VII. Die Gemüsearten.

Das Hackfeld, der Vorläufer des Ackerfeldes, auf dem die Körnerfrüchte als Hauptnahrungsmittel aus dem Pflanzenreiche gezogen wurden, ist so alt als die menschliche Kultur überhaupt; denn das ist ja das Kennzeichen der letzteren, daß sich in ihr der Mensch freigemacht hat von den Zufälligkeiten der Jagd und vorsorgend Nährfrüchte für kommende schmale Tage zieht. Viel jünger als das Hackfeld ist der als Garten bezeichnete eingehegte Teil des in Kultur genommenen Bodens, der die Gemüse genannten Nahrungspflanzen umschließt. Zum Begriff Garten gehört nun durchaus nicht der Begriff des Zierlichen, den er erst erlangte, als er zum Ziergarten wurde, sondern es ist das schlichte, eingehegte Pflanzland beim Hause, im Gegensatz zum offenen Acker. Das Wort steht begrifflich in enger Beziehung zum gotischen gairdan umgürten, einhegen. Dies Pflanzland in nächster Nähe des Hauses lag mit diesem zusammen in einer Umzäunung, deshalb wurde bei den Germanen der Völkerwanderungszeit ein Diebstahl aus demselben als Einbruch in eingehegtes Gut schwerer bestraft als ein solcher aus dem Acker.

Vom Gemüsegarten des Altertums ist uns im ganzen nur wenig bekannt; doch lernen wir in einer auf uns gekommenen Schilderung die in ihm gepflanzten Kräuter kennen. Es ist diejenige des Gärtchens eines einfachen römischen Landmannes zur Zeit des Augustus, worin der Dichter Vergil (78–19 v. Chr.), der berühmte Verfasser der Äneis, in einem bukolischen, moretum, d. h. „Mörsergericht“ benannten Gedicht sagt:

„Hier war Kohl, hier kräftig die Arme ausstreckender Mangold,

Hier weitwuchernder Ampfer und heilsame Malven und Alant,

Hier die süßliche Möhre und buschige Häupter des Lauches,

Hier auch grünte einschläfernd der Mohn mit kalter Betäubung,

Auch der Salat grünte, der labend die edleren Schmäuse beschließt.

Häufig auch sproßte empor der Rettich mit fleischiger Wurzel,

Und schwer hing an kräftigem Stengel der gelbliche Kürbis.“

Ein griechischer Autor unbekannten Namens, in der Geoponika genannten, ums Jahr 912 n. Chr. veranstalteten Sammlung von Auszügen aus guten, alten Schriften über die Land- und Gartenwirtschaft gibt uns wenigstens über die Anschauungen der Alten in betreff des Gemüsebaues einen Begriff. Die Stelle ist wichtig genug, um hier wörtlich angeführt zu werden. Er sagt: „Die Gärtnerei ist für das menschliche Leben von der größten Wichtigkeit. Wer Gemüsegärtnerei treibt, hat darauf zu sehen, daß der Samen gut, der Boden passend, Wasser und Mist vorhanden sind. Aus gutem Samen zieht man gute Pflanzen; passender, fruchtbarer Boden gibt Gedeihen; Wasser gibt dem Gemüse seine gehörige Größe; der Mist macht die Erde mürbe, so daß sie das Wasser leichter aufnimmt und den Wurzeln mitteilt.

Zur Gärtnerei eignet sich vorzugsweise eine Erde, die weder sehr rauh ist, noch im Sommer große Risse bekommt. Reiner Ton, der im Winter fest zusammenfriert, im Sommer aber ganz austrocknet, tötet entweder das in ihm Gepflanzte oder macht es schwach und dünn. Ein solches Erdreich kann man kaum durch Beimischung von Dünger auflockern. Durch die Sprünge, die es beim Eintrocknen im Sommer bekommt, wird es vollends unbrauchbar. Ein allzurauher (sandiger) Boden kann weder die Pflanzen ernähren, noch Wasser behalten. Um die Erde zu probieren, wäscht man sie mit Wasser und hält sie für gut, wenn sie vielen, lockeren Schlamm als Bodensatz gibt, dagegen für schlecht, wenn sie sich wie Wachs kneten läßt.

Den besten Dünger für Gemüse gibt jedenfalls die Asche; sie ist von Natur warm und tötet die Erdflöhe, Würmer und ähnliche Tierchen. An Güte folgt dann der Taubenmist, der ebenfalls die kleinen Tiere tötet und in geringer Menge dasselbe leistet, was eine große Menge andern Mistes. Manche ziehen den Eselsmist dem Taubenmist vor und behaupten, er mache die Gemüse süßer. Ausgezeichnet gut ist jedenfalls auch der Ziegenmist. Fehlt es an den eben besprochenen Mistarten, so kann man auch andern brauchen; jedoch soll er, wenn möglich, nicht frisch sein, weil er dann Gewürm erzeugt. Hat er ein Jahr gelegen und wurde er dabei oft gewendet, so ist er gut.“

Dann gibt er ausführliche Anleitung zur Bearbeitung des Bodens und zum Anlegen der Gartenbeete, die Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. 12 Fuß lang und 6 Fuß breit zu machen empfiehlt. Letzterer Autor sagt: um trockenen Boden regelmäßig bewässern zu können, umgebe man die Beete mit schmalen Dämmen, die so eingerichtet sind, daß man von oben her Wasser in sie einfließen lassen kann, das dann auf andere Beete weiterfließt, sobald man den Damm unten öffnet. „Jede Aussaat soll bei zunehmendem Mond, jede Ernte bei abnehmendem gemacht werden.“ Noch mehr als heute spielte im Altertum der Aberglaube in der Bewirtschaftung der Güter eine große Rolle. So rät Palladius gegen Nebel und Rost den Garten durch Erzeugen von Rauch mit schwelendem Unkraut zu schützen. „Um den Hagel abzuwehren, droht man dem Himmel mit blutigen Beilen, oder umgibt den ganzen Garten mit Zaunrüben, oder schlägt eine Eule mit ausgebreiteten Flügeln an, oder bestreicht die eisernen Gartenwerkzeuge mit Bärenfett. Manche mischen auch Bärenfett mit Öl und bestreichen damit die Sicheln und Hippen (gekrümmten Gartenmesser), wenn sie damit schneiden wollen. Das muß ganz geheim gemacht werden, soll aber dann so wirksam sein, daß dann kein Nebel und kein einziges Tier mehr schadet; bleibt die Anwendung des Mittels nicht geheim, so verliert es augenblicklich seine ganze Kraft. Ganze Weinberge schützt man gegen Hagel, indem man in deren Mitte das Fell eines kleinen Seehunds über einen kleinen Weinstock deckt. Alle Samen sollen in Gärten und Feldern vor jedem Unheil sicher sein, wenn man sie vor der Aussaat mit dem Saft der Wurzeln der Springgurke tränkt. Ebensogut geschützt dagegen sollen sie sein, wenn man den Schädel einer Stute oder Eselin im Garten oder im Felde aufstellt. Ein solcher Schädel soll Segen über alles bringen, was er anguckt.“ Dasselbe Mittel wird auch in der Geoponika als probat für das Gedeihen der Gartengewächse empfohlen, wie auch das Beimengen von geschnittenem Wegdorn oder zerriebenem getrockneten Bockshornklee (griechischem Heu) in das Wasser, mit dem man begießt.

In ähnlicher Weise wie im Altertum wurde der frühmittelalterliche Gemüsegarten gemäß den sehr geschätzten und von den Schreibkundigen abgeschriebenen Anleitungen der alten Autoren besorgt. Auch die Anlage desselben hatte man von den Römern übernommen, und zwar waren es vor allem die Klöster, die den Völkern Mitteleuropas dieses alte Kulturerbe übermittelten. Besonders waren es die Benediktinermönche, die eine große Anzahl von den Römern übernommener Kulturpflanzen über die Alpen brachten und im 8. und 9. Jahrhundert einen geregelten Gartenbau in Deutschland einführten. Solche Benediktinermönche befanden sich auch am Hofe Karls des Großen, dieses gewaltigen Mannes, der neben seinen sonstigen bedeutenden Leistungen noch Zeit fand, den Garten und seine Kultur zu fördern. In seinem berühmten Capitulare de villis, einer Ordnung für die Einrichtung der kaiserlichen Domänen, vom Jahre 812, schrieb er genau vor, welche Pflanzen auf seinen Hofgütern zu halten seien, so daß wir uns ein ziemlich gutes Bild davon machen können, wie es damals in diesen Gärten aussah, um so mehr, als auch zwei Inventaraufnahmen seiner Hofgüter Asnapium und Treola erhalten sind. Danach wuchsen in ihnen außer Apfel-, Birn-, Kirsch-, Pflaumen-, Quitten-, Mispel-, Pfirsich-, Aprikosen-, Vogelbeer- und Maulbeerbäumen und Gebüschen von großen welschen Haselnüssen allerlei Gewürzkräuter und Gemüse wie Kohl, Mohrrüben, Saubohnen, Kohlrabi, Zwiebeln, Knoblauch, Schnittlauch, Petersilie, Kerbel, Melde, Bohnenkraut, Dill, Wiesen- und Gartenkümmel, Koriander, Thymian, Minze, Fenchel, Kresse, Lattich, Endivie, Erbsen, Melonen, Gurken, Koloquinten, Mohn, Sellerie, Senf, Anis, aber auch eine Menge heute nicht mehr gebräuchlicher Heilkräuter, wie Fieberwurz, Haselwurz, Flöhkraut, Schlangenwurz, Raute, Sadebaum, Frauenminze, Malve, Griechisch Heu, Springwurz, Poley, Rosmarin, Meerzwiebel, Hauswurz, Salbei, Allermannsharnisch, Liebstöckel, Meisterwurz und dergleichen mehr. Blumen, die hier gezogen wurden, wie Rose, Lilie, Nelke, blaue Schwertlilie, Akelei, Goldlack, Krokus und Päonie verdankten das zunächst nicht der Freude an ihrer Schönheit, sondern der schon ihrem Dufte, mehr aber noch ihren zerquetschten Blumenblättern beigelegten Heilwirkung, wie auch der Krapp seines Färbevermögens wegen gezogen wurde.

Aus dem Jahre 830 besitzen wir den allerdings nicht zur Ausführung gelangten Bauriß des schon damals bedeutenden Klosters von St. Gallen. In ihm werden drei Arten von Gärten unterschieden, nämlich Obst-, Gemüse- und Arzneikräutergarten. Der Obst- oder Baumgarten diente zugleich als Begräbnisplatz. Er ist als ein großes, mit Mauern umgebenes viereckiges Feld gezeichnet, das auf der Seite der Klausur mit einem einzigen Eingange versehen ist. Die fünf Reihen Gräber gruppierten sich symmetrisch um das Kreuz in der Mitte und beherbergten zwischen sich 15 Bäume. Wichtiger war der Gemüsegarten, der wohl zuerst angelegt wurde, da die Mönche schon wegen der Forderung vegetabilischer Kost zum Gemüsebau verpflichtet waren. Er lag südlich vom Baumgarten und bildete ein in zweimal neun Parzellen eingeteiltes Rechteck, in welchem 18 verschiedene Gemüsearten gezogen wurden. Viel kleiner war der sich daran anschließende Arzneikräutergarten mit 16 kleinen Beeten, der neben dem Spital für kranke Brüder lag, in welchem sich der als Arzt amtende Klosterbruder aufhielt.

Gehen wir nach dieser kurzen Übersicht über die nachweislich für uns ältesten Gärten zu den ältesten in Europa kultivierten Gemüsen über, so ist zunächst festzustellen, daß schon die spätneolithischen Pfahlbauern an den Ufern der Schweizer Seen vor 4000 Jahren nach einzelnen Samenfunden die Erbse in einer auffallend kleinen Form, ebenso Pastinak und Mohrrüben pflanzten. Dazu kamen in der Bronzezeit die Linse in einer kleinkörnigen Form, die sich zu Beginn der Eisenzeit auch in Norddeutschland nachweisen läßt, und später die Saubohne.

Beginnen wir eine eingehendere Würdigung der einzelnen Gemüsearten mit der Gartenerbse (Pisum sativum), deren Bekanntschaft in Mitteleuropa eine schon sehr alte ist, wie auch die hier altererbte Benennung beweist. Erbse kommt vom althochdeutschen araweiz, das mittelhochdeutsch erweiz lautet und zum neuhochdeutschen Erbse wurde. Von den Germanenstämmen haben einzig die Angelsachsen den einheimischen Namen earfe auf die Wicke übertragen und dafür das lateinische Lehnwort pise (von pisum), neuenglisch pea für die Erbse eingeführt. Die alten Griechen bezeichneten dieses Gemüse, das sie allerdings nicht sehr viel angepflanzt zu haben scheinen, in früherer Zeit als órobos, in späterer jedoch meist als písos oder píson, woraus dann die Römer, als sie die Nutzpflanze von ihnen kennen lernten, pisum machten. Dieses Gemüse muß schon in früher Zeit in Italien populär gewesen sein, sonst hätte nicht das plebejische römische Geschlecht der Calpurnier, aus welcher der große, aus altpatrizischem Geschlechte stammende Julius Cäsar (100–44 v. Chr.) seine Frau Calpurnia nahm, den Beinamen der Pisonen erhalten; denn solche volkstümliche Beinamen können nur einer dem Volke altbekannten Speise oder Feldfrucht entnommen worden sein.

Zur Zeit des Theophrastos im 4. vorchristlichen Jahrhundert wurde diese Pflanze überall in Griechenland angebaut. Ihre Kultur muß hier wie in der Schweiz schon sehr alt sein, denn man hat verkohlte kleine Samen von ihr schon in der mykenischen Niederlassung von Hissarlik, dem alten Troja, gefunden. Auch im alten Ägypten wurde sie bereits angepflanzt und muß nach den zahlreichen Funden von als Totenspeise mitgegebenen Samen in Gräbern des mittleren Reiches, besonders der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.), wie auch der der griechisch-römischen Periode angehörenden Nekropole von Hawara im Fajûm eine beliebte Speise gewesen sein. Der ägyptische Name ist uns nicht überliefert worden, wohl aber der koptische, der ti-lakonte lautet und auf eine Einwanderung aus Westasien nach dem Niltal hinweist.

Die Heimat dieser Kulturpflanze ist unbekannt, da sie nirgends mehr in wildem Zustande gefunden wird. Manche Botaniker vermuten, daß sie eine Kulturform der grauen Erbse (Pisum arvense) sei, die durch eckige, braun und graugrün gescheckte Samen ausgezeichnet ist. Diese letzteren wurden weder in Pfahlbauten, noch in alten Gräbern gefunden, doch will sie Unger in einem luftgetrockneten Backstein der aus der Zeit der 5. Dynastie (um 2700 v. Chr.) stammenden Stufenpyramide von Daschur gefunden haben. Sie wird im Orient und in Europa kultiviert und findet sich wildwachsend in Hecken und Gebirgswäldern Nord- und Mittelitaliens; in Griechenland und Syrien kommt sie außerhalb der Kulturen nur verwildert vor. Da die wenigen aus Fundstellen der neolithischen, Bronze- und Eisenperiode stammenden Erbsen, wie Buschan gezeigt hat, eine allmähliche Größenzunahme erkennen lassen, je jüngeren Alters sie sind, so ist es in der Tat höchst wahrscheinlich, daß die Gartenerbse von der grauen Erbse (Pisum arvense) abstammt.

In Griechenland wurde die Erbse sicher schon zur Zeit Homers angebaut. Von Norditalien kam sie früh schon nach der Schweiz, wo sie zur Bronzezeit ziemlich häufig um die Pfahlbauansiedelungen angepflanzt und ihre Samen, wie wir aus den verkohlten Überresten ersehen, als Vorrat für den Winter gesammelt wurden. Für Deutschland ist ihre Kultur mit Sicherheit erst aus der Hallstattzeit zwischen 750 und 400 v. Chr. nachgewiesen worden. Sie ist gegen Kälte und Trockenheit empfindlich und dürfte ihre engere Heimat in Südeuropa haben, von wo aus sie in der großkörnigeren Kulturform erst zu Beginn des Mittelalters nach Mittel- und Nordeuropa gelangte. In den Verordnungen Karls des Großen, über die in seinen Krongütern zu haltenden Pflanzen aus dem Jahre 812 wird sie als pisum mauriscum zum Anbau empfohlen. Als die Angeln und Sachsen vom Unterlauf von Weser und Elbe im 5. Jahrhundert — zuerst der Sage nach unter Hengist und Horsa im Jahre 449 — nach England übersetzten und sich dieses Land nach wiederholten Einwanderungen unterwarfen, war ihnen die Erbse noch völlig unbekannt, weshalb sie später, als sie damit bekannt wurden, das lateinische Lehnwort dafür übernahmen. Bei Beginn der literarischen Überlieferung war sie in den altnordischen Ländern bereits eingebürgert und wird im Jahre 1273 unter den Früchten genannt, von denen dem Herkommen gemäß Zehnten an die Geistlichkeit zu entrichten sind. Doch aß man von ihnen stets nur die ausgereiften, getrockneten Samenkörner. Das Verspeisen der noch unreifen grünen Körner, wie dies bei uns Sitte ist, scheint erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts von Holland aus verbreitet worden zu sein. Fuller, der 1660 die Gärten von Surrey im südöstlichen England beschrieb, bemerkt, daß man grüne Erbsen kaum anderswo her als aus Holland bekommen könne. Noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts galten junge, grüne Erbsen in Frankreich als ein teuerer Leckerbissen der Vornehmen. So erzählt man vom Vater des großen Condé, daß er ums Jahr 1645 über hundert alte Franken für einen Litron, d. h. 8⁄10 Liter dieses zarten Gemüses bezahlt habe. In einer 1665 aufgeführten Komödie betitelt: La comédie des coteaux ou des friands marquis erklärt eine der Hauptpersonen, daß ihre Mittel ihr erst dann grüne Erbsen zu essen erlauben, wenn dieselben nicht teuerer als für 100 Franken das Litron zu haben sein werden. Zu demselben Preise handelte sie Heinrich I. von Bourbon, Prinz von Condé (geb. 1552, focht mit Heinrich von Navarra an der Spitze der Hugenotten, starb schon am 5. März 1588 vermutlich von seiner Gattin vergiftet), der Vater des als Feldherrn berühmten großen Condé, auf dem Markte für sich selbst ein. Noch zu Colberts Zeiten, der 1683 starb, waren sie so teuer, daß in seiner 1695 erschienenen Biographie erzählt wird, Feinschmecker hätten das Vergnügen, ein Litron junge Erbsen zu essen, mit nicht weniger als 200 Franken erkauft. Im Jahre 1696 schrieb Frau von Maintenon (eigentlich Françoise d’Aubigné, zuerst Erzieherin der königlichen Kinder, dann die Geliebte und zuletzt, 1685 heimlich getraut, die Gemahlin Ludwigs XIV.) in einem Briefe: „Hinsichtlich der grünen Erbsen ist alles beim Alten. Seit vier Tagen sind unsere Prinzen bloß auf dreierlei Dinge erpicht: sie wollen erstens grüne Erbsen essen, dann freuen sie sich, welche gegessen zu haben und möchten fernerhin am liebsten beständig welche essen.“ In einem andern Briefe von ihr heißt es: „Das Erbsenthema dauert immer noch an; die Ungeduld und das Vergnügen, sie zu verzehren, die Unersättlichkeit immer noch mehr davon zu begehren, das sind die Hauptpunkte, über die der Hof seit vier Tagen verhandelt.“ Noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts ließ die Marquise de Pompadour — ursprünglich Jeanne Antoinette Poisson —, die 1745 am Pariser Hofe erschien, um dann die Mätresse Ludwigs XV. (1715–1774) zu werden und sich bei ihm unentbehrlich zu machen, mehrfach durch den Polizeileutnant von Paris alle jungen, grünen Erbsen der Hauptstadt aufkaufen, um damit als kostbarem Leckerbissen den König bewirten zu können. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden sie ein so billiges Gemüse, daß sich alle Kreise der Bevölkerung dessen Genuß zu leisten vermochten.

Die Erbsen gedeihen fast in jedem nahrhaften, nicht frisch gedüngten Boden, jedoch muß jedes Jahr mit dem Platze gewechselt werden. Sonst lieben sie eine freie sonnige Lage und lockeres Erdreich. Im Gegensatz zu den eigentlichen Erbsen, deren reife Samenkörner ausschließlich gegessen werden, nennt man diejenigen Formen, von denen nur die unreifen, grünen Samen verzehrt werden, Ausmach- oder Pahlerbsen, während von den Zuckererbsen die ganz jungen, zuckerreichen Hülsen verspeist werden. Beide zerfallen in hohe Formen, die mit Stecken gestützt werden müssen, und in niedrig bleibende Formen, die solches nicht nötig haben, da sie bloß 20–30 cm hoch werden. Die Lupinenerbsen sind durch sehr große, nahe beieinander stehende und dadurch viereckig gepreßte Samen ausgezeichnet. Einheimische afrikanische Erbsen von einiger Bedeutung sind die ägyptische und die abessinische Erbse (P. jomardi und P. abessinicum), die in ganz Nordostafrika vielfach kultiviert werden.

Schon in homerischer Zeit haben die Griechen die Kichererbse (Cicer arietinum) unter dem Namen erébinthos angepflanzt. Dieses Wort steht nun in sprachlichem Zusammenhang mit dem althochdeutschen araweiz (Erbse), weshalb manche Autoren wie V. Hehn diese griechische Bezeichnung für die Erbse in Anspruch nehmen, was aber jedenfalls unrichtig ist, da schon der bedeutendste Botaniker Altgriechenlands, Theophrast (390–286 v. Chr.), die Bezeichnung erébinthos bestimmt für die Kichererbse und nicht für die gemeine Gartenerbse, die er órobos nennt, braucht. Wegen der Ähnlichkeit ihrer am Ende etwas umgebogenen Schoten mit einem Widdergehörn hieß sie später bei ihnen vielfach nur kríos, was Widder bedeutet. Unter dieser Bezeichnung gelangte sie zur Kenntnis der Römer, so daß der römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. sie als cicer bezeichnet, quod arietinum vocatur, d. h. die Kichererbse, welche auch die „Widderkopfähnliche“ genannt wird. Plinius sagt, sie habe etwas Saftiges an sich und es gebe von ihr nach Größe, Farbe, Gestalt und Geschmack der Samenkörner verschiedene Sorten. Ihre Hülsen seien im Gegensatz zu den langen der übrigen Hülsenfrüchte rund. Der griechische Arzt Galenos im 2. Jahrhundert n. Chr. sagt: „Die reifen Kichererbsen (erébinthos) sind schwer zu schroten. Bei vielen Völkern werden sie gekocht vom Menschen verzehrt; sie blähen, sind aber sehr nahrhaft. Manche Leute essen sie auch, so lange sie noch jung und grün sind, was auch bei den Saubohnen der Fall ist.“

Die Römer scheinen die Kichererbsen durch die süditalischen Griechen kennen gelernt zu haben; denn ihre Bezeichnung dafür, nämlich cicer, ist zweifellos aus dem griechischen kríos hervorgegangen, und hat sich in wenig veränderter Form in allen romanischen Sprachen bis auf den heutigen Tag erhalten. Ihre Heimat scheint südlich vom Kaukasus, in Armenien und Persien zu suchen zu sein, von wo aus sie sich einerseits nach Indien, wo wir sie sehr früh unter der Sanskritbezeichnung chennuka treffen, andererseits nach Syrien und Ägypten verbreitete, ohne indessen in diesen Ländern eine größere Bedeutung für die Volksernährung zu erlangen. Wahrscheinlich hat der Prophet Jesaias, der seit 740 v. Chr. zu Jerusalem wirkte, unter der Bezeichnung ketsech diese Hülsenfrucht verstanden. In homerischer Zeit war sie als erébinthos ein Volksnahrungsmittel wie aus einer Stelle im 13. Buche der Ilias hervorgeht, wo sie neben der Saubohne genannt wird. Helenos, der Sohn des Königs Priamos von Troja, hatte auf den Atriden Menelaos, König von Sparta, Bruder des Agamemnon, des Fürsten des goldreichen Mykene, und Gatte der Helena, die Paris, ein anderer Sohn des Priamos ihm entführt hatte, wodurch überhaupt der Feldzug der Griechen gegen die Feste Troja veranlaßt wurde, einen Pfeil abgeschossen, der aber von der Rüstung des Helden absprang, „wie auf weiter Tenne im Wehen des Windes die dunkeln Saubohnen (kýamos) und Kichererbsen (erébinthos) von der Wurfschaufel springend fliegen“.

Durch das ganze Altertum wurde die Kichererbse in den östlichen Mittelmeerländern in ziemlicher Menge angebaut und war wie in Vorderasien und Ägypten, so auch in Italien recht populär; leitet sich doch der Familienname des bekannten römischen Redners zu Ende der Republik Cicero (106–43 v. Chr.) von ihr ab. Wie Zwiebeln und Linsen in Athen, bildeten Zwiebeln und Kichererbsen im alten Italien die frugale Mahlzeit der ärmeren Volksklasse wie der römische Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) in einer seiner Satiren sagt; daher wurden auch bei den seit dem Jahre 173 v. Chr. alljährlich vom 28. April bis 3. Mai durch ausgelassene mimische Aufführungen und Zirkusspiele gefeierten Feste der altitalischen Göttin der Blumen und des Frühlings Flora, das zum erstenmal 238 v. Chr. als Floralien in größerem Maßstabe aber in unregelmäßigen Intervallen gefeiert wurde, Saubohnen und Kichererbsen unter das Volk ausgestreut, das sie mit Gelächter aufzufangen suchte. Noch heute wird diese Fruchtpflanze in Italien viel angebaut und ihre Samen werden als beliebte Volksspeise gegessen, ebenso in Spanien, wo die Garbanzos das tägliche Gericht der niederen und mittleren Volksklassen bilden. Auch in Südfrankreich, Griechenland, ganz Nordafrika bis Ägypten, Ostindien und China werden sie viel angebaut in Varietäten mit schwarzen, roten, gelben und weißgelben Samen. Sie verlangen einen warmen, kräftigen, sandigen Boden und gedeihen noch gut in Gegenden, wo Bohnen, Erbsen und Linsen vertrocknen. In Deutschland werden sie — und zwar gedeiht hier am besten die schwarzsamige Art — hin und wieder als Kaffeesurrogat angebaut, auch eignen sie sich gut zum Mästen des Federviehs. Das Kraut wird von den Pferden gerne gefressen. Da ihr das Klima nicht warm genug ist, fristet sie aber bei uns nur ein kümmerliches Dasein.

Besser dagegen wächst hier die als deutsche Kichererbse oder Kicherling, auch weiße Erve bezeichnete, aus Südeuropa stammende Saatplatterbse (Lathyrus sativus), die noch heute vielfach als nahrhaftes Grünfutter gepflanzt wird, und deren Samen unreif und reif wie Erbsen gegessen werden, aber weniger wohlschmeckend als diese sind. Die Griechen nannten sie láthyros und die Römer cicercula. Theophrast sagt von ihr, sie leide leicht durch Würmer, und Columella rät, sie, die der Erbse (pisum) ähnle, im Januar oder Februar zu säen, und zwar auf guten Boden bei feuchtem Himmel. Sie sauge von allen Hülsenfrüchten (legumina) den Boden am wenigsten aus, entspreche aber selten der Erwartung, die man auf sie setze, weil ihr zur Blütezeit Trockenheit und Südwind schaden, und diese träten gerade oft dann ein, wenn sie in Blüte stehe. Heute noch wird sie im gebirgigen Griechenland als lathuri und in Italien als cicerchia zur Gewinnung der etwas bitteren Samen als Speise für die Menschen angebaut. Ihr sehr nahe stehen die wie diese in den Mittelmeerländern teilweise noch wildwachsend angetroffene Kicherplatterbse (Lathyrus cicera), die cicera der alten Römer mit rotvioletten Blüten und die Ocherplatterbse (Lathyrus ochrus), die óchros der Griechen und ervilia der Römer mit gelben Blüten, die heute noch in Südeuropa fürs Vieh, seltener zur Gewinnung der Samen als Speise des Menschen angepflanzt werden, weil sie bitter und schwer verdaulich sind. Letztere heißt in Italien araco nero.

Kaum mehr angebaut wird die in den östlichen Mittelmeerländern heimische Erdplatterbse (Lathyrus amphicarpus), deren Blüten nach der Befruchtung negativ heliotropisch werden und sich wie die der Erdnuß in den Boden bohren, um hier zu reifen. Theophrast und Plinius erwähnen sie als Kulturpflanze unter der Bezeichnung arachnida. Ihr nahe verwandt ist die als Saubrot oder Erdeichel bezeichnete Lathyrus tuberosus, die an den Wurzeln haselnußgroße, außen schwarze, innen weiße Knollen entwickelt, die süßlich schmecken, besonders nach dem Kochen in Salzwasser wohlschmeckend wie Kastanien sind und einen nach Rosen duftenden flüchtigen Stoff enthalten. Sie sind besonders bei den Tataren als Speise beliebt. Die Schweine wühlen mit Vorliebe nach ihnen, da sie dieselben leidenschaftlich gerne essen. Die Knollen von Lathyrus montanus, die ähnlich schmecken, dienen in Hochschottland als sehr beliebte Nahrung. Man trocknet sie, um sie als Proviant auf die Reise mitzunehmen, und bereitet aus ihnen mit Hilfe von Wasser und Hefe ein wohlschmeckendes geistiges Getränk.

Von weiteren für den Menschen heute noch gelegentlich in Betracht kommenden Hülsenfrüchten ist die im östlichen Mittelmeergebiet heimische weiße Lupine (Lupinus albus) mit weißen Blüten und gelbweißen Samen zu nennen. Sie wurde im Altertum in Westasien, Ägypten und den Mittelmeerländern nicht bloß als Grünfutter angepflanzt, sondern deren Samen dienten auch ohne Teuerung als geschätzte Nahrung und Arznei für Menschen und Tiere. Von Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert an erwähnen sie alle sich mit Agrikultur beschäftigenden Autoren und loben sie teilweise wegen ihres Wohlgeschmacks und ihrer großen Nahrhaftigkeit. Von den Griechen erhielten sie die Römer, die sie anbauten, um sie teils als Gründünger zu benutzen, teils die mehlreichen, aber bittern Samen als Speise zu ernten. Sie wird heute noch in Italien, wie im Orient kultiviert. Im 16. Jahrhundert baute man sie am Rhein und im 18. Jahrhundert in Sachsen als Feigen- oder Wolfsbohne an. Besonders zum Gründüngen ist sie wertvoll, das Vieh aber verschmäht sowohl Blattwerk, als Samen derselben. Die gemeine Gartenlupine (Lupinus hirsutus) mit blauen oder purpurroten, auch fleischfarbenen Blüten, die an allen Teilen weichhaarig ist, ist im Mittelmeergebiet zu Hause und wurde bereits von den alten Griechen kultiviert, deren Samen den ärmeren Volksgenossen als Nahrung dienten, wie heute noch die an Kultur am weitesten zurückgebliebenen Bewohner des Peloponnes, die die unzugänglichsten Landschaften Griechenlands bewohnenden Mainoten, die ihre Häuser festungartig ohne Fenster errichten und in ausgedehntem Maße der Blutrache huldigen, sie zur Gewinnung der Samen als Speise anpflanzen. Sonst dient sie meist nur noch als Viehfutter, da das Vieh Kraut und Samen der Gartenlupine eifrig frißt.

Ebenso häufig wird die gleichfalls aus den Mittelmeerländern stammende sizilische oder richtiger ägyptische Lupine oder Wolfsbohne (Lupinus termis) in Südeuropa angebaut, die ebenfalls ziemlich weichhaarig ist, weiße Blüten mit blauen Schiffchen hat und Samen hervorbringt, welche denen der weißen Lupine gleichen, aber größer und eckiger sind. Sie wurde besonders im alten Ägypten angebaut, wo die Samen als Volksnahrung dienten und mit Vorliebe den Toten als Speise in ihre unterirdische Behausung mitgegeben wurden. Von den Ägyptern erhielten sie die Griechen, die sie als térmos bezeichneten, eine Benennung, die aus Ägypten stammt und sich im arabischen termus bis auf den heutigen Tag erhielt. Tatsächlich essen die Fellachen Ägyptens noch heute gern ihre in Salzwasser gekochten und geschälten Samen. Auch in Italien findet man sie noch ziemlich oft angepflanzt. Von dort kam sie zu uns, wo sie zwar noch reiche Futtermassen gibt, aber ihre Samen nicht mehr oder spät zur Reife bringt. Das Vieh liebt sie in hohem Maße.

Ihr gegenüber bevorzugten die Kulturvölker des Altertums die Futterwicke (Vicia sativa), die sie nicht ausschließlich als Grünfutter, wie wir, sondern gelegentlich auch noch als Speise für den Menschen anpflanzten. Diese heute noch in den Mittelmeerländern wild angetroffene Futterpflanze hieß bei den Griechen bíkion und bei den Römern vicia. Columella schreibt über sie: „Die Wicke wird, wenn sie grün verfüttert werden soll, um die Herbst-Nachtgleiche gesät; baut man sie aber der Samen wegen, so wird die Aussaat im Januar vorgenommen. Man kann sie auf ungepflügten Boden säen, besser aber ist es, vorher zu pflügen. Man sät morgens, jedoch nicht eher als bis der Tau verschwunden ist; auch darf man nicht mehr säen, als was an demselben Tage unter den Boden gebracht werden kann. Die geringste nächtliche Feuchtigkeit verdirbt sie.“ Der griechische Arzt Galenos im 2. Jahrhundert n. Chr. sagt von ihr: „Die Wicke wird als Viehfutter gebraucht, doch in Hungersnot auch von Menschen, besonders wenn sie noch jung ist, gegessen, gibt aber eine schlechte Speise. Bei uns heißt sie nur bíkion, bei den Attikern auch árakos.“ Heute heißt sie in Griechenland bíkos. Daß die Wicke als Nahrung für den Menschen schon früh auch in Palästina — wie wohl allgemein in Westasien und Ägypten — angebaut wurde, zeigt uns die Stelle beim Propheten Jesaias, der seit 740 v. Chr. in Jerusalem wirkte. Da wird in Kap. 28, 27 vom Ackermann gesagt, er säe Wicken aus wie Weizen, Gerste oder Spelt und schlage nach der Ernte die Körner derselben mit einem Stecken aus, um sie zur Speise zu gewinnen.

