. Auch bei den Juden wurden übrigens die Feigen, die eine wichtige Volksnahrung bildeten, medizinisch verwendet. So wird uns berichtet, daß Hiskias, der König von Juda, der von 728–697 regierte und den Jahvekult wiederherstellte, 701 von den Assyrern unter Sanherib hart bedrängt, einen lebensgefährlichen Karbunkel bekam und von diesem durch den Propheten Jesaias geheilt wurde, indem er durch ein Feigenpflaster die Geschwulst zum Aufbrechen brachte. Noch Plinius berichtet, daß in Wein gesottene Feigen das beste Mittel zum Reifwerdenlassen von Karbunkeln und Furunkeln seien.
Von Syrien verbreitete sich die Feigenkultur früh nach Kleinasien, wo später besonders in Karien eine so gute Sorte gezogen wurde, daß diese in Menge exportiert wurde. Auch in Lydien galten die Feigen neben dem Wein so sehr als die ersten Güter des Lebens, daß nach Herodot diejenigen, die dem Könige Kroisos (Crösus) den Zug gegen den Perser Kyros abrieten, sich darauf beriefen, jene Menschen tränken nicht einmal Wein, sondern Wasser, und hätten auch keine Feigen zur Nahrung. Das homerische Zeitalter Griechenlands zu Ende des 2. vorchristlichen Jahrtausends kannte die westasiatische Feige noch nicht. An den wenigen Stellen, an denen vom Feigenbaum die Rede ist, handelt es sich unverkennbar um den als erineós bezeichneten wilden Feigenbaum, der schon in vorhistorischer Zeit über das ganze Mittelmeergebiet verbreitet war. So berichtet die Ilias von einem großen wilden Feigenbaum, der vor Troja stand, und die Odyssee von einem solchen, der über dem Strudel der Charybdis (bei Messina) sich erhob. Noch in augusteischer Zeit berichtet der um 25 n. Chr. verstorbene, aus Amasia in Pontos gebürtige griechische Geograph Strabon, daß zu seiner Zeit bei Troja, wo der Simoïs und Skamander zusammenfließen, eine rauhe, mit wilden Feigenbäumen besetzte Stelle sei, und damals noch der vom Dichter Homeros erwähnte wilde Feigenbaum (erineós) gezeigt werde. Nur in einer offenkundig ganz späten Stelle der an sich gegenüber der Ilias ziemlich jüngeren Odyssee wird der süße Feigenbaum (sykéē glykerḗ) als neben anderen Fruchtbäumen im Garten des Phäakenkönigs Alkinoos stehend erwähnt. Diese Stelle wird allgemein als ein Einschiebsel aus späterer Zeit aufgefaßt. Die Forschung hat sicher festgestellt, daß die Griechen an der kleinasiatischen Küste erst im 9. Jahrhundert v. Chr. mit dem von ihnen als sykḗ bezeichneten Feigenbaume mit eßbaren Feigen, sýkoi genannt, von Osten her bekannt wurden. Der im 8. Jahrhundert in Böotien lebende Dichter Hesiod kennt diesen edlen Feigenbaum noch nicht; erst Archilochos ums Jahr 700 v. Chr. erwähnt Feigen als Erzeugnis seiner Heimatinsel Paros. In Attika soll die Personifikation der Frucht hervorbringenden mütterlichen Erde, Demeter (eigentlich Gē mḗtēr) den Feigenbaum als Geschenk dem Phytalos, der sie gastlich aufnahm, aus der Erde haben hervorsprießen lassen, wie bei anderer Gelegenheit Athene den Ölbaum. Der griechische Geschichtschreiber Pausanias berichtet in seiner zwischen 160 und 180 n. Chr. verfaßten Reisebeschreibung durch Griechenland, er habe noch die Inschrift auf dem Grabe des Heroen gelesen, die folgendermaßen lautete:
Hier hat Phytalos einst, der Held, die hehre Demeter
Gastlich empfangen, und hier zuerst erschuf sie die Frucht ihm,
Die von dem Menschengeschlecht die heilige Feige genannt wird;
Seitdem schmückt des Phytalos Stamm nie alternde Ehre.
Wein und Feigen wurden in Griechenland bald allgemeines Lebensbedürfnis, das arm und reich gleichermaßen zum täglichen Mahle verlangte. Wohl jeder Athener war, wie es Plato von sich aussagt, philósykos, d. h. ein Feigenfreund. Neben Sikyon, der Gurkenstadt im Peloponnes, nahe der Meerenge von Korinth, rühmte sich die Landschaft Attika der besten Feigen; und wie stolz gerade die Athener auf dieses Produkt ihrer Kulturen waren, lehrt die von einem aus ihrem Kreise erfundene Sage, der mächtige Perserkönig Xerxes habe sich nach seiner Niederlage gegen die griechische Flotte bei Salamis im Jahre 480 v. Chr. bei jeder Mittagstafel durch ihm vorgesetzte attische Feigen daran erinnern lassen, daß er das Land, in welchem sie wüchsen, noch nicht sein nenne und jene Früchte, statt sie sich von den Einwohnern als seinen Untertanen steuern zu lassen, als ausländische Ware kaufen müsse.
Mit der griechischen Kolonisation gelangte der Feigenbaum schon früh auch nach Sizilien und Unteritalien. Von hier aus wurden dann die Bewohner Mittelitaliens mit ihm bekannt und aus dem griechischen sýkos wurde das lateinische ficus. Ja, er findet sich sogar in die Sage von der Gründung Roms verflochten, indem die ausgesetzten Zwillinge, Romulus und Remus, von der Wölfin unter dem ruminalischen (von rumen, Zitze) Feigenbaum sollen gesäugt worden sein. Es ist ganz derselbe Zug der Sage, der den den Juden der späteren Zeit ganz unentbehrlichen Feigenbaum in den Garten Eden, das Paradies, versetzen ließ.
Noch zur Zeit des Kaisers Tiberius wurden nach Plinius wie heute edle Feigenarten direkt von Syrien nach Italien verpflanzt. Besonders beliebt in Rom waren nach ihm die kaunischen, die überall auf den Straßen der Weltstadt von fahrenden Obsthändlern ausgerufen wurden. Diese kaunischen Feigen haben einmal dem Marcus Crassus, als er gegen die Parther zu Felde ziehen und an Bord des Schiffes gehen wollte, Verderben prophezeit, indem ein Feigenverkäufer kaunische Feigen mit dem Geschrei: cavneas ausbot, worin die Worte cave ne eas „hüte dich zu gehen!“ lagen. Es war dies im Jahre 53 v. Chr., als der wegen seines ungeheuren Reichtums von 30 Millionen Mark mit dem Beinamen dives, d. h. der Reiche belegte Triumvir (neben Cäsar und Pompejus) sich als Prokonsul nach Syrien begab, um die Parther zu bekriegen, wobei er bei Carrhae besiegt und dann hinterlistig getötet wurde.
