Die meisten Speisen, die der Mensch genießt, sind an sich geschmacklos, da die einzelnen Bestandteile derselben, sowohl das Stärkemehl, als das Eiweiß und Fett an sich keinen Geschmack oder Geruch besitzen. Nun aber ist nicht bloß der liebliche Duft, sondern vor allem der angenehme Geschmack einer Speise für deren Bekömmlichkeit von allergrößter Bedeutung; denn dadurch erst werden die Verdauungssäfte in ausgiebiger Menge zur Absonderung gebracht, so daß diese auch recht verdaut werden kann. Deshalb haben alle Völker der Erde, soweit sie zum Hackbau und zu einem unbesorgteren Lebensgenusse gelangten, allerlei wohlriechende und angenehme oder scharfschmeckende Pflanzen ihrer Umgebung zur Würzung ihrer sonst fade schmeckenden Nahrung verwendet. Je mehr nun die Völker ihre Produkte untereinander austauschten, um so mannigfaltiger wurde die Auswahl derselben. Und gerade die heißen Landstriche der Erde, in denen das Pflanzenwachstum weitaus am energischsten erfolgt und die stärksten Würzen und kräftigsten Gifte und Heilstoffe erzeugt werden, lieferten die wirksamsten derselben. Die hier wohnenden Völker verkauften von ihrem Überfluß an die in klimatisch weniger begünstigten Gegenden Lebenden. So sind wir Europäer auch hierin in erster Linie den Tropen tributpflichtig geworden. Und wenn auch die Zeiten längst dahin sind, in denen man die fremdländischen Gewürze mit Gold und Silber aufwog, und eine ganz unbegreifliche, heute vollständig verschwundene Sucht nach schweren Gewürzen die Völker ergriffen hatte, so sind es doch noch ziemlich bedeutende Summen, die jährlich für fremdländische Gewürze ausgegeben werden. So hat z. B. Deutschland im Jahre 1908 für rund 14 Millionen Mark allerlei Gewürze aus dem Ausland bezogen. Obenan steht unter ihnen noch immer der Pfeffer, von dem für 5661000 Mark bezogen wurde, ferner für 340000 Mark Paprika, so daß also das deutsche Volk für das Pfeffern seiner Speisen gegen 6 Millionen Mark ans Ausland bezahlt hat. Nächst dem Pfeffer kommen die Gewürznelken, von denen Deutschland für 1,5 Millionen kaufte, dann Zimt für 3,5 Millionen Mark und Muskatnüsse für 1,2 Millionen Mark. Trotz des künstlichen Vanillins wurden 90000 kg Vanilleschoten für 1260000 Mark bezogen, ferner aus Südeuropa und Kleinasien 28200 kg Safran, wofür 1692000 Mark bezahlt wurden. Dieses ist weitaus das teuerste aller Gewürze; denn in der Reichsstatistik für das Jahr 1907 wurde ein Kilogramm davon mit 60 Mark bewertet; nächst ihm kommt, wenn auch erst in weitem Abstande, die Vanille, von der das Kilogramm mit 14 Mark bezahlt wurde.
Beginnen wir unsere Betrachtung mit diesem zweifellos feinsten und aromatischsten aller Gewürze, der Vanille, deren Bekanntschaft uns die Spanier nach der Entdeckung der Neuen Welt zuerst vermittelten. In der Literatur Mitteleuropas erwähnt sie zuerst der französische Botaniker Clusius (Charles de l’Ecluse, geb. 1526, von 1593 bis zu seinem 1609 erfolgten Tode Professor der Botanik in Leiden) in einem 1605 erschienenen Werke. Wo er dieses Produkt zuerst kennen lernte, ist nicht ersichtlich, doch muß es durch spanisch-österreichische Vermittlung geschehen sein. Die Spanier lernten die Vanille im Bereiche der Kakaokultur in Mexiko zuerst kennen, wo sie im östlichen Teile des Landes ihre älteste Heimat hat. Wie wir dies heute noch bei der Bereitung des Kakaos tun, würzten die bei ihrer Entdeckung durch die Europäer zu recht hoher Kultur fortgeschrittenen Azteken, die Einwohner Mexikos, ihre Schokolade, chocolatl genannt, mit der von ihnen als tlilxochitl bezeichneten Vanille, während die Spanier in der Folge das einheimische Wort vaynilla, d. h. Schötchen, für dieses ihnen neue Gewürz in Aufnahme brachten. Im Jahre 1510 brachten sie es zum erstenmal nach Europa, und zwar nach Spanien.
Die in den Handel gelangenden Vanilleschoten sind bekanntlich die auf besondere Weise zubereiteten Früchte einer Orchidee, bei denen manche Arten, wie beispielsweise die auf den Alpenwiesen wachsende Männertreu (Nigritella), denselben auf der Anwesenheit des Vanillins beruhenden Duft in den Blüten aufweisen. Von dieser über 7000 Arten umfassenden Familie der Orchideen, die nur in 1,5 Prozent in Europa heimisch sind, dagegen vorzugsweise die feuchten Gebirgstäler des äquatorialen und subtropischen Amerika, wie auch Indiens und Hinterindiens bewohnen und darin, wie beispielsweise in den Anden, bis beinahe 3300 m emporsteigen, sind viele auf der Borke von Bäumen hoch oben auf deren Geäst lebende Epiphyten oder Überpflanzen, die vielfach fälschlich als Schmarotzer bezeichnet werden, was sie durchaus nicht sind, da sie sich selbständig ernähren, ohne je ihre Wirte anzuzapfen.
Die Vanillepflanze (Vanilla planifolia) ist kein solcher „hochgeborener“ Baumbewohner, sondern wie sämtliche bei uns wachsenden Orchideen ein ursprünglich bodenständiger Erdbewohner, der sich an ihm Stütze gewährenden Bäumen und Sträuchern emporrankt, um dann später durch Absterben der Erdwurzeln die Verbindung mit dem Boden zu lösen und eine durch Luftwurzeln aus der Atmosphäre lebende Überpflanze zu werden. Diese Kletterpflanze besitzt einen runden, fingerdicken, sehr lang werdenden, tiefgrünen Stengel, der große, dunkelgrüne, fleischige Blätter und ihnen gegenüber je eine als Haft- und Nährorgan zugleich dienende, blattgrünfreie und deshalb weißliche Luftwurzel, die oft bis zur Erde herabreicht. Aus den Blattwinkeln treten die großen, traubenförmig gestellten, gelblich- bis weißgrünen, in der Mitte etwas aufgeblasenen, wohlriechenden Blüten hervor, die nur einen Tag geöffnet bleiben und nach der Befruchtung durch ein bestimmtes Insekt 20–30 cm lange, dreikantige, mit einer großen Zahl überaus kleiner, schwarzer Samenkörner gefüllte Schotenfrüchte hervorgehen lassen.
Bevor diese völlig reif sind, d. h. wenn die vorher grünen eben gelb zu werden beginnen, werden sie gepflückt oder abgeschnitten. Zu letzterem Zwecke sind die Arbeiter mit einer langstieligen Schere und einem mit Blättern ausgelegten Körbchen versehen. In diesem Zustande sind sie noch geruchlos. Ihr feines Aroma entwickelt sich erst beim Trocknen, das möglichst rasch zu geschehen hat. Bevor sie dieser Prozedur unterworfen werden, taucht man sie einige Sekunden in kochendes Wasser, um die ihnen anhaftenden Insekteneier zu vernichten und die Entwicklung des Wohlgeruchs zu befördern. Hierauf werden die danach tiefbraun gefärbten Früchte zuerst auf Gitterrosten erhitzt, dann an der Sonne getrocknet und noch warm in Blechkasten gelegt, in denen sie völlig austrocknen, wobei sie drei Viertel ihres ursprünglichen Gewichtes verlieren. Darin bleiben sie etwa drei Monate liegen, bis sie ihr volles Aroma entwickelt haben und durch Ausschwitzung mit feinen, weißen Kristallnadeln aus Vanillin bedeckt sind. Dabei werden sie öfter untersucht und diejenigen Schoten, die zu feucht sind und infolgedessen in Gärung übergehen könnten, entfernt. Schließlich bindet man sie in Bündel von je 50 Stück zusammen und bringt diese, in Zinnbüchsen, die etwa 5 kg Vanille enthalten, eingelötet, in den Handel.
Ihren Wert erhalten die Vanilleschoten durch das bis zu 4 Prozent in ihnen enthaltene, äußerst wohlriechende Vanillin, das eines der am häufigsten benutzten feineren Gewürze darstellt. Außer in ihrem Heimatlande Mexiko, wo die Vanille besonders in der Umgebung der Stadt Oaxaca gezogen wird, kultiviert man sie heute an vielen Orten der Tropen. So wurde sie wegen des hohen Preises der Schoten, von denen 1821 1 Pfund 120 Mark und 1860 1 Pfund in Holland 22,50 Mark kostete, von den Holländern 1819 nach Java eingeführt, gedieh dort auch ganz gut, blühte reichlich, brachte aber keine Früchte hervor. Da erkannte der Direktor des Versuchsgartens in Buitenzorg, Theysmann, daß die Schuld nur der mangelnden Befruchtung der Blüten zukomme, da eben an diesem neuen Standorte die bestimmten, in der Heimat die Pollenübertragung vollziehenden Insekten fehlten. Sobald man diesem Mangel durch künstliche Befruchtung der Blüten abhalf, indem man den zu winzigen Kölbchen, den Pollinien, verwachsenen Blütenstaub mit Hilfe von zugespitzten Bambusstäbchen auf die Narbe der Blüten übertrug, hatte man einen vollen Erfolg. Alle Blüten müssen gleich am Morgen, an dem sie aufgegangen sind, befruchtet werden, und zwar kann ein flinker Arbeiter an einem Morgen 1000 Blüten bestäuben. Wenige Tage danach kann man bereits diejenigen Blüten auslichten, die keine Früchte ansetzen. Einen Monat nach der Blütenbefruchtung erreichen die Früchte schon ihre endgültige Größe, bedürfen aber zu ihrer völligen Reife noch weiterer fünf Monate, und zwar werden die der Sonne ausgesetzten Schoten die besten. Die Ernte findet auf der nördlichen Erdhälfte von Dezember bis Februar, auf der südlichen dagegen von Juni bis August statt. Dabei rechnet man im Durchschnitt auf einen Ertrag von 100–200 kg marktfertiger Ware auf den Hektar. Seit Anfang der 1860er Jahre hat man die Vanillekultur besonders intensiv auf den französischen Inseln Réunion und Bourbon betrieben, die heute weitaus am meisten Vanille exportieren, nämlich jährlich etwa 100000 kg. An zweiter Stelle kommen die gebirgigen Seychellen-Inseln, auf denen diese Kulturpflanze im Jahre 1868 eingeführt wurde. Doch lohnt die Kultur dieser Nutzpflanze nicht mehr die Kosten, da der Wert der Vanille im Laufe des vergangenen Jahrhunderts von 240 Mark auf 8–10 Mark für das Kilogramm sank. Zu diesem gewaltigen Preisabschlag trug besonders die neuerdings gelungene künstliche Herstellung des Vanillins bei, das man jetzt im großen aus dem im Kambium (Bastmantel) der Nadelhölzer enthaltenen Glykosid Koniferin gewinnt. Dabei leisten 10 g künstlich erzeugtes Vanillin so viel wie 500 g feinste Bourbonvanille. Dieses Gewürz wird im Haushalt und in der Konditorei viel gebraucht, sollte aber von reizbaren, schwachnervigen Menschen recht mäßig oder gar nicht angewendet werden, da es in größeren Mengen zu stark erregt und erhitzt. So meidet man im heißen Amerika den Genuß der Vanille aus diesen Gründen fast ganz.
Die Vanillekultur ist verhältnismäßig sehr einfach. Sie wird meist in unvollständig gelichteten Wäldern betrieben, in welchen man die jüngeren Bäume als Schattenspender und zugleich Stützen für die kletternde Orchidee stehen läßt. Da der wie bei allen Orchideen sehr kleine Same bei der Kulturpflanze meist nicht mehr keimfähig ist, verwendet man für die Vermehrung derselben meist Stecklinge von 1 m Länge mit 3–4 Blättern, die 15–20 cm tief in die Erde gesteckt und darin möglichst fest gedrückt werden, während die Spitze an einer Stütze befestigt wird. Im dritten Jahre beginnt die Pflanze Früchte zu entwickeln, die man aber zur Schonung der Pflanze nicht alle befruchtet. Dieselben erreichen vom vierten bis zum achten Jahre ihre höchste Vollkommenheit; doch bleibt die Staude bis zum zwanzigsten Jahre tragfähig.
Die Vanillepflanze gedeiht nur in tropischen Gebieten mit möglichst gleichmäßiger Wärme, ohne größere Temperaturschwankungen und ausgiebiger Feuchtigkeit der Luft und des Bodens. Als Waldpflanze erträgt sie keinen Wind, selbst dann, wenn er warm ist, deshalb schützt man sie durch 4–5 m hohe heckenartige Umfriedigungen davor, oder indem man sie im Schatten von Schutzbäumen (meist Banane oder Kalabassenbaum) oder an Spalieren von ansehnlicher Höhe zieht, die ebenfalls den nötigen Schatten gewähren müssen und aus diesem Grunde nicht von Osten nach Westen gezogen werden dürfen. An diesen können nicht nur die Zweige in der zweckentsprechenden Weise auseinander gebreitet werden, sondern lassen sich alle Vorteile erzielen, welche man bei der Kultur solcher kletternder Pflanzen erstrebt. Die in ihrer Heimat im Urwalde wachsende Vanille wird meistens nicht reif, da die Affen eine besondere Vorliebe für diese schmackhaften Schoten haben und dafür sorgen, daß diese nicht in menschliche Hände geraten.
Tafel 71.
Eine Vanillepflanzung im Botanischen Garten von Viktoria in Kamerun.
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GRÖSSERES BILD
Tafel 72.
An Stützbäumen emporrankende Pfefferreben auf Sumatra.
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GRÖSSERES BILD
Neuerdings hat man in den deutschen Kolonialgebieten mit bestem Erfolg den Anbau dieser Kulturpflanze eingeführt und wird hier mit der Zeit einen ansehnlichen Teil der gegen 330000 kg betragenden Gesamtproduktion der Erde gewinnen, so daß das Deutsche Reich seinen Bedarf von etwa 41000 kg im Werte von 1 Million Mark daraus zu bestreiten vermag.
Ebenfalls eine an Bäumen emporrankende Kletterpflanze ist die in Südasien heimische Pfefferrebe (Piper nigrum), die sowohl den schwarzen, als auch den weißen Pfeffer liefert. Ihr holziger, bis 2 cm im Durchmesser haltender Stamm steigt an den sich ihm zur Stütze darbietenden Bäumen 6–7 m empor, indem er sich durch Luftwurzeln an sie anklammert. Die herzförmigen, mit langer Träufelspitze versehenen, etwas lederigen Blätter stehen an ziemlich langen Stielen spiralförmig am Stamme. Denselben gegenüber brechen die ährenartigen Blütenstände hervor, die nach der Befruchtung rote, mit einer dünnen Lage von Fruchtfleisch umgebene Beeren liefern. Dieselben enthalten unter einer innen braunroten, mit dem scharfen Piperin, einer gelben öligharzigen Substanz, erfüllten Samenschale, die in einem reichen, mehligen Nährgewebe liegenden, gleichfalls durch jenen scharfen Stoff vor dem Gefressenwerden durch unberufene Tiere geschützten Samen.
Ihre Heimat hat die Pfefferrebe in den Wäldern der Malabarküste, wo sich die Eingeborenen ihrer hübschen roten Früchte jedenfalls schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend zur Würze ihrer an sich etwas faden Reisnahrung bedienten. Denn gerade in den Tropen mit ihrem erschlaffenden, warmen Klima besteht überall das unumgängliche Bedürfnis nach scharfen Gewürzen als Zukost zur an sich wenig die Geschmacksnerven reizenden Kost aus stärkemehlreichen Samen, Früchten oder Wurzelknollen. Schon in den altindischen Epen ist vom Pfeffer die Rede, welcher neben dem Salz als Würze der Speisen bezeichnet wird. Wahrscheinlich bedeutet das Wort Malabar — aus malichabar entstanden — „Pfefferland“; denn im Sanskrit, der ausgestorbenen Sprache Altindiens, ist malicha die ursprüngliche Bezeichnung für den Pfeffer, während bar im Arabischen Land bedeutet. Dieser Name ihres Landes ist übrigens den Eingeborenen von Malabar fremd; sie nennen es vielmehr Malajálam, was Hügelland, oder Kéralam, was Kokosnußland heißt.
Von den Wäldern von Malabar, wo die Eingeborenen die Pfefferrebe an Waldrändern an Stützbäumen oder, der leichteren Ernte wegen, an Spalieren ziehen, hat sich der Anbau dieser Kulturpflanze besonders nach der Halbinsel Malakka und dem benachbarten malaiischen Archipel gewandt. Nicht mehr wie noch im Mittelalter in Indien, sondern hier wird heute der meiste Pfeffer erzeugt. Der Hauptausfuhrhafen dafür ist Singapur. Von den über 30 Millionen kg Pfeffer, die jährlich auf den Weltmarkt gelangen, entfällt reichlich die Hälfte auf Sumatra, an dessen Ostküste besonders dieses so geschätzte Gewürz erzeugt wird. Neuerdings ist die Pfefferkultur auch auf Neuguinea, Westafrika und Westindien ausgedehnt worden.
Sie wird ursprünglich in der Weise betrieben, daß man einen oder mehrere Stecklinge von 30 cm Länge, meist Ranken, am Fuße eines Baumes am Waldsaum oder einer Waldlichtung pflanzt und den gleichen Vorgang bei allen benachbarten Bäumen wiederholt. Neuerdings aber legt man regelrechte Plantagen an, indem man die Stecklinge an 3–4 m hohen Stangen hinaufranken läßt. Schon nach zwei Jahren haben sie rings um die Stütze einen dichten, grünen Mantel gebildet, im dritten beginnen sich die Früchte zu zeigen und im vierten tritt die volle Ertragsfähigkeit ein. Diese erreicht vom siebenten bis neunten Jahre ihre Höhe, indem jede Pflanze bis zu 35 Fruchtähren mit je 20–30 Früchten hervorbringt, so daß die einzelne Pflanze nicht selten 3,5 kg Beeren liefert. Nach 15 Jahren vermindert sich der Ertrag und die Pflanzungen müssen erneuert werden.
Zwischen Blüte- und Fruchtzeit verlaufen jeweilen drei Monate, so daß im Jahre drei Ernten möglich sind. Meist erntet man aber nur zweimal jährlich, zuerst von Dezember bis Februar und dann von Mai bis Juli. Die Ernte nimmt ihren Anfang, wenn sich die Beeren zu röten beginnen und währt mehrere Monate, da nicht alle Beeren gleichzeitig sich röten. Um schwarzen Pfeffer zu erhalten, sammelt man die Beeren vor ihrer Reife, d. h. wenn die untersten Früchte sich zu röten beginnen, läßt sie an der Sonne trocknen und sortiert sie je nach der Größe. Um weißen Pfeffer zu erhalten, läßt man die Beeren völlig reif werden, legt sie 2–3 Tage in Wasser und entfernt dann die durch leichte Gärung weich gewordene äußere Fruchthülle teils durch Reiben zwischen den Händen oder Stampfen mit den Füßen, teils durch kaffeetrommelartige Rotationsapparate, die an mehreren Stellen siebartig durchbrochen sind, um die vom fleischigen Mantel befreiten Fruchtkörner hindurchtreten zu lassen. Gereinigt und je nach ihrem Reifegrad sortiert, werden sie in Ballen verpackt und kommen so in den Handel. Der Pfeffer verdankt seinen scharfen Geschmack einem darin zu 1 Prozent enthaltenen ätherischen Öl und dem bis zu 9 Prozent vorhandenen Piperin, das bei Magenschwäche anregend auf die Absonderung der Verdauungssäfte wirkt.
Die Pfefferrebe ist ein echtes Tropengewächs, das außerhalb des engeren Tropengürtels nirgends gedeiht. Als ursprüngliche Waldpflanze verlangt sie wie die Vanille eine ziemliche Luft- und Bodenfeuchtigkeit nebst Halbschatten. Wo diese Bedingungen erfüllt sind, bietet ihr Anbau keinerlei Schwierigkeiten.
Wie die heutigen Hindus ihn mit Kardamomen, Ingwer, Kurkuma oder Gelbwurzel und anderen Ingredienzen mit Zuhilfenahme von Kokosnußmilch zur Herstellung ihrer als Curry (sprich Körri) bezeichneten scharfen gelben Brühe benützen, mit welcher sie ihren dreimal täglich genossenen gedämpften Reis, dem sie, wenn möglich, etwas getrockneten Fisch zusetzen, würzen, so taten es schon ihre Vorfahren vor 3000 und mehr Jahren. In den Veden finden wir außer der Bezeichnung malicha für den schwarzen Pfeffer auch die Benennung pippali für den bald zu besprechenden langen Pfeffer, der schärfer als jener ist. Da nun die Hindus schon in der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends ihre Fahrten bis zum Persischen Meerbusen und zum Roten Meere ausdehnten, so kann es kein Wunder sein, daß die Kulturvölker des Orients beide Arten schon früh kennen lernten. Zuerst erhielten die Perser dieses Gewürz. Sie übertrugen wohl aus Mißverständnis den indischen Namen pippali für den langen Pfeffer auf den schwarzen Pfeffer, und da sie kein l in ihrer Sprache besitzen, machten sie daraus pippari. Die Griechen, denen sie die Kenntnis und den Gebrauch dieses starken Gewürzes übermittelten, machten daraus péperi, und zwar bezeichneten sie den langen Pfeffer als péperi makrón (d. h. den großen Pfeffer) im Gegensatz zum gewöhnlichen Pfeffer, den sie einfach péperi nannten. Die Römer lernten ihn von den Griechen kennen und machten aus péperi piper, dabei bezeichneten sie den langen Pfeffer als piper longum. Vom lateinischen piper entwickelte sich dann das pepper, pfeffer und poivre der europäischen Sprachen.
Die erste Kenntnis vom Pfeffer erhielten die Griechen durch den dem Abendlande eine neue Welt eröffnenden Siegeszug Alexanders des Großen durch ganz Vorderasien bis nach Indien, das er im Jahre 327 v. Chr. betrat. Nach Besiegung des indischen Königs Poros am Hydaspes (dem heutigen Flusse Dschelam im Pandschab) durchzog der makedonische König das Fünfströmeland (Pandschab), ward aber endlich durch die Unzufriedenheit seines Heeres zur Rückkehr gezwungen, die er zu Lande durch Gedrosien (Beludschistan) bewerkstelligte, während sein Unterfeldherr Nearchos die Flotte nach dem Persischen Meerbusen führte. Die erste genauere Kunde von diesem indischen Gewürz gibt uns der Schüler von Alexanders Lehrer Aristoteles und nach dessen Tod Haupt der peripatetischen Schule in Athen, Theophrastos (gestorben 286 v. Chr.). Dieser vortreffliche Pflanzenkenner unterscheidet bereits schwarzen und langen Pfeffer. Erst der griechische Arzt Dioskurides nennt in seiner reichhaltigen, um die Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts verfaßten Arzneimittellehre auch den weißen Pfeffer. Sein Zeitgenosse, der ältere Plinius, teilt uns sogar die damals geltenden Preisnotierungen für die verschiedenen Pfeffersorten mit. Nach ihm kostete der lange Pfeffer, der sich als der schärfste aller Pfefferarten bis weit ins Mittelalter hinein besonderer Wertschätzung erfreute, 15 Denare (= etwa 9 Mark) das Pfund, während der schwarze zu 4 (= 2,40 Mark) und der weiße zu 7 Denaren (= 4,20 Mark) das Pfund zu haben waren. Dem fügt er bei: „Es ist sonderbar, daß sich der Pfeffer (piper) beliebt gemacht hat. Andere Dinge empfehlen sich durch Süßigkeit, wieder andere durch Schönheit; der Pfeffer aber konnte nur durch seinen scharfen Geschmack und dadurch gefallen, daß er aus Indien kommt. Dort wächst er wild; bei uns wird er für Gold und Silber gekauft. Verfälscht wird er mit Wacholderbeeren, die merkwürdigerweise ihm im Geschmack ähneln; auch in bezug auf Gewicht wird er auf mancherlei Weise durch beschwerende Zusätze gefälscht.“
Um Pfeffer, Zimt, Ingwer und die anderen so hochgeschätzten Gewürze Indiens, die zu hohen Preisen guten Absatz fanden, nach dem Römerreiche zu bringen, bestand damals ein reger Handel mit dem gepriesenen Gewürzlande Indien, den zumeist wie in der Vorzeit die Bewohner der Landschaft Jemen in Südarabien, dem „Glücklichen Arabien“ der Alten, als den schon durch die geographische Lage gegebenen Zwischenhändlern übermittelten. Doch fuhren damals die römischen Schiffe mit griechischer Bemannung aus Alexandrien durch den bereits von den alten Pharaonen angelegten Südwasserkanal nicht nur bis zum Stapelplatz Arabia felix, sondern teilweise selbst bis nach Indien. Der um 100 n. Chr. zu Nikomedia in Bithynien geborene und unter Kaiser Marcus Aurelius um 170 verstorbene griechische Schriftsteller Flavius Arrianus, der 136 unter Hadrian Präfekt von Kappadokien war, schreibt: „Nach der Handelsstadt Nelekynda am südwestlichen Ufer Indiens kommen viele Schiffe, weil dort vortrefflicher Pfeffer (péperi) in Menge zu haben ist“, und sein schon ums Jahr 25 n. Chr. verstorbener Landsmann Strabon, der weit in der Welt herumgekommen war, berichtet: „Früher wagten sich kaum zwanzig Schiff aus dem Arabischen Meerbusen (dem Roten Meere) hinaus; jetzt aber segeln große Flotten nach Indien und bis ans äußerste Ende von Äthiopien (Afrika) und bringen die teuersten Waren nach Ägypten, von wo sie wieder nach allen Ländern ausgeführt werden. In Alexandreia ist die Hauptniederlage für jene Waren; denn die Lage dieser Stadt ist für den Handel äußerst günstig.“ Dort unterlag der Pfeffer wie die übrigen Gewürze und Kostbarkeiten Indiens und Äthiopiens — wie wir aus einem Berichte aus dem Jahre 176 n. Chr. wissen — einem römischen Durchgangszoll. Die vornehmen Griechen und Römer der Kaiserzeit benützten ihn als Medizin, wie auch zu allerlei Würze von Speise und Trank. Schon durch seine ferne Heimat und den nicht für jedermann erschwinglichen Preis bildete er eine kostbare Ware, mit deren Anwendung man gerne prunkte. So lernten ihn die deutschen Barbaren kennen und schätzen. Von dem Gotenkönig Alarich wird uns berichtet, daß, als er mit seinem Heere im Jahre 408 Rom belagerte, er sich erst zur Aufhebung der Belagerung verstand, nachdem ihm die Römer 5000 Pfund Gold, 30 000 Pfund Silber, 4000 seidene Kleider, 3000 Pfund Pfeffer und andere Kostbarkeiten entrichtet hatten.