Der Wicke sehr nahestehend ist die nach der altrömischen Bezeichnung dafür ervum als Erve bezeichnete Vicia ervilia, die noch heute allgemein in Griechenland unter dem Namen orobi oder robi als Futter für das Rindvieh gepflanzt wird. Dieser Name zeigt noch deutlich seine Abstammung aus dem altgriechischen órobos für Erbse. Sie diente einst auch dem Menschen als Nahrung. Von ihr unterschied bereits der pflanzenkundige Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert einige Sorten nach Farbe und Geschmack der Samen. Der griechische Arzt Dioskurides schreibt um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., da sie nur noch in Zeiten der Teuerung als menschliche Nahrung diente, von ihr: „Die Erve (órobos) ist allgemein bekannt; ihr Genuß schadet dem Menschen, mästet aber das Rindvieh.“ Sein Zeitgenosse Columella aus dem südlichen Spanien meint: „Die Erve (ervum) bedarf einen mageren Boden, der auch nicht feucht sein darf; sie wächst sonst zu üppig und verdirbt. Man kann sie im Januar und Februar säen. Wird sie im März gesät, so soll sie dann ein schädliches Futter für die Kühe geben.“ Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr., der Verfasser eines noch im Mittelalter vielbenutzten Werkes über den Landbau, behauptet sogar, die im März gesäte Erve (ervum) mache das Rindvieh toll. Diese lateinische Bezeichnung ervum hängt zweifellos wie das griechische órobos sprachlich mit dem althochdeutschen araweiz, aus dem dann unser Wort Erbse hervorging, zusammen.

Wie die Lupine, Wicke und Erve ist auch die Linse (Ervum lens) eine uralte Kulturpflanze, die im östlichen Mittelmeergebiet heimisch ist und hier sehr früh schon in die menschliche Pflege gelangte und dahin veredelt wurde, daß sie größere Samen produzierte. In Syrien und Ägypten wird sie seit grauer Vorzeit vom Menschen angepflanzt. So fanden sich zu einem Brei gekochte, aber noch teilweise deutlich als solche erkennbare Linsen in Tonnäpfchen neben grobgemahlener, gerösteter Gerste mehrfach unter den Grabbeigaben des mittleren Reiches, speziell der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) in einer noch heute in Ägypten kultivierten kleinsamigen Abart. Ferner tritt uns die Linse in altägyptischen Inschriften entgegen, so auch auf dem berühmten Gemälde aus dem Grabe Ramses III. der 20. Dynastie (1198–1167 v. Chr.) in Theben, das uns einen Blick in die königliche Bäckerei tun läßt. Dort bemerken wir unter anderem auch einen Diener, der vor dem Kessel hockt und für die Bäcker Linsen kocht. Die Linsen befinden sich in zwei neben ihm stehenden Körbchen. Noch in den späteren Zeiten der römischen Herrschaft trieben die Ägypter im Delta, namentlich in Pelusium an einer der Nilmündungen, einen lebhaften Handel mit Linsen, die auf Segelschiffen weithin über die Küsten des östlichen Mittelmeeres verfrachtet wurden. Noch in der Kaiserzeit wurden viel Linsen nebst Getreide zur Fütterung der Proletariermassen der Hauptstadt nach Italien gebracht. So wissen wir, daß das mächtige Transportschiff, das im Jahre 39 n. Chr., zur Zeit des Kaisers Caligula (regierte von 37–41 n. Chr.), den ungeheuer schweren, 25,5 m langen Obelisken von der Fassade des Tempels des Sonnengottes Re in Heliopolis nach Rom brachte, als Ballast 120000 Scheffel Linsen aus Ägypten mitbrachte. Dieser gewaltige Monolith aus Syenit mit heute unkenntlich gewordenen Hieroglyphen wurde damals im vatikanischen Zirkus aufgestellt. Noch steht auf seinem Sockel die Widmung an Augustus und Tiberius zu lesen. Unter Papst Sixtus V. wurde er dann 1586 von seinem alten Standort bei der Sakristei von St. Peter unter gewaltigen Schwierigkeiten in die Mitte der Ellipse des Platzes vor der Peterskirche aufgestellt und dabei festgestellt, daß das Gewicht dieses Kolosses 963537 römische Pfund beträgt. Übrigens beweist die ganz unägyptische, dagegen sehr stark semitisch anmutende ägyptische Bezeichnung arshana für Linsen, daß diese Samenpflanze Ägypten ursprünglich fremd war und aus Westasien ins Niltal gelangt sein muß.

Auch bei den alten Juden dienten die Linsen bereits im 2. vorchristlichen Jahrtausend als sehr beliebte Speise, wie die uns allen von Jugend auf bekannte Geschichte Esaus, d. h. des Behaarten, beweist, der als Sohn Isaaks und der Rebekka um ein Linsengericht sein Erstgeburtsrecht an seinen nach ihm geborenen Zwillingsbruder Jakob verkaufte. In dieser Erzählung des Alten Testaments wird die Farbe des Linsengerichtes als rot bezeichnet, was darauf hinweist, daß jene Samen vor dem Kochen nach gehörigem Aufweichen in Wasser enthülst wurden, ein Brauch, der jetzt noch in Ägypten üblich ist und ihnen eine rosenrote Farbe verleiht. Als David, der als zweiter König von Israel nach Sauls Fall von 1033 v. Chr. 40 Jahre lang, bis 993 den Thron von Juda behauptete, vor seinem aufrührerischen Sohne Absalom in die Wüste östlich vom Jordan floh, da brachten seine Freunde ihm und seinen Begleitern Weizen, Gerste, Mehl, geröstete Ähren, Saubohnen, Linsen, Grütze, Honig, Butter, Käse, Schafe und Rinder, „denn sie dachten, das Volk werde hungrig, müde und durstig sein in der Wüste“. Und als die Philister sich versammelten, um gegen David zu ziehen, da „versammelten sie sich zu einer Rotte und war daselbst ein Stück Acker voll Linsen. Da trat Samna, der Sohn Hagas, des Harariters, mitten auf das Stück und schlug die Philister und Gott gab ein großes Heil.“ Die hebräische Bezeichnung adaschim für Linsen hat sich übrigens im arabischen adas oder ads bis auf den heutigen Tag erhalten.

Da sie leichter verdaulich und zudem nahrhafter als die Erbsen sind, wurden sie wie in ganz Vorderasien und im Nilland auch in Kleinasien angepflanzt und als Volksnahrungsmittel gegessen. Dazu wurden sie meist mit Öl und Knoblauch gekocht; bisweilen wurde auch in Zeiten der Not eine Art Brot daraus gebacken. Reste derselben kleinsamigen Abart der Linse wie in Ägypten fanden sich auch in der zweituntersten spätneolithischen Schicht von Troja, dem heutigen Hissarlik, dann in den bronzezeitlichen Ansiedelungen Ungarns, Norditaliens und der Schweiz. Auch aus Fundstätten der Eisenperiode sind Überreste von Linsen mehrfach zutage gefördert worden. Das vergleichende Studium all dieser Funde führte nun Buschan zu dem Ergebnis, daß alle vorgeschichtlichen Linsen weit kleiner sind, als die jetzt gebauten. Dabei ist es ziemlich sicher, daß die kultivierte Linse von der auf einigen Plätzen von Kleinasien bis Afghanistan häufig anzutreffenden Feldlinse (Lens schnittspahni) abstammt.

Nach den Angaben der Schriftsteller des Altertums war die Linse von alters her ein Nahrungsmittel besonders der ärmeren Volksklassen; in Zeiten der Not wurde ihr Mehl mit Gerstenmehl vermischt zu Brot verbacken. Ihrer großen Bedeutung als Volksnahrungsmittel entsprechend war ihr Anbau ein sehr ausgedehnter. Noch zur Römerzeit bildete sie einen wichtigen Exportartikel des Landes. Auch die Griechen der älteren Zeit bauten sie unter dem Namen phakós viel an und bezeichneten das daraus bereitete Gericht phakḗ, doch aß sie seit der Mitte des 5. vorchristlichen Jahrhunderts in Athen nur noch das niedere Volk. Der Begüterte und Gebildete enthielt sich jedoch dieser gemeinen Nährfrucht. In einer Komödie des attischen Dichters Aristophanes (geb. um 455 v. Chr., trat 427 zuerst als Dichter auf und starb 387) heißt es von einem Athener: „jetzt, da er reich geworden ist, mag er keine Linsen mehr, während er früher, da er noch arm war, aß was ihm vorkam.“ Und beim Lustspieldichter Phenecrates aus Athen, der um 440 bis 415 v. Chr. dramatisch tätig war, ruft eine Person in einem Stücke: „Nur keine Linsen! — Wer Linsen ißt, riecht aus dem Munde.“ Die Römer nannten sie lens, was darauf hindeutet, daß sie diese Nährfrucht schon vor ihrer Bekanntschaft mit den Griechen kannten, und bezogen sie während der Kaiserzeit, wie wir bereits sahen, in großen Mengen aus Ägypten. Der ältere Cato (234 bis 149 v. Chr.) lehrt in seinem Buche über die Landwirtschaft, wie man Linsen zu säen habe und wie man sie am besten mit Essig zubereite. Auch bei den Totenmählern setzte man im alten Italien wie dem Verstorbenen, so auch den Lebenden Linsen und Salz als geschätzte Speise vor. Durch die Vermittlung der Römer lernten dann die Völker nördlich der Alpen, wie schon die hier heute noch gebräuchlichen Bezeichnungen dafür beweisen, diese ihnen bis dahin unbekannte Nährfrucht kennen.

Wie einst im Altertum sind die Linsen heute noch den Beduinen Palästinas, Mesopotamiens und Arabiens ein sehr wichtiges Nahrungsmittel, weshalb sie außer in Westasien auch in ganz Nordostafrika viel angebaut werden. Im Hochlande von Abessinien wird übrigens eine besondere Varietät unserer Linse in verschiedenen Sorten kultiviert und dient als beliebtes Volksnahrungsmittel.

Die einzige in vorgeschichtlicher Zeit in Mittel- und Nordeuropa angepflanzte Bohne ist die große oder Saubohne, auch Puffbohne genannt (Vicia faba major und minor) mit schwarzgefleckten weißen Blüten, die heute in zahlreichen Varietäten kultiviert wird. Es war dies die Bohne der alten Germanen, der kýamos der Griechen, die faba der Römer, nach der das berühmte Patriziergeschlecht der Fabier genannt wurde, dessen Mitglieder, 306 an der Zahl, im Jahre 477 v. Chr. im Kampf gegen die Bewohner von Veji bis auf einen einzigen, in Rom zurückgebliebenen Knaben fielen. Allerdings besaß die Bohne bei den Völkern des Altertums nicht solche Verbreitung und Beliebtheit wie Erbse und Linse; aber bei manchen Völkern stand sie in um so höherem Ansehen. Bei den Hebräern war die Saubohne nach dem Zeugnisse der Bibel schon ums Jahr 1000 v. Chr. als Volksnahrungsmittel bekannt und beliebt. Auch die alten Ägypter aßen sie. So haben sich in einem Grabe des mittleren Reiches aus der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) in der Totenstadt von Theben einige, gegenüber der heutigen etwas kleinere Samen der Saubohne als Totenbeigabe gefunden. Immerhin erlangte diese Nährfrucht keinerlei Bedeutung für das Land, so daß wir die an sich falsche Behauptung des griechischen Geschichtschreibers Herodot (484–424 v. Chr.), der ja selbst in Ägypten und Babylonien war und dem wir ein Urteil in dieser Sache zuerkennen dürfen, einigermaßen begreifen. Er schreibt nämlich: „Saubohnen pflanzt man aber nicht in Ägypten, und die herauskommen, ißt man nicht so (wie bei uns — also roh, so lange die Samen noch unreif sind), noch speist man sie gekocht. Die Priester ertragen nicht einmal ihren Anblick.“ Als Grund der Verpönung mutmaßt Herodot die starken Blähungen, die sie verursachen. Der griechische Schriftsteller Plutarch (50–120 n. Chr.) dagegen sagt, die Saubohnen seien den ägyptischen Priestern verboten, weil sie zu stark nähren. Das ist natürlich eine falsche Annahme dieses Autoren. Wir werden bald erkennen, was der wirkliche Grund dieser Speiseentsagung war.

Bei den Griechenstämmen dagegen spielten die Saubohnen schon seit den ältesten Zeiten eine nicht unwichtige Rolle als Nahrungsmittel. So werden schon in der Ilias kýamoi melanochrōes, d. h. schwarzsamige Bohnen, die nichts anderes als Saubohnen waren, als Speise der Helden erwähnt, und in den Trümmern von Troja sind reichliche verkohlte Vorräte von Saubohnen gefunden worden, die heute noch nach Schliemann eine der gewöhnlichsten Ackerfrüchte der Troas bilden. In Griechenland und noch mehr in Italien war sie von jeher bis heute ein sehr beliebtes Volksnahrungsmittel. Auf griechischem Boden tritt sie uns vorgeschichtlich in einem bronzezeitlichen Fund aus Heraklea auf Kreta entgegen. In Oberitalien ist sie sogar aus dem Ende der neolithischen Zeit vor etwa 4000 Jahren nachgewiesen. Nördlich der Alpen läßt sie sich, wie die Funde der Pfahlbauten des Bieler, Neuenburger und Murtner Sees beweisen, erst in der Bronzezeit zwischen 1800 und 1500 v. Chr., und in Norddeutschland erst zu Beginn der als Hallstattperiode bezeichneten ersten Eisenzeit nach 750 v. Chr. nachweisen. Im europäischen Norden haben wir Funde von Saubohnen bis jetzt erst aus der Völkerwanderungszeit, doch beweist der gemeingermanische Bohnenname — althochdeutsch bôna —, der nur dem Gotischen fehlt, daß ihr Anbau bis in die vorgeschichtliche Zeit zurückreicht. Jedenfalls kannten sie die Angeln und Sachsen vor ihrer Auswanderung nach England, wie die angelsächsische Bezeichnung bean, altnordisch bon, althochdeutsch bôna, mittelhochdeutsch bone für das neuhochdeutsche Wort Bohne beweist. Wenn freilich der ältere Plinius, der von 45–52 n. Chr. in der römischen Reiterei in Germanien diente und unter den Kaisern Nero und Vespasian mehrere hohe Zivil- und Militärämter bekleidete, in seiner Naturgeschichte berichtet, die römischen Soldaten hätten die Nordseeinsel Burcana (vielleicht das heutige Borkum) wegen der Menge der dort angeblich wild wachsenden Bohnen Fabaria genannt, und wenn derselbe Autor an einer anderen Stelle eine weitere Nordseeinsel mit dem augenscheinlich germanischen Namen Baunonia „Bohneninsel“ erwähnt, so ist unter diesen wildwachsenden fabae oder Bohnen nach de Candolle, Buchenau und Krause nicht die Saubohne, sondern eine Erbsenart, Pisum maritimum, zu verstehen, die heute noch massenhaft auf den Dünen der Nordseeinseln wild wächst.

Nach den eingehenden Untersuchungen von Buschan lassen sich unter den seit der Bronzezeit kultivierten vorgeschichtlichen Bohnen wenigstens zwei Abarten unterscheiden, nämlich eine kleinere, rundliche, die den östlichen Fundstätten: Kleinasien, Griechenland, Ungarn und Schweiz eigen ist, und eine längere, flache, die in Spanien, Südfrankreich und Deutschland ausschließlich gefunden wird. In Oberitalien scheinen beide zusammenzutreffen. Wahrscheinlich sind sie von entgegengesetzten Richtungen ausgegangen, die kleinere, rundliche vom Orient und die lange, flache von Westen. De Candolle hat diesen doppelten Ursprung vermutet und seine Ansicht ist durch Buschans Untersuchungen bestätigt und ergänzt worden. Die Heimat der ersteren ist in Südkaspien, diejenige der letzteren dagegen in Spanien und Nordafrika zu suchen. Beide Abarten, die unserer Sau- und Pferdebohne entsprechen, sind nahe Verwandte der wilden Wicke, und zwar dürfte die Stammart der Form mit längeren, flachen Bohnen Vicia narbonensis sein, eine in den Mittelmeerländern und in Westasien bis nach dem Kaukasus, Nordpersien und Mesopotamien hin wild wachsende Wickenart, die schon im Altertum kultiviert wurde. Heute noch wird diese als schwarze Ackerbohne bezeichnete Art in Frankreich und Italien, aber auch bei uns in leichtem Boden als Viehfutter angebaut und gibt in mildem Klima einen reichen Ertrag an Körnern.

Die schwarzen Flecken in den weißen Blüten der Saubohne galten im Altertum als Schriftzeichen des Todes; demgemäß galt die Pflanze als Symbol des Todes. Deshalb durften die ägyptischen Priester keine Saubohnen essen, während das Volk solche, im Altägyptischen arschan genannt, aß. Auch der 580 v. Chr. in Samos geborene große griechische Philosoph Pythagoras der 529 nach Kroton in Unteritalien übersiedelte, um der Gewaltherrschaft des Tyrannen Polykrates von Samos zu entgehen, und hier einen später weit verbreiteten, durch die ägyptische Geheimlehre weitgehend beeinflußten Bund stiftete, der ethische und politische Zwecke verfolgte, verbot seinen Schülern den Genuß von Saubohnen. Sonst wurden solche vornehmlich bei Totenmählern und Trauerfesten als Speise aufgetragen. Auf dem heiligen Wege von Athen nach Eleusis stand ein dem Bohnengott Kyamites geweihter Tempel, in welchem das zu den dem Dienste der unterirdischen Mächte und des Unsterblichkeitsglaubens gewidmeten Mysterien ausziehende Volk dem mit dem Tod in Zusammenhang gebrachten Gotte Saubohnen als Todessymbole opferte. Auch im alten Italien brachte man den Unterirdischen Bohnenopfer dar, so warf der Hausvater an dem am 9., 11. und 13. Mai gefeierten Feste der Lemurien zur Versöhnung der als schreckhafte, übelwollende Spukgeister gedachten Lemuren oder bösen Geister Verstorbener nachts schwarze Saubohnen über den Kopf hinter sich, um sich und die Seinigen von deren Macht zu lösen; und am 21. April, an welchem Tage der Sage nach die Stadt Rom gegründet worden sein soll, besprengte man am Feste der altitalischen Hirtengöttin Pales — deren Name, nebenbei bemerkt, dem Worte palatium auf dem palatinischen Hügel zugrunde liegt, woraus dann unsere Bezeichnung Palast hervorging —, den Palilien, den Boden mit einem in Wasser getauchten Lorbeerzweige, entzündete darauf ein Feuer mit Bohnenstroh und sprang zur Entsühnung darüber, trieb auch seine Herdentiere hindurch, um sie im kommenden Jahre vor Erkrankung und allem Bösen zu schützen. In Athen dienten weiße und schwarze Bohnen, die als Ja und Nein galten, zur Abstimmung.

Auch bei anderen Völkern Europas, besonders bei den Germanen und Slawen, wurden Saubohnen speziell zu Totenopfern gebraucht. Die verschiedenen, auf die Saubohnen bezüglichen Zeugnisse der Inder, Griechen, Römer, Germanen und Slawen hat nun L. von Schröder eingehend geprüft und kam dabei zum sichergestellten Ergebnis, daß die Saubohnen schon in der indogermanischen Urzeit als Speise für die Lebenden und dann auch als Opfer für die Geister der Abgeschiedenen bekannt und beliebt waren. Während sich dieser uralte Gebrauch bei den meisten indogermanischen Stämmen mehr oder weniger verwischte, blieb er besonders bei den in sakralen Dingen so überaus konservativen Römern in der altertümlichen Form als nächtlicherweile mit abgewandtem Gesicht dargebrachtes Opfer an die Geister der Verstorbenen erhalten. Das altertümliche ist hier eben die scheue Abwehr dieser gefürchteten Geister. Aber über die Indogermanen hinaus muß dieses Bohnenopfer an die Totengeister in der Urzeit in der Alten Welt weit verbreitet gewesen sein; denn auch die Ägypter und Vorderasiaten übten solches einst, und daher rührt die Scheu der Lebenden, besonders wenn sie priesterliche Funktionen ausübten, diese mehr und mehr als Totenspeise geltende Frucht zu essen. Weil sie den Toten geopfert wurde, galt sie eben vielen als unrein und ungeeignet als Speise der Lebenden.

Bei den Indogermanen Südeuropas blieb die Saubohne aber auch für die Lebenden späterhin die wichtige Speise, die sie den Vorfahren jener Stämme seit grauer Vorzeit gewesen war. Zahlreiche Stellen aus den Schriften des Altertums sprechen von ihr als geschätztem Nahrungsmittel für Menschen und Tiere. Schon in Homers Ilias werden sie wie die Kichererbsen auf der Tenne durch Worfeln gereinigt. Nach dem römischen Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. wurden sie von Mitte November bis Ende Dezember auf recht fettem oder gut gedüngtem Boden, am besten im Tale nach vorhergehendem Pflügen, wie das Getreide gesät und dann geeggt, damit sie recht tief zu liegen kamen. Er meint: „Die Saubohnen (fabae) erschöpfen das Land nicht so sehr wie manche andere Frucht; jedenfalls gedeiht aber das Getreide auf einem Acker, der brach gelegen hat, besser, als auf einem, der jene Hülsenfrucht (siliqua) getragen hat. Das Ausdreschen der Bohnen macht keine Schwierigkeit. Man legt eine mäßige Anzahl von aufgelösten Bündeln an das eine Ende der Tenne, vier bis fünf Leute treiben die Bündel mit den Füßen allmählich bis ans andere Ende und schlagen sie dabei mit Stöcken. Sind sie ans Ende gelangt, so legen sie das ausgedroschene Bohnenstroh auf einen Haufen; die Bohnen selbst liegen auf der Tenne, und über diese werden auch die übrigen Bündel hingetrieben und ausgedroschen. Um dann die Bohnen noch von der Spreu zu sondern, bringt man sie auf einen Haufen, wirft sie mit der Worfschaufel (aus Holz) weit weg, wobei die Spreu eher niederfällt und sich dabei absondert.“ Wenig später als Columella schreibt der ältere Plinius in seiner Naturgeschichte: „Unter den Hülsenfrüchten nimmt die Saubohne (faba) den ersten Rang ein. Das aus ihnen gewonnene Mehl heißt lomentum und vergrößert das Gewicht anderer Mehlsorten, was auch die übrigen Hülsenfrüchte tun. Die Saubohne wird vielfach für Menschen und Vieh als Nahrung gebraucht und deswegen in den Handel gebracht. Bei den meisten Völkern wird sie unter das Getreide, besonders die Kolbenhirse, gemischt. Nach alter Sitte wird auch Saubohnenbrei bei Opfern verwendet. Übrigens glaubt man, daß der Genuß der Saubohnen die Sinne abstumpft und Schlaflosigkeit verursacht. Aus diesem Grunde hat Pythagoras ihren Genuß verboten, oder, wie andere meinen, weil er glaubte, in ihnen stäken die Seelen Verstorbener. Jedenfalls braucht man sie um dieses Glaubens willen bei Leichenfeierlichkeiten (zum Totenschmause). Varro gibt an, der Priester der Schutzgottheiten esse erstens deswegen keine Saubohnen, weil Seelen in ihnen stecken, und zweitens, weil auf ihren Blüten Trauerbuchstaben stehen. Es gilt übrigens als ein gutes Vorzeichen, wenn man vom Felde eine Saubohne mit nach Hause bringt; deshalb wird sie auch referiva genannt. Bei Versteigerungen steckt man sie ebenfalls zu sich, um einen guten Kauf zu machen. Jedenfalls ist sie die einzige Feldfrucht, welche sich bei zunehmendem Monde wieder füllt, wenn sie hohl genagt ist. (Natürlich auch ein Aberglaube, der daran trotz ihrer hohen Bildung so reichen Römer!) In Seewasser oder anderem gesalzenen Wasser kann man sie nicht weich kochen. Man sät sie entweder im Herbste, oder im Frühling; doch glauben die meisten Leute, die Herbstsaat gebe Hülsen und Stengel, die das Vieh lieber frißt. Während der Blütezeit ist ihr reichliche Bewässerung zuträglich, nachher aber nicht. In Mazedonien und Thessalien pflügt man sie, sobald sie zu blühen begonnen hat, zur Düngung unter.“ Der um 150 n. Chr. lebende römische Schriftsteller Gellius sagt: „Der römische flamen dialis (Oberpriester des Jupiter) darf weder eine Ziege, noch rohes Fleisch, noch Efeu, noch Saubohnen berühren, noch auch deren Namen aussprechen.“ Der griechische Arzt Dioskurides, im 1. Jahrhundert n. Chr., behauptet von der Saubohne (kýamos), sie sei jung oder alt schwer zu essen, blähe, mache schweren Atem und störe den Schlaf. Doch bekomme sie besser, wenn man das erste Wasser beim Kochen weggieße. Das Mehl der Bohne werde äußerlich als Heilmittel aufgelegt. Auch sein Volksgenosse und Kollege Galenos im 2. Jahrhundert n. Chr. urteilt über sie, sie blähe, man möge sie zubereiten wie man wolle. Man gebe sie als Brei gekocht oder gebacken vornehmlich den Gladiatoren zu essen, da sie viel Fleisch ansetze, das aber nicht fest, sondern mehr schwammig sei. Junge, grüne Saubohnen essen manche Leute roh oder kochen sie mit Zusatz von Fett. Auch als Pferdefutter waren sie neben der Gerste sehr beliebt. So schreibt Columella: „Sind gesunde Pferde mager, so kommen sie schneller durch gerösteten Weizen als durch Gerste zu Kräften. Auch gibt man ihnen Wein zu trinken. Später geht man allmählich von dieser Fütterung ab und gewöhnt sie an Saubohnen und reine Gerste.“

Trotz ihrer blähenden Wirkung war die Saubohne auch bei den Kelten und Iberiern als Nährfrucht sehr verbreitet. Von der keltischen Bevölkerung der Poebene sagt Plinius, daß sie, wie die übrigen Gallier, zum Mehle der Kolbenhirse (panicum) stets auch Saubohnenmehl mischten. Überhaupt werde dort nichts ohne Beigabe von Saubohnenmehl bereitet. Diese Vorliebe hat sich lange erhalten. Auch die Germanen nahmen später diese Nährfrucht von ihren Nachbarn an. So ist ihr Anbau durch das im 5. Jahrhundert in mittelalterlichem Latein aufgezeichnete Volksrecht der salischen Franken und durch das Breviarium und das Capitulare de villis Karls des Großen vom Jahre 812 genugsam bezeugt. Da in letzterem von fabae majores, d. h. größeren Saubohnen die Rede ist, so waren damals offenbar neben diesen auch die kleineren in Kultur, letztere vielleicht nur als Viehfutter, wie heute noch. Die größere Art aber, die eigentliche Saubohne, dient noch jetzt in ganz Südeuropa als beliebtes Volksnahrungsmittel und ihre unreifen Samen werden gern roh mit Brot verspeist. Vom frühen Mittelalter an bildeten sie mit den Erbsen und Linsen recht eigentlich eine Hauptnahrung weiter Kreise der Bevölkerung Mitteleuropas. Alle drei Hülsenfrüchte wurden in der christlichen Zeit mit der Einführung strenger Fasttage als gebräuchlichste Fastenspeise besonders häufig kultiviert.

Im Morgenlande dagegen waren die Saubohnen früh in Mißkredit geraten. So vermieden es die alten Ägypter schon im letzten vorchristlichen Jahrtausend, Saubohnen als nach ihrer Ansicht unreine Speise zu essen. Sie zogen deren Samenkörnern diejenigen der in den Teichen massenhaft gezogenen, aus dem fernen Indien zu ihnen gelangten blaublühenden Lotosblume (Nelumbium speciosum) vor, die lange Zeit allgemein als Nahrung dienten, so daß sie die Griechen und Römer geradezu als ägyptische Bohnen (fabae aegyptiacae) bezeichneten. Als aber die sie liefernde Pflanze eine immer größere Rolle im Kultus spielte und damit zu einer heiligen gestempelt wurde, verboten die Priester auch dem gemeinen Volke den Genuß dieser Speise, die sie selbst wegen der Heiligkeit, die von ihnen der Erzeugerin der Samen beigemessen wurde, schon längst mieden. Dieses Verbot war um so leichter durchzuführen, als die alten Ägypter in den Samen der bereits erwähnten Wolfsbohne (Lupinus termis) — arabisch termus — eine kräftige, heute noch im Niltal vielfach angepflanzte Nahrung besaßen. Später wurden dann in jenem Lande als wichtige Körnerfrucht die im tropischen Afrika heimische Bohnenart mit schwarzgenabelten Samen, Dolichos melanophthalmos, eingeführt.

Die alten Griechen dagegen lernten durch den Zug Alexanders des Großen nach Indien im Jahre 327 v. Chr. eine damit verwandte niedere Bohnenart kennen, von der sie Samen in ihre Heimat mitbrachten. Es ist dies die heute noch in Ostindien im großen angebaute Dolichos biflorus, deren junge Hülsen und reife Samen als beliebte Nahrung für Menschen und Tiere dienen. Ihre Blüten sind violett oder weiß, die Samen dunkel gefärbt und werden nur von der vornehmsten Kaste der Brahmanen als für sie, die Göttersöhne, unpassende Speise verschmäht. Der ausgezeichnete Pflanzenkenner Theophrast, der nach Alexander dem Großen Schüler des Aristoteles war, erwähnt sie unter der Bezeichnung dólichos. Er schreibt über sie in seiner Pflanzengeschichte: „Die dólichos ist eine Hülsenfrucht; sie steigt hoch an Stangen empor und trägt dann Früchte. Fehlt die Stange, so mißrät sie und überzieht sich mit Mehltau.“ Der griechische Arzt Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. dagegen nennt sie phasíolos und sagt von ihr, sie sei schwer zu verdauen, blähe, mache einen schweren Atem. Grün gekocht bekomme sie besser. Als phasiolus tritt sie uns bei Plinius entgegen, der in seiner Naturgeschichte angibt, man esse von ihr die grünen Hülsen mit den Samen. Man könne sie in jedes beliebige Land von Mitte Oktober bis Anfang November säen. Sind sie reif, so müssen sie bald geerntet werden, da sonst die Samen leicht ausfallen und dann verloren gehen. Sein Zeitgenosse Columella nennt sie faseolus und sagt, man säe sie zur Zeit, da die Hirse geerntet werde, wenn nämlich die Hülsen jung vom Menschen gegessen werden sollen. „Sollen aber reife Samen gezogen werden, so sät man sie erst Ende Oktober oder Anfang November. — Wenn man Salat einmacht, so legt man auch ganze grüne Bohnen (mit der Hülse: faseolus viridis integer) dazwischen; sie müssen vorher einen Tag und eine Nacht in Salzwasser geweicht und dann wieder etwas getrocknet sein.“ Mit den Römern, die sie ziemlich häufig gegessen zu haben scheinen, gelangte sie auch in die Länder nördlich der Alpen, wo sie aber nicht gedeihen konnte, da es ihr hier zu kalt war. Wenn wir daher im Capitulare de villis Karls des Großen vom Jahre 812 neben den fabae majores, den Saubohnen, die uns von gleichzeitigen Geschichtschreibern als beliebte Speise der Franken hingestellt werden, als weiteres Gemüse den faseolus erwähnt finden, so kann dies kaum eine der durch ihr Wärmebedürfnis ausgezeichneten Dolichosarten, wie sie noch in Italien gedieh, gewesen sein, sondern war nach Körnicke vermutlich die rotblühende Felderbse (Pisum arvense), von der wir sahen, daß sie schon im Altertum in den Mittelmeerländern kultiviert wurde. Jedenfalls steht fest, daß der Name phaseolus im Mittelalter auf die Erbse übertragen wurde. Die Bezeichnung fasol (und das davon herrührende faseln) war in Oberdeutschland bis zum Bekanntwerden der amerikanischen Gartenbohne, ja noch bis ins 17. Jahrhundert hinein der allgemein angewandte volkstümliche Name für Erbsen. Vom 16. Jahrhundert ging er dann auf die damals neu eingeführte Gartenbohne über, begünstigt vom zufälligen Gleichklang des amerikanischen Wortes frisol für letztere, woraus das spanische frijol für Saubohne und fajol für Gartenbohne und daraus endlich das neuhochdeutsche Fisole stammt.