Derselbe Plinius berichtet, daß die Feigen so groß wie Birnen werden, und daß man zu seiner Zeit nicht weniger als 29 verschiedene Sorten derselben unterschieden habe, die in Italien angepflanzt wurden; doch seien die besten Eßfeigen von den Römern aus Kleinasien und Nordafrika bezogen worden. „Wo es Feigen von vorzüglicher Güte gibt,“ sagt er, „da trocknet man sie an der Sonne und bewahrt sie in Kästchen auf. Die Insel Ebusus (jetzt Iviza, die größte der Pityusen- oder Fichteninseln bei den spanischen Balearen) liefert ausgezeichnete Ware, auch das Land der Marruciner (in Latium). Wo sie in größerer Menge vorhanden sind, füllt man große Fässer damit, wie in Asien; in der afrikanischen Stadt Ruspina füllt man sie in kleinere. Getrocknete Feigen werden statt Brot gegessen. Der Genuß frischer Feigen dagegen ist der Gesundheit nicht zuträglich.“ Außer als beliebte Volksnahrung, die sie überall im Süden bis auf den heutigen Tag geblieben sind, verwandte man sie auch zur Essigbereitung. Der aus Gades (dem heutigen Cadix) in Spanien gebürtige römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. rühmt solchen besonders. Er schreibt: „Es gibt Gegenden, die Mangel an Wein und also auch an Essig haben. In solchen muß man die Feigen so reif als möglich sammeln, namentlich, wenn schon Regen eingetreten ist und sie von selbst vom Baume fallen. Man tut sie in große Töpfe und läßt sie da gären. Ist die Gärung so weit vorgeschritten, daß die Feigen sauer geworden sind, wird alle Flüssigkeit, die nun aus Essig besteht, sorgsam geseiht und in ausgepichte, wohlriechende Gefäße gegossen. Solcher Essig ist ausgezeichnet gut und scharf, und wird nie trübe und schimmelig, wenn er nicht an einem feuchten Orte steht.“
Wie Plinius, meint auch sein Zeitgenosse, der aus Kilikien gebürtige griechische Arzt Dioskurides: „Frische Feigen sind, wenn auch reif, dem Magen schädlich, erregen Ausschlag und Schweiß, beschwichtigen Durst und Hitze. Trocken sind sie nahrhaft, erwärmen auch, erregen Durst, bekommen dem Magen gut.“ Die reifen Früchte müssen gleich nach dem Abpflücken gegessen werden und dürfen nicht viel mit den Fingern gedrückt werden; daher soll nach Plinius der ältere Cato, der im Jahre 149 v. Chr. verstorbene unversöhnliche Gegner des wieder aufblühenden Karthago, im römischen Senat eine frühreife (praecox) Feige aus Karthago vorgewiesen und gesagt haben: „Ich frage euch, wann glaubt ihr, daß diese Frucht vom Baume gebrochen wurde?“ Wie nun alle sie als frisch anerkannten, fuhr er fort: „So wisset denn, daß sie vorgestern in Karthago gepflückt wurde; so nahe an unseren Mauern haben wir den Feind, daher stimme ich für die Vernichtung desselben.“ Als er diese Worte gesprochen — fährt Plinius fort — ward der Krieg gegen Karthago beschlossen, welcher mit der Zerstörung jener Stadt endete. Jedenfalls wird jenes fanatisch die gefürchtete Rivalin Roms hassende Original, das als Zensor die altrömische Sittenstrenge und Einfachheit der Lebensweise aufrecht zu erhalten bestrebt war, eine unreif in Karthago gepflückte und erst unterwegs durch Liegen zum Reifen gebrachte Frucht in der Kurie vorgezeigt haben, um die Kriegserklärung durchzudrücken.
Gemäß der volkstümlichen Ansicht, die Dioskurides und Plinius vertreten, daß nämlich frische Feigen der Gesundheit nicht zuträglich seien, wohl aber getrocknete, wurden tatsächlich auch vorzugsweise getrocknete Feigen gegessen. Nach Columella wurden sie in der Sonne gedörrt und, in gut gepichte, weite Tonkrüge festgetreten und unten und oben mit Fenchel bestreut, gut verschlossen an einem trockenen Orte aufbewahrt. So erhielten sie sich sehr lange gut. „Andere suchen die saftigsten frischen Feigen aus, teilen sie mit einem aus Rohr verfertigten Messer oder mit den Fingern, lassen sie an der Sonne einschrumpfen und kneten sie dann zur Mittagszeit, wenn sie von der Sonne durchwärmt sind, nach Sitte der Afrikaner und Spanier zu Kuchen zusammen, die Sterne, Blumen oder Brote darstellen, trocknen sie dann vollends in der Sonne und legen sie endlich in Gefäße.“ Welche Mengen dieser getrockneten Feigen gelegentlich von einzelnen verzehrt wurden, läßt uns der Geschichtschreiber Julius Capitolinus ahnen, wenn er schreibt: „Clodius Albinus, welcher von dem in Gallien stehenden römischen Heere zum Kaiser ausgerufen wurde (als Gegenkaiser des Septimius Severus, von dem er alsbald 196 n. Chr. bei Lyon geschlagen wurde, wobei er umkam), war, wie Cordus in seinem Werke erzählt, so gefräßig, daß man es kaum für möglich halten sollte. So z. B. verzehrte er nüchtern 500 getrocknete Feigen von der Sorte, welche die Griechen kallistruthia nennen, oder 100 kampanische Pfirsiche oder 10 hostiensische Melonen oder 20 Pfund lavikanische Trauben oder 100 Feigendrosseln oder 400 Austern.“
Der gelehrte Varro (116–27 v. Chr.) schreibt: „Die Samen der Feigen sind so klein, daß kaum Pflänzchen aus ihnen entstehen können. Man pflanzt daher in der Baumschule (seminarium) lieber junge Reiser von Feigenbäumen, als daß man Samen sät. Letzteren wendet man nur an, wenn man keine frischen Reiser haben kann, wie z. B. dann, wenn man sich ausländische Feigensorten will über das Meer kommen lassen. In diesem Falle werden reife Feigen an Bindfäden gebunden, getrocknet, verschickt und so in die Erde gelegt. Auf diese Weise sind die Feigensorten, welche jenseits des Meeres heimisch sind, nach Italien gekommen.“ Nach einem griechischen Schriftsteller der Geoponika wurde die Feige auch auf Maulbeerbäume und Platanen gepfropft, und zwar nicht bloß wie andere Bäume im Frühjahr, sondern auch im Sommer bis zur Wintersonnenwende. Columella schreibt: „Den Feigenbaum darf man bei Kälte nicht pflanzen. Er liebt sonnige, steinige und felsige Stellen. Er gedeiht schnell, wenn man ihn in eine weite Grube setzt. Alle Feigensorten werden, obgleich sie sich durch Geschmack und Ansehn unterscheiden, auf einerlei Weise gepflanzt. An kalte Standorte, die im Herbste wasserreich sind, bringt man Frühsorten, damit die Ernte vor eintretendem Regen eingebracht werden kann. An warme Stellen pflanzt man Spätsorten. Will man eine Frühsorte künstlich in eine Spätsorte verwandeln, so bricht man die ersten Früchte, wenn sie noch klein sind, ab, worauf der Baum andere treibt, welche dann erst im Winter reifen. Zuweilen ist es nützlich, den Feigenbäumen, wenn das Laub bei ihnen hervorbricht, die Spitzen abzuschneiden und hierdurch die Fruchtbarkeit zu steigern. Jedenfalls bekommt es dem Baume sehr gut, wenn man ihm zur Zeit, da die Blätter treiben, mit rotem Ton nebst dem Preßrückstand von Oliven und Menschenkot, so weit seine Wurzeln reichen, begießt. Dadurch werden die Feigen größer, fleischiger, besser.“
Schon in der römischen Kaiserzeit kamen die Feigen von der karischen Küste Kleinasiens als eine besonders vorzügliche Sorte unter dem Namen caricae nach Rom, obschon auch in Italien ganz gute Sorten wuchsen. Feigen nebst Datteln und Honig bot man am Neujahrstage den Göttern als Opfer und den Freunden als Geschenk dar. Schon im Altertum wurde der Feigenbaum in Spanien und Nordafrika, wie auch im südlichen Frankreich angepflanzt. Heute reicht sein Kulturgebiet von der Bretagne bis zum Kap der guten Hoffnung. Nach China gelangte er erst nach dem 8. Jahrhundert, in der Neuzeit nach Australien und bald nach der Entdeckung des neuen Weltteils auch nach Amerika, wo er heute besonders in Kalifornien im großen gezogen wird. In den eigentlichen Tropen wächst der Feigenbaum zwar ganz gut, wenigstens da, wo das Klima nicht zu feucht ist, jedoch erreichen seine Früchte daselbst nirgends dieselbe Vollkommenheit wie in den Subtropen.