Der erste Abendländer, der die Pfefferpflanze in ihrer Heimat wachsen sah und später beschrieb, war der griechische Großkaufmann Kosmas aus Alexandrien in Ägypten, ein Zeitgenosse des oströmischen Kaisers Justinian I., der sich bekanntlich vom Bauer zum Basileus (König) emporgeschwungen hatte und von 527–565 n. Chr. regierte. Mit einem gewissen Menas hatte dieser Kosmas ums Jahr 540 eine Handelsreise nach Indien und Ostafrika unternommen und später, als er mit jenem, dem Zuge ihrer Zeit folgend, der bösen Welt entsagte, um das engelgleiche Gewand anzuziehen, d. h. Mönch zu werden, schrieb er in seiner Vaterstadt, dem lebenslustigen, reichen Alexandreia, wo er predigend umherzog, einen uns erhaltenen Bericht über seine Reise, der von musterhafter Gewissenhaftigkeit zeugt. Er gibt uns darin eine ausführliche Beschreibung der von den Alten Taprobane genannten Insel Ceylon, „jenseits dem Pfefferlande und indischen Meere“. Nach seiner denkwürdigen Fahrt nach Indien, die damals noch als etwas ganz Außergewöhnliches galt, erhielt dann dieser Mönch Kosmas von seinen Zeitgenossen den Beinamen Indikopleustes, d. h. Indienfahrer.
Nach ihm war der Venezianer Marco Polo der erste Europäer, von dem wir wissen, daß er die indische Pfefferrebe in ihrer Heimat wachsen sah. Er war mit seinem Vater Niccolo und seinem Onkel Maffio Polo, auf deren zweiter ostasiatischen Reise, die 1271 angetreten wurde, nach China gekommen, wo er 17 Jahre blieb, um zuletzt ein hoher chinesischer Beamter zu werden und als solcher das ganze Reich, außer den beiden südlichen Provinzen Kwang-si und Kwan-tung kennen lernte, auch Osttibet, Jün-nan und Nordbirma bereiste. Im Jahre 1292 traten die Poli die Rückreise zu Schiff über Südasien an und besuchten bei dieser Gelegenheit Hinterindien, Borneo, Sumatra, Ceylon, das westliche Vorderindien, den Persischen Meerbusen, Nordpersien, Armenien und Kleinasien. Auf dieser drei Jahre dauernden Rückreise, von der sie 1295 nach Venedig zurückkehrten, lernten sie auch Südasien so gut kennen, daß sie während des ganzen Mittelalters die besten Kenner dieses Kontinents blieben, außer etwa dem Araber Ibn Batûta (1302–1377), der ebenfalls Vorderasien und China besuchte, aber sich nur kurz in diesen Ländern aufhielt. Seinen Reisebericht diktierte Marco Polo 1298 in genuesischer Gefangenschaft, in die er während eines Krieges zwischen Venedig und Genua geraten war. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übertragen und war im Abendlande bald so bekannt, daß es zu den gelesensten Schriften des späteren Mittelalters gehörte. Durch die glänzenden Schilderungen des fabelhaften Reichtums und der ungeheuren Ausdehnung der Städte Ostasiens blendete es die Völker des Abendlandes, die gar zu gerne jene vielbeneideten Länder kennen gelernt oder noch lieber für sich gewonnen hätten. Deshalb trugen Marco Polos Berichte über das goldreiche Ostasien und die Gewürzländer Südasiens ganz wesentlich zu der zwei Jahrhunderte später erfolgten Entdeckung Amerikas bei; denn der im Dienste des spanischen Königs Ferdinands V., des Katholischen, am 3. August 1492 vom Hafen Palos mit drei kleinen Caravellen mit 120 Mann Besatzung nach Westen segelnde Genuese Cristophoro Colombi (Kolumbus) wollte nicht einen neuen Weltteil entdecken, sondern das Gewürzland Indien und das goldreiche Zipangu (Japan), den Pfefferstapelplatz Zaiton (Tsi-uen-tschou an der Fokienstraße) und das reiche Quinsay (Hang-tschou-fu) entdecken. Und nicht nur an jenem denkwürdigen 12. Oktober 1492, als er auf der Insel Guanahani (jetzt Watlings Island) landete, sondern bis zu seinem 1526 erfolgten Tode hat Kolumbus dem Glauben gelebt, Indien aufgefunden zu haben, dessen wertvolle Produkte es nun aufzufinden und mit gutem Gewinn in Europa zu verkaufen galt.
Die nächste Folge der Reisen der Poli war die Ausbreitung des Christentums in China, der die in religiöser Beziehung völlig indifferente Mongolendynastie keine Hindernisse in den Weg legte. Erst als 1368 durch die Revolution des echten Chinesentums gegen die mongolische Dynastie der Yuen die usurpatorische mongolische Herrschaft in China zusammenbrach und die christenfeindliche Dynastie der Ming ihre Herrschaft antrat, blieb der Osten Asiens für das Abendland wieder völlig in Dunkel gehüllt. Als einziger Europäer gelangte im 15. Jahrhundert der Italiener Nicolo Conti, ein Venezianer und Kaufmann wie Marco Polo, nach Indien, Ceylon und Birma, und zwar nachdem er seinen christlichen Glauben abgelegt und den Islam angenommen hatte. Infolgedessen vermochte er auch ungestraft Vorderindien zu durchkreuzen, Hinterindien zu besuchen und sich sogar auf Sumatra und Java längere Zeit aufzuhalten. Auch er sah die Pfefferrebe in ihrer Heimat wachsen. Die nächsten Europäer, denen dies wieder beschieden war und die dann den direkten Seeweg nach Indien fanden, waren die Portugiesen, die, wie wir bald sehen werden, unter der Führung des kühnen Seefahrers Vasco da Gama am 23. Mai 1498 in Kalikut an der Malabarküste, mitten im Zentrum der damaligen Pfefferkultur, landeten, um dann den Handel mit diesem über alles geschätzten Gewürz an sich zu reißen.
Den Pfefferhandel in seine Hände zu bekommen, wollte damals etwas heißen, und es war der größten Opfer wert, dieses Monopol den Arabern und Venezianern zu entreißen; denn im Mittelalter steigerte und verallgemeinerte sich der Gebrauch dieses Gewürzes so unsinnig, daß die Krämer wie im alten Rom geradezu piperarii, d. h. Pfefferhändler genannt wurden. In der Bezeichnung Pfeffersäcke, die sich für die Kaufleute bis zur Gegenwart erhielt, liegt noch heute ein Beigeschmack großen Reichtums. Der Pfeffer war das ganze Mittelalter hindurch im ganzen Abendlande ein überaus gesuchter Handelsartikel, mit dem man wie in der römischen Kaiserzeit Speise und Trank, sogar das süße Gebäck, wie beispielsweise die mancherlei Pfefferkuchen, würzte. Das Urteil über eine Mahlzeit hing damals geradezu von der Pfefferbeigabe ab; so lautet eine häufig wiederkehrende Wendung in den mittelalterlichen Beschreibungen von Festmahlzeiten: „Daz ezzen was guot, wile wole gepfefferôt.“ Diese uns heute ganz unbegreifliche Vorliebe für Pfeffer und alle scharfen Gewürze überhaupt kann man sich nur dadurch erklären, daß eben unsere Altvordern wie heute noch die Bauernbevölkerung sehr fette Speisen aßen und die Zugabe der scharfen Gewürze die Verdaulichkeit dieser schweren Speisen durch Reizung der Verdauungsdrüsen förderte.
Wie Zimt, Gewürznelken und Muskatnuß, wie wir bald sehen werden, in der holländischen Geschichte von der allergrößten Bedeutung waren, so spielte der ostindische Pfeffer eine sehr wichtige Rolle in der Geschichte Venedigs während des späteren Mittelalters. Damals war jene Stadt an der Adria der Mittelpunkt des Handels zwischen Europa und Asien und hatte etwa 3000 Kauffahrteischiffe von allerdings meist nur 10–100 und nur ganz ausnahmsweise bis 700 Tonnen (zu 1000 kg) Ladefähigkeit im Mittelmeere schwimmen. Diese segelten teilweise bis nach den Niederlanden, speziell Brügge, das damals neben Augsburg und Nürnberg die wichtigste Handelsstadt nördlich der Alpen war, um die kostbaren Produkte des Morgenlandes dem Abendlande zu vermitteln. Die Marine Venedigs war die größte des Mittelalters und besaß zur Zeit ihrer höchsten Blüte im 14. Jahrhundert 25–30000 Köpfe Bemannung. Nach ihr kam diejenige von Genua, dessen Hauptbedeutung im westlichen Mittelmeer lag. Während Pisas Blüte bereits gegen das Ende des 13. Jahrhunderts zu welken begann, hob sich Florenz allmählich, um dessen Erbe anzutreten. Nachdem es 1421 von Genua die Hafenstadt Livorno gekauft hatte, konnte es als drittwichtigste Seestadt jener Zeit gelten. Namentlich tat sich Florenz in Herstellung von Wollgeweben, Seidenstoffen, Gold- und Silberbrokat hervor. Schon um 1338 gab es in jener Stadt 200 Tuchwebereien, die jährlich 80000 Stück Tuch lieferten. Den Handel unterstützte ein vorzüglich eingerichtetes Bankwesen, das sich über alle wichtigeren mitteleuropäischen Städte ausdehnte.
Solche einheimische Industrie besaß nun Venedig allerdings nicht; es war vor allem Seehafen und vermittelte den Kulturvölkern des Abendlandes die Produkte des Morgenlandes. Unter diesen war der Pfeffer Indiens, den indische Schiffer an die Gestade des Roten Meeres und arabische Karawanen von da den Venezianern an ihre Schiffe in Syrien und Ägypten brachten, weitaus der wichtigste Handelsartikel. Ja, man kann sagen, daß Venedig in erster Linie am Pfeffer, als dem damals begehrtesten Gewürze Indiens, reich geworden ist. Deshalb lag ihm mit besonderer Rücksicht auf dieses Gewürz alles daran, sich das Rote Meer und Ägypten offen zu halten. Unmengen von Pfeffer wurden im fondaco dei tedeschi in Venedig an die Agenten der reichen Handelsherren von Augsburg und Nürnberg verkauft und auf den Rücken von Maultieren über die Alpen nach Deutschland gebracht, wo er geradezu die Bedeutung eines überall gangbaren Zahlmittels erlangte. Im 13. und 14. Jahrhundert nahm er entschieden den ersten Rang unter sämtlichen Gewürzen ein; er stand so hoch im Preise, daß ärmere Leute von dem regelmäßigen Gebrauche desselben absehen mußten und die Bezeichnung „cher comme poivre“ sprichwörtlich wurde. Damals waren einige Pfund Pfeffer ein geradezu fürstliches Geschenk.
Der sehnliche Wunsch, die so begehrten teuren Gewürze Indiens, außer Pfeffer auch Gewürznelken, Zimt, Muskatnuß und Ingwer, auf direktem Wege, ohne den arabischen und venezianischen Zwischenhandel, billiger zu beziehen, trieb die Spanier und Portugiesen in erster Linie dazu an, den direkten Wasserweg nach Ostindien durch Umschiffung Afrikas zu finden. Und als dies dem portugiesischen Kapitän Vasco da Gama als erstem gelang, indem er am 20. Mai 1498 in Kalikut an der Malabarküste landete, um dann im August 1499 nach Lissabon zurückzukehren, brachte er schon damals eine reiche Ladung indischer Gewürze mit heim. Da an der Ware 600 Prozent verdient wurden, brach er 1502 mit 20 Schiffen abermals nach dem Pfefferlande auf. Bei dieser Gelegenheit gründete er Kolonien auf Mosambik und Sofala an der ostafrikanischen Küste und kehrte 1503 mit 13 reich beladenen Schiffen, die mit nicht weniger als 5 Millionen kg Gewürz aus dem Hafen von Kalikut an der Malabarküste ausliefen, nach Portugal zurück. Diese Ladung repräsentierte natürlich einen ungeheuren Wert und brachte den Portugiesen zum großen Ärger der in ihrer Haupteinnahmequelle bedrohten Venezianer ungeheuren Gewinn. Deshalb ward Vasco da Gama 1524 von König Johann III. (inzwischen war Emanuel I., unter dem der Seeweg nach Ostindien gefunden und das portugiesisch-ostindische Kolonialreich begründet, dann im Jahre 1500 durch Cabral auch Brasilien entdeckt und in Besitz genommen worden war, 1521 gestorben) abermals mit 16 Schiffen nach Indien gesandt, kam aber von dieser letzten Reise nicht mehr zurück, indem er am 24. Dezember 1524 55jährig in Kotschin an der Malabarküste starb. Er hat wie kein anderer Portugiese seinem Vaterlande die größten Dienste geleistet und ihm ganz wesentlich zum Höhepunkt seiner Blüte verholfen, den es zu Beginn des 16. Jahrhunderts erklomm. Damals war Lissabon die erste Handelsstadt Europas und verdiente an den indischen Gewürzen riesige Summen. Aber schon unter Johann III. (gestorben 1557) sank das Reich infolge seiner klerikalen Politik (Inquisition, Judenverfolgungen, Einfluß der Jesuiten) und mußte seine Macht und bald auch seine wichtigsten indischen Kolonien an die protestantischen Niederländer abtreten.
Von dem Momente an, da die Gewürze Indiens auf dem Wasserwege direkt nach Europa gebracht wurden, sank nun natürlich die Bedeutung Venedigs als Hauptvermittlerin des Gewürzhandels sehr bald dahin und dafür nahm die Hansa als Zwischenhändlerin der von Portugal eingeführten indischen Gewürze nach Mittel- und Nordeuropa ihren Aufschwung und machte sehr gute Geschäfte, bis die Holländer nach Besetzung der wichtigsten portugiesischen Gewürzländer in Indien diesen Handel für sich in Anspruch nahmen. Da sie die indischen Gewürze als ihr Monopol ansahen und die Preise selbst bestimmten, so erhöhten sie den von den Portugiesen gemachten Gewinn von 600 Prozent auf 1000 Prozent. Ein solch gutes Geschäft ließen sich aber die Engländer nicht entgehen und jagten den Holländern bei der ersten besten Gelegenheit die Pfefferküste ab und verdrängten sie ganz aus Indien.
Merkwürdigerweise war man aber in Europa sehr skeptisch gegen diesen ums Kap der Guten Hoffnung dahin gebrachten Pfeffer gesinnt, wie heute noch die Hausfrauen die natürliche Vanille und andere Rohprodukte dem künstlich hergestellten Vanillin als angeblich besser bevorzugen. Im Jahre 1518 verbot sogar der Rat von Bonn den Verkauf solchen um Afrika herum statt über Alexandrien und Venedig importierten Pfeffers. Nach und nach sah man aber das Unberechtigte solchen Vorurteils ein und benutzte ihn bald ausschließlich, weil er begreiflicherweise bedeutend billiger zu stehen kam als der durch den arabischen Zwischenhandel gegangene venezianische. Trotzdem aber der Pfeffer mit der Zeit sehr billig wurde, nahm mit der Verfeinerung des Geschmackes seine Verwendung mehr und mehr ab und ist heute auf ein Minimum gesunken.
Während des Altertums und Mittelalters waren noch einige andere Pfefferarten bei uns im Gebrauch, so vor allem der schon von den alten Griechen und Römern überaus geschätzte lange Pfeffer (Piper longum), von dem wir bereits berichteten, daß er, weil schärfer, von jenen viel teurer als der weiße und schwarze Pfeffer bezahlt wurde. Aus demselben Grunde, weil schärfer und beißender als der schwarze Pfeffer, ist er auch heute noch in Asien viel beliebter als in Europa. Diese wohl im östlichen Teil des malaiischen Archipels einheimische holzige Kletterpflanze hat länglichovale Blätter und ihre Einzelfrüchte stehen nicht frei an der Spindel wie diejenigen des schwarzen Pfeffers, sondern so dicht gedrängt, daß sie beim Reifen zu einer festen Masse zusammenwachsen. Diese Pfefferart wird auf den malaiischen Inseln, wie auch in Vorderindien viel angebaut. So gesucht sie im Altertume und teilweise noch im Mittelalter im Abendlande war, so gelangt sie jetzt nur ganz ausnahmsweise in den europäischen Handel. Früher waren auch ihre in Indien noch heute viel gebrauchten Wurzelstöcke als „Pfefferwurzeln“ bei uns offizinell. Sie enthalten zahlreiche Ölzellen, welche ihnen einen scharfen, aromatischen Geschmack verleihen.
Auch der einst in Europa als Gewürz viel gebrauchte Cubebenpfeffer ist heute bei uns nur noch als Medikament für Entzündungen der Harnwege und Harnblase in den Apotheken zu finden. Er stammt von einem bis 6 m hohen, rankenden, zweihäusigen Strauch (Piper cubeba), dessen Heimat Südasien, besonders Sumatra, Java und Südborneo ist. Außer hier wird er aber auch in Westindien kultiviert. Und zwar wird er nur selten für sich allein gepflanzt; in der Regel dient er als Zwischenpflanze auf Kaffeeplantagen, wobei er an den Schattenbäumen zu einer recht stattlichen Entwicklung gelangt. Seine Fruchtähren sind etwas länger als diejenigen des schwarzen Pfeffers, die Beeren ungefähr von gleicher Größe, aber die Früchte sitzen anfangs dicht an der Ährenspindel und verschmälern sich erst später an ihrer Basis stielartig. Diese Stiele sind daher nicht wie sonst von der Frucht abgegliedert. Die Früchte, welche einen kampferartigen Geruch besitzen, schmecken weniger scharf, als durchaus gewürzhaft und enthalten sowohl in der mittleren Fruchtschicht als auch in der Samenschale Kristallgruppen von Cubebin, die an der gleichen Stelle auftreten wie das Piperin in der Samenschale von Piper nigrum und longum. Sie wirken in kleinen Dosen wie Pfeffer, regen den Appetit etwas an und befördern die Verdauung, stören aber beide bei länger fortgesetzter Verwendung. Der Name Cubeben stammt aus dem Hindustanischen. Sie waren in der indischen Volksmedizin schon längst in Gebrauch, als der Orient sie auf dem Wege des Handels kennen lernte. Die arabischen Ärzte erwähnen sie als indisches Gewürz. Von ihnen lernte das Abendland diese Droge kennen, die vom 13. Jahrhundert an einen namhaften Handelsartikel für Europa bildete, den vornehmlich die Venezianer und Genuesen ihm vermittelten. Er diente hier aber ausschließlich als ein kostbares Gewürz. Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts lernten englische Offiziere auf Java von den Eingeborenen die vorhin genannte medizinische Anwendung der Cubeben kennen, und seit 1818 bedient man sich ihrer in Europa als Medikament, nachdem sie als Gewürz hier schon längst außer Gebrauch gekommen waren.
Von der größten Bedeutung für die Südasiaten und deshalb in großen Mengen angepflanzt ist der Betelpfeffer (Piper betle). Ursprünglich im malaiischen Archipel zu Hause, hat er sich heute über ganz Indien, Hinterindien und Indonesien verbreitet. Hier werden seine ovalen, brennend gewürzhaft schmeckenden Blätter, die scharfe, die Speichelabsonderung anregende Stoffe enthalten, zum Betelkauen verwendet, dem jedermann, Mann und Frau, alt und jung, frönt. Zu diesem Zwecke wird ein Blatt mit Kalkmilch (aus mit Wasser abgelöschtem gebranntem Kalk) bestrichen und darauf eine dünne, in Wasser gekochte Querscheibe der eiförmigen Arekanuß nebst Catechu oder Gambir gelegt. Das ganze wird zusammengerollt und dient als solches zum Kauen. Durch den Zusatz von Kalkmilch erhält der Speichel eine gelbrote Farbe, welche sich auch den Zähnen der Betelkauer mitteilt. Päckchen von 20–30 solcherweise präparierter und zusammengebundener Betelpfefferblätter werden überall in Südasien zum Verkauf ausgelegt wie bei uns die Zigarren. Der dabei zur Anwendung gelangende Catechu ist ein Extrakt aus dem Holze der Catechuakazie und Gambir eine Abkochung der Blätter und jungen Triebe von Uncaria gambir; beide sind sehr reich an Gerbstoff und wirken zusammenziehend auf die Schleimhaut des Mundes.
Der sogenannte japanische Pfeffer entstammt einem in Japan, Korea und Nordchina heimischen Strauche aus der Familie der Rutazeen (Xantophyllum piperitum), der in zwei Klappen aufspringende Früchte von der Größe des schwarzen Pfeffers hervorbringt, als dessen Ersatz sie dienen. Der auch als Kumba bezeichnete Negerpfeffer stammt von einem im tropischen Westafrika häufigen Baume (Xylopia aethiopica) aus der Familie der Anonazeen. Es sind die schotenartig aussehenden, 4–5 cm langen, kaum 0,5 cm dicken, walzenförmigen, meist etwas gekrümmten, im trockenen Zustande schwarzen Früchte dieses Baumes, die wegen ihrer Schärfe von manchen Negerstämmen mit Vorliebe zum Würzen ihrer Speisen verwendet werden. Andere Arten der Gattung kommen in Ostafrika und Amerika vor und werden dort vielfach auch zum Würzen verwendet. Als Tasmaniapfeffer werden in Tasmanien die Früchte des dort und im südöstlichen Australien im Gebirge wildwachsenden, 3–4 m hohen Strauches Drimys aromatica aus der Familie der Magnoliazeen zum Würzen verwendet, da sie ebenfalls einen beißenden, gewürzhaften Geschmack besitzen.
Viel wichtiger als diese, die nur eine sehr beschränkte lokale Verwendung finden, ist der in Zentralamerika heimische rote spanische Pfeffer, auch Paprika genannt, von Capsicum annuum, der durch die Spanier nach Europa gelangte und daher die Bezeichnung spanischer Pfeffer erhielt. Wie der indische Pfeffer den Hindus und Malaien, so dient er den dortigen Indianern als beliebte Zukost zu ihrer sonst faden Breinahrung. Diese zu deutsch Beißbeere genannte Nachtschattenart hat sich durch lange fortgesetzte Kultur in eine große Menge von Spielarten gespalten, deren aufgeblasene Beerenfrüchte von Rot bis Gelb und Dunkelviolett schwanken. Sie enthalten das scharfe, beißende Capsicin, das vor allem zu Zugpflastern bei Rheumatismus Verwendung findet. Der gelbe spanische Pfeffer (Capsicum luteum), der jetzt besonders in Ostindien gepflanzt wird und als piment de Mozambique in den Handel kommt, liefert die schärfsten Sorten, die für europäische Zungen geradezu ungenießbar sind und bei den nicht an deren Genuß Gewöhnten eine Schwellung von Zunge und Lippen bewirken. Sehr scharf ist auch der rote Cayennepfeffer, von Capsicum crassum, minimum, baccatum usw., deren Früchte getrocknet und zerkleinert, oft noch mit Salz und Weizenmehl vermischt, in den Handel kommen. Der Quittenpfeffer (Capsicum cydoniforme), der pellpepper der Engländer und poivron der Franzosen, erzeugt dagegen saftige Früchte, die fast keine Schärfe besitzen und deshalb roh oder eingemacht wie Obst gegessen werden können. Zwischen beiden Arten liegen zahlreiche Mittelsorten, auf die wir hier nicht näher eingehen können. In Europa wird der Paprika besonders von denjenigen Volksstämmen bevorzugt, die wie z. B. die Serben und Magyaren, gern rohe Gehirne von Kälbern und Schafen verspeisen. Bekannt ist seine Verwendung zum ungarischen Nationalgericht, dem Guljasch, und zu den von den Engländern geliebten mixed pickles und der Worchestersauce.
Ähnlich wie Paprika wird von uns auch mehr als Reizmittel zu dem an sich keinen ausgesprochenen Geschmack besitzenden Fleisch der Senf oder Mostrich genossen, den schon die alten Griechen und Römer in ähnlicher Weise benutzten. Aus der lateinischen Bezeichnung sinapis ist überhaupt das deutsche Senf entstanden, da die Römer seine Bereitung und Anwendung in die Länder nördlich der Alpen brachten. Gotisch heißt er sinap, angelsächsisch senep, althochdeutsch senaf, mittelhochdeutsch senef und neuhochdeutsch senf. Im Capitulare de villis Karls des Großen aus dem Jahre 812 erscheint er als sinape unter den anzubauenden Pflanzen. Im 13. Jahrhundert finden wir das Kraut in England im großen angebaut und dort, wie auf dem europäischen Festland, zur Senfbereitung verwendet. Unser Speisesenf wird von den beiden, den Kohl- und Rübenarten sehr nahe verwandten Kreuzblütlern, dem schwarzen und dem weißen Senf (Sinapis nigra und alba) gewonnen, deren Heimat das südliche Europa, Nordafrika und Westasien ist. In Kleinasien oder Griechenland scheint die wilde Art, welche ursprünglich nur ein Ackerunkraut war, vom Menschen zuerst zur Würze verwendet und später auch angepflanzt worden zu sein. Noch im Mittelalter wurden vom Senfkraut nicht bloß die Samen verwertet, sondern auch die Blätter als Gemüse genossen. Die Griechen nannten die Senfpflanze sínēpi, sínapi oder nápy — dabei ist die Silbe si ein Augmentativum, um die Schärfe des Senfs noch mehr hervorzuheben — gleicherweise die Römer, die sie von ersteren kennen lernten, sinapi. Sie pflanzten sie in ihren Gemüsegärten an. Theophrast im 3. Jahrhundert v. Chr. und Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. geben uns eine Anleitung zu ihrer Kultur und sagen, daß sie im Herbst gesät werde. Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., der sie auch im Frühjahr zu säen rät, gibt uns das erste Rezept zur Herstellung von Speisesenf. Er sagt: „Den sorgfältig gereinigten Samen läßt man zwei Stunden im Wasser aufweichen und stößt ihn dann, mit den Händen herausgenommen und ausgedrückt, in einem neuen, wohlgereinigten Mörser klein. Darauf zieht man die ganze zerriebene Masse in der Mitte des Mörsers zusammen, drückt sie fest, legt einige glühende Kohlen darauf, gießt mit Soda versetztes Wasser darüber, wodurch der bittere Geschmack beseitigt wird, läßt sodann das Wasser wieder abfließen, gießt weißen scharfen Essig hinzu, rührt die Masse um und seiht sie durch. Die so gewonnene Flüssigkeit ist vorzüglich zum Einmachen der Rüben dienlich.“ Sie wurde aber auch als Würze zu Fleischspeisen genossen. Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. rät, Senfsamen mit Honig, Olivenöl und Essig zu mischen.
Heute wird die Senfpflanze, die der Kaiser Diokletian 301 n. Chr. in einem Edikt anführt, nicht bloß in ganz Europa, sondern auch in Nordamerika und Indien viel angepflanzt. Der schwarze Senf hat eigentlich braune, kleine, kugelige Samen, der weiße dagegen hellfarbige, viel größere, etwa fünfmal so schwere. Dazu kommt noch eine dem schwarzen Senf ähnliche Abart mit besonders scharf schmeckenden Samen, der besonders bei Sarepta am unteren Laufe der Wolga in Südrußland von den dort angesiedelten württembergischen Kolonisten angepflanzt wird und als Sareptasenf bezeichnet wird. Sie kommt bei uns im Handel nur sehr selten vor, dagegen ist das daraus bereitete Senfmehl ein bei uns als „englischer“ oder „russischer“ Senf viel verwendeter Artikel.
Außer Eiweißkörpern und Öl enthalten die Samen des weißen Senfes das kompliziert zusammengesetzte Sinalbin und ein Ferment Myrosin, das die Eigenschaft besitzt, das Sinalbin bei Gegenwart von Wasser chemisch zu zerlegen, so daß neben Zucker und anderen Stoffen daraus das Sinalbinsenföl entsteht, ein geruchloses, gelbes, scharfes Öl, das blasenziehend wirkt, weshalb der weiße Senf pulverisiert zu den lokal starke Hautreize ausübenden Senfpflastern verwendet wird. Die Samen des schwarzen Senfes enthalten ebenfalls Myrosin, wenn auch bedeutend weniger als die des weißen — weshalb es behufs besserer Ausbeute an Senföl zweckmäßig ist, den weißen und schwarzen Senf zu mischen —, dabei aber einen andern, ebenfalls durch Myrosin spaltbaren Körper, aus dem das farblose, gleicherweise auf der Zunge brennende, durchdringend scharf riechende Allylsenföl entsteht.