Unsere gemeine Gartenbohne oder Fisole — italienisch fagiolo und neugriechisch fasulia — auch Schminkbohne genannt, weil das Mehl ihrer Samen die Haut glättet und deshalb als ein Bestandteil der weißen Schminke benutzt wurde (Phaseolus vulgaris), die in 70 Spielarten windend als Stangen-, Speck-, Kugel-, Eier- und Negerbohnen, oder nicht windend als Busch-, Zwerg-, Zucker- oder Frühbohnen auf dem Felde und im Garten der grünen, unreifen Hülsen und reifen Samen halber kultiviert wird, stammt mit der von den Peruanern ebenfalls als Gemüsefrucht gezogenen Feuerbohne (Phaseolus multiflorus) aus Südamerika und verdrängte nach ihrer Einführung durch die Spanier mit ihren ertragreicheren und härteren, weißen Samen bald die schwarzsamige Dolichosbohne Ostindiens aus Südeuropa. Diese heute bei uns allgemein verbreiteten neuweltlichen Gartenbohnen hat man nicht nur in Südamerika, in den Gräbern des Totenfeldes von Ancon in Peru, sondern auch in Nordamerika als Grabbeigabe in vorgeschichtlichen Gräbern gefunden, als Beweis dafür, daß dieses Gemüse schon lange vor der Entdeckung Amerikas durch die Europäer aus seiner südamerikanischen Heimat, wo sie zur Kulturpflanze erhoben wurde, durch den ganzen Kontinent, und zwar in mehreren Spielarten, die wir heute noch kultivieren, bis weit nach Norden verbreitet worden war. Die großen botanischen Werke aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterscheiden sehr wohl zwischen amerikanischen und ägyptischen, d. h. also Dolichosbohnen. Der französische Arzt und Botaniker Clusius (Charles de l’Ecluse, geb. 1525 zu Arras, war von 1571–1587 kaiserlicher Gartendirektor in Wien unter Maximilian II. und von 1593 an Professor der Botanik in Leiden in den Niederlanden, wo er 1609 starb) sah die weißsamige Gartenbohne zuerst 1564 bei Gelegenheit einer naturwissenschaftlichen Reise in Spanien und kurz darauf die Feuerbohne mit grellroten Blüten und schmutzig rot oder violett und schwarz marmorierten Samen in einem Kloster zu Lissabon. Dort erhielt er auch Bohnensamen aus Brasilien zum Geschenk. Diesen brachte er nach seiner Heimat Frankreich mit und ließ ihn hier wachsen. Die daraus erzielten Samen schenkte er an seine Freunde weiter, die sie wiederum in ihren Gärten pflanzten. So verbreiteten sich diese „welschen“ oder „Stangenbohnen“ in den verschiedensten Arten immer weiter unter dem Volke und wurden zu dem unentbehrlichen Gemüse, das sie heute sind; doch ging die Kunde der Einführung der ersteren aus der Neuen Welt später verloren, bis erst im 18. Jahrhundert diese Tatsache aufs neue erkannt wurde. So war der Regensburger Apotheker J. Weinmann einer der ersten, der in seinem vierbändigen, von 1737–1745 herausgegebenen, in Kupfer gestochenen Pflanzenatlas mit erläuterndem Text die Ansicht äußert, daß die Gartenbohnen wie der Mais aus Amerika stamme. Er unterscheidet diese als amerikanische und brasilische Bohnen sehr wohl von den vor der Entdeckung Amerikas einzig in Europa gepflanzten ägyptischen Bohnen der Gattung Dolichos.

Schon im 17. Jahrhundert waren diese amerikanischen Gartenbohnen so volkstümlich, daß ihre Samen zu dem von den niederländischen Malern mit Vorliebe dargestellten Bohnenfeste benutzt wurden. Dieses am 5. Januar gefeierte „Bohnenkönigsfest“, in Frankreich unter der Bezeichnung „Le roi boit“ bekannt, war ein Nachklang an die römischen Saturnalien, einem der ältesten und volkstümlichsten italischen Feste, das in Rom am 17. Dezember zu Ehren Saturns, des altitalischen Gottes der Saaten und der Fruchtbarkeit überhaupt, gefeiert wurde. Dieses unter den römischen Kaisern auf eine volle Woche ausgedehnte Fest bedeutete eine sinnbildliche Rückkehr zu jenen glücklichen Zeiten, da unter der Regierung des als Herrscher von Latium gedachten Gottes, den man dem griechischen Gotte Chronos gleichstellte, nur Friede und Freude, allgemeine Freiheit und Gleichheit unter den Menschen geherrscht haben sollen. Daher wurden die Saturnalien mit ausgelassenem Jubel und allgemeinem Schmausen begangen, an dem auch die Sklaven Anteil hatten. Sie saßen mit ihren Herrn zu Tische und wurden von diesen zuerst bedient, genossen überhaupt unbeschränkte Freiheit. Man beschenkte sich gegenseitig mit allerhand Geschenken, besonders mit Wachskerzen und kleinen Tonfiguren, wie sie die Kinder als Spielzeug gebrauchten, eine Sitte, deren Nachhall in der christlichen Weihnachtsfeier nicht zu verkennen ist.

Auch in der römischen Armee wurde das Fest, aber in ihrer Weise gefeiert. Durchs Los wurde ein König für die Festzeit bestimmt, dem sich alle zu fügen hatten. Seine unbeschränkte Macht hatte aber bald ein Ende, indem er am Ende der Saturnalien als Sühnopfer geschlachtet wurde. Ein Zeichen, wie brutal diese Berufssoldaten, die ja für Straßenbau und andere Werke der Kultur in den Provinzen zweifellos sehr große Verdienste sich erwarben, im tiefsten Grunde waren. Später wurde meist ein Verbrecher mit dieser zweifelhaften Würde bekleidet, indem man ihm einige Tage vor der Hinrichtung diese letzte Freude gewährte. Und als das römische Weltreich in den Wirren der Völkerwanderung zugrunde gegangen war, hatte sich in Frankreich, England, in den Niederlanden und am Rhein dieser aus der Zeit der römischen Besatzung stammende, ursprünglich ernsthafte Brauch als scherzhaftes Volksfest erhalten. Es fand am 5. Januar statt und der König des Tages wurde in jeder Familie in der Weise gewählt, daß ein Königskuchen verspeist wurde, in welchem eine Bohne hineingebacken war; wer diese in seinem Stücke fand, war König und wählte sich eine Königin und einen Hofstaat, der ihn auf alle erdenkliche Weise bedienen mußte. So oft der König trank, mußte der ganze Kreis rufen: Der König trinkt! weshalb eben dieses Fest in Frankreich nur „le roi boit“ genannt wurde. Wer den Ruf unterließ, der mußte „zur Strafe trinken“, wie man sich in Studentenkreisen ausdrückt „in die Kanne steigen“, oder etwas zahlen oder ein Pfand geben, das nachher ausgelost wurde und damit wiederum Gelegenheit zu neuen Lachereien und ausgelassenen Scherzen gab. Bei dieser burlesken Feier wurde auch das berühmte, bisher allerdings in einem zuverlässigen alten Texte noch nicht aufgefundene „Bohnenlied“ gesungen, das mit Zweideutigkeiten so gepfeffert war, daß heute noch das Sprichwort von einer allzustarken Zumutung sagt, es gehe noch über das Bohnenlied. Daß solche ausgelassene häusliche Szenen die derben, naturalistischen niederländischen Maler zur Wiedergabe reizten, ist ja sehr wohl begreiflich. So haben flämische wie holländische Maler, Katholiken wie Protestanten, wie Jakob Jordaens, die beiden David Teniers, Jan Steen, Gabriel Metsu und wie sie alle heißen, mit innerlichstem Vergnügen dieses lachende, mutwillige Fest geschildert. Außer den Niederlanden kannten auch das von deutschen Franken durchsetzte Nordfrankreich sowie England die Sitte sogut wie in Deutschland die Rheingegend. „Diser Brauch der Künigreich, darinn auch viel Buoberei geschicht, ist fürnehmlich gmein am Reinstrom“, sagt im 16. Jahrhundert der bekannte süddeutsche, lange im Elsaß lebende Sittenschilderer Sebastian Franck, der 1542 in Basel starb.

Eine noch weit wichtigere Rolle, als bei uns die aus Südamerika eingeführten Gartenbohnen, spielt in ganz Ostasien die Sojabohne (Glycine hispida) als eine überaus wichtige Kulturpflanze. Von den vier in Asien und Afrika wachsenden Glycinearten kommt die wahrscheinlich ihre Stammform bildende Art in China, Japan und den Amurländern wild vor. Als solche ist sie viel kleiner und weniger verzweigt als die Kulturpflanze, die sich in vielen Varietäten in weiter Verbreitung in Asien, besonders in China und Japan vorfindet. Sie ist eine einjährige Pflanze mit 0,5–1 m hohem, etwas windendem Stengel, langgestielten, dreizähligen Blättern, die wie Stengel und Zweige dicht rotbraun behaart sind, kurzgestielten Blütenträubchen mit kleinen, unscheinbaren, blaßvioletten Blüten und sichelförmig gekrümmten, trockenhäutigen, rötlich behaarten Hülsen mit 2–5 Samen. Sie braucht zu ihrer Entwicklung viel Licht und hochgradige Wärme und gedeiht außer in den Tropen nur in den Subtropen als Sommergewächs. Für eine ergiebige Kultur verlangt sie trockenen, tiefgründigen, an mineralischen Nährstoffen reichen Boden. Ein großer Vorzug derselben besteht in einer bedeutenden Anpassungsfähigkeit an Boden und Klima, in der Immunität gegen Schmarotzerpilze und nie versiegender Fruchtbarkeit. Bei uns in Mitteleuropa hat sie begreiflicherweise keine befriedigenden Resultate gegeben, da ihre Vegetationszeit selbst im warmen Klima 130 Tage beträgt und daher die Samen hier nicht mehr reifen. Diese letzteren sind rundlich, länglich oder nierenförmig, gelblich, braunrot, grünlich oder schwarz. Ihr Nährwert ist gegenüber den übrigen Hülsenfrüchten ein sehr hoher und durch hohen Fettgehalt ausgezeichnet. In dem so überaus volkreichen China lebt ein großer Teil der Bevölkerung von Sojagerichten, auch dient sie vielfach zur Gewinnung von Speiseöl. Hier ist die Kultur der Sojabohne bereits seit 4700 Jahren nachzuweisen, indem Kaiser Schen-nung ums Jahr 2800 v. Chr. solche neben den damals gebräuchlichen vier Getreidearten: Reis, Gerste, Weizen und Hirse beim Frühlingsfeste zur Aufmunterung des Volkes höchst eigenhändig pflanzte. Wie in China wird auch in Japan, das ebensowenig Tiermilch produziert und deshalb keine Butter besitzt, der aus ihnen gewonnene fettige Brei zum Schmelzen der Speisen benutzt und die sehr eiweißreichen Sojagerichte dienen in diesem Lande bis zu einem gewissen Grade als Ersatz des nur selten gegessenen Fleisches. Besonders wertvoll sind die Sojabohnen den Japanern zur Herstellung der von ihnen als große Delikatesse geschätzten Sojasauce Shoju, die nicht nur in ganz Ost- und Südasien sehr beliebt ist, sondern auch in Europa mehr und mehr Anerkennung findet; dient sie doch in erster Linie zur Bereitung der berühmten englischen Worcestersauce, die ja in vielen vornehmen Haushaltungen auch des Kontinentes gebraucht wird. Um die Shojusauce zu bereiten werden gleiche Teile Sojabohnen und Weizen genommen und 1–3 Teile Wasser hinzugefügt. Die Bohnen werden halbgar gekocht, der Weizen geröstet und gemahlen, darauf wird alles gründlich vermengt und etwas gedämpfter Reis mit Kulturen des Schimmelpilzes Aspergillus oryzae dazu getan. Das Ganze wird in Holzkästen drei Tage lang einer Temperatur von +25°C. ausgesetzt, wobei sich die Masse vollständig mit Schimmel bedeckt. Hierauf wird sie mit Hinzugabe von 1–6 Teilen Kochsalz in große Holzkübel getan, worin sie längerer Gärung bei möglichst niedriger Temperatur überlassen wird. Der anfangs dicke, graue Brei wird wiederholt umgerührt, wobei er allmählich flüssiger wird und schließlich eine braune Farbe annimmt. Die Gärung dauert 2–5 Jahre und das Produkt ist um so feiner, je länger sie bestanden hat. Neben dem ziemlich dicken, tiefbraunen Shoju, von dem man wegen seiner Stärke nur sehr wenig nehmen darf, wird in Japan noch ein anderes Sojapräparat, ein weniger durchgreifend vergorener Brei, der Miso, viel verwendet. Ebenfalls als Würzmittel dient der aus einem wässerigen Auszuge der gekochten Sojabohnen durch Kochsalz gefällte Tofu. Daneben werden verschiedene andere Präparate aus dieser Bohnenfrucht in Verbindung mit Salz und meist auch gekochtem Reis von allen Schichten der Bevölkerung Japans in großer Menge gegessen. Sehr beliebt und durch Händler überall auf den Straßen der japanischen Städte feilgeboten sind besonders süße Kuchen aus Sojabohnenmehl und ein aus gekochten und zerquetschten Sojabohnen durch Gärung infolge Stehenlassens im Keller erzeugter, mit Shojusauce gewürzter Käse. In Österreich dagegen werden die Sojabohnen als beliebtes Kaffeesurrogat benutzt.

Die wichtigste Bohnenart Ostindiens ist die Mungobohne (Phaseolus mungo), deren junge Sprossen ebenfalls rotbraun behaart sind. Die sehr kleine, 4–5 cm lange Hülse enthält 10–15 grasgrüne Samen, die kaum ein Drittel so groß wie Erbsen sind und einen deutlichen Nabel aufweisen. Sie ist im Lande selbst heimisch und wächst im Himalaja bei etwa 2000 m Höhe wild. Die ansehnliche Zahl von Spielarten und das Vorhandensein von drei verschiedenen indischen Namen für sie beweisen mit Sicherheit, daß diese Nährfrucht schon sehr lange in jenem Lande gebaut wird. Sehr früh kam sie nach Ägypten und in die Länder am oberen Nil, später auch nach Ostafrika, wo sie ebenfalls sehr geschätzt und wie unsere Gartenbohnen zubereitet wird. Sonst ist die hauptsächlich in Afrika gepflanzte Bohne die hochwindende Helmbohne (Dolichos lablab) mit sehr langgestielten Blütentrauben, die nach dem Verblühen noch weiter wachsen. Die kahle, ziemlich flachgedrückte Hülse enthält 2–5 bohnengroße Samen, deren weißer Nabel fast die ganze Längsseite derselben einnimmt und durch seine Form an die Raupen früherer Soldatenhelme, wie sie namentlich in Bayern getragen wurden, erinnert. Ursprünglich im tropischen Afrika heimisch, wird diese Pflanze jetzt der jungen Hülsen und schwarzen oder braunen Samen wegen überall in den Tropen und Subtropen als eine der wichtigsten Gemüsepflanzen in vielen Varietäten kultiviert. Ebenfalls afrikanischen Ursprungs scheint die nirgends mehr wild angetroffene Lubiabohne (Dolichos lubia) zu sein, die schon lange in der Nilgegend, ebenso in Syrien, Persien und Indien angebaut wird. Im alten Ägypten war sie noch nicht bekannt; jedenfalls hat sie sich erst im Laufe der letzten zwei Jahrtausende nach Vorder- und Südasien verbreitet. Gleicherweise ist der gelbblühende indische Bohnenstrauch (Cajanus indicus), der namentlich in Ostindien, aber auch in Italien und Südamerika fleißig kultiviert wird, in Afrika heimisch. Er findet sich im tropischen Teile des Kontinents bis nach Oberägypten hin wild, und wird heute noch in Nubien und dem ägyptischen Sudan der Samen wegen angebaut, die nach Form und Größe unseren Erbsen gleichen, aber nicht so wohlschmeckend und zudem schwer verdaulich sind. Dieser Schmetterlingsblütler muß bereits im alten Ägypten angebaut worden sein, da man unter den vorhin mehrfach genannten Gräberfunden des mittleren Reiches in Theben aus der Zeit der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) auch einen Samen von ihm fand.

Die mondförmige Bohne (Phaseolus lunatus) dagegen, die heute in Afrika fast überall zwischen den Wendekreisen angebaut wird und sich neuerdings über Indien nach China verbreitet hat, stammt zweifellos aus Südamerika, wo sie ausschließlich in Zentralbrasilien und in der Region des Amazonenstromes wild gefunden wird. Ihre Samen finden sich mehrfach unter den Grabbeigaben des Totenfeldes von Ancon in Peru. Schon vor der Ankunft der Europäer hatte sich diese Bohnenart in einer durch die Kultur großfrüchtig gewordenen Form durch ganz Süd- und Zentralamerika verbreitet und scheint dann durch portugiesische Sklavenhändler zuerst nach der Guineaküste gebracht worden zu sein, von wo aus sie sich mit der Zeit über ganz Afrika und später auch Süd- und Ostasien verbreitete. Erst vor wenigen Jahrzehnten ist endlich die mit 30–40 cm langen, hellgrünen Hülsen ausgestattete Riesenbohne (Phaseolus sesquipedalis), die ein ausgezeichnetes Gemüse liefert, aus ihrer Heimat, dem tropischen Amerika, nach Südasien und Südeuropa gebracht worden, wo sie sich zunehmender Beliebtheit erfreut.

Im warmen Afrika heimisch, wo sie in Nubien, Kordofan, Sennar und Abessinien wildwachsend angetroffen wird, ist der heute vielfach zwischen den Wendekreisen, auch in der Türkei und in Griechenland, besonders aber in Ostindien als Gemüsepflanze angebaute eßbare Eibisch (Hibiscus esculentus) oder die Gombobohne, auch ochro, von den Arabern bamia, im Sudan weka genannt. Sie hat gelbe Blüten und wird medizinisch wie unser Eibisch verwendet. Die ganz jungen Früchte werden wie Kapern eingemacht, die alten bis 8 cm langen fünfkantigen Samenkapseln dagegen werden unreif als wohlschmeckende und nahrhafte Speise ganz gekocht oder man benutzt dazu nur die unreifen, bohnenförmigen, grauen Samen, die viel Schleim enthalten und teilweise den Speisen hinzugesetzt werden. Die reifen Bohnen dagegen verwendet man zu einem beliebten, warm getrunkenen, wie Kaffee bereiteten und deshalb auch als Gombokaffee bezeichneten Getränk. Sie werden gebrannt, zerstoßen und mit heißem Wasser ausgezogen; die dadurch entstandene kaffeeartige Brühe besitzt einen sehr angenehmen, gewürzhaften Geschmack und wirkt nicht nervenerregend wie der arabische Kaffee. Die Kultur der Pflanze ist in Ägypten eine sehr alte und findet sich bereits in einem Grabe der 12. Dynastie (2000–1877 v. Chr.) in Beni Hassan dargestellt. In von der Darstellung der Rebenkulturen abweichenden Laubengängen, die dicht mit den rankenden Schossen der Pflanze überzogen sind, sind drei Arbeiter mit dem Abpflücken der charakteristisch dargestellten Schoten beschäftigt. Einer derselben, der hockt, da ihm der niedere Bogengang nicht erlaubt sich aufzurichten, wirft die Früchte in einen hohen Korb mit durchbrochenem Geflecht. Der daneben in einem höheren Bogen ganz aufrecht stehende zweite Arbeiter trägt in seiner Linken einen kleinen, viereckigen, an zwei Schnüren getragenen Korb und langt mit der Rechten nach den Früchten in das Gerank hinein. Der dritte bückt sich, um Nachsuche in den Stauden zu halten, während ein vierter Arbeiter in zwei großen, an einer Stange über der Schulter getragenen Körben die gepflückten Früchte wegträgt.

Im Mittelalter hat der arabische Gelehrte Abdul Abbas Enabati, der 1216 Ägypten bereiste, den Gombo gut beschrieben, ebenso der Venezianer Prosper Alpino (1553–1617), der ihn nach einem Aufenthalt in Ägypten in seinem Werk über ägyptische Pflanzen genau abbildete und als Bamia moschata beschrieb. Ein naher Verwandter desselben ist der Bisameibisch (Hibiscus abelmoschus), der ebenfalls in Ägypten wie überall in den Tropen, auch in Amerika, kultiviert wird. Es ist ein 2–3 m hoher, in Ostindien heimischer Strauch mit großen, gelben, im Grunde dunkelroten Blüten. Seine erbsengroßen, nierenförmigen, schwarzbraunen, in frischem Zustande stark nach Bisam (Moschus) riechenden und bitterlich schmeckenden Samen mit erhabenen braunen Rippen, die Bisam- oder Abelmoschuskörner, dienten früher als krampfstillendes Mittel; jetzt werden sie nur noch zu Parfümerien, besonders zur Herstellung des wohlriechenden zyprischen Haarpuders verwendet. Früher benutzte man sie auch, namentlich in Frankreich, zur Anfertigung von Rosenkränzen. Die Stengel dieses, wie besonders auch des zu diesem Zwecke in Indien gepflanzten Hibiscus tetraphyllus liefern juteartige Bastfasern, die als Bandakaifasern in den Handel gelangen und in Nordamerika auch zur Papierfabrikation benutzt werden.

Unter den Doldenblütlern sind Pastinak und Mohrrübe die ältesten Gemüsepflanzen, deren durch Kultur fleischig gewordene Wurzeln, wie wir sahen, schon vor mehr als 4000 Jahren von den neolithischen Pfahlbauern an den Ufern der Schweizerseen gegessen wurden. Allerdings mögen sie in jener Frühzeit noch recht bescheidene Speise dem hungernden Menschen, der sie in Kultur nahm, geboten haben; denn diese allenthalben in Europa und Nordasien wild wachsenden Pflanzen haben von Natur aus eine magere, dünne Pfahlwurzel, da eine fleischige für sie zwecklos ist. Sie sind einjährige Pflanzen, die blühen und Frucht tragen wollen. Selbst durch reichliche Ernährung und sorgfältige Pflege sind sie nicht dazu zu bringen, fleischige Wurzeln zu bilden; das tun sie nur dann, wenn man sie nicht in einem Jahre ihre Vegetationszeit vollenden läßt, so daß sie gezwungen werden zur Beendigung ihres Daseins, das in der Fruchtbildung gipfelt, für das nächste Jahr Nahrungsstoffe aufzuspeichern. Hierdurch erst schwellen die Wurzeln an und geben eine schmackhafte Kost ab. Diesen Prozeß hat man mehrfach künstlich studiert, so unter den ersten der gelehrte französische Landwirt Vilmorins vom Jahre 1832 an. Er mochte es anstellen wie er wollte, durch kein Mittel konnte er von ihm ausgesäte wilde Mohrrüben zur Verdickung ihrer Wurzel durch Aufspeichern von Reservenahrungsstoffen bringen. Erst als er sie gegen Ende Juni zum drittenmal säte, zu einer Zeit also, da die Pflanzen statt der ihnen sonst zu Gebote stehenden acht Monate nur deren zwei zu ihrem Wachstume zur Verfügung hatten, bildeten nicht alle, aber einige wenige Exemplare Reservespeicher durch Anschwellung ihrer sonst dünnen Pfahlwurzeln, um im kommenden Jahre ihren in der Fruchtbildung gipfelnden Vegetationsprozeß zu Ende zu führen. Auf diese Weise hat die Pflanze, die nur ein Jahr leben sollte, aber nicht vergehen wollte ohne Frucht getrieben zu haben, sich die Möglichkeit geschaffen, doppelt so lange zu leben. Diese paar sorgsam überwinterten Möhren beendeten ihren Vegetationsprozeß im nächsten Jahre, und unter den von ihnen erzielten Sämlingen erwies sich etwa ein Fünftel als getreue Erbinnen der mütterlichen Fähigkeiten. Die schönsten, dickwurzeligsten unter ihnen wurden ausgesucht, um zur Vermehrung verwendet zu werden. Schon in der vierten Generation war die Gewohnheit, im ersten Jahre keine Frucht zu treiben, bei der Mehrzahl der Nachkommen vorherrschend. Noch einige Generationen weiter, und der Prozentsatz der Pflanzen, die nach alter Sitte im ersten Jahre blühten, war fast gleich Null, und aus der wilden Möhre war eine Gemüsepflanze geworden, die als zweijährige in allen Fällen reichen Reservestoff in ihrer dick und fleischig gewordenen Wurzel aufspeicherte.

Was in der Gegenwart das zielbewußte Experiment, das hat in der Vergangenheit gelegentlich der Zufall gezeitigt. So sind vielfach aus unschmackhaften Wildlingen vor Tausenden von Jahren schmackhafte Gemüsepflanzen geworden. Unter ihnen hat der in manchen Gegenden angebaute Pastinak (Pastinaca sativa) eine weiße, der weißen Varietät der gelben Rübe sehr ähnliche Wurzel. Durch ihren scharfen Geruch und stark aromatischen Geschmack kann sie aber leicht von dieser unterschieden werden. Ihre Stammform ist eine bei uns auf feuchten Wiesen und an Flußufern häufig wild vorkommende einjährige Pflanze mit gelben, stark aromatisch riechenden Blüten. Bei der zweijährigen Kulturform, die 30–90 cm hoch wird, ist die Wurzel wie die der gelben Rübe zu bedeutender Mächtigkeit gebracht worden. Sie kommt bei uns nur vereinzelt auf den Markt und spielt fast mehr die Rolle eines Gewürzes, als die eines selbständigen Gemüses, wie etwa die Petersilie. Sie gedeiht am besten in tiefgründigem, lehmigem Boden und wurde wie bei den Pfahlbauern der späteren neolithischen und Bronzezeit auch bei den alten Ägyptern, die sie makmakchai nannten, angebaut; ebenso bei den Griechen, die sie elaphobóskon, d. h. Hirschfraß nannten. Diese eigentümliche Bezeichnung erklärt uns der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebende griechische Arzt Dioskurides, indem er in seinem Arzneibuch schreibt: „Der Pastinak ist eine Doldenpflanze mit zwei Finger breiten, sehr langen, zurückgebogenen und etwas rauhen Blättern. Der Stamm hat mehrere Äste, die Dolden tragen, welche denen des Dills ähnlich sind, gelbliche Blüten und Samen wie sie der Dill hat. Die Wurzel ist etwa drei Finger breit lang, einen Finger dick, weiß, süß, eßbar. Auch der junge, zarte Stamm wird als Gemüse gegessen. Man sagt, die Hirsche fräßen die Pastinakwurzel als Schutzmittel gegen Schlangenbiß und gibt deshalb zu gleichem Zwecke auch den Menschen die Samen in Wein.“ Sein Zeitgenosse, der ältere Plinius, nennt auch das elaphoboscon, daneben aber auch pastinaca, von dem er zwei Arten erwähnt. Auch im Mittelalter wurde der Pastinak in Süd- und Mitteleuropa angepflanzt. Noch vor hundert Jahren spielte er bei uns eine ziemlich große Rolle als Gemüsepflanze, bis er durch den Anbau der Kartoffel mehr und mehr eingeschränkt und in vielen Gegenden von jener völlig verdrängt wurde, obschon er einige Vorteile vor der so häufig gepflanzten Mohrrübe gewährt. Er liefert nämlich auf geeignetem Boden höhere Erträge nahrhafteren Futters, seine Kultur ist leichter und sie ist widerstandsfähiger gegen die Kälte und erträgt sogar im Freien unsere strengen Winter. Die feineren Sorten werden nur für die Küche gebaut und müssen frostfrei überwintert werden. Die Samen wurden früher medizinisch benutzt. Eine nahe verwandte zweijährige Art, Pastinaka sekakul, die in Syrien und Ägypten heimisch ist, wird sehr viel im Orient als wohlschmeckendes Wurzelgemüse angepflanzt.

Tafel 45.

Japanische Küche, in welcher teilweise Wurzelgemüse zubereitet werden.


GRÖSSERES BILD

Tafel 46.

Japanische Gemüsehändler in Tokio.


GRÖSSERES BILD

Die Mohrrübe oder Möhre, auch gelbe Rübe genannt (Daucus carota), stammt von einem bei uns auf trockenen Wiesen und an Wegrändern häufig angetroffenen einjährigen Wildling, dessen dünne, fadenförmige Wurzel von schwach aromatischem Geruch in der Kultur zu einer dicken, fleischigen Pfahlwurzel wurde. Sie ist eine zweijährige, 30–60 cm hoch werdende Doldenpflanze, die in jedem gut zubereiteten, dungkräftigen Boden, wenn er locker ist und eine sonnige Lage aufweist, gedeiht. Bei Mangel an Kalksalzen im Boden sinkt der Zuckergehalt, der bei der Speisemöhre durchschnittlich 1,58 Prozent beträgt. Bei den Futtermöhren kommt es hauptsächlich auf großen Ertrag an. Als Speisemöhren dienen die mit zarterer, zuckerreicher, aus Weiß rot oder gelb gewordener fleischiger Wurzel, die sich bei den Frankfurter Möhren allmählich zuspitzt, während sie bei den Pariser und Holländer Möhren, die wir Karotten nennen, kurz und unten rundlich abgestumpft ist und in ein feines Würzelchen ausläuft. Mit Trockenfutter gemengt, sind die Mohrrüben ein sehr gedeihliches Futter für alle Haustiere und eignen sich auch für die Mästung; auch das Kraut wird von den Rindern gern gefressen. Der gelbrote Farbstoff heißt Karotin. Aus dem Safte bereitet man einen Sirup, wie das süße Wurzelfleisch auch zu Kuchen verwendet wird. Geröstet dient es als Kaffeesurrogat. Die Mohrrübe wurde wie die gewöhnliche oder weiße Rübe nicht nur von den Griechen und Römern, sondern auch von den germanischen Völkern vor ihrem Bekanntwerden mit der römischen Kultur unter dem althochdeutschen Namen morha angebaut und gern gegessen. Allerdings mögen die von ihnen kultivierten Sorten keine besonderen Vorzüge vor denen anderer Völker gehabt haben. Wenn nun Plinius berichtet, daß sich der Kaiser Tiberius, der von 14–37 n. Chr. regierte, seine Mohrrüben alljährlich von Germanien kommen ließ und der Rettich in Germanien die Größe „neugeborener Kinder“ erreichte, so ist nicht etwa an einheimische Möhren und Rettiche zu denken, die von den Germanen selbst kultiviert worden wären, sondern handelt es sich dabei jedenfalls um eingeführte römische Sorten, die in den Militärkolonien am Rhein gezogen wurden und unter dem kühleren Himmel Germaniens besonders gut gediehen. Karl der Große empfahl sie als carruca seinen Franken zur Kultur und ließ sie auf seinen Gütern bauen. Erst im Mittelalter ist dann diese Gemüsepflanze in Mitteleuropa recht heimisch geworden und wurde in großem Maße angepflanzt. Schon am Anfang des 17. Jahrhunderts hatte man eine weiße und gelbe Varietät, und seither sind zahlreiche neue Arten gezüchtet worden.

Ebenso beliebt wie die Möhre war bei den alten Römern die Zuckerwurzel (Sium sisarum), die zu derselben Familie der Umbelliferen wie jene gehört und in Ostasien, speziell China, einheimisch sein soll. Jedenfalls gelangte sie von Asien zuerst nach den Mittelmeerländern, wo sie im Altertum ziemlich häufig angebaut worden zu sein scheint. Die Griechen nannten sie sísaron und die Römer, die sie von jenen durch deren unteritalische Kolonien kennen lernten, siser. Der griechische Arzt Dioskurides sagt um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.: „Die Zuckerwurzel (sísaron) ist allgemein bekannt. Die Wurzel schmeckt gekocht gut, bekommt dem Magen vortrefflich und vermehrt den Appetit.“ Ein Zeitgenosse, der Römer Columella, rät die Zuckerwurzel (siser) im August auf tief umgegrabenen, gedüngten Boden zu säen und so wenig als möglich zu versetzen, damit sie besser wachse. Und Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Die Zuckerwurzel (siser) hat Kaiser Tiberius dadurch zu Ehren gebracht, daß er sie alle Jahre aus Germanien kommen ließ. Gelduba heißt ein am Rhein gelegenes Kastell, bei dem die Zuckerwurzel in bester Sorte wächst. Man ersieht daraus, daß sie sich für kalte Länder eignet. Im Inneren der Wurzel befindet sich ein Strang, den man bei gekochten herauszieht, der aber immer noch einen großen Teil seiner Bitterkeit zurückläßt, die man jedoch durch Honig dämpft und so in Wohlgeschmack verwandelt.“ Die infolge des großen Zuckerreichtums von 4,5 Prozent sehr süße und zugleich gewürzhaft schmeckende Wurzel wird heute noch als sisaro in Italien, wie auch bei uns als schmackhaftes, nahrhaftes und leicht verdauliches Gemüse angepflanzt. Sehr nahe mit ihr verwandt ist die ausschließlich in China als Gemüse und geschätzte Arznei angepflanzte Ninsiwurzel (Siser ninsing), die früher als „indianische Kraftwurzel“ auch bei uns offizinell war und für das beste Surrogat der kostbaren chinesischen Ginsengwurzel (von der Umbellifere Panax ginseng) galt, die in den Gebirgen ihrer Heimat wächst und bei den Chinesen als eine der geschätztesten Arzneipflanzen gilt und deshalb von Linné Panax, d. h. Allheilkraut genannt wurde. Die Chinesen verwenden sie gegen Nervenschwäche, Erschöpfung und Schwächezustände aller Art; deshalb wird sie von ihnen auch allen Arzneien als Panazee zugesetzt. 1610 kam sie unter dem Namen Pentsao durch die Holländer nach Europa und wurde auch hier häufig angewandt. Am meisten geschätzt wird der Ginseng der Tartarei.