Der Feigenbaum wird selten höher als 6 m. Überall im Orient wird er meist in Gärten gezogen, die höchstens einigemal gehackt oder umgepflügt werden. Man vermehrt ihn dort durch Ableger. Will man von einem Baum eine andere Sorte Feigen erzielen, so schneidet man den Stamm unmittelbar am Boden ab und vollzieht die Veredelung durch Einsenken von Pfropfreisern in je einen Spalt. Die Edeltriebe können schon im ersten Jahre über mannshoch werden und sogar einige Früchte tragen. Zuerst kommen die Frühfeigen, die im April noch unreif mit Salz als Delikatesse verspeist werden. Im Mai treiben die Sommerfeigen, die Anfang Juni reifen und als schöne, große, grünhäutige, sehr saftige Erstlinge auf den Markt kommen. Von Ende Juli bis November reifen die verschiedenen anderen Sorten in ununterbrochener Reihenfolge, bis im Dezember, wenn schon alle Blätter durch die Winterstürme weggefegt sind, die letzten Spätfeigen gepflückt werden. Ein guter Teil der Feigen wird in Palästina frisch verzehrt, ein bedeutend größerer aber an der Sonne getrocknet. Wenn die Feigen eines Baumes infolge des welk gewordenen Stieles schlaff herabhängen, so schüttelt man den Baum, liest die abgefallenen Früchte zusammen und breitet sie auf der Erde aus, um sie etliche Tage an der Sonne trocknen zu lassen. Zur Aufbewahrung für den Winter werden sie in weithalsige Tonkrüge fest zusammengepreßt, damit die Luft keinen Zutritt habe und sie sich weich und gut erhalten. Getrocknete Feigen werden auch vermöge ihres reichen Zuckergehaltes zur Schnapsfabrikation verwendet. In Gegenden, in denen die Sonnenwärme nicht zum Dörren der Feigen genügt, werden sie in besonderen Öfen getrocknet und gelangen dann in Kisten verpackt zum Versand. Die sehr große, weißlichgelbe Smyrnafeige läßt sich sehr gut dörren und gibt im Jahre zwei Ernten. Von ihr werden jährlich 35 Millionen kg im Werte von 6,5 Millionen Mark ausgeführt. Viele Sorten eignen sich jedoch nicht zum Trocknen und müssen roh verzehrt werden. Besonders im Sommer halten sie sich nicht lange, sondern gehen bald in Gärung über und sind dann an ihrem säuerlichen Geschmack erkenntlich. Man bewahre sie deshalb auch getrocknet an einem möglichst kühlen Ort auf, lasse sie in fester Verpackung und schütze sie vor dem Zutritt der Luft. Der weiße Staub, der an der Oberfläche getrockneter Feigen zu bemerken ist, rührt von ausgetretenem Traubenzucker her. In manchen Gegenden Italiens überstreut man die Feigen mit Kastanienmehl, wodurch ihnen Feuchtigkeit, aber auch Zucker entzogen wird. Vielfach wird auch Mus aus den Feigen gemacht. In Spanien macht man daraus einen Käse, dem man geschälte Mandeln, Haselnüsse, Pinien- und Pistaziennüsse, feine Kräuter und Gewürze zusetzt. Getrocknet und braun geröstet liefern sie den Feigenkaffee.
Die Eßfeigenbäume sind die nur Fruchtblüten enthaltenden weiblichen Feigenstöcke, während die nichtkultivierten männlichen Stöcke die nichteßbaren Bocksfeigen liefern. Letztere hießen im Altertum bei den Griechen erinón, bei den Römern caprificus und dienten damals schon zur Befruchtung der in der Kultur zu eßbaren Früchten ausgebildeten Früchte der weiblichen Pflanze. Diesen Vorgang nennt man Kaprifikation. Damit hat es folgende Bewandtnis: Die als Bocksfeigen bezeichneten Früchte der nicht durch Kultur veredelten männlichen Feigenbäume stellen Urnen dar, die bloß an der Mündung männliche Pollenblüten, sonst aber ausschließlich sogenannte Gallenblüten tragen. Letztere sind von einer winzigen Inquiline oder Gallwespe, der Feigenwespe (Blastophaga grossorum) mit dem Legestachel angebohrte und mit je einem Ei belegte Fruchtblüten, deren Fruchtknoten zur Galle wird, indem die weiße, fußlose Larve des Insekts die ganze Samenanlage zu ihrem Wachstume verbraucht. Wenn die kleinen Wespen herangewachsen sind, verlassen sie die Gallen. Und zwar schlüpfen die flügellosen Männchen zuerst aus, indem sie durch Zerbeißen der sie beherbergenden Galle ein Loch in ihrer Kinderwiege zum Ausschlüpfen herstellen. Später tun dies auch die beflügelten Weibchen, die alsbald von den Männchen noch in der Urne der Bocksfeige befruchtet werden. Nun streben sie in die Weite. Indem sie zu diesem Zwecke zur Urnenmündung emporklettern, beladen sie sich am ganzen Körper mit dem Blütenstaub der dort gelegenen Pollenblüten, den sie beim Aufsuchen neuer Urnen an die Narben der der Befruchtung harrenden Fruchtblüten abstreifen. Sie suchen nämlich ausschließlich diejenigen Urnen auf, die sich in einem jüngeren Entwicklungsstadium befinden, um dort ihre Eier in die Fruchtknoten zu legen. In die normalen Fruchtblüten der gewöhnlichen Feige können diese Wespen keine Eier legen, da ihr Legestachel zu kurz ist, um bis an die Fruchtknotenhöhle hinabgestoßen zu werden. Die dort hineingesenkten Eier bleiben in einer für ihre Weiterentwicklung ungünstigen Stelle des Griffels liegen und gehen zugrunde. Der dabei auf die Narben gebrachte Pollen aber befruchtet diese Blüten, während der auf die Gallenblüten gelangte wirkungslos bleibt, da deren Narben mehr oder weniger verkümmert sind. Diese letzteren dagegen besitzen einen kurzen Griffel und sind zur Aufnahme des Insekteneies vorzüglich geeignet. Sie bringen nun auch die jungen Wespen hervor, welche jeweilen die Befruchtung der Feigen zu übernehmen haben.
Bild 14. 1 urnenförmiger Blütenstand der Eßfeige von aus Gallen der nicht eßbaren Bocksfeige ausgeschlüpften winzigen Feigenwespen besucht, 2 langgriffelige Fruchtblüte der Eßfeige, 3 die aus einer kurzgriffeligen Fruchtblüte der Bocksfeige hervorgegangene Galle, 4 aus einer solchen ausschlüpfende Feigenwespe, in 5 das Tier ganz dargestellt.
Die Kaprifikation der Feige wird in der Weise vorgenommen, daß man vom männlichen wilden Feigenbaume Zweige mit Feigen oder einzelne Feigen abschneidet und sie oben in kultivierte weibliche Feigenbäume hineinhängt. Aus den bald verwelkenden wilden Feigen sind dann die Gallwespen gezwungen, auszukriechen und die zahmen Feigen aufzusuchen und zu befruchten. Diese Kaprifikation ist eine Erfindung der Semiten Arabiens und Syriens, die diese Methode mit der Feigenkultur weiter verbreiteten, um dem Abfallen der weiblichen Eßfeigen infolge Nichtbefruchtung zu wehren. So wurde sie auch von den alten Griechen geübt. Schon der Vater der griechischen Geschichtschreibung Herodot erwähnt sie im 5. vorchristlichen Jahrhundert. Drei Generationen später schreibt der treffliche Pflanzenkenner Theophrastos in seiner Pflanzenkunde darüber: „Dem Abfallen der Früchte des Feigenbaumes (sykḗ) beugt man durch die Kaprifikation (erinasmós) vor. Man hängt nämlich, wenn es geregnet hat, an den zahmen Baum wilde Feigen, Bocksfeigen (erineós), aus denen Gallwespen (psḗn) hervorkommen, welche in die zahmen Feigen von deren Außenende aus hineinkriechen. Daß eine Frucht kaprifiziert ist, erkennt man daran, daß sie rot, bunt und derb wird, während die nichtkaprifizierte weiß und kraftlos ist. Übrigens fallen die Feigen ohne Kaprifikation nicht überall ab; in Italien z. B. sollen sie hängen bleiben und deshalb wird dort jenes künstliche Mittel nicht angewendet. Auch in den nördlichen Gegenden und auf magerem Boden Griechenlands soll die Kaprifikation nicht nötig sein, wie bei Phylakos im Gebiet von Megara und in manchen Gegenden bei Korinth. Auch bei Wind, namentlich bei Nordwind, fallen die Feigen leichter ab, besonders wenn sie in großer Menge vorhanden sind, desgleichen werfen Frühsorten leichter ab als späte, weshalb man letztere nicht kaprifiziert.“
Einen Sinn hat die Kaprifikation in der Gegenwart nur dann, wenn man keimfähige Samen zur Vermehrung der Feigenbäume zu erhalten begehrt. Da aber die Feigenbäume heute nicht mehr aus Samen, sondern aus Stecklingen gezogen werden, ist die Kaprifikation eigentlich überflüssig; denn im Laufe der Zeit und durch die Kultur begünstigt, hat die Feige die Eigenschaft erworben, auch ohne Bestäubung durch die Wespen saftig und süß zu werden. Doch wird sie gleichwohl an den meisten Orten, namentlich in Unteritalien, Sizilien, Griechenland und den griechischen Inseln, Kleinasien, Syrien, Tripolis, Algier, Südspanien und Portugal noch immer ausgeführt, indem man glaubt, daß sie das Abfallen der unreifen Feigen verhindere und eine frühere Reife herbeiführe, sowie daß ein kaprifizierter Baum sehr viel mehr Feigen trage, als ein nichtkaprifizierter. Die Kaprifikation unterbleibt dagegen in Nord- und Mittelitalien, Tirol, Sardinien, Südfrankreich, Nordspanien, Portugal, Ägypten, auf den Kanaren und den Azoren. Diese eigentümliche Befruchtungsart durch speziell angepaßte kleine Wespen finden wir übrigens bei allen Ficusarten, deren die Tropen eine Fülle oft sehr großer, baumartiger Formen beherbergen. Aber nur noch die Sykomore — von den alten Griechen so, d. h. Feigenmaulbeerbaum genannt — wird in Ägypten, wo ihre Früchte seit uralter Zeit ein beliebtes Volksnahrungsmittel sind, kaprifiziert.