Die Bereitung des Speisesenfes ist nach den Ländern sehr verschieden. Am meisten wird er wohl in dem alle solche scharfen Würzen liebenden England hergestellt und genossen. Zu diesem Zwecke werden die Senfsamen zerrieben und das zu 30 Prozent in ihnen enthaltene Senföl, das ein vorzügliches Brennöl liefert, abgepreßt. Das Senfmehl wird dann gewöhnlich mit Essig und Zucker angerührt. In Mitteleuropa nahm man im Mittelalter meist jungen Wein, sogenannten Most (aus der lateinischen Bezeichnung mustum hervorgegangen). Aus der Bezeichnung mustum ardeum, d. h. scharfer Most, der in den Klöstern zuerst aufkam, entstand dann das französische moutarde und das norddeutsche Mostrich, während die Westfalen und Rheinländer Mostard und Mostert sagen. Noch der 1590 als Leibarzt des Kurfürsten Johann Kasimir bei Rhein in Heidelberg verstorbene, nach seinem Geburtsort Bergzabern Tabernaemontanus genannte Elsässer Arzt sagt uns in seinem Kräuterbuch, daß der Speisesenf aus zerstoßenen Senfsamen und Most hergestellt werde. Heute sind in England am geschätztesten der weiße Senf von Cambridge und der schwarze von Yorkshire, die in den großen englischen Senffabriken fast ausschließlich zur Verarbeitung gelangen.
Wie Senf wird zur Würzung der Saucen, die besonders den faden Fischspeisen beigegeben werden, auch das Produkt eines anderen Kreuzblütlers verwendet. Es sind dies die Kapern. Sie bestehen aus den noch im Knospenzustande gepflückten und mit Salz in Essig eingemachten Blüten des dornigen Kapernstrauches (Capparis spinosa), die sich später weiß oder rötlich entfaltet hätten. Der bis meterhohe Strauch ist im Mittelmeergebiet heimisch, wo er seine Zweige mit Vorliebe an grell von der Sonne beschienenen Felsen herabhängen läßt. Er wird deshalb der leichteren Erreichbarkeit wegen vielfach in seiner Heimat angepflanzt. Als Surrogat dafür werden häufig die Blütenknospen der aus Südamerika stammenden Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) und des einheimischen Ginsters (Spartium scoparium), ebenso in Norddeutschland die allerdings weniger wohlschmeckenden Blütenknospen der überall an stehenden Gewässern und Quellen häufigen Sumpfdotterblume (Caltha palustris) und die kleineren des im Frühjahr überall häufigen, durch seine gelben Blüten auffallenden Scharbockkrautes (Ficaria ranunculoides) eingemacht und gegessen.
Zu ähnlichem Zwecke dient der ebenfalls schon von den Alten als Würze gebrauchte Lorbeer in seinen aromatisch duftenden Blättern und Früchten. Die an ausgiebigeren Gewürzen arme mittelalterliche Küche bediente sich dazu der Sprosse stark duftender einheimischer Lippenblütler wie Bohnenkraut, Thymian, Salbei, Pfefferminze, Melisse und Majoran, dann des Rosmarins und Lavendels, durch einen reichen Gehalt an ätherischen Ölen reicher Halbsträucher der Felsenheide des Mittelmeergebiets — italienisch machia, französisch maquis genannt — deren blaue beziehungsweise violette Lippenblüten mit den daran haftenden aromatisch riechenden Blättern und Zweigen im Altertum viel zum Winden von Kränzen benutzt wurden, mit denen man die Bildsäulen der Laren, der wohlwollenden, schützenden Geister der abgeschiedenen Vorfahren, schmückte. Deren Bilder wurden ursprünglich am häuslichen Herd in einem besonderen, als lararium bezeichneten Schrein aufbewahrt, später aber wurden diese Schutzgötter des Hauses auch in Gärten und auf Straßen in Hermen verehrt.
Die beiden letztgenannten, durch ein wohlriechendes Öl ausgezeichneten strauchartigen Lippenblütler Rosmarin und Lavendel empfahl schon Karl der Große in seinen Vorschriften zur Bepflanzung der Gärten seiner Landhäuser vom Jahre 812 und trug so wesentlich dazu bei, diese Fremdlinge aus Italien auch nördlich der Alpen heimisch werden zu lassen, wo sie dann keinem besseren Küchengarten des Mittelalters fehlten, so wenig als das ebenso wohlriechende einjährige Kraut Basilikum mit hellgrünen, kleinen Blättern und weißen Lippenblüten mit weit vorgestreckter Unterlippe, das durch die Vermittlung der Muhammedaner aus seiner Heimat Indien nach Europa gelangte und besonders bei den Serben und allen Südslawen überhaupt eine große Rolle im Volksleben spielt. Jedem Leser der serbischen Volkslieder wird es auffallen, welch große Bedeutung dem Kraute Basilikum beigelegt wird.
Noch viel wichtiger als diese heute fast ganz außer Gebrauch gekommenen volkstümlichen Gewürze war für die mittelalterliche Küche der Safran, die aromatisch riechenden, dunkelgelben Narben des im Orient heimischen Crocus sativus, der vornehmeren Verwandten des bescheidenen europäischen Frühlingskrokus (Crocus vernalis). Diese weißblühende, kleine Lilienart ist ein Kind der sich von Kleinasien bis Persien erstreckenden vorderasiatischen Steppe, wo sie zuerst irgendwo ihrer duftenden, leuchtendgelben Narben wegen in menschliche Pflege genommen wurde. Im Orient wurde der Safran seit Urzeiten verwendet und spielte in der ältesten persischen und indischen Medizin wegen seiner stark erregenden Wirkung als Arzneimittel, dann als Gewürz und Färbemittel, eine sehr große Rolle. König Salomo und Homer erwähnen ihn, der berühmte griechische Arzt Hippokrates verwendete ihn und im ganzen Altertum galt er als König der Pflanzen. Für die Morgenländer bildete er einen sehr wichtigen Handelsartikel, mit dem wohl die schiffahrtkundigen Phönikier die Griechen zuerst bekannt machten. Der bedeutendste Pflanzenkenner des Altertums, Theophrastos von Lesbos (390–286 v. Chr.), unterscheidet in seiner uns erhaltenen Pflanzengeschichte sehr wohl den duftenden Crocus sativus des Morgenlandes von dem duftlosen, weißen Frühlingskrokus Attikas und hebt den aus Nordafrika stammenden cyrenäischen Safran als besonders gut hervor. Sonst galt sowohl bei den Griechen, als auch den Römern, zu denen erstere den krókos gebracht hatten, der kilikische aus dem südöstlichen Asien als der edelste.
In seiner Schrift über den Landbau schreibt der aus Spanien nach Rom gekommene Columella um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.: „Mysien, Lydien, Apulien, Kampanien sind durch ihr herrliches Getreide berühmt; der Tmolus (ein Gebirg Lydiens) und Korykus (eine Hafenstadt Kilikiens) durch Safran (crocus), Judaea und Arabien durch kostbare Wohlgerüche. Übrigens werden jetzt sogar in Rom Zimtkassien- und Weihrauchbäume gezogen, auch sieht man ganze Gärten mit Myrrhen und Safran bestellt. Hierin liegt ein Beweis, daß Italien ein Land ist, in welchem bei gehöriger Pflege die Gewächse fast aller Erdstriche gedeihen können.“ — An einer anderen Stelle sagt dieser Autor: „In den Gärten suchen die Bienen Nahrung an den weißen Lilien, auch pflanzt man für sie (im Februar) Zwiebelknollen von korykischem und sizilischem Safran.“ Sein Zeitgenosse, der aus Kilikien stammende griechische Arzt Dioskurides schreibt: „Der beste Safran (krókos) ist der korykische aus Sizilien, der zweite an Güte ist derjenige, welcher auf dem Olymp in Lykien wächst, der drittbeste kommt aus Aegae in Aeolien; der aus Kyrenaika (östlich von Tripolis) und aus Sizilien ist schwächer, obgleich saftreich und leicht auszupressen; er täuscht daher viele. Zum arzneilichen Gebrauch hat derjenige den Vorzug, der ziemlich lang, frisch und gut gefärbt ist, beim Reiben gut riecht, beim Befeuchten die Hände färbt, nicht verschimmelt ist und etwas scharf schmeckt.“ Er führt dann die verschiedenen Verfälschungen und deren Erkennungszeichen an und sagt, Thessalos behaupte, der Safran sei das einzige wirklich gut riechende Ding. Plinius hält den wild wachsenden Safran für den besten und sagt, in Italien bringe der Safranbau keinen Vorteil. Dann fährt er fort: „Der angepflanzte Safran (crocus) wird breiter, größer, glänzender, ist aber weit schwächer und artet überall aus. Mucianus gibt an, man verpflanze in Lykien den Safran im 7. oder 8. Jahre auf einen bearbeiteten Boden, und so werde der Ausartung vorgebeugt. Zu Kränzen braucht man den Safran nirgends, denn seine Blätter sind fast haardünn. Dagegen ist Safran ein herrlicher Zusatz zu Wein, insbesondere zu süßem. Gerieben dient er dazu, die Theater mit Wohlgeruch zu erfüllen. Die Ernte fällt in die Zeit des kürzesten Tages, und das Trocknen geschieht im Schatten. Man bewahrt ihn in hölzernen Büchsen auf. Er dient als Arznei, hat auch die Eigenschaft, daß man nach seinem Genusse vom Wein nicht trunken werden kann, und daß selbst ein Kranz davon die Berauschung verhindert. Diese Blume hat schon in Homers Zeiten in Ehren gestanden.“
Die Vornehmen des kaiserlichen Rom trieben einen gewaltigen Luxus sowohl mit dem Safran, den sie außer als Arznei auch zur Würze von Speisen und Getränken benutzten, als auch mit den wohlriechenden Blüten des orientalischen Krokus. Wenn schon zur Zeit der Republik der Dichter Lucretius Carus (98–55 v. Chr.) den Gebrauch kennt, die Sitze der Aristokratie im Theater mit wohlriechendem Safranwasser zu besprengen, und nach dem römischen Geschichtschreiber Sallustius Crispus (86–35 v. Chr.) Metellus Pius durch ein Gastmahl gefeiert wurde, bei dem der Speisesaal wie ein Tempel drapiert und der Boden mit duftenden Krokusblüten bestreut war, so ist nicht zu verwundern, daß der Luxus damit zur Kaiserzeit keine Grenzen mehr kannte. So wurden zur Zeit des Kaisers Hadrian, der, nach Trajans Tod im Jahre 117 von seinem Heere in Syrien zum Kaiser ausgerufen, bis 138 regierte, die Statuen im Theater mit duftender Safranessenz gesalbt und sogar hohle Erzstatuen mit feinen Poren dermaßen eingerichtet, daß solches Parfüm daraus nach Belieben hervorquoll. So schreibt Senecas Neffe Lucanus (geb. 39 n. Chr. zu Corduba in Spanien, wurde Quästor und Augur zu Rom und entleibte sich 65, als er wegen Beteiligung an der Pisonischen Verschwörung gegen Nero zum Tode verurteilt wurde) in einem Pharsalia betitelten Gedichtbuch: „In Afrika war ein junger Römer von der Schlange Hämorrhois gebissen worden, da drang aus seiner Haut Blut hervor, gleich wie mit Safran parfümiertes Wasser aus den Poren hervorgepreßt wird, mit denen man künstlich die ganze Oberfläche hohler Bildsäulen durchbohrt hat.“ Und Petronius berichtet in einer seiner Satiren: „Bei einem Gastmahl war die Veranstaltung getroffen, daß aus jedem Kuchen und jedem Obst bei der geringsten Berührung flüssig gemachter Safran floß.“ Damals war der Safrangeruch einer der beliebtesten Parfüms der vornehmen Griechen und Römer. Von Kaiser Hadrian berichtet sein Biograph Aelius Spartianus ferner: „Kaiser Hadrianus teilte zu Ehren seiner Schwiegermutter Gewürze (aroma) unter das Volk aus und ließ zu Ehren (seines Vorgängers im Imperium) des Trajanus (wohlriechenden) Balsam und (in Wasser oder Wein gelösten) Safran die Stufen des Theaters herunterfließen.“ Der Geschichtschreiber Aelius Lampridius schreibt vom Kaiser Heliogabalus, der 218 wie Hadrian in Syrien auf Anstiften seiner Großmutter Julia Maesa von den Legionen 17jährig zum Kaiser ausgerufen wurde und den orgiastischen Dienst seines syrischen Gottes Elagabalus, dessen Oberpriester er zu Emesa war und nach dem er sich nannte (denn eigentlich hieß er Valerius Avitus Bassianus), in Rom einführte, bis er schon 222 von seiner Leibgarde, den Prätorianern ermordet wurde, er habe seine Betten und bei Gastmählern die Polster, auf denen seine Gäste zu Tische lagen, mit Safran wie mit Blumenblättern von Rosen oder Lilien, Veilchen, Hyazinthen und Narzissen füllen lassen und habe nur in Bassins gebadet, dessen Wasser mit wohlriechenden Essenzen, besonders Safran, wohlriechend gemacht worden war.
Außer als Parfüm war der Safran bei den alten Griechen und Römern besonders auch als Medikament geschätzt, das im Rufe stand, gegen die verschiedensten Übel helfen zu können. Wenig Rezepte wurden damals von den Ärzten der Vornehmen, meist Griechen, verschrieben, in denen dieser Bestandteil fehlte. Diesem Beispiele folgten ihre geistigen Erben, die byzantinischen und arabischen Ärzte. Und als durch die Kreuzzüge das Abendland in engere Berührung mit dem ihm an Kultur überlegenen Morgenlande kam, gelangte die hohe Wertschätzung des Safrans als Gewürz und Heilmittel auch dahin. Diese Tatsache beweist schon die im Abendlande geläufig gewordene Bezeichnung Safran, die aus dem arabischen za’fran herrührt — aus zahafaran abgekürzt —, ein Wort, das seinerseits mit dem arabischen asfar gelbsein zusammenhängt.
Wie im Orient, der damals die Erzeugung und den Handel mit Safran ausschließlich in den Händen hatte, wurde der Safran trotz seines überaus hohen Preises auch im Abendlande als ein wichtiges Arzneimittel und eines der hervorragendsten Gewürze überaus geschätzt. Vielfach hieß — wie beispielsweise in Basel — die Zunft der Krämer nach ihrem kostbarsten Handelsartikel im frühen Mittelalter die Zunft zum Safran, und als ihr Gildeabzeichen figuriert die stilisierte dreigespaltene Narbe dieses Liliengewächses, die ihrem Aussehen nach der heraldischen Lilie der Bourbonen in Frankreich sehr nahe kommt. Seitdem die Kreuzfahrer im 11. Jahrhundert die Pflanze nach dem Abendlande brachten, wird sie in Italien und Südfrankreich angebaut. Viel früher noch wurde der Safran in Spanien, wohin die Araber schon im 10. Jahrhundert seine Kultur brachten, angepflanzt. Dieses Land hat das ganze Mittelalter hindurch bis in die Gegenwart fast ganz Europa mit seinem Produkte versorgt und besitzt heute noch besonders in der durch den Ritter Don Quichote als dessen Heimat bei uns bekannt gewordenen Landschaft Mancha, südlich von Madrid, ausgedehnte Safranpflanzungen. Im 15. und 16. Jahrhundert war der Safranbau auch in Mitteleuropa von Belang, ging aber hier mit dem Zurückgehen von dessen Wertschätzung fast ganz ein. Kleinere Mengen davon werden nur noch in Niederösterreich, dann bei Orleans, ziemlich viel dagegen in Südfrankreich gewonnen. Letzteres liefert 2–4000 kg jährlich, während die Produktion von Spanien 45000 kg beträgt.
Die Safrankultur erfolgt in der Weise, daß man die zwiebelartigen Knollen, die übrigens auf der Balkanhalbinsel roh und gebraten als beliebte Speise gegessen werden, in Abständen von 8–10 cm in 20 cm auseinanderstehenden Reihen setzt. Bei der Blüte im Frühling werden die orangeroten Narben meist von Frauen und Kindern gepflückt und noch an demselben Tage über einem leichten Kohlenfeuer getrocknet. Man erhält dadurch ein gesättigt rotbraunes, loses Haufenwerk sich fettig anfühlender Fäden, die stark aromatisch, fast betäubend riechen, gewürzhaft bittersüß schmecken und gekaut den Speichel intensiv gelb färben. Die Masse zieht sehr leicht Feuchtigkeit aus der Luft an und enthält außer Safrangelb von außerordentlichem Färbungsvermögen ein gelbes, dickflüssiges, schweres, ätherisches Öl, das Safranöl, von brennendem Geschmack und dem charakteristischen Safrangeruch. Gegenwärtig schwankt der Preis des Safrans je nach der Ernte zwischen 32 und 160 Mark das kg. Dieser hohe Preis wird erklärlich, wenn man erwägt, daß die Narben von 70000–80000 Blüten gepflückt werden müssen, um 1 kg Safran zu ergeben. Er verlockt aber auch dazu, den Safran zu verfälschen, indem man ihm pulverisierte Blüten des Saflors, der Arnika, der Ringelblume, der Granate, dann gefärbte Kollodiumfäden zufügt und ihn mit Baryt und Gips beschwert. Auch werden bereits extrahierte Narben gefärbt und als ungebrauchte Ware verkauft. Jedenfalls ist es sehr zu raten, ihn nicht in gemahlenem Zustande als Pulver zu kaufen, da dann Verfälschungen leichter zu erkennen sind.
Schon die medizinischen Schriftsteller des Altertums beklagen sich über solche Betrügereien an diesem kostbaren Stoffe. Der ältere Plinius meint, daß überhaupt keine andere Ware so sehr gefälscht werde als gerade er. Deshalb war während des ganzen Mittelalters der Handel mit Safran scharf kontrolliert. So bestand im Jahre 1374 ein besonderes officio dello zafferano zur Überwachung des Safranhandels in Venedig, und in anderen großen Städten waren ähnliche Kontrollstellen vorhanden, so in Augsburg und Nürnberg, wo im 15. Jahrhundert strenge Polizeigesetze diesem Handelsartikel besondere Aufmerksamkeit schenkten. Die Strafe für Safranfälschung bestand darin, daß solche Betrüger lebendig samt ihrer verfälschten Ware verbrannt wurden. Solchen Tod erlitten 1449 Jobst Friedenkem, 1456 Hanns Kölbell und Lienhard Frey, „weil sie gefälschten Safran für gut verkauft“. Die Else Pragerin, die den beiden letztgenannten „darzugeholfen“, wurde lebendig begraben. In demselben Jahre 1456 wurden in Zofingen in der Schweiz zwei Bürger wegen Fälschung des Safrans und anderer Gewürze lebendig verbrannt samt einer Frau, welche ihnen dabei behilflich gewesen war. Noch 1499 wurden dem Hannsen Bock in Nürnberg wegen „betrüglicher Arznei“ beide Augen ausgestochen. Später begnügte man sich bei der Verfälschung des Safrans und anderer solcher Drogen damit, diese öffentlich durch den Scharfrichter verbrennen zu lassen und dem Schuldigen eine sehr hohe Geldstrafe aufzuerlegen. Noch ein Erlaß Heinrichs II. von Frankreich (Sohn Franz I. und Claudias, Tochter Ludwigs XII., seit 1533 mit Katharina von Medici vermählt, regierte von 1547 bis zu seinem den 10. Juli 1559 infolge einer Augenverletzung bei einem Tournier erfolgten Tode) bedrohte die Safranfälscher mit energischer körperlicher Züchtigung, und auf dem Reichstage in Augsburg 1551 wurde sogar ein für das ganze Deutsche Reich gültiges Polizeigesetz gegen „geschmierten“ Safran erlassen. Neuerdings wird als billiger Ersatz des echten Safrans der Kapsafran in den Handel gebracht, er besteht aus den getrockneten Blüten einer Skrofulariazee vom Kap, Lyperia crocea, die annähernd Geruch, Geschmack und Färbungsvermögen des Safrans besitzen.
Bild 38. Um eine Stütze sich windender Hopfensproß (von Humulus lupulus) mit ambosartigen Klimmhaken zum Festhalten, von denen ein einzelner, abgelöster links bei stärkerer Vergrößerung dargestellt ist.
Von weiteren europäischen Gewürzen von größerer Bedeutung, die zugleich eine wichtige Rolle als Arzneimittel spielten, haben wir zunächst den Hopfen (Humulus lupulus) zu nennen, der schon den Griechen und Römern zu Heilzwecken diente. Die Griechen nannten ihn das wildwachsende (ágrion) kléma, die Römer dagegen nach Plinius lupus salictarius, d. h. Weidenwolf, weil er andere Pflanzen umschlingt und ihnen Schaden zufügt. Gebraucht wurden damals schon wie heute hauptsächlich die tannenzapfenähnlichen Fruchtähren, die am Grunde mit goldgelben, körnerartigen Drüschen besetzt sind, welche der Pflanze den eigentümlichen Geruch und den gewürzhaftbittern Geschmack geben. Außer einer geringen Menge einer narkotisch wirkenden Substanz, um dessen Willen der Hopfen in England wie Opium geraucht wurde und noch geraucht wird, enthält das aus den Drüsenkörnern bestehende, getrocknet rötlichgelbe Hopfenmehl der reifen Früchte ein aromatisches Öl, ferner das Hopfenbitter, das dem Biere den bitterlichen Geschmack verleiht und Hopfenharze, welche die Entwicklung der Milchsäurebakterien verhindern, die die Güte des Bieres beeinträchtigen. Zugleich fällen die Gerbstoffe des Hopfens die Eiweißstoffe des Malzes aus der Würze und wirken so konservierend auf das Bier. Aus diesen Gründen wird der Hopfen seit dem frühen Mittelalter dem Biere als Würze zugesetzt und hat als solche eine sehr große Bedeutung erlangt, so daß er in bedeutendem Maße angebaut wird.
Die ersten europäischen Hopfengärten werden in einer Urkunde Pipins des Kurzen vom Jahre 768 erwähnt. In der Folge legten sich besonders die Klöster auf den Hopfenbau, da sie dieses Würzmittels bei der Bierbereitung bedurften. Erst als das Bierbrauen in die Hände der Bürgerlichen gelangte, pflanzte man auch in Laienkreisen den Hopfen, der bis dahin von den Bauern meist nur von den wilden oder verwilderten, in ganz Europa in Hecken und Gebüschen, besonders an Flußufern wachsenden Exemplaren gesammelt wurde. Im Gegensatz zu diesem wilden Hopfen, der noch häufig zur Fälschung des guten mitbenutzt wird, ist der kultivierte heute durch Kulturauslese sehr viel gehaltreicher geworden, weshalb er allein in den Handel kommt. Da die Hopfenpflanze getrenntgeschlechtig ist, werden selbstverständlich nur weibliche Pflanzen angebaut, deren Fruchtstände dann im Herbste geerntet werden. Der Hopfen ist eine ausdauernde Pflanze, die zumeist 15–20 Jahre aushält, bis sie wiederum frisch aus Samen gezogen wird. Er wird an hohen Stangen oder Drahtgerüsten gezogen, von denen er im Herbste herabgerissen wird, um zu Hause vorsichtig die Früchte abzupflücken, die auf den geräumigen mehrstöckigen Speichern der Hopfenbauern in Horden getrocknet werden, was in 4–5 Tagen geschehen ist. Dabei müssen sie häufig gewendet werden. Unterbleibt dies, so wird der Haufen rot und dadurch minderwertig, oft beinahe ganz wertlos. Die Hopfenfrüchte müssen reichlich gelbes Hopfenmehl aufweisen und ein reines, würziges, knoblauch- oder käseartiges Aroma besitzen. Nach dem Verkauf werden sie gut getrocknet und, vielfach geschwefelt, damit möglichst wenig Luft daran bleibt, in Ballen von 2 m Länge und 0,75 m Breite von 65–100 kg Gewicht zusammengepreßt. Da sich der Hopfen schlecht hält, wird er am besten an einem kühlen Orte in Metallkisten aufbewahrt. Andere Konservierungsmethoden, wie das Besprengen mit Alkohol haben sich nicht bewährt; dagegen werden vielfach, so besonders in Amerika, Hopfenextrakte verwendet. Doch vermögen sie nicht alle Eigenschaften des Hopfens zu ersetzen. Die Stengel des Hopfens werden in nördlichen Ländern zu Stricken, Matten, Säcken und anderen groben Geweben, sonst in der Papierfabrikation, die Blätter als Viehfutter und die jungen Schößlinge als Gemüse verwendet. Von der Welternte des Hopfens von 106,95 Millionen kg im Jahre 1908 entfallen 30 Prozent auf Deutschland, das besonders in Franken, Schwaben, Baden und Elsaß in ausgedehntem Maße Hopfen pflanzt. An zweiter Stelle steht England, doch suchen die Vereinigten Staaten von Nordamerika den alten Kulturländern auch hierin den Vorrang streitig zu machen.
Seit dem Altertum sind verschiedene Arten der Gattung Artemisia, Beifuß, mehr als Arznei, denn als Gewürz bekannt und geschätzt. Artemisía nannten sie die Griechen — von artemḗs gesund — weil sie deren Gebrauch für die Gesundheit förderlich hielten. Unter ihnen war speziell der Wermut (Artemisia absinthium), ein 0,6 bis 1,25 m hohes, stark aromatisch, aber widerlich riechendes, überall an Zäunen und unbebauten Plätzen wachsendes Kraut mit feingefiederten, ursprünglich weißgrauen Blättern und gelben Blüten, sehr beliebt. Die Griechen nannten die Pflanze apsínthion und danach die Römer absinthium. Von ihr schreibt der griechische Arzt Dioskurides: „Das apsínthion (von den Deutschen Wermut genannt, nach werm-uot, d. h. wärmende Wurzel wegen der erhitzenden Eigenschaft dieser Pflanze) ist äußerst bitter, es ist allgemein bekannt. Die beste wächst im Pontosgebiet und in Kappadokien auf dem Taurusgebirge. Sie erwärmt, zieht zusammen, befördert die Verdauung und ist in vielen Fällen ein wichtiges Heilmittel. Man versetzt auch die schwarze Tinte zum Schreiben mit Wermut, weil sich dann die Mäuse nicht daran wagen.“ Und Plinius schreibt in seiner Naturgeschichte: „Es gibt mehrere Arten von Wermut (absinthium, auch apsinthium geschrieben); die sogenannte santonische kommt aus einer Landschaft Galliens (die Santonen waren Kelten und wohnten in Aquitanien), die pontische aus dem Pontus, wo sich (wie er Theophrast nachschreibt) die Schafe damit mästen, aber davon (Theophrast sagt vorsichtig: wie einige sagen, was Plinius wegläßt) die Galle verlieren. Die pontische Wermut ist die beste, weil bitterer als die italische, hat aber ein süßes Mark. Dieses äußerst nützliche Kraut ist allgemein bekannt und zu sehr vielen Heilzwecken im Gebrauch. Es wird auch bei den Latinischen Festen in Rom verwendet, wo vierspännige Wagen am Capitolium um die Wette fahren. Wer da den Sieg errungen hat, trinkt Wermut, wahrscheinlich weil unsere Vorfahren geglaubt haben, Gesundheit sei eine recht ehrenwerte Belohnung.“
Tafel 73.
Wild wachsender Hopfen aus Bayern.
Hopfengarten der Kgl. Akademie in Weihenstephan (Bayern).
Tafel 74.
Hopfenpflücker in der Holledau, Bayern (meist böhmische Wanderarbeiter).
Gedörrte und zum Versand bereite Hopfenfruchtähren.