Der mit den Kohlarten, den Rüben und dem Senf nahe verwandte Rettich (Raphanus sativus) ist, in gleicher Weise wie Pastinak, Möhre und Zuckerwurzel aus einheimischen Wildlingen hervorgingen, aus dem als Ackerunkraut bei uns häufigen Hederich (Raphanus raphanistrum) hervorgegangen. Außer seiner fleischigen Wurzel ist er von ihm eigentlich nur durch die gleichmäßig verlaufende, glatte Hülse ausgezeichnet, die beim Hederich noch perlschnurartig eingeschnürt ist. Diese Pflanze mit violetten Blüten und walzenrunden Hülsen mit braunschwarzen, runden Samen ist wahrscheinlich in Westasien zwischen dem armenischen Hochland und Syrien zur Kulturpflanze erhoben worden und wird seit dem Altertum im ganzen Mittelmeergebiet in mehreren Varietäten kultiviert. Er gedeiht besonders gut auf gedüngtem, kalkhaltigem Boden und bedarf ziemlicher Wärme und reichlicher Wasserzufuhr. Auf dem mit ihm bepflanzten Lande wechselt man meist mit Salat und Sellerie ab.

Vom Gartenrettich (Raphanus sativus rapiferus) mit großer, weißfleischiger, außen verschieden, weiß bis gelb und braun, rötlich oder violett gefärbter Knollenwurzel von meist scharfem Geschmack unterscheidet man zweijährigen Winter- und einjährigen Sommerrettich. Der erstere bildet die ursprüngliche Art, die erst im nächstfolgenden Frühjahr zum Samentragen angepflanzt wird, wobei die in der Wurzel aufgespeicherten Nährstoffe zur Blüten- und Samenbildung aufgebraucht werden. Er hält sich auch den ganzen Winter hindurch, während der aus ihm hervorgegangene Sommerrettich schon um Weihnachten den Geschmack verliert. Die Wurzel verdankt ihren scharfen Geschmack einem schwefelhaltigen ätherischen Öle.

Weil er den Appetit und die Verdauung anregt, wurde der Gartenrettich schon von den alten Ägyptern, die ihn nun nannten, angepflanzt. Der älteste griechische Geschichtschreiber, Herodot von Halikarnassos, im dorischen Teil der kleinasiatischen Küste zwischen Milet und Rhodos (484–424 v. Chr.), der Ägypten und Vorderasien bereiste, meldet uns, daß Rettiche neben Zwiebelgewächsen als Beikost den Fronarbeitern beim Bau der Pyramide des Cheops (Chufu, um 2900 v. Chr.) in großer Menge verabreicht wurden, wie noch zu seiner Zeit daran zu lesen gewesen sei. Und der römische Naturkundige, der ältere Plinius (23–79 n. Chr.), schreibt in seiner Naturgeschichte: „In Ägypten wird der Rettich sehr geschätzt, weil man aus den Samen ein reichliches Öl gewinnt. Wenn es die Umstände irgend gestatten, säen die Ägypter lieber Rettiche als andere Früchte; denn sie ziehen davon mehr Gewinn als vom Getreide und geben weniger Abgaben davon.“ Auf den altägyptischen Denkmälern des mittleren Reiches, so in verschiedenen Gräbern der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) von Beni Hassan, finden wir ihn abgebildet, entweder beblättert — so in einem Korb mit Zwiebeln — oder unbeblättert. Letzteres ist bei einer Darstellung an den Wänden des Tempels von Karnak der Fall, wo wir zwei deutlich als solche charakterisierte Rettichwurzelknollen zwischen anderen Opfergaben abgebildet finden.

Bei den Griechen und Römern war dieses Knollengewächs als Zukost zu Brot oder Fladen sehr beliebt. Die Griechen nannten ihn raphanís und die Römer armoracea, welch letztere Bezeichnung später irrtümlicherweise von den älteren deutschen Botanikern auf den den Alten nicht bekannten Meerrettich bezogen und deshalb diesem verliehen wurde. Er wurde in mehreren Sorten in den Gärten gezogen. Schon der griechische Pflanzenkundige Theophrast unterschied in der zweiten Hälfte des 4. vorchristlichen Jahrhunderts vier Rettichsorten. Der korinthische wachse am stärksten und bilde seine Wurzelknollen über der Erde, statt wie die übrigen in derselben. Der liothasische, auch thrakische genannt, sei am unempfindlichsten gegen die Winterkälte. Der böotische aber schmecke am besten, er sei rund; der kleonäische dagegen lang ausgezogen. Je glatter die Blätter, desto lieblicher, je rauher aber, desto schärfer sei der Geschmack dieses Wurzelgemüses. Wie der römische Naturforscher Plinius (23–79 n. Chr.), so sagt auch der griechische Arzt Dioskurides (131–200 n. Chr.), daß die Wurzelknolle des Rettichs mit Salz oder Essig verspeist werde, und daß arme Leute auch das Kraut als Gemüse kochen. Nach Plinius soll der Rettichwurzel durch das Kochen die Schärfe genommen werden. So werde sie milder und könne wie Kohlrüben (napus) gegessen werden. Sein Saft, der ja noch heute mit Zucker gegen Husten genommen wird, sei für die Brust heilsam. Im Tempel zu Delphi habe man dem Apollo einen Rettich von Gold, eine Runkelrübe von Silber und eine Rübe von Blei als Weihgeschenk dargebracht. „Daraus sieht man, daß unser Feldherr Manius Curius nicht in Delphi geboren ist, denn er saß, wie die Jahrbücher erzählen, an seinem Herde und war damit beschäftigt, Rüben zu braten, als Gesandte der Samniten kamen und ihm Gold boten, das er aber zurückwies.“ Derselbe Autor sagt, der Grieche Moschion habe ein besonderes Werk über den Rettich geschrieben. Er soll im Winter am gesündesten zu essen sein und stoße weniger auf, wenn man hinterher reife Oliven esse. Der Weinstock scheue sich vor dem Rettich und ziehe sich vor ihm zurück, wenn er neben ihm stehe. Daß die Völker nördlich der Alpen den Rettich von den Römern kennen lernten, beweist schon das deutsche Radi und Radieschen wie Rettich, ebenso das französische radis und englische radish, das vom lateinischen radix (Wurzel), der vulgär-römischen Bezeichnung dieser Wurzelknolle, herrührt. Erst seit dem Mittelalter, da Karl der Große sie auf seinen Gütern anpflanzen ließ, hat sie bei den Germanen und später auch bei den Slawen weitere Verbreitung gefunden.

Außer dem Gartenrettich kannten die Kulturvölker am Mittelmeer wohl bereits im Altertum die Radieschen (Raphanus sativus radicula) oder Monatsrettiche mit kleiner, kugeliger oder rübenförmiger Knollenwurzel und roter, violetter oder weißer Schale. Sie sind einjährig und werden in mehreren Varietäten in Glashäusern, in Mistbeeten oder im Freien gepflanzt. Diese stammen nicht vom einheimischen Hederich, sondern von einer anderen, in Westasien wildwachsenden Art. Aus Zentralasien dagegen stammt der Ölrettich (Raphanus sativus oleiferus) mit kleiner, holziger Wurzel, aber ölreichen Samen, der der Stammform am nächsten steht und besonders in China angepflanzt wird. Er liefert als Sommerfrucht fast denselben Ertrag wie der Winterraps, nur erfordert die Kultur mehr Umsicht als diejenige des Rübsens, ist aber sicherer. Das von ihm gewonnene Öl ist nicht ganz so gut wie Rüböl; das Stroh ist härter als Rübsenstroh, aber die Schoten sind als Viehfutter nahrhafter als jenes. Von solcher Verwendung der Rettiche im alten Ägypten war bereits die Rede. Ein ostasiatischer Ölrettich ist der in Japan heimische geschwänzte Rettich (Rhaphanus caudatus), der dort wegen seiner langen, genießbaren und sehr wohlschmeckenden Samenschoten im großen angebaut wird und teilweise auch schon in unseren Gärten Eingang gefunden hat.

Ein ähnliches, schwefelhaltiges, ätherisches Öl wie die Rettiche besitzt der Meerrettich (Cochlearia armoracea), eine mit den Rettichen sehr nahe verwandte, ausdauernde Kruzifere. Sie liebt Lehmboden, wird 60–90 cm hoch, trägt weiße Blüten und elliptische Schötchen; doch reifen an der Kulturform fast niemals Früchte. Sie wird wegen des unterirdischen Wurzelstocks gezogen, der bei der wilden Stammform wie auch bei der wiederum verwilderten Form nur dünn und holzig ist, während er bei der Kulturform dick und fleischig wurde, und ist in Ost- und Südrußland heimisch, wird aber verwildert durch ganz Europa und neuerdings auch in Nordamerika an Flußufern gefunden. Auf ihrer Wanderung nach Westen hat sie ihren russischen Namen Chren weithin bewahrt; so findet er sich in allen slawischen Sprachen wieder. Auch in Wien ist der Kren genannte Meerrettich gerade so populär wie die saure Gurke in Berlin. Im westlichen Frankreich pflegte man ihn früher moutarde des allemands zu nennen. Früher benutzte man ihn auch arzneilich. Sein deutscher Name Meerrettich hat mit dem Meer durchaus nichts zu tun und sollte Mährrettich, in der Bedeutung von Pferderettich, geschrieben werden. Jedenfalls ist seine Ableitung durch Verballhornung aus der mittellateinischen botanischen Bezeichnung armoracea, wie sie von manchen Botanikern erklärt wird, durchaus falsch.

Von den Römern haben die Mitteleuropäer die weiße Rübe, auch Stoppelrübe — weil sie meist im Herbst auf den Stoppeln gebaut wird — oder Turnips genannt (Brassica rapa rapifera), kennen gelernt. Dabei wurde aus dem lateinischen rapa das althochdeutsche raba und ruoba. Sie ging aus der wilden Rübe hervor, deren ursprünglich spindelförmige, dünne Wurzel durch Kultur fleischig wurde und eine mächtige Entfaltung erlangte, und bildete schon bei den Römern neben der menschlichen Nahrung ein wichtiges Viehfutter. Sie wurde nach Columella, dem in Gades in Spanien geborenen römischen Ackerbauschriftsteller im 1. Jahrhundert n. Chr., zweimal im Jahr, und zwar zu denselben Zeiten wie der Rettich, am besten aber im August, gesät. Er sagt, sie gebe dem Menschen und dem Vieh Nahrung und werde besonders in Gallien in bedeutender Menge als Viehfutter angebaut. Er gibt genau an, wie sie in Salz eingemacht werden soll. Doch die beiden Ärzte Galenos und Dioskurides sind, wie wir heute noch, der Ansicht, daß sie sehr wenig nahrhaft sei und blähe. Ersterer sagt, man müsse sie zweimal kochen, wenn sie einem gut bekommen soll. Karl der Große empfahl sie den Franken zum Anbau. Bei allen Germanenstämmen spielte sie das ganze Mittelalter hindurch eine wichtige Rolle neben dem als krût, d. h. Kraut bezeichneten, ebenfalls mit Vorliebe in Salz eingemachten Kohl. So neckt der Begründer der höfischen Dorfpoesie, der Minnesänger Neidhart von Reuenthal, der zwischen 1210 und 1240 dichtete, in einem uns erhaltenen Poem seine bäuerliche Geliebte mit ihrer Vorliebe für Rüben. Mit ihrem Kraut klein gehackt, gedämpft und mit Speck gekocht, waren sie als rüebekrût ein gebräuchliches Klosteressen. Eine besonders wohlschmeckende Abart mit verhältnismäßig langer, aber dünn bleibender Wurzel bilden die Teltower oder märkischen Rüben, so genannt nach der Stadt Teltow in der Mark Brandenburg, in deren Umgebung sie zuerst im großen gezüchtet wurden und die noch heute Berlin und das Land weithin mit ihren Erzeugnissen versorgt.

Von den Kulturvölkern des Altertums wurde auch die Runkelrübe (beta), von uns auch Rübenmangold genannt (Beta vulgaris), nicht nur vom Vieh, sondern auch von den Menschen gern gegessen. Sie ist im Mittelmeergebiet und in Westasien heimisch und wurde, wie aus einer Abbildung in einem Grabe der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) von Beni Hassan bei Theben hervorgeht, in Ägypten schon zur Zeit des mittleren Reiches kultiviert. Da sehen wir einen Mann im Lendenschurz, wie ihn alle Arbeiter im Niltal damals trugen, ein großes, knolliges Gewächs in Gestalt einer Runkelrübe zu einem Bündel von askalonischen Zwiebeln auf ein großes Tragbrett legen. Heute noch wird sie in mehreren Varietäten im Niltal kultiviert. Auch die Griechen und Römer bauten sie als Gemüse an. Plinius sagt, man säe sie im Frühling und Herbst und esse sie mit Linsen und Saubohnen, setze auch, um ihren matten Geschmack zu verbessern, Senf hinzu. Die Ärzte hätten übrigens die Meinung aufgestellt, sie sei weniger zuträglich als Kohl, und manche wollten sie nicht essen und behaupteten, sie seien eine Speise, die nur Starken gut bekomme. Sie wachse meist als aus der Erde hervorragende Rübe und sei um so schöner, je breiter sie werde. Man könne sie dadurch breit machen, daß man etwas Schweres auf sie legt, sobald sie anfängt sich zu färben. In günstigem Boden wie bei Circeji könne sie zwei Fuß breit werden.

Die zweijährige Pflanze stammt bestimmt von einer an den Küsten Europas bis nach der Nordsee verbreiteten Meldenart mit dünner Pfahlwurzel, Beta maritima, und bildet im ersten Jahr die Rübe aus, die im September oder Oktober reift. Nur etwa 1 Prozent der Pflanzen entwickelt wie die wilde Form schon im ersten Jahr einen Stengel, treibt Blüten und reift den Samen, und zwar wird dieser Rückfall in frühere Zustände nachgewiesenermaßen durch die Nachtfröste des Frühjahrs ausgelöst. Die zur Samenzucht auserlesenen Rüben werden im zweiten Jahre wieder ausgepflanzt, aber auch unter diesen kommen Abweichungen vor, Trotzer, die im zweiten Jahre noch nicht blühen und ein drittes Jahr leben möchten. Die meist aus dem Boden hervorwachsenden Rüben gedeihen noch überall, wo Wintergetreide gebaut werden kann. Die gewöhnlichste Vorfrucht vor ihrem Anbau ist gedüngtes Wintergetreide oder Gerste, die Nachfrucht Sommergetreide oder Hülsenfrüchte. Die eiweißreichsten Formen sind die Futterrunkelrüben, die zuckerreichsten, deren Zuckergehalt man bis 10 und 18 Prozent getrieben hat, sind die zur Rübenzuckerfabrikation verwendeten Zuckerrüben und die mit dünner Schale, zartem Fleisch und purpurrotem Saft versehenen Salatrunkeln oder roten Rüben, in Süddeutschland Rahnen genannt, werden als Salatpflanzen kultiviert, um gekocht und in Essig eingelegt oder frisch als Suppe — in Norddeutschland als Betensuppe, in Rußland als Borschtsch — gegessen zu werden. In bezug auf Nährwert stehen die Runkelrüben zu weißen Rüben wie 9 : 16, zu Kohlrüben wie 11 : 9 und zu Kartoffeln wie 40–46 : 20.

Mit anderen kräftigen Futterarten zusammen geben sie ein vortreffliches Mastfutter, haben aber leider wie alle hochkultivierten Nutzpflanzen unter zahlreichen tierischen und namentlich pflanzlichen Feinden zu leiden. Bei den Zuckerrüben tritt z. B. häufig ein als Rübenmüdigkeit bezeichneter plötzlicher Stillstand im Wachstum ein, der dadurch hervorgerufen wird, daß ein kleiner Fadenwurm, das Rübenälchen (Heterodera schachtii und H. radicicola) an den Wurzelfasern der Rüben saugt. Man bekämpft diese Krankheit durch mehrmaligen Anbau von Fangpflanzen wie Rübsen und Raps, die man nach etwa vier Wochen, sobald sich die Einwanderung der Fadenwürmer mikroskopisch nachweisen läßt, durch Herauspflügen zerstört, wobei dann die Würmchen zum größten Teil absterben.

Die Runkelrübe wird auch als Mangold oder römischer Spinat (Beta cicla) auf Blattsubstanz kultiviert; dabei hat sie eine kaum fleischige Wurzel, aber stärker entwickelte Blattstiele von grünweißer, gelber oder roter Farbe. Man genießt die Blätter als Spinat und die fleischigen Blattstiele und mittelsten Blattrippen gedämpft und an Süßbuttersauce wie Spargel. Schon die alten Griechen bauten ihn, wie jetzt die Perser und Inder, als Gemüse an. Der attische Lustspieldichter Aristophanes (455–387 v. Chr.) wirft dem großen Euripides vor, seine Mutter sei eine Gemüsehändlerin gewesen und habe Mangold auf den Markt gebracht. Die Römer kannten zwei Abarten davon. Karl der Große empfahl auf seinen Gütern den Anbau von beta’s. Von da an verbreitete sich die Kultur des Mangolds nach und nach durch ganz Europa und gelangte im 17. Jahrhundert auch nach Nordamerika.

Durch eine ganz außerordentliche Fülle von Kulturformen, nämlich etwa 120, ist der Gartenkohl (Brassica oleracea) ausgezeichnet, dessen Stammpflanze, der Saatkohl, auf den felsigen Küsten Europas vom Strande Norditaliens bis nach Helgoland und der dänischen Insel Laland, auch im südlichen England und Irland wild wächst. Schon in vorgeschichtlicher Zeit ist dieser Wildling von irgend welchen Küstenbewohnern Europas angepflanzt und durch Kulturauslese zur Kulturpflanze erhoben worden, wie die Stämme im Innern die Melde (Chenopodium) anpflanzten, so daß schon zur jüngsten Steinzeit nicht bloß die Blätter, sondern auch die Samen derselben, die nach dem Botaniker Oswald Heer zu den häufigsten Vorkommnissen im neolithischen Pfahlbau von Robenhausen gehören, gegessen wurden. Letzteres geschieht auch heute noch zu Zeiten von Hungersnot in Südrußland als Ersatz für das fehlende Brot, indem die Samen, zu einem Teig verbacken, gegessen werden.

Die ältesten Ägypter haben den Kohl nicht gekannt. Erst die Griechen, die sich seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert in einigen Küstenstädten zu Handelszwecken niedergelassen hatten, brachten ihn ins Land, wo er unter der griechischen Bezeichnung krámbē hie und da angebaut wurde. So finden wir Überreste von ihm unter den Totenbeigaben der griechisch-römischen Nekropole von Hawara im Fajûm. Die Griechen scheinen den Kohl so hoch wie die Rüben geschätzt zu haben. Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert unterscheidet drei Arten von Kohl: den krausblätterigen, den glattblätterigen und den wilden, und der vier Jahrhunderte nach ihm lebende griechische Arzt Dioskurides aus Kilikien sagt: „Der Kohl ist gesünder, wenn er nur warm gemacht, als wenn er eigentlich gekocht oder gar zweimal gekocht wird. Er wird auch als Arznei zu mancherlei Kuren verwendet.“

In noch höherem Ansehen als bei den Griechen stand der Kohl bei den Römern, bei denen er brassica hieß. Auch sie scheinen ihn wie die Griechen mit Vorliebe roh gegessen zu haben. Schon der ältere Cato (234–149 v. Chr.), der unversöhnliche Gegner des wiederaufblühenden Karthago, preist ihn geradezu als das beste Gemüse. Er sagt von ihm: „Der Kohl ist das allerbeste Gemüse. Iß ihn roh oder gekocht. Willst du ihn roh essen, so tauche ihn in Essig; dann ist er der Verdauung förderlich und gesund. Etwas Kohl mit Essig vor der Mahlzeit und wieder etwas nach der Mahlzeit genossen, tut wohl. Gekochter Kohl dient mit Zusätzen vielfach als Arznei. Als Speise für Kranke wird er erst eine Zeitlang in Wasser gelegt, dann darin in einem Topfe tüchtig gekocht. Darauf wird das Wasser abgegossen, Olivenöl, etwas Salz, Kreuzkümmel und Mehl hinzugetan und wieder tüchtig gekocht.“ Mit diesem Kohlgemüse behandelte er, wie jeder andere pater familias — unter der Familie wurden bei den alten Römern nicht bloß die Angehörigen, sondern auch das aus leibeigenen Sklaven bestehende Gesinde verstanden — der guten, alten Zeit die Seinigen in Krankheitsfällen.

Der aus Spanien um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts nach Rom gezogene Ackerbauschriftsteller Columella zählt den Kohl mit dem Salat, der Kresse, der Zuckerwurzel, dem Pastinak, der Artischocke und den Küchenkräutern Koriander, Kerbel, Dill zu den Gemüsen, die sowohl im Herbst als im Frühjahr gesät werden können. Besser aber sei es, dies im Frühjahr, und zwar im Februar zu tun. „Hat die junge Kohlpflanze Blätter getrieben und soll versetzt werden, so bestreicht man ihre Wurzel mit flüssigem Mist und legt drei Streifen von Seetang darum, ehe man sie einpflanzt. Dadurch wird bewirkt, daß später die Blätter beim Kochen, auch ohne Zusatz von Soda, grün bleiben. In kalten Gegenden und in solchen, in denen es oft regnet, verpflanzt man den Kohl am besten um die Mitte von April. Ist die Pflanze eingesetzt und hat Wurzel gefaßt, so wächst sie um so kräftiger und bildet um so größere Blätter und Sprosse, je öfter man sie behackt und bedüngt.“

Man schnitt vom Kohl den ganzen Sommer und Herbst über die Blätter ab, um sie, roh oder gekocht, als Speise zu genießen. Als besonders wohlschmeckend und zart galten nach Plinius (23–73 n. Chr.) die jungen Sprosse. Dieser Gelehrte ist in seiner Naturgeschichte ungehalten darüber, daß die Genußsucht unter seinen Landsleuten immer weitere Kreise erfaßt habe und sie sich nicht mit den Speisen der biedern, tapfern Vorfahren, vor allem auch mit dem Kohl, den jene mit Vorliebe gegessen hätten, begnügen wollen. Er schreibt darüber: „Der Kohl, den die Griechen nicht sonderlich schätzen, spielte bei den Römern eine sehr bedeutende Rolle, und dessen medizinische Eigenschaften hielt Cato für sehr wichtig. Man sät, pflanzt und schneidet ihn das ganze Jahr. Nach dem Frühjahrsschnitt treibt er gleich wieder und diese Triebe sind noch wohlschmeckender und zarter als die Blätter. — Dem Schwelger Apicius und dem von ihm verleiteten Prinzen Drusus (dem jüngeren Bruder des Kaisers Tiberius, geboren 38 v. Chr., unterwarf im Jahre 15 v. Chr. Rätien, drang in drei Feldzügen in den Jahren 12–9 v. Chr. vom Rhein her tief nach Germanien ein und starb auf dem Rückzug infolge eines Sturzes vom Pferd) schmeckte der Kohl nicht und deshalb bekam er Vorwürfe von seinem Vater Tiberius Claudius Nero.“

Plinius, der uns solches berichtet, fährt dann fort: „Statt sich mit der einfachen Lebensweise unserer Vorfahren zu begnügen und sich aus den eigenen Gemüsegärten die für den Unterhalt nötige Speise zu holen, hält man es jetzt für klüger, mit Gefahr des Schiffbruchs und des Ertrinkens in die Tiefe des Meeres zu tauchen, um dort Austern aufzusuchen, Geflügel jenseits des verrufenen Phasisflusses zu holen (jetzt Rioni genannter Fluß in dem durch die Giftmischerin Medea berüchtigten Kolchis, nach dem die giftige Herbstzeitlose Colchicum genannt wurde, während die hier gemeinten Vögel die von dort bezogenen, nach dem Phasisflusse als phasiani sc. galli, d. h. Hühner von Phasis, genannten Fasanen sind) und anderes Geflügel (nämlich Perlhühner, von den Römern numidae aves, d. h. numidische Vögel genannt) aus Numidien (etwa dem heutigen Algerien entsprechendes Königreich, das seit 49 v. Chr. römische Provinz war) und von den Gräbern der Neger, oder mit Raubtieren zu kämpfen und sich von Bestien fressen zu lassen, die man zur Speise für andere Leute fangen wollte (bezieht sich wohl auf die Bären, deren Fleisch auch die Römer gern aßen). In unserer Zeit hat die Schwelgerei alles aufs äußerste gesteigert: Der Reiche will bessere Früchte essen als der Arme, er will Weine trinken, die wuchsen, ehe er lebte, er will von vielen Feldfrüchten nur das Mark genießen, er will anderes Brot essen als das Volk, und das Getreide wird in allen Schichten der Gesellschaft, bis zum ganz gemeinen Mann hinab, verschieden zubereitet. Auch in Gemüsen macht man einen Unterschied, selbst in solchen, die man für ein As (Kupfergeld im Werte von 4 Pfennigen) kauft. Mancher Stengelkohl (caulis) wird jetzt so groß gezogen, daß ihn der Mittelstand nicht gebrauchen kann, weil er für seinen Tisch zu groß ist. Den Spargel (corruda) läßt die Natur wild wachsen, damit ihn jeder nach Belieben stechen kann. Jetzt aber stellt man künstlich gezogenen Spargel (asparagus) zur Schau und in Ravenna wiegen drei Stück davon zusammen ein Pfund. Solche Ungeheuer werden für den Bauch gezogen! Wollte jemand dem Vieh verbieten, Disteln zu fressen, so klänge das sonderbar; es gibt aber Disteln (gemeint sind die Artischocken), deren Genuß sich für arme Leute von selbst verbietet, weil sie zu teuer sind. Selbst im Wasser liegt ein Unterschied. Der Reiche trinkt im Sommer Schnee oder Eis und läßt sich Dinge wohl schmecken, die den Gebirgen lästig sind.“

Von den verschiedenen, im alten Rom verzehrten Kohlsorten erwähnt Plinius den Tritianer oder Stengelkohl, der stets bis zur Spitze mit Erde behäufelt wurde, so daß sich am Strunk keine Blätter bildeten. Weil man von ihm nur die zarten, weißen Stengel aß, hieß diese Sorte insbesondere caulis (d. h. Stengel). Beim Cumaner schlossen die Blätter den Strunk ein und es bildete sich ein breiter Kopf; besonders große Köpfe (caput) bildete der aus dem aricischen Tale stammende Lacuturrische, so genannt, weil dort ein See mit einem Turm am Ufer steht. Der Aricische wuchs nicht hoch und hatte zahlreiche, zarte Blätter; man hielt diese Sorte für die beste, weil sie neben jedem Blatte besondere Sprosse ausbildete. Schlanker war der Pompejaner, dessen Blätter schmäler waren und lockerer standen. Einen dünnen Strunk und große Blätter von scharfem Geschmack besaß der Bruttische, während diejenigen des Sabellischen wunderlich kraus waren. Die an der Meeresküste wachsende Kohlart halmyridion (wohl der Meerkohl Crambe maritima) aber wurde besonders auf lange Meeresreisen mitgenommen, weil er sich, in leere Ölkrüge möglichst luftdicht eingepreßt, sehr lange grün erhielt. Alle diese Sorten Kohl wurden nach Plinius durch einen Reif viel wohlschmeckender.

Sauerkraut haben die alten Römer und Griechen noch nicht gekannt. Bei ihnen konservierte man den Kohl auf andere Weise. Des Plinius Zeitgenosse Columella berichtet uns darüber folgendes: „Gegen die Zeit der Weinernte macht man verschiedene Kräuter ein, wie Portulak und später Kohl, den einige auch zahme battis nennen. Diese Kräuter werden sorgfältig gereinigt und im Schatten ausgebreitet. Am dritten Tage wird Salz auf den Boden der Tonkrüge, in denen sie aufbewahrt werden sollen, gestreut, dann wird jedes der genannten Kräuter für sich hineingelegt, Essig darüber gegossen und Salz aufgestreut. Salzlake darf man für diese Kräuter nicht in Anwendung bringen.“

So wenig als die Gartenmelde ist der Kohl von den germanischen Stämmen des Altertums angepflanzt worden, sondern sie lernten ihn von den Römern kennen, wobei sie aus dem lateinischen caulis, d. h. Stengel, ihre Bezeichnung Kohl für ihn bildeten. Besonders durch die Vermittlung der Klostergärten ist dieses Gemüse im frühen Mittelalter in den Ländern nördlich der Alpen populär gemacht worden, wobei von den verschiedenen von den Römern übernommenen Kulturvarietäten des Kohls besonders auch der Kopfkohl, althochdeutsch chapuz — vom mittellateinischen caputium (Kopf), mittelhochdeutsch kabez und neuhochdeutsch kabis — viel angebaut wurde. Das ganze Mittelalter hindurch war er ein äußerst beliebtes Volksgericht, was schon dadurch bezeugt wird, daß nach altem Brauch die Pflanzplätze für Gemüse einfach nach der vorzugsweise angebauten Krautart Kohlgärten hießen. Ein Calendarium des 14. Jahrhunderts sagt, Kohl essen dürfe man das ganze Jahr, nur im Dezember nicht, und ein Samländer, dem die preußischen Ordensritter ihre Burg zu Balga zeigten und der sie dort Kohl essen sah, riet seinen Landsleuten, die Ritter nicht anzugreifen; denn wer könne einem Volke widerstehen, das so genügsam sei und Gras als Speise verwende.

Die von uns heute besonders angepflanzten Kohlsorten sind: 1. der Blattkohl, der der Stammform am nächsten steht, mit flacher, von ausgebreiteten Blättern gebildeter, selten etwas aufgerichteter Rosette an hohem Stengel; 2. der Winterkohl mit hohem Stengel und flachen, mehr oder weniger zerschlitzten, krausen Blättern, die sich nicht zu einem Kopfe schließen; 3. der Rosenkohl, der dem vorigen an Wuchs ähnlich ist und ebenfalls einen hohen Stengel bildet, an dessen Spitze sich ein halbgeschlossener Kopf mit blasigen Blättern befindet; aus den Achseln der unteren Blätter aber, die beizeiten abgestoßen werden, wachsen zu kleinen, dicht geschlossenen Köpfchen werdende Seitenknospen hervor, die zu Winterbeginn ein feines Gemüse abgeben. Vielfach werden die ausgerissenen Stengel mit Wurzelballen an einem frostfreien Orte, mit Laub bedeckt, aufbewahrt, damit die „Rosen“ bleicher und zarter werden; 4. der Wirsing mit blasigen, krausen Blättern, die sich zu einem Kopfe schließen. Diese Abart heißt auch Welschkohl, weil sie zuerst in Südeuropa kultiviert wurde und von dort wahrscheinlich erst im 17. Jahrhundert mit andern Gemüsen bei uns eingeführt wurde; 5. der Kopfkohl oder Kabis, schlechthin als Kraut bezeichnet, mit ebenfalls gedrängtem Wuchs, an dem nur die äußeren Blätter locker auseinander treten, während die nun meist völlig glatt gewordenen inneren einen festgeschlossenen Kopf bilden. Man unterscheidet Früh- und Spätkraut, wie auch Weiß- und Rotkraut, bei welch letzterem die gleichfalls zu einem runden Kopfe geschlossenen Blätter durch einen intensiven Farbstoff rot bis violett gefärbt sind. Während der Rotkohl dünn gehobelt als Gemüse gekocht und als Salat mit Essig und Öl, Salz, Pfeffer und Senf roh gegessen wird, wird der Weißkohl, wie auch das Filderkraut mit länglichem, weißem Kopfe, gehobelt und, mit Salz und Dill oder Wacholderbeeren bestreut, in Tonnen eingelegt, wobei sich eine durch den Milchsäurebazillus eingeleitete Gärung vollzieht und Sauerkraut entsteht. Dieses mit Recht als Nationalspeise der Deutschen bezeichnete Gericht kam erst im Mittelalter als eine Entlehnung von den Slawen, die heute noch die Hauptsauerkrautesser sind, zu den Deutschen, die es bis heute noch nicht recht an die Franzosen weiterzugeben vermochten. Wie der römische Ackerbauschriftsteller Columella im 1. Jahrhundert n. Chr. angibt, machten die Römer zwar auch Kohl ein, aber in ganzen Köpfen mit Salz überstreut und Essig übergossen. Diese als compositum — woraus dann das mittelhochdeutsche kumpost hervorging bezeichnete Kohlkonserve wurde als römisches Erbe in den Klöstern des frühen Mittelalters hergestellt, fand aber keinen Eingang beim Volke. Erst das slawische Verfahren der Sauerkrautbereitung hat dann wenigstens in Deutschland allgemeine Verbreitung gefunden.

Während wir das Sauerkraut nur als Gemüse zu Kartoffeln oder Erbsen mit Schweinefleisch essen, verzehren es die Russen häufig in der Suppe. Es ist ein Bestandteil der zwei russischen Nationalsuppen, Borschtsch und Schtschi genannt. Beides sind mit einem Stück gekochtem Rindfleisch und viel Gemüse hergestellte Fleischbrühen. Erstere enthält außer Weißkohl hauptsächlich rote Rüben und Tomaten, die sie ganz rot färben, letztere dagegen vorzugsweise Spinat oder Sauerampfer, die ihr eine grüne Farbe verleihen. Zu beiden wird in verhältnismäßig großen Töpfen säuerlicher Rahm genossen. Überhaupt ist der Kohl in der verschiedensten Zubereitung ein Hauptnahrungsmittel der niederen Bevölkerung Rußlands wie bei uns die Kartoffel, und wird in gewaltigen Mengen angepflanzt. Auch das Militär pflanzt seinen eigenen Kohl; jede Truppeneinheit bekommt ihr besonderes Kulturfeld, und diejenige Kompagnie, die den besten Kohl erzielt hat, wird vom Kommando ausgezeichnet.