Die Sykomore (Ficus sycomorus), der Maulbeerfeigenbaum, ist ein 13–16 m hoher Baum Afrikas mit dickem Stamm und immergrünen, fast herzförmig eirunden Blättern. Seine walnußgroßen, gelblichen Früchte von angenehm süßem und gewürzhaftem, maulbeerähnlichem Geschmack treten in Büscheln oft zu Hunderten unmittelbar aus dem Stamm und werden von Menschen und Tieren sehr gerne gegessen. Um vollkommen reif zu werden, sticht oder ritzt man sie einige Tage vor der Reife an, wobei ein bitter schmeckender Saft abfließt. Der Baum liebt feuchten Boden und wächst deshalb mit Vorliebe am Wasser. Das weiche, schwer verwesliche Holz war im Niltal das wichtigste einheimische Werkholz, das zu allerlei Geräten, besonders aber zur Herstellung der Mumiensärge diente.
Infolge des mannigfachen Nutzens, den sie gewährte, begreifen wir die Hochachtung, welche die Sykomore im alten Ägypten als der Isis und Hathor, den Göttinnen der Fruchtbarkeit und Liebe, geweihter Baum genoß. Sie hieß altägyptisch nuhi und galt als Typus eines Baumes, nach welchem andere neu eingeführte genannt wurden, z. B. der Feigenbaum: die Feigensykomore, der Weihrauchbaum: die Weihrauchsykomore, die Terpentinpistazie: die Harzsykomore usw. Nicht bloß aß das Volk seit den ältesten nachweisbaren Zeiten gerne seine gewöhnlich als „Eselsfeigen“ bezeichneten Früchte, sondern opferte diese mit Vorliebe den Toten. Den Ägyptern des alten Reiches war der Reichtum des Nillandes an Sykomoren ein besonderer Stolz und sie fügten meist dem Namen ihres Landes „Kem“, was „Schwarze Erde“, d. h. fruchtbares Schwemmland des Nils, im Gegensatz zur sterilen gelben Wüste bedeutet, zur Kennzeichnung der kultivierten, baumtragenden Niederung, das Deutbild eines Baumes bei; und zwar war es die Sykomore, nach welcher sie ihre Heimat auch das „Land des Nuhibaumes“ nannten, etwa wie sich ein Teil Deutschlands das „Land der Eichen“ nennen kann. In ihrem Schatten lebten die Lebenden und aßen ihre Früchte, die auch den Toten die liebste Opfergabe war, so daß sich ganze Körbe davon getrocknet in den Grabkammern fanden. Zweige und Blätter derselben dienten zum Schmucke der Mumien, die in Särgen aus Sykomorenholz ruhten. Und nicht nur stand als „Baum des Lebens“ nach dem Totenbuch der alten Ägypter eine Sykomore am Eingang zum Reiche der Seelen, sondern im Laube dieser Bäume dachte man sich die Geister der Verstorbenen mit Vorliebe hausend. Darum ist es nach dem Zeugnis so vieler Steleninschriften der heißeste Wunsch des Abgeschiedenen, unter einer Sykomore zu wohnen. Deshalb pflegte man diese Bäume in eigenen Grabgärtchen, die wenn möglich von Wasser aus dem Nilstrom umflossen waren, zu pflanzen. Noch zur Zeit der 18. und 19. Dynastie, d. h. im neuen Reiche (von 1550 bis 1200 v. Chr.), wünscht sich der Tote in stehender Formel: „Möge meine Seele (ka) sitzen auf den Zweigen des Grabgartens, den ich mir bereitet habe; möge ich mich erfrischen tagtäglich unter meiner Sykomore.“ So war einst dem anspruchloseren Bewohner des Landes die Sykomore auch im Diesseits ein „Baum des Lebens“, zugleich Obdach gegen die sengende Hitze des Mittags und Nahrungsspenderin. Erst in späterer Zeit nahm ihre Wertschätzung gegenüber anderen Fruchtspendern ab und ihre Früchte, die Eselsfeigen, galten jüngeren Geschlechtern für weniger schmackhaft. Dem gibt der jüdische Prophet Amos im 8. vorchristlichen Jahrhundert Ausdruck, indem er zu König Amazia sagt, daß jene Früchte nur noch die dürftige Nahrung der Kuhhirten bilden: „Ich bin kein Prophet, noch eines Propheten Sohn, sondern ich bin ein Kuhhirt, der Maulbeerfeigen ablieset.“ Auch bei den übrigen Völkern des Altertums waren die Eselsfeigen wenig geschätzt. So schreibt der griechische Geschichtschreiber Strabon: „In Ägypten gibt es einen Maulbeerbaum (sykáminos), dessen Frucht sykómōron heißt; sie ist einer Feige ähnlich, schmeckt aber nicht sonderlich gut.“ Und Dioskurides beschreibt ihn, wie schon 300 Jahre vor ihm Theophrast, sehr ausführlich: „Der ägyptische Maulbeerbaum (sykáminos), der, wie dessen Frucht, auch sykómōron heißt, ist ein großer Baum, dem Feigenbaum ähnlich, sehr saftreich, hat dem Maulbeerbaum (mōréa) ähnliche Blätter und trägt drei- bis viermal des Jahres Früchte, die aus dem Stamme selbst kommen. Sie sind denen des wilden Feigenbaums ähnlich, haben aber keine Kerne und werden nur reif, wenn man sie mit den Fingernägeln ritzt oder mit eisernen Nägeln kratzt. Die meisten Bäume dieser Art wachsen in Karien, auch auf Rhodos, überhaupt an Orten, welche arm an Weizen sind; sie geben dort einigen Schutz gegen Hungersnot. Die Frucht gibt übrigens nur wenig Nahrung. Die Rinde des Baumes verwundet man absichtlich, fängt den ausfließenden Milchsaft mit einem Badeschwamm (spóngos) oder mit Wolle auf, trocknet ihn und braucht ihn innerlich und äußerlich zu Heilzwecken.“
Wie das gemeine Volk im Niltal seit alters gerne die Sykomorenfrüchte, trotz ihres etwas faden Geschmackes ißt, so schmausen südlicher wohnende Eingeborenenstämme Afrikas die Früchte nahe verwandter Arten. So wächst beispielsweise in Ostafrika eine besondere Maulbeerfeigenart, die Ficus capensis, deren Früchte in allen Ortschaften der Landschaft Usambara auf den Markt kommen, aber an Wohlgeschmack diejenigen der echten Sykomore lange nicht erreichen. Übrigens findet man auch in Südpersien zwei wilde Feigenarten (Ficus persica und Ficus iohannis) mit haselnußgroßen, eßbaren Früchten, die von den anspruchslosen Eingeborenen gerne gegessen werden.