Dieses bitterste aller Kräuter mußte nach der uns erhaltenen Verordnung über die auf den Krongütern zu haltenden Nutzpflanzen aus dem Jahre 812 auch in den Gärten der Meierhöfe Karls des Großen angepflanzt werden und spielte das ganze Mittelalter hindurch als wermuota eine wichtige Rolle als Heilmittel. Noch heute ist es als solches beim Volk in hohem Ansehen und wird zu bitterem Tee und Magentropfen, zur Herstellung von Wermutbier und Wermutlikören viel benutzt. Bekannt ist die Liebhaberei der Franzosen zum angeblich erregenden, tatsächlich aber den Magen reizenden Absinth, dessen Herstellung und Verkauf glücklicherweise neuerdings in der Schweiz, wo besonders die Welschen bedeutende Konsumenten desselben waren, verboten wurde.
Im Altertum wurde schon bei den Ägyptern und später bei den Griechen und Römern auch der baumartige Beifuß (Artemisia arborea) angebaut und zur Herstellung von Arzneien aller Art, besonders Wermutwein benutzt. Als der Heilgöttin Isis geweiht, trugen die Priester derselben, wie uns Plinius berichtet, deren Zweige, die er absinthium nennt, bei den öffentlichen Umzügen feierlich vor sich her. Auch in Europa dienen heute noch Wermutzweige, so wie der gemeine Beifuß und andere stark riechende Kräuter zum Weihbunde, d. h. zu den Kräutern, welche in katholischen Kirchen auf Maria-Himmelfahrt oder Maria-Krautweihe (den 15. August) vom Priester geweiht werden. Es ist dies ein direkt durch römische Vermittelung vom Isiskulte herrührender Gebrauch; denn Isis mit dem Horusknäbchen auf dem Arm ist das unmittelbare Vorbild der Gottesmutter Maria mit dem Jesuskinde.
Nicht minder berühmt war seit dem Altertum der halbstrauchartige, in den Mittelmeerländern wild wachsende Eberreis (Artemisia abrotanum), den man häufig zu duftenden Kränzen, besonders aber als Arznei verwendete. Schon Theophrast erwähnt ihn als abrótonon und sagt, er werde zu Kränzen gebraucht, während ihn Dioskurides als Heilmittel nennt und beifügt, er wachse häufig in Kappadokien, dem asiatischen Galatien und in Syrien. Auch wurde er zur Herstellung eines mit ihm und anderen Gewürzen bereiteten (Oliven-) Öls verwendet. Und der aus Spanien im 1. Jahrhundert n. Chr. nach Rom gekommene Ackerbauschriftsteller Columella meint: „Das Bauchweh verliert sich beim Haarvieh, vornehmlich bei Maultieren und Pferden, augenblicklich, wenn es schwimmende Enten sieht (!); als Arznei tut ihm aber ein Trank von zarten Lorbeerblättern und Eberreis (abrotanum) sehr wohl.“ Es wird jetzt noch in den Mittelmeerländern häufig in den Küchengärten angepflanzt und heißt bei den Neugriechen pikróthanos und bei den Italienern abrotano.
Der gemeine Beifuß (Artemisia vulgaris) wird ebenfalls kultiviert, weil sein Kraut als Küchengewürz und die Wurzel als krampfstillendes und schweißtreibendes Mittel dient. Ehemals wurde letztere als Zaubermittel und Vorbeugungsmittel gegen das Ermüden an die Füße gelegt; daher der Name Beifuß. Ein Büschel dieses Krautes hängen die Landleute gerne in den Wohnstuben als „Fliegenkraut“ auf, weil sich die Fliegen abends gern in Menge daran setzen und dann leichter gefangen und getötet werden können. Die unmittelbar vor dem Aufblühen gesammelten Blütenköpfe des in der Kirgisensteppe und südlich davon wild wachsenden, neuerdings aber in zunehmendem Maße angepflanzten Wurmbeifußes (Artemisia cina) liefern eines der bekanntesten Wurmmittel, die zur Abtreibung von Spulwürmern und Pfriemenschwänzen (Oxyuris) dienenden Zitwer- oder Wurmsamen, deren bitterer Extraktivstoff das Santonin bildet, das neuerdings statt der Wurmsamenlatwerge in Zucker- oder Schokoladezeltchen als Wurmmittel gegeben wird.
Noch weiter östlich in Asien, nämlich in der Mongolei heimisch ist der Dragonbeifuß (Artemisia dracunculus), das französische estragon, das als geschätztes Küchengewürz in Mitteleuropa seit alter Zeit kultiviert wird. Die blühenden Stengelspitzen riechen angenehm gewürzhaft, schmecken bitterlich und dienen zur Bereitung des Estragonessigs. Dragon kommt vom lateinischen draco, Drache, Schlange (dracunculus heißt kleiner Drache) und wurde der Pflanze von den mittelalterlichen Ärzten gegeben, weil nach Plinius das Tragen dieser Pflanze vor dem Gebissenwerden durch Giftschlangen schütze.
Ein anderes viel verwendetes einheimisches Gewürz ist der gemeine Kümmel, die getrockneten Früchte der zweijährigen Kümmelpflanze (Carum carvi) aus der Familie der Umbelliferen, die im mittleren und nördlichen Europa bis zur Birkengrenze auf guten, trockenen Wiesen wild wächst. Sie ist die älteste in Europa nachweisbar als Gewürz verwendete Pflanze, da im neolithischen Pfahlbau von Robenhausen aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend verkohlte Samenkörner von ihr zutage traten. Jedenfalls aber wird sie damals noch nicht vom Menschen angepflanzt worden sein, da ihm die Wildlinge genug Samen boten. Doch ist diese Gewürzpflanze in Vorderasien schon sehr früh kultiviert worden, wie wir aus einer Stelle des seit 740 v. Chr. unter den Königen Usias, Jothan, Ahas und Hiskias zu Jerusalem wirkenden Propheten Jesaias in Kap. 28, 25 entnehmen, wo es vom Ackermann heißt: „er streut Wicken und wirft Kümmel, er säet Weizen und Gerste, jegliches, wo er es haben will, und Spelt an seinen Ort,“ und in Vers 27: „denn man drischet die Wicken nicht mit Eggen und läßt auch nicht ein Wagenrad über den Kümmel gehen, sondern die Wicken schlägt man aus mit einem Stabe und den Kümmel mit einem Stecken“.
In größeren Mengen wird der Kümmel seit dem Mittelalter in Holland, bei Halle, Erfurt, Hamburg, Nürnberg, Ostpreußen, Tirol, Norwegen, Schweden, Finnland und Rußland auf Feldern kultiviert. Man sät ihn während der Baumblüte in Reihen auf kalkhaltigen, warmen, trockenen Boden, im Herbst schneidet man das Kraut bis zum Herzblatt ab und verbraucht es als Viehfutter. Im folgenden Jahr blüht der Kümmel im Mai und muß geschnitten werden, sobald die oberste Fruchtdolde zu reifen beginnt und die übrigen noch grüne, aber entwickelte Früchte haben. Man bindet ihn in kleine Bündel und trocknet ihn. Der Same enthält viel ätherisches Öl, schmeckt beißend gewürzhaft und wird den verschiedensten Speisen als Gewürz zugesetzt. Aus ihnen wird durch Destillation auch das ätherische Kümmelöl gewonnen, das in der Branntweinindustrie ausgedehnte Verwendung findet. Den besten Kümmel liefert Holland, der dort schon in fränkischer Zeit kultiviert wurde. Er wird in den mittelalterlichen Arzneibüchern als beliebtes Heilmittel oft genannt; so pries ihn als solches schon im 12. Jahrhundert die heilige Hildegard, Äbtissin des Klosters Rupertsberg bei Bingen, die auch die erste Nachricht von der Verwendung des Hopfens als Bierwürze gab. In den städtischen Spezereitaxen wird Kümmel zuerst 1304 in Brügge, dann in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Danzig angeführt. Die Wurzelknollen des in Westdeutschland nicht seltenen knolligen Kümmels (Carum bulbocastanum), auch Erdkastanie genannt, werden manchenorts, besonders in der Walachei und Moldau gegessen.
Statt unseres Kümmels gebrauchten die alten Griechen und Römer als Arznei und Gewürz die Samen des bei ihnen angebauten, in den östlichen Mittelmeerländern wild wachsenden römischen oder Kreuzkümmels (Cuminum cyminum). Dieses heute auf Sizilien und Malta, wie auch in Ostindien häufig angebaute einjährige Doldengewächs mit weißen oder rötlichen Blüten besitzt doppelt so lange Früchte wie diejenigen unseres Kümmels von stark aromatischem, unangenehmem, entfernt an Fenchel erinnerndem Geruch und scharf bitterlichem Geschmack. Sie enthalten ein ätherisches Öl von hellgelber Farbe und durchdringend kümmelartigem Geruch, welches als römisches Kümmelöl bei der Bereitung „magenstärkender“ Liköre verwendet wird.
Im ganzen Altertum war er wie in den Mittelmeerländern heute noch als Küchengewürz und Arznei geschätzt. Er hieß bei den alten Ägyptern tapnen, einem Worte, dem man häufig in dem medizinischen Papyri begegnet. Daneben bedienten sie sich auch einer semitischen Bezeichnung kamnini, die mit dem hebräischen kammôn zusammenhängt. Seine Samen befanden sich mehrfach unter den Totenbeigaben in den altägyptischen Gräbern. Die Griechen nannten ihn kýminon und danach die Römer, die ihn durch jene kennen lernten, cyminum. Dioskurides sagt von ihm: „Das kýminon schmeckt gut, vorzüglich das äthiopische, das Hippokrates (460–364 v. Chr.) das königliche nennt; nach ihm folgt an Güte das ägyptische und dann die übrigen Sorten. Es wächst im asiatischen Galatien, in Kilikien, bei Tarent und an mehreren anderen Orten. Es dient als Gewürz und Heilmittel.“ Theophrast schreibt: „Das kýminon trägt schmale, gestrichelte Samen in reichlicher Menge; es wird für die Küche angepflanzt und dabei vorgeschrieben, daß man bei der Aussaat fluchen und schimpfen soll.“ (Damit wollte man die bösen Geister vertreiben, die dem Wachstume der Saat schaden konnten.) Eine Abart dieses Kümmels nennt Dioskurides káros und fügt hinzu: „er ist ein kleiner, allbekannter Same, der ein gutes Gewürz gibt; auch die Wurzel wird zur Speise gekocht“. Diesen Kümmel nannten die Römer nach den Griechen careum; so sagt Columella: „Das careum dient als Gewürz,“ und Plinius: „Der careum (= Kümmel) stammt aus dem Auslande und hat seinen Namen von seinem Vaterlande Karien. Man benützt ihn vorzugsweise für die Küche; er gedeiht in jedem Boden, der beste kommt jedoch aus Karien und nächstdem aus Phrygien.“
Als Arznei gegen Blähungen und beliebtes Gewürz ist unter den Doldenblütlern ferner der gemeine Fenchel (Foeniculum vulgare) mit ausdauerndem, 1–2 m hohem Stengel zu nennen. Er wächst von den Azoren bis Persien und Kurdistan, von Nordafrika bis Ungarn wild und wird stellenweise in Deutschland, Südfrankreich, Galizien, Rumänien, Indien, China und Japan kultiviert. Die jungen Pflanzen werden auf Saatbeeten gezogen und im Juli versetzt, wie der Kümmel behandelt und im Herbste geschnitten. In kälteren Gegenden werden die Wurzeln für den Winter gedeckt. Die Samen können zwei- bis dreimal geerntet werden. Das Kraut dient als Viehfutter, während die durch das ätherische Fenchelöl angenehm aromatisch riechenden und gewürzhaft süßlich schmeckenden Früchte als Küchengewürz zum Einmachen von Gurken usw., auch als Appetit anregendes Mittel angewendet werden. Mit pulverisierten Sennesblättern und Süßholzwurzeln zusammen bilden sie einen Hauptbestandteil des leicht abführenden „Brustpulvers“. Wie anderswo Kümmel, bäckt man in Thüringen und Tirol Fenchel ins Brot.
Der römische Fenchel ist eine Abart des Foeniculum dulce, die in Südfrankreich, Italien und auf Malta angepflanzt wird. Er schmeckt etwas süßer und milder, sonst wie voriger. Auch die Früchte des in den Mittelmeerländern wildwachsenden beißenden Fenchels (Foeniculum piperitum) werden als Gewürz benutzt.
Seit den ältesten Zeiten diente der Fenchel den Chinesen, Indern, Ägyptern und den Völkern am Mittelmeer als Arznei und Küchengewürz. Als schamari hout findet er sich mehrfach in den medizinischen Papyri angeführt. Auch bei den Griechen und Römern wurde er als Küchengewürz und Arznei verwendet. Schon Theophrast im 4. Jahrhundert v. Chr. erwähnt den Fenchel als márathron und Dioskurides sagt von ihm vier Jahrhunderte später: „Vom Fenchel (márathron) wird das Kraut oder der Samen gegessen, um die Milch zu vermehren. Der letztere bekommt dem Magen gut. Man zieht aus der Pflanze und deren Samen den Saft, um ihn für schwache Augen zu verwenden.“ Noch hundert Jahre später schreibt der Arzt Galenos aus Pergamon: „Der Fenchel (márathron) wächst wild, wird aber auch angesät, und nicht bloß als Gewürz, sondern auch als Speise benutzt, zu welchem Zwecke man die Pflanze fürs ganze Jahr in Essig oder eine Mischung von Essig und Salzwasser legt.“ Wie ein griechischer Schriftsteller in der Geoponika, sagt gleicherweise der aus Spanien stammende Römer Columella: „Beim Einmachen der Oliven dient Fenchelsamen als Gewürz.“ Die Römer nannten ihn foeniculum. Plinius schreibt von ihm: „Die Schlange bekommt im Winter eine neue Haut und streift die alte mit Hilfe des Fenchels (foeniculum) ab. Den Menschen dient der Fenchel als Gewürz, auch wird er zur Stärkung schwacher Augen gebraucht, worauf man durch die Beobachtung gekommen ist, daß ihn die Schlangen zu diesem Zwecke verwenden.“ Und Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. schreibt: „Man sät den Fenchel (foeniculum) im Februar auf einer sonnigen und etwas steinigen Stelle.“ Später erfahren wir, daß Karl der Große dessen Anbau gleich demjenigen der übrigen Doldengewächse mit würzhaft schmeckenden Samen auf seinen Gütern anordnete. Im Mittelalter wurde er allgemein noch mehr als Anis geschätzt.
Dem Fenchel sehr ähnlich ist der gemeine Dill, auch Gurkenkraut genannt (Anethum graveolens), der seit dem Altertume in derselben Weise wie jener verwendet wird. Er findet sich bereits in den altägyptischen Texten als ammisi erwähnt und wurde nach dem medizinischen Papyrus Ebers hauptsächlich gegen Kopfweh verordnet. Er wächst noch heute in Ägypten und in Südeuropa wild. Die Griechen nannten ihn wegen seines starken Geruches ánēthon. Dioskurides sagt, daß man die Dolde und den Samen desselben verwende, um die Verdauung zu verbessern und die Milchabsonderung zu steigern; zu viel und zu oft genossen schwäche er jedoch. Palladius schreibt: „Man sät den Dill (anethum) im Februar. Er verträgt jedes Klima, doch ist ihm das mäßig warme am liebsten. Man darf ihn nicht dicht säen. Manche decken den Samen gar nicht mit Erde, weil sie glauben, kein Vogel gehe daran. Fehlt es an Regen, so begießt man ihn.“ Die Römer brachten dieses Gewürz über die Alpen, und Karl der Große ließ es in seinen Gärten anpflanzen. Seither fehlt es nicht mehr in den Küchengärten Mitteleuropas. Noch heute wird das junge Kraut, besonders aber die Dolden mit den reifen Früchten wegen des kräftigen Geschmacks und Geruchs als Küchengewürz, zum Einmachen von Sauerkraut, Gurken u. dgl. benutzt. Das ätherische Öl wurde früher wie dasjenige des Anis gegen krampfartige Unterleibsbeschwerden angewendet.
Ebenso alt ist in den Mittelmeerländern die Kultur des Korianders (Coriandrum sativum), dessen Früchte ebenfalls erst durch die Römer in Mitteleuropa bekannt wurden. Diese heute noch im Orient, in Südeuropa und auch bei uns hier und da als Sommergewächs angebaute und dann auch verwilderte Gewürzpflanze stammt aus Westasien, wird 30–60 cm hoch und trägt kugelige, braungelbe Früchte, die eigentümlich angenehm und mildaromatisch riechen, mit schwachem, an Wanzen erinnernden Beigeruch, der sich vor der Reife weit stärker, auch am Kraut zeigt. Daher der Name, vom griechischen kóris Wanze, im Deutschen Wanzenkraut lautend. Die Samen dienen als Küchengewürz, zu Backwerk aller Art, Likören und wurden früher auch abführenden Arzneien zugesetzt. Das frische Kraut soll betäubend wirken. Seine Samen wurden von jeher als Gewürz und Arznei verwendet. Sie finden sich schon in altägyptischen Gräbern. Die ärztlichen Papyri nennen den Koriander mehrfach als unschi und erwähnen auch eine asiatische Sorte desselben. Er wurde vielfach als Arznei gebraucht und seine Samen dienten nach den hieroglyphischen Aufzeichnungen dazu, den Wein noch berauschender zu machen. Auch die hebräischen und Sanskritschriften kennen ihn. Theophrast und Dioskurides erwähnen ihn als koríannon; letzterer sagt, man nenne ihn auch kórion, er sei allgemein bekannt und werde äußerlich und innerlich zu Heilzwecken verwendet. Als coriandrum kam er zu den Römern. Plinius schreibt von ihm: „Den Koriander findet man nicht wild; der beste kommt aus Ägypten. Er dient als Arznei, auch rät Marcus Varro (116–27 v. Chr.), Fleisch im Sommer mit Essig, worin sich zerstoßener Koriander und Kreuzkümmel befinden, vor Fäulnis zu schützen.“ Sein Zeitgenosse Columella rät, ihn im Frühjahr und Herbst auf gedüngten Boden zu säen. Karl der Große ließ ihn auf seinen Krongütern anpflanzen, doch finden wir ihn in Mitteleuropa erst wieder im 16. Jahrhundert erwähnt.
Ebenfalls ein einjähriger Doldenblütler ist der ursprünglich in Ägypten, Kleinasien und auf den griechischen Inseln heimische gemeine Anis (Pimpinella anisum), der schon im Altertum kultiviert wurde, um die angenehm, eigentümlich riechenden, süßaromatisch schmeckenden Samen als Gewürz und Arznei zu verwenden. Dioskurides schreibt von ihm: „Der Anis (ánison) ist als Gewürz und Arznei gesund. Der beste ist frisch, voll, ohne Staub, hat einen starken Geruch. Dem kretischen gibt man den Vorzug, ihm zunächst steht der ägyptische.“ Durch die Griechen wurden die Römer damit bekannt gemacht. Plinius sagt von ihm: „Der Anis (anisum) gehört zu den Speisen, welche Pythagoras (aus Samos, siedelte 529 v. Chr. nach Kroton in Unteritalien über, wo er als Gründer und Mittelpunkt des weit verbreiteten pythagoräischen Bundes wirkte) besonders empfohlen hat, und zwar sowohl roh als gekocht. Jedenfalls ist er, grün und getrocknet, an allen Speisen, die gewürzt werden, gut. Er wird auch an die Bodenrinde der Brote getan. Er gibt dem Atem einen guten Geruch, dem Gesicht ein jugendlicheres Ansehen und erleichtert schwere Träume, wenn man ihn so über dem Kopfkissen aufhängt, daß der Schlafende ihn riecht. Er bewirkt auch tüchtige Eßlust; so hat man ihn denn auch wegen seiner vortrefflichen Eigenschaften den Unübertrefflichen (anicatum) genannt.“ Sein Zeitgenosse Columella gibt an: „Ägyptischer Anis dient als Gewürz beim Einmachen der Oliven“, und Palladius im 4. Jahrhundert n. Chr. rät, ihn im Februar oder März auf gut bearbeiteten, gedüngten Boden zu säen. Durch die Römer wurden die Länder nördlich der Alpen mit ihm bekannt. Heute wird er als sehr wichtiges Gewürz fast in allen Erdteilen angebaut, so besonders in Deutschland, Böhmen, Mähren, Rußland, Skandinavien, Holland, Frankreich, Spanien, Bulgarien, Syrien, Indien und Chile. Er wird als Küchengewürz besonders zu Backwerk benutzt und das daraus destillierte Anisöl wird zu Likören, speziell der Anisette, verwendet. In Norddeutschland kocht man häufig Borsdorfer Äpfel mit Anis. Sein Geruch ist den Tauben sehr angenehm, weshalb man sie mit demselben leicht wieder auf den Schlag nach Hause lockt. Im Handel wird der Anissamen zuweilen mit demjenigen des giftigen Schierlings (Conium maculatum), dem sie sehr ähnlich sehen, vermischt, wodurch schon wiederholt Vergiftungsfälle vorkamen.
An Geruch, Geschmack und Wirkung dem gemeinen Anis sehr ähnlich ist der echte Sternanis, der von einem 6–8 m hohen, immergrünen, in China, Japan und den Philippinen heimischen Baum aus der Familie der Magnoliazeen (Illicium anisatum) gewonnen wird. Er wächst vorzugsweise in den hohen Gebirgen von Jün-nan in Südwestchina, wo er auch kultiviert wird und besitzt ziemlich große lederartige Blätter, blaßgrünlichweiße Blüten und sternförmige, matt-graubraune Kapselfrüchte von angenehm süß aromatischem, eigentlich mehr an Fenchel als Anis erinnerndem Geschmack. In ihrer Heimat werden sie schon lange als Heilmittel und Gewürz verwendet und wurden 1588 von Sir Thomas Cavendish von den Philippinen zuerst nach Europa, und zwar nach London gebracht; doch haben sie erst die Holländer als Medikament und bei der Teezubereitung verwendet. Heute bilden sie eine überaus wichtige Droge des Weltmarktes, da sie 5 Prozent des farblosen ätherischen Anisöles enthalten und zu dessen Darstellung benutzt werden. Letzteres ist namentlich für die Likörfabrikation ganz unentbehrlich. Von diesem Baume kommt auch das Holz als Anisholz in den Handel; es wird vielfach von Tischlern und Drechslern verarbeitet. Dem echten Sternanis sehr ähnlich sehen die Früchte des unechten Sternanis aus, die von einem als Illicium religiosum bezeichneten, weil um die buddhistischen Tempel in Japan angebauten und dort Sikimmi genannten, dem echten Sternanisbaume nahe verwandten immergrünen Baume stammen. Sie sind giftig und sind nur daran zu erkennen, daß sie nicht wie jene nach Anis, sondern aromatisch nach Kardamomen oder Kampfer riechen und zuerst sauer, dann bitter schmecken. Bisweilen werden sie zur Verfälschung des echten Sternanis benutzt, wodurch wiederholt Vergiftungsfälle vorkamen.
Neben Anis, Fenchel, Dill, Kümmel und Koriander war im Mittelalter auch die durch einen reichen Gehalt an ätherischen Ölen aromatisch duftende Raute (Ruta graveolens) ein im Abendland sehr beliebtes, in allen Bauerngärten angetroffenes Gewürz. Für Indien sehr wichtig dagegen waren schon im Altertum wie heute die ebenfalls durch einen reichen Gehalt an ätherischem Öl, das ihnen einen kampferartigen Geruch und Geschmack verleiht, äußerst aromatisch schmeckenden Kardamomen, die im Leben des gewürzeliebenden Südasiaten eine wichtige Rolle spielen. Durch den Handel mit Indien wurden die Bewohner Westasiens und schließlich auch die Mittelmeervölker mit ihnen bekannt. Der griechische Arzt Dioskurides schreibt über dieses Gewürz, das den reichen Griechen und Römern vornehmlich als Arznei diente: „Das beste kardámōmon wird über Komagene (nordöstlichste Provinz Syriens, zwischen dem Euphrat und Amanosgebirge), Armenien und dem Bosporus nach Italien gebracht, stammt aber aus Indien und Arabien. Man gibt demjenigen den Vorzug, das nicht leicht bricht, voll und geschlossen ist, einen angreifenden Geruch und einen scharfen, etwas bitteren Geschmack hat. Es erwärmt und dient als Arznei.“ Sein Zeitgenosse Plinius sagt: „Das cardamomum besteht aus länglichrunden Samen und wird in Arabien gesammelt. Man unterscheidet davon drei Arten: eine sehr grüne und fette mit scharfen Kanten, schwer zerreiblich, was man vorzüglich schätzt. Die zweite Art ist rötlichweiß, eine dritte ist kürzer und dunkler gefärbt; noch schlechter ist die gefleckte, leicht zerreibliche, schwach riechende. Der Geruch des echten cardamomum muß demjenigen des costus gleichkommen. Diese Sorte wächst auch in Medien. Das Pfund kostet 3 Denare (= 1.80 Mark).“ Im 6. Jahrhundert n. Chr. erwähnt der römische Arzt Alexander Trallianus die Kardamomen, dann 1154 der weitgereiste Araber Edrisi als Produkt Ceylons; 1259 waren sie in Köln zu haben. 1563 unterscheidet der Portugiese Garcia da Orta eine Malabar- und eine Ceylonsorte. Auch der nach seiner Herkunft von Bergzabern bei Straßburg als Tabernaemontanus bezeichnete Arzt am kurfürstlichen Hofe von Heidelberg führt 1584 die Kardamomen in seinem Arzneibuche an.
Noch heute kommen unter der Bezeichnung Kardamomen die Samen verschiedener Arten ausdauernder Stauden aus der Familie der Scitamineen oder Gewürzlilien in den Handel, um als Arznei, Gewürz und zugleich zur Herstellung von Parfüm zu dienen. Weitaus die wichtigste derselben, die in Deutschland und den anderen Kulturstaaten offizinell ist, stammt von der echten Kardamome (Elatteria cardamomum var. minor), einer in den feuchten Bergwäldern Malabars an der südlichen Westküste Indiens einheimischen Ingwerverwandten mit 2–3 m hohen Stengeln, 40–75 cm langen, lanzettlichen Blättern und knolligen, dichtgeringelten Wurzelstöcken. In den sich nach der Blüte bildenden langen, dreifächerigen, gelben Kapseln finden sich 4 bis 5 mm lange, braune, etwas eckige, rauhe Samen, die ihren würzigen Geschmack einem flüchtigen, frisch in Wasser destilliert farblosen ätherischen Öl, dem Kardamomöl, verdanken. Die Pflanze, die in ihrer Heimat an Stellen abgeforsteter Wälder zahlreich aus dem Boden sprießt, wird besonders in Malabar, aber auch in Ceylon, Cochinchina, Siam, Jamaika, Deutsch-Ostafrika und anderen Orten des engeren Tropengürtels im großen angebaut. Es geschieht dies teils durch Wurzelteilung, teils — was die Regel ist — durch Samen, die in ziemlichen Abständen in lockeren, humusreichen Boden gepflanzt werden. In einem Jahre sind die Pflänzchen 30–40 cm hoch, geben im dritten Jahre die erste kleine und im vierten Jahre eine Vollernte; dabei bleiben sie etwa sechs Jahre tragbar. Vor der völligen Reife, wenn die grünen Kapseln in gelb überzugehen beginnen, werden sie einzeln mit Scheren abgeschnitten und zum Nachreifen zunächst einige Tage in einem Magazin auf Haufen gelegt. Dann trocknet man sie vorsichtig in der Sonne, drischt die Samen heraus und bringt sie zum Versand. Als Durchschnittsertrag rechnet man an den Hauptproduktionsorten in Südwestindien und auf Ceylon 200 kg marktfertige Ware auf das Hektar, ein Ergebnis, das unter günstigen Verhältnissen und bei sorgsamer Pflege oft um die Hälfte und mehr überschritten wird.
