X. Der Zucker.

Der älteste Süßstoff der Menschheit war der in hohlen Bäumen oder Felsklüften von wilden Bienen gesammelte Honig. Erst sehr viel später lernte der Mensch die mancherlei süßen Säfte, die das Pflanzenreich hervorbringt, für sich verwenden. So wird er schon sehr früh gelegentlich der Verletzung eines aufschießenden Triebes irgend einer Palme beobachtet haben, daß nach einer solchen die Pflanze den zum Aufbau des jungen Pflanzenleibes nötigen Nährsaft in Menge aus der Wunde hervorträufeln läßt. Dieser schmeckt durch den darin enthaltenen Traubenzucker süß und kann, durch Verdampfen des Wassers in einem Gefäß eingedickt, als eine bräunliche, krümelige Masse oder, durch Alkoholgärung in leicht schäumenden Most verwandelt, als eine Art Wein genossen werden. Fast alle Palmen haben einen solchen süßen Saft, den sie bei Verletzung des aufschießenden Triebes in Menge spenden. So liefert eine einzige auf solche Weise behandelte Kokospalme im Jahre mehr als 250 Liter Palmensaft, der ein Fünftel seines Gewichts Zucker enthält. Eingedickt liefert er einen vortrefflich mundenden, als schakara bezeichneten Palmzucker. Nächst der Kokospalme ist die indische Dattelzuckerpalme eine für die Zuckergewinnung besonders geschätzte Palmenart. Von ihr sollen jährlich über 65 Millionen kg Zucker gewonnen werden, der meist in Indien selbst konsumiert wird.

Eine natürliche Zuckerart, die statt Traubenzucker Mannit enthält, ist das Manna, das den bei ihrer Wanderung durch die Wüste zu verhungern drohenden Juden vom Himmel herabgefallen sein soll. Als für sie unerwartete Himmelsgabe fanden sie es an einem Sommermorgen, als ihr Hunger aufs höchste gestiegen war, unter den Tamariskenbüschen, welche in den Tälern des Sinai, die sie durchzogen, heute noch in Menge wachsen. Diese etwa 7 m hoch werdende Mannatamariske (Tamarix mannifera) produziert diesen Süßstoff spontan nach dem Stiche einer bestimmten kleinen Schildlaus (Coccus manniparus). Diese Tamariskenart ist eine nahe Verwandte der fränkischen Tamariske, welche aber nur am Sinai und im Steinigen Arabien, wo sie ganze Wälder bildet, jene glänzendweißen, honigsüßen Tropfen in der heißesten Zeit, im Juni und Juli, von den von der betreffenden Schildlaus angestochenen Zweigen herabträufeln läßt. Nur vor Aufgang der Sonne aufgelesen sind sie von der Kühle der Nacht noch in festem Zustand und werden seit Urzeiten von den umwohnenden Araberstämmen in lederne Schläuche gesammelt und müssen dann sofort an einem kühlen Ort aufbewahrt werden. Die Araber, welche sie als man bezeichnen, woraus die Juden das Wort manna bildeten, sammeln davon am Sinai jährlich etwa 250 kg und verzehren sie als ihren bevorzugten Leckerbissen mit Brot. Sie sagen, er sei süßer als Honig und geben ihn kaum je an Fremde ab. Nun sammeln auch die Mönche des St. Katharinenklosters am Sinai davon in lederne Schläuche und benutzen es als willkommenen Süßstoff teils selbst, teils verkaufen sie es für teures Geld an die gläubigen Pilger, die den Sinai mit dem Serbal, dem Berge der Gesetzgebung, besuchen.

Im Orient und im Mittelmeergebiet wächst noch ein anderer natürlicher Zuckerspender. Es ist dies die Manna- oder Blütenesche (Fraxinus ornus), deren bis armdicke Zweige durch den Stich der Mannazikade, am häufigsten aber durch täglich wiederholte Kreuzschnitte oder mehrfache, schief aufsteigende Einschnitte bis ins Holz angezapft werden, wonach ein bräunlicher Saft hervorträufelt, der schon nach wenigen Stunden durch Verdunstung zu einer weißlichen, kristallinischen Masse von sehr süßem Geschmack erhärtet. Es ist dies der Mannazucker, der heute noch namentlich in Sizilien und Kalabrien in Kulturgärten gewonnen wird und in den Handel kommt, seitdem die Araber, die im Jahre 827 Besitz von jener Insel ergriffen, den Eingeborenen jene natürliche Zuckergewinnung durch Einschnitte auch an der gewöhnlichen Esche (Fraxinus excelsior) lehrten. Die beste Sorte ist das Röhrenmanna, das von den dünneren Zweigen gewonnen wird, während das von älteren Zweigen gesammelte Manna weniger rein ist. Es besteht bis zu 60 Prozent aus Mannit, einem zuckerähnlichen Körper, der kein Kohlehydrat ist und sich von den echten Zuckerarten durch mehr Wasserstoff und die Unfähigkeit, in alkoholische Gärung zu kommen, unterscheidet. Einen ähnlichen natürlichen Zuckerspender, dessen Erzeugnis von den Eingeborenen gerne gesammelt und gegessen wird, bildet der australische Manna- oder Zuckergummibaum (Eucalyptus mannifera), aus dessen Rinde und Blättern Tröpfchen eines mannaartigen Saftes in reichlicher Menge hervorquellen. Dieses Manna ist etwas schleimig, weniger süß als die echte Manna der arabischen Tamariske und gelinde abführend. Es kommt in manchen Gegenden in den Handel.