Wie der süßfrüchtige Feigenbaum ist auch der edle Ölbaum (Olea europaea) ein Gewächs des südlichen Vorderasiens, das in dieser seiner eigentlichen Heimat von den dort wohnenden semitischen Volksstämmen früh veredelt und durch Kulturauslese zu lohnendem Fruchtertrage an dem für alle vorzugsweise von fettarmer Pflanzenkost, besonders Getreide, lebenden Menschen so wertvollen Öle gebracht wurde. Die älteste Öl liefernde Kulturpflanze der Menschheit scheint der Sesam (Sesamum indicum) gewesen zu sein, ein heute noch von Westafrika bis Japan in umfangreichem Maße angebautes einjähriges Kraut mit schön hellrot gefärbten, an den Fingerhut gemahnenden Blüten, das Indien zu seiner Heimat hat. Hier wurde es zur Kulturpflanze erhoben und gelangte von da schon sehr früh nach Babylonien, wo im Altertume alles Öl aus Sesam bereitet wurde. In den erst später zu höherer Kultur gelangten Ländern am Mittelmeer ist diese ältere Ölpflanze durch den jüngeren Ölbaum verdrängt worden, der im nördlichen, nahe dem Meere gelegenen Syrien oder Kilikien von den dort wohnenden Stämmen, vermutlich aus der engeren Verwandtschaft der Chethiter, schon im 3. vorchristlichen Jahrtausend zur Kulturpflanze erhoben wurde. Die wildwachsende Form mit kleinen, nur mit einem sehr dünnen Fruchtfleisch umgebenen Früchten findet sich seltener als Baum, meist als Strauch durch ganz Westasien und wurde schon in vorgeschichtlicher Zeit durch Vögel, die seine Früchte verzehrten, durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitet. Noch heute tritt er uns überall bis zu den Azoren und Kanaren in den Macchien als Oleaster entgegen. Wie die Feige gedeiht auch der zur wertvollen Kulturpflanze erhobene edle Ölbaum am besten auf Kalkboden in nicht zu großer Entfernung vom Meere. Schon sehr früh hat er sich über ganz Syrien verbreitet. Jedenfalls war er überall in Kanaan angepflanzt, als die Juden ums Jahr 1250 das Land eroberten, und ihre späteren Herrscher, besonders David und Salomo, beförderten dessen Anbau in jeder Weise. Das aus den Oliven gewonnene Öl wurde von den Juden in der mannigfaltigsten Weise verwendet: zum Schmälzen der Mehlspeisen, zum Opfer, zum Brennen in der Lampe und zum Salben des Haupthaares und Körpers überhaupt. Es galt auch als wertvolles Tausch- und Zahlmittel. So erfahren wir, daß König Salomo, der von 993 bis 953 v. Chr. regierte, die am Tempelbau beschäftigten phönikischen Arbeiter teilweise mit Olivenöl entlohnte. Den Überschuß ihrer Ölproduktion verkauften die Juden nach den Zeugnissen der Bibel an die Phönikier und nach dem reichen, stark bevölkerten Ägypten, das allerdings schon längst eigene Ölbaumkulturen besaß. Der Begründer der Botanik, Theophrastos im 4. vorchristlichen Jahrhundert, berichtet von ausgedehntem Olivenbau in der Thebais, vermutlich den Oasen der libyschen Wüste, wo der Baum heute noch vielfach gepflanzt wird, sagt aber, daß auch das übrige Ägypten ein an Ölbäumen reiches Land sei. Da sie aber einen trockenen Boden lieben, gedeihen diese aber hier nur soweit, als die Überschwemmung von seiten des Niles fehlt. Aus demselben Grunde fehlte der Ölbaum auch in den Niederungen von Euphrat und Tigris, wo als Fettspender ausschließlich die Sesampflanze angebaut wurde.
Über Kleinasien gelangte der Ölbaum in der ersten Hälfte des 2. vorchristlichen Jahrtausends zu den Griechenstämmen am Ägäischen Meer. Während noch Hehn bestritt, daß in homerischer Zeit der Ölbaum in Griechenland selbst angebaut wurde, und annahm, daß alles Olivenöl, das damals vornehmlich zum Salben des Körpers von den Griechen gebraucht wurde, als Importware durch die Phönikier aus Syrien gebracht worden sei, wissen wir heute mit Sicherheit, daß der Ölbaum schon in mykenischer Zeit um die Mitte des vorletzten Jahrtausends v. Chr. in Griechenland selbst angebaut wurde. Nicht nur hat man auf mehreren bildlichen Darstellungen aus jener Zeit unverkennbare Darstellungen von Ölbäumen und in verschiedenen der Paläste Kretas und auf der Insel Thera steinerne Ölmühlen aus mykenischer Zeit gefunden, sondern in den Königsgräbern von Mykene fanden sich auch eine Anzahl Olivenkerne. Also muß der Baum damals schon im Lande selbst kultiviert worden sein und haben seine Früchte als Speise gedient.
Was in den homerischen Epen als phönikischer Import angeführt wird, war nicht sowohl reines, als parfümiertes Olivenöl, mit dem die Helden nach dem Bade von den Mägden eingerieben wurden. Mit solch duftendem Öle salbten sich nach Homer nicht nur die Menschen, sondern auch die unsterblichen Götter, so Hera, die sich dem Zeus angenehm machen wollte. In der Schatzkammer des Odysseus wie des Telemachos lag neben Gold, Silber, Erz, Kleider und Wein auch Olivenöl (élaion). Wie Telemachos nach dem Bade mit Öl gesalbt und mit schönen Kleidern angetan wurde, „daß er aussah wie ein unsterblicher Gott“, salbte Patroklos auch die Mähne seiner Streitrosse, wenn sie gewaschen worden waren, mit Olivenöl. Desgleichen tat Achilleus mit den Mähnen seiner Pferde, die als Söhne des Windgottes Zephyr unsterblich waren. Und wie die liebreizende Aphrodite nach Homer auf Cypern, dem Orte ihrer besonderen Verehrung, von den Chariten mit ambrosischem Öle gesalbt wurde, dessen Duft, wenn es bewegt wurde, Himmel und Erde durchdrang, so salbte sie damit auch den Leichnam ihres von Achilleus gefällten Lieblings Hektor. Mit ihm reinigte Athene gleicherweise das gramerfüllte Gesicht von Odysseus treuer Gattin Penelope während des Schlafes, damit es bei ihr, die sich in Trauer um ihren verschollenen Gemahl weder gewaschen noch gesalbt hatte, mit der unsterblichen Schönheit leuchte, die die schönbekränzte Liebesgöttin umgibt, wenn sie damit gesalbt zum lieblichen Reigen der Chariten geht. Aber nicht nur das Olivenöl, auch das Holz des Ölbaums, und zwar des elaíē genannten Kulturbaums, spielt in den homerischen Epen eine nicht unbedeutende Rolle. Nicht nur standen im Garten des Phäakenkönigs Alkinoos reichlich Frucht tragende Ölbäume, sondern aus Olivenholz waren die Keule des Kyklopen Polyphem, der Stiel der Streitaxt des Peisandros und das Bettgestell, das sich Odysseus in seiner Heimat Ithaka eigenhändig gezimmert hatte, angefertigt.
Um so merkwürdiger muß es uns erscheinen, daß Herodot berichtet, der Ölbaum sei erst zur Zeit des attischen Gesetzgebers Solon (639–559 v. Chr.) nach dem griechischen Festlande gebracht worden. Damals kann nicht der Kulturölbaum an sich, sondern nur eine höher gezüchtete Abart mit größeren Früchten nach Hellas gekommen sein. In der Tat weisen die in mykenischen Fundschichten zutage getretenen Steinkerne auf eine noch recht kleinfrüchtige Olivenart hin. Nach der attischen Sage soll Athene selbst dem Könige Theseus auf der Burg den Ölbaum geschaffen haben, und nach der Erzählung der Bewohner von Elis soll ihn Herakles von den Hyperboräern im äußersten Nordwesten dorthin gebracht haben. In zahlreichen griechischen Mythen ist vom Ölbaum die Rede, und mit Zweigen von ihm bekränzte man nach uralter Sitte die Sieger der Wettkämpfe in Olympia. Mit Vorliebe nahm man sie von den Bäumen in den heiligen Bezirken, die teilweise ein sehr hohes Alter aufwiesen. So stand auch auf dem Marktplatze der Stadt Megara, westlich von Athen, ein uralter Ölbaum, dessen Jugend bis in die Heroenzeit hinaufgereicht haben soll. Von solchen als heilig und unverletzlich gehaltenen Ölbäumen ist auch in Athen die Rede. So waren im Garten der Akademie solche der Athene geweihte und daher unantastbare Ölbäume, die von dem alten, durch die Stadtgöttin selbst auf der Akropolis einst hervorgezauberten und später nach der Verbrennung durch die Perser im Jahre 481 v. Chr. durch Wurzelschößlinge verjüngten Baume stammten und das Öl lieferten, von dem ein Krug voll beim gymnischen Agon während des großen, von Peisistratos um 540 v. Chr. gestifteten Panathenäenfestes den Siegespreis bildete.