Von einer größeren, in Ceylon heimischen Kardamomart (Elatteria cardamomum var. major) werden gelbrote, eckige, rauhe Samen von eigentümlichem, starkem Geruch gewonnen und in kleinen Posten nach England exportiert. In Siam, auf Sumatra, Java und einigen anderen malaiischen Inseln wächst Amomum cardamomum mit vielen keilförmigen Samen in Kapseln, die etwas kleiner als Kirschen sind. Sie werden fast ausschließlich nach Südfrankreich exportiert. Als Bastardkardamom kommen etwas stachlige, kleine Kapseln von Bangkok aus in den Handel; auf Java dagegen ist der Javakardamom heimisch, der von geringer Qualität ist. Besser ist der Nepal- und Bengalkardamom. Wenig gekannt ist der auf Madagaskar an sumpfigen Standorten wachsende schmalblätterige Kardamom. Sehr nahe verwandt damit ist der Kamerunkardamom, der neuerdings nach Hamburg auf den Markt gebracht wird und ein außerordentlich feines, wohlriechendes ätherisches Öl liefert, kaum aber als Gewürz gebraucht wird. Eine andere äußerst aromatische, nicht pfefferartig schmeckende Art ist der abessinische Kardamom, der aber kaum nach Europa gelangt.
Mit schwachem Aroma, aber scharf beißend dagegen ist der Samen der in Westafrika wachsenden Cardamomum malagetta mit rauher, brauner Schale und weißlichem Kern, der als Paradies- oder Guineakörner oder Malagettapfeffer in den Handel kommt. Die Pflanze, die von Oberguinea bis Kamerun wild wächst, wird von den Negern vielfach angebaut, so daß sie einem Distrikte den Namen Pfefferküste eintrug. Sie ist dann von den als Sklaven dahingebrachten Negern auch in Westindien eingeführt worden und wird dort häufig kultiviert. Auch sie besitzt einen krautartigen Stengel mit schmalen, schilfartigen Blättern und einem kurzgestielten Blütenschaft, der am Ende einen Schopf von prächtigen, rosenroten, großen, an unsere Cannablüten erinnernden Blüten trägt. Die Samen dieser Pflanze, die in England häufig dazu verwendet werden, dem Brandy und Whisky einen schärferen Geschmack zu erteilen, wie ihn die mit abgestumpften Geschmacksnerven ausgestatteten Gewohnheitstrinker lieben, sind dem Neger Westafrikas für seinen faden, aus den Wurzelknollen des Yams verfertigten, kleisterartigen Mehlbrei, genannt fufu, ebenso unentbehrlich, wie der schwarze Pfeffer dem Hindu für seine tägliche Reiskost.
Wie die Afrikaner bereiten sich die Inder ihre scharfe Pfeffersauce mit den verschiedensten Zutaten zum schwarzen Pfeffer, so namentlich auch mit der echten oder langen Kurkuma oder Gelbwurzel — auch gelber Ingwer genannt — (Curcuma longa), einer nahen Verwandten der Kardamomen, die im Hindustani Indiens haldi, bei den Arabern dagegen kurkum heißt, woraus sich unsere Bezeichnung Kurkuma bildete. In Indien wird sie vielfach als Arznei, dann als Würze zu fast allen Speisen, besonders aber als wichtiger Bestandteil des berühmten Currypulvers verwendet. Schon im Altertum gelangte sie von dort aus mit den Kardamomen zu den Kulturvölkern am Mittelmeer. Der griechische Arzt Dioskurides sagt von ihr: „Es gibt eine Art Cypergras (kýpeiros), das in Indien wächst, dem Ingwer ähnlich ist, aber beim Kauen safrangelb wird und bitter schmeckt. Streicht man es auf ein behaartes Muttermal, so gehen die Haare daselbst aus.“ Wie im Altertum hat die Kurkuma auch im Mittelalter als Arznei bei den arabischen Ärzten eine gewisse Rolle gespielt. Von Indien aus erstreckte sich damals der Handel mit ihr so weit, als die arabische Herrschaft reichte. Ihre ursprüngliche Heimat ist wahrscheinlich Hinterindien und der malaiische Archipel; doch ist sie sehr früh nach Vorderindien gelangt, wo sie jetzt weit mehr als anderswo kultiviert wird. Hingegen wächst in Vorderindien neben einer Reihe Arten, die keinen Farbstoff enthalten, auch eine Art wild, die einen gelben Farbstoff liefert, der allerdings weit weniger schön ist und nur noch selten benutzt wird, sich aber für manche Zwecke, wie z. B. zur Herstellung eines künstlichen Goldlacks, besser eignet wie die gewöhnliche Kurkuma. Es ist dies die runde Kurkuma (Curcuma aromatica) mit birnförmigem Wurzelstock von 3–5 cm Länge und daran befindlichen fingerdicken Ausläufern, die in Längsschnitten in den Handel gelangt, aber kaum nach Europa kommt.
Von der vorhin genannten echten oder langen Kurkuma — lang genannt, weil sich der im Durchschnitt orangebraune Wurzelstock in eine Anzahl mannsfingerdicker und -langer Seitentriebe verästelt — gibt es mehrere Spielarten, die nach ihren Produktionsländern benannt werden. Die chinesische, die vorzugsweise auf der Insel Formosa erzeugt wird, gilt für die beste, dann folgen an Güte diejenigen von Bengalen und Pegu, die sich beide durch eine intensive Färbung auszeichnen. Auch die Sorte von Madras wird als eine feine Qualität betrachtet, während diejenige von Java wegen ihrer matten Farbe nur geringe Preise erzielt. Als die geringwertigsten gelten diejenigen von Bombay und Scinde. Die Pflanze treibt hohe, mit 30 cm langen, breit lanzettlichen Blättern besetzte Schäfte, die in einen Blütenstand von dichtsitzenden, rahmgelben Blüten enden, die von schön violett gefärbten Schaublättern überragt werden. Da aber in der Kultur seit undenklicher Zeit die Blütentriebe als nutzlose Kraftverschwendung der Pflanze ausgebrochen werden, so hat sie die Fähigkeit, keimbare Früchte zu erzeugen, mit der Zeit ganz eingebüßt, so daß sie jetzt ausschließlich durch Wurzelknollen vermehrt wird. Diese werden in fruchtbaren, von Überschwemmungen verschonten Boden in Abständen von 60 cm nach jeder Richtung im April und Mai gepflanzt und im Dezember geerntet, wobei man als Durchschnittserträgnis 5000 kg vom Hektar annimmt. Die Wurzelstücke werden zunächst in heißes Wasser getaucht, um ihre Keimkraft zu zerstören, dann 3–4 Tage an der Sonne getrocknet und schließlich in Säcke verpackt.
Noch wichtiger und auch bei uns bekannter als sie ist ihr naher Verwandter, der Ingwer (Zingiber officinale), dessen etwa daumendicke und in frischem Zustand fleischige Wurzelstöcke, die 2,2 Prozent eines hellgelben ätherischen Öles und ein brennend schmeckendes Harz enthalten, wegen ihres aromatischen Geruches und feurig gewürzhaften Geschmackes seit den ältesten Zeiten in ihrer Heimat Ostindien als Medizin und Gewürz verwendet werden. Im Sanskrit heißt er sringavera. Früh schon wurde er durch den Handel nach Westen gebracht und gelangte um die Wende der christlichen Zeitrechnung durch das Rote Meer zu den Griechen und Römern, die ihn nach der arabischen Bezeichnung zindschebil, d. h. Wurzel von Zindschi, zingiberi nannten und als kostbares Gewürz und Medikament schätzten. Der griechische Arzt Dioskurides, um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., sagt in seiner Arzneikunde von ihm: „Der Ingwer (zingíberis) ist ein eigentümliches Gewächs, das im troglodytischen Arabien sehr häufig wächst. Das frische Kraut wird gekocht zu vielen Dingen, wie bei uns die Raute (pḗganon) gebraucht, indem man es zu Tränken und gekochten Speisen mischt. Die Wurzeln sind klein wie beim Cypergras (kýpeiros), weißlich, wohlriechend und von pfefferartigem Geschmack. Man wählt zum Gebrauch die nicht von Würmern zerfressenen Wurzeln. Weil sie leicht verderben, werden sie eingemacht und in irdenen Gefäßen nach Italien gebracht; sie sind dann zum Verspeisen fertig und werden samt ihrer Brühe verbraucht. Der Ingwer erwärmt, befördert die Verdauung, ist dem Magen gesund; er wird auch Gegengiften zugesetzt und hat in seiner Wirkung Ähnlichkeit mit dem Pfeffer.“ Auch Plinius sagt in seiner Naturgeschichte: „Der Ingwer, den man zimpiberi oder zingiberi nennt, hat einen pfefferartigen Geschmack, wächst in Arabien und bei den Troglodyten. Das Pfund kostet 6 Denare (= 3.60 Mark).“
Das Ansehen des Ingwers wuchs im Abendlande noch bedeutend im Laufe des Mittelalters, da er als eine der begehrtesten Spezereien des Levantehandels durch die Vermittlung der Araber und Venezianer auf den europäischen Markt gebracht wurde. Aus Italien kam er im 9. Jahrhundert zuerst nach Deutschland und im 10. Jahrhundert nach England. Scribonius Largus nennt ihn gingiber und die heilige Hildegard von Rupertsberg bei Bingen im 12. Jahrhundert ingeber. Später ist er als imber allgemein bekannt und besonders auch von den Ärzten angewandt. Er war damals als Gewürz und Arznei so angesehen, daß in manchen Städten, wie beispielsweise in Basel, die Gasse der Gewürzkrämer nach ihm als einem der wichtigsten Repräsentanten der von jenen geführten Drogen einfach „Imbergasse“ hieß, eine Bezeichnung, die sich hier bis auf den heutigen Tag erhielt. Immerhin wurde sein übermäßiger Genuß von manchen gerügt. So sagt der württembergische Dichter Bebel (1475–1516) von einem Bürgermädchen: „Wein und Gewürze, Zimt, Pfeffer und Ingwer haben ihr Blut verdorben —“.
Die erste direkte Nachricht über die lebende Pflanze stammt vom weitgereisten Venezianer Marco Polo (1256–1323), der 1295 aus China nach seiner Vaterstadt zurückkehrte und später seine Erlebnisse und Beobachtungen zusammenstellte. Um dieselbe Zeit beschrieb sie ein anderer Italiener, Pegolotti, der 1292 bis nach Indien gelangte. Der Spanier Mendoza brachte den Ingwer zu Anfang des 16. Jahrhunderts nach Westindien, und schon 1547 sollen von dort, speziell von Jamaika, 1,1 Millionen kg exportiert worden sein. 1585 begann die Ausfuhr von San Domingo und 1654 diejenige von Barbados nach Spanien. Noch heute wird er in Westindien im großen angebaut; doch ist sein Hauptproduktionsland nach wie vor seine alte Heimat Ostindien geblieben, wo er in ungeheurem Maße verbraucht wird und an Wichtigkeit als Gewürz dem Pfeffer nur wenig nachsteht. Er gilt dort als beinahe so notwendig als das tägliche Brot, da man glaubt, die innern Organe des menschlichen Körpers könnten ohne seine Mitwirkung ihre Tätigkeit nicht ausüben. Trotz dem ungeheuren eigenen Verbrauche führt Ostindien noch jährlich über 5 Millionen kg Ingwer im Werte von 5 Millionen Mark hauptsächlich nach England und seine Kolonien aus, wo er vorzugsweise zur Herstellung des beliebten ginger-ale, d. h. des Ingwerbieres, verwendet wird. Cochinchina führt jährlich 4 Millionen kg Ingwer aus und China, das selbst sehr viel davon konsumiert, beinahe ebensoviel, und zwar meist mit Zucker eingemacht. Auch Jamaika und Sierra Leone exportieren große Mengen. Auch in Afrika wird er vielfach von den Eingeborenen angebaut und gedeiht vorzüglich.
Bild 39. Der Ingwer (Zingiber officinale).
Der Ingwer verlangt neben ausgiebiger Sonnenwärme vor allem große Luftfeuchtigkeit, kann aber keine allzugroße Nässe des Bodens ertragen. Am besten gedeiht er auf lockerem, sandigem, nahrhaftem Lehmboden. Hier wird er in derselben Weise wie die Kurkuma ausschließlich durch Wurzelstöcke vermehrt, die zu diesem Zwecke in kleine Stücke zerschnitten werden. Jedes mit Augen versehene Stück liefert ein neues Exemplar der 1–2 m hohen Pflanze mit zwei Reihen langer, schilfartiger, schmaler Blätter und kleinen, weißen, rotgestreiften oder gelblichweißen und dann violett gefleckten Blüten, die aber infolge der viele Jahrhunderte umfassenden, ausschließlich auf ungeschlechtigem Wege durch Wurzelknollenableger bewirkten Fortpflanzung die Fähigkeit, keimfähigen Samen hervorzubringen, vollständig eingebüßt haben. Die Saatknollen werden im März in Abständen von 30 cm in den meist gutgedüngten Boden gesteckt und liefern nach 9–10 Monaten, während welcher Zeit sie von Unkraut rein gehalten werden müssen, eine reichliche Ernte, die gleich wie bei den Kartoffeln erfolgt. Sobald die Stengel vollständig verwelkt sind, werden die Wurzelstöcke ausgegraben oder ausgepflügt, gereinigt und in Wasser gründlich gewaschen. Um schwarzen Ingwer zu bereiten, der seine Schale behält, werden sie dann durch Kochen während einer Viertelstunde in Wasser ihrer Keimkraft beraubt und abgetötet, dann in der Sonne vollständig getrocknet und sind so versandfähig. Um aber weißen Ingwer herzustellen, sucht man aus den gewaschenen Wurzelstöcken die schönsten aus und schabt mit einem Messer die dunkle Schale vollständig ab. Dabei werden alle Auswüchse und dunkeln Stellen ausgeschnitten. Nach wiederholtem Waschen in kaltem Wasser werden diese nunmehr weiß aussehenden Ingwerknollen an der Sonne getrocknet, wobei sie, der schützenden Schale beraubt, von selbst absterben. Der gezuckerte Ingwer, eine beliebte Delikatesse, die in steigendem Maße nach Europa importiert wird, wird aus den noch weichen, halbreifen Wurzelstöcken gewonnen, kurz bevor die Blütenstengel austreiben. Diese werden nach sorgfältiger Reinigung in lauwarmem Wasser mit heißem Wasser übergossen und dann so lange gesotten, bis sie leicht mit einer Gabel durchstochen werden können. Dann werden sie einen Tag in kaltes Wasser gelegt, mit einem Messer geschabt, wiederum 2 bis 3 Tage in täglich erneutes frisches Wasser getan und mit kochendem Sirup von 1 kg Zucker auf 2 Liter Wasser zweimal in einem Zwischenraum von 2 Tagen übergossen, dann auf Schüsseln oder Hürden gelegt und wie Zitronat getrocknet und verpackt. In Indien und China kommt diese auf der Zunge etwas beißende Spezerei seit sehr langer Zeit als beliebter Leckerbissen in mit Bambus umflochtenen irdenen Töpfen in den Handel und gelangte wohl in ähnlicher Verpackung schon zur römischen Kaiserzeit — wie wir von Dioskurides erfuhren — nach Italien, wo allerdings nur die Reichen seinem Genusse als sehr teure Arznei frönen konnten.
Eine andere Ingwerart Ostasiens, aus der nach dem als Botanikprofessor 1617 in Padua gestorbenen Italiener Prosper Alpini Alpinia genannten Gattung der Liliazeen ist der Galgant (Alpinia officinarum), dessen bis 1 m langer und bis 2 cm dicker braunroter, angenehm gewürzhaft riechender, aber ingwerartig scharf brennender Wurzelstock in 5–10 cm lange Stücke geschnitten heute noch bei uns als aromatisches Mittel zu Likören, Essig usw. dient. Seine ursprüngliche Heimat scheint an der Süd- und Ostküste der chinesischen Insel Hainan zu liegen, wo die Pflanze einzig wild angetroffen wird; doch wurde sie schon im Altertum außer dort auch auf der gegenüberliegenden Halbinsel Leitschou und den benachbarten Küsten, ebenso in Siam angepflanzt und in ganz China als beliebtes Gewürz verhandelt. Auch in Indien wurde sie neben den vorhin genannten Ingwerarten benutzt und erscheint im Ayur veda Susrutas als kula yoga. Ob die alten Griechen und Römer diese Droge schon kannten, ist höchst fraglich, wennschon einige Forscher — wohl mit Unrecht — vermuten, der Cyperus babylonicus des Plinius sei unser Galgant gewesen. Erst die arabischen Ärzte des früheren Mittelalters, von denen der berühmte Razes (eigentlich Muhammed Ibn Zakkaria ar-Râzi, lebte von 850–923 und stellte unter dem zweiten Kalifen aus dem Stamme der Abbasiden, Mansur in Bagdad, das Gesamtgebiet der Medizin dar), dann der ihm ebenbürtige, etwas jüngere Avicenna (eigentlich Ibn Sina, 980–1037, der Verfasser eines Kanons der Medizin, der wie der 9. Band des Werkes von Râzi bis ins 16. Jahrhundert an den europäischen Hochschulen Gegenstand medizinischer Vorlesungen war), ferner Alkindi und andere den Galgant als geschätztes Heilmittel anführen, machten ihn im Abendlande bekannt. Der arabische Geograph Ibn Khurdadbah im 9. und der sarazenische Reisende Edrisi aus Sizilien im 12. Jahrhundert berichten über seine Einfuhr. Der bis nach Ostasien gedrungene Venezianer Marco Polo, der die erste Kunde von der nach ihm zipangu (verdorben aus dem chinesischen dschi-pon-kwo, d. h. Sonnenursprungsland, oder einfach Dschi-pon, woraus die Japaner Nippon als die gebräuchliche Bezeichnung ihres Landes machten) genannten und als sehr goldreich geschilderten „chinesischen Inselwelt“ Japan nach Europa brachte, schreibt nach seiner 1295 erfolgten Rückkehr in seine Vaterstadt über den Anbau der Pflanze in China. Außer dieser kleineren Galgantsorte kannte er bereits eine größere, aus Java stammende, von Alpinia galanga, mit doppelt so dickem, bis 4 cm starkem, heller gefärbtem und weniger aromatischem Wurzelstock, die im europäischen Handel nur wenig angetroffen wird. Auch der Portugiese Garcia da Orta in Goa erwähnte 1563 diese beiden Sorten, eine kleinere aus China und eine größere aus Java. Ähnliches berichten Acosta und Linschotten. Die erste gute Abbildung veröffentlichte der Deutsche in holländischen Diensten Rumphius im Jahre 1754.
Der von den 4–5-, besser aber 10jährigen Pflanzen gewonnene und an der Luft getrocknete Wurzelstock des Galgants wurde etwa gegen das Ende des 8. Jahrhunderts durch arabische Vermittlung als arzneilich geschätzte Pflanze in Deutschland bekannt. Der um die Mitte des 9. Jahrhunderts lebende Bischof Salomo III. von Konstanz erwähnt in einem Formelbuche den Galgant als calanganum. Die heilige Hildegard, Äbtissin des Klosters Rupertsberg bei Bingen im 12. Jahrhundert, behandelt die galgan benannte Wurzel ausführlich als Heilmittel. Die erste Erwähnung des daraus gewonnenen ätherischen Öles findet sich in der Arzneitaxe der Stadt Frankfurt am Main vom Jahre 1587. Erst 1870 wurde durch den Engländer Fletcher Hancé durch das Auffinden der Stammpflanze der kleinen Sorte die früher allgemein geltende Annahme berichtigt, daß beide Sorten von demselben Gewächs abstammen. Die Bezeichnung Galgant soll nach ihm aus dem chinesischen liang-kiang stammen, was so viel bedeutet als „feiner oder milder Ingwer“. Hieraus wurde die arabische Benennung khulendjan bzw. khalangian und aus letzterem unser galanga.
Neben dem Galgant spielte auch der von den Deutschen als Kostwurz bezeichnete Costus besonders als Magenmittel im Mittelalter eine große Rolle. Die Droge stammt von einer 1,5–2 m hohen Ingwerart Ostindiens (Costus speciosus) mit großen, schönen, rötlichweißen wie mit einem rostfarbigen Reif bestreuten Blüten, deren Wurzelstock aber schärfer und bitterer schmeckt als derjenige des Ingwers. Schon im Altertum wurde er neben dem Ingwer viel als Würze und Medizin in die Kulturländer Vorderasiens und am Mittelmeer gebracht. Schon Theophrast erwähnt ihn unter dem Namen kóstos als Gewürz. Dioskurides sagt: „Der beste kóstos kommt aus Arabien, ist weiß, leicht und riecht stark, aber angenehm. Ihm folgt an Güte der indische, der auch leicht, aber dunkelfarbig ist. Die dritte Sorte ist der syrische, der schwer, buchsbaumgelb und von stechendem Geruch ist. Man gebraucht ihn als Arznei. Er wird auch durch Beimischung der stärksten Wurzeln des Alants von Kommagene (in Syrien) verfälscht.“ In seiner Beschreibung der Umschiffung des Roten Meeres sagt der griechische Schriftsteller Arrianus im 2. Jahrhundert n. Chr., daß von Minnagara am Ausfluß des Indus und der südöstlich davon gelegenen Hafenstadt Barygaza kóstos in den Handel gebracht werde. Im Mittelalter befaßten sich besonders die Araber mit dem Zwischenhandel der in Menge nach Europa gebrachten Droge, die heute für uns nur noch historisches Interesse besitzt.
Heute noch von einiger Bedeutung als Gewürz und Heilmittel ist dagegen die Kalmuswurzel, die in derselben Weise wie der Ingwer kandiert besonders in Persien und Arabien als äußerst beliebtes Konfekt gegessen wird. Seit dem frühen Altertum wird der bitter aromatische Wurzelstock des gegenwärtig überall bei uns an den Ufern der Weiher verwildert angetroffenen Kalmus (Acarus calamus), in derselben Weise wie der Ingwer mit Honig oder später Zucker eingemacht, aus Asien importiert. Die Heimat dieser Wasserpflanze ist nach den neueren Untersuchungen zweifellos Südostasien. Die Kalmuspflanze wird nämlich einzig in Südchina und Hinterindien fruktifizierend angetroffen. Am Fuße des Himalaja und von da an westlich setzt sie keinerlei Früchte mehr an und pflanzt sich nur auf ungeschlechtigem Wege durch Wurzelausläufer fort. Die wohlriechende aromatische Kalmuswurzel ist eines der ältesten Gewürze und Heilmittel der südasiatischen Völker. Unter der Sanskritbezeichnung vacha spielte sie in der altindischen Medizin wie später in derjenigen des Morgenlandes eine große Rolle als die Verdauung beförderndes und die Geschlechtstätigkeit anregendes Mittel. Durch den morgenländischen Zwischenhandel gelangte die Droge als Arznei zu den Babyloniern, Ägyptern, Juden und älteren Griechen, denen allen jedoch die Pflanze selbst, von der sie herrührte, völlig unbekannt blieb. Im alten Ägypten treffen wir die Kalmuswurzel unter der Bezeichnung kanna oder heiliges Rohr, auch phönikisches Rohr, da die Phönikier ihnen auf dem Handelswege diese orientalische Ware geliefert zu haben scheinen. Sie wird in fast allen in den hieroglyphischen Texten uns erhaltenen Parfümrezepten und in zahlreichen Arzneirezepten erwähnt, ebenso gebrauchten sie die Juden unter demselben Namen kanna; so wird sie schon in der von Jahve Mose um 1280 v. Chr. am Sinai gegebenen Vorschrift zum heiligen Salböl erwähnt, das aus den edelsten Myrrhen und Kassie zu 500 Sekel und Zimt und Kalmus zu 250 Sekel in einem Hin Olivenöl vermischt werden sollte. Damit sollte die Bundeslade und sollten alle heiligen Geräte samt der Stiftshütte gesalbt werden.
Noch der große Pflanzenkenner Theophrast sagt zu Beginn des 3. vorchristlichen Jahrhunderts von ihrer Herkunft: „Der Kalmus (kálamos, gleichbedeutend mit Schilf) wächst jenseits des Libanon in einem großen Sumpf und erfüllt, wenn er trocken ist, die Luft mit Wohlgeruch.“ Zu jener Zeit hatten die Griechen bei Gelegenheit von Alexanders des Großen Siegeszug nach dem fernen Osten die damals bereits in Westasien angesiedelte Pflanze kennen gelernt. Der aus Kilikien gebürtige griechische Arzt Dioskurides und der römische Naturforscher Plinius, die beide um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebten, kennen näher bei Europa gelegene Fundorte der Pflanze als Syrien. Ersterer weiß einen Standort derselben in Kleinasien und letzterer außer in Galatien auch auf Kreta. Plinius fügt dem hinzu: „Der meiste Kalmus (acoron) wächst in Kolchis, sowohl am Flusse Phasis, als auch überall in den Gewässern. Frisch hat die Wurzel mehr Kraft als alt. Die kretische ist weißer als die pontische. Man schneidet sie in fingerlange Stücke und trocknet sie im Schatten“, und Dioskurides sagt, daß der aromatische kálamos Blätter wie die Schwertlilie (íris) habe und daß der wohlriechende den Magen erwärme und gegen viele innere Leiden gut sei.
Erst ums Jahr 1557 wurde der Kalmus in Mitteleuropa eingeführt. Die erste Beschreibung und Abbildung der Pflanze, die er acorum nannte, gab in einem 1565 erschienenen Buche der italienische Botaniker Pierandrea Matheoli. Dieser hielt sich von 1554–1577 in Prag auf und erhielt eine getrocknete Kalmuspflanze vom Gesandten des deutschen Kaisers Ferdinand I. am türkischen Hofe in Konstantinopel, Ghislenius Busbequius, die dieser in einem großen See bei Nicomedia in Bithynien gesammelt hatte. Bald darauf wurde die Pflanze von dem damals als Hofbotaniker in Wien lebenden Clusius (Charles de l’Ecluse), der sie 1574 aus Konstantinopel lebend erhalten hatte und in der Kaiserstadt an der Donau kultivierte, an die verschiedenen botanischen Gärten Mitteleuropas versandt und verbreitete sich von da aus überallhin, um bald, der menschlichen Pflege sich entziehend, zu verwildern. Im Jahre 1588 gab Camerarius an, daß Acorus erst seit einigen Jahren in die Gärten eingeführt sei, jedoch häufig in Lithauen und den pontischen Ländern wachse. 1611 wird in der dritten Auflage seines Kräuterbuchs von demselben Autor Pontus, Galatien und Kolchien als das Vaterland der Pflanze angegeben. 1590 verpflanzte Kaspar Bauhins Sohn Johann die Kalmuspflanze von Basel nach Montbéliard, und 1591 verbreitete sie Sebitz bei Straßburg. Seitdem die Pflanze in Mitteleuropa gedieh, machte man einen Unterschied zwischen asiatischer und europäischer Kalmuswurzel. Erst am Ende des 17. Jahrhunderts erkannte man, daß die Wurzel der bei uns wachsenden Pflanze der asiatischen gleichwertig sei. Die erste gute Abbildung der Pflanze lieferte Rheede in seinem von 1678 bis 1703 erschienenen Hortus malabaricus. 1697 wird in der Apothekertaxe des Rates von Halberstadt neben dem indischen Kalmus auch der einheimische, und zwar beide zu gleichen Preisen, angeführt. Das ätherische Öl findet sich zuerst 1582 in der Taxe der Stadt Frankfurt am Main erwähnt. Heute findet sich der Kalmus nicht bloß in ganz Europa, sondern auch in Nordamerika, wo er im 18. Jahrhundert eingeführt wurde, wildwachsend und bringt überall seine zwitterigen Blüten, niemals aber Früchte hervor. Diese rasche Verbreitung der Pflanze hängt mit den offizinellen Eigenschaften ihrer Wurzel zusammen, die noch von der heutigen Medizin gewürdigt werden. Sie enthält außer ätherischem Öl einen Bitterstoff und zwei Alkaloide (Calamin und Cholin) und wird außer als Magenmittel auch zur Likörfabrikation verwendet.