Obschon außer diesen noch sehr zahlreiche Pflanzensäfte zuckerhaltig sind und manchenorts zur Gewinnung von Zucker verwendet werden, kommen nur wenige für den Betrieb im großen in Betracht. So hat man in Nordamerika, und zwar in Louisiana schon zu Ende des 18. Jahrhunderts begonnen, aus dem Safte des wildwachsenden Zuckerahorns (Acer saccharinum) Zucker zu gewinnen, und in Europa liefert der Spitzahorn und Silberahorn ebenfalls Zuckersaft, der namentlich früher in größeren Mengen gewonnen und auf Zucker verarbeitet wurde. Zu diesem Zwecke bohrt man Ende Januar und im Februar 30–45 cm über der Erde an mehreren Stellen schräg aufwärts gerichtete Bohrlöcher von 4 cm Tiefe in den Stamm und steckt Röhrchen hinein, die den Saft in untergestellte Gefäße leiten. Der Ausfluß des Saftes dauert für jeden Stamm fünf Tage, dann vernarbt die Wunde. Nach vielen Versuchen ist diese Operation ohne erkennbaren Nachteil für den Baum und kann bis Mitte März, bis sich die Blätter entwickeln, ausgeübt werden. Der so erhaltene Saft ist wasserklar und enthält bis 5 Prozent Zucker, so daß aus 20 kg Saft bis 1 kg Rohzucker gewonnen werden kann. In Amerika gibt ein Baum etwa 2,5–3 kg Zucker. In Ungarn lieferten 200 Bäume 39 kg sehr schönen Rohzucker und dazu noch Sirup im Wert von etwa 12 kg Rohzucker. Als der Rübenzucker noch nicht aufgekommen war, spielte diese Zuckergewinnung eine wichtige Rolle. So erreichte die Ahornzuckerproduktion der Vereinigten Staaten Nordamerikas im Jahre 1840 gegen 18 Millionen kg, nahm aber seither bedeutend ab. In Kanada beträgt die Jahresproduktion immer noch 3–3,5 Millionen kg und für das gesamte Nordamerika 5 Millionen kg — meist aus dem Steinahorn, im Westen auch aus dem Weichahorn. Diese Bäume, die 30–40 m hoch werden, gedeihen am besten auf fruchtbarem Ackerboden, sind meist durch den Wald in Gruppen zerstreut, seltener bilden sie geschlossene Waldungen. Im Vorfrühling, zur Zeit der kalten Nächte und der allmählich wärmer werdenden Tage, dem sogenannten „Zuckerwetter“, beginnt der Saft in den Bäumen zu steigen. Um diese Zeit trifft man die Vorbereitungen zur Zuckerernte. Mit den nötigen Geräten beladen rücken die Zuckersieder zu zweien oder dreien in die Wälder. Der eine bohrt die Bäume an und schafft immer frischen Saft herbei, den der andere in einem großen Kessel einkocht. Ist ein Dritter vorhanden, so besorgt der die kleinen Handreichungen, schafft die nötigen Lebensmittel herbei und kocht. Nach zwei bis drei Monaten kehren sie wieder zurück, häufig mit einem Ergebnis von 750–1000 kg Zucker, der, auf so kunstlose Art gewonnen, braun ist, aber durch geringe Beimengungen von Apfelsäure einen so angenehmen Geschmack aufweist, daß er höher geschätzt wird als der gewöhnliche weiße Zucker, den man übrigens durch Raffinieren sehr leicht aus ihm gewinnen kann.

In Frankreich stellte man zur Zeit der Kontinentalsperre aus dem ausgepreßten Safte des Mais Zucker her, wie einst in den Nordstaaten Amerikas vor dem Bürgerkriege aus demjenigen des Sorghum oder der Mohrenhirse (Andropogon sorghum), einer Art Bartgras. Durch den aus dem letzteren gewonnenen Zucker wollte man dem aus dem Zuckerrohr der Südstaaten hergestellten Konkurrenz machen und damit der Sklaverei selbst einen Stoß versetzen. Man gewinnt daraus in der Tat einen vortrefflichen Sirup und die Rückstände bilden ein ausgezeichnetes Viehfutter; bloß die Gewinnung eines kristallisierten Zuckers stößt auf Schwierigkeiten. Erst nach vollendeter Reife der Samen kann man fast zwei Drittel des etwa 9 Prozent des Saftes betragenden Zuckergehalts in kristallisiertem Zustand gewinnen. Doch ist dann der Stengel schon stark verholzt und muß gebrüht werden, um als Viehfutter dienen zu können.

Viel rationeller ist es, den Saft des dem Sorghum nahe verwandten Zuckerrohrs und der Zuckerhirse zur Gewinnung von Zucker zu verarbeiten. Das taten denn auch seit wenigstens der Mitte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts die Hindus in Indien, wo die griechischen Begleiter Alexanders des Großen nach dem Überschreiten des Indus im Jahre 327 v. Chr. im Pandschab, d. h. Fünfstromland, wie gemeldet wird, als erste Europäer „an festem Honig sich labten, der nicht von Bienen stammte“. Immerhin kann diese gelbbraune Substanz auch Palmenzucker gewesen sein. Jedenfalls ist dies die früheste Nachricht, die wir von einer durch Eindampfen von süßen Pflanzensäften gewonnenen Zuckerart besitzen. Der Schüler des bedeutenden Lehrers Alexanders des Großen, Aristoteles, und nach dessen Tod im Jahre 322 Haupt der peripatetischen Schule, zugleich der erste namhafte Botaniker, Theophrastos (390–286 v. Chr.), berichtet als erster von einem „süßen Salz, das sich in Indien von selbst aus einer rohrartigen Pflanze erzeuge“. Damit kann nur der Rohrzucker gemeint sein. Nach ihm ist von den Schriftstellern des Altertums, die das Zuckerrohr erwähnen, der bedeutendste Gelehrte Roms, Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.), zu nennen, der schreibt: „In Indien wächst ein Rohr von mittlerer Baumhöhe, aus dessen zähen Wurzeln man einen Saft preßt, der dem Honig an Süßigkeit gleichsteht.“ Dann berichtet der Erzieher und Leiter des jugendlichen Nero, Lucius Annaeus Seneca (2–65 n. Chr.), in seiner 84. Epistel: „In Indien soll in den Blättern einer Rohrart ein Honig gefunden werden, der entweder vom Taue jenes Himmels, oder aus dem süßen Safte des Rohres stammt.“ Der um 25 n. Chr. verstorbene griechische Geograph Strabon aus Amasia in Pontos meldet: „Megasthenes spricht von einem in Indien wachsenden großen Rohr, welches süß ist, und er glaubt, diese Süßigkeit sei die Folge der Sonnenhitze, welche den Saft der dortigen Pflanzen einkoche. Er spricht auch von einem Rohr, das ohne Zutun der Bienen Honig gibt.“ Der um die Mitte des 1. christlichen Jahrhunderts lebende griechische Arzt Dioskurides aus Anazarbos in Kilikien erwähnt in seiner reichhaltigen Arzneimittellehre: „Eine Art Honig, die man sáccharon nennt, findet sich in Indien und dem Glücklichen Arabien auf Rohr. Die Masse sieht aus und kaut sich zwischen den Zähnen wie Salz. Sie löst sich in Wasser auf und ist dem Magen, der Blase und den Nieren gesund.“ Sein Zeitgenosse, der ältere Plinius, sagt: „Das beste sáccharon erzeugt Indien; es kommt aber auch in Arabien vor. Es ist eine Art Honig, der sich in einer Rohrart sammelt, weiß wie Gummi ist, zwischen den Zähnen bricht, höchstens in Stücken von Haselnußgröße vorkommt und nur als Arznei dient.“ Der große Arzt Claudios Galenos (geb. 131 in Pergamon, praktizierte daselbst, dann in Rom, wo er ums Jahr 200 verstarb) meint: „Das sogenannte sacchar, das aus Indien und dem Glücklichen Arabien gebracht wird, ist, wie man sagt, eine sich an Rohr findende verhärtete Masse, eine Art Honig, doch nicht so süß wie unser Honig, hat jedoch ungefähr dieselben arzneilichen Eigenschaften, bekommt aber dem Magen besser.“ Endlich schreibt der griechische Kriegsschriftsteller Aelianus, der unter Trajan, der von 98–117 regierte, lebte: „Das eigentliche Getränk der indischen Elefanten ist Wasser; die für den Krieg bestimmten bekommen aber Wein, der nicht aus Trauben, sondern aus Reis und einem Rohr bereitet ist.“