Über die Erschaffung des Ölbaums auf der Akropolis in Athen berichtet uns ein ungenannter griechischer Autor, jedenfalls ein Athener, in den Geoponika, dessen 9. Buch ausschließlich vom Ölbaume und seinen Früchten handelt: „Anfänglich war die Erde ganz mit Wasser bedeckt. Da tauchte zuerst Attika aus dem großen Meere hervor, und es entstand ein Streit zwischen dem (Meergott) Poseidon und (der aus dem Haupte des Zeus entsprungenen) Athene, nach wessen Namen die da zu gründende Stadt benannt werden sollte. Zeus entschied, sie sollte dem gehören, der ihr das beste Geschenk gäbe. Poseidon gab der Stadt einen Hafen und Schiffswerften, Minerva aber schuf auf der Burg einen an Blüten und Früchten reichen Ölbaum, bekränzte sich mit dessen Zweigen, ward als Siegerin erklärt und nach ihrem Namen wurde die Stadt Athen genannt. Infolge dieser Begebenheit werden die Sieger in öffentlichen Wettkämpfen mit Ölzweigen bekränzt. Übrigens hat sich noch gefunden, daß ein Ölblatt auch anderweitig gute Dienste leisten kann; schreibt man nämlich darauf Athēná und bindet es um den Kopf, so vergeht das Kopfweh.“
Schon zu Beginn des 6. vorchristlichen Jahrhunderts hatte der weise Gesetzgeber Solon, der einer der sieben Weisen war, eingehende Bestimmungen über den Oliven- und Feigenbau in Attika erlassen. Nach ihm hat besonders Peisistratos sich den Anbau des nützlichen Ölbaumes auf der kahlen und damals schon durch Entwaldung baumlosen Landschaft Attikas angelegen sein lassen. Und als die Griechen ihre Kolonisation nach Westen ausdehnten, nahmen sie selbstverständlich den Anbau des Olivenbaums so gut als denjenigen des Weinstocks und des Feigenbaums als für sie unentbehrliche Nutzpflanzen mit sich. So bedeckten sich im Laufe des 7. und 6. vorchristlichen Jahrhunderts die Gestade Siziliens und Süditaliens mit jenen Pflanzen. Plinius sagt, daß nach Fenestella (der unter der Regierung des Kaisers Tiberius, die von 14–37 n. Chr. währte, lebte) es zur Zeit des Lucius Tarquinius Priscus (des 5. römischen Königs, eines Etruskers, der von 616–578 regierte) in Italien, Spanien und Afrika noch keine kultivierten Ölbäume gegeben habe. Erst unter der Regierung von dessen Sohn Lucius Tarquinius Superbus (der seinen Schwager Servius Tullius stürzte, um von 534–510 zu regieren) sei der erste Ölbaum nach Latium gekommen. Von da verbreitete er sich dann allmählich nach Norden bis an den Südabfall der Alpen, soweit ihm das Klima überhaupt vorzudringen gestattete. Diese Periode des Aufblühens des römischen Gemeinwesens war eine Zeit des lebhaftesten Verkehrs mit den griechischen Ansiedelungen Campaniens. Daß nun Griechen die Vermittler der Ölbaumkultur bei den Römern waren, beweisen schon die lateinischen Bezeichnungen oliva und oleum (Öl), die dem Griechischen elaíā und élaion entlehnt sind, wie übrigens auch sämtliche auf die Ölbereitung bezüglichen Ausdrücke. Schon im 1. Jahrhundert v. Chr. war Italien bis auf die Gegend nördlich vom Apennin, deren Klima bis heute keinen Ölbau duldet, so reich an Ölbäumen, daß es damals hierin allen übrigen Ländern am Mittelmeer den Rang ablief.
Der aus Spanien nach Rom gekommene römische Ackerbauschriftsteller Columella schreibt in seinem Buche über den Landbau: „Von allen Bäumen ist der Ölbaum dem Range nach der erste und erfordert dennoch den geringsten Aufwand. Für gewöhnlich trägt er nur ein Jahr ums andere, aber sein Fruchtertrag verdoppelt sich, wenn man ihn gut pflegt; andererseits bringt er doch auch dann einigen Nutzen, wenn man ihn viele Jahre hindurch vernachlässigt, und läßt sich durch bessere Pflege innerhalb Jahresfrist wieder in guten Stand bringen. Es gibt viele Olivensorten und im allgemeinen gilt bei ihnen die Regel, daß die großen besser zum Verspeisen, die kleinen dagegen besser zur Gewinnung von Öl sind. Große Hitze und große Kälte ist allen Sorten schädlich. Man pflanzt daher in heißen Gegenden diese Bäume am besten an nach Norden gelegenen Abhängen, in kälteren aber gegen Süden. Tiefe Täler und hohe Berge passen nicht für sie, sondern mäßige Hügel, wie man sie im Sabinerlande und im ganzen südlichen Spanien antrifft.“ Dann gibt er ausführliche Anleitung über die Anlage von Ölbaumpflanzungen (olivetum), auf die wir hier nicht näher eintreten wollen.
Columellas Zeitgenosse Plinius berichtet, daß im 505. Jahre Roms (249 v. Chr.) unter dem Konsulat des Appius Claudius und Lucius Iunius 2 Pfund Olivenöl 10 Asse (über 5 Mark) kosteten, daß im Jahre 74 v. Chr. dagegen 10 Pfund Olivenöl bloß 1 As (etwa 47 Pfennige) zu stehen kam, und 22 Jahre später unter des Gnäus Pompejus drittem Konsulat Italien einen solchen Überfluß daran besaß, daß noch welches in die Provinzen ausgeführt werden konnte. Dazu bemerkt er: „Zur Zeit des Hesiodus (im 8. Jahrhundert v. Chr.) muß man es mit der Olivenzucht (in Griechenland) noch nicht weit gebracht haben; denn er behauptet, niemand habe damals von seinen Ölbaumpflanzungen Nutzen gehabt. Jetzt aber besitzt man für diese Bäume eigene Baumschulen und erntet schon zwei Jahre, nachdem man sie aus ihnen herausgenommen hat, Früchte. Es gibt verschiedene Sorten von Oliven. Vergil nennt sie orchites, radius und posia. Die Olivenernte folgt auf die Traubenernte und die Behandlung des Öles ist anfangs schwieriger als diejenige des Mostes. Je reifer die Olive (bacca, d. h. Beere), desto fetter ist ihr Saft, aber desto schlechter schmeckt er. Die Zeit, in der Güte und Menge des Öls am besten in ihr vereinigt sind, zu der man sie also am liebsten erntet, ist die, da sie anfangen sich dunkel zu färben, da die Römer sie drupa, die Griechen drypetis nennen. Die frühreifen Olivensorten erntet man gleich nach Beginn des Herbstes; die dickschaligen läßt man bis zum März hängen, und mehrere von diesen fangen nicht einmal vor dem 8. Februar an, eine dunkle Farbe zu bekommen. Vom Baume genommene Oliven darf man nicht lange stehen lassen, da jeder Verzug die Ölmasse in ihnen vermindert, dagegen die Schleimmasse vermehrt. Frisches Öl ist zum Verspeisen am besten; wenn es über ein Jahr alt ist, schmeckt es schlecht, was beim Weine nicht der Fall ist. Außer dem Öl gewinnt man den Ölabgang (amurca), der zum Düngen der Ölbäume, zum Einölen der Krüge, zum Tränken der Tenne, auf welcher gedroschen werden soll, zum Bestreichen des Getreidespeichers, um Holzwürmer und anderes Ungeziefer abzuhalten, und als Heilmittel gut ist.“
Welche Bedeutung dem Olivenöl nicht bloß als Nahrungs- und Beleuchtungsmittel, sondern vor allem auch zur Körperpflege bei den Völkern des Altertums zukam, beweist der Ausspruch desselben Plinius, der sagt: „Es gibt zwei Flüssigkeiten, welche dem menschlichen Körper sehr willkommen sind; innerlich der Wein und äußerlich das Olivenöl; beide stammen von Bäumen, aber der Wein ist jedenfalls entbehrlicher als das Öl.“ Der griechische Philosoph Demokritos aus Abdera in Thrakien (460–360 v. Chr.), der die Torheiten der Menschen belächelte und das höchste Glück der Menschen in völlige Seelenruhe setzte, erwiderte auf die Frage, wie man gesund bleiben und seine Tage verlängern könne, mit der diätetischen Regel: „Innerlich Honig, äußerlich Olivenöl.“ An einer anderen Stelle, an der er die Bedeutung der Öleinreibung bespricht, meint Plinius: „Das Olivenöl hat die Eigenschaft, in die Haut eingerieben den Körper zu erwärmen, gegen Kälte zu schützen und die Hitze des Kopfes zu kühlen. Bei den Griechen steht auf den für die Gymnastik bestimmten Plätzen Öl, mit dem sich jeder umsonst salben darf. Auch der römische Staat erweist dem Ölbaum hohe Ehre, indem sich die Ritterscharen am 15. Juli mit dessen Zweigen bekränzen, was auch die siegreichen Feldherrn bei Ovationen tun.“
Wie schon in Griechenland ein Kranz aus Ölzweigen die höchste Auszeichnung des bei den Wettkämpfen siegenden Volksgenossen war, so trugen auch bei den Römern die im Felde gewesenen Diener lorbeergeschmückter Feldherrn einen Kranz von Ölzweigen. Der Ölzweig war den Alten überhaupt das Sinnbild des Friedens, und Besiegte, die um Frieden zu bitten kamen, trugen Ölzweige in den Händen. Dies wurde dann weiter auf den Frieden einer höheren Welt übertragen, wenn die frisch aufgenommenen Mitglieder der samothrakischen Mysterien Ölzweige trugen, oder wenn auf den Grabsteinen der ältesten Christen eine Taube mit dem Ölzweig im Schnabel dargestellt wurde. Im Altertum müssen die Ölbäume nur auf einem beschränkten Umkreis um die Ortschaften angepflanzt worden sein, was aus dem lateinischen Sprichwort hervorgeht: extra oleas vagari, d. h. über die Ölbäume hinausschweifen, im Sinne von zu weit gehen, übers Ziel schießen.