Alles Kraut, auch das Sauerkraut, will nach schon altrömischer Gewohnheit reichlich mit Fett, Speck oder Schmalz gekocht sein. Wie einst in Italien und dann im Mittelalter bei uns sind heute noch Kohlsuppen und Kohlgemüse durch ganz Europa in fast allen Gesellschaftskreisen beliebt. Er ist auch ein Bestandteil des englischen Nationalgerichtes, joint genannt, das in der Weise hergestellt wird, daß man in derselben Pfanne Kartoffeln mit Spinat und Kohl ohne Butter, aber mit Schaffleisch ohne Salzbeigabe kocht.

Weiter haben wir 6. den Kohlrabi, bei dem auf Kosten und unter ziemlicher Unterdrückung der Blattbildung sämtliche Nährstoffe sich im stark verdickten, fleischigen Stengel ansammeln. Dadurch ist der anfangs dünne Strunk zu einem fleischigen, grünen, weißen oder rotvioletten Knollen angeschwollen, aus dem dann die Blätter entspringen. Wie beim Früh- und Spätkraut gibt es auch bei ihm eine im Herbst gesäte frühe Sorte, welche aber weniger fein ist als die späte, im Frühjahr gesäte. Dieser wird als geschätztes Gemüse gekocht, dem man die zarteren Blätter beifügt; 7. der Blumenkohl, dessen Blütenstand zu einer fleischigen Masse entartet ist und weitaus das feinste Gemüse aus der Kohlsippe liefert. Neuerdings wird er massenhaft aus Italien, wo seine Kultur in der neueren Zeit sehr schwungvoll betrieben wird, zur Winterszeit bei uns eingeführt; 8. der Spargelkohl, mit seinem italienischen Namen auch Broccoli genannt. Er wurde, wie schon aus dem Namen hervorgeht, aus dem Süden bei uns eingeführt.

In West- und Südeuropa werden noch verschiedene andere Kohlarten kultiviert, so der durch starke Verlängerung des Stengels hervorgegangene Baum- oder Riesenkohl, eine Abart, welche Mannshöhe erreicht und hauptsächlich als Futtergemüse angebaut wird. Von ihm werden jeweilen nur die Blätter abgebrochen und als beliebtes Gemüse auch für den Menschen gekocht. In Portugal bilden seine Blätter eine Hauptspeise der Bevölkerung, und auf der englischen Kanalinsel Jersey, wo diese Kohlsorte 4–5,5 m hoch wird, macht man aus seinen Stengeln, die sonst, getrocknet, höchstens als Brennmaterial Verwendung finden, seit etwa 40 Jahren Spazierstöcke, die als Spezialität der Insel gerne von den Fremden als Andenken mitgenommen werden. Auch im ganzen Morgenland bis Persien und Abessinien wird allerlei Kohl zum Teil in solch hohen Formen gepflanzt und von den Eingeborenen gerne roh, mit Knoblauch oder Zwiebeln und Brot gegessen.

In ihrer Verwandtschaft zu den Kohlgemüsen am nächsten stehend, aber von einer anderen, gleichfalls wie der wilde Kohl im nordwestlichen Deutschland noch teilweise wild, sonst aber allenthalben verwildert vorkommenden Stammpflanze, dem Raps (Brassica napus) sich ableitend, den wir unter den ölliefernden Pflanzen kennen lernen werden, ist die als Kohlrübe oder Erdkohlrabi (Brassica napobrassica) bekannte Rübe, deren gelbe Varietät ein beliebtes Speisegemüse bildet, während die weiße meist nur als Viehfutter benutzt wird. Diese Rübe mit ihren bis kindskopfgroß anschwellenden Wurzelknollen ist wohl die anspruchsloseste von allen Gemüsesorten, da sie in äußerst exponierter Lage und in jedem Boden, in welchem andere Kohlarten unmöglich mehr fortkommen, noch gut gedeiht.

Je primitiver der Kulturzustand eines Volkes ist, um so größer ist die Auswahl der wildwachsenden Kräuter, deren saftige, grüne Blätter gesammelt und, anfänglich roh, später, mit der Erfindung von Kochgeschirren, in denen Wasser zum Sieden gebracht werden konnte, auch gedämpft und mit Salz versetzt und so schmackhafter gemacht, verspeist wurden. Um sich das mühsame Suchen nach dergleichen Speise, wie auch nach eßbaren Wurzeln und Samen der verschiedensten Pflanzen zu erleichtern, war es sehr naheliegend, daß hier und dort eine um ihre eigene Ernährung und diejenige ihrer Kinder besorgte Frau, zu deren Hauptbeschäftigung das Suchen von pflanzlicher Speise gehörte, an nur ihr bekannten, leicht erreichbaren Orten solche durch Aussaat anpflanzte und so den ersten Grund zum Hackbau legte. Durch Auswahl der kräftigsten und die gewünschten Eigenschaften vorzugsweise aufweisenden Exemplare zur jeweiligen Vermehrung durch Samen ergab sich dann von selbst eine Kulturauslese, welche nach und nach zur Rassenverbesserung führte. Wenn wir nun, wie vorhin erwähnt, solche Mengen von Meldesamen in der über 4000 Jahre alten Kulturschicht des spätneolithischen Pfahlbaues von Robenhausen im Kanton Zürich finden, so dürfen wir wohl den naheliegenden Schluß daraus ziehen, daß das meiste desselben, wenn nicht aller, aus kultivierter Melde und nicht von wildwachsender gesammelt wurde, da ja jene Leute einen ausgedehnten Hackbau am Lande, in der Nähe ihrer Pfahlbauansiedelungen, betrieben und verschiedene Getreidearten und Lein, nebst Mohn, Erbse, Pastinak und Möhre pflanzten, zu denen in der Bronzezeit die uns später in einer etwas ergiebigeren Art mit größeren Samen bei den Kelten entgegentretende Zwergsaubohne und kleine Feldlinse, beide damals noch mit äußerst kleinen Samen, hinzukamen.

Jedenfalls ist seit Urzeiten neben anderen saftigen Kräutern auch die Brennessel (Urtica urens und dioica) gesammelt und als Gemüse verspeist worden, wie dies heute noch manchenorts auch bei uns geschieht. So sagt schon der berühmte griechische Arzt Hippokrates (460 bis 364 v. Chr.): „Die Nessel (knídion) gehört zu denjenigen Stoffen, die den Leib reinigen.“ Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. sagt: „Will man Nesseln essen, so brüht man sie vorher ab.“ Der römische Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) schreibt in einer seiner Episteln: „Man kann ganz einfach von Kräutern (herba) und Nesseln (urtica) leben.“ Meist wurden sie gepfeffert genossen, wofür der unter Tiberius lebende römische Feinschmecker M. Gabius Apicius in seinem berühmten Kochbuch folgendes Rezept gab: „Man siede Nesseln, seihe das Wasser ab, zerkleinere sie fein mit dem Wiegemesser und dämpfe das Gewiegte auf heißer Asche mit Olivenöl, füge Fischsülze (garum) und gestoßenen Pfeffer hinzu, verrühre die Mischung mit Zusatz von Eiern und bestreue das Gericht mit Pfeffer.“ Plinius berichtet, daß die Brennessel zur Blutreinigung genossen werde: „Die jungen Frühjahrstriebe gewähren eine nicht unangenehme Nahrung, auf deren Gebrauch manche Leute gewissenhaft halten, weil sie glauben, dadurch für das ganze Jahr jede Krankheit abhalten zu können. Die Wurzel der Nessel bewirkt auch, daß Fleisch, mit dem sie gekocht wird, zarter wird. Die Nessel dient in sehr verschiedener Weise zu Heilzwecken, worüber namentlich der (griechische) Naturforscher Phanias geschrieben hat. Ihr Samen muß zur Erntezeit gesammelt werden, und man bezieht den besten von Alexandria.“ Nesselsamen mit Pfeffer gekocht wurde nach Ovids ars amandi von manchen Leuten als Aphrodisiakum genommen, auch wurde daraus, wie Plinius berichtet, Öl gewonnen. Der 87 v. Chr. in Verona geborene und 57 in Rom gestorbene römische Dichter Catull schreibt in einem seiner kleinen Gedichte: „Ich habe einen tüchtigen Schnupfen und Husten gehabt und mich mit Basilie (ocimum) und Nessel kuriert.“ Der griechische Arzt Galenos dagegen (geb. 131 n. Chr. in Pergamon, praktizierte daselbst und dann in Rom, wo er um 200 starb) meint: „Die Brennessel hat nur geringe Kräfte, wird aber von Leuten gegessen, die Hunger haben, und bekommt ihnen gut.“

Noch im Mittelalter wurden die Blätter und Samen des wilden Senfes, wie auch des Sauerampfers (Rumex acetosa) bei uns gesammelt und gegessen, wie wir heute noch die zarten, jungen Blätter des Löwenzahns (Taraxacum officinale) sammeln, um sie wie Spinat gekocht oder als Salat angemacht zu verspeisen. Durch Kultur ist aus dem wilden Sauerampfer eine langblätterige Varietät als spanischer Spinat und eine breitblätterige Varietät als französischer Spinat oder Oseille hervorgegangen. Wurzel, Kraut und Früchte des Sauerampfers wurden früher arzneilich verwendet, und heute noch dienen die viel oxalsaures Kali enthaltenden Blätter als Zutat zu Suppen und Gemüsen, wie auch als Salat. In den Klostergärten des Mittelalters wurde der an grasreichen gedüngten Stellen der Alpweiden gefundene Alpensauerampfer (Rumex alpinus) kultiviert, um den fleischigen, verzweigten Wurzelstock als Rhabarbersurrogat zu benutzen. Als englischen Spinat oder Gartenampfer wird besonders in England die 2 m hohe, zweijährige Ampferart Rumex patientia angebaut, die in Mittel- und Südeuropa wild wächst. Unser Spinat oder Binetsch (Spinacia oleracea) ist eine Meldenart, die im wilden Zustande nicht mehr gefunden wird, doch, wie ihre nächsten Verwandten, aus dem Hochlande von Iran stammen dürfte. Den Griechen und Römern war sie unbekannt. Die Kultur des Spinats scheint am Ende des Altertums unter dem Namen ispany in Persien aufgekommen zu sein und gelangte dann einesteils als isfany nach Indien und unter dem chinesischen Namen „persisches Kraut“ bis in die Mandschurei, anderenteils als isfanâdsch zu den Arabern, die ihn zuerst nach Europa, und zwar nach Spanien brachten, von wo er sich als französisch épinards, englisch spinage, hochdeutsch Spinat und süddeutsch Binetsch weiter nach Norden verbreitete. Jedenfalls war er bei uns noch im 16. Jahrhundert neu und wenig bekannt. Man kultiviert ihn als im Frühjahr gepflanzten Sommerspinat mit länglicheirunden Blättern und ungehörnten Früchten, und als Winterspinat, der im Herbst gesät und im Frühjahr geschnitten wird, mit spießförmigen, zweizähnigen Blättern und Früchten mit 2–4 stachelartigen Hörnchen. Ersterer wird bevorzugt, weil er weniger leicht in Samen schießt. Die Blätter liefern gedämpft und gehackt ein sehr zartes, blutbildendes Gemüse, das gerne als Fastenspeise genossen wird. Zu diesem Zwecke füllt man in Griechenland Gebäck mit Spinat und einigen Gewürzkräutern, und in Frankreich verbäckt man den Samen zu Brot.

Als neuseeländischer Spinat wird seit dem Jahre 1772 auch in Europa eine dem Portulak verwandte, in Neuseeland, Australien und den Norfolkinseln heimische, 1 m hohe ästige Eiskrautart (Tetragonia expansa) mit eirunden Blättern, gelblichgrünen Blüten und vierhörnigen, fest sitzenden Früchten kultiviert, die schon länger auch in Südamerika und Japan gepflanzt wird. Als Nährpflanze viel wichtiger ist der Peruspinat oder die Reismelde (Chenopodium quinoa), eine unserem gemeinen Unkraut, der weißen Melde ähnliche, mehlig bestäubte, gegen 1 m hohe Pflanze mit ovalen und eckigen Blättern, in sehr ästigen Rispen vereinigten Blüten und gelblichweißen Samen. Wegen letzteren, die in Wasser oder Milch abgekocht, in Breiform oder auch zu Mehl gestampft und dann geröstet als ein schmackhaftes und tägliches Nahrungsmittel an Stelle des Getreides im westlichen Südamerika von Chile bis Mexiko gegessen werden, wird diese in Chile und Peru noch in einer Höhe von 4000 m über Meer, wo Roggen und Gerste nicht mehr gedeihen, angepflanzte Meldenart als das Hauptnahrungsmittel neben den Kartoffeln geschätzt. Auch die Blätter geben, wie bei uns Spinat und Gartenampfer, ein gutes Gemüse. Alexander von Humboldt, der von 1799–1804 mit Bonpland Süd- und Mittelamerika bereiste, gab die ersten Nachrichten über diese Kulturpflanze, deren Spielart mit weißen Samen als die ergiebigste gilt und zum Anbau auch für Norddeutschland paßt. Als Erdbeerspinat wird die aus Südeuropa stammende Blattmelde (Chenopodium foliosum) teils ihrer wie Spinat benutzten Blätter, teils der zahlreichen, hochroten, erdbeerähnlichen, aber fade schmeckenden Früchte wegen kultiviert. Die Beeren geben eine wenig haltbare Farbe. In der Walachei schminken sich die Bauernweiber mit ihnen. Wie die weiße und grüne Melde, deren Blätter auch bei uns in manchen Gegenden als Gemüse gesammelt und, wie Spinat gekocht, gegessen werden, Kulturpflanzen Ostindiens sind, so wird auch bei uns die im nördlichen Europa bis Sibirien heimische, schon bei den Alten als Speise verzehrte Gartenmelde oder wilder Spinat (Atriplex hortense) mit herzförmig-dreieckigen, gezähnten, roten Blättern stellenweise, so besonders in Frankreich als arroche, angebaut. Von ihrer strauchartigen Verwandten, der an den europäischen Küsten wachsenden Portulakmelde (Atriplex portulacoides), werden die jungen Sprosse wie Kapern eingemacht, während die säuerlichsalzigen Blätter und zarten Stengel der in Südeuropa heimischen Meermelde (Atriplex halimus) in England und Holland als Salat gegessen werden. Die jungen Sprosse ersetzen in Portugal den Spargel.

Seit sehr langer Zeit werden die fleischigen Blätter des über Asien, Europa und Afrika verbreiteten und längst auch in die Neue Welt verpflanzten Portulaks (Portulaca oleracea) — bei den Griechen andráchnē, bei den Römern portulaca genannt — roh als Salat angemacht oder gekocht als Gemüse gegessen. Nach Columella wurden sie wie der späte Kohl gegen die Zeit der Weinernte mit Salz und Essig eingemacht. Sonst waren der Lattich (lactuca) und die Endivie (intubum) die Hauptsalatkräuter der Römer, indem sie aus ihnen mit Zuhilfenahme von Fleischbrühe, Olivenöl, Zwiebeln, Honig und Essig ihren nach dem Essig (acetum) als acetarium bezeichneten Salat herstellten. Im Mittelalter genoß man mit Salz, Essig und Öl angemachten Salat vorzugsweise aus Lauch, Zwiebeln, Boretsch, Pfefferminze und Petersilie. Heute werden die verschiedensten Blattgemüse und Wurzeln dazu verwendet. Salat kommt vom italienischen salato gesalzen, woraus zunächst das französische salade und daraus erst unser deutsches Salat wurde. Essig, Öl, Salz, Pfeffer und Senf sind die Hauptingredienzien dazu, und zwar mische man das Öl vor dem Essig mit den Blättern, damit der Saft infolge der fettigen Umhüllung ganz in den pflanzlichen Teilen bleibe und das Fett den Salat durchdringen könne. Ein altes Sprichwort sagt, der Salat solle von einem Verschwender mit Öl, von einem Geizhals mit Essig, von einem Weisen mit Gewürzen und Salz versehen und von einem Narren gemischt werden, dann werde er recht sein. Die Römer der Kaiserzeit pflegten ihr Abendessen mit Salat zu beginnen, während ihre Vorfahren zur Zeit der Republik es mit ihm zu beschließen pflegten. Dazu wurde gewöhnlich Lattich genommen, der im Rufe stand, den Schlaf zu befördern. Der Geschichtschreiber Flavius Vopiscus berichtet uns von dem im Jahre 275 75jährig vom Senate gewählten und schon im folgenden Jahre auf einem Zuge gegen die Goten in Kleinasien von den Soldaten ermordeten Kaiser Marcus Claudius Tacitus, er habe sehr mäßig getrunken und gespeist, aber viel Salat gegessen, um sich einen recht sanften Schlaf zu verschaffen. Desgleichen berichtet Suetonius vom Kaiser Augustus, daß er, wenn er durstig war und doch kein Getränk zu sich nehmen wollte, ein Stückchen Gurke oder von einer Lattichstaude in den Mund nahm, um daran zu kauen. Einmal soll ihm die Klugheit seines Arztes Musa das Leben gerettet haben, indem er ihm Salat verordnete, den ihm der vorige Arzt Gajus Ämilius aus allzugroßer Ängstlichkeit verboten hatte. Nach dieser Aufsehen erregenden Heilung des Staatsoberhauptes stieg das Ansehen des Salates, wie Plinius uns berichtet, in Rom so hoch, daß man sogar die Erfindung machte, ihn in mit Essig versetztem Honig aufzubewahren, bis es wieder frischen gab.

Durch die Römer kam dann der Salat in die Länder nördlich der Alpen und wurde hier in der Folge sowohl in den Klostergärten, als auf den Edelhöfen gepflanzt. Zuerst wird der Salat auf deutschem Gebiet in Ekkehards Benediktionen aus dem Kloster St. Gallen, später dann auch als Gericht höherer weltlicher Kreise erwähnt, allerdings mit dem Hinzufügen, daß solche Speise auf die Dauer für Kraft und Aussehen unvorteilhaft sei. Erst im 15. Jahrhundert wurde sein Genuß, besonders in der Form von Lattich, in Mitteleuropa gemein, und zwar in der von Italien her gebräuchlichen Weise, ihn, außer mit Essig zu versetzen, mit Öl einzufetten. Genießt doch heute noch der Italiener mit Vorliebe auch andere grüne Gemüse mit Öl übergossen.

Der Gartenlattich (Lactuca sativa) stammt von dem im gemäßigten und südlichen Europa und in Westasien wachsenden wilden Lattich (Lactuca scariola) und wurde schon im frühen Altertum als Salatpflanze gezogen, so von den Persern zur Zeit des Königs Kambyses, des Sohnes von Kyros, der diesem 529 v. Chr. folgte, 525 Ägypten eroberte und 522 auf dem Rückzuge nach Persien starb. Die alten Griechen nannten ihn trídax und bauten ihn in wenigstens drei Sorten an, die Römer hießen ihn nach dem Milchsaft lac lactuca und pflanzten hauptsächlich vier Sorten: den cäcilianischen Salat mit grünen bis roten, krausen Blättern, den kappadozischen mit bleichen, kammförmig eingeschnittenen, dicken Blättern, den weißen, sehr krausblätterigen aus der Provinz Bätica (dem südlichen Spanien, nach dem Flusse Bätis so genannt) und aus der Nähe der Stadt Gades (dem heutigen Cadix) und den zyprischen rötlichweißen mit glatten, sehr zarten Blättern. Columella, der uns diese aufzählt, berichtet uns zugleich, daß sie in der hier angegebenen Reihenfolge von Januar bis April in gut gedüngten Boden gesät würden, reichlich Wasser erhielten und durch Auflegen einer Scherbe auf den Wipfelsproß am Aufschießen verhindert und gezwungen würden, mehr in die Breite als in die Höhe zu wachsen.

Aus den frühmittelalterlichen Klostergärten und den Gärten der Vornehmen, besonders des mächtigen Frankenkönigs Karl, dem späteren Kaiser, ging der Gartenlattich mit den anderen von den Römern übernommenen Gemüsearten in die Gärten Mittel- und schließlich auch Nordeuropas über und aus dem lateinischen lactuca wurde das französische laitue, das deutsche Lattich und das englische lettuce. Und mit diesem Salatkraut wurde auch sein alter Begleiter, der Boretsch (Borrago officinalis) übernommen, der fortan keinem Gemüsegarten fehlte. Diese aus Südeuropa und Kleinasien stammende Pflanze mit borstenhaarigen Blättern, gewöhnlich dunkelblauen, in manchen Varietäten aber himmelblauen, blaßroten und weißen Blüten war schon im Altertum außer als Bienenweide auch als Heilmittel für mancherlei Krankheit geschätzt, und schon die alten Griechen und Römer fanden, daß ihre Blätter und Blüten, fein gewiegt, dem Lattichsalat einen feinen, gurkenähnlichen Geschmack verleihen. Aus diesem Grunde ist sie bis auf den heutigen Tag im ländlichen Garten in Ehren geblieben.

Heute unterscheiden wir drei Hauptarten von Lattich: 1. den Schnittsalat mit hell- oder dunkelgrünen, rotgefleckten oder dunkelroten Blättern in offener Rosette, die man allmählich von innen nach außen absticht. 2. den Bindsalat oder römischen Salat mit länglichen, aufrechten, eine geschlossene Rosette bildenden Blättern, die man zusammenbindet, um die inneren zu bleichen. Mit Recht findet der als laitue bezeichnete französische Bindsalat durch die ganze Kulturwelt rasche Verbreitung. 3. den Kopfsalat mit breiten, blasig aufgetriebenen, kopfförmig zusammenschließenden Blättern; dieser wird am häufigsten gebaut und unter Strohmatten überwintert. Alle diese Salatarten, die heute noch in Südeuropa die Lieblingsspeise des gemeinen Mannes bilden, haben sich heute über die ganze Erde verbreitet. Nach China gelangte der Lattich ums Jahr 600 n. Chr. aus dem Westen.

In derselben Weise wie der Salat wurde von den Griechen und Römern die Endivie angepflanzt und, wie Plinius uns berichtet, über den Winter in Krügen eingemacht und später gekocht, als ob sie frisch sei. Früher nahm man an, daß sie aus Indien stamme, doch wissen wir jetzt, daß sie von der im Mittelmeergebiet wild wachsenden Cichorium divaricatum gewonnen wurde. Die Endivie (Cichorium endivia) wird besonders in der krausen Varietät häufig als Salatpflanze in den Gemüsegärten kultiviert. Die breitblätterige Abart kommt dagegen unter dem Namen Eskariol auf den Markt. Bei beiden werden wie beim Bindsalat die eine lockere Rosette bildenden und meist zu einem Kopf zusammenschließenden Blätter gewöhnlich zusammengebunden, um durch Lichtentzug gebleicht zu werden. Dadurch schmecken sie ungemein zart; aber selbst die feinste Pariser chicorée ist immer noch härter als Kopfsalat.

Bei den Alten galt die überall in den Mittelmeerländern wildwachsende Endivie, mit Essig vermischt gegessen, als dem Magen gesund und allerlei Übel heilend. Plinius berichtet, daß die wildwachsende Endivie in Ägypten cichorium, die zahme dagegen, die kleiner und saftiger sei, seris heiße. Die Magier behaupten, wer sich mit dem Saft einer ganzen Zichorie und Olivenöl einreibe, der werde anmutiger und erreiche seine Wünsche leichter. Deshalb nennen manche die Pflanze auch chreston (d. h. brauchbar), andere pankration (d. h. alles beherrschend), die wildwachsende heiße auch hedypnois (d. h. süßen Schlaf bewirkend). Nach dem gelehrten Varro (116–27 v. Chr.) wurde die Endivie für die Gänse gesät, die aber nicht darauf getrieben wurden, weil sie die Blätter teils zertreten, teils so viel von ihnen fressen würden, daß sie stürben. Man schneide deswegen die Blätter selbst für die Tiere ab und gebe ihnen ihre richtige Portion davon. Und Palladius im 4. christlichen Jahrhundert gibt an, daß man sie im Monat Oktober säe; sie liebe einen lockeren, feuchten Boden und man weise ihr ein ebenes Beet an, damit die Wurzeln nicht durch Regengüsse entblößt würden.

Sehr viel bitterer als die Endivie ist die gemeine Zichorie oder Wegwart (Cichorium intybus), eine, im Gegensatz zu jener einjährigen, ausdauernde Pflanze mit kurzgestielten, blauen Blüten. Sie findet sich wild in ganz Mittel- und Südeuropa, Nordafrika und dem gemäßigten Asien, wurde aber, da sie häufig an Wegen und auf Feldern auftritt, vielfach vom Menschen über die Grenzen ihres ursprünglichen Vaterlandes hinaus verbreitet. Die jungen Blätter wurden schon von den Griechen und Römern teils von wildwachsenden, teils aber auch schon kultivierten Pflanzen als Gemüse und Salat benutzt. Columella sagt um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., daß sie, die er intybum nennt, dem übersättigten Gaumen behage. Auch sein Zeitgenosse, der ältere Plinius, spricht mehrfach von ihr und empfiehlt sie als gesunde Speise. Heute pflanzt man zu diesem Zwecke den Brüsseler Witloof und den französischen Kapuzinerbart, deren Wurzeln, in einem dunkeln Keller in Pferdedünger eingepflanzt, farblose, äußerst zarte Blätter treiben, die als Salat gegessen werden. Die lange, möhrenförmige, ungemein bitter schmeckende Wurzel wird arzneilich benutzt und bildet, mit Zucker eingemacht, die Hindläufte der Konditoren; namentlich aber hat sie im letzten Jahrhundert als Kaffeesurrogat eine ungemein große Bedeutung erlangt. Deshalb wird die Zichorie in Frankreich, Belgien, Holland, Mittel- und Süddeutschland, Böhmen, Ungarn und Rußland im großen angebaut. Die kultivierte Wurzel ist stärker als die wild gewachsene, fleischig, mit verhältnismäßig breiter Rinde und erreicht ein Gewicht von 200–400 g. Ende September, wenn die untersten Blätter gelb werden und abzusterben beginnen, werden die Wurzeln, die frisch auch als Beigabe zu Viehfutter verwendet werden, um den Stoffwechsel anzuregen, geerntet, gewaschen, zerschnitten, getrocknet, dann in eisernen Trommeln geröstet und gemahlen. Ein Zusatz von 1–5 Prozent Sesam- oder Erdnußöl beim Rösten verbessert den Geschmack. Das Zichorienmehl wird zuletzt in Dampftrommeln feucht gemacht, in Pakete verpackt und kommt als Zichorienkaffee in den Handel. Sein Aroma erinnert entfernt an den Kaffee, doch entbehrt er natürlich der auf das Nervensystem anregend wirkenden Bestandteile und wirkt bei anhaltender Benutzung nachteilig auf die Verdauung. Er wird vielfach mit Runkelrübenpreßlingen, Ziegelmehl, Ocker und Ton verfälscht. Schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts röstete man in Haushaltungen am Nordrande des Harzes Zichorienwurzeln, um sie als Kaffeesurrogat zu benutzen; um 1790 begannen Braunschweiger und Magdeburger Kaufleute dieses Präparat für den Handel herzustellen. Es vermochte sich dann besonders während der Kontinentalsperre bei der ärmeren Bevölkerung einzubürgern, so daß immer mehr Fabriken errichtet wurden. Gegenwärtig besitzt das Deutsche Reich über 100 und Europa 450 Zichorienfabriken. Deutschland liefert für rund 9 Millionen Mark Rohstoffe und für 18 Millionen Mark Fabrikate von Zichorie.

Als weitere Salatkräuter sind die Kressearten zu nennen, die teilweise schon von den alten Griechen und Römern angepflanzt und, wie der griechische Arzt Dioskurides um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. berichtet, mit Wasser, Salz und Milch gegessen wurden. Besonders die Gartenkresse (Lepidium sativum), die von Südeuropa und Nordafrika bis Indien heimisch ist, wurde, wie heute noch, so schon im Altertum in Ägypten kultiviert. Doch dürfte ihr Anbau dort nicht erheblich über das 2. Jahrhundert v. Chr. hinausgehen. Den alten Alexandrinern galt sie als leckeres, gewürzhaftes Gemüse, das als Salat gegessen wurde. Auch von den Griechen der späteren Zeit wurde sie geschätzt. Von den Römern wurde sie nasturcium, d. h. Nasenquäler genannt, weil ihre Schärfe bis in die Nase hinein verspürt werde. Sie scheint im östlichen Mittelmeergebiet, vielleicht in Kleinasien, zur Kulturpflanze erhoben worden zu sein und wird heute bei uns häufig kultiviert, um als Salat und Beilage zu Fleisch und Gemüse zu dienen. Dabei hat sie den Vorzug, außerordentlich rasch zu wachsen; auch wirken ihre jungen Triebe anregend auf Appetit und Verdauung. Früher wurde sie auch medizinisch benutzt, wie ihre Verwandte, das Pfefferkraut (Lepidium latifolium), die am Meeresstrand und an Salinen in Europa, Mittelasien und Nordafrika wächst. Auch sie wird seit dem Mittelalter in Gärten kultiviert, um die pfefferartig scharf brennenden Blätter zu Saucen verwenden zu können. Die in Quellen, Bächen und Gräben mit schlammigem Grund in ganz Europa, Nord- und Ostasien heimische, auch nach Nordamerika übergeführte Brunnenkresse (Nasturtium officinale) wird bei uns vielfach kultiviert, um ihre durch den Gehalt an einem ätherischen Öle rettichartig scharf schmeckenden Blätter als Salat zu essen. Sie verlangt reines, leicht strömendes Wasser und wird vom Oktober bis April geerntet. Später hört die Ausbeute auf, da dann die Blütenbildung beginnt, in deren Verlauf die Blätter steif und ungenießbar werden. Sie galt seit den ältesten Zeiten als heilkräftig und stand daher als Zugemüse in hohem Ansehen. So erwähnt sie schon die heilige Hildegard, Äbtissin des Klosters Rupertsberg bei Bingen, als brunnencrassum besonders als Mittel gegen Fieber. Heute wird sie im großen gezogen und gelangt in Menge auf den Markt, und zwar sind die Hauptproduktionsorte Dreienbrunnen bei Erfurt und die Umgegend von Paris. Um aber als Salat gegessen zu werden, soll sie mit Zitronensäure statt Essig angemacht werden, da der Essig ihren charakteristischen Geschmack beeinträchtigt. Endlich wird auch die aus Südamerika eingeführte Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus), weil ähnlich scharf schmeckend, als Salat gegessen, während ihre Blütenknospen und unreifen Früchte, in Salz und Essig eingelegt, wie Kapern Verwendung finden.

Eine beliebte Salatpflanze ist ferner der Feldsalat oder das Rapünzchen (Valerianella oliteria), das in ganz Mittel- und Südeuropa als Ackerunkraut wächst, aber, um zartere Pflänzchen zu bekommen, auch im Gemüsegarten kultiviert wird, wo sie größer, kahler wird und sich durch Selbstbesamung fortpflanzt. Sie gehört der den Korbblütlern nahestehenden Familie der Baldriangewächse an und wird im ersten Frühjahr gesammelt und auf den Markt gebracht. Dann der Sellerie oder Eppich (Apium graveolens), dessen Stammpflanze mit kleinen, etwas knollig verdickten Wurzeln fast in ganz Europa, Westasien und Nordafrika an feuchten Orten in der Nähe der salzhaltigen Meeresküste wild wächst. Bei den Griechen hieß er sélinon, bei den Römern dagegen apium. Schon in Homers Odyssee wird erzählt, daß auf der Insel der Kalypso die Wiesen mit Veilchen und Sellerie bedeckt gewesen seien, so schön, daß sie selbst den Göttern wohlgefielen. Mit Kränzen aus wildem Sellerie pflegten die Griechen ihre Grabmäler zu schmücken und solchen auch bei den Leichenschmäusen zu verzehren. Nach Plinius stimmten Chrysippos und Dionysios darin überein, daß es unrecht sei, den Sellerie an Speisen zu tun, da er nur zum Leichenschmaus gehöre. Er war den Göttern der Unterwelt geweiht und bezeichnete im griechischen Volksglauben Trauer und Tränen. Der griechische Geschichtschreiber Plutarch (50–120 n. Chr.) erzählt uns in seiner Biographie des korinthischen Feldherrn Timoleon, der 343 v. Chr. die Stadt Syrakus von ihrem Tyrannen Dionysios dem Jüngeren befreite und 340 die Karthager am Flusse Krimissos besiegte, daß ihm einst mit seinem Heere Maulesel begegnet seien, die mit Sellerie beladen gewesen seien. Das hielten die Soldaten für eine üble Vorbedeutung, weil es Sitte war, die Denkmäler der Toten mit Sellerie zu bekränzen. Plinius aber berichtet, daß man dem Sellerie in Achaja die Ehre erweise, mit ihm diejenigen zu bekränzen, die in den heiligen Spielen zu Nemea gesiegt haben. Auch bei den alten Römern galt er durch griechischen Einfluß als Sinnbild des Todes und der Trauer. So hieß die Redensart apio indiget, es gibt nur noch Eppich für ihn, so viel als es steht schlimm mit ihm, er ist dem Tode nahe. Bei den heutigen Griechen dagegen gilt er als glückbringend und wird nebst Knoblauch und Zwiebeln in den Zimmern aufgehängt.