Tafel 57.

(Nach Phot. von R. v Wettstein.)

Verwildertes blühendes Zuckerrohr in Brasilien.


GRÖSSERES BILD

Tafel 58.

Zuckerrohrernte auf Jamaika.

Zuckerrohrernte auf den Antillen.

Alle diese auf uns gekommenen Mitteilungen des Altertums über den indischen Rohrzucker, denen der Vollständigkeit wegen noch die Angabe des zu Beginn des 2. christlichen Jahrhunderts lebenden Arztes Gallus hinzuzufügen ist, daß man das indische Salz als kostbare Medizin bei Krankheiten verwende, lassen mit großer Deutlichkeit erkennen, daß der indische Rohrzucker noch in der römischen Kaiserzeit sehr selten und deshalb teuer war, wohl als Arznei, aber keineswegs als alltäglich gebrauchter Süßstoff Verwendung fand. Als solcher diente das alte Süßungsmittel, der Honig, der noch das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit bei uns den gewöhnlichen Süßstoff zur Bereitung von Kuchen und süßen Getränken bildete. Alle altertümlichen Gebäckarten, wie Pfeffer- und Lebkuchen, Leckerli und Honigbrötchen enthalten stets Honig statt Zucker.

Das Zuckerrohr (Saccharum officinale) ist eine unserem Schilfrohr sehr ähnliche Grasart, deren Heimat Südasien, speziell die heiße Niederung von Bengalen ist, jenes von den Schmelzwässern des Himalaja reich bewässerte Land, das wegen seiner unerschöpflichen Fruchtbarkeit von jeher als der Garten Indiens gepriesen wurde. Hier wurde das Zuckerrohr ursprünglich, wie später in China, auf den Philippinen und den Südseeinseln, als Nahrungspflanze gezogen und erst nachträglich bloß zur Gewinnung des aus ihm gepreßten süßen Saftes im großen kultiviert, und zwar ausschließlich durch Stecklinge, so daß die Pflanze im Laufe der mehr als 3000 Jahre, während welcher sie auf ungeschlechtlichem Wege vermehrt wird, die Fähigkeit, Samen hervorzubringen, ganz eingebüßt hat.

Aus Nordindien kam das Zuckerrohr gegen das Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. nach China, und zwar im Jahre 286 als Tribut des Königreichs Funam in Indien. Ein von 627–650 n. Chr. herrschender chinesischer Kaiser entsandte dann einen Gelehrten nach der indischen Provinz Behar, um dort die Zuckerfabrikation zu studieren. Zweihundert Jahre später als nach China drang die Kultur des Zuckerrohrs nach Südpersien und Arabien vor. In Persien wurde die indische Bezeichnung schakara (im altindischen Sanskrit noch sarkura) in schakar, im Arabischen in sukkar, als welches es sich mit dem zu a abgekürzten arabischen Artikel al als azucar im Spanischen und Portugiesischen erhielt, während es im Englischen zu sugar, im Italienischen zu zucchero, im Deutschen zu Zucker und im Französischen zu sucre wurde. Das griechische sáccharon, das als saccharum ins Lateinische überging, steht dem persisch-indischen schakara noch näher.

Im 6. Jahrhundert n. Chr. war der Anbau des Zuckerrohrs von seinem Ursprungsherde Indien westlich bis Gondisapur am persischen Meerbusen vorgedrungen, wohin sich die Nestorianer geflüchtet hatten, als das Konzil zu Ephesus im Jahre 431 ihre Lehre, wonach zwischen der göttlichen und menschlichen Natur in Christus scharf zu unterscheiden sei, für ketzerisch erklärt und ihr Haupt, den Patriarchen Nestorius von Byzanz, abgesetzt und verbannt hatte. Sie führten dem Orient die Keime klassischliterarischer und wissenschaftlich medizinischer Bildung zu, namentlich auch die Anfangsgründe chemischer Kenntnisse. Die durch rege Schiffahrt unterhaltenen Beziehungen der Stadt Gondisapur zu Indien bewirkten zugleich, daß sich der Einfluß der indischen Arzneilehre dort geltend machte und eine Akademie erblühte, die nicht nur die Traditionen der griechischen Medizin und Naturwissenschaften in sich aufnahm, sondern dieselben auch, mit den indischen Kenntnissen befruchtet, wesentlich förderte. Hier wurde allem Anscheine nach die Kunst der Zuckerraffinerie erfunden, wie der persische Name „kand“ für den gereinigten Zucker — in unserer Bezeichnung Zuckerkandel beziehungsweise Kandiszucker noch zu erkennen — vermuten läßt.