Bei der großen Bedeutung des Olivenöls für die antike Welt, kann es uns nicht wundern, daß von den Regierenden außer Brotkorn auch Öl dem Proletariat der Stadt Rom umsonst gespendet wurde. So berichtet uns Aelius Spartianus im Leben des Kaisers Septimius Severus, daß dieser bei seinem Tode im Jahre 211 einen Getreidevorrat in der Hauptstadt hinterließ, durch den der Bedarf auf sieben Jahre gedeckt war, so daß täglich 75000 Scheffel (modius) verausgabt werden konnten — es ist dies eine Menge, die reichlich zur Ernährung von 600000 Menschen hinreichte, so viele müssen also damals in Rom vom kaiserlichen Getreide gelebt haben —, „von Olivenöl aber hinterließ er so ungeheure Vorräte, daß sie auf fünf Jahre nicht bloß den Bedarf der Stadt Rom, sondern für ganz Italien genügten“. Bei der gewaltigen Produktion von Olivenöl ist es daher begreiflich, daß zur römischen Kaiserzeit ziemlich große Mengen desselben, außer aus Italien, auch aus Istrien und Dalmatien in die nördlich davon gelegenen Länder ausgeführt und daselbst gegen Vieh, Häute und Sklaven ausgetauscht wurden. Von Massalia, dem heutigen Marseille, aus, wohin die Griechen den Ölbaum schon im Jahre 680 v. Chr. mit dem Weinstocke verpflanzt hatten, rückte die Kultur dieser Nutzpflanzen in die durch ein warmes Klima und Kalkboden besonders für den Ölbaum geeignete Provence vor, wo die Ölbaumkultur bei der Eroberung durch die Römer bereits ausgedehnte Verbreitung besaß. Unter der Römerherrschaft wurde sie über das ganze südliche Gallien verbreitet. Im 7. Jahrhundert wird schon das Baumöl von Burdigala (Bordeaux) erwähnt.
Von dem Ertrage der Ölbaumpflanzungen, die sich der ganzen ligurischen Küste entlang erhoben, wurden die Volksstämme des Hinterlandes, wie der griechische Geschichtschreiber Strabon sagte, gegen Vieh, Häute und Honig mit dem zum Brennen der Öllampen nötigen Öle versorgt. Es als Fett zum Kochen zu benutzen, damit konnten sie sich zunächst so wenig befreunden, wie die übrigen Barbaren, auch die Griechen und Römer, als sie zuerst damit bekannt gemacht wurden. Auch konnte es nicht fehlen, daß die Küstengebiete Spaniens, soweit sie sich zum Anbau des Ölbaumes eignen, zur Zeit der römischen Herrschaft Ölbaumpflanzungen erhielten, die bis heute so gedeihen, als wären sie von jeher dort heimisch gewesen. Ebenso wurden die windgeschützten sonnigen Abhänge der norditalienischen Seen mit diesem nützlichen Fruchtbaume aus dem nördlichen Syrien bepflanzt, der auch ganz Nordafrika besiedelte und seit dem 15. Jahrhundert auf den Kanarischen Inseln, seit dem 16. Jahrhundert am Kap, ebenso in Mexiko und Peru, wohin ihn 1560 Antonio Ribero brachte, angebaut wird. Bald wurde er auch in Chile und Kalifornien, das heute gewaltige Ölbaumplantagen aufweist, wie auch in Australien heimisch. Er wird heute in etwa 40 Kulturvarietäten angepflanzt, die aber leicht in die Urform zurückschlagen. An der Nordgrenze seines Verbreitungsgebietes leidet er leicht durch Frost in kalten Wintern.
Die ganze Erscheinung des Ölbaumes mit den schmalen, oben mattgrünen, unten silberiggrau schimmernden Blättern auf knorrigem Stamme deutet auf seine Herkunft aus einem Klima mit längeren Perioden von Trockenheit. Im wilden Zustande, als Oleaster, ist er strauchartig mit verdornten Zweigspitzen und bildet undurchdringliche Dickichte, während er durch Kultur zu einem 6–8 m hohen, dornlosen Baume wird, der ein Alter bis zu 1000 Jahren erreicht. Er verlangt einen trockenen, vor Wind geschützten Kalkboden und muß vom zweiten Jahre an reichlich mit stickstoffhaltigem Dünger versehen werden. Die Vermehrung geschieht am zuverlässigsten durch Samen, woraus Wildlinge hervorgehen, die wie die ebenfalls zur Vermehrung benutzten Stecklinge und Wurzelauswüchse im zweiten Jahre durch Pfropfen oder Okulieren veredelt werden müssen. Am vorteilhaftesten ist die Niederstammzucht, wobei durch regelmäßiges Abkneifen der Zweigspitzen und Auslichten der erschöpften Tragzweige das Austreiben junger Fruchtzweige veranlaßt werden muß. Die Tragbarkeit beginnt mit dem 7. Jahre, wird mit dem 10. Jahre lohnend und erhält sich vom 40. bis zum 100. Jahr auf der Höhe.
Im Mai oder Juni ist der Ölbaum über und über mit lieblich duftenden, kleinen, gelblichweißen Blüten bedeckt, die an diejenigen unseres Hartriegels (Ligustrum vulgare) erinnern, der auch in Wirklichkeit ein naher Verwandter desselben ist. Die Frucht ist eine 4 cm lange, pflaumenartige, dunkelviolette bis schwarze Steinbeere, die vom November bis Ende Januar geerntet wird, und zwar beträgt die durchschnittliche Ernte eines vollkräftigen Baumes zwischen 70 und 75 kg Früchte, die in ihrem grünlichweißen Fruchtfleisch zwischen 30 und 50 Prozent Öl enthalten. Das ursprünglichste Verfahren bei der Olivenernte besteht darin, daß Männer auf die Bäume steigen und die Oliven mit Stangen hinunterschlagen, die dann von Frauen und Kindern am Boden gesammelt werden, wobei auch die schon früher abgefallenen überreifen oder faulenden mit den guten zusammen kommen. Begreiflicherweise ist das daraus gepreßte Öl nicht von besonders guter Qualität. Will man feines Olivenöl gewinnen, so muß man die Oliven einzeln vom Baume pflücken und alle minderwertigen beseitigen, auch die Pressung möglichst beschleunigen, bevor diese irgendwelche Veränderung erfahren haben. Das allerfeinste Öl gewinnt man bei schwacher Pressung, wenn die Steinkerne der Früchte unzerdrückt bleiben. Es ist dies das „Jungfernöl“, dessen geschätzteste Sorte aus Nizza und Lucca in Oberitalien kommt. Doch wird im Großbetriebe kaum je so verfahren, sondern die Pressung gleich bis zum Zermalmen der Kerne gesteigert. Der so gewonnene Brei gelangt in Säcke, die kalt gepreßt werden. Das abfließende Öl ist die nächstbeste Qualität, das Provenceröl, so genannt, weil es am meisten in der Provence gewonnen wird. Aus den Rückständen und den weniger guten Früchten macht man unter Anwendung von Wärme das weniger gute, geringwertigere Baumöl, welches als Brennöl und besonders zur Herstellung milder Seifen — speziell der Marseillerseife — Verwendung findet. Heute wird das Olivenöl vielfach durch den Zusatz von Erdnußöl verfälscht, das neuerdings in großer Menge besonders nach Frankreich eingeführt wird.
Als Nahrungs- und Heilmittel, wie auch in der Technik zum Ölen und zur Herstellung von Seife, ebenso zur Salbung und letzten Ölung der Katholiken spielt das Olivenöl eine bedeutende Rolle. Obschon Südfrankreich etwa 26 Millionen kg davon hervorbringt und das übrige Frankreich aus anderen Pflanzen über 80 Millionen kg Öl erzeugt, deckt es damit seinen eigenen Bedarf noch nicht. Es führt deshalb noch reichlich Olivenöl aus Süditalien ein. So soll das meiste Provenceöl aus Apulien stammen. Es wird von Bari aus nach Nizza verschifft, wo es als Provenceöl verkauft wird. Italien produziert 1,6 Millionen Hektoliter Olivenöl im Werte von 200 Millionen Franken und führt davon für 70 Millionen Franken aus. Spanien produziert 10,6 Millionen kg Olivenöl und führt für etwa 12 Millionen Mark aus. Griechenland erntet etwa 122 Millionen kg Oliven und führt für etwa 3 Millionen Mark aus. Algier besitzt etwa 4 Millionen Ölbäume, und Tunis verschifft durchschnittlich 3,5 Millionen kg Olivenöl im Jahre. Syrien erzeugt etwa 7 Millionen kg Olivenöl.