Bild 40.
Blütenzweig des echten Zimtbaums (Cinnamomum ceylanicum).
Eine sehr viel wichtigere Arzneidroge und sehr geschätztes Gewürz Südasiens, das heute noch eine große Bedeutung für Europa hat, ist der Zimt, der von einer in den Bergwäldern Ceylons heimischen Lorbeerart gewonnen wird. Der Zimtbaum (Cinnamomum ceylanicum) ist ein in der Wildnis, wo er nicht beschnitten wird, 6–10 m Höhe und einen Stammdurchmesser von 45–52 cm erreichender immergrüner Baum von unregelmäßigem Wuchs, dessen knotige Äste sich wagerecht ausbreiten. In den Zimtgärten baut man ihn als 3–4 m hohen Strauch, weil die dünnen Zweige der Sträucher einen feineren Zimt geben als die starken Äste der Bäume. Die glatte Rinde ist außen graubraun, innen gelblichrot; an jungen Schößlingen ist sie manchmal grün oder gelbgefleckt. Die glatten, lederartigen, dunkelgrünen Blätter sind eiförmig, 10–15 cm lang, stumpf zugespitzt und von fünf Hauptadern durchzogen. Bei ihrer Entfaltung sind sie rot angehaucht, färben sich dann gelb, olivengrün und schließlich dunkelgrün. Die in Rispen geordneten Blüten sind außen seidenhaarig, weißlich und innen gelbgrün gefärbt und strömen zur Blütezeit im Januar und Februar einen schwachen, nicht allen Menschen angenehmen Geruch aus. Die Früchte sind einsamige, in reifem Zustande braune Beeren mit einem dünnen Überzug von Fruchtfleisch.
Der Baum ist in allen seinen Teilen nützlich. Aus den Wurzeln kann Kampfer gewonnen werden, das Holz nimmt eine schöne Politur an und wird viel in der Tischlerei verwendet. Aus den Blättern, die wie Gewürznelken schmecken und einen aromatischen Geruch ausströmen, wenn sie zerquetscht worden, wird ein geschätztes Parfüm destilliert; ein weniger beliebtes Parfüm liefern die Blüten. Durch Auskochen kann aus den Früchten Pflanzentalg gewonnen werden. Die Rinde dient als geschätzte Arznei und Gewürz. Aus den Schößlingen endlich werden Spazierstöcke verfertigt.
In seiner Heimat Ceylon wurde der Zimt bis zum Jahre 1770 ausschließlich von wildwachsenden Bäumen gewonnen. Seitdem wird er durch Samen oder Stecklinge in Plantagen kultiviert, die jährlich behackt und sorgfältig von Unkraut freigehalten werden. Dadurch wird eine viel bessere Qualität als die von Wildlingen erzielt; doch eignet sich zu seiner Kultur nur ein 20 km breiter Küstenstreifen im Südwesten der Insel bis zu 500 m Meereshöhe. Die Anbauversuche in anderen Tropengebieten haben vielfach fehlgeschlagen; nur das Kamerungebiet scheint in einer Höhe von 500–1000 m günstige Verhältnisse darzubieten. Am besten geeignet zu seiner Kultur ist sandiger, mit Humus vermischter, kieselsäurereicher Boden; nur auf ihm erzeugt er eine hellfarbige, dünne, aromatische Rinde. Wie anderer, besonders zu fetter und zu nasser Boden, so beeinträchtigt auch zu üppiges, ebenso ein kümmerliches Wachstum die Qualität der Rinde, die dann dunkler, dick und arm an Aroma wird. Meist geschieht der Anbau des rascheren Ertrages wegen durch Stecklinge, die man 3 m weit auseinander in Reihen, zwischen denen Gänge hindurchführen, pflanzt. Den jungen Sträuchern ist eine leichte Beschattung nötig. Haben die Stämmchen nach 3–4 Jahren eine Länge von gegen 3 m erreicht, so werden sie 10–15 cm über dem Boden abgeschnitten. Diese Erstlingsernte steht an Menge erheblich und auch an Güte etwas den folgenden Ernten nach. Aus dem Stumpf treibt nun bald eine ganze Anzahl von Schößlingen aus, von denen man aber nur vier bis sechs sich entwickeln läßt. Nach 1½–2 Jahren werden auch diese geerntet, sobald die grünlichgraue Farbe der Rinde beginnt, einen bräunlichen Ton anzunehmen. Die Arbeiter in den Zimtplantagen haben auch sonst noch allerlei Merkmale, an denen sie den richtigen Zeitpunkt der Ernte erkennen. Zweimal im Jahr, jedesmal nach der Regenzeit, wenn der Saftumlauf in den Zimtbäumen den höchsten Grad erreicht hat, werden die Pflanzungen besichtigt und ihre reifen Schößlinge ausgehauen. In Ceylon sind Mai-Juni und Oktober-November die beiden Erntemonate für Zimt, und zwar wird dem Mai der Vorzug gegeben, weil die Schößlinge dann saftreicher sind und sich infolgedessen leichter schälen lassen.
Mit einem Haumesser bewaffnet durchsuchen die Arbeiter die Zimtpflanzung nach reifen Schößlingen, die ungefähr 1,5 cm Durchmesser besitzen. Bevor solche abgeschlagen werden, ritzt man die Rinde an einer Stelle mit dem Fingernagel, um zu sehen, ob sie sich leicht vom Holz löst. Bleibt die Rinde zäh am Holz hängen, so wird der betreffende Schößling geschont, bis er, wenn möglich, das nächste Mal ein befriedigenderes Resultat liefert, oder, falls dies nicht der Fall und der richtige Zeitpunkt der Ernte überschritten ist, dennoch abgehauen und als alte Rinde in die Destillerie gegeben wird.
Jeder Arbeiter schneidet soviel Stücke ab, als er in einem Bündel zu tragen vermag. Dann werden die abgehauenen Schößlinge in der Plantage selbst von den Blättern und kleinen Zweigen befreit und nach einem Schuppen gebracht, wo sie in der Weise geschält werden, daß in ihre Rinde zwei Längsschnitte an einander gegenüberstehenden Stellen und außerdem in Abständen von 30–50 cm einige Rundschnitte gemacht werden. Mit Hilfe eines kleinen, sichelförmigen Messers, das zwischen Holz und Rinde geschoben wird, geht dann das Schälen leicht von statten. Bleibt die Rinde an einer Stelle hängen, so reibt man sie an der betreffenden Stelle auf der Außenseite mit dem Messerstiel so lange, bis sie sich löst. Mehrere der Rindenstücke werden dann ineinander gesteckt, diese Ruten dann zu dicken Bündeln zusammengeschnürt, diese auf Haufen gelegt und mit Tüchern bedeckt, um wenigstens 24 Stunden so zu verbleiben. Dadurch tritt eine Art Gärung ein, welche das Abschaben der geruch- und geschmacklosen äußeren Rindenschicht oder Borke sehr erleichtert. Dieses Abschaben geschieht vermittelst des vorhin erwähnten gekrümmten Messers. Dabei werden die Rindenstücke mit der Innenseite auf einen glatten Stab gelegt, der eine solche Dicke hat, daß das Rindenstück glatt auf ihm aufliegen kann. Diese Arbeit erfordert viel Geschicklichkeit und Übung; denn, wenn ein Rest von Borke zurückbleibt, gewinnt der Zimt einen bitteren Geschmack. Andererseits dürfen keine Löcher in die Rinde geschabt werden, trotzdem sie oft auf nur ¼ mm Dicke gebracht werden muß. Nachdem die geschabten Stücke oberflächlich getrocknet sind, werden sie zu etwa 1 m langen Ruten zusammengesteckt (lateinisch canella Röhrchen genannt, weshalb der Zimt die Bezeichnung Kaneel erhielt), oben und unten auf die richtige Länge geschnitten, auf Regalen getrocknet, wobei sich die einzelnen Rindenstücke zur Form eines Zylinders zusammenrollen und die Rute einige Festigkeit erhält. Zuletzt wird der Zimt sortiert und zur Verschiffung in ungefähr 45 kg schwere Ballen verpackt. Die minderwertige Rinde und aller Abfall, bisweilen sogar die Blätter, wandern in die Destillerie, um das als Heilmittel wichtige Zimtöl daraus zu gewinnen. In Ceylon, dessen Zimtkulturen fast den gesamten Zimtbedarf der Erde decken, rechnet man auf das Hektar etwa 180 kg marktfertigen Zimt; doch kann dieser Betrag bei sorgfältiger Pflege und Erntebereitung erheblich überschritten werden. Der Ceylonzimt ist weitaus der beste, da der ceylonische Zimtbaum bei der Kultur in anderen Ländern überall ausartet. Der nach dem Verschiffungshafen Tellichery an der Malabarküste genannte südindische Zimt ist auch sehr gut. Zweiter Güte ist der javanische und dritter der amerikanische Zimt aus Französisch-Guiana und Brasilien. Bis jetzt haben die Anbauversuche dieses Gewürzbaumes weder in Kamerun, noch in Deutsch-Ostafrika, wo er ganz gut gedeiht, nennenswerte Erträge gebracht.
Die ceylonischen Zimtgärten nehmen ungefähr 13500 Hektare ein, und liefern jährlich etwa 900000 kg Zimt im Werte von 9 Millionen Mark. Von der Ausfuhr gehen 80–90 Prozent nach England. Cochinchina baut nordwestlich der Stadt Taifu etwa 150000 kg Zimtrinde, die meist die Chinesen an sich ziehen. Im ganzen dürfte die jährliche Ernte echten Zimts 1,5 Millionen kg nicht überschreiten. Feiner Ceylonzimt wird in London durchschnittlich mit 2 Schilling (2 Mark) das Pfund bezahlt, während Zimt anderer Herkunft nur 10 Pence (0,85 Mark) gilt. Kassienzimt ist um vier Fünftel billiger als Ceylonzimt.
Dieser letztere, meist nur Kassia genannt, stammt von verschiedenen, dem echten Zimtbaum sehr ähnlichen, nur etwas größer und kräftiger werdenden Verwandten derselben Gattung Cinnamomum, die in Hinterindien und Südchina wild wachsen und dort, wie auch in Ostindien und dem malaiischen Archipel, neuerdings auch in Süd- und Mittelamerika kultiviert werden. Die häufigst angepflanzte Art ist Cinnamomum cassia. Dieser Baum wird in derselben Weise, nur nicht so sorgfältig wie der echte Zimt kultiviert. Er findet sich außer in Cochinchina besonders in den südchinesischen Provinzen Kuang-si, Kuang-tung und Kuei-tschou angepflanzt. Von hier stammt weitaus der größte Teil der als chinesischer Zimt bezeichneten Kassia, den die Kulturländer verbrauchen. Nächstdem kommt Bengalen und Malabar in Britisch-Indien und Java und Sumatra in Holländisch-Indien. Gute Kassia ist ein billigerer Ersatz des teuren, echten Ceylonzimts und wird häufig unter dessen Namen in den Handel gebracht. Sie ist dicker und kräftiger als Zimt, bricht kürzer, schmeckt beißender und ist ärmer an Aroma. Diese Unterschiede verschwinden um so mehr, je feiner die Kassia und je geringer der Zimt ist. Besonders in gemahlenem Zustand wird Kassia sehr häufig als Zimt verkauft, oder kommt mit Zimt vermischt als reiner Zimt in den Handel. Die Kassiablüten haben einige Ähnlichkeit mit den Gewürznelken, sind nur etwas kleiner. Sie stellen die in der Sonne getrockneten, ganz jungen Früchte des besonders in Südjapan kultivierten Cinnamomum dulce bald nach dem Verblühen der Blüten dar und werden gleicherweise wie die Rinde als Arznei und Gewürze verwendet. Als Zimtnägelein standen sie im Mittelalter hoch im Preise und wurden besonders zur Herstellung des als Hippokras bezeichneten Würzweins benutzt. Die Kultur und Ernte der Zimtkassia ist ganz analog derjenigen des echten Zimts.
Die Kassia wird seit Urzeiten vom alten Kulturvolke der Chinesen als geschätzte Arznei und Würze verwendet. Schon in einem auf den chinesischen Kaiser Schen-nung ums Jahr 2800 v. Chr. zurückgeführten Kräuterbuche wird sie unter dem Namen kwai angeführt, der sich in China unverändert bis heute für Zimt erhalten hat. Sie ist es auch, welche unter dem heute noch gebräuchlichen Namen kasia neben dem echten Zimt schon im frühen Altertum auf dem Seewege an die Küsten des Roten Meeres gebracht und von dort aus an die Kulturvölker im Bereiche des östlichen Mittelmeerbeckens weiter verhandelt wurde. In einem uralten, an der Wand des Laboratoriums des Tempels von Edfu (18. Dynastie 1580–1350 v. Chr.) in Hieroglyphen eingemeißelten Rezept zu heiligem Räucherwerk wird Zimt als kainamaa aufgeführt. Und als die unternehmende Tochter und Erbin des ägyptischen Königs Thutmosis I., Hatschepsut, die mit ihrem Halbbruder Thutmosis II. verheiratet war und nach dessen Tode von 1516–1481 v. Chr. selbständig über Ägypten herrschte, im 9. Jahre ihrer Regierung eine Expedition von fünf Schiffen nach dem Lande Punt (Südarabien) sandte, brachte diese außer Weihrauch, Gold und Elfenbein auch Zimt in größerer Menge nach der Residenz Theben mit. Da nun im Lande Punt kein Zimt wuchs, müssen ihn indische Handelsschiffe dahin gebracht haben.
Zu Ende des zweiten vorchristlichen Jahrtausends war der Zimt als kostbarer Handelsartikel Vorderasiens auch den Juden und den Phönikiern unter dem Namen kinnamon bekannt. So lesen wir in dem zur Zeit der israelitischen Könige, deren drei erste Saul (1055 bis 1033 v. Chr.), David (1033–993) und Salomo (993–953) waren, verfaßten Pentateuch im 2. Mose 30, 22 u. f. welche Wertschätzung dieses ferne Produkt Indiens bei den ältesten Juden besaß. Dort heißt es: „Und der Herr (Jahve) redete mit Mose (am Sinai um 1280 v. Chr.) und sprach: Nimm zu dir die besten Spezereien 500 (Sekel) und Zimt halb soviel, nämlich 250, und Kalmus auch 250, und Kassia 500 nach dem Sekel des Heiligtums und Öl vom Ölbaum 1 Hin, und mache ein heiliges Salböl nach der Apothekerkunst und salbe damit die Hütte des Stifts und die Lade des Zeugnisses, den Tisch mit all seinem Geräte, den Leuchter mit seinem Geräte, den Räucheraltar, den Brandopferaltar mit all seinem Geräte und das Handfaß mit seinem Fuß; und sollst sie also weihen, daß sie das Allerheiligste seien, denn wer sie anrühren will, der soll geweiht sein. Und sollst mit den Kindern Israels reden und sprechen: Dieses Öl soll mir eine heilige Salbe sein bei euren Nachkommen. Auf Menschen soll es nicht gegossen werden, du sollst auch seinesgleichen nicht machen; denn es ist heilig, darum soll’s euch heilig sein. Wer ein solches (Öl) machet oder einem andern davon gibt, der soll von seinem Volk ausgerottet werden.“
Dann findet sich der Zimt in der den Sprüchen Salomos nachgeahmten „Weisheit Jesu, des Sohnes Sirach“, die ein gelehrter jüdischer Priester von angesehener Lebensstellung ums Jahr 180 v. Chr. in Alexandrien in griechischer Sprache verfaßte, und in der im Jahre 68 auf 69 n. Chr. in Ephesus ebenfalls griechisch abgefaßten Offenbarung des Johannes erwähnt, und zwar in letzterer Schrift dort, wo von den Waren die Rede ist, die die Kaufleute Babylons verkaufen: Silber, Gold, Edelstein, Perlen, Seide, Purpur und Scharlach, Zimt, Weihrauch, Thymian, Salben, Wein, Öl, Weizen, Vieh usw.
Phönikische Kaufleute brachten den Zimt unter der von ihnen dafür gebrauchten Bezeichnung kinnamon zu den Griechen und müssen ihnen dabei recht abenteuerliche Geschichten über dessen Herkunft und Gewinnung erzählt haben; denn gleich der erste griechische Schriftsteller, der diese kostbare, als Gewürz und Arznei gleich hochgeschätzte Droge erwähnt, der Vater der griechischen Geschichtschreibung Herodot (484 bis 424 v. Chr.), der selbst Ägypten, Syrien und Babylonien bereiste, schreibt über ihn: „Die Araber sind nicht imstande anzugeben, in welchem Lande der Zimt (kinnámōmon) wächst, doch vermuten einige, er wachse in den Ländern, in denen Dionysos (der angeblich aus Indien stammende, über Kleinasien nach Griechenland gekommene orientalische Gott des Natursegens und der bei seinen Festen zum Ausdruck kommenden ausgelassenen Lebensfreude) erzogen worden. Große Vögel brächten die Späne herbei, welche die Phönikier kinnámōmon nennen, welchen Namen wir von ihnen entlehnt haben. Die Vögel trügen den Zimt in ihre an unzugängliche Felsen gebauten Nester. Um ihn nun von da zu bekommen, legten die Araber große Stücke Fleisch von krepierten Rindern, Eseln usw. unter die Felsen und versteckten sich dann. Die Vögel trügen die Fleischstücke in ihre Nester und überlüden sich so damit den Magen, daß sie herunterstürzten, worauf der Zimt gesammelt und nach den anderen Ländern hin verhandelt würde.“
Noch Aristoteles (384–322 v. Chr.), seit 343 Lehrer Alexanders des Großen, — sein Vater Nikomachos war in Stagira in Makedonien Leibarzt und Vertrauter des Königs Amyntas II. von Makedonien gewesen — meldet uns solche zu seiner Zeit herum gebotene und geglaubte Märchen, indem er in seiner Naturgeschichte sagt: „Das Zimtvögelchen soll in den Gegenden, wo es heimisch ist, Zimt zusammentragen und sein Nest daraus auf den Zweigen hoher Bäume bauen. Die Bewohner des Landes sollen es von da mit Pfeilen, deren Spitze von Blei ist, herabschießen und so den Zimt gewinnen.“ Sein Schüler Theophrast (390–286 v. Chr.) weiß uns, nachdem inzwischen Alexander der Große seinen Zug nach Indien ausgeführt hatte, schon Positiveres über den Zimt, wie auch über Kassia zu berichten. Er schreibt in seiner Pflanzengeschichte: „Über Zimt (kinnámōmon) und Kassia (kasia) berichtet man folgendes: Beide sollen Sträucher von unbedeutender Höhe, dabei dem Keuschbaum (ágnos, Vitex agnus castus) ähnlich sein und viele holzige Zweige haben. Wenn man den ganzen Zimtbaum fällt, so soll man ihn in fünf Teile teilen. Die jungen Triebe sollen den besten Zimt geben und man schneidet davon Stücke eine Spanne lang oder wenig länger. Was darunter folgt gibt die zweite Sorte und wird kürzer geschnitten; dann folgt die dritte und vierte Sorte. Die letzte Sorte ist der Wurzel am nächsten und die schlechteste; denn da ist wenig Rinde. Überhaupt wird nur die letztere gebraucht, nicht das Holz. Deswegen sind eben die Zweige am besten; denn sie haben die meiste Rinde.
Andere behaupten ebenfalls, es seien Sträucher, aber es gebe eine weiße und schwarze Sorte. Es geht auch die Sage, daß sie in Schluchten wachsen, worin viele Schlangen leben, deren Biß tödlich ist. In diese Schluchten gehe man zum Sammeln des Zimts mit geschützten Händen und Füßen. Das Gewonnene teile man in drei Teile, bestimme den einen für den Sonnengott und entscheide durch das Los, welchen er bekommen solle. Gehen die Leute fort, so soll der dem Sonnengott zuteil gewordene Zimt sogleich verbrennen. Das ist aber natürlich nur Fabel.
Von der Kassia sagt man, sie habe dickere Ruten, deren Rinde man nicht abschälen könne. Deswegen verfahre man, da man auch von ihr nur die Rinde will, folgendermaßen: Man schneidet die Ruten in Stücke, welche zwei Finger lang oder etwas länger sind. Diese näht man in eine frische, abgezogene Tierhaut; dann erzeugten sich aus der Fäulnis der Haut und des Holzes Würmer, die das Holz wegfräßen, die Rinde aber wegen ihres scharfen Geruches und ihrer Bitterkeit nicht anrühren.“
Um 50 v. Chr. berichtet uns der griechische Geschichtschreiber Diodoros aus Sizilien in seinem Geschichtswerk: „In Arabien wachsen Costus, Kassia, Zimt und andere Herrlichkeiten in solcher Menge, daß man dort Dinge, die man bei uns nur sparsam auf die Altäre der Götter legt, zum Heizen der Kochherde verwendet, und daß Dinge, die man anderwärts nur in kleinen Proben sieht, dort als Streu für die Leute gebraucht werden. Namentlich wächst in Arabien der sogenannte Zimt, ein ausgezeichnet nützlicher Stoff, nebst Gummi und wohlriechendem Terpentin in unermeßlichem Überfluß.“
Auch der 25 n. Chr. gestorbene griechische Geograph Strabon, der weite Reisen durch das Römerreich machte, war noch im Wahn befangen, daß das Glückliche Arabien, das doch nur den Zimt und die anderen Gewürze von Indien her bezog, solchen selbst hervorbringe. Er sagt in seinem Geographiebuch: „Im arabischen Gewürzland soll Weihrauch und Myrrhe von Bäumen, Kassia aber von Sträuchern gewonnen werden, die meiste Kassia jedoch, wie manche behaupten, aus Indien. Es wächst in diesem Gewürzland auch Zimt und Narde; den meisten Wein gewinnt man dort von Palmen.“ Und an einer anderen Stelle schreibt er: „Daß der Nil zu der Zeit schwelle, wo das oberhalb Ägyptens liegende Negerland von Platzregen überschwemmt wird, hat man von Leuten erfahren, die im Arabischen Meerbusen bis zum Zimtlande geschifft sind, oder von solchen, die von den Ptolemäern auf die Elefantenjagd ausgesandt wurden.“
Der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebende griechische Arzt Dioskurides zählt verschiedene Sorten Zimt und deren Eigenschaften auf und meint, die beste müsse eigentümlich wohlriechen und scharf, fast beißend und erhitzend schmecken. Er werde als Arznei, als Parfüm für Salben und sonst zu gar mancherlei Zwecken gebraucht. Sein Zeitgenosse Plinius, der 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch umkam, war schon besser als seine griechischen Vorgänger unterrichtet. Er schreibt in seiner Naturgeschichte: „Zimt (cinnamomum) und Kassia (casia) trägt Arabien nicht. Übrigens haben die alten Schriftsteller und namentlich Herodot über den Zimt allerlei Fabeln berichtet, so z. B. daß er in der Heimat des Bacchus von unzugänglichen Felsen und Bäumen aus dem Neste des Vogels Phönix teils durch das Gewicht hineingetragenen Fleisches herabgestürzt, teils mit Pfeilen herabgeschossen werde. Ferner müsse man an den dortigen Sümpfen, um die Kassia zu gewinnen, gegen die Krallen gräßlicher Fledermäuse und gegen geflügelte Schlangen kämpfen. Das sind nun lauter Fabeln, durch die man den Preis der Ware zu steigern suchte. Es schließt sich an die genannte Sage noch eine zweite, daß nämlich durch die Hitze der südlichen Sonne auf der ganzen Halbinsel ein unbeschreiblicher Wohlgeruch erzeugt werde, in welchem sich die Würze und Balsamdüfte so vieler Pflanzen vereinten, daß z. B. die Flotte Alexanders des Großen auf hohem Meere die Nähe Arabiens zuerst durch den Geruch entdeckt habe. Lauter Erdichtung! Denn Zimt und Kassia wachsen im Lande derjenigen Neger, welche mit den Troglodyten verwandt sind. Die Troglodyten kaufen den Zimt von ihren Nachbarn und verhandeln ihn weithin übers Meer auf Flößen, welche weder durch Steuerruder gelenkt, noch durch Ruder oder Segel in Bewegung gesetzt, ja nicht einmal durch den Verstand der Menschen regiert werden, sondern nur auf gut Glück drauflos fahren. Sie gehen übrigens Mitte Winters in See, zur Zeit da vorzüglich Südostwinde wehen. Diese treiben sie geradewegs durch die Meerbusen hin, und nach der Fahrt um das Vorgebirge führt sie der Westsüdwest in den Hafen der Gebaniter, welcher Ocilia heißt. So kaufen denn die Gebaniter vorzugsweise den Zimt auf und sagen, die Zimtverkäufer kämen in fünf Jahren kaum einmal und viele von ihnen verunglückten. Für den Zimt tauschen die Troglodyten Glas- und Bronzewaren, Kleider, Spangen und Geschmeide ein.
Der Zimtstrauch wird höchstens 2 Ellen, mindestens aber 1 Hand hoch und sieht wie vertrocknet aus. So lange er grün ist, hat er keinen Wohlgeruch; er hat Blätter wie der Dosten (origanum), steht gerne trocken, wächst bei starkem Regen schlecht, verträgt den Schnitt gut. Er wächst in Ebenen, aber zwischen dichtem Dornengebüsch, so daß man ihm schwer beikommt. Die Ernte wird nur vorgenommen, wenn ein Gott es erlaubt, welchen die Eingeborenen Assabinus nennen, manche aber für den Jupiter halten. Die Erlaubnis zur Ernte gibt der Gott nur gegen ein Opfer von 44 Rindern, Ziegen und Widdern. Vor Aufgang der Sonne und nach deren Untergang darf nicht geschnitten werden. Der Priester des Gottes teilt die Zweige mit einer Lanze, sondert den Anteil des Gottes aus; das übrige verpackt der Kaufmann. Nach anderen Angaben bekommt jener Gott ein Drittel, ein anderes die Sonne, ein Drittel der Kaufmann. Über die drei Teile soll zweimal gelost werden; der Anteil der Sonne soll von selbst in Flammen aufgehen. Am höchsten im Preise stehen die Zweigenden, welche in Stücke von Handlänge geschnitten sind; für geringer gelten die hinter jenen stehenden, kürzer geschnittenen Stücke. Am wenigsten werden die der Wurzel zunächst stehenden Teile geschätzt; denn sie haben am wenigsten Rinde, und gerade in der Rinde liegt der Wert. Das Holz des Zimtstrauchs wird verachtet, weil es scharf und nach Dosten riecht. Man nennt es xylocinnamomum und bezahlt das Pfund mit 10 Denaren (6 Mark).
Manche unterscheiden eine hellere und eine dunklere Sorte von Zimt. Früher gab man ersterer den Vorzug; jetzt gilt die dunkle und sogar die gefleckte für besser. Am sichersten kann man den Zimt für gut erklären, wenn er nicht rauh ist und wenn gegeneinander geriebene Stücke nur langsam zerbröckeln. Weiche oder mit loser Oberhaut überzogene Stücke achtet man gar nicht. Den Preis des Zimts bestimmt einzig der König der Gebaniter. Das Pfund galt sonst 1000 Denare (600 Mark). Jetzt ist er um die Hälfte im Preise gestiegen, weil die Barbaren, wie man erzählt, ganze Wälder abgebrannt haben; aus welchem Grunde weiß man nicht sicher. Es gibt auch Schriftsteller, welche behaupten, daß die Südwinde im Zimtlande so heiß wehen, daß sie im Sommer die Wälder versengen.