In der Folge waren es die Araber, welche das Zuckerrohr in größeren Mengen pflanzten, um Zucker daraus zu gewinnen. So soll der Kalif Mostadi ben Villa von Bagdad bei den prunkvollen Festlichkeiten zu Ehren seiner Vermählung im Jahre 1087 einen so großen Tafelaufsatz aus Konfekt haben herstellen lassen, daß zu seinem Aufbau 5000 kg Zucker nötig waren. Wenn auch dieser Bericht zweifellos eine von der blühenden orientalischen Phantasie diktierte Übertreibung darstellt, so kann doch schlechterdings nicht bezweifelt werden, daß die Araber den Zucker schon in beträchtlicher Menge gewonnen haben müssen. Bei ihnen lernten ihn die Abendländer auf ihren Kreuzzügen im Morgenlande kennen. So meldet uns der Mönch Albertus Aquensis, daß die Kreuzfahrer im Gelobten Lande aus Mangel an anderen Nahrungsmitteln „süßes, honigreiches Schilfrohr“, das sie da und dort im Lande der Ungläubigen angepflanzt fanden, also Zuckerrohr gekaut hätten, um dessen Saft zu schlürfen. Nach Venedig gelangte der erste Zucker im Jahre 996 aus Alexandrien. Dort soll er später aus seinem rohen Zustand, wie ihn die Araber lieferten, in die heute noch gebräuchliche Kegelform des Zuckerhutes gebracht worden sein. Durch die Vermittlung der venezianischen Kaufleute wurde er dann nach der Zeit der Kreuzzüge auch im Abendlande bekannt; aber auch hier fand er wie einst im Morgenlande vorzugsweise nur ärztliche Verwendung als kostbares Heil- und Stärkungsmittel. Ja er war noch zu Ende des 17. Jahrhunderts so teuer, daß man sich in Deutschland nur in den vornehmsten Haushaltungen seiner bediente.

Das Zuckerrohr selbst brachten die Araber im 8. Jahrhundert nach Ägypten (766 wuchs es schon bei Assuan in Oberägypten), ganz Nordafrika und sogar (714) nach Spanien und im 9. Jahrhundert nach Zypern, Rhodus, Kreta, Malta, Sizilien und Kalabrien. In Sizilien blieb dessen Kultur auch nach der Vertreibung der Araber bestehen. So schenkte König Wilhelm II. von Sizilien dem Kloster St. Benedikt bei Palermo im Jahre 1166 eine — jedenfalls von den Arabern eingerichtete — Mühle zum Zerquetschen des Zuckerrohrs mit Privilegien, Arbeitern und Zubehör. In Venedig, das in sehr regen Handelsbeziehungen mit dem muhammedanischen Orient stand, lassen sich bereits im Jahre 1150 Zuckerbäcker nachweisen. Die drei wichtigsten Produktionsländer des Zuckers im Mittelalter waren Syrien, Ägypten und Zypern, von wo ihn die Handelsschiffe der Venezianer holten, um ihn den Völkern Mitteleuropas zu vermitteln. Die Bedeutung dieser Länder schwand erst als Vasco da Gama im Jahre 1498 den direkten Weg nach Ostindien um das Kap der Guten Hoffnung fand und der Zwischenhandel mit indischem Zucker und den mancherlei im Abendlande so überaus beliebten Gewürzen in die Hände der Portugiesen fiel. Damit war der dominierende handelspolitische Einfluß Venedigs und damit seine Seemacht für immer gebrochen; an Stelle des Mittelmeeres wurde der Atlantische Ozean der Schauplatz des Weltverkehrs.

Der portugiesische Prinz Heinrich der Seefahrer ließ das Zuckerrohr im Jahre 1420 nach der damals neu entdeckten Insel Madeira schaffen; von da gelangte es bald nach den Kanaren, wo in der Folge eine besonders feine Sorte Zucker erzeugt wurde. Daher rührt die Bezeichnung Kanarienzucker für die feinste Sorte. Von den kanarischen Inseln verbrachte Kolumbus das Zuckerrohr auf seiner ersten Reise 1490, die mit der Entdeckung des neuen Weltteils gekrönt wurde, nach San Domingo, wo er es auf seiner zweiten Reise im Jahre 1495 gut gedeihend antraf. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde es nach den übrigen westindischen Inseln, 1531 durch die Jesuiten zugleich mit den dasselbe anbauenden Negern nach Brasilien und 1553 durch Cortez nach Mexiko verbracht, wo die Eingeborenen bereits aus Mais Zucker zu gewinnen verstanden. Im ganzen tropischen Amerika, besonders auf den westindischen Inseln, gedieh es in der Folge so gut, daß diese Länder, schon von 1570 an, eine solche Menge Zucker auf den Weltmarkt brachten, daß Sizilien seine Zuckerproduktion ums Jahr 1580 einzustellen begann, da es gegen die überseeische Produktion in Amerika nicht mehr anzukämpfen vermochte. Selbst Ostindien konnte nicht mehr mithalten und mußte seine Zuckerproduktion verkleinern, da sein Zucker für Europa zu teuer zu stehen kam. Diese gewaltige Zuckerproduktion, womit es alle Konkurrenten aus dem Felde schlug, war Amerika nur durch die beständige Zufuhr von Negersklaven aus Afrika ermöglicht, die hier als billiges Arbeitsmaterial auf den Plantagen verwendet wurden. Länder, die zu dieser Kultur freie Arbeiter anstellen mußten, konnten mit jenem Lande nicht konkurrieren.