Wie seit dem frühesten Altertum, so ist heute noch der Ölbaum der nützlichste Baum, ja geradezu das Wahrzeichen Syriens und Palästinas. Fast jedes Dorf ist von einem Ölbaumhain umgeben, dessen Bäume außer gelegentlichem Ausputzen der Zweige und Umpflügen des Landes, um Atmungsluft leichter zu den Wurzeln gelangen zu lassen, keinerlei Pflege bedarf. Unverwüstlich leben sie weiter und tragen jährlich ihre Früchte, die den größten Reichtum des Landes bilden. Der Fellache, d. h. Landmann, sagt: Der Weinstock sei eine sitt, eine zärtliche Dame und verlange Pflege und Aufmerksamkeit, der Feigenbaum sei eine fellacha, eine abgehärtete Bäuerin, die schon bei wenig sorgfältiger Behandlung gedeihe, der Ölbaum sei aber eine bedauije, ein auch in der Wildnis und bei absoluter Vernachlässigung noch arbeitsames Beduinenweib.
Der Ölbaum bedarf zu seinem Gedeihen einzig nur ein von anderen Kulturen freies Land; er duldet nicht, daß man Weinreben oder Feigenbäume dazwischen pflanzt. Diese Unduldsamkeit des Ölbaumes erklärt uns, weshalb in der Bibel stets Weinstock und Feigenbaum, aber nie Weinstock und Ölbaum nebeneinander genannt sind. Wie unsere Obstarten wird er aus Wildlingen veredelt, aber nicht durch Pfropfreiser, wie noch zur Zeit des Apostels Paulus, sondern durch Okulieren. Selten zieht man die jungen Wildlinge aus Samen, da es bei ihrem äußerst langsamen Wachstume zu lange ginge, bis sie veredelungsfähig wären, und auch veredelt würden sie Jahre hindurch unansehnliche Bäumchen bleiben. Es werden vielmehr die um den knorrigen Wurzelstock der alten Bäume drängenden Schößlinge, deren frische Jugendkraft dem alttestamentlichen Psalmendichter zu dem Bilde Veranlassung gibt: „Deine Kinder sind wie Ölzweige um den Tisch herum,“ als Ableger verwendet. Sobald sie einigermaßen erstarkt sind, werden sie zur Zeit der Olivenblüte okuliert. Man schneidet am Wildling ein rechteckiges Stück Rinde aus, überträgt ein von einem fingerdicken Edelreis genommenes gleichgroßes Stück mit guten Augen auf den Ausschnitt und verbindet die Veredelung auf eine Dauer von 12 Tagen mit Bast.
War die Veredelung von Erfolg begleitet, so löst man die veredelten Stämmchen vermittelst einer Axt derart vom Mutterbaume los, daß man ihnen ein klotzartiges Stück des Wurzelstocks beläßt. Hierauf schneidet man ihre Edeltriebe ziemlich nahe der Verbindungsstelle ab, weil sie im ersten Jahre, da sie selbständig Wurzel fassen, nicht genügend Saft hätten, diese Triebe weiter zu entwickeln, und versetzt sie. Bereits vom dritten Jahre an kann ein solcher Baum Früchte tragen. Will man einen schon großen, wilden oder halbzahmen Ölbaum veredeln, so bringt man an jedem Ast in Mannshöhe eine Veredelung an und trennt oberhalb derselben in Form eines Ringes die Rinde bis auf das Holz los, damit sich die Säfte des Baumes mehr dem Edelreise zuwenden. Im Herbst werden dann nach der Ernte die Äste an der geringelten Stelle mit dem Beil abgeschlagen; sie abzusägen würde, wie die Fellachen sagen, dem Baume schaden.
Tafel 21.
Ein großer Ölbaum bei Antibes an der Riviera.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 22.
Olivenhain auf Capri.
Dattelpalmen an den Ufern des Nils in Ägypten.
Der Olivenertrag ist nur jedes zweite Jahr ein reichlicher, wobei ein großer Baum etwa 120 kg Oliven ergibt, aus denen 25 Liter Öl gewonnen werden kann. Bei der Ernte werden sehr viele Oliven roh verspeist, andere eingemacht und der Rest zur Gewinnung von Öl verwendet, wobei das beste und feinste Öl aus den unreifen Oliven gewonnen wird. Je fleischiger nämlich die Olive wird, desto weniger und geringer ist das Öl, das sie gibt. Die zur Ölbereitung bestimmten Beeren werden zunächst auf dem flachen Dache oder am Boden ausgebreitet und dann einige Zeit aufgehäuft, „damit sie“, wie der Fellache sagt, „in Gärung geraten“. Hierauf kommen sie in die Ölpresse, die aus einem wagrechten, kreisrunden Stein mit tellerartiger Vertiefung besteht, in welcher ein aufrecht stehender Mühlstein durch ein Maultier oder einige Männer im Kreise bewegt wird. Nachdem die Oliven von diesem Steine zu Brei zermalmt sind, werden sie in einer der Weinkelter ähnlichen Presse ausgepreßt, wobei das Öl in eine kleine, auszementierte Zisterne läuft und aus dieser in Lederschläuche oder große irdene Gefäße gefüllt wird. Ärmere Leute schütten die Oliven wie in der Vorzeit in die Mulde eines Felsens und zerdrücken sie mit einem walzenförmigen Stein. Die zermalmten Früchte werden in einem Kessel mit siedendem Wasser übergossen, worauf das Öl oben zu schwimmen kommt und abgeschöpft wird. Dieses Öl dient als Nahrung, als geschätzte Arznei, als Brennmaterial zur Erhellung der Hütten während der langen Winternächte und zum Salben des ganzen Körpers, wovon die Leute stark und kräftig zu werden glauben.
Wie in allen Gegenden, in welchen der Ölbaum gedeiht, kann man sich auch in Palästina eine Mahlzeit ohne Oliven kaum denken. Sie werden meist in der Weise konserviert, daß man sie, nachdem ihr Fruchtfleisch durch leichtes Klopfen mit einem Stein aufgerissen wurde, in Salzwasser legt, oder man verbringt sie in große Strohkörbe, streut Salz darauf, fügt zur Würze Zweige der Raute bei, bedeckt sie mit Steinen, vermischt sie nach zehn Tagen mit Olivenöl und genießt sie, auf solche Weise haltbar gemacht, das ganze Jahr hindurch. Dergleichen Oliven und Olivenöl, das sich heute noch wie vor 3000 Jahren bei der Witwe zu Sarepta im Kruge der ärmsten Bäuerin findet, sind mit Weizenbrot, in Zeiten der Teuerung auch Gersten- und Durrabrot, die Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Das Olivenöl vertritt bei den Bauern ganz die Stelle des Schmalzes und der Butter, die nur die nomadisierenden herdenbesitzenden Beduinen gebrauchen, und wenn der Landmann, der Fellache, seinen frisch aus dem Ofen kommenden Brotfladen in etwas Öl eintauchen kann, so gilt ihm das als Leckerbissen. Alle Orientalen, die es sich leisten können, lieben es, nicht bloß ihre Salate und Gemüse, sondern überhaupt sämtliche Speisen förmlich in Öl schwimmend zu genießen.
Aus dem gelben, im Innern dunkel geaderten und gefleckten Holz, das angenehm nach Öl duftet und eine hübsche Politur annimmt, werden in manchen Gegenden Palästinas, besonders in Betlehem, allerlei hübsche Gebrauchsgegenstände angefertigt, die von den Fremden gerne als Andenken gekauft werden.
Ein aus alten Stämmen schwitzendes, vanilleartig riechendes Gummiharz dient in Italien zum Räuchern. Auch die Früchte des amerikanischen Ölbaums (Olea americana) in Carolina und Florida werden in ihrer Heimat gegessen. Das überaus harte Holz der alten Bäume wird dort als devil-wood vielfach bearbeitet. Seine Blüten sind beinahe so wohlriechend wie diejenigen des in China, Cochinchina und Japan wachsenden wohlriechenden Ölbaums (Olea fragrans), eines etwa 2 m hoch werdenden immergrünen Strauchs, dessen Blüten zur Parfümierung des chinesischen Tees, wie ihn der Abendländer liebt, benutzt wird.