Kaiser Vespasian (geb. 9 n. Chr., wurde 69 nach Othos Sturz von seinen Legionen zum Kaiser ausgerufen, bestieg den Thron, nachdem sein Legat Antonius Primus den Kaiser Vitellius gestürzt hatte, schloß 71 den Janustempel, starb 79) ist der erste gewesen, welcher in allen Tempeln des Kapitols und im Friedenstempel in Gold gefaßte Zimtkränze aufhing. Ich habe auch eine sehr schwere Wurzel des Zimtstrauches im Palatinischen Tempel gesehen, den Augusta (dritte Gemahlin des Augustus, 38 v. Chr. von Tiberius Claudius Nero geschieden, übte großen Einfluß auf Augustus aus, sicherte ihrem Sohne Tiberius die Nachfolge durch Wegräumung mehrerer Glieder des julischen Geschlechts, hieß eigentlich Livia Drusilla, erhielt aber 14 n. Chr. im Todesjahre des Augustus den Namen Julia Augusta, d. h. „die erhabene Julia“, starb 29) ihrem Gemahl Augustus erbaut hat. Die Wurzel lag auf einer goldenen Schale. Jahr für Jahr drangen Tropfen aus ihr hervor und verhärteten, bis der Tempel von einer Feuersbrunst verzehrt wurde.“ Weiter berichtet Plinius:
„Auch die Kassia ist ein Strauch, der auf Ebenen neben dem Zimte wächst, auf Bergen aber stärkere Triebe bildet. Die Schale ist dünn, bildet keine eigentliche Rinde und wird um so höher geschätzt, je zarter sie ist, was sich beim Zimt gerade umgekehrt verhält. Der Strauch wird 3 Ellen hoch und hat 3 verschiedene Farben. Schlägt er aus, so ist er einen Fuß hoch weiß, einen halben Fuß höher rot, weiter hinauf dunkelfarbig. Dieser Teil wird am höchsten geschätzt, der rote geringer, der weiße gar nicht. Am wertvollsten ist die frische Kassia, welche einen sanften Geruch und mehr einen brennenden, als allmählich erwärmenden und sanft beißenden Geschmack hat, an Farbe purpurbraun, an Gewicht leicht ist und kurze, nicht zerbrechliche Röhrchen bildet. Man nennt diese Sorte mit einem ausländischen Namen lada, eine andere heißt von ihrem balsamischen Geruch balsamodes; sie ist aber bitter, wird mehr von Ärzten gebraucht, wie die dunkelfarbige zu Salben. Keine andere Ware hat so verschiedene Preise. So kostet das Pfund bester Kassia 50 Denare (30 Mark), geringere nur 5 Denare (3 Mark).“
Neben Zimt und Kassia hat übrigens schon das Altertum aus Indien die wohlriechenden Blätter und wohl auch die Rinde einer von uns als Mutterzimt (Cassia tamala) bezeichneten Kassienart bezogen, die als malabáthron bei den Griechen und Römern als kostbares Parfüm sehr beliebt waren. Aus ihnen wurde auch eine viel begehrte Salbe hergestellt, die an Beliebtheit fast die berühmte indische Nardensalbe erreichte. Der griechische Schriftsteller Arrianus, der im Jahre 136 unter Hadrian Präfekt von Kappadokien war und unter Mark Aurel starb, sagt in seinem Bericht über die Umschiffung des Roten Meeres, daß viele Schiffe nach dem am Südwestufer Indiens gelegenen Handelsplatz Nelecynda fahren, weil dort Pfeffer und malabáthron in Menge und besonderer Güte zu haben seien.
Wie diese kostbaren Gewürze vom Persischen Golf nach Babylonien gelangten, so wurden sie über das Rote Meer und Alexandrien nach den Mittelmeerländern ausgeführt. Und als später die Droge durch die Wirren der Völkerwanderung immer seltener und unerschwinglicher wurde, bedienten sich besonders die Ärzte ihrer als wertvolle Arznei. So ging durch sie das lateinische cinnamomum ins mittelhochdeutsche cinment, weiter Zimmet und schließlich das neuhochdeutsche Zimt über. Ein großer Teil der Ware muß aber zu Beginn des Mittelalters aus China bezogen worden sein, welche Tatsache allein uns den bei den Persern und Arabern üblichen Ausdruck dar Chini (Holz von China) für Zimt und Kassia erklärlich macht. Später nannten die Venezianer und Portugiesen den Zimt wie jede aromatische Rinde canella, welcher Ausdruck dann als canelle ins Französische überging.
Die Zimtwälder um Kolombo auf Ceylon werden erst im Jahre 1340 von dem 1302 in Tanger geborenen, bis China und Südasien vorgedrungenen arabischen Reisenden Ibn Batuta erwähnt, der 1352 auch Timbuktu besuchte und 1377 in Fes starb. Im Jahre 1444 beschrieb der venezianische Kaufmann Nicolo Conto die Zimtbäume der von ihm als Saillana bezeichneten Insel Ceylon, teilte aber nichts über die Ausfuhr des Gewürzes mit. Erst der Portugiese Lorenzo da Almeida, der im Hafen von Point de Galle Schiffe mit Zimt und Elefanten verladen sah, berichtete darüber eingehend im Jahre 1505. Die Portugiesen, die sich an der Küste Ceylons niederließen, legten zunächst auf diesen Handelsartikel keinen großen Wert, wurden aber bald eines anderen belehrt. So unterschied bereits 1536 Garcia da Orta den Zimt von Ceylon von demjenigen der Philippinen und Java; der erstere war damals 40mal teurer als die letzteren, im Jahre 1644 aber nur noch 5mal teurer. Im Jahre 1546 erfahren wir aus einem Briefe des Florentiners Filippo Sassetti an Franzesco I. di Medici, daß die Zweige regelmäßig alle drei Jahre geschält würden. Zur Erlangung von Stockausschlägen wurden die Bäume einfach gekappt. Dies und das Einsammeln der Rinde der wilden Bestände, die vorzugsweise durch eine Drossel vermehrt wurden, welche die reifen Beeren verzehrte und die unverdaulichen Samen in noch völlig keimfähigem Zustande von sich gab, besorgten Angehörige einer besonderen Kaste, die Chalias oder Zimtschäler.
Tafel 75.
(Copyright by F. O. Koch.)
Zimtbaum auf Ceylon.
(Copyright by F. O. Koch.)
Das Schälen der Zimtrinde.
Tafel 76.
Muskatnüsse.
(Nach Photographie von H. Schenck in „Karsten u. Schenck, Vegetationsbilder“.)
Gewürznelkenbäume (Caryophyllus aromaticus) auf Zanzibar.
(Nach Photographie von Busse in „Karsten u. Schenck, Vegetationsbilder.“)
Bis zur Ansiedelung der Portugiesen, die seit 1505 einen regelmäßigen Verkehr mit der Insel unterhielten, war der Zimthandel ein einträgliches Monopol der einheimischen Könige, deren Geschlecht aus Nordindien stammte und seit 543 v. Chr. die Singalesen beherrschte. Als die Portugiesen sich der Küste Ceylons im Jahre 1580 bemächtigten, legten sie den Herrschern im Innern einen Tribut von 125000 kg Zimt auf und versprachen ihnen dafür die Hilfe Portugals. Bald aber machten sie sich so verhaßt, daß der König von Kandy die Holländer gegen sie zu Hilfe rief. Diesen hatte schon Philipp II. den Handel mit Lissabon untersagt; so versuchten sie, sich den Zimt auf direktem Wege zu verschaffen. Im Jahre 1596 kamen die ersten wohlbewaffneten holländischen Handelsschiffe in den Indischen Ozean und 1632 begann die Verdrängung der Portugiesen von Ceylon, die 1658 eine vollständige und dauernde war. Sofort erhoben die Holländer den Zimt zu ihrem ausschließlichen Monopol. Die arme Kaste der Chalias oder Zimtschäler wurde schwer bedrückt. Jedes Mitglied derselben mußte vom 12. Jahre an einen Pingo, d. h. 28 kg Zimtrinde während einer Ernte abliefern und im Laufe der Jahre stieg die Menge sogar auf 303 kg! Die Gegenleistung bestand in Befreiung von Steuern und kleinen Rationen an Reis. Begreiflicherweise suchten die Chalias sich dieser unwürdigen Behandlung durch Flucht in die Berge zu entziehen. Dafür mußten die Zurückbleibenden um so anstrengender arbeiten. Niemand sonst durfte Zimtbäume pflanzen oder Zimt schälen. Jeder Grundbesitzer mußte es dem holländischen Beamten melden, wenn er auf seinem Grund und Boden eine Zimtpflanze entdeckt hatte. Verheimlichung wurde sehr strenge, unter Umständen mit dem Tode bestraft. Die kleinsten Veruntreuungen beim Einsammeln der Rinde brachten Täter wie Hehler unerbittlich den Tod.
Ein Jahrhundert lang zogen die Holländer aus dem Zimtmonopol einen reichen Gewinn, der manchmal 7 Millionen Mark im Jahre überstieg. Die meisten Zimtbäume befanden sich auf dem Gebiete des Königs von Kandy. Wenn dieser aber feindselig auftrat, sank die Einnahme bedeutend und brachte nur etwa 1 Million Mark ein. Um sich nun von den Launen dieses Herrschers unabhängig zu machen, schlug ein Einnehmer des Distrikts Kolombo namens de Koke dem holländischen Gouverneur Falk im Jahre 1765 vor, den Zimtbaum auf eigenem Gebiete zu pflanzen. Anfangs wies der Große Rat in Batavia diesen Vorschlag zurück; doch waren die Vorteile zu verlockend, so daß man sich endlich zu einer Einwilligung verstand. Die Ausführung war indessen nicht leicht. Die Häuptlinge behaupteten, daß kultivierter Zimt minderwertig sei; auf ihr Betreiben hin widersetzten sich dieser Neuerung auch die Eingeborenen. Schließlich drang die holländische Regierung mit ihren Forderungen doch durch, aber die Eingeborenen suchten den Kulturen insgeheim zu schaden, indem sie dieselben mit heißem Wasser begossen oder anderweitig die Pflänzlinge zu ruinieren suchten. Nur drakonische Strenge sicherte das Unternehmen. So wurde jedes Zerstören von jungen Pflanzen mit Abhauen der rechten Hand bestraft. Bald versuchten die Holländer mit etwa 200000 kg Zimtrinde, die sie aus den eigenen Kulturen gewannen, den gesamten europäischen Bedarf zu decken, ohne Bezüge der Ernte aus dem Königreich Kandy im Innern der Insel machen zu müssen. Dabei sorgten sie durch gewaltsame Mittel dafür, daß die hohen Preise dieser Droge nicht etwa durch Überproduktion herabgedrückt wurden. Vor allem beschränkten sie die Kulturbäume auf eine bestimmte Anzahl und ließen in gesegneten Jahren stets einen Teil der zu reichlichen Ernte ins Meer werfen oder verbrennen. Auch im Mutterlande räumte man, um eine Preisdrückerei zu verunmöglichen, im Übermaß sich ansammelnde Vorräte durch Verbrennen hinweg; lieber sollte die Arbeit ganz umsonst gewesen sein, als daß man sich selbst seinen Volksgenossen gegenüber zu einer Verbilligung der Ware herabließ. So berichtet der Franzose Beaumaré, er sei im Juni 1760 Augenzeuge davon gewesen, wie man beim Admiralitätsgebäude in Amsterdam zwei Tage nacheinander — abgesehen von Muskatnuß — für zusammen etwa 16 Millionen Livres Zimt verbrannt habe, was einen köstlichen Wohlgeruch über das ganze Land verbreitete.
Im Kriege mit den Holländern besetzten die nach den Zimtgärten jener lüsternen Engländer 1795 Ceylon, das ihnen 1802 im Frieden von Amiens regelrecht abgetreten wurde. Sie fanden die Zimtkulturen im blühendsten Zustande und nutzten sie als Erben der alten Machthaber in derselben Weise wie jene aus. Die englisch-ostindische Handelsgesellschaft übernahm das höchst einträgliche Monopol und führte es im Sinne der Holländer weiter. Der erste Gouverneur, North, erließ sogar eine Verordnung, durch welche nicht nur Neuanlagen verboten wurden, sondern auch die bereits bestehende Anzahl der Zimtgärten eine Einschränkung erfuhr. 1815 kam nach Beseitigung des bis dahin noch regierenden Eingeborenenfürsten die ganze Insel unter die Administration der englischen Krone, die das Zimtmonopol bis 1833 aufrechterhielt, dann aber aufgeben mußte, da der Zimtbaum inzwischen durch die Holländer auf Sumatra, Java und Borneo und durch die Franzosen auf Isle de France (dem heutigen Mauritius), Bourbon und in Cayenne angesiedelt worden war, ohne allerdings dort das vorzügliche Produkt wie in Ceylon zu geben, das heute mit seiner höchst aromatischen Rinde noch immer den Weltmarkt beherrscht. Wenn nun auch die englische Regierung das Zimtmonopol notgedrungen aufheben mußte, so belegte sie dafür den Zimt 1833 mit einem sehr hohen Zoll von 200 Prozent; erst im Jahre 1853 wurde dieser aufgehoben und der Zimtbaum und der Handel mit dessen Rinde freigegeben, worauf sich die Zimtgärten auf der Insel wieder vermehrten. Doch haben neuerdings andere Kulturen den Zimt auf Ceylon zurückgedrängt, so daß China, das schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch Anbau von Zimt und Kassia im großen England scharfe Konkurrenz gemacht hatte, jetzt den meisten Zimt liefert.
Erst in der Gegenwart ist diese Droge, die früher in der Arzneikunde und feinen Küche eine sehr viel wichtigere Rolle spielte als heute, billig und damit jedermann zugänglich geworden. Noch im späten Mittelalter war dies nicht der Fall. Es sei hier nur an jene mehrfach von Malern geschilderte Begebenheit erinnert, da Kaiser Karl V., „in dessen Reich die Sonne nicht unterging,“ im Frühling 1530, von Italien zurückkehrend, den in den Grafenstand erhobenen reichen Kaufherrn Jakob Fugger in Augsburg besuchte. Dieser damals reichste Mann Deutschlands hatte dem trotz seines gewaltigen Länderbesitzes und seiner reichen Einnahmen nur zu oft in Geldnöten steckenden Kaiser gegen Schuldschein eine sehr bedeutende Summe geliehen. Als dieser sich bei seinem Besuche entschuldigte, daß er dem Kaufmanne das Geld noch nicht zurückerstattet habe, fröstelte ihn und er begann über den Unterschied des deutschen und italienischen Klimas zu sprechen. Da brachte der reiche Jakob Fugger einige Bündel der überaus kostbaren indischen Zimtrinde herbei, legte sie in den Kamin, des Kaisers Schuldschein darauf und zündete das an. Das war in den Augen der Zeitgenossen nicht nur ein fürstliches Geschenk, sondern die größte Ehre, die er dem Kaiser erweisen konnte; denn damals kostete ein Lot (15 g) Zimt etwa 10 Mark.
Bild 41.
Blütenzweig und Frucht eines weiblichen Muskatnußbaums (Myristica fragrans).
Viel mehr geschätzt als heute war im Mittelalter neben Pfeffer und Zimt auch die Muskatnuß, die von einem den Zimtbäumen weitläufig verwandten, 10–15 m hohen, immergrünen, in allen seinen Teilen stark aromatisch riechenden Baume (Myristica fragrans) stammt. Er wuchs ursprünglich wild auf den Bandainseln in den Molukken und einem Kranz darum gelegener kleiner Inseln. Heute existiert er jedoch nur noch als Kulturform. Die sehr große Krone sitzt auf einem bis 70 cm dicken Stamme, dessen schmutzig olivengrüne Rinde und rötliches Mark einen Saft besitzen, der durch Berührung mit der Luft rot wird. Es gibt von ihm männliche und weibliche Bäume, die an den reich verästelten Zweigen bis 10 cm lange, länglicheiförmige, dunkelgrüne, glatte, lederige, kurzgestielte Blätter tragen und aus den Blattwinkeln die unscheinbaren Blüten hervorbrechen lassen. Die männlichen Blüten bilden Rispchen mit einfacher weißer Blütenhülle, während die gelblichen weiblichen einzeln stehen und innerhalb der etwas kleineren, dreizähnigen Hülle einen einfächerigen Fruchtknoten besitzen, der eine einzige Samenanlage umschließt. Die äußerlich einigermaßen einem Pfirsich ähnliche Frucht ist eine kugelige, zuerst grüne, dann leuchtend ockergelbe, hängende Beere von 3–7,5 cm Durchmesser, deren äußeres Fruchtfleisch sich bei der Vollreife spaltet und den fleischigen, in längliche Lappen sich teilenden, karminroten Samenmantel erblicken läßt, der den nußartigen Samen umschließt und, getrocknet, wobei er allerdings seine schöne Farbe einbüßt und goldgelb wird, als Macis oder Muskatblüte in den Handel gelangt. Der darunter liegende nußartige Samen besitzt unter einer dünnen, harten, holzigen Schale einen Kern, der getrocknet die bekannte Muskatnuß bildet, die außer einem ätherischen Öl, dem Muskatnußöl, ein Fett, die Muskatnußbutter enthält, die ausgepreßt werden kann. Die Muskatnuß zeigt auf ihrer Oberfläche die Furchen, die von den Lappen des Samenmantels hervorgebracht werden, und die marmorierte Zeichnung in ihrem Innern rührt davon her, daß das Nährgewebe des Samens tief zerklüftet ist; und gerade in diesen Klüften befindet sich in einer bräunlichen Substanz das aromatische Muskatnußöl, nebst der Butter, die zusammen 33 Prozent ihres Gewichtes ausmachen. Sie werden durch Pressen der erwärmten Samen in Form einer bräunlichen, stark muskatnußartig riechenden Masse gewonnen, die häufig in den Apotheken Verwendung findet.
Nächst einer gleichmäßigen, hohen Temperatur verlangt der Muskatnußbaum viel Feuchtigkeit im Boden und in der Luft und eine nährstoffreiche, lockere Erde, wie sie der durch Verwitterung von trachytischer Lava und vulkanischem Sande entstandene sandiglehmige, humusreiche Boden seiner Heimat aufweist. Er verleugnet niemals seine Waldbaumnatur, indem er sein ganzes Leben in der wasserdampfgeschwängerten Luft des Urwaldes, oder wenigstens im Schatten von Nachbarbäumen stehen will. Auf den Bandainseln gibt man ihm durchwegs den hohen gemeinen Canarienbaum (Canarium commune) als schattenspendenden Gesellschafter. Dieser ist auf den Molukken heimisch, seine Fruchtkerne werden wie süße Mandeln gegessen und sein Harz dient zur Herstellung von Fackeln. Der Muskatnußbaum wird in von Bananen beschatteten Beeten, die sorgfältig von Unkraut und Ungeziefer rein gehalten werden müssen, aus den Samen gezogen und, wenn er 0,8–1,0 m hoch geworden ist, in Abständen von 6–8 m an seinen bleibenden Standort versetzt, an welchem durch vorheriges Pflanzen jener größeren Schattenbäume für die Abhaltung allzu großen Sonnenbrandes gesorgt wurde. Dabei pflanzt man auf 20 weibliche Bäume, die ja einzig Frucht tragen, einen männlichen, der zu deren Befruchtung dient. Die weitere Pflege und das Beschneiden des Baumes, das nicht allzu ausgiebig erfolgen darf, da er sehr empfindlich gegen Verwundungen ist, geschieht vollständig wie beim Kakaobaum. Bei guter Pflege wird der Muskatnußbaum im achten Jahre tragbar, erreicht aber erst im 14. bis 16. Jahre seine Vollkraft, die er ungefähr 30 Jahre lang bewahrt. Dann geht er seiner Erschöpfung entgegen, deren rascherer oder kürzerer Verlauf von der Behandlung abhängt. Wenn dieselbe mustergültig ist, kann der Baum seine Tragfähigkeit auf 80 und sogar 90 Jahre ausdehnen. Gut gehaltene Bäume liefern mit Leichtigkeit 1500 bis 2000 Nüsse jährlich, doch rechnet man beim Plantagenbau meist nicht mehr als 2,5 kg getrockneter Nüsse und ein Viertel dieses Betrages für Macis.
Von der Blüte bis zur Reife der Früchte vergehen neun Monate. Wenn nun auch das Blühen und Fruchttragen unabhängig von der Jahreszeit beständig vor sich geht, so spricht man gleichwohl von zwei bis drei Erntezeiten im Jahr, weil sich innerhalb derselben die Reife am meisten häuft und man es nicht für lohnend hält, unausgesetzt einzelne reife Früchte zu ernten. Daher läßt man, soweit es angängig ist, die Früchte hängen, bis sie in Massen abgenommen werden können. Dies geschieht, wenn die äußere Schale berstet, im April (beste Qualität), Juli (größte Menge) und November. Zur möglichsten Schonung der tragenden Zweige werden die Früchte mittels langer Bambusstangen, an denen vorn ein Körbchen nebst Haken befestigt ist, gepflückt und zunächst ihres gelben Fruchtfleisches beraubt, was — weil die Hülle geborsten ist — leicht mit den Händen ausgeführt werden kann. Dieses Fruchtfleisch wird von den Eingeborenen gegessen und gelangt eingemacht auch nach Europa; doch wird es in den Plantagen meist weggeworfen. Die von der Macis umgebenen Nüsse werden in Tragkörben nach Hause gebracht, daselbst der rote Samenmantel behutsam abgestreift, an der Sonne getrocknet und dabei mehrfach mit den nackten Füßen platt gestampft, bis er schließlich dünn und gelb erscheint. Die Kerne dagegen werden ein bis zwei Monate lang in einem Trockenhaus, in dessen Mitte ein offenes, rauchendes Feuer unterhalten wird, bei schwacher Hitze getrocknet, indem man sie jeden zweiten oder dritten Tag vermittelst platter Holzrechen umwendet. Wenn sie soweit trocken sind, daß die Nuß in der Schale rasselt, wird letztere mit einem Holzhammer aufgeschlagen und hernach die Muskatnüsse ausgesiebt. Dann werden letztere mit den Händen sortiert, als Schutz gegen Insektenfraß mit gepulvertem Kalk eingerieben und, sorgfältig in Fässern verpackt, in den Handel gebracht. Früher wurden sie von den Holländern extra eine Zeitlang in einem Kalkwasserbad liegen gelassen, um in erster Linie ihre Keimfähigkeit zu zerstören und dadurch eine Weiterverbreitung des Baumes zu verhindern, was wegen des von ihnen ausgeübten Monopols sehr wichtig war. Doch weiß man jetzt, daß diese Maßregel vollständig überflüssig ist und das Trocknen der geschälten Nüsse allein schon genügt, um ihre Keimkraft zu vernichten. Die kleinen und schadhaften Muskatnüsse werden jetzt gleichfalls meist nach Europa exportiert, um in Fabriken gemahlen und, in Säcke gefüllt und in warmem Zustande einer kräftigen Pressung ausgesetzt, das bräunliche, aromatisch riechende Fett abzugeben, das als Muskatnußbutter in den Handel gelangt.
Die alten Griechen und Römer scheinen die Muskatnüsse nicht gekannt zu haben. Eine angebliche Erwähnung durch den griechischen, um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Rom lebenden Arzt Dioskurides ist unsicher. Die erste sichere Nachricht von ihnen findet sich beim byzantinischen Arzte Aëtios um die Mitte des 6. Jahrhunderts. Die Araber dagegen kannten sie im 9. Jahrhundert sehr gut, und der gelehrte arabische Arzt Avicenna, eigentlich Ibn Sina aus Bochara (980–1037), der Leibarzt mehrerer Sultane, spricht von ihnen als einer gebräuchlichen indischen Droge. Die später heilig gesprochene Äbtissin Hildegard im Kloster Rupertsberg bei Bingen (1098–1197) berichtet, daß man zu ihrer Zeit die Muskatnüsse als kostbares Gewürz benutzte und sogar davon ins Bier rieb. Diese Sitte blieb das ganze Mittelalter hindurch gebräuchlich. Der byzantinische Hofarzt Joannes Aktuarius in Konstantinopel erwähnt die Muskatnuß zu Ende des 12. Jahrhunderts als nux unguentaria, quam myristicam appellant, d. h. die zur Bereitung von Salben benützte Nuß, welche man myristica (griech. zum Salben gehörig) nennt. Das ganze Mittelalter hindurch genoß man die Muskatnuß, den verschiedensten Speisen beigemischt, als magenstärkendes Mittel. Vielfach diente sie auch zu aromatischen Räucherungen, wie z. B. bei der Krönung Heinrichs VI. im April 1191 in Rom, wo als solche Balsama neben Weihrauch und Ambra auch die myristica genannt wird. Albertus Magnus (1193–1280) schildert Muscata als einen sehr schönen, lorbeerblätterigen Baum Indiens, dessen Blüte die Macis sein sollte. 1158 treffen wir nuces muscatarum aus Alexandrien unter den Handelsartikeln der Genuesen und 1180 befinden sich Muskatnüsse unter den in Akkon im südlichen Syrien eingeführten indischen Spezereien. In einem Festspiel zu Treviso 1214 warf man Muskatnüsse unter die Menge, und 1228 wurde in Marseille auf die Einfuhr derselben und der Macis bereits ein Zoll gelegt. Dieselbe Maßregel wurde 1380 von der Stadt Brügge getroffen, in welcher die Einfuhr dieser Handelsware schon ballenweise erfolgte.
Vom 12. Jahrhundert an werden die nuces moschatae, d. h. nach Moschus riechenden Nüsse, woraus unsere deutsche Bezeichnung Muskatnüsse hervorging, in jeder abendländischen Aufzählung von Heilmitteln und Gewürzen genannt; dabei findet sich vielfach die Bemerkung, daß sie aus Indien eingeführt werden. Bald nach der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien um das Kap der Guten Hoffnung durch den portugiesischen Schiffskapitän Vasco da Gama 1498 sahen auch schon die ersten Europäer, und zwar Portugiesen, ums Jahr 1504 die ersten Muskatnußbäume auf den Bandainseln. Dort trieben die einheimischen Fürsten einen schwunghaften Handel mit den in den westlichen Kulturländern vielbegehrten Muskatnüssen. Namentlich waren die Sultane von Ternate und Tidor, zweier kleiner Inseln an der Westküste von Dschilolo in der ostmalaiischen Inselwelt, wegen ihres durch den Handel mit jenen Nüssen erworbenen großen Reichtums und ihrer dadurch bedingten königlichen Prunkentfaltung berühmt. So gibt uns der englische Seefahrer Sir Francis Drake (1540–1596), der bei einer Reise um die Erde 1579, also bereits nach der Vertreibung der Portugiesen, Ternate besuchte, eine eingehende Schilderung der dort entfalteten Pracht. Er schreibt. „Über dem König wurde ein sehr kostbarer Baldachin von getriebener Goldarbeit getragen, und zwölf Lanzenträger waren seine Beschützer. Vom Gürtel bis auf den Boden waren alle Kleider von Gold und prächtig verziert. In seinen Kopfputz waren verschiedene über einen Zoll breite Ringe geflochtenen Goldes eingewebt, was ihm ein fürstliches Aussehen gab und der Form nach einer Krone glich. Um den Hals trug er eine Kette aus gediegenem Gold mit sehr großen Gliedern, zweimal herumgelegt. An seiner Linken blitzten ein Diamant, ein Smaragd, ein Rubin und ein Türkis und an seiner Rechten in einem Ringe ein dicker tadelloser Türkis und in einem anderen viele Diamanten von geringerer Größe.“
Mit Waffengewalt setzten sich nun die Portugiesen zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf den solch kostbares Gewürz hervorbringenden Bandainseln fest und erhoben die Erzeugung und den Handel mit dieser Droge zu ihrem Monopol. Fast ein Jahrhundert lang besaßen sie es und übermittelten ausschließlich den Völkern des Abendlandes die so geschätzten Muskatnüsse, Gewürznelken und den Zimt, was ihnen reichen Gewinn brachte. Erst 1605 vertrieben sie die nach dem blutigen Kampfe gegen die spanischen Habsburger als seefahrende Nation erstarkten Holländer von den Gewürzinseln und erhoben den Handel mit den obgenannten Gewürzen zu ihrem ausschließlichen Monopol, das sie mit äußerster Strenge handhabten. Sie beschränkten die Kultur des Muskatnußbaumes auf die Inseln Banda und Amboina, deren Bevölkerung, soweit sie nicht geflüchtet war, zu Sklaven gemacht und ihr Grundbesitz unter die holländischen Ansiedler verteilt wurde. Diese mußten ihr ganzes Gelände mit Muskatnußbäumen bepflanzen und die Ernten zu festgesetzten Preisen an die Regierung, d. h. an die niederländisch-ostindische Kompagnie verkaufen. Diese machte natürlich ausgezeichnete Geschäfte und geriet erst in den 1790er Jahren, als das Monopol durchbrochen war, in Bedrängnis, so daß der holländische Staat selbst jene Gewürzinseln in Regie nahm.