Obschon alles heute gebaute Zuckerrohr von derselben Art abstammen muß, sind im Laufe der Zeit unter den Einwirkungen des veränderten Bodens und Klimas die mannigfaltigsten, hauptsächlich an Unterschieden der Farbe des Stengels kenntliche Varietäten entstanden, die stets nur durch Stecklinge vermehrt werden, wozu man meist die obersten, ausnahmsweise auch die untersten Glieder mit 2–3 Augen des knotigen, saftreichen, nicht hohlen Stengels verwendet. Daraus erwachsen Pflanzen mit ausdauernden dicken, knotigen, dicht verschlungene Rasen bildenden Wurzeln, 4–5, ganz ausnahmsweise bis 12 Stück 3–4, in seltenen Fällen auch 6 m hoher und 3–5 cm dicker, runder, knotig gegliederter Halme mit einem lockeren, zelligen, saftigen Mark, von einer dichten, festen, glatten und glänzenden Oberhaut bedeckt, die in der Jugend mit einem weißen Reif versehen ist. Oben sind die Halme hellgrün und durchlaufen nach unten zu alle Nuancen durch Purpur bis zum welken Gelb bei der Reife. Die Farbe ist bei den verschiedenen Spielarten bald grün, bald gelb oder violett, bald purpurn oder verschiedenfarbig gestreift. Die mit ihrer Basis an den Knoten den Halm 30 cm hoch scheidenartig umfassenden Blätter sind 1,25–1,3 m lang, 6–7 cm breit, glatt, sehr fein, aber scharf gezähnt mit einer breiten, weißlichen, auf dem Rücken gewölbten Mittelrippe. In dem Maße wie der Halm wächst, dorren die unteren Blätter ab, bis das Rohr zur Ernte reif ist. Dabei hat der Stengel, der allein Verwendung findet, unten eine Dicke von 6 cm und unter Umständen ein Gewicht von 10 kg und darüber erreicht. Er enthält nur bis zu einer gewissen Höhe hinauf Zucker. Gipfel und Blätter bergen zwar auch viel Saft, aber keinen süßen.

Das Zuckerrohr wird schon so lange vom Menschen angepflanzt, daß es wohl gelegentlich verwildert, wie auf einzelnen Inseln des Großen Ozeans, aber nirgends mehr wild angetroffen wird. Am besten gedeiht es in einem feuchtwarmen Klima mit verhältnismäßig hoher Bodenfeuchtigkeit, die man zum Teil auch durch künstliche Bewässerung erreichen kann. Der Boden muß, wie eingehende Versuche ergaben, neben den Silikaten des Aluminiums und Kaliums namentlich Kalk enthalten, der bei Fehlen durch Düngung, z. B. von Gips, ersetzt werden muß. In solchen tief umgegrabenen, jungfräulichen oder gut gedüngten Boden werden die Stecklinge in 1–1,25 m voneinander abstehenden Rinnen in 60–65 cm Abstand beinahe horizontal eingesteckt. Fällt nur spärlicher Regen, so müssen sie sorgfältig begossen werden; ist dagegen ein Überschuß von Feuchtigkeit vorhanden, so muß dieser durch die Rinnen abgeleitet werden, damit dem Verfaulen der Stecklinge vorgebeugt werde. Die Wurzeln beginnen sich rasch zu entwickeln und bald schießt der erste Stengel empor; erst wenn dieser eine Höhe von 50 cm erreicht hat, entwickeln sich noch 4–5 oder mehr Seitenstengel, die aber an Stärke hinter dem Hauptstengel zurückstehen.

Die Zuckerrohrpflanzung muß während des ersten Wachstums des Rohrs durch Jäten des üppig wuchernden Unkrauts und durch Behäufeln der Pflanze, um sie vor dem Austrocknen zu schützen, sorgfältig gepflegt werden, bis die Blätter der Pflanze so hoch geworden sind, daß sie genug Schatten werfen, um damit das Unkraut unterdrücken zu können. Dann ist das Jäten nicht mehr nötig. Werden die Pflanzen größer, so nimmt man ihnen ihre untersten Blätter, damit die Sonne bis zum Stengel dringe und einen möglichst großen Zuckergehalt in ihm bewirken könne, dann aber auch, um diese abgebrochenen, großen Blätter horizontal auf den Boden unter die Pflanzen zu legen, damit wenn sie sich neigen sollten, ihre Knoten nicht Wurzel schlagen können, wodurch das Rohr an Zuckergehalt bedeutend verlieren würde. Nach etwa acht Monaten haben die Rohrstengel ihre volle Größe erreicht. Von da an muß das Wetter möglichst trocken sein, damit sich reichlich Zucker in den Stengeln ansammle.

Die Ernte beginnt vor der Blütezeit, wenn sich das Rohr und die mittleren stehen gebliebenen Blätter desselben gelb zu färben beginnen. Die Blüten würden nach etwa zehn Monaten in Form von 60 cm langen, buschartigen, aus sehr zahlreichen Einzelblütchen bestehenden Rispen nur bei einigen wenigen kultivierten Zuckerrohrsorten zum Vorschein kommen. Die meisten Sorten blühen aber überhaupt nicht mehr, da aus technischen Gründen durch Jahrhunderte hindurch das Rohr vor der Ausbildung der Blüte abgehauen wurde und sich die Pflanze so allmählich daran gewöhnte, diese überhaupt nicht mehr zu bilden. Noch viel seltener bringt sie Früchte hervor; diese sind vielmehr wie die Keimung derselben erst in jüngster Zeit beobachtet worden.

Bild 33. Eine Zuckerfabrik im 16. Jahrhundert: Das Ausquetschen des Zuckerrohrs.
(Nach Piso und Marggraf, Historia nat. Brasiliae. Elzevir. 1648.)

Beginnen die mittleren Blätter zu welken und schwellen die unteren, besonders viel Zucker enthaltenden Stengelglieder von dem in ihnen angehäuften Safte an, so wird das Zuckerrohr abgehauen. In Abteilungen verteilt streifen die Arbeiter erst die Blätter von den Stengeln ab und hauen dann mit großen, im romanischen Amerika machete genannten Buschmessern das Rohr an der Wurzel ab, während andere die noch unreifen Spitzen desselben abschneiden. Dann werden die Stengel, zu Bündeln vereinigt, auf Maultierkarren nach dem Zuckerhause gebracht, wo sie zuerst gewogen und der Zuckergehalt in ihnen bestimmt wird, damit der Fabrikant berechnen könne, wieviel kristallisierbaren Zucker sie liefern werden. Die Stengel des Zuckerrohrs enthalten nämlich gegen 90 Prozent Saft und in diesen 18–20 Teile Rohrzucker. Von diesem letzteren werden indessen höchstens 8–10 Prozent gewonnen, beinahe die Hälfte desselben geht bei der mangelhaften Gewinnungsmethode verloren, gegen 6 Prozent bleiben allein im Rohr zurück.