Während der wilde Sellerie widerlich durchdringend riecht und eine fast ungenießbar bittere Wurzel besitzt, ist ihr Geschmack beim kultivierten Sellerie bedeutend gemildert. Das hohe Alter seiner Kultur erklärt uns das Vorhandensein der so verschiedenen Kulturvarietäten. So pflanzt man Krautsellerie mit langgestielten, aufrecht stehenden Blättern und kleiner Wurzel, Bleich- oder Stengelsellerie mit fleischigen, zarten Blattstielen und Knollensellerie mit kurzgestielten Blättern und großer, rundlicher Wurzel, welche als Küchengewürz und Salat mit Essig und Öl gegessen wird. In Zucker eingemacht, liefert sie mit Weißwein ein der Ananasbowle täuschend ähnliches Getränk. Sie wirkt reizend auf die harnabsondernden Organe und gilt als sexuell reizendes Mittel.

Die Petersilie (Petroselinum sativum) ist eine zweijährige Umbellifere der Mittelmeerländer, die vom Arzte Dioskurides unter dem Namen petrosélinon, d. h. Felsensellerie, als eine wildwachsende Heilpflanze erwähnt wird, die dann auch die Römer unter derselben Bezeichnung als Medikament verwendeten. Ob sie schon im Altertum angebaut wurde, ist uns nicht bekannt; doch wird dies aus der römischen Kaiserzeit wohl anzunehmen sein. Erst im Capitulare de villis Karls des Großen vom Jahre 812 wird sie bestimmt unter den anzubauenden Pflanzen erwähnt. Im 16. Jahrhundert wurde sie im Garten von Olivier de Serres gezogen. Die englischen Gärtner erhielten sie nach dem Berichte eines Zeitgenossen im Jahre 1548. Obgleich ihre Kultur weder ein hohes Alter aufweist, noch von besonderer Wichtigkeit ist, so hat sie sich doch bereits in zwei Rassen gespalten, eine Form mit krausen Blättern, die als Suppengewürze dienen, und eine andere, deren fleischige Wurzel gegessen wird.

Aus dem gemäßigten Westasien scheint der Gartenkörbel (Scandix cerefolium) zu stammen, den die älteren griechischen Autoren nicht erwähnen, gleichwohl aber gekannt haben müssen. Um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. wird sie als Gemüsepflanze von Dioskurides und Plinius unter der Bezeichnung cerefolium genannt. Sie wurde angepflanzt und muß schon im 2. Jahrhundert v. Chr. von den Griechen zu den Römern gelangt sein, um dann zunächst zu den Romanen zu gelangen, die sie heute noch cerfeuil nennen. Viel wichtiger als sie war einst das heute ganz aus unserem Gemüsegarten verschwundene Myrrhenkraut (Smyrnium olus-atrum), von der schon der Aristotelesschüler Theophrastos als einer wichtigen medizinischen Pflanze unter dem Namen hipposélinon, d. h. Pferdesellerie spricht. Drei Jahrhunderte später sagt Dioskurides von ihr, daß man ihre Blätter und Wurzeln als Speise benütze. Als olus antrum wurde sie von den Römern kultiviert, als olisatum befahl sie Karl der Große auf seinen Meierhöfen anzupflanzen. Später wurde diese in den Mittelmeerländern wildwachsend angetroffene Pflanze auch bei den Italienern des Mittelalters als macerone angebaut. Noch zu Ende des 18. Jahrhunderts kannte man in Frankreich und England die Überlieferung, daß diese Pflanze einst in den Gemüsegärten gehalten wurde, später aber wird sie nicht mehr erwähnt.

Ein von den älteren Griechen als köstlichste Beigabe jeder Speise gehaltene Würzpflanze, die zugleich, noch mehr als alle vorgenannten Kräuter, für eine kostbare Medizin galt, die alle Gifte aufhebe, die bösartigsten Wunden heile, Blinde sehend und Greise jung mache, war das Silphium, griechisch sílphion. Es war eine in der nordafrikanischen Landschaft Kyrene wildwachsende Doldenpflanze, deren etwas knoblauchartig riechende Blätter und junge Sprosse als feinstes Gemüse in ganzen Schiffsladungen nach Griechenland gebracht wurden. Sie bildete den Reichtum des Landes von Kyrene, der ihren Bewohnern großen Wohlstand brachte und als wichtigstes Landesprodukt auf den dortigen Münzen abgebildet wurde. Der Silphionhandel ist uns auch auf der berühmten Arkesilasschale im Cabinet des Médailles der Nationalbibliothek in Paris abgebildet. Auf ihr sitzt an Deck eines Schiffes, das bald absegeln und die kostbare Ware in die Fremde tragen soll, Arkesilas, der König von Kyrene, auf einem Klappsessel, auf dem bärtigen Kopfe einen spitzen Strohhut mit aufgebogenen Rändern und mit einem langen, weißen Chiton und einem schwarzrot gestreiften Himation bekleidet, dessen Bordüre eingewebte Stickerei trägt. Zu Füßen des Königs, unter dem Sessel, liegt, um das Land Afrika anzudeuten, ein Panther. Der König hält das Szepter in der Rechten und weist mit der Linken nach der Wage, auf der das Silphion abgewogen wird, das in Binsensäcken verpackt ist. Ein Mann scheint dem Könige zu melden: Es besteht Gleichgewicht. Die große Wage ist an einer Rahe aufgehängt. Ein als Silphiumarbeiter bezeichneter Mann legt das Silphium zurecht. Neben ihm stehen zwei Korbträger, von denen einer sich umwendet und den König frägt: Soll ich wegnehmen? Er fürchtet offenbar zu gut gewogen zu haben. Darunter sehen wir unbärtige Matrosen unter der Aufsicht eines Wächters die mit Silphium gefüllten Binsensäcke im Schiffsraum aufeinander legen. Sogar die Jahreszeit der Handlung ist sehr sinnig angedeutet. Es ist Spätherbst; denn über dem Schiffe sehen wir Zugvögel dahinziehen, von denen sich einige, von der langen Meerfahrt erschöpft, auf dem Takelwerk des Schiffes niederlassen wollen, aber von einem zahmen Affen wenig liebenswürdig verscheucht werden.

Alle Teile der kostbaren Silphionpflanze wurden von den danach lüsternen Griechen verwendet. Die jungen Blütenschäfte wurden sowohl roh als gekocht als Salat und Gemüse gegessen; der Stengel galt als hochfeine Delikatesse, während die Blätter als Gemüse gekocht wurden. Der eingedickte Saft von Stengel und Wurzel wurde als sehr geschätztes Gewürz und Allheilmittel fast mit Gold aufgewogen; er bildete das kostbare laserpitium der Römer. Schon unter dem Kaiser Nero verschwand diese Pflanze mit ihren so geschätzten Produkten völlig aus dem Handel, und trotz eingehenden Forschungen konnte bis heute nicht ermittelt werden, welche Pflanze eigentlich unter dem Silphion der Alten zu verstehen sei. Vielleicht, daß man später einmal in einem entlegenen Gebiete des Innern von Barka in Tripolis diese spurlos verschwundene, und nicht in Kultur genommene Silphionpflanze der Alten findet. Ihr sehr ähnlich, aber nicht mit ihr identisch, ist die Teufelsdreckpflanze oder der Stinkasant (Ferula asa foetida), der seit Alexanders des Großen Zug nach Persien und Indien als „persisches Silphion“ bekannt war und in gleicher Weise wie das seit dem 7. vorchristlichen Jahrhundert verwendete echte afrikanische Silphion von den Griechen und Römern benutzt wurde. Heute noch werden die einzelnen Teile der Pflanze wie einst diejenigen der kyrenischen Art teils roh als Salat, teils gekocht als Gemüse, speziell als Beigabe zu Fleisch, der eingedickte Saft aber als Allheilmittel verwendet. Im Gegensatz zum echten Silphion, das als wohlriechend bezeichnet wird, riecht das persische widrig knoblauchartig. Von Persien bis China dient der Stinkasant als hochgeschätzte Arznei und sein eingedickter Milchsaft kommt noch heute in großer Menge als wertvolles Heilmittel zu uns nach Europa und in alle Kulturländer der Erde. Über ihn und seine Geschichte soll im Abschnitt über Heilpflanzen Genaueres mitgeteilt werden.

Eine bei fast allen Völkern der Alten Welt seit grauer Vorzeit überaus beliebte Würze und Zukost zur faden Brotnahrung sind die meist im Innern Asiens heimischen Laucharten, deren scharfe Zwiebeln von den ihre Herden hütenden Nomaden eifrig gesucht und als Delikatesse gegessen werden. Sehr frühe sind diese zentralasiatischen Zwiebelgewächse als geschätztes Zugemüse in die alten Kulturländer Vorderasiens und am Nil eingeführt worden. Soweit wir es zurückverfolgen können, waren Zwiebeln und Knoblauch Bestandteile der allgemeinen Volksnahrung Ägyptens. Sie galten sogar im Lande als heilig, so daß man bei ihnen schwur und die Priester und Frommen aus Scheu sie nicht einmal zu berühren wagten. Während ihrer Wüstenwanderung sehnten sich die Israeliten nach den Lauchgewächsen des Niltals, wie 4. Mose 5, 11 gesagt wird: „Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und der Aggurmelonen, Wassermelonen (battichim, von Luther irrtümlich mit Pfeben, d. h. Kürbisse übersetzt), Lauch, Zwiebeln und Knoblauch.“ Diese alle wurden im Niltal in Menge gepflanzt und von den Ägyptern gerne gegessen, wenn wir auch, wie Wildemann zuerst schlagend nachwies, von der Wahrheit der Herodotschen Angabe abstrahieren müssen, wonach beim Bau der großen Pyramide des Cheops (um 2900 v. Chr.), wie auf derselben noch zu seiner Zeit mit Hieroglyphen soll verzeichnet gewesen sein, allein für die Rettich-, Zwiebel- und Knoblauchkost der Fronarbeiter 1600 Silbertalente, d. h. über 7,5 Millionen Mark aufgewendet worden seien.

Bild 17.
Zwiebeln (Allium cepa) als Opfergaben.
Nach einem altägyptischen Gemälde in Beni Hassan. (Aus Lepsius, Denkmäler.)

Schon zur Zeit der ältesten ägyptischen Dynastie, die mit der Thronbesteigung des Menes 3400 v. Chr. beginnt, waren die Zwiebeln und Knoblauch im Pharaonenlande viel kultivierte Pflanzen, deren große Wertschätzung als gesunde, schmackhafte Speise die ihr im ganzen Lande gespendete Verehrung genugsam erklärt. Zwiebeln in überreicher Menge gehörten in Ägypten zu den gebräuchlichsten Opfergaben. So finden wir sie — altägyptisch hudsch und badschar genannt, welch letzteres mit dem hebräischen besel (Plural besalim) zusammenhängt, aus welch letzterem sich dann das arabische basal bildete — mit dem nicht minder geschätzten Knoblauch, altägyptisch schagin, und der Schalotte auf den Darstellungen an den Wänden der Totenkammern schon des alten Reiches, teils in Füllhörnern steckend, teils in Bündeln frei auf den Opfertischen liegend, teils zu glockenartigen Gebilden zusammengebunden, sehr deutlich abgebildet. Die Zwiebeln in solcher Glockenform den Göttern zu spenden war vielleicht ein Vorrecht der durch das Tragen des Leopardenfells ausgezeichneten Priesterkaste. Einen solchen opfernden Priester erblicken wir auf einem Grabgemälde des mittleren Reiches in der Totenstadt Theben. Derselbe hält in seiner linken das Weihrauchbecken und bringt mit seiner Rechten das Trankopfer dar, indem er aus einem Gefäße geweihten Wein auf die unter der Zwiebelglocke liegenden Früchte spendet. Der Genuß von Zwiebeln und Knoblauch war zwar den Priestern selbst verboten, weil sie, wie der griechische Schriftsteller Plutarch (50–120 n. Chr.) meint, den Durst reizen. Als eigene Erklärung der Priester führt Plutarch dagegen an, daß die Enthaltung vom Genusse der Zwiebelgewächse deshalb bei ihnen geschehe, weil die Pflanze bei abnehmendem Monde wachse. Seiner persönlichen Meinung gibt er Ausdruck, indem er hinzufügt: „In der Tat schickt sich die Zwiebel weder für fastende Büßer, noch für die, welche fröhliche Feste begehen: den ersteren erweckt sie Begierden und den letzteren lockt sie Tränen ins Auge“. Doch galten die Zwiebeln wie die übrigen Lauchgewächse den Alten als gesunde Speise und heilsam, weil sie, wie Plinius erklärt, „die Verdauung befördern und Winde in Bewegung setzen“. Dieser Autor kennt die Zwiebel ausschließlich als Kulturgewächs; denn er sagt ausdrücklich in seiner Naturgeschichte: „Wilde Zwiebeln gibt es nicht.“ Wie in Assyrien, Babylonien und ganz Vorderasien wurden die Zwiebeln in verschiedenen Kulturrassen seit den ältesten nachweisbaren Zeiten auch in Ägypten kultiviert und vom Volke roh und gekocht in Menge gegessen. In einem Grabe des mittleren Reiches in der Totenstadt von Theben finden wir auf einem Gemälde die Zwiebelernte geschildert. Ein Gärtner zieht diese ansehnlichen Knollengewächse aus den quadratischen Gemüsebeeten, in denen sie kultiviert wurden, aus, um sie zu je vieren in Bündel zu binden. So brachte man sie in Körben auf den Markt. Auf einem Relief in Sakkara trägt eine, vermutlich aus dem Gemüsegarten heimkehrende dienende Frau einen Korb mit Artischocken auf dem Kopfe und drei sehr langblättrige Zwiebeln über die Schulter geschlagen.

Diese ägyptischen Zwiebel- und Knoblaucharten, die heute noch in Menge im Niltal wie im ganzen Morgenland gegessen werden, halten keinen Vergleich mit den unsrigen, viel schärfer beißenden aus, so daß wir sehr wohl die Sehnsucht der in der Wüste hungernden und durstenden Juden nach dieser schmackhaften, saftigen Speise begreifen können. Wie vor Jahrtausenden kommen sie noch jetzt in Menge auf den Markt und können um geringes Geld selbst von den Ärmsten gekauft werden, um als meist roh genossene Zukost zum Brote zu dienen. Die ägyptischen Zwiebeln sind schneeweiß, besitzen namentlich jung äußerst zarte Häute, sind ungemein mild und besitzen durchaus nicht die Schärfe und den beißenden Geschmack, der unsere Zwiebelarten kennzeichnet. Auch der dortige Knoblauch ist sehr mild schmeckend. Schon Plinius rühmt den lieblichen, süßen Geschmack, den er in Ägypten und Palästina besitze. Wie die Zwiebel fand er bei den alten Ägyptern in zahlreichen Krankheitsfällen, selbst bei Zahnschmerzen, Verwendung.

Bild 18.
Gärtner, Zwiebeln zu Bündeln bindend.
Nach einem altägyptischen Gemälde in Beni Hassan. (Aus Lepsius, Denkmäler.)

Auch in späterer Zeit waren die Zwiebelgewächse in Vorderasien höchst wichtige und beliebte Gemüse. So wird uns von griechischen Schriftstellern berichtet, daß am persischen Hofe in Susa der Verbrauch von Zwiebeln und Knoblauch an der Tafel des Großkönigs und seines Gesindes ein gewaltiger war. So soll außer Kümmel, Silphion und anderen Würzen ein Talent Gewicht (26,2 kg) Knoblauch und ein halbes Talent Zwiebeln, letztere von der scharfen Art, als tägliches Bedürfnis des Hofes angesetzt gewesen sein. Das hohe Alter der Zwiebeln als Würzmittel bei den Völkern am Mittelmeer wird auch durch Homer bezeugt, der sie schon unter dem Namen krómmyon kennt. In der Ilias heißen sie Beiessen zum Mischtrank, den die schönlockige Hekamede dem durstig aus der Schlacht heimgekehrten Nestor bereitet, und dieser Held läßt (im 11. Gesange) seinen Gästen einen Tisch vorsetzen, auf dem sich neben frischem Honig und Brot „aus heiligem Mehl“ eine eherne Schüssel mit Zwiebeln (krómmyon) befand, „die zum Trunke trefflich munden“. Dabei stand ein mit Wein gefüllter Krug, in welchen noch Ziegenkäse auf einem Reibeisen gerieben und weißes Mehl darein gestreut war. In der Odyssee trägt der weit gereiste Odysseus eine prächtige Tunika „fein wie das Häutchen um die trockene Zwiebel“. Ebenso alt oder vielleicht noch älter als diese homerischen Stellen ist vermutlich der Name einer einst megarischen Ortschaft Krommyon, der jedenfalls von der dort in besonderer Menge oder Güte angebauten Zwiebel abzuleiten ist. In ganz Griechenland, wie später in Italien, waren die Zwiebelgewächse eine sehr beliebte Volksnahrung; aber mit der steigenden Bildung schlug bei den höheren Ständen die Vorliebe dafür in ihr Gegenteil um, und Zwiebel- und Knoblauchgeruch verriet den Mann aus dem niedrigen Volke. Wie der Lustspieldichter Aristophanes (455–387 v. Chr.) das bäuerliche Zwiebelessen geißelt, so verwünscht der feinfühlende Horaz (65–8 v. Chr.) den Knoblauch, den man künftig Verbrechern statt des Schierlings geben möge! Vermöge ihres durchdringenden Geruches und scharfen Geschmackes schrieb man den Zwiebelgewächsen im allgemeinen auch abergläubische Heilkraft zu, besonders die Fähigkeit, bösen Zauber zu brechen. Schon in der Odyssee wird die von den Menschen schwer, von den Göttern aber leicht zu grabende Pflanze móly mit schwarzer Knollenwurzel und milchweißer Blüte erwähnt, die dem Odysseus von Hermes zum Schutze gegen den Zauber der Kirke gegeben wurde. Damit ist jedenfalls Allium nigrum gemeint.

Die Sommerzwiebel oder gemeine Zwiebel (Allium cepa) ist in wildem Zustande nicht mehr bekannt; doch sind neuerdings durch kleinere Dolden ausgezeichnete Wildlinge in Zentralasien gefunden worden, die mit der Stammpflanze sehr nahe verwandt, ja vielleicht mit ihr identisch sein dürften. Jedenfalls ist das innere Asien ihre Heimat, von wo sie sich schon früh allseitig verbreitete. So wird sie im Chinesischen durch einen einzigen Buchstaben (tsung) bezeichnet, was nach Bretschneider auf ein sehr altes Vorkommen bei jenem Volke hinweist und sehr wahrscheinlich macht, daß diese Pflanze in den einst von ihnen vor ihrer im 3. Jahrtausend v. Chr. vor sich gegangenen Wanderung nach Osten innegehabten Ursitzen in Oasen am Südrande des Tarimbeckens zwischen Chotan und Lop-nor einheimisch war. Das Sanskrit kennt für die Zwiebel die drei Namen: palandu, latarka und sukandaka, was auf Invasion der Würzpflanze auf verschiedenen Wegen nach Altindien spricht. Wie von alters her wird die Zwiebel heute noch in ganz Asien in zahlreichen Varietäten mit runden, plattrunden oder birnförmigen Knollen angepflanzt. In bezug auf Geschmack gibt es alle Abschattierungen von sehr scharfen bis ganz milden Sorten. Schon bei den Mittelmeervölkern des Altertums wurden milde, süße und scharfe, herbe Zwiebeln unterschieden. Erstere, die noch jetzt hauptsächlich im Orient gezogen werden, lassen sich gut roh essen ohne irgendwie die Tränendrüsen zu reizen. Sie dienten auch den Kulturvölkern am Mittelmeer vorzugsweise als Volksnahrungsmittel, das bei den Griechen und Römern in besonderen Abteilungen des Gemüsegartens, bei ersteren krommyónes (vom griechischen krómmyon, Zwiebel), bei letzteren cepinae (vom lateinischen cepa, Zwiebel) genannt, gepflanzt wurde. Besondere fliegende Händler (griechisch krommyopóles, lateinisch ceparii) boten in den Straßen der Städte diese Ware feil und fanden guten Absatz. Schon der pflanzenkundige Theophrast im 4. vorchristlichen Jahrhundert unterschied mehrere Zwiebelarten, die er wie seine Zeitgenossen nach den Orten, von wo aus sie in den Handel kamen, benannte, so sardische, knidische, samothrakische, sethamische und askalonische Zwiebeln. Nach ihm war besonders die Insel Kimolos, nördlich von Melos, das uns die berühmte Venus von Milo im Louvre in Paris bescherte, durch ihre Zwiebelkulturen berühmt und erhielt daher den Beinamen Krommyúsa, d. h. Zwiebelinsel.

Nicht minder beliebt als in Griechenland waren die Zwiebeln auf der italischen Halbinsel, wo die Römer ausgedehnte Zwiebelgärten besaßen. Als geschätzte Speise siedelten sie dieses Küchengemüse auch in ihren Provinzen an. So brachten sie die Zwiebel als cepa zu Beginn der christlichen Zeitrechnung auch in die Länder nördlich der Alpen, speziell Germanien. Hier wurde sie aber erst zu Beginn des Mittelalters beim Volke gebräuchlicher unter dem Namen Zwiebel oder Bolle, was beides aus dem spätlateinischen cepulla (Diminutivum von cepa), wie das italienische cipolla, entstand. Allerdings schätzten die Deutschen dieses Gewächs viel weniger als die Romaioi im oströmischen Reiche, bei denen beispielsweise an der kaiserlichen Tafel in Byzanz der Zwiebelverbrauch so stark war, daß der langobardische Bischof Liudprand von Cremona in Oberitalien, der Gesandte des Deutschen Kaisers Ottos des Großen am Hofe Königs Nikephoros II. (963–969), sich daran stieß. „Der Beherrscher der Griechen“, sagt er in seinem Gesandtschaftsbericht vom Jahre 968, „trägt langes Haar, Schleppkleider, weite Ärmel und eine Weiberhaube..., nährt sich von Knoblauch, Zwiebeln und Lauch und säuft Badewasser (d. h. mit Wasser verdünnten resinierten, d. h. geharzten Wein)“. Und ein anderes Mal: „Er befahl mir zu seiner Mahlzeit zu kommen, die tüchtig nach Zwiebeln und Knoblauch duftete und mit (Oliven-) Öl und Fischlake besudelt war.“ Um dieselbe Zeit machte freilich ein Morgenländer, der Araber Ibn Hauqual, der die Hauptstadt von Sizilien, Palermo, besuchte, den Einwohnern dieser Stadt den Vorwurf, daß sie morgens und abends rohe Zwiebeln äßen, wodurch ihr Gehirn verstört und ihre Sinne abgestumpft würden. Man sehe das an ihrem Benehmen und an ihrem Aussehen. Sie trinken lieber stehendes als laufendes Wasser, scheuen sich vor keiner stinkenden Speise, sind schmutzig am Leibe, ihre Häuser sind unrein, in den prächtigsten Wohnungen laufen die Hühner herum usw.

Auch im Abendland werden eine Menge von Kulturvarietäten der Zwiebel angepflanzt. Die bemerkenswertesten darunter sind die gewaltig große, rötliche bis weiße, fast kugelige Madeirazwiebel von mildem, süßem Geschmack, aber im Winter nicht haltbar und nur in wärmeren Gegenden ihre volle Größe erreichend, und die leider ebenfalls nicht haltbare Bellegarde von ovaler Form, oft von 50 cm Umfang und 1,5 kg Gewicht, mit feinem, süßem Fleisch. In der ganzen Kulturwelt werden die Zwiebeln als Küchengewürz benutzt, in Süd- und Osteuropa dagegen roh oder geröstet wie Obst oder Gemüse gegessen. Sie enthalten ein schwefelhaltiges ätherisches Öl und wirken dadurch in Übermaß reizend auf den Magen, erzeugen übelriechende Atmung und Ausdünstung. Die Vermehrung geschieht durch die sogenannten Steckzwiebeln, kleine Zwiebelchen, die sich nach der Aussaat im ersten Jahre bilden und, im zweiten Jahre ausgesetzt, die küchenfähige Zwiebel liefern. In Essig eingemacht kommen sie unter dem Namen Perlzwiebeln in den Handel.

Im ganzen milder als diese zweijährige gemeine oder Sommerzwiebel schmeckt die ausdauernde Winterzwiebel oder der Röhrenlauch (Allium fistulosum) mit mehreren länglichen, nebeneinander stehenden Zwiebeln, sonst der vorigen ähnlich. Sie stammt aus dem südlichen Sibirien, vom Altai bis nach Daurien, und kam erst am Ausgang des Mittelalters über Rußland nach Europa. Im 16. Jahrhundert gab Dodoens eine wenig kenntliche Abbildung von ihr. Weil sie sich sehr stark vermehrt und winters im freien Lande aushält, wird sie in Gärten häufig kultiviert; doch benutzt man meist nur die Blätter als Küchengewürz und zum Füttern von jungen Truthühnern.

Die Schalotte (Allium ascalonicum) — deutsch auch Aschlauch — hat ihren Namen von der Stadt Ascalon, wo sie früher viel gebaut wurde und von wo aus sie durch Kreuzritter nach Europa gebracht wurde. Sie wird nirgends mehr wild gefunden und scheint eine mit der gemeinen Zwiebel verwandte Form zu sein, die schon im Altertum in Syrien, Palästina und Kleinasien gepflanzt wurde. Die vorderasiatischen Semiten waren von jeher wie heute noch die Juden große Zwiebelfreunde und pflanzten und aßen sie in Menge. Ammianus Marcellinus erzählt uns aus dem Leben des Kaisers Marcus Aurelius, daß, als er auf einer Reise nach Ägypten im Jahre 175 n. Chr. durch Palästina kam, ihm der Gestank und Lärm der Juden so lästig wurde, daß er schmerzlich ausgerufen haben soll: „O Markomannen, Quaden und Sarmaten (es sind dies Stämme, die er vor kurzem besiegt hatte), habe ich doch noch schlimmere Leute als ihr seid gefunden!“ — Noch heute werden die Zwiebelgewächse von den Israeliten, wie auch von den Orientalen und Russen sehr geschätzt. Die Schalotten haben pfriemenförmige und nicht aufgeblasene Blätter wie die vorigen, sind ausdauernd und werden, da bei uns der Same nicht reift, durch Brutzwiebeln fortgepflanzt. Die Zwiebeln mit äußeren braungelben und inneren violetten Hüllen schmecken milder und feiner als die gewöhnlichen Zwiebeln und werden als besseres Küchengewürz benutzt. Um sie ein Jahr lang zu erhalten, dörrt man sie über dem Ofen.

Der Porree oder die Welschzwiebel (Allium porrum) mit weißer, rundlicher Zwiebel, fast ohne Nebenzwiebeln und hellpurpurroten, statt wie bei der Schalotte violetten Blüten, ist eine Kulturform des im Mittelmeer heimischen Allium ampeloprasum, welche Art als Sommerporree gepflanzt wird und pikanter als der gemeine Porree schmeckt. Wie Zwiebeln und Knoblauch wurde der Porree schon im Altertum in Gärten kultiviert und besonders im Orient sehr geschätzt. Die alten Ägypter nannten ihn edsche und auch im Alten Testament wird er mehrfach erwähnt. Bei den Griechen hieß er prasiás, bei den Römern dagegen porrum und hatte nach Plinius bei letzteren besonders dadurch ein hohes Ansehen erlangt, daß ihn Kaiser Nero seiner Stimme wegen in jedem Monat an bestimmten Tagen mit Öl aß und dabei gar nichts anderes, nicht einmal Brot, genoß. Derselbe Autor meldet, daß der römische Ritter Mela, als er wegen schlechter Verwaltung seiner Provinz vor den Kaiser Tiberius gefordert wurde, sich in der Verzweiflung damit vergiftete, daß er soviel Porreesaft trank als drei Silberdenare wiegen. Er sei dann auf der Stelle und ohne Schmerzen gestorben. Sonst galt der Porree den Alten — nach Dioskurides am besten gekocht, wobei das Wasser zweimal abgegossen wurde, und dann in kaltes Wasser gelegt — als schleimlösendes Mittel bei Husten und wurde nach Columella, mit Öl und Gersten- oder Weizenmehl vermischt, zu demselben Zwecke dem Rindvieh gegeben. Der bissige Epigrammendichter Martial (40–120 n. Chr.), der aus seiner spanischen Heimatstadt Bilbilis zur Zeit Neros nach Rom kam und Schmeichler und Günstling der auf jenen folgenden Kaiser war, rät einem Freunde: „Hast du stinkenden Porree gegessen, so schließe wenigstens den Mund, wenn du jemand küssen willst.“

Wichtiger als er ist der Knoblauch (Allium sativum), der in der Dsungarei in Zentralasien heimisch ist und, wie wir bereits feststellten, schon bei den ältesten Babyloniern und Ägyptern gepflanzt wurde. Er ist ausdauernd, hat breitlineale, flache Blätter und eine Blütendolde, in der zwischen zahlreichen Zwiebelchen wenige weißlichrosenrote Blüten stehen, die keinen Samen entwickeln. Er kommt bei uns verwildert vor und wird wie die vorigen am besten in sandigem Boden kultiviert. Mit den Zwiebeln wurde er schon im hohen Altertume bei den alten Kulturvölkern Vorderasiens und in Ägypten angebaut. Im Sanskrit hieß er mahuschuda, bei den Juden schumin, bei den Griechen skórodon, bei den Römern allium, das dann in die verschiedenen Sprachen lateinischen Ursprungs überging, z. B. italienisch aglio, französisch ail. Die Mitteleuropäer kannten ihn schon bevor die Römer ihre Kultur über die Alpen brachten. Lauch ist ein gemeingermanisches Wort, das vornehmlich Knoblauch bezeichnet, der den Germanenstämmen eine beliebte Würze bildete. Beklagt sich doch schon der byzantinische Gesandte Sidonius Apollinaris über den üblen Geruch des germanischen Volkes der Burgunder vom vielen Lauch- und Zwiebelnessen. Nach Plinius wurde er viel als Arznei angewandt, besonders auf dem Lande. Esse man ihn ungekocht, so gebe er dem Atem einen sehr unangenehmen Geruch. Der Schriftsteller Menandros behaupte zwar, man könne dem Munde den Knoblauchgeruch nehmen, wenn man geröstete Runkelrüben hernach kaue. Um ihn und die Küchenzwiebel lange aufzubewahren, befeuchte man sie mit lauem Salzwasser oder hänge sie eine Zeitlang zum Dörren über glühenden Kohlen auf; manche höben den Knoblauch auch in Spreu auf. Auf den Feldern wachse wilder Knoblauch, den man alum nenne. Man koche ihn und werfe ihn aus, wo Vögel der Saat Schaden zufügen; diejenigen, welche davon fräßen, würden alsbald betäubt, so daß man sie mit Händen greifen und unschädlich machen könne.

Schon im Altertum aß das gemeine Volk in den Mittelmeerländern wie noch heute gern den Knoblauch, der bei den Griechen und Römern in besonderen, griechisch skorodṓnes, lateinisch alliinae genannten Abteilungen des Gemüsegartens gepflanzt und durch ambulante Knoblauchhändler (griechisch skorodopṓles, lateinisch alliarii) verkauft wurde. Noch in unseren Tagen lebt der arme Grieche oft wochenlang vom Genusse des Knoblauchs. Die Geizigen gaben ihren Sklaven Knoblauch zu essen, wie uns die Schriftsteller mehrfach berichten, und eine skorodálmē genannte Brühe aus Knoblauch und Salz gehörte zu den altgriechischen Volksgerichten. So beliebt er aber beim ungebildeten, armen Volke war, so sehr wurde er wegen seines starken Duftes von den gebildeten, vornehmen Kreisen verabscheut und sein Geruch von ihnen durchaus verpönt. Allium olet, der Knoblauch stinkt, war eine Redensart, mit der ihn diese Kreise besonders im reichen Rom abweisend kennzeichneten. In einer Komödie des lateinischen Dichters Plautus (254–184 v. Chr.) wird ein Mann aus dem Volke mit dem Ausruf angeschnauzt: „Mensch, schere dich zum Teufel, du stinkst nach Knoblauch!“ Und Marcus Terentius Varro, der fruchtbarste und bedeutendste Gelehrte Roms (116–27 v. Chr.) sagt in einer seiner Schriften: „Unsere Väter und Urgroßväter waren recht brave Leute, obgleich ihre Worte einen derben Knoblauch- und Zwiebelgeruch hatten.“ Feinfühlige Römer der späteren Zeit entsetzten sich ob dieses plebejischen Genußmittels; so läßt der Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) in einer seiner Epoden seinen Gönner Maecenas, den Freund des Kaisers Augustus, der ihm sein Landgut Sabinum schenkte, wissen: „Du hast mich, mein verehrter Gönner, Maecenas, mit einem Futter bewirtet, das giftiger ist als Schierling und tödlicher als Vipernblut; du hast mir Knoblauch zu essen gegeben, dieses Teufelszeug, das die harten Eingeweide der Schnitter vielleicht verdauen können, das aber in meinem Leibe wie ein wütendes Ungeheuer tobt, dieses Teufelsgift, mit dem Medea einst den Jason so gräßlich beschmierte, daß selbst die feuerschnaubenden Stiere sich nicht an ihn wagten. Wart, verehrter Gönner, wenn du dir wieder so ein Knoblauchspäßchen mit mir erlaubst, so werde ich meinerseits dir alles mögliche Unheil an den Hals wünschen.“

Heute sind nur noch die Juden, wie auch die Russen und Türken besondere Freunde des Knoblauchs, der sonst wegen seiner widerwärtigen, lange anhaltenden Ausdünstung auch bei den Kulturvölkern des Abendlandes in Verruf erklärt ist. Er wird in verschiedenen Varietäten kultiviert, von denen der spanische Lauch und der Schlangenlauch die feinsten sind. Letzterer liefert die Perlzwiebeln oder Rockambolen (aus dem italienischen rocambole), die stets nur durch Zwiebelbrut fortgepflanzt werden können. Wie der Knoblauch wird auch der in Südeuropa wild wachsende Sandlauch (Allium scorodoprasum) kultiviert und als Küchengewürz verwendet. Die Italiener nennen ihn agliporro. Der auch von uns vielfach benutzte Schnittlauch (Allium schoenoprasum) mit kleinen, weißen, länglichen, in Büscheln beisammenstehenden Zwiebeln, einen Rasen bildenden hohlen Blättern und wenig höheren Blütenschäften von rotvioletten Blüten wächst auf Gebirgswiesen in ganz Europa bis nach dem südlichen Schweden, in Sibirien bis nach Kamtschatka und auch in Nordamerika, da aber nur in der Nähe der kanadischen Seen. Nach De Candolle steht die in den Alpen vorkommende Form der angebauten am nächsten. Von den Alten wurde sie nicht angepflanzt, höchstens etwa auf freiem Felde gesammelt und als Medizin oder Küchengewürz verwendet. Erst im Mittelalter wurde sie zur Kulturpflanze erhoben und wird heute auch in Norditalien als erba cipollina gezogen. Die kleinen, dichtgedrängten Zwiebelchen setzen einen umfangreichen Wurzelstock zusammen, dessen röhrenförmige Blätter man wegen ihres angenehm würzigen Geschmacks abschneidet, um sie als Würze in die Suppe zu tun oder dem Salat beizufügen. Nicht zu tief abgeschnitten, wachsen sie bald wieder nach und bilden daher ein sehr dankbares Gartengewächs.