Da nun aber die auf den Molukken zahlreich vorkommenden, teilweise bunt gefiederten Tauben aus der Gattung Myristicivora, d. h. Mußkatnußfresser, sich vorzugsweise von den Früchten des Muskatnußbaums ernähren und dabei nicht selten die reife Frucht mit dem für sie allein verdaulichen Fruchtfleisch verschlucken und mit dem Kote die Nuß mit unverminderter Keimkraft wieder von sich geben, so konnten sie es nicht verhindern, daß hin und wieder auf benachbarten Inseln auf solche Weise verschleppte Muskatnußbäume auftauchten. Wer nun von Eingeborenen das Vorhandensein solcher Bäume auf unerlaubtem Gebiete verheimlichte und durch den Verkauf der Nüsse das von der holländischen Handelsgesellschaft für sich in Anspruch genommene Gewürzmonopol zu durchbrechen versuchte, der wurde erbarmungslos von den holländischen Beamten mit dem Tode bestraft.
Um den Preis nicht zu drücken, sammelte man in Holland ungeheure Vorräte der verschiedenen Gewürze in den Vorratshäusern der holländisch-ostindischen Kompagnie an. Wurden diese mit der Zeit zu groß, so verbrannte man lieber große Mengen davon, als daß man sie billiger ans Volk abgab. So erzählt uns der Holländer Valmont de Bornare, daß er Augenzeuge davon gewesen sei, wie einmal in Amsterdam drei große Schuppen voll Muskatnüsse, von denen jeder hingereicht hätte, mit seinem Inhalt eine Kirche zu füllen, verbrannt wurden. Nach dem Brande habe das müßig zuschauende Volk förmlich in der durch die große Hitze ausgeschmolzenen Muskatnußbutter gewatet. Aber niemand durfte bei schwerer Strafe eine Nuß oder einen Tropfen Öl nehmen. Der Franzose Beaumaré sah noch am 10. Juni 1760 in Amsterdam in der Nähe des Admiralitätsgebäudes für 8 Millionen Livres Muskatnüsse verbrennen, und der Engländer Wilkocks erzählt, wie er durchgereist sei, habe man just bei Middelburg in Zeeland solche Mengen Gewürznelken, Zimt und Muskatnüsse verbrannt, daß die Luft viele Meilen im Umkreise von dem aromatischen Dufte erfüllt gewesen sei.
Von den Bandainseln brachten die Franzosen geheimerweise den Muskatnußbaum zugleich mit dem Gewürznelkenbaum im Jahre 1770 nach Isle de France (dem heutigen Mauritius) und Bourbon und 1773 nach Cayenne. Auf der erstgenannten Insel wurde dann die vom französischen Statthalter Poivre eingeführte Kultur durch den Deutschen Josef Huber bedeutend gehoben. Derselbe hatte nämlich zuerst ermittelt, daß ein einziger männlicher Muskatnußbaum zur Befruchtung von hundert weiblichen vollständig ausreiche. Er ließ deshalb die überflüssigen männlichen Bäume stutzen und Zweige von weiblichen Bäumen auf sie pfropfen, ein Verfahren, an das die Holländer nie gedacht hatten. Im Jahre 1796 nahmen die Engländer den Holländern die für sie als praktische Geschäftsleute so begehrenswerten Molukken ab und siedelten den Baum auf dem damals ebenfalls von ihnen besetzten Sumatra und 1798 auch in Singapur, Penang und Bengalen an. Obschon sie jene Inseln bald wieder ihren früheren Eigentümern zurückgeben mußten, so war doch damit endgültig das so lange eifrig gehütete holländische Monopol durchbrochen, so daß der Preis der Muskatnüsse, von denen das Pfund 1790 noch 20 alte holländische Gulden gekostet hatte, wie auch der übrigen indischen Gewürze nun auf einen für jedermann erschwinglichen Preis sank. Infolge davon wurde ihre bis dahin mehr auf die Apotheken beschränkte Verwendung als Arznei eine allgemeine und fanden sie bald als beliebtes Gewürz selbst der ärmeren Klasse Eingang. Welche große Bedeutung noch vor kaum mehr als drei Menschenaltern wie den übrigen indischen Gewürzen, so speziell der Muskatnuß zugeschrieben wurde, beweist die Tatsache, daß der Arzt Paullini ein 876seitiges Buch über sie und ihre Wirkung auf den Menschen schrieb.
Heute ist die übermäßig hohe Schätzung all dieser Gewürze auf ein sehr bescheidenes Maß zurückgegangen. Der Muskatnuß- wie der Gewürznelkenbaum dürfen zwar auf allen den Holländern gehörenden Inseln angepflanzt werden, aber die Früchte dürfen nur an die holländische Handelsgesellschaft zu einem bestimmten, sehr niedrigen Preise verkauft werden. Dafür stellt die Regierung den holländischen Pflanzern Sträflinge zur Verfügung, die den Plantagenbau und die Ernte besorgen. Außer in ganz Holländisch-Indien wird der Muskatnußbaum heute auch auf der Halbinsel von Malakka, ebenso in beschränktem Maße in Südindien, auf Reunion, in Brasilien, Guiana und Westindien kultiviert. Doch liefern heute noch die Molukken die beste Sorte und bringen damit den Holländern, die nach wie vor den Haupthandel mit diesem Gewürz in Händen haben, viel Geld ein. Zwei Fünftel der gesamten Weltproduktion stammen von den drei kleinen, insgesamt nur 44 qkm großen Inseln Groß-Banda, Neira und Ay, die Pflanzungen von 3000–30000 Muskatnußbäumen aufweisen und jährlich von etwa 400000 tragenden Bäumen durchschnittlich 600000 kg Muskatnüsse und 150000 kg Macis nach Java bringen, von wo aus sie mit noch weiteren 100000 kg dort erzeugter Muskatnüsse in den Handel gelangen. England allein führt aus Malakka und Südindien etwa 400000 kg Muskatnüsse und rund 40000 kg Macis aus. Europa kauft vorzugsweise die Muskatnüsse, Nordamerika dagegen die Macis, die dort höher geschätzt wird.
In neuerer Zeit gelangen noch einige andere Arten von Muskatnüssen als Ersatz der echten in den Handel. So wachsen in den nördlichen Molukken, auf den Inseln Batjan, Tidor und Halmahera, zwei der echten Muskatnuß sehr nahe verwandte Arten (Myristica speciosa und succedanea) wild, deren Nüsse gleichfalls gesammelt werden und billig in den Handel kommen. Diese werden ebensowenig kultiviert als der Onin-Muskatnußbaum (Myristica schefferi), der wild im westlichen, holländischen Teil von Neu-Guinea wächst und sehr wohlriechende Früchte liefert. Wichtiger als diese ist eine andere Muskatnußart, die in nicht unbedeutenden Mengen mit dem Namen lange oder Papua-Muskatnuß auf den Markt gebracht wird. Sie ist länger als die gewöhnliche Muskatnuß und stammt vom silberblätterigen Muskatnußbaum (Myristica argentea), einem ebenfalls im westlichen holländischen Teil von Neu-Guinea wild wachsenden, dem gemeinen Muskatnußbaum sehr nahe verwandten Baume. Dieser wird ebenfalls nicht kultiviert, sondern in wildem Zustande abgeerntet, weshalb es auch möglich ist, seine Früchte billig auf den Markt zu bringen; doch stehen sie den echten Muskatnüssen an Qualität durchaus nach. Leider hat man im deutschen Teile von Neu-Guinea, wo ebenfalls mehrere wilde Muskatnußarten vorkommen, bisher keine einzige dauernd aromatische und daher für den Handel brauchbare Nuß gefunden.
Der Name Muskatnuß wird auch für die Früchte einiger Bäume angewandt, die ganz anderen Pflanzengattungen angehören, so namentlich für die Kalabassen-Muskatnuß von Westafrika, die die Frucht eines zur Familie der Anonazeen gehörenden Baumes, Monodora myristica, eines entfernten Verwandten der echten Muskatnußbäume, bildet und seit dem 18. Jahrhundert auch auf Jamaika kultiviert wird, wohin sie durch westafrikanische Negersklaven gelangte. Von Lorbeergewächsarten stammen die brasilianische, guianische und madagassische Muskatnuß, von Bäumen aus der Familie der Monimiazeen die peruanische und australische Muskatnuß, von Nadelhölzern endlich die nach Terpentin riechende kalifornische und Floridamuskatnuß. Diese teilweise in Form und Struktur ihrer Früchte einige Ähnlichkeit mit der echten Muskatnuß aufweisenden Früchte riechen wohl auch aromatisch, sind aber im übrigen grundverschieden von jener, so daß sie nicht mit ihr konkurrieren können.
Bild 42. Blütenzweig eines Gewürznelkenbaums (Caryophyllus aromaticus).
Als Fälschungsmittel der echten Macis gelangt von Bombay aus der schön rote, aber durchaus nicht aromatische Samenmantel des Malabarmuskatnußbaums (Myristica malabarica) häufig in den Handel, während die vom silberblätterigen Muskatnußbaum Neu-Guineas stammenden sogenannten Macisschalen zwar wohlriechend, aber unansehnlich braun gefärbt sind und daher sehr niedrig im Preise stehen.
Als letzte der vier von der Kulturwelt des Abendlandes während der vergangenen Jahrhunderte übermäßig geschätzten und infolge davon für die gesamte Handelspolitik jener Zeit höchst bedeutsamen indischen Gewürze sind außer Pfeffer, Zimt und Muskatnüsse auch noch die Gewürznelken zu nennen. Gleich dem Muskatnußbaum ist auch der Gewürznelkenbaum (Caryophyllus aromaticus) ein 10–12 m hoher, immergrüner Baum der Molukken aus der Familie der Myrtengewächse. Sein 30–55 cm dicker Stamm mit glänzender, glatter Rinde spaltet sich schon in 1,3–1,6 m Höhe in einige gleichstarke Äste, die sich reich verzweigen und eine schöne, kegelförmige Krone bilden. Doch läßt man den Baum in den Pflanzungen meist nicht höher als 5 m werden, damit seine Blüten leichter geerntet werden können. Die länglich ovalen, langgestielten Blätter sind lederartig, mit zahlreichen kleinen Öldrüsen versehen, und laufen spitz aus. Die in Trugdolden stehenden Blüten sind klein, aber zahlreich, anfänglich grün, voll entwickelt jedoch karminrot. Auch die Blütenknospen sind rot. Die Früchte sind 2 cm lange und 1 cm breite Beeren von dunkelroter bis dunkelvioletter Farbe, die meist einen, seltener zwei länglichrundliche Samen umschließen. Letztere kommen getrocknet unter der Bezeichnung Gewürznelkenmutter in den Handel. Weit aromatischer als sie sind jedoch die Blütenknospen, die, sobald sie sich hellrot zu färben beginnen, geerntet werden und, getrocknet, die Gewürznelken bilden. Sie bestehen aus einem etwa 1 cm langen, zylindrischen Blütenkelch, der in vier etwas ausgebogenen Zipfeln endet und als halbkugelige Bekrönung die an ihrer Spitze verwachsenen, bei der Blüte als zusammenhängende Kappe abgestoßenen vier Blumenblätter trägt. Nach ihrer nagelförmigen Gestalt nannte man sie im Mittelalter (wie die Nelken) Nägelein, woraus sich dann im Neuhochdeutschen die Bezeichnung Nelke ausbildete. Sie enthalten ein als Nelkenöl bezeichnetes ätherisches Öl, das zu allerlei pharmazeutischen Produkten und zum Mikroskopieren gebraucht wird.
Der Gewürznelkenbaum ist weniger wählerisch in bezug auf den Boden und nimmt auch mit etwas weniger Luft- und Bodenfeuchtigkeit vorlieb als der Muskatnußbaum. Auch genügt ihm eine spärlichere Beschattung als jenem; in späterem Alter bedarf er einer solchen überhaupt nicht mehr. Nur die jungen Pflänzchen müssen vor zu ausgiebiger Sonnenbestrahlung geschützt werden, wozu Bananen und Rizinusstauden dienen. Wie der Muskatnußbaum, so verliert auch er rasch die Keimfähigkeit seines Samens. Daher dürfen zur Aussaat nur ganz frische Samen verwendet werden. An ihrem definitiven Standort werden die in Saatbeeten gewonnenen jungen Bäume auf sehr fruchtbarem Boden 9, auf geringem Boden dagegen 6 m auseinander gepflanzt. Der Boden muß namentlich während der Erntezeit im September von Unkraut gesäubert werden. Da die Nelkenbäume als Waldbäume nicht sehr widerstandsfähig gegen heftige Winde sind, so pflanzt man am Rande der Gewürznelkenplantagen und hin und wieder in Reihen quer durch die Pflanzungen als Windbrecher Kokospalmen und Mangobäume, die beide dieselben Ansprüche an Boden und Klima stellen wie die Gewürznelkenbäume. Ihre erste Ernte geben die Gewürznelkenbäume vom 5. Jahre an und tragen während 10 bis 15 Jahren, wobei man von jedem Baum einen jährlichen Ertrag von 2,5–5 kg getrockneter Nelken rechnen darf. Die Ernte beginnt, sobald sich die Knospen voll entwickelt haben und sich hellrot zu färben beginnen. Die auf leichten Bambusleitern vor dem Aufbrechen mit der Hand gepflückten Blütenknospen werden, auf Matten dünn ausgebreitet, an der Sonne, seltener auf engmaschigen Bambushorden in einem Trockenhaus durch Einwirkung eines schwachen, rauchenden Feuers getrocknet, wobei sie wiederholt umgewendet werden. Dabei nehmen sie eine dunkelbraune Farbe an. Schließlich werden sie gesiebt und gelangen, in Säcke oder Kisten verpackt, in den Handel.
Dem alten Kulturvolke der Chinesen waren die Gewürznelken schon im 3. Jahrhundert v. Chr. bekannt und dienten ihnen teilweise als Kaumittel. In die Mittelmeerländer gelangten sie erst in der römischen Kaiserzeit, und zwar ist Plinius der erste römische Autor, der sie erwähnt. In einem Zolltarif Alexandriens im 2. Jahrhundert n. Chr. werden sie angeführt und von Aëtios, Alexander Trallianus und Paulus Aegineta, griechischen Ärzten des 6. und 7. Jahrhunderts, erwähnt. Sie wurden damals durch malaiische Schiffer nach der von den Griechen und Römern Taprobane genannten Insel Ceylon gebracht und von dort durch indische Kauffahrteifahrer in die Häfen des Roten Meeres verfrachtet, um dann von Alexandrien aus als äußerst kostbare Arznei in den abendländischen Handel zu gelangen.
Von Ceylon und dem Gewürznelkenhandel berichtet als erster Abendländer, der uns einen Bericht über seine Reise dorthin hinterließ, der griechisch-ägyptische Großkaufmann Kosmas Indikopleustes (d. h. der Indienfahrer) aus Alexandrien — ein Zeitgenosse des oströmischen Kaisers Justinianus I. (483–565) —, der mit einem ebenfalls später Mönch gewordenen Genossen die weite Reise machte. Er schreibt darüber: „Taprobane ist eine große Insel im Ozean jenseits des Pfefferlandes (Malabarküste Indiens), welche die Indier Sielediva (richtig Sihaladipa, d. h. Löweninsel, später von den Persern und Arabern in Serendib verdorben), die Hellenen (älteren Griechen) Taprobane nennen. Dort findet man den Edelstein Hyakinthos (d. h. Saphir und Rubin). Diese große Insel, sagen ihre Bewohner, habe 300 Gaudia (= 900 römische Meilen) Länge und ebensoviel Breite. Zwei Könige beherrschen sie, welche sich aber gegenseitig befehden. Einer hat das Land der Hyazinthen (das zentrale Bergland) inne, der andere besitzt den übrigen Teil der Insel, in welchem das emporion (der Handelsplatz) und der Hafen liegen. Dort an dieser Insel sammeln sich viele Schiffe aus ganz Indien und Äthiopien, weil sie in die Mitte der Länder gestellt ist und gleichfalls viele Schiffe nach allen Weltrichtungen entsendet; namentlich aus den dahinterliegenden Gewässern, so von Tzinitza (China) und anderen Stapelplätzen bringen sie Metaxin (Seide), Aloë (Aloëholz zum Räuchern), Gewürznelken und Tzandana (Sandelholz) zum Austausch; auch noch andere Waren jener Gegenden, die sie zu den Völkern des vorderen Meeres bringen, nämlich nach Male (Mahe in Malabar), wo der Pfeffer wächst, und nach Kalliana (bei Bombay), wo Erz gewonnen wird und Sesamholz (?) und was Gewebe zur Kleidung gibt; denn auch diese Stadt ist ein großer Handelsplatz. Auch mit Sind, wo es Moschus, Bibergeil und Narden gibt, verkehrt diese Insel, ebenso mit Persien, dem Glücklichen Arabien und Adule (Zeila in Massaua in der italienischen Kolonie Erythräa am Roten Meer). Von diesen Handelsplätzen tauscht sie wiederum Waren ein, welche sie nach dem hinteren Indien führt, zugleich die Ausfuhr der eigenen Produkte besorgend.“
In Deutschland erwähnt die Gewürznelken zuerst die heilige Hildegard, Äbtissin von Rupertsberg (1098–1179) als nelchin. Der erste Europäer, der die Stammpflanze sah, war der venezianische Reisende Marco Polo, der sie 1272 auf den Sundainseln wachsen sah. Im Mittelalter besorgten die Araber den Zwischenhandel mit den Indern und lieferten die Gewürznelken mit Zimt und Pfeffer den Venezianern, die diese Gewürze ihrerseits wieder den Völkern Europas vermittelten und reichen Gewinn aus diesem Handel zogen. Erst als der Weg nach den Gewürzländern um Afrika herum von den Portugiesen erschlossen war, rissen sie das höchst einträgliche Gewürzmonopol an sich. Wie Spanien etwa 300 Jahre lang, bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts, den Handel mit ihren reich mit Pflanzenschätzen und teilweise auch Gold ausgestatteten amerikanischen Kolonien für sich beanspruchte, taten es gleicherweise ihre Konkurrenten, die Portugiesen, in Ostindien und der malaiischen Inselwelt, die sie 1524 in Beschlag nahmen. Von 1529 an mußten alle aus Ostindien zurückkehrenden Schiffe ihre Rückfracht ausschließlich in der Casa da India in Lissabon löschen und mehr wie einmal ordnete der König, der sich den stolzen Titel „Herr des indischen Handels“ beilegte — wie später sein Nachfolger, die holländisch-ostindische Handelskompagnie — die Vernichtung der kostbaren indischen Gewürze an, wenn deren Vorräte zu sehr anschwollen und die Preise zu drücken drohten. Erst im Jahre 1599 sprengten die inzwischen in der Seefahrt erstarkten Holländer diese von den Portugiesen ausgeübte Ozeansperre. Nach der Eroberung der von den Portugiesen nicht mehr zu haltenden Molukken im Jahre 1621 übernahm die holländisch-ostindische Kompagnie das Gewürzmonopol, das sie bis zum Jahre 1796 zu behaupten vermochte. Während dieser ganzen Zeit bestimmte sie den Preis der vielbegehrten Gewürze. Das äußerst gewinnbringende Monopol wurde, so gut es ging, auch von den Engländern während deren Okkupation von Holländisch-Indien in den Jahren 1796–1802 und 1810–1816 aufrechterhalten. Als dann die Gewürzinseln im letztgenannten Jahre definitiv an Holland zurückfielen, nützte diesen das, wie auch die Zwangskultur, bis 1873 theoretisch festgehaltene Monopol für Gewürznelken und Muskatnuß nur noch wenig. Wie in der Sage der Lindwurm seinen Schatz in der Höhle, so hüteten die Holländer ihre von den zu Sklaven gemachten Eingeborenen kultivierten Gewürznelkenbäume auf den Inseln Amboina und Saparna, nachdem sie alle anderen als die von ihnen dort beaufsichtigten Gewürznelkenbäume auf sämtlichen Inseln der Molukken zerstört hatten. Auf ihren Streifzügen durch die Nachbarinseln, die zu dem Zwecke unternommen wurden, um alle aus durch Vögel oder Menschen verschleppten Samen hervorgegangenen Gewürznelkenbäume zu vernichten, vollführten die rohen von der holländisch-ostindischen Kompagnie dazu angestellten Soldaten die unerhörtesten Grausamkeiten gegen die armen Eingeborenen, die dem Baume fast abgöttische Verehrung erwiesen. Sie nannten ihn einen König unter den Gewürzpflanzen und führten Gewürznelken als wirksames Mittel gegen Zauberei bei sich, was bis auf den heutigen Tag der Fall ist. Ja, Vornehme tragen sie als auszeichnenden Schmuck in Unterlippe, Nase und Ohren.
Das so eifrig von den Holländern gehütete Gewürzmonopol erlitt den ersten Stoß als es 1770 dem französischen Statthalter von Isle de France (dem heutigen Mauritius) Poivre gelang, ungeachtet der auf die Ausführung der Bäume gesetzten Todesstrafe durch eine auf zwei kleinen Schiffen nach deren Erlangung ausgesandte Expedition sich aus Samen kleine Pflänzchen des Gewürznelken- und Muskatnußbaumes zu verschaffen. Die schlauen Franzosen überlisteten die Holländer und vermochten auch mit ihren beiden Schiffen der Verfolgung des ihnen nachgesandten Geschwaders zu entgehen. Sie brachten den Gewürznelkenbaum zuerst nach Isle de France, dann auf die Seychellen, Réunion und Bourbon, von wo er 1773 nach Cayenne und den übrigen westindischen Besitzungen Frankreichs gelangte, wo er gleichfalls gut gedieh. Von der Insel Isle de France, die die Engländer 1810 von den Franzosen eroberten, um sie nach der Bezeichnung der vorher die Insel innehabenden Holländer, die sie nach dem Statthalter der Niederlande Prinz Moritz von Oranien (1567–1625) benannt hatten, wiederum Mauritius zu heißen, verbrachten ihn die Engländer nach der Halbinsel Malakka und den von ihnen vorübergehend besetzten Inseln Java und Sumatra. Auch wurde er auf Sansibar und Pemba, wo die Kultur 1793 durch den Araber Harameh ben Saleh von Mauritius aus eingeführt wurde, und an anderen Orten mit solch gutem Erfolge verpflanzt, daß mit der Zeit die Gewürznelkenproduktion der Molukken ganz in den Hintergrund gedrängt zu werden vermochte. Gegenwärtig ist die wichtigste Bezugsquelle der Gewürznelken Sansibar mit der Nachbarinsel Pemba, obgleich in den 1860er Jahren ein gewaltiger Sturm — eine sonst dort verhältnismäßig selten zu beobachtende Naturerscheinung — fast alle Gewürznelkenbäume zerstörte und auch die Qualität der hier gewonnenen Gewürznelken keineswegs als die beste gilt. Die feinste Sorte liefert immer noch Amboina, deren Menge aber zu gering ist, als daß sie auf dem Weltmarkte eine große Rolle zu spielen vermöchte.
Als Nelkenzimt (Cassia caryophyllata) werden nelkenartig riechende Rinden verschiedener Bäume bezeichnet, so z. B. der indischen Sizygium caryophyllatum, der westindischen Pimenta acris, beides Myrtengewächsen, sowie des brasilianischen Dicypellium caryophyllatum, eines dem Zimt näher verwandten Baumes aus der Familie der Lorbeergewächse. Doch haben diese Rinden nur eine lokale Bedeutung und gelangen kaum in den Welthandel. Dafür aber liefert ein naher Verwandter des Gewürznelkenbaums das Piment (vom mittellateinischen pigmentum Farbstoff) oder den Nelkenpfeffer, dessen Geschmack und Geruch allerdings weniger an Pfeffer als an Gewürznelken erinnert. Feinschmecker wollen erkennen, daß das Piment den Geruch und Geschmack von Gewürznelken, Pfeffer, Zimt, kurz von allen Gewürzen in sich vereinige. Das gab Veranlassung zur Bezeichnung allspice, d. h. Allgewürz, unter welchem Namen ihn die Engländer als ein äußerst beliebtes Gewürz ihrer westindischen Kolonie Jamaika viel verwenden. Die Welt ist darauf angewiesen, ihren Bedarf an Piment von dieser Insel zu beziehen, weshalb man ihn vielfach auch Jamaikapfeffer bezeichnet. Nur dort in seiner engeren Heimat Jamaika und einigen Nachbarinseln erzeugt der Pimentbaum das volle Aroma seiner Früchte. Wild kommt er nur auf Kalksteinhügeln in der Nähe des Meeres vor, wird aber schon lange im großen angepflanzt. Er ist aber so empfindlich für Boden und Klima, daß es nicht einmal gelang, seine Kultur in nennenswertem Umfange auf den nördlichen westindischen Inseln einzuführen.
Der Pimentbaum (Pimenta officinalis) ist ein immergrüner, breitästiger, im Wuchse dem Apfelbaum ähnlicher Baum, der in Westindien häufig zur Anpflanzung von Alleen benutzt wird. Alle Teile des Baumes, besonders die unreifen Früchte, besitzen einen starken, feurigen, aber angenehmen aromatischen Geschmack. Die nahezu weiße Rinde des 10–12 m hohen Baumes, deren äußerste Schicht er alljährlich abwirft, ist ebenso aromatisch wie die 10 cm langen tiefgrünen, glänzenden, länglich ovalen, etwas lederigen Blätter. Aus den Blattwinkeln und Zweigspitzen treten Rispen von zahlreichen, kleinen, weißen, starkduftenden Blüten. In Westindien blühen die Bäume gewöhnlich zweimal im Jahre; aber nur die Blüten, die im April und Mai erscheinen, sind fruchtbar und erzeugen erbsengroße, kugelige, zweisamige Früchte von bei der Reife purpurroter Farbe. Sie enthalten dann ein süßes, kleberiges Fruchtfleisch, aus welchem allerdings das feine Aroma zum größten Teil verschwunden ist, das während ihres unreifen Zustandes so stark hervortrat. Sie werden deshalb unreif grün geerntet, sobald sie die Größe von Pfefferkörnern erlangt haben, und dann an der Sonne oder in Darröfen getrocknet, wobei sie eine gelbbraune Farbe annehmen. Ein vollkräftiger Baum liefert bis zu 60 kg grüner oder 40 kg getrockneter Früchte, die ein dem Gewürznelkenöl sehr ähnliches und auch als Ersatz desselben verwendetes ätherisches Öl enthalten.
Das allgemein als Küchengewürz verwendete Piment wird zuerst von Clusius (Charles de l’Ecluse, 1526 zu Arras in Nordfrankreich geboren und 1609 als Professor der Botanik zu Leiden in den Niederlanden gestorben) erwähnt. Der Pimentbaum wird vorzugsweise auf der Nordseite der Insel Jamaika, neuerdings aber auch in anderen Tropengebieten, so seit dem 17. Jahrhundert in Ostindien kultiviert, doch liefert er, wie gesagt, nur in seiner engeren Heimat die besten, gewürzreichsten Früchte.