Bild 34. Eine Zuckerfabrik im 16. Jahrhundert. Das Einsieden des aus dem Zuckerrohr gepreßten Saftes.
(Nach Piso und Marggraf, Historia nat. Brasiliae. Elzevir. 1648.)

In der Fabrik werden die Zuckerrohrstengel zunächst zwischen zwei kannelierten Stahlwalzen — früher bediente man sich dabei hölzerner Walzen — zerquetscht und vermittelst hydraulischer Pressen der Saft ausgedrückt. Dieser letztere gelangt dann in mehrere, etwas tiefer liegende offene Pfannen, in denen er durch Verdampfen des Wassers zu Sirupkonsistenz eingedickt wird. Weil er wegen seines Eiweißgehaltes leicht in Gärung übergeht und dann sauer wird, versetzt man ihn in der Pfanne sofort mit etwas gelöschtem Kalk (2 kg auf 360 Liter Saft). Während des starken Kochens steigen alle Unreinigkeiten mit dem geronnenen Eiweiß als Schaum an die Oberfläche und werden mit großen, flachen Kellen abgeschöpft. Ist der Saft so weit eingedickt, daß er beim Abtröpfeln Fäden zieht, so wird er so rasch als möglich in hölzerne Kühltröge geschöpft, wo er schnell zum braunen Rohzucker, Muscovado genannt, auskristallisiert. Im Filtrierzimmer stehen große Fässer mit fein durchlöchertem Boden auf einem Gerüst über einem Bassin. In diese Fässer wird nun die konzentrierte Rohzuckerlösung gebracht und einige Zeit stehen gelassen. Dabei scheidet sich der Zucker kristallinisch als bräunliche, krümelige Masse aus, und der nicht kristallisierbare Teil wird zuletzt als bräunlicher Sirup, Melasse genannt, ablaufen gelassen. Nun hat man die Erfahrung gemacht, daß je länger die Rohrzuckerlösung der Luft ausgesetzt bleibt, um so weniger Zucker sich in Kristallform ausscheidet und um so mehr flüssig bleibender Sirup sich bildet. Daher kam man auf die Neuerung, den Zuckersaft in luftleer gepumpten Pfannen, sogenannten Vakuumpfannen einzudicken. So bildet sich nur noch wenig Melasse, die dann durch Zentrifugieren aus dem krümelig auskristallisierten Rohzucker entfernt wird. Erfrorene und unreif geerntete Rohre geben viel Melasse. Aus dieser Melasse, die auch beim Vakuumverfahren immer noch meist über fünf Prozent des gesamten gewonnenen Zuckers beträgt, wird, soweit er nicht als solcher in den Handel gelangt, um in den ärmeren Haushaltungen an Stelle von Honig verwendet zu werden, durch Verdünnen mit Wasser und Vergärenlassen Rum gebrannt. Wird der Rohrzucker durch Sieden und Läutern in mit feuchtem Ton bedeckten Gefäßen noch mehr gereinigt, so heißt er Kassonade, Farin oder Farinzucker, auch Mehl- oder Puderzucker.

Dieser Zucker wird nun meist erst in Europa in besonderen Zuckerraffinerien noch weiter geläutert und gereinigt und in weißen Hutzucker verwandelt. Die erste Raffination ergibt den Lumpenzucker und die zweite den Melis, so genannt nach der Insel Melita-Malta, wo die Araber einst Zuckerraffinerien besaßen und diese Methode übten. Der feinste gereinigte Zucker heißt Raffinade oder Feinzucker, dessen beste Sorte der nach den gleichnamigen, einst durch ihre Zuckerkultur ausgezeichneten Inseln genannte Kanarienzucker ist. Kandiszucker, der nach dem persischen Worte kand für gereinigten Zucker so genannte kristallisierte Zucker, wird dadurch erzeugt, daß man in eine stark eingedickte Zuckerlösung, in welcher noch kein Zucker zur Ausscheidung gelangte, Fäden hineinhängt, an denen der Zucker in vielseitigen Prismen auskristallisiert. Da man beim Sieden des Zuckers sehr viel Heizmaterial verbraucht, so verwendet man dazu die als Bagasse bezeichneten trockenen, holzigen Fasern des Zuckerrohrs, die nach der Auspressung des Saftes als Abfall zurückbleiben.

Die gesamte Rohrzuckerfabrikation der Welt wird auf 5 Milliarden kg geschätzt, von denen Westindien und danach Niederländisch-Indien und Hawai das meiste liefern. Es würde uns nun zu weit führen, hier aufzuzählen, zu welch großer Bedeutung der Zucker, besonders nach der Einführung von Kaffee, Tee und Schokolade, in der Kulturwelt gelangt ist und wie er auch bei der Herstellung der mancherlei Gebäcke nach und nach den früher hierfür ausschließlich verwendeten Honig verdrängte. Noch im 17. Jahrhundert war er so teuer, daß alle weniger Bemittelten sich mit Honig oder der als Abfall bei der Zuckerraffinerie gewonnenen Melasse begnügen mußten. Da er sich nun nicht bloß als Genußmittel, sondern als Nahrungsmittel von hohem Nährwert erwies, den sich verschaffen zu können alle Volksschichten anstrebten, mußte es von unseren Voreltern als eine große Kalamität empfunden werden, als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts durch die von Napoleon I. aufgebrachte Kontinentalsperre alle Handelsverbindungen Englands und seiner Kolonien mit dem europäischen Festlande lahmgelegt wurden und dadurch die Einfuhr von Kolonialzucker ganz außerordentlich eingeschränkt wurde. Mit den übrigen Kolonialwaren wurde der Zucker so teuer, daß ein Pfund desselben 4 Mark kostete. Da suchte man notgedrungen aus einheimischen zuckerhaltigen Pflanzen diesen Stoff zu gewinnen. Von diesen erwies sich in der Folge die Runkelrübe als das geeignetste Ausgangsmaterial, auf deren Zuckergehalt zuerst der Chemiker Marggraf in Berlin im Jahre 1747 aufmerksam gemacht hatte. Allerdings gewann er aus den Rüben nur etwa 6 Prozent Zucker. Nach vielen vergeblichen Versuchen, diesen Zuckergehalt der Rüben im großen auszubeuten, gelang es erst in den 1820er Jahren, die Rübenzuckerindustrie mit günstigem Erfolge zu betreiben und aus dem Safte der Runkelrüben, die bald zu eigentlichen Zuckerrüben veredelt wurden, einen Zucker von untadelhafter Beschaffenheit zu gewinnen.