Schon von den alten Ägyptern, Griechen und Römern wurde der Spargel (Asparagus officinalis) als geschätzte Gemüsepflanze gezogen. Diese Pflanze, die von Spanien bis zur Dsungarei und vom Mittelmeer bis Norwegen besonders an Flußufern wild wächst, treibt im Frühjahr aus dem Wurzelstock fleischige, saftige, weißliche oder blaßrote bis grünliche Sprosse, Pfeifen genannt. Diese verlängern sich über der Erde in den reich verzweigten, grünen, bis 1,5 m hohen glatten Stengel, an welchem im Herbste zahlreiche rote Beeren erscheinen. Nachdem man anfänglich nur die saftigen Sprosse des wildwachsenden Spargels gesammelt, wurde diese Pflanze früh aus der Wildnis in die Gärten übernommen und durch Kultur veredelt. Dabei suchte man auf künstlichem Wege durch Behäufeln mit Erde oder tiefes Setzen der Pflanzen die so bleich bleibenden jungen Sproßspitzen möglichst lang und fleischig zu erhalten und stach sie mit eigenen Spaten ab, sobald sie die Oberfläche des Bodens erreichten. So treffen wir den Kulturspargel bereits unter den Opfergaben im Grabe der Stufenpyramide von Sakkara aus der 5. Dynastie (2750–2625 v. Chr.) abgebildet. Da liegen auf einem Tische neben Feigen, Flaschenkürbissen und länglichen gerippten Aggurmelonen dreifach gebundene Spargelbündel, damit der Verstorbene, der sie im Leben gern aß, auch im Tode nicht entbehre. Auf einer anderen Darstellung sind sogar die Blattschüppchen des sonst blattgrünfreien, weißen Sprosses mit hellgrüner Farbe angedeutet.

Bild 19. Ägyptische Opfergaben.
Seitlich links und rechts oben und unten Flaschenkürbisse (Lagenaria vulgaris), zwischen den beiden oberen eine Aggurmelone (Cucumis chate); darüber ein Bündel Spargeln.
(Nach Woenig.)

Bei den Griechen hieß der Spargel aspáragos, d. h. der nicht Gesäte, weil man ihn damals schon durch Stecklinge in den Gärten fortpflanzte. Das ungebildete Volk in Griechenland glaubte nach dem Berichte des Dioskurides durch Tragen eines Spargelsprosses als Amulett unerwünschten Kindersegen fernhalten zu können; auch wurde er bei mancherlei Krankheit als Heilmittel eingenommen. In seiner Schrift über den Landbau gibt uns der ältere Cato (234–149 v. Chr.) ausführliche Mitteilungen über seinen Anbau und rät als besten Dung für ihn den Schafmist, da anderer Mist Unkraut erzeuge. Daß er so eingehend über ihn spricht, beweist, daß diese von den wohllebenden Griechen Unteritaliens eingeführte Kultur damals bei den Römern noch neu war. Noch um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts wurde nach Plinius und Columella der wildwachsende Spargel, weil als Arznei wirksamer als der gezähmte, gesammelt. Plinius sagt, den Spargel (corruda) lasse die Natur wild wachsen, damit ihn jeder nach Belieben stechen könne; jetzt aber stelle man künstlich gezogenen Spargel (asparagus) zur Schau, von welchem der in Ravenna gezogene „gemästete“ so dick werde, daß drei Stück zusammen ein Pfund wiegen (was für das Stück 115 g ausmacht). Sein Genuß solle dem Magen wohltun; auch genieße man ihn bei Bauchweh mit einem Zusatz von römischem oder Kreuzkümmel (cuminum), oder koche ihn mit Wein. Suetonius berichtet uns, daß der Kaiser Augustus, wenn er sagen wollte, es müsse etwas schnell fertig werden, er den Ausdruck zu gebrauchen pflegte: „schneller als Spargel beim Kochen gar wird“. Wie diese Spargeln der Römer ausgesehen haben, das lehren uns verschiedene Küchengegenstände darstellende Wandgemälde in Pompeji, auf denen man solche in Bündel zusammengebunden neben Zwiebeln, Rettichen, Rüben und einer Art kleiner Kürbisse abgebildet findet. In Böotien pflegten einst Neuvermählte mit Kränzen aus Spargelkraut geschmückt zu werden, wohl um anzudeuten, daß das Rohe durch Kultur verfeinert werde, wie die Ehe und die Familie die Sitten der Völker veredle.

Wie schon das aus dem lateinischen asparagus abgeleitete Wort Spargel beweist, haben die Römer den Spargelbau nach Gallien und Germanien gebracht. Aber wegen seiner anspruchsvollen Kultur konnte er hier kein allgemein gebräuchliches Gemüse werden, sondern blieb ein Luxusgemüse der Vornehmen. Erst im 10. Jahrhundert hören wir überhaupt wieder etwas vom Anbau des Edelspargels in Mitteleuropa. Doch begann er erst im 16. Jahrhundert hier als Leckerei aufzukommen. So schreibt der deutsche Geistliche Hieronymus Bock (nach der damaligen Sitte der Gelehrten in Tragus latinisiert, 1498 bis 1554) in seinem 1539 erschienenen „New Kreutterbuch“ vom Spargel als eines „gemeinen Sallats (einer mit Salz angemachten Speise) der Walen (Welschen) und Hispanier, der nunmehr auch, wie andere Leckerbißlein ins Teutschland kommen ist, ein lieblich Speis für die Leckermäuler“. Sein Schüler Tabernaemontanus (nach seinem Geburtsort Bergzabern so genannt, starb 1590 als Leibarzt des Pfalzgrafen Johann Kasimir bei Rhein in Heidelberg) gibt in seinem erst nach seinem Tode 1613 herausgegebenen Kräuterbuch, auf Cato gestützt, Kulturanweisungen des Spargels, von dem er berichtet, daß er „im Rheingau bei Weynhagen um denen feuchten Wiesen so überflüssig gezogen wurde, datz mann ihn zur Spais genugsam bekommen könnte“. Er schreibt seinem Genusse heilkräftige Wirkung auf die Nieren zu und beruft sich dabei als Gewährsmann auf Serenus Sammonicus, den Leibarzt des römischen Kaisers Caracalla (Sohn des Septimius Severus, bestieg 211 23jährig mit seinem Bruder Geta, den er im Jahre darauf ermorden ließ, den Thron und wurde 217 auf Anstiften des Macrinus bei Edessa selbst ermordet), der Spargelköpfe in Wein bei Erkrankung der Nieren empfohlen habe. Weil sie harntreibend wirken empfahl sie auch der Arzt Becher 1663 in seinem Parnassus medicinae als Stärkungsmittel der Nieren, das sich auch für Leber und Milz nützlich erweise.

Erst in der Neuzeit hat der Spargel als geschätztes feineres Gemüse in weiteren Kreisen Verbreitung gefunden, und zwar nahmen zuerst einige Städte am Mittellauf des Rheins, besonders Mainz, wo er heute noch sehr viel und in besonderer Güte gezogen wird, seine Kultur auf. Von da an drang sein Anbau ostwärts durch ganz Deutschland, so daß er hier heute überall auch auf den Tisch der bürgerlichen Kreise gelangt, während er früher nur den Vornehmen erreichbar war. Er wird in großen Plantagen in mehreren Varietäten gepflanzt, und zwar am ausgedehntesten um Braunschweig, Erfurt, Berlin, Lübeck, Ulm und Argenteuil bei Paris, wo teilweise auch Riesenformen, die denjenigen von Ravenna in römischer Zeit durchaus ebenbürtig sind, gezogen werden. Um Erfurt herum sind weit über 2000 ha Land der Spargelkultur gewidmet. Da nun ein Hektar durchschnittlich mit 25000 Pflanzen besetzt ist, von denen jede einzelne ¼–½ kg Stangen liefert, so kann man sich einigermaßen vorstellen, um welche Mengen dieses zarten, wohlschmeckenden Gemüses es sich hier handelt. Dabei bezahlt der Importeur genannte Zwischenhändler 25–50 Mark, später wohl auch nur 15 Mark für 50 kg. Und er verkauft sie wieder zu einem solchen Preise, daß auch der Minderbemittelte sich gelegentlich diesen Leckerbissen verschaffen kann.

Ein lockerer, durchlässiger, gut gedüngter Boden eignet sich am besten zur Spargelkultur. Das Saatgut wird in Zwischenräumen von 30–35 cm gestreut, um den Wurzeln Spielraum zu lassen. Die Zwischenräume werden mit Kompost ausgefüllt. Nach 3–4 Wochen erscheinen die jungen Keime. Nun werden die Schwächlinge unter ihnen ausgerodet und nur die als „Klauen“ bezeichneten kräftigen Keimlinge, die starke Wurzeln ansetzen, weiter gepflegt und mit gelegentlichen Düngergüssen gespeist. Nach drei Jahren kann die erste, bescheidene Ernte gehalten werden, die bis 25 Jahre hindurch alle Frühjahre wiederholt wird, wenn aus den Klauen die „Pfeifen“ genannten jungen Sprosse ausbrechen und dem Lichte entgegenstreben. Beim wilden Spargel, der nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche wurzelt, sind natürlich die Pfeifen dementsprechend kurz. Beim kultivierten jedoch sitzt die Wurzel tiefer in der Erde, auch wurde noch ein Erdhügel über sie geschichtet, der sich als Wall — denn eine Wurzel liegt neben der anderen in kurzen Abständen — lang hinzieht, so daß die ganze Plantage aus Wällen und dazwischen gelegenen Gräben besteht. So muß der junge Sproß erst einen langen Weg durch das Erdreich zurücklegen, ehe er das Licht der Sonne erblickt. Doch dazu läßt es der Züchter gar nicht kommen. Er sticht ihn ab, bevor er zutage tritt. Denn nur solange der Sproß in der Erde steckt, besitzt er eine zarte, weiße Farbe. Sobald die Sonne ihn trifft, wird er violett und grün. Darum gehen die Spargelstecher morgens vor Sonnenaufgang hinaus aufs Feld und spähen sorgsam nach den feinen Rissen im Boden, die bekunden, daß hier ein Sproß durchbrechen will. Dann graben sie ihn sorgfältig aus und schneiden oder brechen ihn dicht an der Klaue ab. Der gestochene Spargel wird dann gewaschen und in ausgemauerten Erdgruben aufbewahrt, wenn nicht gleich verpackt und auf den Markt gebracht. Statt wie früher nur einige Wochen, dauert die Stechzeit heute volle zwei Monate. Sehr viel Spargeln werden von den Konservenfabriken, von denen Braunschweig allein über 30 mit mehr als 3000 Arbeitern zählt, verarbeitet, indem sie, zuerst geschält und einige Minuten in Wasser gekocht, in Büchsen mit schwach gesalzenem Wasser übergossen, eingelötet und darin noch anderthalb Stunden in kochendes Wasser gelegt werden. So halten sie sich jahrelang und schmecken auch dem verwöhntesten Gaumen wie frische. So kann man sie das ganze Jahr über zu so billigem Preise kaufen, daß heute die noch in den 1870er Jahren mit großem Gewinn betriebene Spargeltreiberei in Mistbeeten zwecklos geworden ist und nur noch aus alter Gewohnheit von einigen Herrschaftsgärtnern betrieben wird.

Die Spargelliebhaber, die ihn als Salat oder mit dicken Saucen vorziehen, sind in der Minderheit. Die meisten lieben das Gericht, wenn es in Salzwasser gekocht und mit brauner Butter übergossen wird, so wie es schon John Gray im 17. Jahrhundert seinen Landsleuten, den Engländern, empfahl: „Die Sprosse oder jungen Keime des Spargels, leicht gekocht und mit Butter angerichtet, empfehlen sich dem Gaumen durch köstlichen Geschmack und werden im Frühjahr unter den Speisen hochgeschätzt.“ Doch, wenn auch in der Zubereitung des Spargels die Ansichten zumeist ungeteilt sind, so gehen sie doch bei der Beurteilung der einzelnen Qualitäten wesentlich auseinander. Denn nicht alle Völker lieben gleich uns die weißen Spargelköpfe. In Frankreich, in Italien und auch in Süddeutschland bevorzugt man den Spargel, dessen Köpfe schon von der Sonne grün oder violett gefärbt wurden, da diese mehr Asparagin angesammelt haben und einen strengeren Geschmack besitzen. Neuerdings beginnen diese „französischen Spargelspitzen“, wie sie von Argenteuil aus in Menge nach Paris und den anderen großen Städten ausgeführt werden, sich auch bei uns einzubürgern.

Bekanntlich verleiht der Spargel dem in größerer Menge abgesonderten Harn einen eigentümlichen, an Veilchen erinnernden Geruch. Das feine, zarte Laubwerk, aus welchem im Juli kleine, gelblichweiße Blüten hervorschauen, um im Herbst erbsengroße, rote Beeren hervorgehen zu lassen, dient zur Garnierung von Sträußen. Aus den kleinen, schwarzen Samen, die für den Spargelzüchter als Aussaatgut von Wert sind, wurde zur Zeit der von Napoleon I. im Jahre 1806 zur Schädigung des englischen Handels verhängten Kontinentalsperre ein Kaffeesurrogat hergestellt, das aber keinen besonders guten Geschmack gehabt haben muß; denn man ging rasch nach der Aufhebung der Sperre wieder zur anregenden Kaffeebohne zurück. Übrigens werden im Mittelmeergebiet auch die ersten zarten Triebe mehrerer anderer Arten wie diejenigen des gemeinen Spargels benutzt.

Ein Genußmittel mehr der Reichen ist bei uns auch die Artischocke (Cynara scolymus), nach dem italienischen articiocco von uns so genannt. Dieses ausdauernde, 1 m hohe Distelgewächs mit violetten Blüten und großen, unterseits weißfilzigen Blättern stammt aus Nordafrika. Nach dem griechischen, um 200 n. Chr. in Alexandria lebenden Grammatiker Athenaios hatten die Soldaten des ägyptischen Königs Ptolemaios Euergetes I., der von 247–221 regierte, in Libyen eine Menge wilder kýnara gefunden und sich damit ernährt. Jener König, der ein Schüler des großen Philosophen Aristarch war, sagt im zweiten Buche seiner Schriften: „In der Gegend von Berenice in Libyen ist der Fluß Lethon, in dessen Umgebung die bunte Distel (kínara) — eine Art wilde Artischocke — sehr häufig wächst. Alle Soldaten, die ich bei mir hatte, sammelten sie, reinigten sie von den Stacheln, verzehrten sie und boten auch mir davon an.“

Schon im alten Ägypten wurde sie häufig angepflanzt und findet sich in der verschiedensten Weise an den Wänden der Grabkammern abgebildet. In seinem Buch über „die Pflanzen im alten Ägypten“ schreibt Franz Wönig: „Auf den Opfertischen, Fruchttabuletts und in den Gemüsekörben fehlt der längliche, runde Blütenkopf der Artischocke nur selten. Ich habe mir von altägyptischen Monumenten bisher 35 verschiedene Modifikationen derselben kopieren können. Sie tritt ebenso oft in der sorgsamsten Ausführung, wie im flüchtigen Umriß auf. Auf farbigen Darstellungen erscheint der Kopf der Artischocke dunkelgrün oder lebhaft grün koloriert; mehrfach sind auch die einzelnen Hüllblätter noch besonders umrandet.“ Auch sehr große Formen müssen bereits damals im Niltal gepflanzt worden sein, was uns des um 25 n. Chr. verstorbenen griechischen Geographen Strabon Mitteilung, daß die Artischocken in Maurusea (Nordafrika) zwölf Ellen hoch und zwei Handbreiten dick werden, einigermaßen begreiflich erscheinen läßt; denn unter günstigen Kulturbedingungen erreicht die Pflanze tatsächlich eine gewaltige Größe und Stärke.

Bild 20. Artischockenformen von altägyptischen Wandmalereien.
(Nach Woenig.)

Als skólymos kannten sie die Griechen und später als carduus auch die Römer. Plinius nennt die Artischocke ausdrücklich eine Speisepflanze der orientalischen Völker. Und durch Vermittelung des Handels mit Ägypten muß dieses Gemüse auch zuerst nach Griechenland gelangt sein, wo es neben der schon früher von ihnen als Gemüse benutzten und kýnara genannten bunten Distel (Scolymus maculatus) angepflanzt wurde. Daß diese Überführung der Artischocke von Ägypten nach Griechenland bereits vor dem 8. vorchristlichen Jahrhundert erfolgte, beweist jenes überaus anmutige Gedicht des im 8. Jahrhundert v. Chr. lebenden, aus Askra in Böotien gebürtigen griechischen Dichters Hesiod, worin es heißt: „Sobald die Zeit der Getreideernte da ist, wetze die Sicheln, wecke das Gesinde, verlaß die schattigen Sitze und den Morgenschlaf. Eile, die Getreidefrucht nach Hause zu schaffen, damit es dir nicht an Nahrung zum Lebensunterhalte fehle. Steh frühe auf! denn die Morgenröte nimmt nur ein Drittel der Arbeit in Anspruch. Die Morgenröte fördert jede Arbeit. Wenn die Artischocke (skólymos) blüht, die Zikade auf den Bäumen ihren schwirrenden Gesang ertönen läßt, die Zeit des arbeitsvollen Sommers da ist, die Hitze Kopf, Glieder und Leib austrocknet, dann setze dich in eine schattige Höhle, labe dich an Wein von Naxos, den du mit klarem Quellwasser mischest, an Maza (d. h. einem aus in Wasser gekochtem Gerstenschrot oder Weizenmehl hergestelltem Brei), Milch und gebratenem Rindfleisch und befiehl den Knechten, die heilige Frucht der Demeter (d. h. Mutter Erde) auf der gut geebneten Tenne im Luftzuge zu dreschen. Die ausgedroschenen und geworfelten Körner miß sorgfältig ab und verwahre sie gut.“ Es müssen die Artischocken, von denen hier die Rede ist, kultivierte Exemplare gewesen sein; denn nach dem Begründer der Botanik, Theophrast, im 4. vorchristlichen Jahrhundert, ist die von ihm als kaktos bezeichnete wilde Verwandte der Artischocke nur in Sizilien und nicht in Griechenland zu finden.

Bei den Römern der Kaiserzeit bildeten die Artischocken eine Speise der Reichen, für deren Zubereitung der unter Tiberius (der von 14 bis 37 n. Chr. regierte) lebende römische Feinschmecker Apicius, der Verfasser eines einst von den Vornehmen viel gebrauchten Kochbuches, so viel Rezepte gab, daß er damit den Unwillen der weniger materiell angelegten gebildeten Zeitgenossen hervorrief. Nach Plinius, der uns solches überliefert hat, zog man dieses feine Gemüse besonders bei Karthago in Nordafrika und Corduba (dem jetzigen Cordoba) in Südspanien, wobei man auf einem kleinen Felde für 6000 Sesterzien (etwa 900 Mark) Artischocken gewinnen konnte. Zugleich berichtete er uns, daß sie in einer Mischung von Wasser und Honig mit Silphium und Kreuzkümmel konserviert werden. Die fleischigen Hüllkelchblätter und den Blütenboden der vor ihrer Entfaltung geernteten Blüten empfiehlt auch der berühmte griechische Arzt Galenos in Rom in der zweiten Hälfte des 2. christlichen Jahrhunderts, mit Koriander, Wein, Olivenöl und der berühmten Fischsauce garum angemacht, zu essen. Der Römer Palladius um 380 n. Chr., der Verfasser eines noch im Mittelalter vielfach benutzten Werkes über den Landbau, empfiehlt den Samen der Artischocke (carduus) im Februar oder März bei zunehmendem Mond in ein schon vorbereitetes Beet, je einen halben Fuß voneinander, mit der Spitze nach oben, nur bis zum ersten Fingergelenk in die Erde zu stecken, nachdem man sie zuvor drei Tage lang mit Lorbeeröl, Nardenöl, Opobalsamum (Mekkabalsam), Rosensaft und Mastixöl befeuchtet und getrocknet habe. Durch letzteres Verfahren erhielten sie den Wohlgeschmack der angewandten Mittel. Diese Pflanze liebe einen gedüngten, lockeren Boden, sei aber in einem festen sicherer gegen Maulwürfe und andere feindliche Tiere geschützt. Jedes Jahr trenne man die jungen Triebe vom alten Stock und lasse ihnen dabei etwas Wurzel. Die Blütenköpfe, deren Samen man zur Aussaat sammeln wolle, müsse man mit einer Decke versehen, damit Sonne und Regen die Samen nicht verderben; auch müsse man solchen Pflanzen alle jungen Triebe nehmen, damit die zur Ausbildung kommenden Blütenköpfe recht groß würden.

Während des Mittelalters haben die Völker Europas die Artischocke als Gemüse nicht gekannt, während sie innerhalb des Bereiches der Araberherrschaft kultiviert wurde. Sie kam dann mit den Sarazenen nach Sizilien und Spanien. Von Süditalien drang sie um 1466 nach Florenz, 1473 nach Venedig, zu Anfang des 15. Jahrhunderts nach Frankreich und später auch nach England vor. Heute wird diese Gemüsepflanze in mehreren Varietäten kultiviert, und zwar am besten aus im Januar in Töpfen gesäten Samen. Die an ihrer Basis samt dem Blütenboden durch Kultur fleischig gewordenen Hüllblätter bilden namentlich in Frankreich, wo die artichaut eine große Rolle spielt, in Fleischbrühe gekocht oder in Öl gesotten ein geschätztes Gemüse. Auch sind sie in Italien wie in den übrigen Mittelmeerländern ein beliebtes Gericht, das überall zu billigem Preise zu haben ist und geradezu als ein Volksnahrungsmittel bezeichnet werden darf.

Eine sehr nahe Verwandte der echten Artischocke ist die Cardone oder spanische Artischocke (Cynara cardunculus), die in Marokko und den Küsten des östlichen Mittelmeerbeckens heimisch ist und dort von den Arabern zur Kulturpflanze erhoben wurde. Sie ist der vorigen sehr ähnlich, nur höher im Stengel und mit kleinen Blütenköpfen. Von ihr werden die Herzblätter und markigen Stengel- und Blattstielteile in verschiedener Zubereitung genossen. Um recht bleich und zart zu werden, wird die Pflanze drei Wochen vor der Ernte mit Stroh umwickelt und möglichst hoch behäufelt, so daß nur die Spitze derselben hervorschaut. Dies geschieht im September. Die Kultur der Cardone kam noch später als diejenige der Artischocke nach Mitteleuropa, welch letztere im 16. Jahrhundert von Italien aus zuerst bei den Vornehmen aufkam und sich mit der Zeit auch die Bürgerkreise eroberte.

Ebenso jungen Datums ist die Kultur der Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica), deren wissenschaftlicher botanischer Name auf eine Herkunft von Spanien hindeutet. Sie wächst wild in ganz Süd- und Mitteleuropa bis zum Kaukasus, wird 60–90 cm hoch, hat schmale Blätter und goldgelbe Blüten. Ihre außen schwarze und innen weiße, von Milchsaft wie die ganze Pflanze durchzogene Wurzel wurde früher arzneilich benutzt, dient jedoch in der Gegenwart, im Herbste des ersten oder zweiten Jahres herausgenommen, als schmackhaftes Gemüse. Wegen ihrer geringen Ausgiebigkeit wird sie vorzugsweise von den wohlhabenden Städtern konsumiert und ist auf dem Lande wenig bekannt. In Gegenden, wo die Kultur des weißfrüchtigen Maulbeerbaums Schwierigkeiten bereitet, werden die Blätter als Ersatzfutter für die Seidenraupen verwendet.

Gleichfalls erst seit der Neuzeit werden bei uns mehrere Kulturformen des Rhabarbers (Rheum undulatum und rhaponticum) der starken, saftigen Blattstiele wegen als Küchengewächs angebaut und bilden, besonders im April und Mai, wenn das Obst selten und teuer ist, einen einträglichen Marktartikel. Von ihrer Oberhaut befreit bilden die an der Basis roten Stengel, in Scheiben geschnitten und mit Zucker gekocht, eine angenehm säuerliche Speise, die als Kompott oder Kuchen gegessen wird, auch zur Füllung von Pasteten dient. Besonders in England und Frankreich wird der Rhabarber in vielen Spielarten angebaut und dient in ersterem Lande, wie auch in Schlesien, zur Weinbereitung. Vielfach hält man ihn auch bloß seiner schönen, großen Blätter wegen als Zierpflanze in Anlagen, ohne die Stengel zu verwerten.

In Nordindien, in den Landschaften am Fuße des Himalaja, ist die gemeine Gurke (Cucumis sativus) heimisch, wo sie noch in ähnlichen, aber bitterfrüchtigen Formen wildwachsend gefunden wird. Diese seit wenigstens 3000 Jahren in Indien angebaute Pflanze wurde erst im 2. Jahrhundert v. Chr., als Schan-kien von seiner Gesandtschaftsreise nach Baktrien zurückgekehrt war, in China eingeführt. Weit früher gelangte sie nach Westasien und in die Länder am Mittelmeer. In Ägypten läßt sie sich unter dem Namen schupi schon in Grabbeigaben des mittleren Reiches (12. Dynastie, 2000–1788 v. Chr.) in der Nekropole von Kahun bei Theben und dem der griechisch-römischen Zeit angehörenden Gräberfelde von Hawara im Fajûm nachweisen. Die Griechen der homerischen Zeit kannten sie noch nicht; denn sie gelangte erst ums Jahr 600 v. Chr. von Kleinasien nach Hellas, wo sie allerdings bald weite Verbreitung fand. So veränderte das bei Korinth gelegene Städtchen Mekone, d. h. Mohnstadt, seiner großen Gurkenanpflanzungen wegen seinen Namen, der noch im 8. vorchristlichen Jahrhundert, zu des Dichters Hesiod Zeit, der allein gebräuchliche war, nach der griechischen Bezeichnung für Gurke síkyos in Sikyon, d. h. Gurkenstadt. Auch bei den Römern, die die Gurken von den süditalischen Griechen erhielten, war diese Gartenfrucht sehr beliebt. Plinius und Columella geben an, daß sie, wenn sie an feuchten Orten gepflanzt würden, keiner Pflege bedürfen. In Italien wüchsen grüne, sehr kleine Arten, in den Provinzen dagegen sehr große, wachsgelbe und dunkelfarbige. Sie suchten das Wasser auf, flöhen dagegen das Öl. Kaiser Tiberius habe täglich Gurken (cucumis) gegessen; für ihn wurden sie in gutgedüngten, in Glimmer gedeckten, auf Rädern fahrbaren Behältern gezogen, die den Winter über bei sonnigem Wetter ins Freie, bei Kälte aber in ein gewärmtes Haus gezogen wurden. Auf den Gedanken, heizbare Kästen zu bauen, verfielen die kaiserlichen Hofgärtner noch nicht. Die weniger wohlhabenden Römer mußten sich mit konservierten Gurken begnügen. Zu diesem Zwecke legten sie dieselben in Heu, Sand oder Salzwasser, worin sie sich nach Plinius fast bis zum Erscheinen der neuen hielten. Diese Gurken des Altertums waren eine größere, jetzt nicht mehr gebaute Art, die gedämpft mit Beigabe von Essig, Senf, Kümmel, Sellerie und Pfeffer, aber auch in Honig eingemacht gegessen wurde. In seinen zehn Büchern über Kochkunst (de re coquinaria) gibt uns Apicius verschiedene Rezepte zu deren Zubereitung.

Die heute von uns kultivierten Gurken kamen erst im frühen Mittelalter von Byzanz aus, wo sie mit einem persisch-aramäischen Wort als anguria bezeichnet wurden, als agurka zu den Slawen, die heute noch leidenschaftliche Verehrer der Gurken sind, und unter der Bezeichnung Gurken im 17. Jahrhundert zu den Deutschen. Schon vor 200 Jahren wußten die Lausitzer Wenden auch ohne Mistbeete die schönsten Gurken zu ziehen und heute ist der Spreewald die Gurkenkammer von Berlin, wo man nach slawischer Sitte in Salzwasser eingelegte „saure Gurken“ oder in Essig, Meerrettichstückchen, Pfeffer und Senf eingemachte „Essig- oder Senfgurken“ als billiges Volksnahrungsmittel überall zu essen bekommt. Erstere schmecken durch Milchsäuregärung, wobei die in Salzwasser von richtiger Beschaffenheit sich entwickelnden Milchsäurebazillen aus dem Zucker der Gurke Milchsäure bilden, sauer, ohne daß auch nur ein Tropfen Essig dazukommt. Heute sind die Gurken als äußerst beliebtes Salatgemüse über alle Weltteile, soweit Europäer sich angesiedelt haben, verbreitet. Von den zahlreichen, durch die Kultur entstandenen Spielarten wird nur die Feldgurke im großen kultiviert. Sie verlangt warme, sonnige Lage, einen gut gedüngten, humusreichen, lockeren, gleichmäßig feuchten Boden. Zur Aussaat nimmt man 3–4jährigen Samen. Man bestellt die Beete im April und sät, wenn die Nachtfröste vorbei sind. Die Haupternte findet im August statt, wobei man vom Hektar etwa 100000 Stück erntet. Die Hauptproduktionsgebiete sind Holland, das schon im April ganze Schiffsladungen von in Treibhäusern gezogenen Gurken nach England sendet, dann Böhmen, Mähren, Ungarn, Rußland, in Deutschland der Spreewald, dessen Hauptort Lübbenau allein jährlich 2 Millionen Stück produziert, Erfurt, Quedlinburg, Naumburg und Ulm. Meist werden die unreifen Früchte, welche im Orient wohlschmeckender sind und daselbst roh und ungeschält zur Speise dienen, als Salat und auf mancherlei Weise eingemacht gegessen.

Tafel 47.

(Phot. von E. Reinhardt.)

Artischockenpflanzung in der toskanischen Fruchtebene.

Verladung von Wassermelonen in Chile.

Tafel 48.

Aus Mittelamerika stammender Kalabassen- oder Kürbisbaum in einem Garten in Kamerun.


GRÖSSERES BILD

Nach den Funden und Darstellungen auf den Denkmälern wurde im alten Ägypten schon unter den ersten Dynastien die ägyptische Gurke oder Aggurmelone (Cucumis chate) mit großer, länglicher Frucht, die noch jetzt im Morgenlande allgemein kultiviert und frisch verzehrt wird, neben der Wassermelone und dem Flaschenkürbis kultiviert. Diese ägyptische Gurke, die außer in Südasien auch im tropischen Afrika heimisch ist, wo sie von vielen Reisenden gesammelt wurde, ist eine der wilden Stammform der Melone (Cucumis melo) sehr nahestehende, ja vielleicht sogar mit ihr identische Art, die nach Schweinfurth von den Ägyptern selbst zur Kulturpflanze erhoben wurde. Sie hieß altägyptisch kadi, woraus die Araber katta und die Botaniker in Anlehnung an das Arabische chate machten. Als die Israeliten unter Moses’ Führung hungrig und durstig durch die wasserlose Wüste der Sinaihalbinsel wanderten, gedachten sie sehnsüchtig der guten in Ägypten genossenen Verpflegung, indem es im 4. Buch Moses 11, 5 heißt: „Wir gedenken der Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und der bischûim und battichim (von Luther fälschlicherweise mit Kürbis und Pfeben, d. h. Feldkürbis übersetzt, heißt aber tatsächlich Aggurmelonen und Wassermelonen), Lauch, Zwiebeln und Knoblauch.“ Diese beiden so überaus saftige Früchte hervorbringenden Kürbisarten haben wir dem Weltteile Afrika zu verdanken, und im alten Ägypten haben sie ihre erste sorgfältige Zucht durch Kulturauslese erfahren. Wie sie heute noch ein köstliches, hochgeschätztes Erzeugnis des Niltales bilden, muß es schon zur Zeit der Pyramidenerbauer ein solches gewesen sein. Bald nach der Überschwemmung des dem heißen, trockenen Lande eigentlich das Leben spendenden und deshalb mit Recht einst göttlich verehrten Nils schießen die Aggurmelonen und Wassermelonen in Ägypten üppig empor und entwickeln ihre Früchte ungemein schnell, weshalb sie von den Frucht- und Gemüsehändlern der ägyptischen Städte mit dem Rufe feilgeboten werden: „Zart und frisch, und hat sich in der Nacht gestreckt!“ Auf den Denkmälern des alten Ägyptens treten uns diese Melonen als häufig angepflanzte und überall gern gegessene Früchte sehr häufig entgegen, teils grün, teils gelb gemalt und vielfach braun oder rot umrissen, bisweilen auch die Rippen durch braune Linien angedeutet. Sie fehlen selten unter den Opfergaben und den bei Gesellschaften zur Erfrischung gespendeten Speisen, welche die Diener auf Servierbrettern herumbieten, damit sich jedermann nach Belieben davon bediene. Ihr Laub gehört zu den pflanzlichen Resten in den Totenkammern, die zur einstigen Schmückung des Sarkophags dienten.