Den Grund zu dieser Neuerung legte im Jahre 1801 Marggrafs Schüler Friedrich Karl Achard, der mit Unterstützung des Königs Friedrich Wilhelms III. von Preußen, welcher die Bedeutung der einheimischen Zuckererzeugung erkannt hatte, auf dem Gute Kunern bei Breslau in Niederschlesien zuerst Runkelrüben zur Zuckergewinnung pflanzte und eine Zuckerrübenfabrik errichtete, nachdem er schon 1796 auf seinem Gute Kaulsdorf bei Berlin Rübenzucker hergestellt hatte. Doch betrug die Ausbeute an Zucker zunächst nur 2–3 Prozent und die Fabrikation hatte auch sonst mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen. Zu Hilfe kam ihr nun die durch die Kontinentalsperre hervorgerufene Zuckerteuerung. Ihr Verursacher, Kaiser Napoleon I., hatte selbst einen Preis von einer Million Franken für die gelungene Darstellung von Zucker aus inländischen Pflanzen ausgesetzt. Durch diese doppelte Aussicht gereizt und durch den ungeheuren Eingangszoll auf Rohrzucker begünstigt, der diesen, den man doch nicht entbehren mochte, ganz fabelhaft verteuerte, lernte man trotz der geringen Ausbeute doch nach und nach Nutzen ziehen. Von ganz wesentlichem Einflusse wurde dabei die Entdeckung der günstigen Wirkung, welche der Zusatz von Knochenkohle bei der Behandlung des Zuckersaftes auszuüben vermag. Die französische Regierung, die selbst im Besitze von Kolonien war, welche Rohrzucker, wenn auch in mäßigen Mengen, erzeugten, kam freilich in Verlegenheit, ob sie hinsichtlich der Zuckerfabrikation die Kolonien gegen das Mutterland oder das Mutterland gegen die Kolonien schützen solle. Zuletzt aber behielt auch bei ihr die Verpflichtung zum Schutze der einheimischen Rübenzuckerindustrie die Oberhand und diese hat ihr die Begünstigung auch reichlich vergolten. So wurde Frankreich neben Deutschland das erste Land, in welchem die Runkelrübe zur Zuckergewinnung angepflanzt wurde. Seit dem Jahre 1811 besaß es eine ansehnliche Zahl von Rübenzuckerfabriken, besonders nachdem Delessert das Darstellungsverfahren von Zucker aus dem Rübensafte vervollkommnet hatte. Aber nach Aufhebung der Kontinentalsperre gingen auch hier wie in Deutschland die meisten Rübenzuckerfabriken ein.

Erst vom Jahre 1820 datiert der neue Aufschwung und der schließlich großartige Erfolg der Rübenzuckerindustrie, so daß heute in ganz Europa von den Ufern der Garonne bis zum Ural zahlreiche Rübenzuckerfabriken bestehen und selbst England angefangen hat, Rübenzucker herzustellen, obschon gerade dieses Land alle Ursache hätte, dem Zucker seiner Kolonien keine Konkurrenz zu machen. Seit dem Jahre 1850 bis heute hat sich die Rübenzuckerindustrie mehr als verdreißigfacht, so daß Mitteleuropa, speziell Deutschland, nicht bloß seinen eigenen Bedarf deckt, sondern noch viel Zucker auszuführen vermag. Dabei liefert der Rübenzucker ein Produkt, das dem besten Rohrzucker an Güte nicht im mindesten nachsteht, und zwar benötigt man zur Herstellung von 1 Zentner Rohzucker durchschnittlich 12,5 Zentner Zuckerrüben. Es ist dies eine heute durch Zucht spezialisierte, d. h. in bezug auf Zuckergehalt bedeutend angereicherte Runkelrübe, welche am besten auf gründlich gepflügtem und fleißig geeggtem, fettem, lehmigem Boden gedeiht, der tüchtig gedüngt werden muß, da die Rüben demselben reichlich Nährsalze entziehen. Im März wird die Zuckerrübe ausgesät. Bald kommen die jungen Pflanzen zum Vorschein. Mehrmals muß nun zuerst von Hand, dann mit der Hacke gejätet, dabei auch die zu eng stehenden Pflänzchen ausgedünnt werden. Wenn die Rübe eine bestimmte Größe erreicht hat, wird sie ein- oder zweimal behäufelt, wobei derjenige Teil der Pfahlwurzel, der über die Erde hervorragt, mit Erde bedeckt wird. Man hat nämlich durch zahlreiche Versuche festgestellt, daß das Licht umgekehrt wie bei den Stengeln des Zuckerrohrs nachteilig für die Zuckerbildung in der fleischigen Pfahlwurzel der Runkelrübe ist. Diese nimmt nach und nach an Umfang zu und in demselben Maße wächst auch ihr Zuckergehalt, der schließlich durch Kultur und fortwährende Auslese der süßesten Sorten von ursprünglich 6 auf 14, ja sogar 18 und 20 Prozent stieg.

Gewöhnlich läßt man die Rüben nur mäßig groß werden. Sobald der Zuckergehalt in ihrer Wurzel seinen Höhepunkt erreicht hat, werden sie aus dem Boden gepflügt. Dann werden an ihnen die Blätter und die Krone ausgeschnitten, damit die Zuckerrüben später nicht in den Speichern weiterwachsen können, da dadurch ihr Zuckergehalt bald erschöpft werden würde. Die Blätter werden meist auf dem Felde zurückgelassen, um als Dünger zu dienen; nur in Jahren, in denen das Futter knapp ist, werden sie als Viehfutter benutzt, obschon ihr Nährwert nur ein geringer ist.

So zubereitet werden die Rüben auf dem Felde zu großen Haufen aufgestapelt und mit Stroh und Erde bedeckt. Aus diesen Reservevorräten holt man so viel in die Fabrik, als verarbeitet werden kann. Zuerst werden die Rüben in einem Röhrenkomplex in fließendem Wasser gereinigt, dann durch eine Maschine in einem zylindrischen Kasten in kleine Stücke geschnitten und zu Brei zerrieben, der durch etwas Wasser ausgelaugt und schließlich, in Tücher von grober Wolle eingeschlagen, durch eine hydraulische Presse ausgedrückt wird. Der Saft wird dann auf verschiedene Weise, zuletzt durch Passieren eines Filters mit Knochenkohle, gereinigt und im Vakuumapparat vermittelst Dampf in luftverdünnten Kesseln eingekocht. Ungefähr 85 Prozent von dem darin eingedickten Saft besteht dann aus Zucker, der durch Zentrifugieren von der Melasse getrennt wird.

Der so gewonnene Zucker ist pulverförmig und muß gereinigt werden. Zu diesem Zweck wird er von neuem in Wasser gelöst und, mit Knochenkohle und Ochsenblut vermischt, in großen Kesseln gekocht. So raffiniert wird der flüssige Zucker in Formen gegossen, in welchen eine langsame Kristallisation stattfindet. Zuletzt werden die Formen in die Schwitzkammern gebracht und die Melasse aus ihnen entleert; schließlich gewinnt man reinen Zucker in Form von Kegeln oder Würfeln. Der Preßrückstand der Zuckerrüben, die Preßlinge, dienen als Viehfutter.

Die Rübenzuckerindustrie ist für unsere Landwirtschaft von allergrößter Bedeutung geworden, weil durch sie dem Boden die höchste Rente abgewonnen wird; sie hat auch einen starken Export namentlich nach den Vereinigten Staaten hervorgerufen, der dem Lande viel Geld einbringt. In Deutschland bestanden im Jahre 1908 358 Rübenzuckerfabriken, die gegen 13000 Millionen kg Zuckerrüben verarbeiteten und daraus 2135 Millionen kg Rohzucker gewannen. Damit steht dieses Land in der Produktion des Rübenzuckers obenan. Ihm folgen der Reihe nach Rußland mit 1470 Millionen kg, Österreich mit 1345 Millionen kg, Frankreich mit 760 Millionen kg, Belgien mit 285 Millionen kg und endlich die Niederlande mit 180 Millionen kg. Die Zuckerproduktion der ganzen Welt im Betrage von etwa 11 Milliarden kg besteht zur größeren Hälfte — etwa 6 Milliarden kg — aus Rübenzucker und zur kleineren — 5 Milliarden kg — aus Rohrzucker. Letzterer wird besonders auf Kuba, der Perle der Antillen, gepflanzt, das im Jahre 1906/07 allein 1486 Millionen kg Zucker aus Zuckerrohr produzierte. Java erzeugte im Jahre 1905 1039 Millionen kg; der Süden der Vereinigten Staaten im gleichen Jahre 342000 kg und Hawai 370 Millionen kg. Weitere wichtige Erzeugungsländer für Rohrzucker sind Mauritius, Ägypten, die Philippinen und Portoriko mit je 100–200 Millionen kg Produktion; ferner China und Indien, deren Ertrag sich jedoch nicht sicher bestimmen läßt, da sie fast ausschließlich für den eigenen bedeutenden Konsum arbeiten.

Da das Zuckerrohr wie alle aus Stecklingen oder Pfropfreisern auf vegetativem Wege vermehrten Pflanzen im Laufe der Zeit an Widerstandskraft gegen äußere, schädliche Einflüsse eingebüßt hat, so ist man bestrebt, es auch auf generativem Wege fortzupflanzen, um dadurch weiterer Entartung desselben vorzubeugen. Zu diesem Zwecke erforschte man genau, welche Kultursorten noch nicht so weit entartet sind und noch normale Blüten entwickeln; dabei fanden sich bei keiner mehr normale Verhältnisse. Selbst beim zucker- und blütenreichen Cheribonrohr von Java waren die Pollenkörner zum größten Teile vertrocknet, also völlig untauglich zur Bestäubung. Da benützte man zur Befruchtung dieser noch nicht völlig in bezug auf Geschlechtsorgane degenerierten Kultursorte den Pollen von zwei wilden Arten, dem Saccharum ciliatum und dem Kassurrohr und erzielte damit kräftige Keimlinge, die teilweise noch eine weit größere Höhe erreichten als ihre Muttervarietäten. Sie waren recht zuckerreich und wurden dann in der gewöhnlichen Weise vegetativ fortgepflanzt, wobei sich die Mehrzahl derselben sehr gut hielt. Daraus lassen sich gewiß mit der Zeit gute, neue Kulturvarietäten entwickeln.

Vor allem waren diese auf geschlechtlichem Wege erzeugten Zuckerrohrarten absolut frei von der in Java als Sereh bezeichneten und sehr gefürchteten Krankheit, die sich darin äußert, daß das Rohr niedrig bleibt und keine großen Halme mehr treibt, dafür zahlreiche Seitentriebe erzeugt, wodurch es einer Grassorte mit wohlriechender Wurzel, dort sereh genannt (Andropogon schoenanthus) sehr ähnelt, schließlich verkümmert und abstirbt. Diese Krankheit ist nicht auf irgend welche infektiöse Keime zurückzuführen, sondern ist eine erbliche Entartungserscheinung, die von Jahr zu Jahr stärker wird, wenn die Stecklinge serehkranken Rohren entnommen werden. Dagegen hilft am besten die Kultur von aus Samenpflanzen gezogenen Stecklingen.

Von tierischen Schädlingen sind in Amerika besonders der Zuckerrohrkäfer, dann der Zuckerrohrwickler, dessen Raupe sich ebenfalls in das Zuckerrohr einbohrt, zwei Ameisenarten und die Zuckerschildlaus einigermaßen gefürchtet. Außerdem werden die mannigfachsten Pilzkrankheiten am Zuckerrohr beobachtet, so der Brand, der rote und Blattrost, die Ananas- und Dongkellankrankheit, die Gelbflecken-, Rotflecken-, Ring-, Augen- und Blattfleckenkrankheit der Blätter und verschiedene andere, auf die wir hier nicht näher eingehen können.

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