Die Aggurmelone, die bereits der in Padua als Botanikprofessor wirkende und 1617 verstorbene Prosper Alpino in seinem 1592–1640 erschienenen Buche unter dem heute noch gebräuchlichen Namen chate erwähnt — er sah sie bei seinem Aufenthalte im Niltale selbst dort wachsen —, wird in Ägypten reif und unreif gegessen. Ihre länglichen, bis 40 cm langen, gerippten Früchte sind grüner, weicher, süßer und verdaulicher als diejenigen der gemeinen Gurke. Wenn sie auch nach Aussehen und Geschmack der Gurke ähneln, so sind doch die Blätter und Blüten nicht wie bei dieser, sondern wie bei der Melone, die ja eine sehr nahe Abart derselben ist, gebildet.

Wie die Aggur- und Wassermelone war auch die eigentliche Melone (Cucumis melo) den Griechen der homerischen wie auch der klassischen Zeit vollkommen fremd. Von keinem griechischen Schriftsteller wird deren honiggleiche Süßigkeit — dient doch eingekochter Melonensaft heute noch im Orient an Stelle des Zuckers zur Herstellung von Limonaden und allerlei süßem Gebäck —, deren herrlicher Duft und der köstliche Wohlgeschmack ihres goldgelben bis zartweißen Fleisches hervorgehoben. Auch die römischen Schriftsteller wissen nichts von einer solchen Frucht zu melden, die doch in einem Lande, in dem so viele Feinschmecker lebten und in welchem alle irgendwie geschätzten Früchte von den Dichtern besungen wurden, einmal hätte erwähnt werden müssen. Wenn auch unsere süße Melone sicher fehlte, so lehren uns doch einige Mosaikbilder und Wandgemälde aus den im Jahre 79 n. Chr. verschütteten Städten Herkulanum und Pompeji und einige Stellen bei Autoren, die von einem eßbaren Kürbisgewächs handeln, daß ein solches, das griechisch pépōn oder mēlopépōn und lateinisch pepo oder melopepo genannt wurde, damals existiert haben muß. Schon der große Hippokrates (460–364 v. Chr.) erwähnt in seiner Schrift über die Diät den pépōn und nach ihm Plinius, Dioskurides und Galenos, aber kein Schriftsteller rühmt sie als angenehm zu essen. Auch der griechische Grammatiker Athenaios aus Naukratis in Ägypten, der um 200 n. Chr. in Alexandrien und Rom lebte, spricht in seinen Deipnosophistae, die wichtige Nachrichten über Leben, Sitte, Kunst und Wissenschaft der alten Griechen enthalten, von ihr, weiß aber nichts besonders Rühmenswertes von der von ihm als Gurkenart bezeichneten síkyos pépōn zu berichten. Auch Palladius gegen das Ende des 4. Jahrhunderts spricht von einer melo, deren Kerne im März zwei Fuß voneinander in gutbearbeitetes, vorzugsweise sandiges Erdreich gelegt werden. „Vor dem Legen werden die Samen drei Tage lang in Meth oder Milch geweicht, dann erst getrocknet. Hierdurch bekommen die Früchte einen lieblichen Geschmack. Wohlriechend werden sie, wenn sie viele Tage lang zwischen trockenen Rosenblättern gelegen haben.“

Erst im 5. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung wird von den antiken Schriftstellern eine kurzweg nach dem griechischen mḗlon, d. h. Apfel oder Quitte als melo bezeichnete Gartenfrucht erwähnt, die wie Pfirsiche zu den Delicien, d. h. Köstlichkeiten gerechnet wurde. Damals erst ist die süße oder Zuckermelone, die weder Ägypten, noch die Mittelmeerländer vorher gekannt hatten, ebenfalls aus Westasien in das Abendland gekommen. Nach Westasien scheint sie aus Indien gelangt zu sein; denn in letzterem Lande wird eine in bezug auf Blätter und Blüten mit der kultivierten Melone durchaus übereinstimmende Pflanze gefunden, deren Früchte meist nur die Größe einer Pflaume, nur ausnahmsweise diejenige einer Orange erreichen. Oft besitzen sie einen ausgesprochenen Geschmack und Geruch nach Melonen, oft aber sind sie ganz geruchlos und schmecken fade. Aus ihrer nordindischen Heimat gelangte sie etwa zu Beginn der christlichen Zeitrechnung westwärts nach Afghanistan und Turkestan, wo sie erst ihre höchste Vollkommenheit erreichte. Aus den Landschaften Turkestans kam sie dann im 8. christlichen Jahrhundert zu den Chinesen. Da nun diese seit dem 2. Jahrhundert v. Chr., wie wir durch die Gesandtschaft von Schang-kien wissen, mit dem alten Baktrien und Sogdiana in Verkehrsbeziehungen standen, muß ihre Kultur vorher auf die südlichen Oasen von Buchara beschränkt gewesen sein. Der weitgereiste Venezianer Marco Polo, der sich von 1271–1295 in Zentral- und Ostasien aufhielt, sagt von der Landschaft am Amu-darja (dem Oxus der Alten) um die Stadt Balch, daß dort die besten Melonen der Welt wachsen. Man schneide sie rundherum in Streifen, lasse sie an der Sonne trocknen und halte sie dann als Handelsware überall im Lande feil. So gedörrt seien sie süßer als Honig. Dasselbe rühmt der arabische Reisende Ibn Batuta, der von 1340–1350 Zentralasien und China bereiste, von den Melonen von Charism, und der ungarische Orientalist Hermann Vambéry, der von 1863–1869 als Derwisch verkleidet Persien und das Turkmenenland bereiste, von denjenigen von Chiwa. Letzterer schreibt in seinem Buche: „Reisen in Zentralasien“: „Für Melonen hat Chiwa keinen Rivalen, nicht nur in Asien, sondern in der ganzen Welt. Kein Europäer kann sich einen Begriff machen vom süßen, würzigen Wohlgeschmack dieser köstlichen Frucht. Sie schmilzt im Munde, und mit Brot gegessen ist sie die lieblichste und erquicklichste Speise, die die Natur bietet.“ Auch Persien ist, wie alle Reisenden, die dieses Land besuchten, einstimmig versichern, ein vorzügliches Melonenland, in welchem die feinsten Sorten gezogen und in Unmengen auf den Markt gebracht werden. Es gibt dort eine große Zahl von Varietäten, die oft von Dorf zu Dorf wechseln; darunter einige von weitverbreitetem Ruhme, so süß, daß die Perser darüber lachen, wenn man ihnen erzählt, daß man in Europa die Melonen mit Zucker esse. Der berühmte Ägyptologe Heinrich Brugsch Pascha, der 1883 Prinz Friedrich Karl von Preußen auf dessen Orientreise begleitete und zweimal als Gesandtschaftsattaché Persien bereiste, rühmt mit begeisterten Worten die Güte der überall in Persien zum Kaufe angebotenen Melonen, deren vorzügliches Gedeihen er ganz wesentlich der kräftigen Düngung mit Taubenmist zuschreibt. Überall im Orient sieht man in den Ortschaften die aus mit der Mündung nach außen gekehrten Tonkrügen aufgebauten Taubentürme, deren Bewohner als heilige Tiere vor den Moscheen gefüttert werden und als einzigen Nutzen dem Menschen ihren Mist gewähren, den dieser auch gerne als für ihn wertvolle Gabe in Empfang nimmt, um ihn regelmäßig seinen Melonenkulturen zuzuführen.

Die Wassermelone (Citrullus vulgaris), im südlichen Rußland Arbuse oder nach der Benennung der heutigen Griechen angúrion auch Angurie genannt, ist im südlichen und mittleren tropischen Afrika heimisch, wo die saftigen Früchte den Menschen und Tieren in trockenen Gebieten als Labsal dienen. In ihrer Heimat überzieht die Pflanze oft weithin die öden Länderstrecken, doch sind ihre ziemlich kleinen Früchte bei sonst gleichem Aussehen der Stöcke das eine Mal sehr bitter, das andere Mal ganz angenehm schmeckend. Selbst die Eingeborenen, die sich ihrer als Nahrung bedienen, können nach Livingstone diese Eigenschaft nicht nach äußeren Merkmalen feststellen, sondern schlagen die Früchte erst mit einer Hacke an, um dann zu untersuchen, ob der Saft des Fruchtfleisches angenehm oder bitter schmeckt. Dieser Wildling hat durch Kulturpflege die großfrüchtige, saftige Wassermelone aus sich hervorgehen lassen, die niemals mehr bittere Eigenschaften zeigt. Sie kam sehr früh schon ins Niltal und wurde, wie verschiedene Abbildungen an den Wänden der Grabkammern beweisen, von den alten Ägyptern kultiviert, die sie banti nannten. Die Juden sehnten sich auf ihrer Wüstenwanderung nach ihnen, die sie abattichim nannten. Schon damals muß sie in Syrien, Arabien und selbst Indien, wo sie den Sanskritnamen chaya-pula führte, angebaut worden sein. Die alten Griechen und Römer scheinen sie nicht gekannt zu haben, da sie nirgends von den alten Autoren erwähnt wird. Dagegen fand sie in Westasien weite Verbreitung. Aus Turkestan, wo sie im frühen Mittelalter neben der Melone viel angepflanzt worden sein muß, gelangte sie erst im 10. Jahrhundert n. Chr. nach China unter der Bezeichnung sikua, was nach Bretschneider Melone des Westens bedeutet. Die Araber, die sie in Anlehnung an das hebräische abattichim battich nannten, verbreiteten sie über ganz Nordafrika bis nach Spanien, wo sie seither als batteca, woraus dann das französische pastèque wurde, sehr viel, wie auch in ganz Südeuropa bis nach Rußland hinein angebaut wird und im Sommer überall eine Hauptnahrung der ärmeren Volksklassen bildet. Wer kennt nicht die köstlichen Gemälde des spanischen Malers Bartolomé Estéban Murillo (1618–1682) mit den verlumpten Sevillaner Gassenjungen, die sich neben der Weintraube die Wassermelone, von der sie sich gierig große Stücke in den Mund schieben, schmecken lassen. Von Spanien kam sie sehr bald nach Westindien und dem Festland von Amerika, wo sie jetzt von Chile bis in die Vereinigten Staaten in großem Umfange angebaut wird. Allerdings gelangt sie hier wie anderwärts nur in den warmen Gebieten zu ihrer Vollkommenheit. Schon bei uns ist es ihr zu kalt. Die 10–15 kg schweren, fast kugeligen, dunkel- oder gellgrünen, in letzterem Falle weißlich gefleckten Früchte haben zu äußerst ein ungenießbares, härtliches, weißes und darunter ein weiches, saftiges, süßes, dunkel- bis hellrotes, seltener gelbes oder weißes Fleisch, worin die schwarzen, gelben oder roten Samen liegen. In ganz Südeuropa und im Orient dienen sie roh als beliebte Volksnahrung; härtere Arten werden gekocht und, mit Mehl vermischt, gebacken genossen. Im Orient und in allen wärmeren Ländern werden ihre Früchte, obschon den Melonen an delikatem Geschmack weit nachstehend, recht süß und wohlschmeckend, so daß sie sehr beliebt sind. Aus der Krim werden sie in einer etwas faden, aber außerordentlich saftigen Abart überallhin transportiert und unter dem Namen „Arbusen“ spottbillig verkauft, so daß jedermann sich im Herbst ihren Genuß leisten kann. Bei den Tataren und Kleinrussen, bei denen sie als Steppenpflanze besonders gut gedeiht, werden sie zu allen Mahlzeiten gegessen, indem ihr überaus saftiges Fleisch statt des Wassers zum Brote geschlürft wird. Auch aus ihrem Safte kann, wie aus demjenigen der süßen Melone, Zucker gewonnen werden.

Bei ihrer großen Beliebtheit ist es sehr begreiflich, daß die Spanier sie früh nach der Neuen Welt verpflanzten. In Peru und Chile, welch letzteres im Norden schon 1541 von den Spaniern besetzt wurde, gedeihen diese Früchte ausgezeichnet und sind eine wichtige Volksnahrung geworden. So schreibt Prof. Otto Bürger in seinem Buche: Acht Lehr- und Wanderjahre in Chile: „Von Januar bis März steht das Land im Zeichen der Sandias und Melonen. Namentlich die Sandias, die Wassermelonen mit dem roten Fleisch (Citrullus vulgaris), die auch in Südeuropa so begehrt vom Volke sind, bilden für den Chilenen, ob hoch oder niedrig, das Schönste des Jahres. Das gewöhnliche Volk und insbesondere der Róto (d. i. der Zerlumpte, die Kaste der armen Tagelöhner, in der das indianische Blut noch am reinsten pulsiert und die die beharrlichsten Trunkenbolde der Welt umfaßt), nährt sich in jener Zeit von kaum etwas anderem. In den volkreichen Stadtvierteln entstehen zu dieser Zeit besondere Baracken, in denen tagtäglich ganze Wagenladungen an primitiven Tischen verzehrt werden. Das Stück kostet 15–50 Centavos (= 25,5–85 Pfennige), aber die teuersten besitzen eine kolossale Größe und können von einem nicht bezwungen werden. Billiger sind die gelben Melonen (Cucumis melo), welche dem Ausländer mehr zusagen, und die er au naturel oder mit Zucker ißt, während sie der bessere Chilene am leckersten mit Pfeffer und Salz findet.“

Außer der als pépōn bezeichneten Aggurmelone oder ägyptischen Gurke haben die alten Griechen noch eine andere, als kolokýntē oder síkya indikḗ, d. h. indische Gurke bezeichnete Cucurbitazee gepflanzt, deren kleine, wenig schmackhafte Früchte nur gekocht oder gebraten gegessen wurden. Meist wird diese Frucht als Kürbis übersetzt, was indessen durchaus unrichtig ist. Auch konnte sie nicht die Koloquinte oder Bittergurke (Citrullus colocynthis) bedeuten, die im Orient und in Nordafrika einheimisch ist, in Masse auf den trockenen Abhängen wild wächst und einst den Straußen als Futter diente. Ihre faustgroße, runde Frucht ist sehr bitter und wirkt abführend, wird aber gleichwohl von den armen Tuaregstämmen in der Sahara, geröstet und auf den Handmühlen vermahlen, verzehrt. Ähnlich ist die Wirkung der im Orient heimischen Prophetengurke (Citrullus prophetarum), so genannt, weil ihr bitteres Mus dem Propheten Elias, mit Zusatz von geröstetem Mehl, als Speise gedient haben soll.

Der einzige Kürbis, den die Alten kannten, war der Flaschenkürbis (Lagenaria vulgaris), dessen Frucht in den Kulturen die verschiedenartigsten Formen zeigt und durch die Härte seiner Schale ausgezeichnet ist, so daß sie getrocknet und ausgehöhlt als natürlicher Wasserbehälter benutzt werden kann. Charakteristisch für sie ist auch die bei Kürbissen ziemlich seltene weiße Blüte. Ihr Fruchtfleisch ist meist bitter, manchmal geradezu giftig, doch ist es bei einigen Varietäten auch süß und schmackhaft. Seine Heimat hat der Flaschenkürbis im mittleren Vorderindien, wo er heute noch in den feuchten Wäldern von Malabar wildwachsend gefunden wird. Ebenso hat man ihn auf den Molukken, in Abessinien und Ostafrika wild in Felsengebieten entdeckt. Von diesen beiden Regionen der alten Welt hat sich die Pflanze mit ursprünglich durchaus bitterem Fruchtfleisch über alle Tropengebiete und gemäßigten Länder mit genügender Sommerwärme ausgebreitet. Daß schon im Sanskrit der gemeine Flaschenkürbis als ulavu von einer andern, kututumbi genannten bitteren Art unterschieden wird, spricht für das hohe Alter seiner Kultur. Im 1. Jahrhundert n. Chr. wird seiner in einem chinesischen Werke von Tschong-tschi-tschu Erwähnung getan. In Ägypten tritt er uns verhältnismäßig spät, nämlich erst im mittleren Reich zur Zeit der 12. Dynastie (2000–1788 v. Chr.) entgegen, indem sich seine Frucht, auch mehrfach ausgehöhlt als Behälter, unter den Totenbeigaben vorfand. Doch hat seine Kultur dort, im Gegensatz zur Aggur- und Wassermelone, keine große Bedeutung erlangt. Den älteren Griechen war der Flaschenkürbis vollkommen fremd, ebenso den Römern zur Zeit der Republik. Erst zur römischen Kaiserzeit im 1. Jahrhundert n. Chr. beschreibt der römische, aus Spanien gebürtige Ackerbauschriftsteller Columella verschiedene seiner Fruchtformen, welche als Behälter für Flüssigkeiten aller Art, besonders Milch und Honig, und als Trinkgefäß verwendet werden konnten, daneben aber auch den Jungen als eine Art Schwimmblase zur Erlernung des Schwimmens dienten. Nach ihm spricht der 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch umgekommene Plinius von ihr als einer gurkenähnlichen Pflanze, die er cucurbita nennt. Er schreibt in seiner Naturgeschichte darüber: „Den Gurken sind die Flaschenkürbisse (cucurbita) ähnlich; wie jene scheuen sie die Kälte, lieben feuchten Boden und Mist. Sie kriechen wie die Gurken mit ihren rankenden Sprossen an rauhen Wänden hinauf bis aufs Dach, klettern überhaupt gern in die Höhe, können sich aber nicht selbst tragen. Ihr Wachstum ist sehr rasch, und man benutzt sie, um Zimmer mit ihnen auszukleiden oder Lauben mit ihnen zu decken. Man hat zwei Sorten: bei der ersteren hängt die schwere Frucht an einem dünnen Stiele, die letztere jedoch kriecht an der Erde hin. Wie den Gurken gibt man auch den Flaschenkürbissen allerlei Gestalten, vornehmlich in geflochtenen Formen, in die man die jungen Früchte steckt. Sie nehmen dann beim Wachsen die Gestalt der Form an und diese stellt gewöhnlich eine gewundene Schlange vor. Läßt man sie freihängen, so hat man sie schon 9 Fuß lang werden sehen. Ihre Anwendung ist verschieden. Beim Verspeisen wird die Schale fortgeworfen. Sie gelten übrigens für eine gesunde und leichte Speise. Die Kerne, welche an beiden Enden der Frucht liegen, geben lange Früchte, die in der Mitte liegenden runde. (Natürlich ist dies eine unsinnige Behauptung, wie Plinius deren nicht selten aufstellt.) Man trocknet die Kerne im Schatten, weicht sie aber, wenn man sie pflanzen will, zuerst in Wasser auf. Die längsten und dünnsten Früchte hat man zum Verspeisen am liebsten. Diejenigen Flaschenkürbisse, deren Samen man zur Aussaat gebrauchen will, schneidet man gewöhnlich erst mit Eintritt des Winters ab, trocknet sie dann im Rauch und gebraucht sie, um in ihrem hohlen Innern Sämereien, Wein und dergleichen aufzubewahren. Man hat auch ein Verfahren erfunden, nach welchem man die Flaschenkürbisse wie Gurken zum Verspeisen aufbewahren kann, so daß sie sich fast bis zu der Zeit halten, da es wieder frische gibt. Die Aufbewahrung geschieht in Salzbrühe. Man soll sie auch an einem schattigen Orte in einer Grube, deren Boden mit Sand bedeckt ist, aufbewahren können, indem man sie von oben mit trockenem Heu und dann mit Erde zudeckt.“

In der Folge wurde der Flaschenkürbis überall in Südeuropa häufig angepflanzt und fand nach der Entdeckung Amerikas auch im neuen Kontinent, wohin ihn die Spanier zuerst brachten, überall willige Aufnahme und rasche Verbreitung unter den Eingeborenen. Da man ihn auch in manchen peruanischen Gräbern fand, glaubten einige Forscher, er sei in Amerika zu Hause gewesen, was heute sicher als unrichtig festgestellt wurde. Samen des Flaschenkürbisses stammen in Südamerika stets nur aus Gräbern, die jüngeren Datums als das Jahr 1500 sind; denn manche Gräberfelder wurden noch lange nach der Ankunft der Europäer auf diesem Kontinente weiter benutzt.

Als Behälter zur Aufnahme von Flüssigkeiten ist jedenfalls die getrocknete und ausgehöhlte Kürbisschale, die man gewöhnlich als Kalabasse bezeichnet, uralt. Jedenfalls haben wir in ihr die Urform des Gefäßes zu erblicken, die erst in sehr viel späterer Zeit vom Menschen in gebranntem Ton nachgeahmt wurde. Wie nun der Flaschenkürbis in der alten Welt dem Menschen einen natürlichen Behälter darbot, benutzte der Mensch der neuen Welt zu demselben Zwecke außer den getrockneten hohlen Schalen der einheimischen Kürbisse, von denen alsbald zu reden sein wird, auch die ähnlich beschaffenen Früchte des in Mittelamerika heimischen Kalabassenbaums (Crescentia cucurbitana), der in fünf verschiedenen Arten vorkommt. Allgemein in Westindien, Südamerika und neuerdings auch in Westafrika kultiviert wird die 6–9 m hohe Crescentia cujete mit gebüschelten, lanzettförmigen Blättern, grünlichen, gelb und rot gescheckten Blüten und großen, rundlichen, 30 cm im Durchmesser haltenden Früchten, die in einer grünen, holzigen Rinde ein schwammig-saftiges, säuerlich-süßes Mark mit den Samen beherbergen. Dieses Mark wird in Amerika arzneilich benützt, aus der Fruchtschale, der eigentlichen Kalabasse, verfertigt man oft mit Schnitzereien verzierte Gefäße, Schalen, Löffel usw. Das Holz dagegen dient in der Möbeltischlerei.

Wie der Flaschenkürbis in Südasien heimisch ist eine andere in ihren Früchten technisch wichtige Kürbisart, nämlich der Schwammkürbis (Luffa cylindrica), der heute im ganzen Tropengebiet kultiviert wird, auch nach Amerika gebracht wurde und dort verwilderte. Die ziemlich großen, länglichen, glatten Früchte können besonders unreif wie die Blätter gekocht genossen werden; wichtiger aber ist das in den reifen Früchten erhärtende, stark ausgebildete Gefäßbündelnetz, das den vegetabilischen oder Luffaschwamm liefert. In Wasser erweichend dient er statt des tierischen Schwammes zum Reinigen und Frottieren der Haut, dann zu Schuhsohlen, Badepantoffeln, Mützen, Körbchen, Sattelunterlagen, Bilderrahmen und kommt zum Teil aus Ägypten, besonders aber aus Japan in den Handel. Die unreifen Früchte der gleicherweise in Südasien heimischen Luffa acutangula, deren Kultur sich heute über die ganzen Tropen erstreckt, werden wie Gurken gegessen, die Wurzeln und Samen dagegen als Abführmittel benutzt.

Sämtliche echten Kürbisse dagegen sind in der Neuen Welt heimisch und haben sich erst seit deren Entdeckung durch die Europäer, also seit dem 16. Jahrhundert, über die Alte Welt verbreitet. Alle zehn bekannten Arten sind im warmen Amerika, nördlich bis Kalifornien, zu Hause, doch sind mehrere, so namentlich die drei einjährigen Arten, im wilden Zustande noch nicht aufgefunden worden. Daß sie schon lange in der Kultur des Menschen stehen, beweist die Tatsache, daß Samenkerne verschiedener Arten als Totenbeigaben auf dem vorkolumbischen altperuanischen Gräberfelde von Ancon gefunden wurden. Auch wurden in ganz Amerika schon lange vor der Ankunft der Europäer verschiedene Kürbisarten von den Indianern angebaut, die den dahin gelangenden Weißen, wie auch den Botanikern in Europa, die sie später kennen lernten, vollkommen neu waren. Dies wird uns von Acosta und anderen Spaniern von Peru und Mittelamerika, von späteren Einwanderern auch von Nordamerika bezeugt. Bis zum Lande der Huronen an den kanadischen Seen gab es Kürbisse. Von den letzteren berichtet uns ein französischer Reisender des 16. Jahrhunderts, daß sie in Menge „les citrouilles du pays“ anpflanzten. Ein anderer gleichzeitiger Schriftsteller nennt die „citrouilles“ des südlichen Kanada süß und verschieden von denjenigen Europas. Sie seien so groß wie unsere Melonen und ihr Fleisch sei so gelb wie Safran.

Der gemeine Kürbis (Cucurbita pepo) hat seine Heimat in Mexiko und Texas, von wo aus er durch die Spanier sehr bald nach der Entdeckung der Neuen Welt nach Spanien gebracht wurde, um sich von da rasch ostwärts über Südeuropa zu verbreiten. Gleichzeitig mit dem Mais und dem spanischen Pfeffer oder der Paprikapflanze finden wir ihn als Novität in dem 1543 in Basel gedruckten Kräuterbuch des Leonhard Fuchs sehr gut dargestellt mit zwei- bis dreiteiligen Ranken und rotgelben Blüten. In Analogie mit dem als „türkisch Korn“ — was wohl so viel als von weither gekommen heißen soll — bezeichneten Mais benennt dieser Autor den Kürbis als „türkisch Cucumer, auch Meer-Cucumer oder Zuccomarin“ und versichert, „daß er vor kurtzen jaren erst zu uns gebracht worden, was man aus seinen Namen wohl mag abnehmen“. Im Laufe des 16. Jahrhunderts hat sich dann diese Gartenfrucht rasch bei uns eingebürgert, teils wegen ihres eßbaren Fruchtfleisches, teils aber auch der schmackhaften Fruchtkerne wegen, auf welche nach einer Bemerkung von M. Lobelius aus dem Jahre 1576 die Bauern sehr erpicht waren. Die einjährige Pflanze mit liegenden, bis 10 m langen Stengeln, dottergelben, einzelstehenden Blüten und kugeligen, oft sehr großen Früchten mit weißem oder gelbem, genießbarem Fleisch wird in vielen Varietäten kultiviert. Sie gedeiht, wo der Mais gedeiht, und liefert bei gutem Anbau bis 60000 kg vom Hektar. Jede Pflanze soll nur acht Früchte zur Reife bringen; sobald sie vier Nebenranken getrieben hat, bricht man die Spitze der Hauptranke ab und nach dem Fruchtansatz auch diejenigen der Nebenranken. In ganz Südeuropa dienen die Früchte auf die mannigfaltigste Weise zubereitet der ärmeren Volksklasse als geschätzter Zusatz zur Brotnahrung, sie bilden ferner ein vortreffliches Mastfutter für Schweine, auch wird aus ihnen Branntwein gewonnen. Aus den Samen läßt sich ein feines Speiseöl pressen. Zur Herstellung von Kompott eignen sich besonders der Markkürbis und der nichtrankende virginische Kürbis. Zum Verspeisen sind auch der silbergraue, der melonengelbe, der Astrachan- und Ohiokürbis zu empfehlen. Der besonders in Südasien viel gepflanzte Moschuskürbis hat wohlschmeckende, melonenähnliche Früchte, deren Fleisch nach Moschus duftet und schmeckt. Sehr zahlreich sind die Zierkürbisse, von denen etwa zu nennen sind: der Türkenbundkürbis, mit grün, gelb und rot gestreiften Früchten, der nichtrankende Pastetenkürbis, auch Bischofsmütze genannt, mit flacher, am Stiel gewölbter, gelber, grüner und orange mit weiß gestreifter Frucht, dann der Mantelsackkürbis mit dunkelgrüner, am Ende sackartig aufgetriebener Frucht, dessen Samen mit solchen von anderen Arten in den altperuanischen Gräbern von Ancon gefunden wurden, und viele andere Formen wie Apfel-, Birnen-, Zitronen-, Glocken-, Warzenkürbis. Die weitaus größten Früchte besitzt der Riesenkürbis. Sie werden 20–100 kg schwer, sind kugelig, plattgedrückt oder gerippt und haben ein feineres, wohlschmeckenderes Fleisch als die eigentlichen Zierkürbisse, deren Fleisch nicht gegessen wird.

Endlich hat uns Südamerika auch zwei als wertvolle Bereicherungen unseres Gemüsegartens gepflanzte Nachtschattenarten geliefert, nämlich den Liebesapfel oder die Tomate und die Eierpflanze oder Aubergine. Der Liebesapfel (Lycopersicum esculentum) mit übelriechenden, behaarten Blättern, gelben Blüten, glänzend roten, gelbroten, gelben oder weißen Früchten, heißt mit einer amerikanischen Bezeichnung Tomate. Der große Baseler Botaniker Kaspar Bauhin (1560–1624) bezeichnet die Art 1596 als Tumatle Americanorum, und die ersten von den Botanikern des 16. Jahrhunderts ihr beigelegten Namen wie „peruanischer Apfel“ lassen vermuten, daß man sie aus Peru erhalten hatte. Jedenfalls wurde sie auf dem südamerikanischen Festlande von den Eingeborenen früher angebaut als auf den Antillen. Die Ausgangsform war eine ganz kleinblütige Art mit kirschgroßen Früchten, die im Küstengebiet Perus heute noch wild wachsend angetroffen wird. Heute wird die einjährige Pflanze in der ganzen Kulturwelt, besonders in den englischen Kolonien, in Indien, dann in Süd- und Mitteleuropa in vielen Varietäten angebaut und liefert in ihren Früchten ein wohlschmeckendes und zuträgliches Gemüse, das auch gerne roh als Salat gegessen wird. Um Neapel und Rom sieht man ganze Felder mit dieser Frucht bepflanzt. Den Namen Liebesapfel verdankt sie dem Glauben, daß die so schön gefärbte Frucht zärtliche Gefühle erwecke.

Die Eierpflanze (Solanum melongena), von den Franzosen aubergine genannt, mit 60 cm hohem, krautartigem Stengel, eirunden Blättern und lilafarbigen, großen Blüten trägt ovale bis längliche, dunkelviolette, gelbe oder weiße Früchte, denen man durch kochendes Wasser das in ihnen enthaltene Narkotische entzieht. In Spanien, Südfrankreich, Italien, der Wallachei und im Orient werden sie häufig auf Feldern zum Küchengebrauche gezogen. Bei uns verwendet man sie vorzugsweise als Zutat an Saucen, Suppen, Ragouts usw.; auch werden sie vielfach gedünstet gegessen.

Ein naher Verwandter, Solanum quitoense, ein bis 2 m hoher Halbstrauch aus Peru, trägt genießbare Früchte von der Größe und Farbe einer kleinen Orange, die im ganzen westlichen Südamerika als Obst beliebt sind und auch zur Herstellung von kühlenden Getränken dienen. Weil sie vielfach um Quito, die Hauptstadt von Ekuador kultiviert werden, nennt man sie meist Orangen von Quito. Neuerdings werden sie auch in England gezogen.

Von Solanum anthropophagorum endlich, der Tomate der Kannibalen, einem auf den Fidschiinseln kultivierten, etwa 1,5 m hohen Halbstrauch, wurden die tomatenähnlichen Beeren als Würze zu den einstigen Menschenopferschmäusen gegessen, weshalb man diese Pflanze auch bei jeder Bure, d. h. einem Opferplatz, wohin die Körper der Erschlagenen gebracht wurden, um dort verzehrt zu werden, in kleinen Anpflanzungen regelmäßig zog. Heute, da der Menschenfraß auf jenen Inseln abgeschafft ist, dient sie als beliebte Würze zu allerlei Tierfleisch. In gleicher Weise werden verschiedene andere Nachtschattenarten ihrer genießbaren Früchte wegen in den Tropen kultiviert, so Solanum aethiopicum in Afrika, Solanum edule in Guinea, Solanum macrocarpum auf Mauritius und Madagaskar.

Endlich wäre noch die derselben Familie der Nachtschatten angehörende Juden- oder Blasenkirsche (Physalis alkekengi) zu nennen, die aus dem Laubwalde Europas als Zier- und Nutzpflanze in die Gärten übernommen wurde. Sie hat schmutzigweiße Blüten und kirschgroße, glänzendrote Beeren, die von dem nach dem Verblühen sich stark vergrößernden und zur Zeit der Fruchtreife als Schauapparat ebenfalls lebhaft rot gefärbten Kelch tutenförmig umschlossen werden. Während das Kraut giftig ist, sind die süßlich sauren Früchte eßbar. Sehr viel wohlschmeckender aber als sie sind die in ihrer Heimat roh oder eingemacht eine sehr beliebte Speise bildenden Früchte der peruanischen Verwandten, Physalis edulis, die jetzt in den tropischen und subtropischen Gärten allgemein kultiviert wird. Ihre als Ananaskirschen bezeichneten Früchte werden bisweilen auch zu uns gebracht und in den Delikateßläden feilgehalten.

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